Wie kann ich Gott erkennen

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Wie kann ich Gott erkennen
Wie kann ich Gott erkennen?
I.
Das Wesen Gottes
Wer ist Gott?
Diese Frage stellt die Menschheit seit Beginn ihrer Erschaffung. Die größten
Denker haben sich immer wieder die Gottesfrage gestellt. In allen Bereichen
wird über Gott nachgedacht, egal ob in der Philosophie, in der Politik oder
Zuhause.
Auch der postmoderne Mensch kommt irgendwie nicht von Gott los. Sogar der
„aufgeklärte“ und säkularisierte Mensch scheint durch und durch religiös zu
sein.
Jeder hat so seine Gottesvorstellungen und seine persönlichen Erfahrungen.
Wenn jemand fragt „wer Gott ist“, dann ist diese Frage schon richtig gestellt.
Eine solche Frage stellt man einer Person. Gott ist kein „Was“, sondern
tatsächlich eine Person.
Eine Person hat Eigenschaften und Namen.
Wenn ich die Frage stelle „wer Gott ist“, dann möchte ich ihn auch näher
kennen lernen.
Wie aber können wir Gott überhaupt kennen lernen?
Bevor wir uns also mit dem Wesen Gottes näher beschäftigen, wollen wir von
der Gotteserkenntnis sprechen. Wie kann der Mensch überhaupt Gott erkennen?
Ist es wichtig, Gott zu erkennen?
Solchen Fragen wollen wir uns stellen.
Worte zum Nachdenken:
Finitum non capax infiniti (Calvin): Das Endliche kann das Unendliche nicht
fassen!
Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht (Bonhoeffer).
1
II. Die Voraussetzungen, um Gott zu erkennen
1. Falsche Wege der Gotteserkenntnis
Frage:
Welche Voraussetzungen führen in eine Sackgasse? Wie kann man Gott
nicht erkennen? Oder: Welche Wege reichen nicht ganz aus, um Gott zu
erkennen? Welche Wege sind sogar falsch und führen in die Irre?
a) Philosophische Ansätze: Sie gehen allein vom menschlichen
Verstand aus. Plato: Gott ist summum bonum. Schelling
(1775 – 1854): pantheistisches Gottesmodell. Hegel (17701831): Gott ist unserem Geist gleichzusetzen. Aber unser
Verstand ist durch den Sündenfall verdunkelt: Eph. 4,18:
Ihr Verstand ist verfinstert, und sie sind entfremdet dem Leben, das aus
Gott ist, durch die Unwissenheit, die in ihnen ist, und durch die
Verstockung ihres Herzens.
Der Mensch ist Gott entfremdet. Er kann durch fremde Mächte irregeleitet
werden, so dass wir zu einem falschen Gottesbild gelangen. Deshalb muss der
Verstand erleuchtet werden: Eph. 1,18:
Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu
welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit
seines Erbes für die Heiligen ist.
Der Mensch braucht erleuchtete Augen, damit er Gott erkennen
Erlebnis
kann und seine Verlorenheit.
Deshalb ist die Fürbitte für nichtgläubige Menschen so sehr wichtig. Gott stellt
sie uns in den Weg.
b) Die Religion: Sie ist der Weg des Menschen zu Gott.
Man sagt, es gibt viele Wege am Fuße des Berges.
Sie alle erreichen irgendwann die Spitze des Berges,
wo Gott wohnt. Doch dabei vergisst der Mensch,
dass er durch die Schuld von Gott getrennt ist. Von sich aus kann er Gott
nicht erkennen und auch nicht zu ihm gelangen. Jes. 59, 1-2:
2
„Siehe, des HERRN Arm ist nicht zu kurz, dass er nicht helfen könnte, und seine
Ohren sind nicht hart geworden, so dass er nicht hören könnte,
2 sondern eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und eure
Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass ihr nicht gehört werdet.“
Deshalb sagen viele Menschen: Wenn ich bete, erhört Gott mich nicht.
c) Die Medien: Sie orientieren sich gerade daran, was modern ist. New Age:
Gott wäre im Gefühl, im Bewusstsein. Feminismus: Gott wäre eine Mutter.
Die Bibel wird bewusst feminisiert.
d) Die Umwelt: Ein in der Kindheit falsch eingeprägtes Vaterbild, kann
negative Auswirkungen auf das Gottesbild haben. Gott wäre ein tyrannischer
Vater.
