2 Methoden der Verbrauchsberechnung

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2 Methoden der Verbrauchsberechnung
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
2
Methoden der Verbrauchsberechnung
2.1
Problemdefinition
Seite 10
Der Verbrauch eines Fahrzeugs an BordenergietrŠger wird durch drei Faktoren beeinflusst:
¥
Das Fahrprofil (Geschwindigkeiten, Steigungen etc.)
¥
Die Fahr- und BeschleunigungswiderstŠnde (Fahrzeugmasse, Aerodynamik etc.)
¥
Der Wirkungsgrad des Energiewandlers (Bordenergie → mechanische Energie).
Die einzelnen Komponenten sind nicht unabhŠngig voneinander, so beeinflusst z.B. das Fahrprofil die FahrwiderstŠnde und den Wirkungsgrad des Energiewandlers.
Das Fahrprofil wird von der fahrenden Person, bzw. vom Gesetzgeber vorgegeben. Der zweite Punkt lŠsst sich in
der Fahrzeugentwurfsphase beeinflussen, im Betrieb kšnnen die FahrwiderstŠnde meistens nicht mehr verŠndert
werden. Der dritte Punkt hingegen bietet noch einen grossen Spielraum fŸr technische Verbesserungsmassnahmen, insbesondere kann eine optimierte Betriebsstrategie, evtl. im Zusammenhang mit neuen Komponenten, zu
einer spŸrbaren Verbrauchsreduktion fŸhren.
Um solche Verbesserungen zu erzielen, ist man natŸrlich daran interessiert, mathematische Modelle und Methoden zu entwickeln, welche die Voraussage des Verbrauchs ermšglichen. In dieser Vorlesung steht dabei nicht die
Einzelkomponente im Vordergrund, sondern das aus solchen gebildete System. Das Gesamtsystem wird Ÿber
lŠngere Betriebsphasen und unter dynamischen Bedingungen studiert. Zum Beispiel wird ein Verbrennungsmotor hier durch ein (gemessenes oder berechnetes) Kennfeld beschrieben. Wie man dieses Kennfeld erhalten kann,
wird in anderen Vorlesungen besprochen.
Wie man einen solchen Motor z.B. zusammen mit einem Schwungrad und einem CVT optimal betreiben kann,
wird hingegen in dieser Vorlesung behandelt. Neben den Verbrauchsberechnungsmethoden werden beispielhaft
Optimierungen gezeigt, also Methoden, wie die hergeleiteten Modelle dazu verwendet werden kšnnen, gezielt
das Verhalten des Gesamtsystems zu verbessern.
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
2.2
Seite 11
FahrzeugwiderstŠnde und Fahrleistungen
Am fahrenden Fahrzeug greifen grundsŠtzlich vier verschiedene externe KrŠfte an (siehe Bild 2.2.1), nŠmlich die
drei Anteile
1
Aerodynamik:
Fa (v f ) = ⋅ ρ L ⋅ A f ⋅ cw (v f ) ⋅ v 2f
2
Rollreibung:
Fr ( γ , v f ) = cos( γ ) ⋅ m f ⋅ g ⋅ cr (v f )
Steigung:
Fg ( γ ) = sin( γ ) ⋅ m f ⋅ g
(2.2.1)
und zusŠtzliche StšrungskrŠfte Fd (t) (Wind, Strassenunebenheiten etc.). Da sowohl die Fahrzeuggeschwindigkeit v f als auch die Steigung γ Funktionen der Zeit sind, ergibt sich daraus ein zeitabhŠngiges Radmoment
[
Mr (t) = r ⋅ Ftot (t) = r ⋅ Fa (v f (t)) + Fr ( γ (t), v f (t)) + Fg ( γ (t)) + Fd (t)
]
(2.2.2)
Die Fahrzeugmasse hat, wie man sieht Ð Ÿber den spŠter diskutierten Beschleunigungswiderstand hinaus Ð einen
zentralen Einfluss auf die FahrwiderstŠnde des Fahrzeugs. FŸr Verbrauchsvergleiche wird jeweils vom Leergewicht (vollgetankt!) plus 100 kg Zuladung ausgegangen. Gesetzlich sind fŸr RollenprŸfstandversuche, welche bei
den Emissionsgrenzwerten entscheidend sind, allerdings nur Gewichtsklassen vorgeschrieben.
Fd
Fa
vf
r
Fg
Fr
mf ⋅g
γ
Bild 2.2.1, FahrwiderstŠnde am Fahrzeug
Typische Werte fŸr die Fahrzeugparameter lauten
QuerschnittflŠche A f :
1.6 É 2.0 m2
Luftwiderstandszahl cw :
0.28 É 0.40, untere Grenze ca. 0.20
Rollreibungskoeffizient cr :
0.011É0.014, untere Grenze fŸr PW ca. 0.008.
Im folgenden werden nun die einzelnen Anteile des Fahrwiderstands etwas genauer diskutiert. FŸr VerbrauchsabschŠtzungen genŸgen aber die in Gleichung (2.2.1) gezeigten AnsŠtze oftmals.
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2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
Seite 12
Luftwiderstand
Der Widerstand, welcher von einem bewegten Fahrzeug verspŸrt wird, entsteht einerseits aus der viskosen Reibung der Luft an der FahrzeugoberflŠche und andererseits durch die Ð durch Ablšsung der Stršmung erzeugten Ð
Druckunterschiede vor und hinter dem Fahrzeug. Die Berechnung der DrŸcke und KrŠfte ist fŸr idealisierte Fahrzeugformen heute auf numerischem Weg mšglich. Mšchte man aber genaue Aussagen machen, welche Effekte
wie MotorbelŸftung, Radkastenverwirbelungen etc. berŸcksichtigen, so ist man auf Windtunnelversuche angewiesen. Die eigentliche Karrosserie trŠgt etwa 65% zum Luftwiderstand bei, der Rest wird von den RadkŠsten
(ca. 20%), den Aussenspiegeln, Dachrinnen, Fensterkanten etc. (ca. 10%) und der MotorlŸftung (ca. 5%) erzeugt.
