Was wird aus Duisburgs Innenstadt?
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Was wird aus Duisburgs Innenstadt?
Hintergrund Fotos und Abbildungen: DIA Multi Casa – DIA Was wird aus Duisburgs Innenstadt? IHK und BAG zeigen Lösungen auf Autorin: Astrid Schulte, Duisburg E ine Planungsgemeinschaft aus der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e. V. (BAG) Berlin/Brüssel und der Niederrheinischen IHK plant in Duisburg ein Projekt zur Weiterentwicklung der City. Damit soll die Gefahr weiterer Attraktivitätsverluste der Innenstadt nicht zuletzt vor dem Hintergrund des geplanten Multi Casa-Projektes am Güterbahnhof gebannt werden. Eine Präsentation des Projektes mit dem Namen DIA – Duisburger Innenstadt Aufwertung erfolgte am 30. März im Großen Sitzungssaal der IHK-Hauptgeschäftsstelle. Aufbauend auf den Ergebnissen einer Untersuchung zu den Entwicklungspotenzialen der Duisburger Innenstadt soll ein multifunktionales stadtverträgliches Modell entwickelt werden. Dieses kann als Alternative zu Multi Casa verstanden werden, soll aber auf jeden Fall den Zweck verfolgen, 4 Einzelhandelsnutzungen im Bereich des Güterbahnhofs in Bezug auf Fläche und Sortimentsstruktur auf ein stadtverträgliches Maß zu beschränken. Das Multi Casa-Projekt ist Beispiel für die neue Generation der Flächenentwicklungen im Einzelhandel. Durch die Immobilienwirtschaft werden zunehmend komplexe Stadtentwicklungsprojekte angestoßen, die durch ihre Größenordnung in besonderem Maße in die bestehenden Strukturen eingreifen. Urban Entertainment Center, wörtlich übersetzt, „städtische Erlebniszentren“, mit ihrer Mischung aus Einzelhandel, Freizeiteinrichtungen und Gastronomie organisieren bisher innerstädtische Nutzungen neu und sind in ihren Dimensionen mit Stadtgründungen vergleichbar. Auch Multi Casa wird in der öffentlichen Diskussion vor allem ob seiner Größe gewürdigt. „Das größte Einkaufszen- trum Europas“, „größer als CentrO Oberhausen“ sind die immer wiederkehrenden Beschreibungen. In der Tat hätten die ersten Planungen die vorhandene Verkaufsfläche der Innenstadt Duisburgs mehr als verdoppelt. Die zurzeit angepeilte Größenordnung erreicht aber immer noch 85 000 Quadratmeter Verkaufsfläche, also fast ein Drittel mehr als CentrO Oberhausen. Flächenwettbewerb der Kommunen Nachdem CentrO Oberhausen – vor einigen Jahren – das Signal für die planerische Machbarkeit gesetzt hatte, liefern sich die Städte und Gemeinden in der Region einen gnadenlosen Flächenwettbewerb. Die vielen frei werdenden Flächen von Bahn, Post und Industrie haben in der RheinRuhr-Region eine ausgesprochene Spiralentwicklung in Gang gesetzt. Besonders das Ruhrgebiet mit seinem hohen Bevölkerungspotenzial auf engstem Raum hat die Projektentwickler und internationalen Investoren auf den Plan gerufen. Multi Casa, Duisburg, Pasarea, Essen, oder Ufo, Dortmund, aber auch das im Planungsstadium weit fortgeschrittene Factory Outlet Thema Wirtschaft 4/2000 Hintergrund Center (FOC) in Roermond sind Beispiele für diese Entwicklungen. Angesichts im Wesentlichen gesättigter, bestenfalls stagnierender Konsumgütermärkte führen solche Entwicklungen zu erheblichem Verdrängungswettbewerb, der angesichts der Dimension grundlegende Veränderungen der bestehenden Stadtstrukturen mit sich bringt. Dies betrifft die Citys, aber auch die Stadtteil- sowie die Mittelzentren im Umland, die durch die großflächigen Entwicklungen des Einzelhandels im so genannten sekundären Netz, also auf der grünen Wiese und in den Gewerbegebieten, bereits jetzt erhebliche Bedeutungsverluste erlitten haben. Wie gravierend diese Auswirkungen sind, hängt von der Situation vor Ort ab. Starke Innenstädte und Stadtteilzentren können nach den bisherigen Erfahrungen besser auf neue Großprojekte mit eigenen Profilierungskonzepten reagieren als weniger attraktive Zentren. Die Gefahr, dass sich die Kaufkraft lediglich umwandelt, ist umso größer, je schwächer ein Handelsstandort ist. Auf der anderen