Ansprache zum 125 Jahre Jubiläum der Villiger Söhne AG Heinrich

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Ansprache zum 125 Jahre Jubiläum der Villiger Söhne AG Heinrich
Ansprache Heinrich Villiger - 18. September 2013 - Seite 1/4
Ansprache zum 125 Jahre Jubiläum der Villiger Söhne AG
Heinrich Villiger
18. September 2013
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Gäste!
Zum 125 jährigen Jubiläum des Bestehens unseres Unternehmens begrüsse ich Sie alle sehr
herzlich,
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unsere Geschäftsfreunde aus nah und fern, insbesondere unsere schweizerischen Kunden,
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massgebliche Repräsentanten des Tabakwarenhandels in Deutschland,
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unsere Exportkunden aus mehr als 20 Ländern,
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unsere Rohtabaklieferanten aus mehreren Kontinenten,
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den Hersteller unserer Handmade Longfiller Zigarren in der Dominikanischen Republik, Matias Maragoto
•
die Vertreter unserer vielen Zulieferanten von A bis Z, d.h. von Alu-Verpackungen bis
Zigarren-Accessoires
•
die heute hier anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Unternehmens
•
und last but not least meine Familie, meine liebe Frau, meine Kinder und Enkelkinder,
meine Schwester Monika, die während der jahrzehntelangen Mitarbeit in unserer Firma
unser Exportgeschäft nachhaltig aufgebaut hat und ganz besonders meinen Bruder Kaspar
Villiger, mit dem ich vor seiner politischen Karriere während 23 Jahren als Partner
zusammengearbeitet habe. Er hat sich bereit erklärt, heute die Laudatio zu halten, und dafür danke ich ihm sehr herzlich.
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Willkommen heisse ich auch die Repräsentanten der uns nahestehenden Behörden und aus der
Politik, wobei die meisten der von uns eingeladenen Bundes-Parlamentarier wegen der zurzeit in
Bern stattfindenden sog. «Session» ihre Teilnahme absagen mussten. Gerne begrüsse ich auch
die Medien, die trotz der seit Jahren andauernden Attacken gegen den Tabak unserer Branche die
Stange gehalten haben.
Ich danke Ihnen, dass Sie zum Teil sehr lange Anreisewege in Kauf genommen haben, um heute hier an unserem Fest teilzunehmen. Ich danke insbesondere auch meinen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern, die an den Vorbereitungen zu dieser Feier tatkräftig mitgewirkt haben. Letztlich
möchte ich auch einen Gast aus der Zunft der Schriftsteller willkommen heissen, Wolf Wondratschek, der Verfasser des Romans MITTWOCH, den wir Ihnen heute am Ende unserer Feier überreichen dürfen. Wir befinden uns hier im Zirkus Monti, und deshalb möchte ich auch ganz besonders den Zirkusdirektor Johannes Muntwyler mit seiner Crew begrüssen.
Sie alle kennen das schöne Sprichwort, dass man die Feste feiern soll, wie sie fallen. Ich erinnere
mich noch vage an unsere 50 Jahr-Feier im Jahre 1938, die ich als Bub miterlebt habe. Ich war
damals 8 Jahre alt. 12 Jahre später habe ich meine Tätigkeit in unserer Firma aufgenommen. Aber
schon vorher erlernte ich während meiner Schulferien die wesentlichen Tätigkeiten der Zigarrenherstellung in Handarbeit: das Entrippen der Tabakblätter, die Herstellung der Wickel und die
nachfolgende Überrollung mit Deckblatt. Das sind in Europa vergangene Zeiten.
Die ganze Produktion ist heute mechanisiert. Im Jahre 1978 feierten wir an unserem Stammsitz
in Pfeffikon das nächste Jubiläum: 90 Jahre Villiger. Auf die Frage eines Journalisten, weshalb wir
denn «nur» die 90 Jahre feiern würden, antwortete mein Bruder spasshaft: «Weil wir nicht ganz
sicher sind, ob wir die 100 Jahre noch schaffen werden».
Seither sind 35 Jahre vergangen, und in diesen 35 Jahren erfolgten zwei radikale Veränderungen:
die vollständige Mechanisierung der Produktion und die Konzentration auf nur noch 4 Herstellungsbetriebe:
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das Stammhaus in Pfeffikon im Kanton Luzern (Schweiz),
•
das deutsche Stammhaus in Tiengen am Hochrhein (gegründet 1910),
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das Werk in Bünde/Westfalen, heute eine der modernsten Fabriken für die Herstellung von Zigarillos in Europa,
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und letztlich das neue Werk in Indonesien für die Aufbereitung der sog. «Deckblätter» für die anderen drei Produktionsstätten.
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Wir beschäftigen rund 1‘500 Mitarbeitende, davon 700 in Europa und USA sowie 800 in Indonesien. Wir haben derzeit eine Produktionskapazität von rund 1,4 Milliarden Stück Zigarren und Zigarillos per annum, die wir im vorigen Jahr auch verkauft haben.
Die grosse Frage ist natürlich die, wohin die Reise in den nächsten Jahren geht. Das ist die Frage, die alle hier Anwesenden beschäftigt. Sie wissen alle, dass die internationale Tabakwirtschaft
unter dem massiven Beschuss der Gesundheitsfanatiker steht. Dazu gehören leider auch die
staatlichen Behörden, und dies weltweit. Sämtliche wirtschaftlichen Aspekte werden dabei ausgeblendet. Das fängt bei der Landwirtschaft an: es gibt weltweit 30 Millionen Tabakbauern, deren
Existenz gefährdet ist. Und das hört bei der Tabaksteuer auf, die in allen Ländern zu den wichtigsten Einnahmequellen gehört. Und dies seit dem Jahre 1624, als Jakob der I., König von England,
Irland und Schottland, als erster eine Abgabe auf Tabak einführte: sie belief sich auf zwei Pence
pro Pfund. Heute sind es weltweit Milliardenbeträge, die von der ganzen Kette der Tabakwirtschaft
erarbeitet und an die Staatskassen abgeführt werden Der Staat ist der grösste Partner unserer
Industrie, er kassiert, ohne eine Leistung für diese Branche zu erbringen, und er arbeitet gegen
uns. Wenn die Generaldirektorin der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, Dr. Margaret Chan,
öffentlich erklärt, dass es das Ziel ihrer Organisation sei, bis zur Mitte dieses Jahrhunderts - das
ist in 37 Jahren - eine tabakfreie Welt herbeizuführen, so muss man sich fragen, wo der gesunde
Menschenverstand geblieben ist.
Es ist eine straff organisierte Lobby der Gesundheitsindustrie, die weltweit gegen die Tabakwirtschaft agiert - vor allem mit Statistiken über Rauchertote, die nicht nachprüfbar sind. Die
Tabakgegner sind ausserordentlich empfindlich, wenn diese Statistiken angezweifelt werden.
Wegen einer entsprechenden Äusserung meinerseits in einer politischen Talkshow des Schweizer Fernsehens vor zwei Jahren wurde ich von einer Kampforganisation der Gegenseite vor Gericht gezogen. Ich solle diese Behauptung zurücknehmen und auf meine Kosten in den grossen
schweizerischen Tageszeitungen veröffentlichen. Der Richter gab mir Recht: die schweizerische
Bundesverfassung gewähre jedem Bürger die freie Meinungsäusserung. Man dürfe dem Bürger
keinen Maulkorb anlegen.
Man verstehe uns - die Hersteller von Tabakfabrikaten - richtig: wir bestreiten nicht, dass der
Genuss von Tabak gesundheitsschädlich sein kann. Wir akzeptieren auch Warnaufdrucke und
Rauchverbote zum Schutze der Nichtraucher und Menschen, die sich am Tabakrauch stören. Aber
was die EU-Kommission in Brüssel mit ihrer zweiten Auflage der Tabakprodukte-Richtlinie jetzt
europaweit durchsetzen will, sprengt die Grenzen jeder Vernunft und Verhältnismässigkeit. Das
ist nicht mehr nachvollziehbarer Bürokratismus in Reinkultur - zu Lasten des Steuerzahlers. Denn
wenn der Konsum einbricht, so reduzieren sich die Tabaksteuereinnahmen, die nur über andere
Steuern kompensiert werden können.