Der in Gleichung (2.2.1) gemachte Ansatz idealisiert das Fahrzeug als einen geometrischen Kšrper mit FrontflŠche A f und mit konstantem Widerstandsbeiwert cw . Dieser Koeffizient stellt das VerhŠltnis zwischen der vom
Staudruck theoretisch erzeugten und der tatsŠchlich gemessen Kraft dar.
Gleichung (2.2.1) gilt nur, wenn der Fahrtwind exakt von vorne kommt. Seitliche Winde erzeugen QuerkrŠfte
Fq (v f , vq ) =
(
)
1
⋅ ρ ⋅ cq ( ϕ ) ⋅ Aq ⋅ v 2f + vq2 ,
2
 vq 
ϕ = arctan  
 vf 
(2.2.3)
( vq ist die Geschwindigkeit des Querwinds und Aq die QuerflŠche des Fahrzeugs). Der Querkraftbeiwert ist eine
Funktion des Anstršmwinkels, als Gršssenordnung kann die AbschŠtzung
cq ( ϕ ) ≈ 0.5 ⋅ ϕ
( ϕ in rad)
(2.2.4)
verwendet werden.
Der LŠngswiderstandsbeiwert cw wird mit zunehmendem Querwinkel der Anstršmung auch zunehmen, bei
Personenwagen weniger stark (ca. 0.15/rad), bei Lastwagen stŠrker (besonders wenn zwischen Fahrerkabine und
AnhŠnger eine LŸcke vorhanden ist).
Rollreibung
Der Rollreibungskoeffizient ist von der Raddrehzahl und im VerhŠltnis von ca. 1 / p vom Reifendruck abhŠngig (siehe Bild 2.2.2), zudem erhšht er sich auf nassen Strassen um ca. 20%. Die Reifentemperatur ist (bei gegebener Fahrbahn- und Umgebungstemperatur) eine Funktion der Fahrzeuggeschwindigkeit (Angaben in eckigen
Klammern in Bild 2.2.2), das thermische Gleichgewicht stellt sich aber erst nach 15 - 30 Minuten Fahrt ein.
Ab einer gewissen Fahrzeuggeschwindigkeit nimmt der Widerstand des Reifens stark zu. Dies wird durch eine
ÒResonanzÓ im Reifen bewirkt: bei genŸgend grossen Drehzahlen entwickelt sich eine stehende Welle im Reifenumfang, welche zu sehr starken Reibungsverlusten und damit verbundenen Temperaturerhšhungen fŸhrt.
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c r (−)
Seite 13
0.02
[28 C]
p = 0. 4⋅ p0
Durchschnitt heute
p0
[20 C]
[25 C]
p = 1. 6⋅ p0
0.01
Minimum heute
0
0
10
20
30
40
v f (m/s)
Bild 2.2.2, Rollwiderstandskoeffizienten als Funktion der Fahrzeuggeschwindigkeit,
In den vom Hersteller angegebenen Drehzahlgrenzen lŠsst sich der Widerstandskoeffizient fŸr genauere Rechnungen durch den folgenden Ansatz approximieren
cr (v f ) = cr 0 + cr1 ⋅ v 2.5
f
(2.2.3)
wobei fŸr die beiden Koeffizienten die im Bild 2.2.3 angegebenen Werte als erster Anhaltspunkt dienen kšnnen.
cr1 (-)
cr0 (-)
0.02
-7
3 .10
cr0
0.01
cr1
-6
1.10
1
2
3
Reifendruck (bar)
Bild 2.2.3, Rollreibungskoeffizienten als Funktion des Reifendrucks
Schliesslich gilt es noch festzuhalten, dass viele andere Parameter die Rollreibungsverluste beeinflussen. Umgebungstemperatur, Strassenbeschaffenheit (Beispiel: auf Beton cr = 0. 015, auf Sand cr = 0.3) etc. haben einen im
Alltag grossen Einfluss.
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Seite 14
Fahrzeugbeschleunigung
Das Verhalten des Fahrzeugs bei eingekuppeltem Motor kann durch eine Differentialgleichung erster Ordnung
modelliert werden
dv f (t)
m f + mr ⋅
= j ⋅ η j ⋅ Fm (t) − Ftot (t)
(2.2.4)
dt
wobei
1
1
Fm (t): = ⋅ Mm (t) und mr = 2 ⋅ Θ R + j 2 ⋅ η j ⋅ Θ m .
(2.2.5)
r
r
[
]
[
]
und Θ m die Motor-, Θ R die RŠdertrŠgheit, Mm das Motormoment, j = ω motor / ω rad die totale †bersetzung
und η j der Wirkungsgrad des ganzen Antriebsstrangs ist. FŸr ŸberschlagsmŠssige Rechnungen wird der Anteil
mr oft als konstant betrachtet und zur eigentlichen Fahrzeugmasse dazugeschlagen (z.B. plus 10%).
Fordert man eine Beschleunigung des Fahrzeugs von 0 auf v f ,max in t max Sekunden, so kann man daraus die
vom Motor zu erbringende Maximalleistung mit
Emax =
1
⋅ m f ⋅ v 2f ,max =
2
tmax
∫ PA (t )dt
(2.2.6)
0
abschŠtzen. Gleichung (2.2.6) vernachlŠssigt diverse Effekte, z.B. den Einfluss eines Getriebes, die WiderstandskrŠfte gemŠss (2.2.1), die Schlupfverluste an Reifen und Kupplungen und die Schaltzeiten. Die momentane Motorleistung PA (t) ist nicht bekannt, sie kann aber durch ihren ÒMittelwertÓ PA (t) ≈ 0.5 ⋅ PA,max approximiert
werden. Damit erhŠlt man dann die einfache Beziehung
t max =
v 2f ,max ⋅ m f
(2.2.7)
PA,max
Obwohl diese Beziehung mit so vielen Vereinfachungen hergeleitet wurde, stimmt sie doch qualitativ gut mit
gemessenen Werten Ÿberein. Bild 2.2.3 zeigt den Vergleich zwischen gemessener und der nach (2.2.7) geschŠtzten Beschleunigungszeit fŸr den Fall vmax = 100 (km / h) (zur vom Hersteller angegebenen Leermasse der
Fahrzeuge wurden jeweils 100 kg dazugezŠhlt).
t100 gerechnet (s)
18
14
10
6
2
0
4
8
12
16
t 100 gemessen (s)
Bild 2.2.4, Vergleich gemessener und mit Gl. (2.2.6) berechneter Beschleunigungszeiten (von 0 auf 100 km/h)
Man beachte, dass fŸr einen Mittelklassewagen (gemŠss Tabelle 1.2.1) im EU-Zyklus im Mittel eine Motorleistung von nur 7.6 kW benštigt wird (wŠhrend den Antriebsphasen, siehe Abschnitt 2.3), zur BewŠltigung der
letzten Beschleunigung (im †berlandteil) bereits Ÿber 40 kW und um in 10 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu
beschleunigen gemŠss (2.2.7) mehr als 120 kW! (Zahlen ÒLeichtmobilÓ: 3.4 kW, 20 kW, 60 kW).
