Michael Kuhr wollte so gerne Elitepolizist werden. Doch er war zu

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Michael Kuhr wollte so gerne Elitepolizist werden. Doch er war zu
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rei Dinge braucht der Mann, meint
Michael Kuhr: „Eine heiße Kiste unterm Hintern, ein paar passable
Selbstverteidigungstechniken und das Wichtigste: eine Mission.“ Das mag ein wenig
großspurig klingen, doch der Berliner ist
kein Aufschneider. Zum Beweis steht die
heiße Kiste auf einer Straße in Steglitz. Hier
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hat der Unternehmer sein Hauptquartier,
von hier startet er samstags zur Streifenfahrt durchs Berliner Nachtleben.
Kuhr, 51 Jahre alt, 1,67 Meter groß, gepf legter Dreitagebart, Designer-Anzug, f läzt
sich auf den Beifahrersitz seines „Batmobil“.
So nennt der Mann, der als Junge die Batman-Comics gesammelt und früh sein Herz
für Verbrecherjagden und auffällige Autos
entdeckt hat, den schwarzen Jeep Wrangler.
Mit einer Scheinwerfer-Batterie auf dem
Dach und den großen Rädern soll der Offroader demonstrieren, dass sein Fahrer auf
einer Mission unterwegs ist.
„Eigentlich stehe ich auf Sportwagen,
fuhr Audi R8 und BMW M3. Doch aktuell
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brauche ich keinen Renner, sondern einen
bulligen Straßenkämpfer, der Bordsteine
und Schlaglöcher bezwingt und es geradezu
herausbrüllt: Achtung, hier kommt Kuhr,
Verbrechen einstellen“, sagt der selbstbewusste Sicherheitsunternehmer, der je nach
Auftragslage 50 bis 400 Mitarbeiter zum
Schutz von Objekten, Veranstaltungen und
Personen einsetzt. „Ich finde, mein rabenschwarzer Muskelprotz hat maximalen Wiedererkennungswert.“ Am Steuer des Batmobils sitzt Ben, 38. Kuhrs Fahrer spricht sechs
Sprachen, hat ein Informatikstudium und
jahrelanges Kampfsporttraining hinter sich.
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Ben macht – wie jeder von Kuhrs Männern
am Steuer – alle ein bis zwei Jahre ein spezielles Fahrtraining. „Auf einem ausrangierten Militärf lughafen und auf dem Gelände
einer ehemaligen Russenkaserne üben wir
unter Anleitung von Top-Ausbildern das
Fahren in Keilformation, Verhalten bei
Überfall, Hechten aus dem rollenden Wagen. Und mit richtigen Schrottkisten das
Rammen, Sperren, Abdrängen. Wie im
James-Bond-Film. Wenn irgendwann der
Notfall eintritt, bin ich gewappnet.“
Kuhr nickt zufrieden. „Ich beschäftige
nur Profis“, sagt er. „Männer mit mächtigen
Muskeln und harten Handkanten. Doch das
Wichtigste: Bei mir müssen sie auch ein
porentief reines polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.“
Langsam bricht die Abenddämmerung
herein. Auffällig viele Sportwagen brettern
durch die Straßen Berlins. Kuhr starrt manchen fasziniert hinterher. In der MaxSchmeling-Halle steht Boxen auf dem Programm: ein WM-Fight. „Alle kommen
hierher. Der Kampf Mann gegen Mann zieht
sie magisch an. Wie Motten das Licht – all
unsere Abgesandten aus der Ober- und Unterwelt.“
Kuhr kennt sie alle. Und alle kennen ihn.
Den sechsfachen Kickbox-Weltmeister, bekanntesten Bodyguard Deutschlands, Buchautor („Bodyguard – Zwischen High Society
und Unterwelt“) und Youtube-Star. Das
Video, in dem er einen aggressiven jungen
Araber vor einer Disco ziemlich beeindruckend und nur mit Worten – „Ich kenne
deinen Bruder ...“ – zur Räson bringt, wurde fast eine Million Mal angeguckt. Er ist so
etwas wie Berlins heimlicher Pate, freilich
einer, der auf der Seite des Gesetzes steht.
Er hilft, wenn die Staatsorgane nur mit den
Schultern zucken. Wenn ein Bedrohter aus
Angst vor Repressalien vor einer Anzeige
zurückschreckt.
Dabei wollte Kuhr eigentlich selbst mal
Polizist und möglichst Mitglied des schlagkräftigen Sondereinsatzkommandos (SEK)
werden. Doch für seinen Traumberuf war
er zu klein. Genau um zwei Zentimeter.
Durchs Kickboxen gewann er immerhin einige Elitepolizisten als Kumpel. Genauso
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wie Gangster und Ganoven, für die der ExProfiweltmeister schon lange und noch immer eine Respektsperson ist. Ein kleiner
Mann mit großer Klappe und noch größerem Kämpferherzen. Ein Mann mit der Mission, Berlin ein klein wenig sicherer zu
machen.