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Die Geschichte zeigt uns, dass das Pendel nicht nur auf eine Seite schwingt und dort stehen
bleibt, sondern auch wieder zurückpendelt, wie bei den politischen Wahlen. Mal ist die eine Seite
am Zuge, dann folgt wieder eine andere. Es gibt auch das Faktum der «Ermüdung»: früher oder
später will der Bürger und Konsument nicht immer wieder dasselbe hören. Glücklicherweise ist der
Mensch von Natur aus nicht dumm. Wir vertrauen darauf, dass die Vernunft wieder einkehren und
der mündige Bürger und Konsument den Regulierungsmarathon der Politik nicht mehr akzeptieren wird. Und wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass insbesondere Zigarren und Zigarillos
ein Genussmittel sind, das zu unserer Kultur gehört. In diesem Sinne sehen wir den nächsten 125
Jahren nicht nur gelassen, sondern auch zuversichtlich entgegen.
Und nun wünsche ich Ihnen einen schönen Abend. Geniessen Sie diesen auch mit einer feinen
Zigarre oder einem kleinen Zigarillo. Viel Vergnügen! .
Ansprache Kaspar Villiger - 18. September 2013 - Seite 1/8
Ansprache zum 125 Jahre Jubiläum der Villiger Söhne AG
Kaspar Villiger
18. September 2013
Lieber Heinrich
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich will gleich mit dem Wichtigsten beginnen. Ich möchte der Jubilarin, der Villiger Söhne AG, sehr
herzlich zum 125. Geburtstag gratulieren und ihr für die Zukunft viel Erfolg und gutes Gedeihen
wünschen!
Ich habe die Einladung meines Bruders Heinrich gerne angenommen, hier einige Gedanken zum
grossen Jubiläum zu entwickeln. Während 23 Jahren haben mein Bruder und ich das Familienunternehmen gemeinsam geführt. Das ist genau die erste Hälfte meines aktiven Berufslebens. Ich
möchte diese Zeit nicht missen. Das dabei investierte Herzblut führte zu einer inneren Bindung,
die bis heute hält.
Unsere Welt ist schnelllebig geworden. Einst klangvolle Firmennamen sind verschwunden, gerade
auch in der Zigarrenindustrie. Neue Namen erarbeiten sich Geltung auf den Märkten. Dass ein
Familienunternehmen ein und einviertel Jahrhunderte erfolgreich übersteht, ist eine respektable
Leistung. Viele haben dazu beigetragen. Ich will nur einige nennen: Vorab Firmengründer Jean
Villiger, dann seine mutige Frau Louise, ihre Söhne Hans und Max, natürlich meinen Bruder
Heinrich, auch meine Schwester Monika, welche den Namen Villiger in die entlegensten Winkel
der Welt trug. Erwähnung verdienen aber auch die vielen tüchtigen, treuen, teils langjährigen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die stets ihr Bestes gaben und deren Namen uns unvergesslich
sind. Ihnen allen gilt heute unser Dank!
Es gibt auch weitere bedeutende - wie man heutzutage so schön zu sagen pflegt - Stakeholders,
welche zum Gedeihen eines Unternehmens Unverzichtbares beitragen. Ich will nur zwei nennen:
Die Kunden, ohne die kein Unternehmen überleben kann, und die Lieferanten, beispielsweise
jene, welche Tabake der gebotenen Qualität produzieren. Auch sie haben unseren Dank verdient!
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Eine Firmengeschichte wird im Wesentlichen von drei Faktoren geprägt: Vom Unternehmer selber
natürlich in erster Linie, dann vom jeweiligen wirtschaftspolitischen Hintergrund und schliesslich
vom Zeitgeist. Alle drei möchte ich kurz streifen. Ich beginne mit der Politik!
Der wirtschaftspolitische Hintergrund
Der Wohlstand eines Landes wird von den Menschen in der Wirtschaft erarbeitet, nicht von den
Politikern. Die Menschen werden diese Leistung nur dann erbringen, wenn sie deren Früchte behalten dürfen, wenn also diese Früchte nicht wegbesteuert, enteignet, weginflationiert oder sonstwie politisch entwendet werden. Weiter müssen die Menschen auf freien Arbeitsmärkten ohne
Zutrittsbarrieren ihre Talente bestmöglich nutzen können und dürfen. Deshalb brauchen sie Chancengleichheit und Bildungsmöglichkeiten, aber auch Rechtssicherheit und Schutz vor unverschuldeter Not. Die Erfahrung zeigt, dass nur die Kombination von Demokratie und Marktwirtschaft diese Bedingungen nachhaltig zu erfüllen vermag. Ein Staat mit zerrütteter Wirtschaft verliert in den
Augen der Bürger seine Legitimation. Wir erleben zurzeit einschlägigen Anschauungsunterricht in
der EU, der das belegt. Deshalb ist der demokratische Staat auf Marktwirtschaft angewiesen, weil
nur sie genügend Wohlstand zu erarbeiten vermag. Umgekehrt braucht auch die Marktwirtschaft
den Staat. Nur er kann die verlässlichen Rahmenbedingungen schaffen und die notwendigen
Freiräume sichern, die sie zum Gedeihen braucht. Ich denke an die Gewährleistung der Handels-,
Gewerbe- und Vertragsfreiheit, an vernünftige Steuerbelastung, an Eigentumsgarantie, an langfristig stabile und berechenbare Rechtsordnungen, an die Durchsetzungsfähigkeit privater Verträge,
an ein leistungsfähiges und durchlässiges Bildungssystem oder an gute Infrastrukturen. Staat und
Marktwirtschaft sind also aufeinander unentrinnbar angewiesen.
Nun neigt leider die Demokratie dazu, unter tausend Vorwänden zunehmend in die Märkte einzugreifen, bis sie nicht mehr richtig funktionieren. Stotternde Wirtschaftsmotoren in vielen Industriestaaten belegen das beispielhaft. Staatseingriffe erzeugen immer Anreize, auf welche die Menschen reagieren. Sie tun dies oft aber anders, als die Politik beabsichtigt hat. Gut gemeint ist nicht
notwendigerweise gut. Der Deutsche Ökonom Horst Siebert nannte das den Kobra-Effekt. Vor
Jahrzehnten musste sich der indische Vizekönig offenbar mit Klagen wegen einer zunehmenden
Kobraplage herumschlagen. Um die Kobrapopulation zu reduzieren, bezahlte er jedem eine Prämie, der einen Kobrakopf ablieferte. Das Gegenteil geschah: Die Kobras begannen sich noch viel
rascher zu vermehren. Die Menschen hatten begonnen, Kobras zu züchten, um in den Genuss
der Prämie zu kommen.
Man darf gewiss sagen, dass die staatlichen Rahmenbedingungen zum Aufbau eines Unternehmens in der Schweiz nach der Schaffung des Binnenmarkts mit der Bundesverfassung von 1848
bis heute günstig waren. Das ist die Leistung von Generationen von Politikern und Wirtschaftsexponenten. Daran darf man bei einem Firmenjubiläum durchaus dankbar erinnern. In Deutschland
gab es mit den beiden Weltkriegen schmerzliche Zäsuren, welche auch bei Villiger tiefe Spuren
hinterliessen. Erst mit der Entstehung der Bundesrepublik entstand ein auch marktwirtschaftlich
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stabiles Umfeld. Auf beiden Standorten sind allerdings gefährliche Tendenzen feststellbar, durch
«Kobra Eingriffe» diese Errungenschaften wieder aufs Spiel zu setzen.