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2.3
Seite 15
Test-Zyklen
Um verschiedene Fahrzeuge ÒfairÓ miteinander vergleichen zu kšnnen (Verbrauch, Emissionen, Fahrbarkeit etc.)
werden normierte Fahrzyklen verwendet (gesetzlich vorgegeben). Heute sind besonders 2 im Einsatz (beide Zyklen sind in der Ebene definiert, d.h. es werden keine Steigungen nachgebildet):
¥ FTP-75 (Federal Test Procedure) US-Amerikanischer Zyklus, der frŸher auch in der
Schweiz verwendet wurde, siehe Bild 2.3.1
¥ Neue EU-Zyklus, der, wie der Name sagt, heute in der EU gebrŠuchlich ist und Ð da die
Schweiz fŸr Fahrzeuge die EU-Normen Ÿbernommen hat Ð auch hier gŸltig ist.
vf km/h
80
60
40
20
200
600
1000
1400
1800
Zeit t s
Bild 2.3.1, US-Amerikanischer Zyklus, FTP-75 (Federal Test Procedure), LŠnge: 17.8 km,
Dauer: ca. 31.5 Minuten, Durchschnittsgeschwindigkeit: 9.43 (m/s)
Der Verlauf des EU-Zyklus ist im Bild 2.3.2 dargestellt, im Gegensatz zum FTP-75 werden im EU-Zyklus auch
die GŠnge vorgeschrieben (ausser fŸr Automatikgetriebe), was eigentlich nicht besonders sinnvoll ist.
vf km/h
Überlandteil
1 x fahren
120
100
Stadtteil
4 x fahren
80
60
40
20
-40
0
5
4
3
2
1
0
k
A
100
200
800
900
1000
1100
1200
t s
Bild 2.3.2, EU-Zyklus, GŠnge 1-5, k=Kupplung offen, A=Antriebsphase, LŠnge: 11.4 km, Dauer: 20 Minuten,
Durchschnittsgeschwindigkeiten: Stadt=5.12 (m/s), †berland=18.14 (m/s), Total=9.5 (m/s), 13 AnfahrvorgŠnge
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In jedem Zyklus kann das Fahrzeug (vorderhand ohne Rekuperation) sich grundsŠtzlich in drei verschiedenen
ZustŠnden befinden
1. Antreibend, d.h. der Motor muss Arbeit leisten, um das gewŸnschte Fahrprofil zu ermšglichen
2. Bremsend, d.h. die Bremsen wandeln kinetische Energie des Fahrzeugs in WŠrme um, der
Motor kann ein- oder ausgekuppelt sein (zu berŸcksichtigen wegen Schubabfangschaltung)
3. Rollend, d.h. der Motor ist ausgekuppelt und die FahrwiderstŠnde (Luft- und Rollreibung etc.)
werden exakt durch die Abnahme der kinetischen Fahrzeugenergie gedeckt.
FŸr den Grenzfall 3 fŸr eine Fahrt in der Ebene ohne Zusatzstšrungen folgt aus der Gleichung (2.2.4), dass das
Fahrzeugverhalten durch die Differentialgleichung
dv f (t)
dt
=−
0.5 ⋅ ρ L ⋅ A f ⋅ cw ⋅ v 2f (t) + m f ⋅ g ⋅ cr
m f + Θr / r 2
(
=: − α 2 ⋅ v 2f (t) + β 2
)
(2.3.1)
beschrieben ist (bei heutigen Fahrzeugen wird das Getriebe bei ausgekuppeltem Motor mitgetrieben, was in
(2.3.1) nicht explizit berŸcksichtigt ist). Diese Gleichung ist geschlossen integrierbar
v f (t) =


α

β
tan arctan  ⋅ v f (0)  − α ⋅ β ⋅ t 
α
β



(2.3.2)
Immer dort, wo eine Kurve (2.3.2) den vorgegebenen Verlauf im Zyklus tangiert, wird von einem Zustand auf
den anderen umgeschaltet; falls der vorgegebene Verlauf fŸr ein gewisses Intervall mit dem Verlauf (2.3.2) Ÿbereinstimmt, so befindet sich das Fahrzeug im Zustand ÒRollendÓ.
vf
Gleichung (2.3.2)
Bremsend
Rollend
Antreibend
Zeit t
Bild 2.3.3, Fallunterscheidung Fahrzeugzustand
Der EU-Zyklus ist so ÒeckigÓ aufgebaut, dass es a priori klar ist, wo die Kraft am Rad positiv sein muss und wo
negativ (gilt fŸr alle ÒvernŸnftigenÓ Fahrzeugparameter). Damit kann der Energiebedarf, wie unten gezeigt wird, a
priori und getrennt von den Fahrzeugparametern berechnet werden. Der FTP-Zyklus ist ÒglatterÓ und kann deswegen nicht in der gleichen Art behandelt werden (hier muss im allgemeinen die Lšsung (2.3.2) mit dem vorgegebenen Geschwindigkeitsprofil verglichen werden).
