Galerien Galerien Wir sind dann mal da (cai) Wenn die

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Galerien Galerien Wir sind dann mal da (cai) Wenn die
29.2.2016
Wiener Zeitung Online
vom 23.02.2016, 16:38 Uhr
Galerien
Kunst
Galerien
Wir sind dann
mal da
(cai) Wenn die Mäuschen aus dem Häuschen sind, tanzen die
Musophobiker auf dem Tisch. An einer Musophobie darf man halt nicht
leiden, also Angst vor Mäusen haben (oder man muss sich den Tisch
eben selber mitbringen), denn eine "Tanzfläche" hat die Galerie
Feichtner nicht zu bieten. Dafür ein paar 100 Nager.
Aber da muss man durch, wenn man wissen will, was die Künstler im
Kosovo derzeit so beschäftigt. Und was Kuratorin Penesta Dika quer
durch alle Medien zusammengestellt hat ("KosovArt"), ist auch für "uns
hier oben" nicht fad. Keine Angst, die Mäuse, die Kushtrim Zeiqiri
eindrucksvoll aus einem aufgemalten Loch flüchten lässt, sind aus
Styropor. Die könnten einen höchstens ersticken. (Wenn man sie
verschluckt.) Vom Rauswollen erzählen die starken Zeichnungen von
Luan Bajraktari ebenfalls. Unüberwindbare Mauern. Die relativieren
seine intimen, häuslichen Skulpturen plötzlich (Kluppe, Wärmflasche . .
.). Wenn Kosovaren zum Ikea wollen, brauchen sie übrigens ein Visum.
Bei ihnen gibt’s ja offenbar keinen. Tja, der Kosovo ist kein FünfSterne-Hotel. Eh nicht. Auf der Fahne sind sechs Sterne drauf. Din
Azizi hat seinen Humor trotzdem nicht verloren. Er streicht ein Sterndl
weg und erhebt sein Land zur Fünf-Sterne-Luxusherberge.
Bei so viel Konkurrenz muss man um Aufmerksamkeit buhlen. Ins
Vogelnest legt Shpend Havolli ein Smartphone, auf dem ein
"penetrantes" Video läuft. Hungrige Schnäbel schreien nach Futter. He,
eine Ladestation! Oder twittern die? Und Shqipe Kamberis erotisches
Bildobjekt geizt nicht mit rückwärtigen Reizen. Der pralle Hintern reibt
sich dem Betrachter förmlich ins Gesicht. Vielleicht hat die Frau ihre
Rolle als Sexobjekt satt. Leckts mich am Arsch, Geilspechte! Ein guter
Schlusssatz.
Galerie Lukas Feichtner
(Seilerstätte 19)
KosovArt, bis 1. März
Di. - Fr.: 10 - 18 Uhr
http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=802546&em_loc=371&em_ref=/nachrichten/kultur/kunst/&em_ivw=Re…
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29.2.2016
Wiener Zeitung Online
Sa.: 10 - 16 Uhr
Goodbye,
Lenin!
(cai) Also, der steht nimmer auf, der Lenin. Seine Statue hat aber eh
viel länger gehalten als seine Sowjetunion. Bis 2015! (Und sollte
jemand den Kapitalismus stürzen, werden wir überall große, gelbe Ms
aufklauben können.)
Nein, Anna Jermolaewa hat aus der Kerstin Engholm Galerie kein LeninMausoleum gemacht. Nicht einmal den Kopf hat sie der Statue mitleidig
angeklebt, sondern sie genau so belassen, wie sie sie im Besenkammerl
des Rathauses von Kaschperovka gefunden hat. Seit dem Vorjahr wird
die Ukraine nämlich per Gesetz radikal entleninisiert und die in Wien
lebende Russin hat 2015 die leeren Sockel abgeklappert, die Ruhe nach
dem Bildersturm filmisch und fotografisch dokumentiert. (Aus ihrer
Geburtsstadt ist der Lenin bereits 1991 rausgeflogen. Leningrad heißt
ja wieder Sankt Petersburg.) Manchen Sockeln merkt man den
Phantomschmerz an (da stehen die Beine noch drauf), auf anderen hat
man patriotisch die blau-gelbe Flagge gehisst. Oder ein Kreuz montiert.
(Ein Grabkreuz?)
Ist ein Denkmal jetzt Kunst oder Politik? Und Jermolaewas Arbeiten
(mehr inhaltlich als ästhetisch spannend - bis auf die Aquarelle):
Kunstwerke oder journalistische Recherche? Seit 1996 verfolgt sie
konsequent ihren "Fünf-Jahres-Plan" (schon ihre Ausdauer verdient
Anerkennung). Filmt alle fünf Jahre eine Fahrt mit derselben Rolltreppe
in Sankt Petersburg. Die Kamera macht deutliche Fortschritte (die
Auflösung wird besser), die Leute verändern sich unmerklich. Das
rechteste Video unterscheidet sich von den linken durch . . . zehn
Handys?
Nur schauen reicht nicht. Man muss auch den Pressetext lesen. Sonst
glaubt man noch, "Both White" (zwei Pyramiden, eine weiß, eine
schwarz) wäre "irgendwas über Rassismus". Dabei geht’s da um ein
Experiment aus dem Jahr 1971. Wie wird aus einer schwarzen eine
weiße Pyramide, wenn man keinen Pinsel benutzen darf? Durch
Gruppenzwang! Masse ist Macht (und spart Farbe).
Kerstin Engholm Galerie
(Schleifmühlgasse 3)
Anna Jermolaewa, bis 5. März
Di. - Fr.: 11 - 18 Uhr
http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=802546&em_loc=371&em_ref=/nachrichten/kultur/kunst/&em_ivw=Re…
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29.2.2016
Wiener Zeitung Online
Sa.: 12 - 16 Uhr
UR L: http://www.wie ne rze itung.at/nachrichte n/k ultur/k unst/802546_Kunst.htm l
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http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=802546&em_loc=371&em_ref=/nachrichten/kultur/kunst/&em_ivw=Re…
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