2015 03 22 hm Ist Gott Terrorist

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2015 03 22 hm Ist Gott Terrorist
Predigt 22. März 2015, Lausen: Ist Gott Terrorist? H.Meyer, Pfr.
„Deus lo vult“ - „Gott will es“. Mit diesem Ausruf hat Papst Urban II 1095 die Welt verändert. Mit
diesen Worten hat er die Menschen aufgestachelt eine Armee zusammenzustellen, um Jerusalem
von den Ungläubigen zu befreien.
War die Sache anfangs auf Messerschneide, so hat dieser Aufruf, dieser Anspruch die Sache
gekippt. Wenn Gott es will! Der erste Kreuzzug wurde Tatsache - im Namen Gottes.
„Allah ist der Grösste“ schreien heute Fanatiker und begehen, wie sie behaupten, im Namen und
Auftrag Gottes, unglaubliche Gräueltaten und terrorisieren Menschen.
Terror. Das Lexikon definiert ihn so: „… systematische und oftmals willkürlich erscheinende
Verbreitung von „Angst und Schrecken“ durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt.“
„Angst und Schrecken“ als Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Ist das der Stil Gottes? Ist das sein
Auftrag an Auserwählte, um in seinem Namen andere zum richtigen Glauben zu bringen oder um
Ungläubige zu strafen?
Terror hat viele Gesichter. Er ist nicht immer so offensichtlich wie in diesen Beispielen. Er kommt
manchmal viel subtiler daher.
Vielleicht mögen sich einige daran erinnern, dass sie in ihrer Kindheit die Mahnung zu hören
bekamen: Pass auf, der liebe Gotte sieht es. Eine Variante war die Sache mit dem „Samichlaus“.
Das Ziel dieser Aussage war doch auch irgendwie mittels Angst und Schrecken ein Kind auf den
rechten Weg zu bringen, zu mahnen nichts Dummes zu machen, so quasi nach dem Motto: Der
Zweck heiligt die Mittel. Durchaus eine Form von Terror.
Ist Gott Terrorist? So die Frage. Eines ist klar: Es wurde und wird viel Terror im Namen Gottes
verübt. - Es bleibt aber die Frage: Ist es auch das, was Gott selber will und Menschen damit
beauftragt?
Ich kann die Frage nicht für andere Religionen, z.B. für den Islam ,beantworten. - Was Jesus
betrifft und den Gott, der in der Bibel bezeugt wird, so kann ich aber eindeutig sagen: Nein, das ist
ganz und gar nicht göttlicher Wille und Stil, im Gegenteil.
Ich habe schon früher einmal die Konfirmanden auf dieses Thema, diese Frage angesprochen.
Damals sind Stichworte gefallen wie: herzlos, krank, brutal, grausam, unüberlegt, absurd, „öppis
lauft falsch bi so Mensche“.
Weiter haben sie betont: Da wird Gott und der Glaube von Menschen missbraucht; man kann nicht
alles auf Gott schieben.
Ich war erstaunt und erfreut, wie differenziert die Konfirmanden mit diesem Thema umgehen, wie
sie unterscheiden können, wie sie sich bewusst sind: Vieles, das im Namen Gottes proklamiert und
gemacht wird, ist ganz und gar nicht in seinem Sinn.
Da wird der Name Gottes, seine Autorität missbraucht, da wird gegen das Gebot verstossen: „Du
sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen.“
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Angst und Schrecken sind ganz und gar nicht der Stil Gottes. Wie verhält sich das dann aber z.B.
mit der bekannten Aussage in den Sprüchen: „Wer die Rute spart, hasst seinen Sohn, wer ihn liebt,
nimmt ihn früh in Zucht.“ Sprüche 13,24?
Die Rute, wenn ich an meine Jugend zurückdenke, hat bei mir durchaus so etwas wie Angst und
Schrecken ausgelöst. Wie auch immer. Dieser Vers muss im historischen Kontext gesehen
werden. Die Rute war damals übliches Erziehungsmittel und hatte nichts mit Verprügeln zu tun.
Es gibt viele gute Gründe, warum die Rute heute verboten ist. Sie steht hier aber vor allem dafür,
dass Eltern ihren Kindern Grenzen aufzeigen und setzen, sie möglichst konsequent und eben auch
mit Konsequenzen erziehen.