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Seite 17
Im Folgenden soll nun die mechanische Energie, welche von einem gegebenen Fahrzeug im EU-Zyklus benštigt
wird, berechnet werden (Fahrzeug ohne zusŠtzliche externe Stšrungen). Die zentrale Rolle in diesen †berlegungen spielt die ÒMittlere Kraft am RadÓ, welche wie folgt definiert ist
Frad , A =
1
⋅ Frad (t ) ⋅ v f (t ) ⋅ dt,
xtot t ∈∫A
xtot =
tmax
∫ v f (t ) ⋅ dt
(2.3.3)
0
wobei xtot die totale Distanz des Zyklus und A die Menge aller Antriebsintervalle ist (siehe Bild 2.3.3, der Anteil der Antriebsintervalle am gesamten EU-Zyklus betrŠgt ca. 59%). Frad (t) ist die Kraft, welche benštigt wird
um das Fahrzeug dem gegebenen Zyklus folgen zu lassen
Frad (t) =
[
]
dv f (t)
1
⋅ ρ L ⋅ A f ⋅ cw ⋅ v 2f + m f ⋅ g ⋅ ( cr + γ ) + m f + mr ⋅
dt
2
(2.3.4)
In Gleichung (2.3.4) sind implizit zwei Vereinfachungen enthalten: 1. werden nur kleine Steigungswinkel betrachtet, 2. wird angenommen, dass der Roll- und der Luftwiderstandsbeiwert konstant sind. Man beachte, dass
im EU-Zyklus der Zustand ÒRollendÓ nicht vorkommt. Im Zustand ÒAntreibendÓ wird mechanische Energie
dissipiert und der Motor muss diese Verluste decken. Im Zustand ÒBremsendÓ ist die Kraft am Rad negativ, und
der Motor wird nicht benštigt (eine Schubabfangschaltung sorge dafŸr, dass kein Treibstoff eingespritzt wird).
Der letzte Fahrzeugzustand ÒStillstehenÓ schliesslich wird im Moment nicht betrachtet, da hier das Fahrzeg keine Energie zur Fortbewegung benštigt (spŠter wird dieser Teil zu zusŠtzlichen Verslusten fŸhren, ÒLeerlaufverbrauchÓ).
Bei der Integration wird nun jeweils fŸr ein fixes Zeitinterval (typischerweise 1 Sekunde, weil in diesem Abstand
auch die Zyklen definiert sind) die momentane Kraft am Rad (2.3.4) festgehalten. Die Beschleunigung wird aus
der Differenz zwischen der aktuellen und der nŠchsten Geschwindigkeit approximiert
Frad, A ≈
1
⋅ ∑ Frad (k ⋅ h) ⋅ v f (k ⋅ h) ⋅h
xtot k ∈A
(2.3.5)
FŸr den NEFZ-Zyklus (d.h. mit γ = 0 ), mit konstantem cw bzw. cr und ohne Rekuperation ergeben sich die
folgenden Werte (in Klammern nit ECE und EUDC Werte)
FaA ≈
FrA ≈
FmA ≈
1
xtot
1
xtot
1
xtot
1
⋅ ⋅ ρ L ⋅ A f ⋅ cw ⋅ ∑ v 3f ( k ⋅ h) ⋅ h
2
k ∈A
⋅ m f ⋅ g ⋅ cr ⋅
[
]
∑ v f ( k ⋅ h) ⋅ h
k ∈A
⋅ m f + mr ⋅
∑
1
⋅ ρ L ⋅ A f ⋅ cw ⋅ 318.9 (82.9 / 455)
2
(2.3.6)
= m f ⋅ g ⋅ cr ⋅ 0.856 (0.81 / 0.88)
v f ( k ⋅ h + h) − v f ( k ⋅ h)
k ∈A
=
h
[
]
⋅ v f (t ) ⋅ h = m f + mr ⋅ 0.101 (0.126 / 0.086)
Gleichung (2.3.6) erlaubt es, den Energiebedarf im EU-Zyklus fŸr beliebige Fahrzeugparameter einfach zu berechnen. Insbesondere sind die ÒGewichtsfaktorenÓ selbst nicht von den Fahrzeugparametern abhŠngig. Aus (2.3.6)
kann eine einfache Beziehungen fŸr die pro 100 km benštigte Energiemenge abgeleitet werden, indem die mittleren KrŠfte auf Energien pro Fahrstrecke umgerechnet werden (der Einfachheit halber sind alle physikalischen
ÒKonstantenÓ in die Gewichtsfaktoren integriert):
[
]
EEU − Zyklus ≈ A f ⋅ cw ⋅1. 9 ⋅10 4 + m f ⋅ cr ⋅ 8. 4 ⋅10 2 + m f + mr ⋅10 kJ / 100km
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(2.3.7)
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
Seite 18
Die Gleichungen (2.3.6) gehen davon aus, dass Ÿberhaupt keine Rekuperation der kinetischen Energie des Fahrzeugs beim Bremsen stattfindet. Als entgegengesetzter Grenzfall kann der Fall mit vollstŠndiger Rekuperation
betrachtet werden (100 % Wirkungsgrad der Rekuperation). Die in die Beschleunigung des Fahrzeugs gesteckte
Energie wird dann vollstŠndig zurŸckerhalten und die einzigen WiderstŠnde, die es zu Ÿberwinden gilt (dafŸr
wŠhrend des ganzen Zyklus!) sind
Fa ≈
k
max
1 1
1
⋅ ⋅ ρ L ⋅ A f ⋅ cw ⋅ ∑ v 3f (k ⋅ h) ⋅ h = ⋅ ρ L ⋅ A f ⋅ cw ⋅ 363. 2
xtot 2
2
k =1
(2.3.8)
k
max
1
Fr ≈
⋅ m f ⋅ g ⋅ cr ⋅ ∑ v f (k ⋅ h) ⋅ h = m f ⋅ g ⋅ cr
xtot
k =1
Bei dazwischenliegendem Rekuperationswirkungsgrad (technisch erreichbar dŸrften ca. 50% sein) wird sich ein
zwischen (2.3.6) und (2.3.8) linear interpolierter Wert ergeben (Zusatzmasse des Rekuperationssystems
bachten!).