Seite sind die Chancen, positive Synergieeffekte für den Gesamtstandort zu erzielen, umso größer, je besser sich Altes und Neues ergänzen und verbinden. Das gilt für die Sortimente und die Größenordnung, aber auch für die städtebauliche Attraktivität. Vorhandene Defizite erhöhen Risiken Aufgrund der ohne Zweifel vorhanden Defizite in Duisburg, die sowohl den Städtebau als auch die Handels- und Freizeiteinrichtungen betreffen, sind die Risiken eines Projektes Multi Casa groß, sofern es sich nicht in den Gesamtstandort entsprechend der beschriebenen Kriterien einpasst. Gefährdet wäre die jetzige Innenstadt sicher bis zur Düsseldorfer Straße, beson6 ders betroffen ist der Bereich westlich der Steinschen Gasse, da die Attraktivität dieses Quartiers wesentlich nachgelassen hat, obwohl dort wichtige Magnete ansässig sind. Einer der Gründe dafür ist die unzureichende Anbindung an die Königstraße. Die Zäsur durch den Verkehr und die desolate städtebauliche Gestaltung im Bereich Galeria, Burgplatz und der Münzstraße selber bis hin zum Calaisplatz sind Gründe für die schwierige Entwicklung. Bei einer Verlagerung der hier ansässigen Handelsbetriebe in den Bereich des Güterbahnhofs wäre zugleich die Chance vertan, die Innenstadt hier an das Wasser heranzubringen. Das Projekt Multi Casa ist aufgrund seiner räumlichen Lage und der durch die Grundstückssituation bedingten länglichen Ausdehnung nur bedingt mit der vorhanden Innenstadt integrierbar. Das gilt städtebaulich, aber auch funktional. Ein solches Einkaufszentrum ist in Bezug auf seine Magneten, die Wegeführung und die Publikumserschließung einheitlich geplant, gebaut und gemanagt, so dass eine eigene Zentralität und Funktionsfähigkeit entsteht. Wenn daher das Projekt in Ergänzung zur Innenstadt funktionieren soll, sind Größe, Sortimentsstruktur und städtebauliche Anbindung nach gesamtstädtischen Gesichtspunkten zu entwickeln. Innenstadtrelevante Sortimente sollten nicht den Schwerpunkt eines Multi Casa-Ansatzes bieten, und die Nahversorgung sollte auch in Zukunft in den Stadtteilzentren verbleiben. Entsprechende Vorgaben für den Investor sollten von der Politik unter Beteiligung der Planungsgemeinschaft, des CityManagements und des Einzelhandelsverbandes erarbeitet werden, so wie es zum Anfang der Planungen von den Entscheidungsträgern der Stadt zugesagt wurde. Die erarbeiteten Kriterien sollten über den geplanten Beirat in die Abstimmungsprozesse eingebracht werden und könnten Teil des städtebaulichen Vertrages werden. Parallel dazu muss sich die gewachsene Innenstadt zu einem attraktiven multifunktionalen Shopping- und Erlebnis-Center entwickeln. Die von der Stadt Duisburg zusammen mit dem City-Management in Auftrag gegebene Stärken-Schwächen-Analyse der Gutachter Junker und Kruse bietet dafür eine hervorragende Grundlage. In diesem Gutachten wurden erhebliche Probleme im städtebaulich-räumlichen, im verkehrlichen sowie im Handels- und Gastronomie-Bereich herausgearbeitet. Zugleich wurde aber eine ganze Reihe von Stärken festgestellt, wobei die Königstraße, das Wilhelm-Lembruck-Museum, die Lagegunst am Hafen sowie der Innenhafen selbst die herausstechendsten sind. Netz knüpfen zur Stabilisierung der bestehenden Innenstadt Bei der Betrachtung dieser „Highlights“ wird jedoch unmittelbar deutlich, dass diese nicht optimal in Wert gesetzt sind. Es wird deshalb vor allem empfohlen, zunächst ein Netz zur Stabilisierung der bestehenden Innenstadt zu knüpfen. Dabei kommt der Stärkung der Königstraße sowie der jeweiligen Eingangsbereiche eine zentrale Bedeutung zu. Mit einem Projekt Multi Casa allein können die Defizite der Innenstadt nicht abgebaut werden. Aufgrund seiner Insellage würden ganz im Gegenteil die Probleme noch verstärkt. Ein solcher Ansatz wäre also kontraproduktiv. Nur mit der Stärkung der jetzigen Innenstadt könnten für die gesamte Innenstadt positive Synergieeffekte durch die Bebauung des Güterbahnhofes entstehen. Mit der Erarbeitung eines