Obwohl wir also keinen Grund haben, über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf unseren
Standorten zu klagen, gibt die Firmengeschichte doch lehrreichen Anschauungsunterricht zum
Problem der Kobra-Effekte auch auf unseren Standorten. Mit Protektionismus beispielsweise
wollen Politiker häufig ihre Wirtschaft schützen. Aber das Resultat ist stets das Gegenteil: Weniger
Wachstum und mehr Arbeitslosigkeit. Als Baden 1836 neue Zollmauern errichtete, brach der beachtliche Export von Baumwolltuch aus unserem heimischen Wynental in deutsche Länder vollständig zusammen. Bescheidener Wohlstand wich grosser Not. Einige Gemeinden im Wynental
bezahlten jungen Männern sogar Einfachbillette nach Amerika, weil sie zu Hause für die Jungen
keine Zukunft mehr sahen. Diese existenzielle Wirschaftskrise war übrigens der Grund dafür, dass
findige Textilunternehmer des Wynentals nach neuen Märkten suchten und dabei die Zigarrenfertigung entdeckten. Protektionismus war auch der Grund dafür, dass Louise Villiger in Tiengen 1910
die deutsche Niederlassung gründete. Ihr Export nach Deutschland war wegen neuer Schutzzölle
eingebrochen.
Nach dem Krieg bangte man um die Existenz der Zigarrenindustrie. 1946 wurde der Bundesrat im
AHV-Gesetz verpflichtet, Massnahmen zum Schutz der Handarbeit in dieser Branche zu treffen.
Auf dieser Basis wurde eine prohibitive Abgabe auf maschinell hergestellten Fabrikaten eingeführt.
Später setzte eine unheilige Allianz von Gewerkschaften und wenig dynamischen Fabrikanten eine
staatliche Kontingentierung der Produktion der einzelnen Fabrikanten zum vermeintlichen Schutz
der Branche durch. Beides hatte absurde Folgen: Die Zigarrenindustrie geriet in technologischen
Rückstand, und während Villiger mangels Kontingent die Fabrik einige Zeit schliessen musste, waren andere Fabriken gezwungen, mangels Absatz Kurzarbeit einzuführen. Es ist im Übrigen eine
keineswegs zufällige Ironie der Geschichte, dass praktisch alle Unternehmen, welche damals in
Bern um Schutz bettelten, heute nicht mehr existieren.
Noch eine typische Anekdote aus Deutschland: Als die Bundesrepublik die Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall vom ersten Tag an einführte - dass muss etwa Anfang der 70iger Jahre gewesen
sein -, verdoppelte sich der Krankenstand in unseren Werken München und Berlin über Nacht. Bei
den soliden Alemannen im Süden stieg er meiner Erinnerung nach nur um etwa 30%!
Alte Geschichten, könnte man meinen. Aber die Kobras sind in der Wirtschaftspolitik noch heute
omnipräsent. Sie kommen zwar immer in neuen Gewändern daher, aber doch stets mit vergleichbaren Zielen. Die aktuelle Wirtschaftskrise gibt offenem und verstecktem Protektionismus neue
Nahrung. Die durch vermeintlich schützende Vorschriften verkrusteten Arbeitsmärkte sind in vielen
EU-Ländern der Hauptgrund der hohen Arbeitslosigkeit, vor allem auch der verheerenden Jugendarbeitslosigkeit. Und was andere Länder aus bitterer Erfahrung auszuforsten versuchen, ist hier
in der Schweiz in der politischen Pipeline. Ich denke etwa an Mindestlohn-, AHV-Aufstockungs-,
Krankenkasseneinheits- oder 1:12-Initiative. Deren Annahme durch das Volk müsste die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz langfristig massiv beeinträchtigen. Darauf, dass der Tabak ein beson-
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ders beliebtes Spielfeld der professionellen Regulierer geworden ist, werde ich zurückkommen.
Der Unternehmer, die zentrale Figur der Wirtschaft!
Doch nun zum Unternehmer! Er ist die zentrale Figur der Wirtschaft. Er ist ihr Motor. Er investiert
und geht damit enorme Risiken ein, obwohl er nicht weiss, ob er Erfolg haben wird. Die moderne
Verhaltensökonomie weist nach, dass gute Unternehmer immer unverbesserliche Optimisten sind.
Sie schätzen ihre Chancen stets besser ein, als sie wirklich sind. Das ist ökonomisch gesehen
gut so. Zwar gäbe es ohne diesen Optimismus vielleicht weniger Misserfolge, aber auch weniger
Erfolge und damit weniger Wachstum und Wohlstand. Die Risiken des Unternehmers sind beträchtlich. Im Misserfolgsfall droht Konkurs, Verlust des Vermögens, Ächtung in der Öffentlichkeit,
Verantwortlichkeitsklagen usw. Der Unternehmer wird diese enormen Risiken nur eingehen, wenn
er im Erfolgsfall dafür belohnt wird. Deshalb sind konfiskatorische Einkommens-, Vermögens- und
Erbschaftssteuern, allmählich erodierende Eigentumsgarantie (auch des geistigen Eigentums)
oder immer höhere regulatorische Hürden eigentliche Innovations- und Wachstumskiller. Länder,
die das nicht glauben, zahlen einen hohen Preis dafür. Ich denke etwa an Italien oder Frankreich.
Ohne ausgeprägten Unternehmergeist in allen Phasen der Firmengeschichte gäbe es Villiger
längst nicht mehr. Ich will das an einigen Beispielen zeigen. Jean Villiger war Buchhalter bei JeanJacques Eichenberger in Beinwil, jenem Textilunternehmer, der als erster angesichts der Textilkrise auf Stumpen umgestellt hatte. Jean Villiger hatte den Mut, selber anzufangen. Sein Chef
verfügte kein Konkurrenzverbot, sondern gab ihm sogar einen beachtlichen Kredit als Starthilfe.
Louise Villiger, seine Frau, war die Tochter eines Bankdirektors und eine geborene Geschäftsfrau.
Jean Villiger starb viel zu früh im Alter von etwa 40 Jahren und hinterliess seine Witwe mit vier unmündigen Kindern. An der Beerdigung ihres Mannes nahm ein Konkurrent (dessen Firma Villiger
später übernahm) Louise Villiger beiseite und machte ihr einen Heiratsantrag mit der Begründung,
sie sei erstens als Frau ohnehin nicht in der Lage, eine Firma zu führen, und zweitens ergäben
beide Firmen zusammen doch ein sehr anständiges Volumen. Sie lehnte dankend ab und schaffte es alleine. Das war in der damaligen Zeit eine aussergewöhnliche Leistung für eine Frau. Als
sie 1910 den Direktor ihrer Hausbank wegen der allfälligen Eröffnung einer Filiale in Deutschland
um Rat fragte, erhielt sie folgende lakonische Antwort: «Frau Villiger, bleibe im Lande und nähre
Dich redlich!». Zu Hause äusserte sie sich ihren Kindern gegenüber sehr abfällig über den mutlosen Bankdirektor und entschloss sich erst recht, die Filialgründung an die Hand zu nehmen. Sie
schaffte damit schon 1910 den EU-Beitritt von Villiger!
Max Villiger war der eigentliche Motor der zweiten Generation. Er hatte mit einem Freund aus dem
Nachbardorf Reinach in den USA als etwa 22jähriger eine kleine Zigarrenfabrik gegründet, die
offenbar recht erfolgreich war. Er liess sich aber dann von seiner Mutter bewegen, zurück nach
Hause zu kommen und ins Familienunternehmen einzusteigen. Er schlug der Mutter nach amerikanischem Vorbild vor, intensiv in Werbung zu investieren. Sie lehnte dies mit dem Argument ab,
für solches sei zu wenig Geld vorhanden, und Sicherheiten für einen Kredit stünden ohnehin nicht
mehr zur Verfügung. Max Villiger liess nicht locker und suchte bei der Bank im Nachbardorf um
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einen Kredit für Werbung ohne Sicherheiten nach, womit er glorios abblitzte. Er gab deswegen
aber nicht auf. Der Direktor einer grösseren Bank in Aarau gewährte ihm schliesslich nach einem
einstündigen Gespräch den Kredit mit dem Argument, der junge Mann mache ihm einen sehr
guten und engagierten Eindruck. Manchmal ist es gut, wenn in einer Bank Menschenkenner und
nicht Computer entscheiden! Diese Bank wurde für Jahrzehnte die Hausbank. Max Villiger sprudelte nur so von erfolgreichen Marketingideen, etwa während des Krieges, als er den handlichen
Rio 6 entwickelte, der genau in die Patronentasche der Soldaten im Aktivdienst passte, oder das
für die damalige Zeit elegante Fünferétui für den Villiger Export. Dieses Etui allerdings verstiess
gegen die Kartellvorschriften, was zu einem Boykott von Villiger durch den Handel führte. Aber Villiger liess sich davon nicht beeindrucken, und als immer mehr Kunden in den Fachgeschäften ein
Päckli «Villiger Boykott» verlangten, musste das Kartell nachgeben. Max Villiger, auch das ein Beleg seines kämpferischen Unternehmergeistes, führte einen einsamen Kampf gegen die erwähnte
Tabakkontingentierung. Er verlor ihn schliesslich. Wir Kinder erlebten hautnah mit, wie ihn dieses
hoffnungslose Unterfangen in die Verzweiflung trieb. Als sich der Stumpfsinn dieser Massnahme
klar abzuzeichnen begann, wurde sie nach einigen Jahren sang- und klanglos aufgehoben. Für
Max Villiger war das eine späte Genugtuung.