Vor 20 Jahren hat er sich mit dem Unternehmen Kuhr-Security selbstständig gemacht. Anfangs stellte er sich und seine
Männer vor Clubs und Kneipen in Problembezirken. „Die Auftraggeber wollten ihre
Läden sauber kriegen und halten. Keine Drogen, keine Prostitution, keine Schlägereien,
Schusswechsel und Messerstechereien“, erklärt Kuhr. „Und auch kein Schutzgeld
mehr abdrücken.“
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Kuhr hat immer
einen markigen
Spruch auf den Lippen.
Meist genügen ihm
ein paar Worte, um
brenzlige Situationen
zu entschärfen
Kein ungefährlicher Job für den Ex-Fliegengewichtler, der längst ein Schwergewicht in
der Berliner Sicherheitsbranche ist. Er nutzt
nicht nur geschickt seine Beziehungen zur
Polizei. Er streut auch gewieft das Gerücht,
er sei selber „Undercover-Bulle“. Und fragt
jemand Undurchsichtiges nach seiner Telefonnummer, ist seine Antwort: „Ruf einfach
die 110 an. Die stellen dich direkt zu mir
durch.“
Wenn die Popstars Lady Gaga, Shakira
oder 50 Cent, die Hollywood-Größen Angelina Jolie, Brad Pitt, Leonardo DiCaprio oder
Sean Penn, Boxlegende Mohammed Ali oder
Wundersprinter Usain Bolt Berlin besuchen,
steht Kuhr schützend an ihrer Seite. „Amy
Winehouse wollte unbedingt vorne im Wagen sitzen, weil sie hinten nicht gut gucken
kann. Und Lady Gaga hat ihre Gucci-Sonnenbrille im Auto vergessen. Sie liegt noch
bei mir im Panzerschrank. Beim nächsten
Berlin-Besuch kriegt Gaga ihre Gucci zurück.“ Als Usain Bolt in Berlin seinen Geburtstag feierte, mietete Kuhr ihm ein
schneeweißes Ferrari-Cabrio mit hellbraunen Ledersitzen. „Wir sind gemeinsam
durch die Stadt gekachelt. Mann, ein Fest
für Fahrverrückte.“
Die Sicherheit beim Silvesterspektakel
am Brandenburger Tor, bei Echo und Bambi,
bei Fußball-Fanmeilen mit hunderttausenden Besuchern – Kuhr hat schon vieles gemacht. Kürzlich erst das Sommerfest von
Bürgermeister Klaus Wowereit und eine
Podiumsdiskussion mit Kanzlerin Angela
Merkel abgesichert.
Jetzt also der Box-WM-Fight. Natürlich
hat Kuhr eine VIP-Karte. Einen Platz ganz
vorne am Ring. Ob Innensenator, Staranwalt, Boxpromoter oder Rotlichtlegenden:
Alle begrüßen ihn wie ein Familienmitglied.
Auch Ex-Weltmeister Graciano Rocchigiani,
deutsche Großgastronomen und arabische
Gangster. Wichtige, Wichtigtuer und Fans
sind ganz scharf auf ein Foto mit Deutschlands Promi-Personenschützer. „Sehen und
gesehen werden“, kommentiert Kuhr die
Links-rechts-Küsschen-Szenerie in der VIP-
Lounge. „Jeder soll wissen: Privat-Polizist
Kuhr hat Kontakte von ganz oben bis tief in
den Keller.“
Nach dem Kampf geht es im Wrangler
durch Wedding, Moabit, Charlottenburg,
Wilmersdorf. Vorbei am Bahnhof Zoo,
durch den Tiergarten Richtung Potsdamer
Platz. Vergangenes Jahr, als der letzte Teil
der Batman-Trilogie –„The Dark Knight Rises“ mit Christian Bale in der Hauptrolle –
Deutschland-Premiere hatte, karrte das
Management des Blockbusters das Batmobil
aus dem Film heran, erzählt Kuhr. Natürlich
hat er sich auch mit dem Straßenkreuzer
ablichten lassen.
„Stopp“, befiehlt Kuhr plötzlich. „Da drücken sich auffällige Gestalten herum.“ Ben
setzt den Blinker. Der Dachscheinwerfer
kommt zum Einsatz, die Geblendeten verdrücken sich. „Hohoho“, ruft der Sicherheitsprofi, dem jetzt wirklich nur noch das
Fledermauskostüm fehlt. „Ich habe euch im
Visier. Kuhr kriegt euch. Es gibt kein Entkommen.“
Der kernige
Klang eines potenten
Sportwagens ist für
den leidenschaftlichen
Autofan die schönste
Musik. Er steht auf Audi
R8 und BMW M3
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Am Potsdamer Platz der nächste Stopp. Hier
sorgen seine Leute seit Jahren für Sicherheit
in der Spielbank und im Edelnachtclub Adagio. Der Jeep holpert unter erstaunten Blicken einiger Nachtschwärmer ein paar Treppenstufen hinunter. Das Duo checkt, ob am
Potsdamer Platz alles rund läuft. Läuft es.