mittelfristig, also möglichst bis zur Eröffnung von Thema Wirtschaft 4/2000 Hintergrund Multi Casa zu realisierenden Urban-Entertainment-Konzeptes im Bereich der Innenstadt wurden die renommierten Düsseldorfer Architekten und Städtebauer Rhode, Kellermann, Wawrowsky beauftragt. Die Keimzelle der Stadt soll wieder zu einem attraktiven Anziehungspunkt für die Bewohner und für die Besucher von außerhalb werden. Darüber hinaus soll das Projekt die Wettbewerbsfähigkeit der gewachsenen Innenstadt gegenüber Multi Casa verbessern und damit Zeichen für eine stadtverträgliche Lösung setzen. Als Ziele wurde die Aufwertung der Innenstadt Duisburgs zur Stärkung der Zentralität vorgegeben, aber auch eine allgemeine Aufwertung des öffentlichen Raumes, die Vernetzung und Optimierung vorhandener städtebaulicher Strukturen sowie die Schaffung innerstädtischer Identifikationspunkte. Das Projekt gliedert sich in zwei Kernbereiche, die mittels einer knochenartig angelegten Planstruktur verbunden werden. Damit soll quasi der Kernbereich der Duisburger Innenstadt stabilisiert werden. Ähnlich einheitlich geplanter Einkaufszentren wird die Königstraße als eine attraktive Mall entwickelt, an deren beiden Enden Schwerpunkte gesetzt werden. Die Entwicklung der Bereiche um die Mercatorhalle und das Averdunk-Center auf der einen Seite und um die Münzstraße bis hin zum Hafen am anderen Ende des UrbanEntertainment-Centers wird eine Zonierung der lang gestreckten Duisburger Innenstadt bewirken. Ein Vergleich mit bekannten anderen Einkaufsstraßen zeigt, dass unter diesen Voraussetzungen die Länge nicht mehr überdurchschnittlich ist. Die Monotonie der Haupteinkaufsstraße wird aufgelöst, und es entstehen Teilzentren mit attraktivem Mix aus Einzelhandel, Freizeit und Gastronomie. 8 Durch eine Deckelung der A 59 wird die Grundlage für eine neue Bebauung des Bahnhofsvorplatzes geschaffen. Die zentrale Einrichtung eines Busbahnhofes bündelt zusammen mit dem Bahnhof die öffentlichen Verkehrsangebote. Hinzu kommen Büro- und Einzelhandelseinrichtungen, die sich zu einem Railway-Center komplettieren. Das Averdunk-Center als Klammer zwischen Bahnhof und Mercatorhallen-Bereich wird architektonisch neu gestaltet und damit zum belebten Stadt-Entree. Im Anschluss daran wird der gesamte Mercatorhallen-Bereich neu gestaltet und bildet einen multifunktionalen Schwerpunkt des Urban-Entertainment-Centers City Duisburg. Zusammen mit dem neu gestalteten Averdunk-Center und dem König-Heinrich-Platz werden über die Bündelung neuer Angebote bestehende Defizite in der Duisburger Innenstadt abgebaut. Die vorhandene Baustruktur soll so weit wie möglich einbezogen werden. Zwischen Averdunk und neuem Zentrum verbinden sich auf einem internationalen Marktplatz länderspezifisches Lebensmittelangebot und länderspezifische Restauration zum kulinarischen Erlebnis. Das neue internationale Center enthält ein „Kaufhaus der Nationen“, das ein hochwertiges Einzelhandelsangebot der unterschiedlichsten Branchen vereint. Ein breiter Mix aus Warenhäusern, Kaufhäusern und Fachgeschäften verschiedenster Länder bietet eine Entdeckungsreise in die internationale Welt des Handels. Daneben wird ein Multi-Media-Schwerpunkt mit umfangreichen Angeboten aus Musik, Audio, Video, Computer, Spielen und Infotainment geschaffen. Ein neues Veranstaltungs- und Kongresszentrum ersetzt und erweitert die in die Jahre gekommene Mercatorhalle. Großzügige Freizeit- und Wellness-Angebote verbinden sich mit dem Einkaufen zum Freizeiterlebnis. Der König-HeinrichPlatz mit aufgewertetem städtebaulichen Flair bietet Freizeit und Erholung, Wasser im Sommer und Eislaufen im Winter. Innenhafen wird Freizeitschwerpunkt Am anderen Ende des Urban-Entertainment-Centers Duisburg City wird zunächst die Lagegunst am Wasser dazu genutzt, am Ufer des Innenhafens ein Entertainment-Angebot für die ganze Familie zu schaffen. Ein Indoor-Themenpark, die Ufer-Promenade sowie Themenhotel und -gastronomie vermitteln maritimes