Bild 2.3.4 zeigt den Streckenenergiebedarf am Rad (proportional zur mittleren Kraft) zweier Fahrzeuge; ein konventionelles Automobil (ohne Rekuperation) benštigt fŸr die †berwindung der FahrwiderstŠnde pro 100 km eine
Energiemenge, welche dem Energieinhalt von ca. 1.25 l Diesel entspricht und ein zukŸnftiges ÒLeichtautoÓ (im
besten Fall, d.h. 100% Rekuperation ohne Zusatzmasse) das €quivalent von ca. 0.58 l Diesel pro 100 km. (Der
eigentliche Verbrauch kann natŸrlich erst bei bekanntem Motorwirkungsgrad berechnet werden).
Die mit Frek bezeichnete Energiemenge wird durch die im Zyklus vorgegebene Fahrweise ÒautomatischÓ
rekuperiert, d.h. in den Bremsphasen wird nur die Energiemenge Fb in den Bremsen in WŠrme umgewandelt,
der Anteil Frek Ÿberwindet in diesen Phasen die FahrwiderstŠnde, welche sonst vom Motor gedeckt worden
wŠren.
[N]
[lDiesel /
100 km]
400
1.0
FmA
300
200
ηrek = 0
Fb
ηrek = 1
Frek
0.5
FrA
Fr
100
FaA
Fa
ηrek = 0
FmA
Fb
FrA
Frek
ηrek = 1
FaA
Fr
Fa
A f ⋅ c w = 0. 7 (m2 )
A f ⋅ c w = 0. 4 (m 2 )
m f = 1440 (kg), mr = 0.1⋅ m f
m f = 750 (kg), mr = 0.1⋅ m f
c r = 0.012 (−)
c r = 0.008 (−)
Bild 2.3.4, Vergleich der Streckenergien im EU-Zyklus fŸr ein konventionelles (links) und ein leichtes Fahrzeug
(1 N mittlere Kraft entspricht 27.78 Wh/100 km, Heizwert von 1 l Diesel ungefŠhr 10 kWh)
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Seite 19
Das Fahrzeuggewicht hat eine sehr wichtige Rolle bei der AbschŠtzung des Energiebedarfs eines Fahrzeugs. Im
Bild 2.3.5 sind die am Rad benštigten Energien als Funktion der Fahrzeugmasse aufgetragen.
[N]
[lDiesel /
100 km]
300
EU-Zyklus
ηrek = 0
v f = 120 km / h
v f = 80 km / h
200
EU-Zyklus
0.5
100
ηrek = 1
v f = 50 km / h
500
1000
mf
Bild 2.3.5, Affine AbhŠngigkeit der mittleren Kraft von der Fahrzeugmasse fŸr den EU-Zyklus und drei
Geschwindigkeiten, Daten (ausser Fahrzeugmasse) des Leichtfahrzeugs im Bild 2.3.4 Ÿbernommen
Man erkennt aus Bild 2.3.5, dass am Rad die VerbrŠuche in typischen Stadtzyklen eigentlich deutlich kleiner
sein sollten als bei konstanter Autobahnfahrt. Gemessene VerbrŠuche heutiger PWs zeigen aber eine dieser
Aussage widersprechende Tendenz. Die BegrŸndung dafŸr liegt beim schlechten Teillastwirkungssgrad heutiger
Motoren. Will man den Verbrauch signifikant verbessern, so muss vor allem dieser Nachteil vermindert werden.
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2.4
Seite 20
Berechnungsansatz # 1: Mittlwertbetrachtungen
In diesem Abschnitt geht es darum, relativ grobe, dafŸr aber Òvon HandÓ ausfŸhrbare AbschŠtzungen herzuleiten.
Diese Informationen sollen dazu dienen, verschiedene Antriebskonzepte miteinander zu vergleichen, z.B. wie es
im Kapitel 1 gezeigt wurde. Die Grundidee dieser Methode besteht darin alle †berlegungen fŸr die Mittelwerte
der einzelnen Gršssen durchzufŸhren. Ausgangspunkt der †berlegungen ist der Mittelwert der Leistung bzw. der
Kraft am Rad im betrachteten Zyklus, wie er im letzten Abschnitt berechnet wurde.
Steht der Bedarf an mechnischer Energie fest, geht es im nŠchsten Schritt darum, den Wirkungsgrad des
Wandlers ÒBordenergie → mechanischer Energie am RadÓ, inklusive der ganzen †bertragungskette zu
berechnen. In Bild 2.4.1. sind symbolisch die wichtigsten Komponenten fŸr den klassischen Verbrennungsmotorantrieb dargestellt (andere Antriebsstrukturen lassen sich analog behandeln).
Tank
Motor
Nebenverbraucher
Getriebe
Rad
ηm ⋅ PB
ηv ⋅ ηm ⋅ PB ηj ⋅ η v ⋅ ηm ⋅ PB
PB = ṁψ ⋅ Hu
Bild 2.4.1, †bertragungskette vom Tank zum Rad
Der Getriebewirkungsgrad ist vor allem von der Last abhŠngig, gemŠss Vorlesung ÒMotorsystemeÓ gilt
Prad = eg ⋅ Pg − Pg0
(2.4.1)
wobei Pg die Getriebeeingangsleistung ist. Die Parameter eg und Pg0 kšnnen in erster NŠherung als konstant
angenommen werden (Zahlenwerte siehe Motorsysteme). Gute Handschaltgetriebe erreichen im EU-Zyklusmittelwert 95% Wirkungsgrad. ZusŠtzlich fallen pro Anfahrvorgang die Einkuppelverluste an, welche durch die folgende Gleichung beschrieben werden
EV =
(
)
1
1
2
⋅ Θ R + r 2 ⋅ m f ⋅ ω rk
≈
⋅1.1⋅ m f ⋅ v 2fk
2
2
(2.4.2)
( ω rk ist die beim erstmaligen Haften der Kupplungsscheiben herrschende Radgeschwindigkeit, im ersten Gang
spielt die MotortrŠgheit eine spŸrbare Rolle). Im EU-Zyklus ist mit etwa drei Anfahrten pro einem km in der
Stadt und einer Anfahrt pro sieben km im †berlandteil zu rechnen, was ca. 110 Anfahrten pro 100 km ergibt.
Die Geschwindigkeiten beim Einkuppeln liegen bei etwa 2-3 m/s. Damit ergibt sich ein durchschnittlicher Zusatzverlust von ca.
