Mitteilungen - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
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Mitteilungen - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
Herbst 2009 Mitteilungen Lesen 1 Nr. 143 / 33. Jahrgang Erscheint 4x jährlich Die Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland wurde 1976 als politisch und konfessionell unabhängige Schule begründet und steht als solche allen Bevölkerungskreisen offen. Das Lehrerkollegium, als im pädagogischen Bereich autonomes Gremium, orientiert sich in seinen erzieherischen Zielsetzungen an der geisteswissenschaftlichen Welt- und Menschenerkenntnis Rudolf Steiners – an der Anthroposophie. Die Aufnahme von Kindern erfolgt nach pädagogischen Gesichtspunkten und liegt in der Verantwortung des Lehrerkollegiums. Die Freie Schulvereinigung Zürcher Oberland ist der rechtliche und wirtschaftliche Träger der Schule. Mitglied kann werden, wer den Bestand und weiteren Ausbau einer Rudolf Steiner Schule im Zürcher Oberland in freier Trägerschaft mitunterstützen will. Die Statuten der Vereinigung sowie eine Beitrittserklärung sendet Ihnen gerne der Vorstand der Freien Schulvereinigung Usterstrasse 141, 8620 Wetzikon Inhalt Redaktionelles Betrachtung zur Michaelizeit Peter Urbscheit Märchen – was sagen sie uns heute? Susanne Baimuradowa Das Vorlesen ist eine christliche Tat Verena Bonifazi-Schlumpf Vom Zeichnerischen zum Schreiben zum Lesen Martin Riegger Literarisches Lesen im Jugendalter Peter Lüthi «Ich wär‘ so gern wie du…» Andreas Tielcke Was ist ein gutes Buch? Esther Lange Warum lesen im Fremdsprachunterricht? Marek Majorek Gelesen... Carla de Pouplana Denk-Lehrer statt Mathe-Pauker Dieter Wiesflecker Neue Lehrerinnen und Lehrer stellen sich vor Aus dem Kollegium Michèle Troug Ehemalige berichten Daniel Camille Bentz Austrittsgespräche Markus Frey Reich ins arme Namibia Barbara Stauffer und Erich Meier Berufspläne der letzten 12. Klässler/innen Thomas Gmelin Mitteilungen der Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland Die Mitteilungen erscheinen viermal im Jahr und wollen der Bildung eines gemeinsamen Bewusstseins aller an der Schule Beteiligten sowie dem für das Leben unserer Schule unerlässlichen Informationsfluss dienen. Sie werden auch an Interessenten abgegeben. Beiträge zur Deckung der Druck- und Versandkosten erbitten wir auf das Postcheckkonto 87-3246-9. Herausgeber Lehrerkollegium der Rudolf Steiner Schule und Vorstand der Freien Schulvereinigung Zürcher Oberland Usterstrasse 141, CH–8620 Wetzikon Tel. 044 933 06 20, Fax 044 933 06 24 E-Mail: [email protected], www.rsszo.ch Redaktion Basil Bachmann, Christian Labhart, Renata Merz, Christine Spörri Lektorat Peter Urbscheit Layout Alinéa AG, Wetzikon Druck DT Druck Team AG, Wetzikon Redaktionsschluss Winter 2009: 18. November 2009 Inhaltliche Verantwortung für die Beiträge und alle Rechte bei den Autoren 2 4 6 10 12 14 18 21 22 24 26 31 36 40 43 45 47 Redaktionelles Lesen dürfen... Welch beglückender Moment, wenn Zeit scheinbar still steht und eine innere Welt zu leben beginnt! Buchstaben, richtig zusammengefügt, widerspiegeln Begriffe, die der Mensch sich im Denken selber errungen hat. Niedergeschrieben können sie nun weitergegeben werden, und andere können diese Gedankengebilde lesend nachvollziehen. Wir dürfen so teilnehmen aneinander. Lesen lernen... Was kann Lesen uns Menschen bedeuten? Wie lernen wir es? Welche Bedeutung hat es im Lehrplan der Rudolf Steiner Schule? Ist es nur eine Grundfähigkeit, die man sich erwerben muss, um im Leben einigermassen zurechtzukommen, oder kann es «Welten eröffnen»? Was hat Lesen mit Zuhören zu tun? Was heisst es, wenn man unter grosser Mühsal lesen lernen muss? Fernsehen ist doch einfacher! Unzählige Fragen haben