3
2. Begrenzungen der Gotteserkenntnis
Die beiden ersten umfassenden Offenbarungen nach dem Fall
a)Die Natur:
Der französische Philosoph und Religionskritiker Voltaire schrieb
einmal:
„Die Welt bringt mich in Verlegenheit; ich mag nicht daran
denken, dass diese Uhr besteht und dass es keinen Uhrmacher gäbe.“1
Und Cicero schreibt: „Kein Volk ist so barbarisch, kein Stamm so verwildert, dass
nicht die Überzeugung fest eingewurzelt wäre: es ist ein Gott.“2
Röm. 1,19-21
„Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es
ihnen offenbart.
20 Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird
seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt,
so dass sie keine Entschuldigung haben.
21 Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm
gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständiges
Herz ist verfinstert.“
Ps. 19,2
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk.
Apg. 14, 16-17
„Zwar hat er in den vergangenen Zeiten alle Heiden ihre eigenen Wege gehen
lassen;
17 und doch hat er sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat viel Gutes getan und
euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, hat euch ernährt und eure
Herzen mit Freude erfüllt.“
Apg. 17, 27 – 28:
„…damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und
fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.
1
2
René Pache, Inspiration, S. 11
Cicero, De natura Deorum, I, 16.43 in: Calvin, Institutio I, 1, 1.
4
28 Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt
haben: Wir sind seines Geschlechts.“
b) Das Gewissen:
Röm. 2, 14 - 16!
„Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun, was das
Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz.
15 Sie beweisen damit, dass in ihr Herz geschrieben ist, was das Gesetz fordert,
zumal ihr Gewissen es ihnen bezeugt, dazu auch die Gedanken, die einander
anklagen oder auch entschuldigen.“
Schon bevor es das mosaische Gesetz gab, opferte Abel dem HERRN (Gen. 4,4; Hebr. 11,4).
Auch Noah brachte Gott ein Brandopfer dar, sobald er die Arche verließ.
An dieser Stelle taucht die Frage auf, ob der Mensch durch die Natur Gott erkennen kann.
Deshalb gab es im 20. Jahrhundert zu Röm. 1 u. 2 einen heftigen Streit zwischen Befürworter
Emil Brunner und Paul Althaus auf der einen Seite und Karl Barth und Georg Huntemann als
Gegner auf der anderen Seite. In der Schöpfung ist der Geist des Schöpfers erkennbar, stellt
Brunner fest. Er spricht von der natürlichen Schöpfungsoffenbarung und von der
Christusoffenbarung. In der Schöpfung können wir wohl Gottes Fußspuren erkennen, aber sie
reicht nicht zu unserer Erlösung aus. Ausdrücklich betont der Schweizer Theologe: „... dass für
uns sündige Menschen die erste, die Offenbarung aus der Schöpfung, nicht genüge, um Gott
zu erkennen, dass diese Erkenntnis Heil bringt.“3 Jedoch sieht er in der Schöpfung einen
Anknüpfungspunkt (Apg. 17, 22 ff.). Der natürliche Mensch kann nicht das Gute tun, aber er
weiß um das Gute (natürliche Ethik). Hieraus darf keine Natürliche Theologie entstehen wie sie
in der Katholischen Kirche gelehrt wird. Brunner meint aber, dass in der Schriftoffenbarung
(Bibel) die Stimme Gottes durch die Naturoffenbarung so sehr verstärkt wird, dass der Schläfer
Mensch sie hören muss. Paul Althaus brachte den Begriff „Uroffenbarung“ mit ins Spiel. Als
Anknüpfungspunkte sieht er Sprache, Religion, Gewissen, Normen des Guten, die Natur, das
Streben nach Gerechtigkeit.4 Karl Barth lehnt kompromisslos die Ansätze einer
Naturoffenbarung ab. Der Titel seiner Entgegnungsschrift auf Brunner lautet deshalb auch
schlicht und einfach: „Nein!“ Der Heilige Geist setzt den Anknüpfungspunkt. Damit ist für ihn
die Sache erledigt. In seinem Kommentar zum Römerbrief geht er nicht mehr darauf ein. Auch
der Fundamentalethiker Georg Huntemann lehnt die Naturoffenbarung in jeder Hinsicht ab. Er
bezieht in seinem Buch „Der verlorene Maßstab“ Röm. 2, 14 - 16 auf die neutestamentliche
Gemeinde. Mit dem Wort „Heiden“ seien Heidenchristen gemeint.5 Das gibt der Text aber nicht
eindeutig her. Im Griechischen NT steht in Röm. 2,14 das Wort „ethne“ (Heide). Auch der
Kontext von Röm. 1 u. 2 stellt einen Vergleich zwischen Juden und Heiden auf, denn der
Apostel Paulus möchte darlegen, dass die Juden in Bezug auf die Errettung durch den Glauben
an Jesus gegenüber den Heiden keinen Vorteil haben. Im Gegenteil, ihre Selbstgerechtigkeit und
3
Emil Brunner, Natur und Gnade, J. C. B. Mohr, Tübingen, 1935, 2. Aufl., S. 12.