PvK ≈ 0. 05 ⋅ m f W
(2.4.3)
welcher zu den weiter unten diskutierten ÒNebenverbrauchernÓ addiert werden kann.
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
Seite 21
Nebenaggregate, welche nicht bereits berŸcksichtigt wurden (Servolenkung, Stromverbrauch etc.), benštigen
ebenfalls Antriebsleistung, welche in gewissen BetriebszustŠnden stark spŸrbar den Verbrauch beeinflussen kann.
(Man beachte, dass gemŠss einschlŠgigen Normen bei der Messung des Motorverbrauchs die fŸr die ZŸndung,
Einspritzung etc. benštigte elektrische Leistung, nicht vom Motor geliefert werden muss!).
FŸr die Auslegung eines Fahrzeugs sind die Spitzenwerte dieser Verbraucher wichtig, da z.B. die Batterie auf
diese Werte dimensioniert werden muss. FŸr Verbrauchsprognosen sind hingegen (jŠhrliche) Durchschnittswerte
wichtiger. Im folgenden werden ein paar heute Ÿbliche Eckwerte angegeben
Elektrische Verbraucher:
0.3 É 0.6 kW (jŠhrliche Durchschnittsleistung)
0.5 É 5 kW (Spitzenleistung, z.B. bei Kat-Vorheizung)
Mechanische Verbraucher: 0.1 É 0.2 kW (jŠhrliche Durchschnittsleistung)
0.5 É 10 kW (Spitzenleistung, z.B. wegen der Klimaanlage)
WŠhrend die mechanische Leistung direkt von der Kurbelwelle abgezweigt werden kann, wird die elektrische
Leistung mit Hilfe des Alternators erzeugt. Heute Ÿbliche Wirkungsgrade fŸr die Stromerzeugung liegen bei etwa
50%. Da ein Teil der elektrischen Leistung Ÿber die Batterie gepuffert wird, muss man zudem den Batterieladeund Entladewirkungsgrad berŸcksichtigen. Zusammenfassend ist also bei konventionellen Fahrzeugen mit einer
durchschnittlichen Verlustleistung Pv von ca. 0.7 É 1.4 kW zu rechnen.
Durch diese Verluste ergibt sich eine Verschlechterung des Gesamtwirkungsgrads um den Wert
ηv = 1 −
Pv
Pm
(2.4.4)
( Pv ist die mittlere Motorleistung), welcher besonders in SchwachlastzustŠnden grossen Einfluss hat. Im EU-Zyklus wird ηv Werte um 0.95 annehmen. Nicht berŸcksichtigt wurde bisher die Fahrzeugheizung. Diese wird
heute durch die sonst verlorene KŸhlwasserenthalpie gespiesen (bei 10 l/100 km und der Annahme, dass ca. 30%
des Treibstoff-Heizwerts in das KŸhlwasser gehen, ergibt das im Stadtbetrieb immer noch gut 5 kW Heizleistung). Bei sehr sparsamen Fahrzeugen (z.B. TDI-Motoren) oder erst recht bei nicht-thermischen Antriebsquellen
resultieren zusŠtzliche VerbrŠuche aus dem Heizbedarf.
Der Willansansatz zur Bestimmung des Motorwirkungsgrad wurde bereits in der Vorlesung ÒMotorsystemeÓ
diskutiert. Statt der Willans-Beschreibung werden hŠufig Kolbengeschwindigkeits-Mitteldruck-Kennfelder verwendet (siehe Bild 3.1.1). Diese beiden AnsŠtze sind aber einander Šquivalent, die Umrechnung erfolgt gemŠss
der Beziehung
pme ⋅ e(cm )
ηm (cm , pme ) =
(2.4.5)
pme + pme0 (cm )
Als letzter Punkt ist noch die Frage nach dem Leerlaufverbrauch zu klŠren. StandardmŠssig enthalten heutige
Automobile nur eine sogenannte Schubabfangschaltung, welche in den Bremsphasen bei eingekuppeltem Motor
die Kraftstoffzufuhr unterbricht. In den eigentlichen Leerlaufphasen verursacht der Motor einen Leerlaufverbrauch,
der aber durch geeignete technische Massnahmen praktisch auf Null reduziert werden kšnnte (z.B. durch ein
Schwungnutzsystem mit zusŠtzlicher Kupplung zwischen Motor und Schwungrad).
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
Seite 22
FŸr die Brennstoff-Leerlaufleistung PB,ll kann man aus dem Willans-Ansatz die Beziehung
PB,ll =
V h pme0 (ω )
⋅
⋅ ω = Hu ⋅ ṁψ ,ll
e( ω )
4⋅π
(2.4.6)
herleiten ( ω ist die Leerlaufdrehzahl). Da bei Leerlauf oft eine Gemischanfettung stattfindet und/oder der
ZŸndwikel zurŸckgenommen wird, ist dieser Wert meistens zu klein (30-50% Mehrverbrauch sind realistisch).
FŸr genaue Verbrauchsprognosen wird man deshalb den Leerlaufverbrauch am Motor messen mŸssen.
Damit sind nun alle wesentlichen Effekte gemŠss Bild 2.4.1 beschrieben, eine ŸberschlŠgige Berechnung des
Verbrauchs kann nun wie folgt durchgefŸhrt werden. Die in den Antriebsphasen benštigte mittlere Motorleistung
Pm folgt aus der Bilanzgleichung
( Pm − Pv ) ⋅ ee − P0 g = Prad, A = Frad, A ⋅ v f ⋅ A1
(2.4.7)
Der Faktor 1 / A berŸcksichtigt die Tatsache, dass die Motor-Durchschnittsleistung hšher als die Rad-Durchschnittsleistung sein muss, da die Antriebsphasen nur einen gewissen Anteil der totalen Zykluszeit ausmachen
(im EU-Zyklus gilt A ≈ 0.59 ).