uns bewegt, auf einige wenige konnten wir in dieser Herbstausgabe eingehen. Das Redaktionsteam war auch neugierig zu wissen, was Lesen dem Einzelnen bedeutet, und schrieb einen kleinen Wettbewerb aus. Die prägnanten Antworten geben Ihnen spannende Einblicke in verschiedenste Erfahrungen. Gewinnerin eines Büchergutscheins wurde Ursina Liechti. Danke allen, die mitgemacht haben! Lesen begegnen... Die Welt der Bücher, Freude und Mühsal des Lesenlernens, Begegnung mit Literatur, dies alles gehört im weitesten Sinne zum Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht. Nehmen Sie mit den nachfolgenden Beiträgen daran teil und spüren Sie lesend Ihrer eigenen aktiven Tätigkeit des inhaltlichen Mitvollziehens, den Kräften der Phantasie und den inneren Bildern nach. Des weiteren stellen wir Ihnen auf Initiative eines Schulvaters in lockerer Folge langjährige Lehrkräfte unserer Schule vor. Ihr Wirken und Gestalten an unserer Schule soll so wieder einmal würdigend zur Begegnung werden. Die abgedruckten Fotos unseres Lehrerteams ergänzen dies. Auch aus Namibia hat uns ein erstes Lebenszeichen erreicht, und wir geben dies gerne als Beginn einer neuen Serie weiter. Viele erfüllte Lesestunden wünscht Ihnen Die Redaktion 2 Andreas Tielcke Deutsch Heike Holm-Bertelsen Eurythmie Peter Lange Gartenbau 3 Betrachtung zur Michaelizeit «Michael» benennt eine überirdische Macht, die dem Menschen hilft, Böses in der Gewalt zu haben. Der 29. September ist der «Namenstag» des Erzengels Michael. Unter seinem Fuss das Böse in Gestalt des Drachens, es mit dem Speer beherrschend, zeigt er sich auf alten Darstellungen. Andere zeigen ihn mit der Waage: «Am Ende der Weltentage» wägt er die Essenz, das Wesentliche «guter» und «böser» Taten des einzelnen Menschen. – Bei Rudolf Steiner findet sich zudem viel Konkretes, «Moderneres» über diese kosmische Macht. Sie hat als Zeitgeist die zentrale Aufgabe, als «Fürst» über dem Gedankenleben zu walten; bereit, vom Überirdischen aus Hilfestellung im Irdischen zu leisten. Kurz, wie habe ich mein Gedankenleben in der Gewalt – wenn gut, desto stärker habe ich auch im Griff, was ich an Gedanken habe – werde freier vom Zwang selbst verursachter Gedankenschwäche. Angesichts dieser Hilfsbedürftigkeit beim Wie meines Gedankenlebens: Ist da nicht eine Macht denkbar, die, besorgt um das Menschengeschlecht, sich fragt: Wie kann ich dem einzelnen Menschen, ihm alle Freiheit lassend, bei seinem Gedankenleben beistehen – was dann «das Richtige» ist, weiss er selbst «tief drinnen» recht genau? – Die Bilddarstellungen «Michaels» sind sehr zutreffend und Rudolf Steiners Ausführungen existenziell. Zu dieser Betrachtung noch Worte ... Shakespeares: Derartige Schilderungen und Bilder liegen mir heutigem Alltagsmenschen vermutlich fern. Dies Gefühl – «das geht mich nichts an» – kann ich nun abzustreifen versuchen und folgende Überlegung anstellen: Was ich (an Richtigem) zu denken habe, ist ganz meine Angelegenheit. Sollte es eine Macht geben, die mir das gleichsam einflüstert, derart also «über dem Gedankenleben waltet», ich könnte das unmöglich als Hilfe anerkennen; denn wo bliebe Gedankenfreiheit, Freiheit überhaupt? Nun gilt es zu unterscheiden: Gedanken haben und Gedanken handhaben – und dadurch das Leben, also alles, was mir an Dingen, Beziehungen, Menschen, Aufgaben begegnet, handhaben. Was kann beim Handhaben schiefgehen? Dazu zwei symptomatische Beispiele. Zum einen, man prüfe bei sich das, was assoziatives Denken genannt wird: z. B., ich sitze hier, schreibe … und denke beim Wort «Michael» aufs Mal an mein Patenkind oder bei «Waage» daran, dass ich abnehmen muss. Solch assoziatives Fortschwirren von Gedanken, die gar keine sind und mich das Eigentliche, Wesentliche verlieren lassen – wie gut