Dargestellt bei: Heinz Zahrnt, Die Sache mit Gott, Die protestantische Theologie im 20. Jh., S. 68.
5
G. Huntemann, Der verlorene Maßstab, Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell, 1983, S. 61
4
5
der falsche Gebrauch des Gesetzes könnte sie sogar daran hindern, sich von Jesus Christus allein
durch den Glauben retten zu lassen.
Fazit:
Einen Heilsweg über die Schöpfung ist nach dem neutestamentlichen Zeugnis
abzulehnen (Joh. 14,6). Das Evangelium wirkt durch die Kraft des Geistes (1.Kor.
2,4-5). Gott offenbart sich allein durch Jesus Christus. Und dennoch: Gott hat sich
nicht unbezeugt gelassen (Apg. 14,17). Christus verwendet viele Naturgleichnisse,
um analog auf das Himmelreich zu schließen. In diesem Sinne können wir vom
natürlichen Anknüpfungspunkt sprechen. Begriffe wie „Natürliche Theologie“
und „Natürliche Offenbarung“6 führen uns in die falsche Spur. Die
missverständliche Aussage von Werner Gitt „Gott hat den riesigen
Sternenhimmel dazu geschaffen, damit wir in den Himmel kommen“7, ist nicht
im Sinne einer natürlichen Theologie zu verstehen, sondern als Anreiz zum
Lobpreis Gottes gemäß Ps. 19,2: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die
Feste (hebr. „Raqija“ = Ausdehnung) verkündigt seiner Hände Werk.“
Anwendung: Wo finden wir im täglichen Leben einen Anknüpfungspunkt, um
Christus den Menschen zu bezeugen?
6
7
In diesem Sinne auch missverständlich bei H. Lindsell, The Battle, S. 28.
W. Gitt, Signale aus dem All - Wozu gibt es Sterne?, S. 153
6
Anwendung
3. Gibt es Gottesbeweise?
Thomas von Aquin (1225 – 1274) meint, dass bestimmte Glaubensaussagen durch die
Vernunft zu erklären wären. Er überlegt, wie er den Nichtgläubigen Gott erklären kann, seine
Existenz und seine Schöpfung. Den ontologischen Gottesbeweis von Anselm lehnt Thomas
ab: Man könne nicht aus dem Begriff Gott auf die Existenz Gottes schließen, so Thomas
gegen Anselm.8
Thomas führt nun seinerseits fünf Gottesbeweise an:9
1. Der motorische Gottesbeweis: Der Beweis aus der Bewegung (Der kinesiologische
Beweis). Jede Bewegung in dieser Welt braucht eine bewegende Kraft (priumum movens
= die erste Kraft, den ersten Anstoß). Es gibt eben kein perpetuum mobile, also ein
Gegenstand, welches sich von selbst in Bewegung setzt. Gott ist die bewegende Kraft. Er
hat die Erde in Bewegung gesetzt.
2. Der Kausalitätsbeweis: Alles, was es in der Welt gibt, hat eine Ursache, einen Grund
(Kausalität). Ohne Ursache keine Wirkung. Gott sei die erste Ursache (prima causa).
3. Der kosmologische Beweis: Die Schöpfung braucht einen Schöpfer. Kein Ding entsteht ex
nihilo, aus dem Nichts. Thomas schließt wie Aristoteles von dem Endlichen auf das
Unendliche.
4. Der moralische Gottesbeweis: Jeder Mensch trachtet nach der Vollkommenheit, nach
einer vollkommenen Ethik. Der Mensch möchte das Gute tun. Die Grundlage aller
Vollkommenheit ist eben Gott, der das absolute Gute ist (summum bonum = Plato). Die
Vollkommenheit des christlichen Lebens besteht darum nach Thomas in der Gottes- und
Nächstenliebe.