Wir wissen alle, dass die Zigarrenindustrie einem langfristigen Erosionsprozess unterworfen wurde. Unternehmen um Unternehmen fiel diesem sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz
zum Opfer. Normalerweise ist es nach einem gängigen Vorurteil die dritte Generation, welche ein
Familienunternehmen ruiniert. Aber die kreativen unternehmerischen Gene haben sich offensichtlich vererbt. Mein Bruder hat mit immer wieder neuen Ideen Marktnischen erschliessen können,
die den Fortbestand des Unternehmens sicherten, angefangen von den ersten Mundstückzigarillos in Europa über den Einstieg ins Luxusgeschäft mit Importen aus Havanna oder Santo Domingo
bis zum Massengeschäft mit preisgünstigen Kleinzigarillos. Auch die nicht risikolose Verlagerung
gewisser Arbeitsgänge nach Indonesien erwies sich als ein probates Mittel, die Qualitätszigarren
preislich erschwinglich zu erhalten.
Der Zeitgeist
Tabak ist ein Genussmittel. Genussmittel, mit Verstand konsumiert, verschönern das Leben. Sie
zu geniessen, ist legitim. Aber zum Überleben sind sie nicht nötig. Im Übermass konsumiert, können sie der Gesundheit schaden. Welche Genussmittel wie häufig konsumiert werden, unterliegt
modischen Schwankungen. So war und ist der Tabak umstritten, seit ihn Columbus 1492 bei den
Eingeborenen auf den Antillen entdeckte. Mal wurde Tabak als Heilmittel gepriesen, mal als Hochgenuss verklärt, mal als Mittel zum versöhnlichen Ritual in der Gruppe gelobt, mal als Teufelszeug
gebrandmarkt, mal als Mordwerkzeug verunglimpft. Es scheint, dass Genussmittel dann toleriert werden, wenn sie von einer Mehrheit konsumiert werden, und dass sie dann missionarisch
bekämpft werden, wenn sie das Vergnügen einer Minderheit bilden. Alkohol ist mehrheitsfähig.
Aber die Zerstörung von Menschen und Familien durch Alkoholismus ist weit weniger ein Thema,
als das leichte Zigarettenlüftchen, das eine Serviceangestellte beim Kurzauftritt in einem Fumoir
bedrohen könnte. Als ich ins Geschäftsleben trat, war Rauchen noch akzeptiert und viel verbrei-
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teter als heute. An Parteiversammlungen herrschte oft so viel Nebel, dass man den Vorsitzenden
kaum erkennen konnte, und die Damen, welche sich hin und wieder Reiztränen aus den Augen
wischten, wagten nicht, dagegen aufzumucken. Ich erinnere mich, dass an einem Wahlanlass im
Kanton Luzern ein Bürger aufstand und unter Applaus meinte, es sei ja schön und recht, was der
Herr Grossratskandidat Villiger da erzähle, aber er hätte lieber den Villiger-Vertreter Morgenthaler
hier gesehen, dann gäbe es wenigstens ein Stumpen-Muster. Und heute, nachdem die Raucher in
der Minderheit sind? Da wird einer schon fast ausgepfiffen, wenn er nur eine halb leere Zigarettenschachtel auf den Tisch legt. Man verstehe mich recht: Im Grunde war früher die Rücksichtslosigkeit gewisser Raucher Nichtrauchern gegenüber inakzeptabel. Aber ist das Gegenteil die richtige
Antwort?
Gewiss, es ist richtig, die Menschen über allfällige Gefahren des Konsums aufzuklären, auch des
Tabakkonsums. Ich habe nichts gegen vernünftig und sachlich gestaltete Warnaufdrucke auf den
Packungen. Die Menschen haben das auch zur Kenntnis genommen. Ich kenne keinen Zigarettenkettenraucher, der sich der Risiken nicht genau bewusst wäre, keinen Fettleibigen, die nicht
um die Problematik des Big Mac wüsste, keinen Kampftrinker, der sein unsinniges Verhalten nicht
richtig beurteilen könnte. Offenbar kann Wissen um die Schädlichkeit für sich selber den Missbrauch gewisser Konsumgüter durch gewisse Menschen nicht verhindern. Sobald der Staat zur
Lösung von Problemen, die sich die Bürokratie selber ausgedacht hat, Kommissionen und spezialisierte professionelle Fachämter einsetzt, entwickelt sich eine kaum mehr zu bremsende Eskalationsspirale. Und weil diese Leute ja nicht dumm sind und sich von heiligen Überzeugungen beflügelt fühlen, entwickeln sie stets neue Strategien und werfen immer engmaschigere Netze aus.
Weil der Hinweis auf den Schaden an sich selber bei vielen Genussmittelkonsumenten zu verpuffen scheint, konstruiert man die Schädigung unschuldiger Dritter in der Überzeugung, ein schlechtes Gewissen beim Raucher andern gegenüber bewirke vielleicht mehr. Ich will das Passivrauchen
nicht verniedlichen, und schon das Problem der Belästigung ist durchaus einer vertieften Diskussion über angemessene Rücksichtnahme würdig. Aber ich habe beispielsweise nie ganz begriffen,
warum Ärzte ein bis zwei Zigaretten am Tag als gesundheitlich tolerierbar betrachten, aber ein
Zigarettenäquivalent pro Tag durch den enorm verdünnten Rauch in einem anständig belüfteten
Rauchzimmer als Mordanschlag auf das passivrauchende Personal qualifizieren. Die Folge solcher Diskussionen ist natürlich klar: Es entsteht eine «gefühlte» Bedrohung, welche, obwohl in einem Missverhältnis zur echten, einschneidende gesetzliche Massnahmen zu rechtfertigen scheint
und schliesslich auslöst.
Wenn ich im überfüllten Berner Tram sitze, kommt es mir bisweilen so vor, als ob ich im Grunde
von lauter Feinden umzingelt sei. Die fettleibige Dame im Hintergrund beleidigt nicht nur meinen
Sinn für Ästhetik, sondern sie treibt durch ihre selbstverschuldeten Gebrechen meine Krankenkassenprämie nach oben. Der sportlich gestählte Kerl, der gerade über seine jüngsten Bergtouren
berichtet, bedroht meine Unfallversicherungsprämie durch mutwillige Gefährdung seiner gesunden
Glieder. Das Fräulein, sorry, die junge Frau mit der Evian-Petflasche ist sich offenbar nicht bewusst, dass sie das Menschenrecht auf Wasser breiter Kreise verletzt. Noch schlimmer ist der unrasierte Typ in zerschlissenen Jeans mit der Bierflasche, der möglicherweise am nächsten Match
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auf Kosten meiner sauer verdienten Steuergelder randalieren will und keinerlei Rücksicht auf den
globalen Wassernotstand nimmt, indem er das Faktum schnöde missachtet, dass es zur Produktion eines Liters Bier zwölf Liter Wasser braucht. Mit so viel Wasser hätte er sich wohl sogar
waschen können. Und der halbwüchsige Bub, der begeistert vom Ausblasen der Kerzen seines
Geburtstagskuchens erzählt, ist offenbar völlig ahnungslos, dass er durch mutwillige Verbreitung
von Mikroben eben das neue Epidemie-Gesetz verletzt hat (kein Witz: das Verbot des Ausblasens
von Geburtstagskerzen soll in Australien ernsthaft diskutiert werden!). Zu guter Letzt sitzt vis à vis
die alte Dame mit einem Zwergpinscher auf dem Schoss, die ich schwer im Verdacht habe, dank
Hunde-Altbesitz ihren Vierbeiner noch ohne Hundehalterprüfung die Menschen bedrohen lassen
zu dürfen.