Ganz angstfrei wird das nie sein. Keine Erziehung kommt im Endeffekt ganz ohne Drohungen und
Strafe aus.
Das darf für ein Kind aber nicht zu einem Terror werden. Wenn doch, wird eine Grenze
überschritten, muss dringend etwas geändert werden. Terror und Liebe vertragen sich nicht.
Gott will keinen Terror. Was dann sonst? Darüber könnte man ganze Bücher schreiben.
Paulus hat es in einem Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus so auf den Punkt gebracht: „Gott will,
dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“
Gott will retten, helfen. Gott will, dass Menschen die Wahrheit erkennen und diese Wahrheit hat
nichts mit Terror zu tun, sondern mit Liebe.
Auch im Evangelium ist die Rede davon, dass Menschen Gott beleidigen, sich gegen ihn
versündigen, an ihm, anderen und sich selber schuldig werden, dass Gott vieles, das Menschen
tun, ein Gräuel ist.
Aber er reagiert nicht mit Terror auf all das. Und Menschen, welche die Gottlosigkeit anderer sehen
und darunter leiden, die sich überlegen, wie sie darauf reagieren, wie sie für die Ehre Gottes
eintreten können, diese mahnt Paulus:
„Liebe Freunde, rächt euch niemals selbst, sondern überlasst die Rache dem Zorn Gottes. Denn
es steht geschrieben: »Ich allein will Rache nehmen; ich will das Unrecht vergelten«, spricht der
Herr.“ (Römer 12,19)
Gott braucht keine menschlichen Rächer, keine menschlichen Bomber und Bomben. Es liegt
überhaupt kein Segen darauf, wenn Menschen meinen Gott rächen oder verteidigen zu müssen.
Gott verbittet sich das. Es ist alleine seine Sache.
Dieser Text zeigt aber auch, dass Gott all das nicht einfach egal oder gleichgültig ist. Es trifft und
schmerzt ihn. Da ist von Zorn die Rede.
Müssen wir uns also doch vor dem Zorn Gottes fürchten, vor Schicksalsschlägen und solchen
Dingen, welche dieser Zorn als Strafe über unser Leben bringt?
Wenn wir Jesus zuhören, dann weicht diese Furcht. Er sagt: „Denn Gott hat die Welt so sehr
geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht,
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sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die
Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“
Das heisst nichts anderes als dass Jesus der Blitzableiter für den Zorn Gottes ist. Er hat den
berechtigten Zorn Gottes über Menschen auf sich genommen und die Konsequenzen getragen am Kreuz. Gott hat diesen Weg gewählt, weil er uns liebt, weil er nicht will, dass wir vernichtet oder
zerstört, dass wir terrorisiert werden.
Das ist auch der grosse Unterschied zu den mordenden Märtyrern heute. Diese meinen zu
Märtyrern, zu Gotteslieblingen zu werden, indem sie andere töten und vernichten.
Sie versprechen sich für diesen Terror eine grosse Belohnung von Gott resp. andere versprechen
es ihnen, bevor sie sie in den Tod schicken.
Jesus wurde zum Märtyrer, indem er aus Liebe zu Menschen für andere sein eigenes Leben
gegeben hat. Das ist das pure Gegenteil von Terror, von den modernen Terror-Märtyrern.
Ich habe vorhin Paulus zitiert, der mahnt, dass wir das Thema „Rache“ Gott überlassen sollen.
Weiter schreibt er dort:
„Handelt stattdessen so, wie es in der Schrift heisst: »Wenn dein Feind hungrig ist, gib ihm zu
essen. Wenn er durstig ist, gib ihm zu trinken, und er wird beschämt darüber sein, was er dir
angetan hat.« Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das
Gute!“ (Römer 12,20+21)
Nicht Terror, sondern Nächstenliebe, soll das Markenzeichen der Gläubigen sein. Das soll den
Menschen zuerst in den Sinn kommen, wenn sie von Christen hören. „Deus lo vult“ das gilt für die
Nächstenliebe.
Bei der Nächstenliebe geht es weniger um Gefühle, sondern die konkrete Art und Weise, wie wir
miteinander umgehen.