5. Der teleologische Gottesbeweis: Das griechische Wort „Telos“ bedeutet das „Ende, Ziel“.
Alles in der Welt strebt letztlich auf ein gemeinsames Ziel zu. Der Mensch strebt nach
Frieden und Gerechtigkeit. Das Erkennen Gottes ist das letzte Ziel des Menschen. Der
Mensch lebt nicht ziellos. Der Kosmos bewegt sich nicht planlos.10
6. Der henelogische Gottesbeweis
Gott ist die Spitze der Seinspyramide, die Spitze der Existenz.
8
Paul Hinneberg, Allgemeine Geschichte der Philosophie, Verlag von B.G.Teubner, Leipzig, Berlin, 1913, S. 397. Man nennt den
ontologischen Beweis auch den apriorischen Schluß, d. i. die Existenz Gottes allein aus dem Denken begründen (a priorie = allein aus der
Vernunft, aus dem Denken). Dagegen stehen die Beweise „ a posteriori“ = Die Gottesbeweise aus der Wahrnehmung.
9
A. Adam, Dogmengeschichte, II, S. 110. Vgl. A. Stückelberger, Menschl. Wissen, Gottes Weisheit, S. 80.
10
A.E. Wilder Smith und W. Gitt führen heute den Gottesbeweis aus der Informatik an: Die DNS - Moleküle, die Bausteine des Lebens,
können nicht per Zufall entstanden sein. Es braucht Information und eine Planung. Woher kommt die Information? Woher kommt die
Ordnung der DNS - Moleküle? Es muss einen Planer geben, nämlich Gott. Vgl. A. E. Wilder Smith, Die Naturwissenschaften kennen keine
Evolution, Schwabe Verlag, Basel u. Stuttgart, 1982, S. 54, 62, 86. Oder siehe W. Gitt, Das biblische Zeugnis von der Schöpfung, Hänssler,
Neuhausen, 1985, S. 129:
1. Eine Konstruktion bedingt die Idee eines Bauplanes und somit einen Konstrukteur.
2. Die Qualität einer Erfindung drückt sich in der Zweckmäßigkeit der Problemlösung aus. Ihre Genialität ist ein Hinweis auf den
Ideenreichtum des Erfinders.
3. Jede empfangene Information benötigt einen Sender, der sie auf der Basis eines gemeinsamen Codes übermittelt.
4. Sich selbst überlassene Materie bringt keine Konzeptionen hervor.
5. Die Bausteine der Materie haben keine psychischen Eigenschaften, sie planen nicht und können nicht denken. Sie haben keine eigene
Zielvorgabe. Nur ein intelligentes Wesen kann Materie zielorientiert bearbeiten und verarbeiten. (Siehe Ton und Töpfer).
6. Satz des Pasteur: Leben kann nur von Leben abstammen!
7
7. Der eudämologische Gottesbeweis
Das Glücksverlangen des irdischen Menschen wird nie gestillt. Viele Menschen bezeugen
nach einer Umfrage, dass sie mit 60 Jahren 10-mal reicher sind als mit 20, aber keiner
bezeugt, dass er mit 60 zehnmal glücklicher ist als mit 20 Jahren. Darum strebe der
Mensch nach überirdischem Glück, also nach Gott.
8. Der ethnologische Gottesbeweis
In jedem Volk gibt es Religion und meistens sogar einen Urmonotheismus.
Stellungnahme
Wie nehmen wir zu den Gottesbeweisen Stellung? Kann man Gott überhaupt beweisen? Aus
der Vernunft sicherlich nicht.
Aber gibt es nicht Hinweise aus der Schöpfung?
Viele christliche Denker schließen aus der Existenz alles Seienden, alles Stofflichen analog
auf Gott (analogia entis = aus dem Sein analog auf Gott schließen. Denkfehler des
Analogieschlusses).
Karl Barth lehnte diesen Analogieschluss ab.
Sein Kontrahent Emil Brunner dagegen schloss von der Natur auf den Schöpfer. Tut dies
nicht auch der Apostel Paulus in Röm. 1,20?
Die Gefahr besteht darin, dass aus Röm. 1 u. 2 eine „Natürliche Theologie“ entsteht wie bei
Thomas von Aquin: Gott könne man durch die Natur kennen lernen. Das ist nie möglich. Der
Mensch kann von sich aus nicht zu Gott kommen. Er ist durch die Sünde getrennt.
In der „Natürlichen Theologie“ bleibt Gott ein philosophischer und ein unpersönlicher Gott.
