Corinna Lobenwein

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Corinna Lobenwein
Corinna Lobenwein, Famulatur im HAN auf der Gynäkologie vom 19.8.2011-02.10.2011,
1.Zwischenbericht
Liebe Freunde des H.A.N.,
ich schreibe euch diesen Zwischenbericht direkt von meinem 3.Turno (24-Stunden-Dienst) im HAN.
Da der Abend sehr ruhig ist, es gerade keine Patienten gibt und die meisten der Schwestern und
Studenten eine Argentinische Soap anschauen, will ich die Zeit nutzen, um euch über meine ersten
zwei Wochen im HAN in Nicaragua zu berichten.
Ursprünglich wollte ich meine sechs Wochen Famulatur im HAN in der Chirurgie absolvieren, war
mir dessen aber unsicher, da es meine erste Famulatur ist und ich in Deutschland nur Erfahrungen als
OP-Helferin auf der Orthopädie gesammelt habe. Deshalb war ich Kristin sehr dankbar, die mir riet,
auf die Gynäkologie zu wechseln, da man dort nützliche Fähigkeiten lernt, die man in Deutschland so
nicht mehr lernen kann. Aus diesem Grund habe ich das Krankenhaus noch mal angeschrieben und bin
auf die Gynäkologie gewechselt.
An meinem ersten Tag wurde ich in der Direktion nach einiger Wartezeit herzlich empfangen und
konnte die Biopsiezangen für die Gynäkologie, die mir Dörffels geschickt haben, übergeben. An
dieser Stelle will ich gleich herzliche Grüße und vielen Dank von der Direktorin ausrichten, die die
Zangen an die Gynäkologie weiterleitet. Bis jetzt hab ich die Biopsiezangen noch nicht in Einsatz
gesehen, aber das liegt, denke ich, daran, dass ich noch nicht im OP-Bereich war. Ich werde mich
jedoch weiter erkundigen und im nächsten Bericht vielleicht auch ein paar Fotos schicken.
Nach dem Gespräch mit der Direktorin wurde ich durch die einzelnen Abteilungen geführt und kurz
vorgestellt. Meine ersten zwei Arbeitstage verbrachte ich in der gynäkologischen Notaufnahme. Da es
dort aber sehr wenig Platz gibt und morgens zusätzlich noch viele Studenten anwesend sind, wurde ich
vorerst für meine ersten zwei Wochen in die Abteilung A.R.O. (alto riesgo obstetrico = schwere
Risikoschwangerschaften) geschickt. Der Anfang dort fiel mir nicht leicht, da der Arbeitsalltag viel
Schreib- und Dokumentationsarbeit bedeutet und die Schreibarbeit für die Ärzte durch Abkürzungen
erleichtert wird, die mir natürlich nicht bekannt waren. Dies wurde aber von Tag zu Tag besser, da mir
die Studenten und Ärzte die Abkürzungen auch ein zweites und drittes Mal erklärten, sodass ich sie
mir relativ schnell einprägen konnte. Bald konnte ich selbst den ersten Patienten untersuchen.
Im Folgenden will ich kurz meinen Tagesablauf in ARO schildern:
Mein Arbeitstag beginnt um sieben Uhr in der Früh. Meist vergeht erst eine Viertel bis halbe Stunde,
bis sich alle Ärzte und Studenten eingefunden haben, dann bekommt jeder Student eine, manchmal
auch zwei Patientinnen, von welchen er Vitalzeichen, Lage des Kindes, Herztöne und die Anamnese
aufzeichnen muss, zuletzt folgt die gynäkologische Untersuchung, die von einem Arzt durchgeführt
wird; die Studenten dürfen dann meist danach nochmals untersuchen oder schauen zu. Ich habe
anfangs immer einen Studenten begleitet und die Untersuchungen mit ihm durchgeführt. Danach
gegen 11 Uhr haben die Studenten immer eine Stunde Unterricht, den auch ich besuche. Für mich ist
der Unterricht sehr bereichernd, da ich selbst noch keine Gynäkologie hatte. Außerdem ist es immer
eine gute Gelegenheit, sich mit den Studenten auszutauschen, wie das Medizinstudium in Nicaragua
bzw. in Deutschland aufgebaut ist. Nach dem Unterricht verlassen die Studenten das Krankenhaus
und gehen in die Uni. Den Nachmittag verbringe ich meist wieder auf Station oder helfe,
Ultraschallberichte zu schreiben. Kurz vor drei findet die Übergabe statt, danach endet mein
Arbeitstag.