Die mittlere Motordrehzahl folgt aus der †berlegung, dass Motoren so ausgelegt werden, dass im EU-Zyklus die
mittlere Kolbengeschwindigkeit etwa 7 m/s betrŠgt (ca. 2500 U/min bei 2 liter Hubraum). Kennt man die
mittlere Motorleistung und die mittlere Motordrehzahl, so kann daraus schliesslich die mittlere Last berechnet
werden
pme =
Pm 4 ⋅ H
⋅
cm V h
(2.4.8)
und daraus ergibt sich schliesslich der totale Motorwirkungsgrad und damit der Verbrauch
ṁψ = A ⋅
ṁψ 10 8
Pm
kg/s, bzw. V̇ ψ =
⋅
l/100km
ηm ( pme , cm ) ⋅ Hu
v f ρB
(2.4.9)
Wenn der Motor Ÿber Schubabfangschaltung aber nicht Ÿber eine Leerlaufabschaltung verfŸgt, so muss noch der
Leerlaufverbrauch
V̇ φ ,ll = L ⋅
ṁψ ,ll 10 8
⋅
l/100km
vf
ρB
(2.4.10)
zum regulŠren Verbrauch (2.4.9) dazugezŠhlt werden, wobei L der Leerlaufanteil am Zyklus ist (im EU-Zyklus
ca. 0.24).
Analoge †berlegungen lassen sich fŸr andere Antriebsstrukturen durchfŸhren. Die erzielbare Genauigkeit ist oftmals erstaunlich gut, besonders wenn die Steuerung des Systems nicht wesentlich fŸr den Verbrauch von Bedeutung ist.
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
2.5
Seite 23
Berechnungsansatz # 2: Quasistatische Simulationen
Will man genauere Aussagen Ÿber das Systemverhalten machen, muss der Zyklus zeitaufgelšst betrachtet werden. Im quasistatischen Ansatz wird das betrachtete Zeitintervall zwar klein, aber Ð im Gegensatz zur dynamischen Simulation Ð nicht infinitesimal angesetzt. †ber die (meistens als konstant angenommene) Schrittweite h
wird das zu simulierende System ÒeingefrorenÓ, insbesondere wird fŸr das Fahrzeug
v f (t ) =
[
]
1
⋅ v f ( k ⋅ h + h ) + v f ( k ⋅ h ) = : v f ( tk ) ∀ t ∈ [ k ⋅ h, k ⋅ h + h )
2
und
a f (t ) =
v f ( k ⋅ h + h) − v f ( k ⋅ h)
h
(2.5.1)
: = a f ( tk ) ∀ t ∈ [ k ⋅ h, k ⋅ h + h )
vorgegeben (fŸr genauere Berechnungen kann die Schrittweite ÒdynamischÓ angepasst werden, d.h. besonders in
starken Beschleunigungsphasen verkleinert werden). Benutzt man die AnsŠtze fŸr die FahrzeugwiderstŠnde des
Abschnitts 2.2, so kann das Motormoment ÒrŸckwŠrtsÓ berechnet werden. Die Details lauten
ρ
1
Mrad (tk ) = r ⋅ Θ r 2 + m f  ⋅ a f (tk ) + r ⋅  L ⋅ A f ⋅ cw ⋅ v 2f (tk ) + m f ⋅ g ⋅ cr 
 r

 2

1
Mget (tk ) =
⋅ Mrad (tk ) + r ⋅ P0 g / v f (tk )
eg ⋅ j(tk )
[
Mm (tk ) = Θ m ⋅
]
(2.5.2)
j(tk )
r
⋅ a f (tk ) + Mget (tk ) +
⋅ PZV (tk )
r
j(tk ) ⋅ v f (tk )
Die Variablen in (2.5.2) werden jeweils fŸr alle Zeiten t ∈[tk , tk +1 ) als konstant approximiert. Der Term PZV reprŠsentiert die Zusatzverbraucher ( Mrad ist das Moment am Getriebeeingang und Mget ist das Moment am Getriebeausgang).
Aus dem Motormoment Mm folgt der entsprechende Mitteldruck gemŠss
pme =
Mm 4 ⋅ π
Vh
(2.5.3)
und die Motodrehzahl ist durch die GetriebeŸbesetzung und die Fahrzeuggeschwindigkeit gegeben
ω m (tk ) = j(tk ) ⋅
v(tk )
.
r
(2.5.4)
Um den Verbrauch zu berechnen, benštigt man ein ÒMotorkennfeldÓ (siehe Bild 2.5.1), d.h. den drehzahl- und
mitteldruckabhŠngigen Wirkungsgrad. Hat man den Wirkungsgrad ηm (tk ) bestimmt, so kann der Verbrauch im
Prinzip wie folgt berechnet werden
mv (tk +1 ) = mv (tk ) + Mm (tk ) ⋅
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme
j(tk )
1
h
⋅ v f (tk ) ⋅
⋅
r
ηm (tk ) Hu
(2.5.5)
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
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wobei mv (tk ) die bis zum k-ten Schitt verbrauchte Treibstoffmasse darstellt. Eine Umrechnung auf l/100 km
erfolgt dann analog zur Beziehung (2.4.9).
ηm 0.2
Mm
Nm 60
0.1
40
20
400
200
0
600
800
ω m rad / s
Bild 2.5.1, Motorwirkungsgrad als Funktion der Drehzahl und des Moments, Beispiel aus Abschnitt 3.1
Mit Hilfe des Bildes 2.5.1 kann nun ein programmtechnisches Problem gut erklŠrt werden. In der Gleichung
(2.5.5) kommt der inverse Wert des Motorwirkungsgrads vor, der bei kleinen Lasten zu Null geht; wegen Interpolationsungenauigkeiten kšnnen deswegen bei kleinen Leistungen unrealistisch hohe absolute VerbrŠuche entstehen. Besser ist es, statt dem Motorwirkungsgrad den Ð dazu gleichwertigen - Kraftstoffmassenstrom zu verwenden, wie er in Bild 2.5.2 gezeigt ist. In diesem Bild erkennt man auch, dass der Bereich zwischen Mm = 0
und der Schubabfangschwelle einfach beschrieben werden kann.