Bei unserer ganzen Diskussion fehlt eben noch der Begriff „Offenbarung“ (ich spreche
deshalb von der Offenbarungstheologie).
Wir können Gott nicht kennen lernen, wenn er sich nicht offenbart, und zwar durch Jesus
Christus. In der Offenbarungstheologie wird Gott zu einem Du.
Die Natur, die Bewegung der Erde, das menschliche Streben nach Vollkommenheit und
Zielverwirklichung zeigen höchstens die Fußspuren Gottes.
Sie erwecken in uns die Frage nach der Existenz Gottes.
In diesem Sinne ist die kreationistische Literatur zu verstehen. In uns beginnt ein Suchen nach
Gott, wenn wir die Werke der Schöpfung betrachten. Erlösung allerdings gibt es allein in und
durch Jesus Christus.
Zu Recht meidet H. G. Pöhlmann den Begriff „Gottesbeweis“. Er spricht lieber von
„Gotteshinweisen“.11
Gotteshinweise erschließen sich nicht zwingend dem rechnenden Verstand, wie Beweise nach
Art der Naturwissenschaft, der Mensch kann sie nur intuitiv erleben, und zwar jeder Mensch.
In der „allgemeinen Offenbarung“ durch die Natur (revelatio generalis) kann der Mensch
Gott nur erahnen, und zwar seine Macht und Gottheit (Röm. 1,20). Am Kreuz (revelatio
specialis) kann der Mensch durch Glauben Gott persönlich kennen lernen und seine damit
verbundenen Eigenschaften.
11
H. G. Pöhlmann, Kompendium der Dogmatik, S. 124 f.
8
4. Die biblischen Wege der Gotteserkenntnis
1) Calvin: Ohne Selbsterkenntnis keine Gotteserkenntnis:
„Wer sich also selbst erkennt, der wird dadurch nicht nur angeregt,
Gott zu suchen, sondern gewissermaßen mit der Hand geleitet, ihn
zu finden“ (Institutio I, 1, 1).
Jeder Mensch stellt die Frage: Woher – wozu – wohin!!!
Schuld?
Wohin mit der
2) Calvin: Ohne Gotteserkenntnis keine Selbsterkenntnis
„Aber andererseits kann der Mensch auf keinen Fall dazu kommen, sich
selbst wahrhaft zu erkennen, wenn er nicht zuvor Gottes Angesicht
geschaut hat und dann von dieser Schau aus dazu übergeht, sich selbst
anzuschauen“ (Institutio I, 1, 2).
„Wer von Gott erkannt ist, kann Gott erkennen“ (Gal. 4,9).
Gott hat sich zuerst den Menschen offenbart. Nur, wenn Gott sich offenbart,
können wir ihn erkennen. Sonst nicht.
Weshalb hat Gott sich uns offenbart?
„Alle Offenbarung ist Selbstmitteilung, und Selbstmitteilung ist
Einbeziehung, Ansichziehen, Nahewerden, eine Nähe, die Gemeinschaft will,
die aber, wo sie auf Widerstand stößt, zum verzehrenden Feuer werden kann.“
(Emil Brunner, Dogmatik I, S. 167).
3) Die drei Stufen der Gotteserkenntnis nach Calvin (Institutio I, 1, 2):
(1) als Schöpfer durch die Natur
(2) als Erlöser durch den Glauben
(3) durch die Hl. Schrift: Joh. 5,39.
4) Durch die Überführung des Hl. Geistes: Joh. 16, 8; 1.Kor. 2,10.
5) Durch Jesus Christus: „Wer mich kennt, der kennt den Vater“ (Joh. 8,19).
Die Wege der Gotteserkenntnis nach Johann Gerhard12:
1) Die angeborene, eingepflanzte natürliche Gotteserkenntnis (im Gewissen).
2) Die erworbene natürliche Gotteserkenntnis (in den Schöpfungswerken).
3) Die geoffenbarte Gotteserkenntnis aus der Schrift.
12
Pöhlmann: Kompendium, 118
9
III. Warum ist es wichtig, Gott zu erkennen?
„Wie du zu Gott stehst, so bist du.“13
Der Reiche Jüngling und seine Gottesbeziehung
 Was wusste der Reiche Jüngling über Gott?
 Woher wusste er es?
 Reichte dieses Grundwissen über Gott zu seiner Errettung aus?