Plötzlich sehe ich das missbilligende, gefühllose und eiskalte Auge einer Überwachungskamera
an der Decke des Trams auf mir ruhen, und mich packt die nackte Angst: Hab ich etwa vergessen,
beim Eintritt ins Tram am Handdesinfektor meine Hände zu besprayen? Hat die Kamera entdeckt,
dass ich vorhin beim Niessen etwas zu langsam mit dem Taschentuch war, wodurch möglicherweise einige Viren entschlüpften? Ruhte mein Auge eine Zehntelsekunde zu lange auf dem aufreizenden Busen einer mittelalterlichen Dame, so dass diese sich sexuell belästigt hätte fühlen können?
Sammelt irgendwo ein staatlicher Computer die Daten der Kamera und vergibt Punkte wie der
Flensburg-Computer den deutschen Autofahrern, und plötzlich kommt per Post ein Verwarnung
und das Aufgebot zu einem Fortbildungskurs für korrekte Lebensführung?
Natürlich übertreibe ich. Aber im Zirkus darf man das. Übrigens hat mir mein Bruder vor einiger
Zeit einen Text geschickt, den ich mit grösstem Vergnügen zu lesen begann. Er erschien mir als
die gekonnteste Parodie der Ausgeburt eines verqueren Bürokratenhirns, die ich je von einem
begnadeten Kabarettisten gelesen habe. Bis ich plötzlich merkte, dass es sich um den Entwurf der
neuesten EU-Tabakdirektive handelte. Da kam mir der Gedanke, dass ich oben doch nicht gar so
stark übertrieben habe....
Ich halte ein Leben, das sich nur noch an verordneten Packungsaufdrucken, Beipackzetteln, Kalorientabellen, Korrektheit-Codes, EU-Direktiven und dergleichen orientiert, für ziemlich öde. Noch
nie konnten sich die Menschen so einfach über alles informieren wie heute. Müssen wir jene mündigen Menschen, welche in der Demokratie offenbar in der Lage sind, über komplexe Vorlagen zu
entscheiden, ihre individuelle Lebensweise staatlich vorschreiben? Brauchen mündige Stimmbürger zur Gestaltung ihres persönlichen Lebens Bevormundungen nach dem Modell der mittelalterlichen Sittenmandate?
Ich meine nein! Da halte ich es lieber mit Thomas Mann, der sich mit der Akribie eines vorbildlichen Staatsbeamten jeden Tag um die gleiche Zeit an den Schreibtisch setzte, aber nie, ohne sich
vorher eine Zigarre anzustecken. Im «Zauberberg» lässt er Hans Castorp sagen, wer nicht rauche,
bringe sich sozusagen um des Lebens besten Teil, jedenfalls um ein ganz eminentes Vergnügen,
und ein Tag ohne Tabak wäre für ihn der Gipfel der Schalheit, ein vollständig öder und reizloser
Tag. Und Hermann Burger drückte es in unserer Festschrift zum 100-Jahre-Jubiläum 1988, als ich
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noch das Vergnügen hatte, aktiv als Teilhaber mit dabei zu sein, wie folgt aus:
«Gewiss, die Nicotiana ist auch ein Gift, aber, das lehrt die Medizin, jede Gabe der Natur, zu hoch
dosiert, kann schädlich sein. Beim Pfeifen- und Zigarrenrauchen spielt das Zeitgefühl eine grosse
Rolle. Wir erleben die Stunde, die unsere Brasil dauert, bewusster als ein durch Zigarettenpausen
zerhacktes Intervall. Wir widmen uns ganz den Eingebungen dieses einen Zeitraums, hängen
mit den Gedanken den Schlieren und Rauchringen nach, und sobald wir zu rasch an ihr ziehen,
rächt sich unsere Zigarre, indem sie bitter wird. Sie zwingt uns durch ihren organischen Aufbau
von Wickel, Umblatt und Deckblatt zum Mass, und was der berühmte Architekt Frank Lloyd Wright
von der Architektur sagte, nämlich, man müsse die Baustoffe in ihrem natürlichen Material belassen, dann kämen sie am besten zur Geltung, lässt sich auch auf die Rauchkultur übertragen: Der
Brasil, der Havanna, der Sumatra ihren ureigenen Charakter lassen. Und nicht alles über einen
Leisten schlagen. So gesehen, werden wir dem Rauchen in einer rauchfeindlichen Zeit noch viele
genüssliche Stunden und viele Eingebungen abgewinnen».
In diesem Sinne wünsche ich den Villiger Unternehmen auch in den kommenden Jahren viel Erfolg mit ihren Produkten, die zu massvollem, aber umso ergötzlicherem Genuss anregen!
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Interview im «Smokers Club» vom September 2013, Heft Nr. 3/2013
von Alfred Damberger
Heinrich Villiger: «Wir waren den anderen oft einen Schritt
voraus»
Interview mit dem Doyen der Zigarrenbranche zum
125-jährigen Firmenbestehen
Das Familienunternehmen Villiger mit Stammhaus in Pfeffikon im Schweizer Kanton Luzern
feiert 2013 das 125-jährige Bestehen. Anlässlich des Jubiläums sprach «Smokers Club» mit
dem 83-jährigen Patron Heinrich Villiger. Der Doyen der Zigarrenbranche hat mehr als die
Hälfte der Firmengeschichte erlebt und geprägt, denn er ist seit stolzen 63 Jahren (!) mit
grossem persönlichen Einsatz und viel Herzblut für die Villiger-Gruppe aktiv.
SMOKERS CLUB: Was waren in Ihren Augen die Höhe- und Tiefpunkte in der 125-jährigen
Unternehmensgeschichte?
Heinrich Villiger: Wie in jedem Unternehmen gab es auch bei uns Höhen und Tiefen. Das hat
sich abgewechselt. Zu den Erfolgen zählt sicherlich, dass es uns immer wieder gelungen ist, neue
innovative Produkte am Markt einzuführen. Ein Glanzlicht in der jüngeren Firmengeschichte war
für mich im Sommer 2012 der Besuch des Chefs der Schweizer Armee, Korpskommandant André Blattmann, und des damaligen Chef des Generalstabes des österreichischen Bundesheeres,
General Edmund Entacher, in unserem Stammhaus in Pfeffikon. Beide sind passionierte Zigarrenraucher. Herr Blattmann nahm sogar am diesjährigen Habanos-Festival teil, wo er total begeistert
war vom 5th Avenue-Abend.
Frustrierend ist es auf der anderen Seite, wenn man als Vertriebspartner eine Import-Marke mit
viel Engagement aufgebaut hat, das Produkt sich erfolgreich verkauft und man es dann verliert.
Das ist uns ein paarmal passiert. Meine grösste geschäftliche Enttäuschung war allerdings die
Trennung vom Fahrradgeschäft.
SMOKERS CLUB: Die Villiger-Gruppe zählt heute zu den grössten Zigarren- und Zigarilloherstellern der Welt. Viele andere Marktteilnehmer sind in den vergangenen Jahrzehnten auf der Strecke
geblieben. Was macht Ihr Unternehmen so erfolgreich?