Flair. Die historische Stadtmauer wird zur Attraktion in einem Time Tunnel, der die Besucher durch drei Jahrtausende Ruhrgeschichte führt und der mit der Freizeitpromenade der Internationalen Bau-Ausstellung (IBA) verbunden wird. Dieser Standort am Innenhafen ist darüber hinaus prädestiniert für die Ansiedlung des geplanten Spielkasinos, denn sowohl der Verbund mit den geplanten Freizeiteinrichtungen als auch die Lagegunst am Wasser würden das Projekt in Nordrhein-Westfalen einmalig machen. Anschließend wird zwischen Münz-, Beek- und Universitätsstraße ein spezialisiertes Einkaufszentrum entwickelt. Durch eine Überdachung dieser Straßen und eine Arrondierung der vorhandenen Flächen entsteht ein einheitliches Shopping-Center, in dem die vorhandenen Textilhäuser durch Spezialisten und Lifestyle-orientierte Anbieter erweitert werden. Der „Münzplaza“ wird zum Mittelpunkt des Centers und erhält ein variables Dach, das bei schönem Wetter geöffnet werden kann. Ein zusätzlicher Platz an der Beekstraße/UniversitätsThema Wirtschaft 4/2000 Hintergrund straße wird zum Foodcourt ausgestaltet und erhält ebenfalls eine flexible Überdachung. Galerien und Brücken verbinden die Obergeschosse und verstärken den Eindruck eines Shopping-Centers. Über die Universitätsstraße wird eine Anbindung an das Galeria-Center geschaffen, so dass sich über den Sonnenwall eine attraktive Wegeführung zurück zur Königstraße und zur Münzstraße ergibt. Königstraße wird zur abwechslungsreichen Einkaufsstraße Die räumliche Zäsur zwischen Königstraße/Kuhstraße und Münzstraße wird durch Verkehrsberuhigung und städtebauliche Neugestaltung überwunden. Die heute vierspurige, in Höhe der Schwanenstraße sogar noch fünfspurige Steinsche Gasse wird auf zwei Spuren plus Verfügungsspur zurückgebaut. Dieses wird durch eine Verlegung der Kreuzung in Richtung Oberstraße ermöglicht. Teile des Burgplatzes werden überbaut und begrenzen den Platz. Ein einheitlicher Bodenbelag für Thema Wirtschaft 4/2000 Fahrbahn und Fußgängerzone ermöglicht dem Fußgänger einen schwellenlosen Übergang von der Kuhstraße in die Münzstraße. Weit auskragende Passagendächer signalisieren den Fußgängerüberweg. Charakteristisches Merkmal des neuen Platzes wird ein weithin sichtbarer Light Tower sein, in dem zum Beispiel verschiedene internationale Bars – als Bar der Nationen – angesiedelt werden könnten. Die Königstraße als Klammer zwischen den beiden Zentren wird durch stärkere funktionale und räumliche Gliederung zu einer abwechslungsreichen Einkaufsstraße. Sie bekommt insgesamt ein klares Profil. Der einseitige Handelsbesatz wird als Chance begriffen; es wird nicht versucht, ihn „krampfhaft“ aufzulösen. Beispiele aus anderen Städten, so die „Kö“ in Düsseldorf, zeigen, dass ein beidseitiger Handelsbesatz nicht unbedingt zur Belebung einer Einkaufsstraße notwendig ist. Die Attraktivität der Handelsseite wird durch eine großzügige Gestaltung der Überdachung unter anderem bis ins erste Obergeschoss sowie durch partielle Aufweitungen gesteigert. Straßen und Achsen, welche die König- straße queren, werden städtebaulich und thematisch als Plätze betont, um so den Gesamtverlauf der Straße aufzulockern. Eine neue Wasserachse zwischen den bestehenden Bereichen zoniert die Königstraße in ihrer Breite. Gründung einer Entwicklungsgesellschaft Nachdem die Planungsgemeinschaft aus Niederrheinischer IHK, Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels und ansässigen Einzelhandelsunternehmen ein Planungskonzept vorgelegt und finanziert hat, sind wesentliche Weichen für eine attraktive Entwicklung der Duisburger Innenstadt gestellt worden. Das Projekt sollte nunmehr in der Gründung einer Innenstadtentwicklungsgesellschaft münden, die ähnlich wie die Innenhafengesellschaft die Realisierung des Projektes und die weitere Entwicklung der Innenstadt übernimmt. Die Beteiligung des Landes sollte angestrebt werden. Die Planungsgemeinschaft ist bereit, sich in Zukunft in diesem Projekt zu engagieren. 9