1) Man kann eine ganze Menge über Gott wissen, ohne ihn
persönlich zu kennen. Vergleiche dazu den Reichen
Jüngling in Mt. 19, 16 – 26. Er kannte die ganzen Gebote
auswendig. Er versuchte sie in seinem Leben auszuleben.
Er wusste es von seinen Eltern. Er wurde in allem
unterrichtet. Von Kindesbeinen an nahm er an den Synagogengottesdiensten
teil. Aber wahrscheinlich handelte es sich nur um eine traditionelle jüdische
Erziehung. Es ging um eine Beziehung zum Gesetz, nicht aber um eine
persönliche Beziehung zu Gott. Und genau da setzt JESUS an. Wenn es dir
wirklich um eine persönliche Beziehung zu Gott geht und du Gott lieb hast,
dann verkaufe alles, was du hast, gib den Erlös den Armen und komm, folge
mir nach. Was JESUS von dem Reichen Jüngling verlangt, steht bereits im
ersten Gebot geschrieben: Ich bin der HERR, dein Gott; du sollst keine
anderen Götter haben neben mir. Gott möchte in der Beziehung zum
Menschen an erster Stelle stehen. Wenn es noch Dinge gibt, die mir
wichtiger sind als Gott, dann bezeichnet die Bibel solche wichtigeren Dinge
als Götzen. Wenn der Reiche Jüngling wirklich Gott über alles lieben will,
soll er von seinem Mammon (Besitz, Reichtum) loslassen. Aber dazu war er
nicht bereit. Das Irdische, das Vergängliche, das Sichtbare, der
Materialismus war ihm wichtiger als die ewig bleibende Beziehung mit dem
lebenden Gott. Das ist wirklich die Tragödie in dieser Begegnung.
13
Emil Brunner, Dogmatik, Bd. II, S. 71.
10
2) Auch eine christliche Erziehung reicht nicht aus, wenn es nur um Traditionen
geht.
Man kann sehr viel von Frömmigkeit wissen, ohne Gott übermäßig zu kennen.
Ebenfalls steht uns wieder der Reiche Jüngling aus Mt. 19, 16 – 26 vor Augen.
Man kann sich sehr viele Predigten auf Kassette anhören, viele theologische
Bücher gelesen haben, man kann wissen, wie man Zeugnis ablegen soll, was die
Taufe bedeutet und das Abendmahl, man kann Biographien gelesen haben, wir
können uns evangelische Christen nennen, weil das obligatorisch ist und
dennoch kann die Beziehung zu Gott tot sein (Sardes: Offb. 3,1). Wir können
das Glaubensbekenntnis sprechen, aber dennoch kann unser Herz von Gott fern
sein. Die Gotteserkenntnis ist eben kein theologischer Sachgegenstand, sondern
eine persönliche Erfahrung im Leben eines jeden einzelnen Menschen.
Das dreifache Bekenntnis des Petrus
Zunächst erfolgte das Buß-Bekenntnis des Petrus am See Genezareth beim Ruf
JESU in die Nachfolge: „HERR gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger
Mensch!“ (Lk. 5, 8). Ein Schrecken hatte den Petrus nach dem wunderbaren
Fischfang überfallen, so dass er die Heiligkeit, die Reinheit, die
Vollkommenheit JESU, des Zimmermanns aus Nazareth, erkannte. Die
„Schechina“, die Lichtherrlichkeit Gottes, die im Alten Bund im Tempel
gegenwärtig gewesen war, stand in seinem Boot vor ihm. Dieses Bußbekenntnis
sollte bei einem jeden einzelnen Jünger am Anfang der Nachfolge JESU stehen.
Das Bußbekenntnis steht für die Erneuerung des alten Lebens.
JESUS lässt sich nicht von Petrus fortschicken. ER bleibt und fängt mit Petrus
neu an!
In Cäsarea Philippi erfolgt während der Zeit der Nachfolge das theologische
Bekenntnis (Lk. 9,20 = das theologische Bekenntnis auf der Sachebene). „Du
bist Christus, das heißt der verheißene Messias aus den Propheten und du bist
der Sohn Gottes (vgl. Mt. 16,16). Dieses theologische Bekenntnis bezeugt die
Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit der Propheten, das heißt des Wortes Gottes.
Es bezeugt, dass JESUS allein den Anspruch der Messianität und der
Gottessohnschaft besitzt.
11
Nach der dreijährigen Jüngerschaft stellt JESUS Petrus die Frage, welche die
Beziehungsebene berührt: Hast du mich lieb? (Joh. 21, 15 – 17). Es ist das
Dienst-Bekenntnis. Petrus steht nun am Anfang des Dienstes im Reich Gottes.