Interview im «Smokers Club» vom September 2013, Heft Nr. 3/2013 von Alfred Damberger - Seite 2/6
Heinrich Villiger: In Europa zählen wir sicherlich zum halben Dutzend der grössten Zigarren- und
Zigarillohersteller, zumindest in Bezug auf den Mengenabsatz nach Stückzahlen. Nimmt man die
USA hinzu, dann relativiert sich unsere Bedeutung allerdings. Dass wir überhaupt zu den Grossen
zählen, hängt auch damit zusammen, dass wir im Bereich der preisgünstigen Zigarillos eine starke Position haben. Allein in unserem Werk im ostwestfälischen Bünde, das zu den modernsten in
Europa zählt, haben wir im vergangenen Jahr 1,4 Mrd. Stück Zigarillos hergestellt. Im laufenden
Jahr werden es wegen der massiven steuerlichen Einschnitte bei Ecozigarillos nicht ganz so viel
werden, aber voraussichtlich immer noch 1,2 Milliarden Stück.
Ich denke, unser Erfolg basiert darauf, dass wir es immer ein bisschen anders gemacht haben als
die anderen, dass wir immer innovativ sein wollten. Und das ist uns auch häufiger gelungen. Oft
waren wir den Wettbewerbern einen Schritt voraus. So haben wir zum Beispiel als erstes Unternehmen in der Schweiz Stumpen in Fünfer-Packungen auf den Markt gebracht. Das war in den
40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Eine andere Innovation ist der «Rio 6» gewesen. Zur
Zeit des Zweiten Weltkriegs passte die Packung exakt in die Patronentaschen der Schweizer Soldaten. Die Marke gibt es übrigens heute noch. Auch mit dem Relaunch der «Villiger Kiel» ist uns in
den 70er Jahren ein Bravourstück gelungen, ebenso wie in der Gegenwart mit den
«Villiger Krummen».
Vorreiter in Deutschland sind wir auch bei den Ecozigarillos gewesen. Erfinder dieser Produktspezies ist zwar Scandinavian Tobacco, aber wir haben die Ecozigarillos als erste auf dem deutschen
Markt eingeführt.
Villiger Söhne hat auch als erstes Unternehmen nach der Aufhebung des Maschinenverbots in der
zweiten Hälfte der 50er Jahre Strangmaschinen in der Zigarrenproduktion eingesetzt. Damals bestanden die Umblatt-Stränge übrigens aus braunem Zigarettenpapier. Die heute üblichen TabakFolien-Umblätter, auch rekonstituierter oder homogenisierter Tabak genannt, wurden erst später
in der Fertigung eingesetzt. Mit unseren Strangmaschinen waren wir nicht nur den europäischen
Zigarrenherstellern, sondern auch der US-Industrie einen Schritt voraus.
SMOKERS CLUB: Sie sind mit der Villiger-Gruppe in der Vergangenheit immer wieder neue unternehmerische Wege gegangen. So waren Sie zum Beispiel auch als Sponsor im Auto-Rennsport
aktiv, waren über zwei Jahrzehnte Hersteller hochwertiger Fahrräder und haben zwischenzeitlich
auch Schokoladenprodukte verkauft. Von diesen Aktivitäten ist im Jubiläumsjahr nichts mehr übrig.
Kommt da im Rückblick ein wenig Wehmut auf?
Heinrich Villiger: Dass wir den Fahrradbereich nicht halten konnten, hat mir sehr leid getan. Die
Fahrräder, die wir unter dem Namen «Villiger» verkauften, waren sehr hochwertig. Ausserdem hatten wir nach der Wiedervereinigung die sächsische Fahrradfabrik Diamant übernommen und dort
ein modernes Werk errichtet. Wir haben es aber nicht geschafft, uns gegen die internationale Konkurrenz zu behaupten, die den Markt mit niedrigpreisigen Fahrrädern überschwemmte. Am Ende
haben wir an die Firma Trek verkauft, die Nummer 2 im Weltmarkt. In den 90er Jahren hatten wir
Interview im «Smokers Club» vom September 2013, Heft Nr. 3/2013 von Alfred Damberger - Seite 3/6
übrigens unter der Marke «Diamant» das erste Elektro-Rad auf den Markt gebracht. Doch die Zeit
dafür war noch nicht reif, für E-Bikes war es noch 20 Jahre zu früh.
Ein anderes Engagement war das von Ihnen angesprochene Automobilsport-Sponsoring in der
Formel 1 in den 70er Jahren, als einziger Zigarrenhersteller. Wir unterstützten drei Jahre lang das
US-Team SHADOW, das zwei Fahrzeuge im Einsatz hatte, gemeinsam mit einem italienischen
Co-Sponsor, von dem wir nicht wussten, auf welche Weise er sein Geld verdiente. Als dieser CoSponsor ausstieg, mussten wir uns ebenfalls aus der Formel 1 zurückziehen, weil das Ganze für
uns allein zu teuer war. Erst einige Zeit später erfuhren wir, dass der Co-Sponsor ein sizilianischer
Mafiaboss war. Immerhin gewann das Villiger Shadow Team im Jahre 1977 mit Alan Jones, der
später Weltmeister wurde, den Grossen Preis von Österreich.
Einen Alpenbitter haben wir zwischenzeitlich auch mal als Handelsware angeboten. Daneben haben wir in den zurückliegenden Jahrzehnten im Verkauf schon alles Mögliche gemacht. So haben
wir zum Beispiel zeitweise Kaugummi vermarktet, die Generalvertretung für Feudor-Einwegfeuerzeuge übernommen und den Feinschnitt «Drum» erfolgreich in Deutschland eingeführt. Als wir
«Drum» von Null auf einen Jahresabsatz von 1200 Tonnen gebracht hatten, wurde er uns vom
damaligen neuen Eigner der Firma Douwe Egberts weggenommen. Im Feinschnittgeschäft sind
wir heute noch vertreten mit unserer Marke «Tama». Zwischenzeitlich haben wir auch mal Zigaretten-Filterhülsen produziert und das Zigarillo «La Paz» in Deutschland verkauft.
Wenn man Marken mit grossem Engagement aufbaut wie zum Beispiel «Drum» und dann verliert,
ist das natürlich bitter. Doch Wehmut hilft im Geschäftsleben nicht weiter. Man muss eben immer
wieder von vorne anfangen.
SMOKERS CLUB: Wenn Sie nicht die Familientradition fortgeführt und ins Unternehmen Villiger
eingestiegen wären, was wäre dann für Sie die berufliche Alternative gewesen?
Heinrich Villiger: Wenn ich die Wahl gehabt hätte, dann hätte ich wahrscheinlich Germanistik
studiert. Doch die Frage, was ich nach dem Abitur mache, stellte sich überhaupt nicht, weil mein
Vater, der schon Mitte 50 war, erwartete, dass ich ins Unternehmen einstieg. Es war damals allgemein üblich, dass der älteste Sohn den Betrieb fortführte.
SMOKERS CLUB: Nach meiner Beobachtung ist einer der grössten Stärken des Familienunternehmens Villiger, dass hier die Mitarbeiter wirklich im Mittelpunkt stehen. Was glauben Sie, schätzen Ihre Mitarbeiter an Ihnen?
Heinrich Villiger: Die meisten Menschen sind nicht erpicht auf Veränderungen, sie lieben Beständigkeit. Vielleicht ist es das, was meine Mitarbeiter an mir schätzen, schliesslich bin ich schon seit
63 Jahren für das Haus Villiger tätig.
Interview im «Smokers Club» vom September 2013, Heft Nr. 3/2013 von Alfred Damberger - Seite 4/6
Wenn Sie als Unternehmer eine Firma erfolgreich führen wollen, sind Sie auf Ihr Team angewiesen. Wenn Sie so lange wie ich im Unternehmen sind, dann erleben Sie in Ihrem Team zwangsläufig einige personelle Wechsel. Da sind auf der einen Seite die alten Weggefährten und da kommen auf der anderen Seite junge Leute mit neuen Ideen dazu. Das kann manchmal zu Problemen
führen, wo ich dann zwischen den Generationen ausgleichen muss.
SMOKERS CLUB: Welche Pläne haben Sie sich für Ihr Unternehmen für die Zukunft vorgenommen?