Famulatur im HAN auf der Gynäkologie vom 19.8.2011-02.09.2011
2. Zwischenbericht vom 24.09.2011
Liebe Freunde des HAN,
es tut mir leid, dass der Bericht über die Küche später kommt als die Fotos. Bei mir funktionierte das
Internet nicht. Sonst geht’s mir sehr gut. Die letzten zwei Wochen war ich in der gynäkologischen
Notfallambulanz. Meist hab ich die Ärzte und Studenten bei den Untersuchungen begleitet. Die
häufigsten „Krankheitsbilder“ sind Schwangere mit Schmerzen kurz vor der Geburt,
Harnwegsinfekte, Vaginitis oder Bluthochdruck bei Schwangeren. Ab und zu gab es auch Frauen, die
nach einer inoffiziellen Abtreibung zur Kontrolle und Untersuchung kamen.….
Eine andere Aufgabe, die ich die zwei Wochen hatte, bestand darin, die einzelnen Frauen zu fragen, ob
sie einen HIV-Test machen wollten. Meist durfte ich dann Blut abnehmen und einen langen
Fragebogen mit der Patientin ausfüllen. An sich ist HIV noch kein großes Problem hier, jedoch ist
Managua nach Chinandega (Grenzgebiet zu Honduras ) die Region mit den meisten Fällen; deswegen
versucht man gerade bei den Schwangeren, um das Kind zu schützen, so vielen Frauen wie möglich
den Test gratis anzubieten.
Was mich sonst noch beschäftigt hat, sind die Arbeitszeiten der Ärzte und auch der Studenten. Ich
mache normalerweise einmal die Woche einen Turno, das heißt für mich, ich komm um 7 Uhr
morgens und arbeite bis 7 Uhr morgens des darauffolgenden Tages. In diesen 24 Stunden kann man,
wenn man Glück hat und wenig los ist, ein paar Stunden schlafen, wenn jedoch viel los ist, kann es
auch sein, dass man gar keine Ruhezeit hat. Ich hatte bis jetzt immer Glück und konnte jedes Mal drei
Stunden schlafen. Bei meinem letzten Turno bin ich jedoch einfach am Tisch eingeschlafen. Genau
aus diesem Grund bewundere ich die Ärzte und Studenten, denn meist sind sie nicht so müde wie ich
und zusätzlich bedeutet Turno für sie nicht 24, sondern oft 36 Stunden Dienst, da sie nicht um sieben
Uhr morgens nach Hause gehen, sondern noch den normalen Dienst des nächsten Tages haben und
trotzdem freundlich sind.
Auch die Studenten bleiben am nächsten Tag noch bis zwölf Uhr nachmittags, haben dann aber noch
Unterricht in der Uni. Was mir am Medizinstudium in Nicaragua gefällt, ist Der Umstand, dass alle
Medizinstudenten nach ihrer Regelstudienzeit erst noch einen „servicio social“ machen müssen, was
man vielleicht mit „Zivildienst“ übersetzen könnte, um ihren Arzttitel zu bekommen. In diesem Jahr
werden sie in Gesundheitszentren (puestos de salud) oft abseits von geteerten Straßen und
Internetanschlüssen geschickt. Dort sind sie der einzige Arzt gemeinsam mit zwei Krankenschwestern
und müssen Patienten behandeln und Geburten durchführen. Ich hätte bei einem solchen Einsatz die
erste Zeit wohl bestimmt viel Angst, zum anderen denke ich allerding, dass man dort auch unglaublich
viel lernt. Außerdem ist deshalb das vorausgehende Studium viel praktischer ausgelegt. Die Studenten
in Labor y Parto (Kreissaal) lernen dort, selbstständig Geburten durchzuführen, der theoretische
Unterricht ist so ausgelegt, dass man meist das durchnimmt, was man in der Klinik auch häufig sieht
und braucht. Außerdem will wegen des frühen Praxiseinsatzes jeder so viel wie möglich während der
Praktika mitnehmen, weil man weiß, was man später wirklich können muss, und weil man sieht, dass
man diese Kompetenz auch wirklich braucht.