Die Animation und die Motivation soll die Liebe zu JESUS sein! Die Liebe zu
JESUS soll die Antriebskraft im Reich Gottes sein.
Das eine schließt das andere nicht aus: Das theologische Bekenntnis brauchen
wir, um Gewissheit zu erlangen, um uns verteidigen zu können und im
missionarischen Gespräch, welches sich auf das Wort Gottes gründlich gründen
sollte. Aber ohne die Liebe zu Christus ist der Glaube tot (1.Kor. 13). Wir
brauchen sowohl die Sachebene als auch die Beziehungsebene in einer
schlichten Ausgewogenheit.
Auch der Autor des Hebräerbriefes lädt uns zum Einhalten des Bekenntnisses
ein (Hebr. 4,14). Es ist das Bekenntnis der Hoffnung (Hebr. 10,23).
James C. Whittaker: Es war als sängen die Engel
James C. Whittaker berichtet14:
Unser großer Liberator – Bomber schaukelte ruhig im hellen
Oktobersonnenlicht, hoch über dem südwestlichen Pazifik.
Vor uns lag Hawaii, San Franzisko und die Heimat. Hinter
uns lag eines der größten Kriegsgeschehen, das die Welt je
gesehen hat. Aus 1500 m Höhe konnten wir den Ozean
sehen wie eine blaue Decke. Das war der 18. Oktober
1942. An diesem Tag verloren wir einen unserer
Kameraden und wir anderen wurden nur durch Gottes Eingreifen und durch
zwei göttliche Wunder gerettet. An diesem sonnigen Nachmittag flog ich mit
200 Meilen Stundengeschwindigkeit dem größten Erlebnis entgegen, das ein
Mensch haben kann, dem, in welchem er seinen Gott findet. Denn an dem
besagten Tag viel der Bordkompass aus, so dass wir vom Kurs abkamen. Als der
Sprit verflogen war, mussten wir auf dem Ozean eine Bruchlandung
hinbekommen. Mit 90 Meilen die Stunde rasten wir auf das Wasser zu. Die
Bruchlandung war geglückt. Doch kaum gelandet, kämpften wir gegen die Zeit,
denn das Wrack begann zu sinken. Wir pumpten die Rettungsboote auf, warfen
Proviant hinein und stiegen ein. Das Flugzeug wurde bald vom unendlichen
Meer verschluckt. Und für uns begann nun eine Drei-Wochen-Odyssee im
unendlichen Pazifik unter Sonnenglut und hungrigen Haifischen. Obwohl wir
14
James C. Whittaker: Es war als sängen die Engel, Rufer Verlag, Gütersloh, 1951.
12
von Wasser umgeben waren, das bis zum Horizont reichte, litten wir unter
qualvollem Durst. Unsere Körper trockneten aus.
Sechs Tage lang bekamen wir kein Tropfen Wasser zu trinken.
Wir hatten ein Neues Testament mitgenommen. Dieses begannen wir zu lesen,
jeden Morgen und jeden Abend. Und wir begannen zu beten.
Wir beteten um Essen. Aber woher sollte das Essen kommen? Es geschah ein
Wunder. Ein kleiner Haifisch sprang in unser Boot. Wir ergriffen ihn. Noch nie
hat uns roher Fisch so gut geschmeckt.
Wir beteten um Wasser. Aber woher sollte das Wasser kommen? Gott schickte
eine Wolke, die sich gegen den Wind auf sie zubewegte und genau oberhalb der
Boote begann es zu regnen.
Sie waren fest davon überzeugt, dass Gott ihre Gebete erhört hatte.
Diese Männer fanden Gott.
Nach der Rettung erzählt Whittaker nicht nur von der Bruchlandung, sondern
vor allem von den Erlebnissen mit Gott: „Ich werde es immer wieder
erzählen, solange ich lebe. Es war das größte Erlebnis, das ein Mensch
haben kann. Es ist die größte Geschichte, die ein Mensch erzählen kann.“
Wer Gott erkannt hat, schreitet zur Tat
Wer Gott erkannt hat, bringt große Kraft auf für Gott. So war es im Leben von
Daniel. „Die ihren Gott erkannt haben, werden festen Stand haben und zur Tat
schreiten.“ Dan. 11,32! Der Prophet Jeremia!
Die Gott kennen, legen großen Mut an den Tag für ihn: Apg. 5,29; 20,24.