Mm Nm
60
15 l/h
10
40
7
5
20
Schubabfangschwelle
0
3
2
0.3
0.5
1
200
Bild 2.5.2, Verbrauchsisolinien in l/h,
400
600
800
ω m rad / s
Leerlaufverbrauch 0.28 l/h, Beispiel aus Abschnitt 3.1
Die Berechnung des Kennfeldes 2.5.2 aus dem Wirkungsgradkennfeld 2.5.1 erfolgt am besten so, dass die Beziehung (2.5.5) nur bis zu einer unteren Drehmomentgrenze verwendet wird (1 Nm oder weniger). FŸr kleinere Ð
auch negative Ð Momente wird einfach linear extrapoliert. Wird ein Motorkennfeld gemessen, erhŠlt man sowieso die Daten in der Form, wie sie in Bild 2.5.2 dargestellt sind.
Bild 2.5.3 zeigt die prinzipielle Struktur eines Quasi-Statischen Simulations (QSS) Programms. Die Frage, wie
die SchaltŸbergŠnge, die SchubabfangvorgŠnge, die Zusatzverbraucher etc. genau behandelt werden, ist nicht trivial. Mit einigem Aufwand lassen sich jedoch die VerbrŠuche realer Fahrzeuge relativ genau berechnen; Genauigkeiten unter 5% Fehler sind durchaus erreichbar.
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
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Man beachte, dass in einer QSS nichtlineare Effekte einfach integriert werden kšnnen, will man z.B. statt einem
konstanten Rollreibungskoeffizienten cr einen geschwindigkeitsabhŠngigen Ansatz verwenden, so kann dies einfach in Gleichung (2.5.2) eingefŸgt werden.
Auch der Einfluss der Steuerstrategien kann gut studiert werden. Eine spezielle Gangwahlautomatik, welche verbrauchsoptimal den Motor betreibt, lŠsst sich ohne weiteres in eine QSS integrieren.
Initialisieren k=0, V=0
k=k+1
Fahrzeuggeschwindigkeit v f , Übersetzung j und Kupplungszustand abrufen
Motordrehzahl ω m berechnen
ja
ω m < ωll
V=V+Vll
nein
Berechne Motormoment (2.5.2/3)
ja
M m < Msbf
nein
Berechne Verbrauch V k
V=V+Vk
Wiederholen bis k>k max
Bild 2.5.3, Prinzipielle Struktur eines QSS-Programms
Die Verbindung eines Prozessrechnungsprogramms (fŸr die Berechnung der Motorcharakteristik) mit einer QSS
erlaubt es schnell die Auswirkungen von MotorŠnderungen auf das Fahrzeugverbrauchsverhalten zu prognostizieren. Auch €nderungen am Fahrzeug (Aerodynamik, Gewicht etc.) lassen sich quantitativ studieren.
Dies geschieht am besten als ÒSensitivitŠtsanalyseÓ, wobei die SensitivitŠt des Verbrauchs V auf den Parameter
P wie folgt definiert ist
dV / V ∆V / V
S(P) = lim
≈
(2.5.6)
dP→0 dP / P
∆P / P
FŸr jeden Parameter Pi kann die entsprechende SensitivitŠt Si berechnet werden. Die Werte der SensitivitŠten
verschiedener Parameter erlauben es, einen quantitativ Vergleich zwischen der ÒWirksamkeitÓ entsprechender
Massnahmen durchzufŸhren.
Die Berechnung der SensitivitŠt, bzw. der in (2.5.6) angebenen Approximation, kann direkt mit einer QSS erfolgen, indem diese mit kleinen ParameterŠnderungen wiederholt wird. Ein typisches Beispiel fŸr eine solche Analyse fŸr den EU-Zyklus zeigt die folgende Tabelle. Aus diesen Daten kann man dann, unter BerŸcksichtigung der
Kostenaspekte, die optimalen Verbesserungsmassnahmen ableiten.
Parameter
Fahrzeugmasse m f
Aerodynamik cw
Rollreibung cr
Getriebewirkungsgrad ηg
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme
SensitivitŠt
0.4006
0.2931
0.1685
0.7215
2. Kapitel Ð Methoden der Verbrauchsberechnung
2.6
Seite 26
Berechnungsansatz # 3: Dynamische Simulationen
Bei dynamischen Simulationen werden die Modelle als gewšhnliche Differentialgleichungen formuliert, bilden
also die Physik Ð bis auf Modellierungsfehler Ð exakt ab
ẋ(t) = f (x, u, t), x ∈ℜ n =" Zustand", u ∈ℜ m ="Steuerung", f :ℜ n + m +1 → ℜ n
(2.6.1)
Die wesentlichen dynamischen Elemente in einem Antriebssystem wie z.B.
¥ Motordynamik (Saugrohrdruck, Transportzeiten, Aufheizverhalten É)
¥ A/F-Dynamik (Benzin-Wandfilm, Transportzeiten, É)
¥ Antriebsstrang (Ruckelschwingungen, Kupplungsmodelle, É)
werden in der Vorlesung "Motorsysteme" diskutiert. ZusŠtzliche Elemente (Reifen/Strasse-Verhalten etc.) werden
in dieser Vorlesung spŠter behandelt.
Die Diskretisierung erfolgt erst bei der numerischen Lšsung der Gleichungen und kann natŸrlich, falls dies mšglich ist, durch eine geschlossene Lšsung vermieden werden. FŸr Verbrauchsberechnungen, bei denen viele andere
schwierig zu modellierende Effekte mitspielen, macht es keinen Sinn, die in den letzten Abschnitten eingefŸhrten
Modelle auf diese Form zu bringen; die Genauigkeiten lassen sich dadurch kaum steigern und der Aufwand wird
sehr schnell zu gross (Rechenzeiten, Modellparameter etc.).
Bei Optimierungen von Steuerstrategien, insbesondere wenn dabei ÒZustandsereignisseÓ auftreten, kann hingegen eine dynamische Simulation nštig werden. Unter Zustandsereignissen versteht man a-priori nicht
bestimmbare Zeitpunkte, bei denen die Struktur eines Systems sich Šndert. Ein typisches Beispiel dafŸr wird im
Abschnitt 3.4 gezeigt.
Ebenso wird man auf dynamische Modelle angewiesen sein, wenn es darum geht, Regelungen zu modellieren
und zu entwerfen. Weiter sind dynamische Modelle bei der Nachbildung der ElastizitŠten Fahrzeugbewegungen
nštig; diese Aspekte bilden den Inhalt des zweiten Teils der Vorlesung.
31-265 Ð Fahrzeugantriebssysteme

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