Nächstenliebe ist nie etwas Abstraktes, darum umschreibt Paulus sie hier mit konkreten
Beispielen: Gib dem Feind, der Hunger hat, zu essen und zu trinken; überwinde das Böse durch
Gutes.
Das ist anspruchsvoll, sicher, aber möglich wie die Geschichte eines elfjährigen Mädchens
eindrücklich zeigt.
In einem Flüchtlingslager auf Zypern wurde das Mädchen interviewt. Sie wurde mit ihrer Familie
und rund 400 christlichen Familien von der Terrororganisation IS aus ihrem Heimatdorf vertrieben.
Sie hat viel Schlimmes, Terror, erlebt.
Auf die Frage, was sie tun würde, wenn sie die Chance hätte, sich an IS-Kämpfern zu rächen,
sagte sie: „Ich würde ihnen nichts antun. Ich würde Gott bitten, dass er ihnen vergibt.“
Dieses Mädchen hat viel mehr von Gott, von Jesus begriffen als die unzähligen Terroristen, die
meinen mittels Angst und Schrecken für Gott kämpfen zu müssen. Ich weiss nicht, ob ich in ihrer
Situation so hätte antworten können.
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Nächstenliebe und Vergebung. Das ist der Stil Gottes, der uns in der Bibel bezeugt wird, von Gott,
den Jesus „Vater im Himmel“ nennt.
Das ist es, was er von uns will. Und wir wissen, dass das nicht immer einfach ist.
Es gibt manches, das uns hindert zu vergeben oder um Vergebung zu bitten. Gott will es aber, weil
alles andere zerstörerisch ist. Er will es, weil es besser für uns selber ist und er will uns dabei
helfen - wenn wir ihn helfen lassen.
Menschen missbrauchen Religion und den Namen Gottes immer wieder für eigene, narzisstische
und machthungrige Ziele.
Manche sind verblendet, andere kalt kalkulierend. Gäbe es keine Religionen, würden sie sich
einfach anderer Mittel bedienen.
Es ist wichtig, dass wir unterscheiden, was wirklich im Namen Gottes ist und was nicht. Darum ist
es wichtig, dass wir das biblische Wort kennen, die Evangelien.
Es ist wichtig, dass wir weniger auf Menschen schauen und hören, sondern vielmehr direkt auf
Jesus selber. Darum wurde auch damals bei der Reformation so viel Wert darauf gelegt, die Bibel
in die Mutter-Sprache der Leute zu übersetzen.
Wenn wir auf Menschen schauen, werden wir in jeder Religion Formen von Terrorismus finden.
Wenn wir aber auf die Gründer schauen, zeigt sich da und dort ein anderes Bild.
Wer auf Jesus schaut, der sieht Liebe, Liebe, die sogar bereit ist für andere zu sterben, um ihnen
zu helfen, Liebe, die Böses mit Gutem beantwortet, Feinde nicht vernichtet, sondern sie zu
Freunden macht. Jesus ist kein Terrorist. Jesus ist Liebe.
Diese überwältigende Erfahrung hat auch Stephen Lungu gemacht. Er wuchs als Strassenkind in
Simbabwe auf. Randvoll von Hass, Einsamkeit und Angst schloss er sich einer marxistischen
Terrorgruppe an.
Eines Tages stand am Stadtrand ein grosses Zelt einer südafrikanischen Missionsgesellschaft.
Südafrika, das waren Feinde, also beschlossen sie hinzugehen und die Veranstaltung zu stören.
Es kam anders. Stephen hörte zu und war ganz überrascht. Er schreibt: „Plötzlich verstand ich,
welchen Tausch mir Jesus anbot. All der Schmerz, die Einsamkeit, der Selbsthass und die Angst,
die mich bestimmten, wurden mir bewusst.
Mir liefen die Tränen über die Wangen. Ich wollte frei werden von dieser unerträglichen Last, die
meine inneren Verletzungen und das Böse mir aufgebürdet hatten.“
Er hat sich auf Jesus eingelassen. Sein Leben nahm eine dramatische Wende. Er stellte sich
selber der Polizei und wurde verhaftet. Er schreibt: „Meine Waffe gab ich ab. Nach acht Stunden
Arrest und Verhören wurde ich freigelassen. Ein Polizist gab mir Geld für meine erste Bibel.“ Amen.
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