Wer Gott erkannt hat, denkt groß von IHM
Die ihren Gott erkannt haben, denken groß von ihm: Dan. 2, 27-28
„Daniel fing an vor dem König und sprach: Das Geheimnis, nach dem der König
fragt, vermögen die Weisen, Gelehrten, Zeichendeuter und Wahrsager dem König
nicht zu sagen.
28 Aber es ist ein Gott im Himmel, der kann Geheimnisse offenbaren. Der hat dem
König Nebukadnezar kundgetan, was in künftigen Zeiten geschehen soll. Mit deinem
Traum und deinen Gesichten, als du schliefst, verhielt es sich so.“
 Geben wir nach des Tages Arbeit Gott die Ehre?
 Oder reden wir nur über die harte Arbeit, die wir getan haben?
 Wir reden auch schon von der Arbeit in der Gemeinde. Besser sollten
wir vom Dienst für Jesus sprechen.
13
Gott erkennen, das Ziel meines Lebens
Wofür sind wir geschaffen? – Um Gott zu erkennen (Adam).
Welches Ziel sollten wir uns im Leben setzen? Gott erkennen!
Worin besteht das ewige Leben? Gott erkennen (Joh. 17, 3)
Der Mensch rühme sich nicht seiner Klugheit, sondern seiner Gotteserkenntnis:
Jer. 9, 22-23.
Gott hat nicht in erster Linie Lust an den Werken, sondern an Gotteserkenntnis:
Hosea 6,6: „Ich habe Lust an der Erkenntnis Gottes und nicht an Brandopfer“.
14
Hinweise

Wenn nicht anders erwähnt, wurde die Martin Luther Übersetzung von 1984, Deutsche
Bibelgesellschaft, Stuttgart, verwendet.

Die übrigen verwendeten Bibelausgaben, Übersetzungen sowie die Schriftfonds der zitierten
Verse entstammen „Bible Works 4.0“ (1999) bis 9.0 (2009), distributet by Hermeneutika Bible
Research Sotfware, Big Fork, Montana, USA.

Der Text wurde mit Microsoft Word 2010 (Microsoft Corporation) erstellt und formatiert.

Biblische ClipArts entstammen Masters Art Collection Nr. 7, ClipArts zur Bibel, Agathos
Verlag, Exxlesia Equipment, H. T. Mislisch, Sonthofen.

Weitere ClipArts sind PrintMaster Gold Deluxe 4.0 entnommen, Mindscape International,
Mülheim a.d.R., 1997.
Literatur
1) Calvin, Johannes, Unterricht in der christlichen Religion (Institutio), Bd. I - III, Buchhandlung
des Erziehungsvereins, Neukirchen, 1936 (Calvin, Institutio).
2) Brunner, Emil, Die christliche Lehre von Gott, Dogmatik I, Theologischer Verlag, Zürich, 1972
(Brunner, Dogmatik).
3) Brunner, Emil, Natur und Gnade, J. C. B. Mohr, Tübingen, 1935, 2. Aufl.
4) MacDonald, William: So ist Gott, CLV, Bielefeld, 1996.
5) Jantzen, Herbert, hrsg. v. Achim Hähnel: Die Lehre von Gott, Verlag Friedensbote,
Gummersbach, 1999.
6) Lubahn, Erich / Rodenberg, Otto: Hrsg.: Von Gott erkannt – Gotteserkenntnis im
hebräischen und griechischen Denken, Christliches Verlagshaus, Stuttgart, 1990
(Theologische Studienbeiträge, Bd. 3).
7) MacDonald, William / Hanes, Brad: So ist Gott, CV, Dillenburg, 2007 (304 S.).
8) Pache, R., Inspiration u. Autorität der Hl. Schrift, Brockhaus, Wuppertal, 1985 (R. Pache,
Inspiration).
9) Packer, James I.: Gott erkennen, Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell,
1977.
10) Pöhlmann, Horst Georg: Abriss der Dogmatik – ein Kompendium, Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh, 19905.
11) Richardson, Don: Ewigkeit in ihren Herzen, Verlag der Liebenzeller Mission, Bad
Liebenzell (im Verlag der St.-Johannis-Druckerei Lahr), 1999 (5. Auflage).
12) Ryrie, C.C.: Die Bibel verstehen, Das Handbuch biblischer Theologie für jedermann,
608 S., CLV, Bielefeld, 1996, sowie CV, Dillenburg
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