Heinrich Villiger: Es gibt viele im Unternehmen, die sagen: «Herr Villiger, bleiben Sie uns bitte
noch lange erhalten.» Das würde ich auch sehr gerne, aber ich bin mittlerweile 83 Jahre.
Da fragen sich natürlich auch einige, was passiert nach mir.
Grundsätzlich gibt es drei Alternativen: Das Unternehmen verkaufen oder in der Familie weiterführen oder eine Stiftung gründen. Mein Wunsch ist, dass das Unternehmen im Familienbesitz bleibt.
Ich habe drei Töchter und einen Sohn, der in Mexiko wohnt und dort auch mit seinem Leben zufrieden ist und nicht nach Europa zurück will. Eine meiner Töchter ist Krankenschwester und fühlt
sich in diesem Beruf wohl, sie möchte die Firma nicht übernehmen. Eine andere Tochter ist Studienrätin und hat ebenfalls kein Interesse am Unternehmen. Meine älteste Tochter, eine niedergelassene Ärztin, hat sich bereit erklärt, die Verantwortung für die Firma zu übernehmen. Sie sitzt im
Verwaltungsrat der Villiger Söhne AG und der Villiger Söhne Holding AG, will aber nicht die operative Unternehmensführung übernehmen. Diese liegt in den Händen von drei Geschäftsführern für
Marketing und Vertrieb, für Administration und für Technik und Operations. Im Verwaltungsrat habe
ich seit Sommer 2012 Clemens Gütermann als Delegierter installiert. Er soll meine Nachfolge
antreten.
Mein vornehmstes Ziel ist es, das Unternehmen profitabel zu erhalten. Das funktioniert aber nur,
wenn die Firma wächst. In der Schweiz haben wir einen Marktanteil von 40 Prozent, in Deutschland inklusive Handelsmarken einen Anteil von 24 Prozent und in Spanien sind wir nach Imperial (Altadis) die Nummer 2. In diesen drei Ländern sehe ich kaum Chancen für nennenswertes
Wachstum. Aber es gibt ja noch jede Menge weiterer Länder und dort ist unsere Marktbedeutung
viel geringer, ergo bestehen noch Wachstumschancen für uns.
Leider ist die USA mit dem grössten Zigarren- und Zigarillo-Absatz der Welt ein sehr schwieriger
Markt, der beherrscht wird von Imperial (Altadis USA), Scandinavian Tobacco (General Cigars),
Swisher und Philip Morris (Middleton). Im hochpreisigen Zigarrengeschäft spielt noch Davidoff
eine Rolle. Darüber hinaus tummeln sich in den Vereinigten Staaten eine Unzahl von BoutiqueFirmen, die nur kleine Stückzahlen verkaufen, jedoch insgesamt den US-Markt verstopfen und es
für europäische Firmen ausgesprochen schwer machen, dort Fuss zu fassen.
Interview im «Smokers Club» vom September 2013, Heft Nr. 3/2013 von Alfred Damberger - Seite 5/6
SMOKERS CLUB: Sie haben sich mit der mächtigen Anti-Tabaklobby angelegt, als es im vergangenen Jahr um das geplante absolute Rauchverbot in öffentlichen Räumen inklusive Gastronomie
in der Schweiz ging. Hatten Sie keine Bedenken, dass man Sie mit allen Mitteln diskreditieren und
mundtot machen könnte?
Heinrich Villiger: In der Schweiz trat 2011 ein nationales Nichtraucher-Schutzgesetz in Kraft, in
dem u. a. der Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz und in der Gastronomie geregelt wird. Das Gesetz gilt für die gesamte Schweiz, kann aber von den Kantonen noch verschärft werden. Die «Lungenliga» hat im letzten Jahr versucht, das nationale Nichtraucher-Schutzgesetz zu verschärfen
und dazu einen Volksentscheid herbeigeführt. Dagegen haben sich verschiedene Organisationen,
die auch von uns unterstützt wurden, gewehrt u. a. mit Plakaten mit der Aufschrift «Totales Rauchverbot – Nein!». Das Schweizervolk hat diese Initiative mit grossem Mehr verworfen. Aber schon
lang vorher, im Jahre 2011 gab es eine Fernsehdiskussion mit jeweils zwei Befürwortern und zwei
Gegnern zur Verschärfung der nationalen Nichtraucher-Schutzgesetze. Ich war einer der Gegner.
Im Studio-Publikum befand sich ein Arzt der Organisation «Pro Aere», die der «Lungenliga» nahe
steht. Er fragte mich, ob mir die Millionen Rauchertoten denn egal seien. Ich antwortete ihm, dass
dies nicht der Fall sei, dass es aber schwierig sei, einen monokausalen Zusammenhang zwischen
dem Rauchen und schweren Erkrankungen zu beweisen und die Zahl der Rauchertoten deshalb
überhaupt nicht nachweisbar sei. Für diese Aussage wurde ich von «Pro Aere» in Zürich verklagt.
Man verlangte von mir auf meine Kosten einen Widerruf auf grossformatigen Anzeigen in drei
bedeutenden überregionalen Schweizer Tageszeitungen. Der Züricher Friedensrichter entschied
jedoch zu meinen Gunsten mit der Begründung, dass in der Schweiz die freie Meinungsäusserung
per Verfassung garantiert sei.
Der Versuch der «Lungenliga» mich mundtot zu machen, war damit gescheitert. Und auch eine
Verschärfung des bestehenden nationalen Nichtraucher-Schutzgesetzes wurde von der Mehrheit
der Schweizer Bevölkerung per Volksentscheid abgelehnt.
SMOKERS CLUB: Sie sind über 80 Jahre alt, wirken aber sehr viel jünger. Kürzlich wurden Sie
sogar von Dr. med. Sascha Dunst, Chefarzt Plastische und Ästhetische Chirurgie Artemedic in
Olten, zu den zehn attraktivsten Managern der Schweiz gekürt. Wie schafft man das, wie halten
Sie sich fit?
Heinrich Villiger: Dass ich zu den attraktivsten Managern der Schweiz zählen soll, ist eine PRAktion, mit der ich nichts zu tun habe. Ich habe keine Ahnung, wer dahintersteckt. Aber Ihre Frage, wie ich mich fit halte, kann ich beantworten. Ich arbeite als Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit
gerne in meinem Garten, fahre drei bis vier Stunden in der Woche Mountainbike und streife regelmässig durch mein Jagdrevier.
SMOKERS CLUB: Sie leben in einem Dorf bei der Schweizer Kleinstadt Koblenz nahe der deutschen Grenze. Gleichzeitig sind Sie in zahlreichen Ländern der Erde unterwegs gewesen. Sind
Sie ein bodenständiger Mensch oder eher ein Weltenbürger, der gerne auf Reisen geht?
Interview im «Smokers Club» vom September 2013, Heft Nr. 3/2013 von Alfred Damberger - Seite 6/6
Heinrich Villiger: Meine Frau und ich sind sehr mit unserem Heimatdorf verbunden, kennen
unsere Nachbarn gut und sind mit ihnen per «Du». Von daher könnte man mich als bodenständigen Menschen bezeichnen. Gleichzeitig bin ich sehr reisefreudig, was ich wohl von meinem Vater
geerbt habe. In diesem Jahr war ich kurz hintereinander in Kuba, in der Dominikanischen Republik und in Indonesien, wo wir ein Bobinen-Werk mit 800 Mitarbeitern für die Deckblatt-Fertigung
unterhalten. Im vergangenen Jahr war ich in Brasilien. Dort bauen wir im Bundesstaat Bahia eine
Fabrik mit eigenen Zigarrenrollern auf. Nach meinen Erfahrungen kommt der brasilianische Tabak
in der Qualität direkt nach Kuba, wo der beste Tabak der Welt wächst.