Das war nicht immer so. Vor drei Jahren
stieg ein Pokerturnier im Luxushotel „Grand
Hyatt“. Preisgeld: eine Million Euro.
Vier mit Revolvern und Macheten Bewaffnete stürmten das Turnier, schnappten
sich das Preisgeld. Einen Teil der Summe
rangen Kuhrs Männer ihnen gleich wieder
ab. Durch die Aussage Michael Kuhrs, der
den Haupttäter des Pokerraubs auf dem
Überfallvideo identifizierte, wurde der Auftraggeber des Überfalls – ein Mitglied eines
arabischen Familienclans – zu sieben Jahren
verknackt.
Ein Kontrollanruf noch bei einem Mitarbeiter, der die Villa eines Antiquitätenhändlers bewacht. Nach einer letzten Nachfrage
bei zwei Personenschützern, die mit einem
Multimillionär unterwegs sind, machen
sich Ben und sein Boss auf den Heimweg.
Zeit zu schlafen. Am Sonntagmittag Kickbox-Training. Danach ein Abstecher zum
Siemens-Konzern, wo Familientag ist und
Kuhr-Security darüber wacht, dass die
10 000 Besucher sich sicher fühlen. Bei der
anschließenden Routine-Patrouillenfahrt
hört der Sportwagen-Fan plötzlich seine
Lieblingsmusik: martialischen Motorensound. Solcher, der Pfützen, Scheiben,
Trommelfelle vibrieren und bei Kuhr den
Puls rasen lässt. „Ach du heilige Scheiße“,
ruft er und freut sich wie ein kleiner Junge
über das, was er hört. Und sieht.
An der Tankstelle trifft sich der elitäre
Vollgas-Club 300 Plus. Sieben Flitzer mit
insgesamt fast 4000 Pferdestärken, die zusammengenommen doppelt die Schallmauer durchbrechen könnten. Die leidenschaftlichen Vollgasjunkies wollen gleich zum
Lausitzring starten und lassen schon mal
die Motoren aufjaulen.
Meist sind es selbstständige Unternehmer zwischen Mitte 20 und Anfang 40, die
nicht so genau auf den Verbrauch gucken
und deren Wagen über 300 Sachen machen
müssen. Machen sie. Alle hier. Der Nissan
GT-R, den sein Besitzer „Bestia“ nennt. Der
Audi R8 Spyder GT mit den Louis-VuittonSitzen. Der Ferrari 458 Italia mit Diplomaten-Nummernschild. Die Mercedes C 63
AMG und S 63 AMG, der Lamborghini
Gallardo Spyder und der Porsche 911 Turbo.
Ob Karosserie, Innenausstattung oder Motorisierung: Alle dieser Sportler sind mit
Extras vom Feinsten ausgestattet.
Kuhr taucht – sichtlich fasziniert und
mit dem ganzen Oberkörper – in den Ferrari, streichelt zärtlich über die Sitze des
R8 und begrüßt den Porsche-Piloten euphorisch: Ali Ekici, 39, gelbes Shirt, kräftige
Statur, lässiges Lächeln, ist in der Bleifußund Edeltunerszene über die Grenzen Berlins hinaus bekannt. Er gebe Serien- und
Kleinstserienfahrzeugen ein ganz eigenes
Gesicht, mache sie lauter, schöner, stärker
– und einzigartig, erklärt Ekici: „Was Sportwagen und Limousinen betrifft, bin ich Dopingarzt und Schönheitschirurg in einem.“
Doch auch winzigen Smart und wuchtigen
SUV verpasst er fulminante Faceliftings und
kolossale Kraftzuwächse.
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Ekici hat früher mal als Türsteher, Fahrer
und Mann für Sondereinsätze für Michael
Kuhr gearbeitet. Dann hat er sich mit der
Autooptimierungs-Manufaktur TC-Concepts – sieben Mitarbeiter, Kunden bis nach
Russland, Singapur und in den USA – selbstständig gemacht. Die meisten der an der
Tankstelle versammelten Wagen gingen
durch Ekicis Charlottenburger Werkstatt.
„Hör mal, Ali“, sagt Kuhr und kratzt sich
am Kopf. „Kann sein, dass ich demnächst
mal wieder einen Spezialauftrag für dich
habe. Du bist mein Mann, wenn ich ein neues Batmobil brauche.“ „Geht klar“, erwidert
Ekici. „Wenn du es möchtest, bau ich dir das
Ultimative für deine Zwecke. Alles ist möglich, Alter. Alles!“
Schnell machen sich die röhrenden
Sportwagen dann auf den Weg zum Lausitzring. „Ich würde rasend gerne beim Ausritt
dabei sein“, klagt Kuhr. Doch als die wilden
Wagen aus seinem Blickfeld verschwinden,
klettert er in den Jeep und macht sich wieder auf den Weg ins Großstadtrevier. Seine
Mission ist noch längst nicht beendet. Deshalb muss Berlins Batman auch am Sonntag
arbeiten.
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