Corinna Lobenwein
Famulatur im HAN auf der Gynäkologie vom 19.8.2011-02.09.2011
3. Zwischenbericht vom 10.10.2011
Liebe Freunde des HAN,
meinen letzten Zwischenbericht schreibe ich euch aus Deutschland, da am Ende meiner letzten zwei
Wochen die Zeit sehr schnell verging und gefüllt mit Verabschiedungen war. Jedoch habe ich noch
zwei Neuigkeiten. Die eine ist, dass die mitgebrachten Biopsie-Zangen in der Gynäkologie
angekommen und laut Dr. Castellón auch schon im Einsatz sind. Die andere Nachricht ist nicht so
erfreulich: Uns wurde gesagt, dass das W-LAN Netz im Krankenhaus leider nicht mehr funktioniert.
Jedoch hat die Direktorin schon einen technischen Bericht angefordert, um festzustellen, was genau
das Problem ist. Ich glaube, diesen wird sie auch nach Deutschland schicken.
Wie schon angekündigt war ich meine letzten zwei Wochen im Labor y Parto (Kreissaal). Die meisten
Ärzte hatten mir vorher schon gesagt, das die zwei Wochen dort unglaublich wichtig seien, da jeder
lernen müsse, wie eine Geburt funktioniert, da es einem Arzt egal welcher Fachrichtung immer
passieren kann, dass er eine Geburt betreuen muss. Als ich erzählt habe, dass außer den Gynäkologen
die meisten Fachärzte in Deutschland wahrscheinlich noch nie eine Geburt betreut haben waren die
meisten sehr erstaunt, da in Nicaragua schon die Studenten lernen, eigenständig Geburten zu betreuen.
Ich glaube, in Deutschland hätten die Studenten aufgrund der niedrigen Geburtenrate wahrscheinlich
nicht mal eine Chance, dass jeder im Studium eine Geburt betreut. Im HAN ist das anders, es kann
sein, dass an einem Tag auch mal 35 bis 40 Kinder zur Welt gebracht werden. Ein Arzt sagte mir, dass
gerade Hochsaison der Geburten sei, da die meisten Eltern über Weihnachten einige Tage nicht
arbeiten müssten und so genügend Zeit für alles Schöne bleibe. Jedenfalls teilten sich während meines
Aufenthalts manchmal zwei Frauen nach der Geburt ein Bett, da nicht genügend zur Verfügung
standen, obwohl schon Extrabetten in den Gang geschoben wurden. Vielleicht sind auch die Vielzahl
der Geburten und die begrenzten Kapazitäten ein Grund dafür, dass so gut wie alle Geburten mit
Oxytocin eingeleitet werden und dass die Frauen, kurz bevor das Kind kommt, noch einmal in einen
anderen Raum mit gynäkologischem Stuhl laufen müssen. Dort kommt das Kind dann meist in den
nächsten fünf Minuten.
Ich selbst durfte auch mit Hilfe (von Ärzten oder Schwestern) ein paar Geburten betreuen und auch bei
einem Kaiserschnitt die erste Assistenz sein. Für mich waren die zwei Wochen in Labor y Parto super
interessant, weil ich auch mit den Studenten die Theorie zur Geburt und vieles mehr lernen konnte. Ich
möchte deshalb nochmals Danke an alle Ärzte, Studenten und Krankenschwestern sagen, die mir in
diesen sechs Wochen sehr viel Gynäkologie und vor allem Praxis beigebracht haben.
Viele liebe Grüße
Corinna