Als Rohtabakeinkäufer für meine eigene Firma war ich in den zurückliegenden 63 Jahren in allen
wichtigen Rohtabakländern unterwegs. In Afrika habe ich zum Beispiel Tabake in Angola, Kamerun, Kongo-Brazzaville, Malawi und in der Zentralafrikanischen Republik eingekauft. In Südamerika war ich neben Brasilien auch mehrmals in Peru, wo wir zeitweise ein Entwicklungsprojekt in
Tarapoto unterstützt haben. Aus dieser Region stammen erstklassige Einlage-Tabake. Die Tabakländer Mittelamerikas und der Karibik stehen regelmässig auf meiner Reiseliste, allen voran Kuba,
wo ich sehr oft gewesen bin und auch viele Freunde habe.
Bevor ich im Unternehmen Verantwortung übernommen habe, war ich eineinhalb Jahren in den
USA und habe als Praktikant in allen Bundesstaaten gearbeitet, die etwas mit Tabak zu tun haben,
von Connecticut im Nordosten über Kentucky und Tennessee bis zu den Südstaaten. Ich habe
damals vor allem an den Auktionen für Flue Cured Virginia und Burley gearbeitet.
Als Privatmann habe ich ebenfalls einige besondere Reisen unternommen. So war ich zum Beispiel 2011 rund 3000 Kilometer mit dem Motorrad von Windhoek in Namibia bis Johannesburg in
Südafrika unterwegs.
SMOKERS CLUB: Haben Sie ein Lebensmotto?
Heinrich Villiger: Ja, es ist ein afrikanisches Sprichwort und lautet: «Einen Mann kann man nicht
essen, man kann ihn nicht trinken, seine Haut kann man nicht gerben, ein Mann ist nur wert, was
er leistet.»
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Erschienen Deutsche Tabakzeitung Nr. 34 vom 23. August 2013
von Alfred Damberger
Villiger – von der kleinen Manufaktur zu einem führenden
Zigarrenhersteller
PFEFFIKON (DTZ/da). Der kleine Ort Pfeffikon im Schweizer Kanton Luzern schreibt seit dem
Jahr 1888 Zigarrengeschichte. Dort hat vor nunmehr 125 Jahren Jean Villiger den Grundstein für
ein Familienunternehmen gelegt, das heute zu den führenden Zigarren- und Zigarilloherstellern
der Welt zählt.
Mit einer kleinen Zahl von Mitarbeitern machte sich der Buchhalter Jean Villiger ans Werk. Tatkräftig unterstützt wurde er dabei von seiner Frau Louise. Sie war es dann auch, die nach seinem
Tod im Jahr 1902 die Zigarrenfabrik weiter ausbaute. Auf ihre Initiative hin wurde 1907 die „Villiger
Kiel“, eine Zigarre mit Gänsekiel als Mundstück, auf den Markt gebracht. Die „Kiel“ als „die Mutter“
aller Mundstückzigarren ist noch heute die meistverkaufte Zigarre dieser Machart in der Schweiz.
Pioniergeist hatte Louise Villiger auch bewiesen, als sie 1910 in Tiengen am Hochrhein eine deutsche Niederlassung errichtete. Zehn Jahre später übergab sie die Firma ihren Söhnen Hans und
Max. Unter der Leitung der Gründersöhne stieg das Familienunternehmen zwischen den beiden
Weltkriegen zu einem der bedeutendsten Zigarrenherstellern Deutschlands und der Schweiz auf.
Die weitere Entwicklung wurde durch den Zweiten Weltkrieg jäh gebremst. Nach 1945 begann der
Wiederaufbau, dem eine starke Phase des Wachstums folgte.
Im Jahr 1954 hatte der damals 24-jährige Heinrich Villiger die Firmenanteile seines Onkels Hans
Villiger übernommen und gemeinsam mit seinem Vater Max die Firmengeschicke geleitet. Nach
dessen Tod im Jahr 1966 hatte Heinrich zusammen mit seinem Bruder Kaspar das Familienunternehmen in der nunmehr dritten Generation weiter geführt. Als Kaspar Villiger 1989 als Regierungsmitglied in den Schweizer Bundesrat gewählt wurde, hatte Heinrich Villiger dessen 50-prozentigen
Firmenanteil gekauft und ist seitdem alleiniger Inhaber der Villiger-Gruppe. Im gleichen Jahr hatte
er mit dem staatlichen kubanischen Zigarren-Exporteur Cubatabaco (heute Habanos S. A.) die
Havanna-Importgesellschaft 5th Avenue Products für Deutschland gegründet und sich später an
der Intertabak AG, des schweizerischen Havanna-Importeurs, beteiligt. Er war es übrigens auch,
der für die Kubaner das Zigarillogeschäft initiiert hat. Die früher von Villiger in Lizenz hergestellten
Erschienen Deutsche Tabakzeitung Nr. 34 vom 23. August 2013 von Alfred Damberger - Seite 2/2
„San Luis Rey“ und „Romeo y Julieta“-Zigarillos waren die ersten Mini Cubanos, als diese noch
nicht so genannt wurden und auch noch nicht in Kuba produziert wurden.
Unter der Ägide von Heinrich Villiger war das Unternehmen in den 1970er Jahren in die Formel 1
Rennsport-Werbung eingestiegen und hatte dabei mit dem US Shadow-Rennstall von Don Nichols
kooperiert. Aus dem Formel 1-Renngeschehen hatte sich Villiger später wieder zurückgezogen.
Ebenso war die zweite Geschäftssparte, die 1980 begonnene Herstellung hochwertiger Fahrräder,
nach 22 Jahren wieder aufgegeben und das moderne Werk in Hartmannsdorf (Sachsen) an den
US Hersteller Trek verkauft worden. Parallel zu diesen Aktivitäten hat Heinrich Villiger sein Zigarren- und Zigarillogeschäft weiter ausgebaut. Als Stichworte seien an dieser Stelle Firmen- und/
oder Werkgründungen in Polen, Irland, Frankreich, USA und Indonesien (Deckblattbobinierung)
ebenso genannt wie die Lancierung neuer Marken. So hat der Doyen der Zigarrenbranche ein
Unternehmen geschaffen, das im vergangenen Jahr ein Absatzvolumen von 1,4 Mrd. Zigarren und
Zigarillos (inklusive Ecozigarillos) erzielte.
Der inzwischen 83-jährige Heinrich Villiger ist nach wie vor Geschäftsführer von 5th Avenue,
während er bei der Villiger Söhne AG und der Villiger Söhne Holding AG Präsident des Verwaltungsrates und bei der Intertabak AG Vize-Präsident des Verwaltungsrats ist. Seine älteste Tochter, Corina Villiger, nimmt in diesen beiden Gremien ebenfalls die Verantwortung für das Familienunternehmen wahr. Delegierter des Verwaltungsrates ist Clemens Gütermann, an den die drei
Villiger-Geschäftsführer Peter Eichholzer, Egon Schwerdtle-von Delft und Peter Witzke berichten.
Das Haus Villiger bietet heute ein großes Markensortiment für nahezu jeden Geschmack an.
Das Portfolio ist breit gefächert und reicht vom preiswerten Einstiegszigarillo à la Braniff bis hin
zu handgemachten Premiumzigarren. Zu den wichtigsten Shortfiller-Marken zählen neben der
„Premium“-Zigarillo-Linie die Erzeugnisse „Villiger-Kiel“, „Original Krumme“, „Rillos“, „Tobajara“,
„Climax“, „Mogador“ und „Brio“, während im handgerollten Longfiller-Sortiment braune ZigarrenSchönheiten wie „Villiger 1888“, „Bock“, „La Libertad“, „Hommage 1492“ und „La Capitana“ das
Herz der Zigarren-Liebhaber höher schlagen lassen. Und last but not least läuft bereits die Produktion für die feine Premiumzigarre, die an das 125jährige Jubiläum des Unternehmens erinnern
wird: die „Villiger Celebration“. Für diese mittelkräftige Zigarre hat Heinrich Villiger nicht nur die
Rohtabake selbst ausgewählt, sondern auch maßgeblich Einfluss auf ihre Komposition genommen. Sämtliche Tabake – Einlage, Umblatt und Deckblatt – stammen aus ein und demselben
Land, das zu den weltbesten Provenienzen von Zigarrentabaken gehört.