habe ich dies «Böse» unter dem Fuss? Das zweite Beispiel, und betreffend «Wesentliches»: Angenommen, ich habe meine Gedanken sehr wohl im Griff; wie fähig (aber) bin ich, Wesentliches und Unwesentliches abzuwägen? Welche (egoistischen, weniger egoistischen) Motive bewegen mich, etwas als wesentlich zu bestimmen? Beatrice4Zimmermann Kindergarten Gewiss, der uns mit solcher Denkkraft schuf, vorauszuschaun und rückwärts, gab uns nicht die Fähigkeit und göttliche Vernunft, um ungebraucht in uns zu schimmeln. (aus «Hamlet») Vedika Bolliger Kindergarten … und von Helmut Goldmann, Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft in Österreich: Das heimliche Eingangstor des Bösen ist der Mangel an Gefühl für die Dimension der Verantwortung, die man trägt, wenn man denkt. Man kann das Böse nur stellen, wenn man sich verantwortlich in den Bildeprozess seines eigenen Denkens stellt Peter Urbscheit Sherrill Freeman Englisch 5 Märchen – was sagen sie uns heute? König Drosselbart Ein König hatte eine Tochter, die war über alle Massen schön, aber dabei so stolz und übermütig, dass ihr kein Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem andern ab und trieb noch dazu Spott mit ihnen. Viele Menschen glauben, dass Märchen nur der Unterhaltung unserer Kinder dienen. Aber ist dem wirklich so? Viele unserer alten Volksmärchen sind Überlieferungen, die auf älteste Erfahrungen der Menschheit und Urbilder zurückgreifen. Im Märchen ist jedoch alles magisch-mythologische Bildsprache, die erst entschlüsselt werden will und die heute noch genauso aktuell ist wie vor 2000 Jahren. Damals wie heute wollen die Menschen ihren Charakter veredeln, Existenzängste überwinden, sich körperlich, geistig, seelisch weiterentwickeln. So spiegelt alles, was im Märchen vorkommt, einen Teil des persönlichen Charakters, der Seele wider. Zum Beispiel ist die Quelle, aus der getrunken wird, die Quelle in mir und das kann für den einen die Natur sein, die ihm Kraft gibt, für den anderen die Religion, für den dritten Gespräche mit lieben Menschen, Bücher, Musik... Wir alle tragen sowohl hohe ideale Charakteranteile in uns, im Märchen symbolisiert durch Prinz, Prinzessin oder den souveränen König, den Helden; aber auch Neid, Hass, Missgunst, Angst, ausgedrückt durch die Hexe, den machtgierigen Zauberer usw. Mädchen, Jungfrau, Frau und alte Frau sind die Entwicklungsstufen der Seele. Die Tochter ist das Sinnbild der frei werdenden, persönlichen ichhaften Seele, die daraus hervorgeht. Spricht das Märchen nur von einer einzigen Tochter, so ist die Individualseele selbst gemeint. Geist, Seele, Leib sind eine Einheit. Diese Einheit aber zur bewussten Persönlichkeit umzuschaffen, indem sowohl die geistig-männliche als auch die seelisch-weibliche Seite zu ihrer höchsten Stufe entwickelt werden, ist das Ziel vieler Märchen. Die Einswerdung von Seele und Geist stellt sich dar im Bild der Hochzeit. Ist die Ichwerdung in ihrem hohen Sinne erreicht, erscheint sie im Bilde der königlichen Hochzeit. Das heisst, das Märchen hat durch seine magisch-mythologische Bildsprache direkten Zugang zu unserem Unterbewusstsein. Es geht durch den Verstand, der es nicht fassen kann, hindurch direkt ins Unbewusste hinein. Und wenn wir als Kind immer wieder das gleiche Märchen hören wollten, dann können wir davon ausgehen, dass irgendetwas in diesem Märchen steckte, das genau zu dem passte, was uns unbewusst gerade beschäftigte. Ein Kind hat, im Gegensatz zu uns Erwachsenen, die Fähigkeit, das Märchen dort wirken zu lassen, wo es hingehört – nämlich im Unbewussten. Es lässt das Märchen in sich hinein sinken und will/kann es nicht wie wir intellektuell erfassen. Wir Erwachsene haben leider meist den Zugang zu solchen Seelenbildern verloren. 6 Einmal liess der König ein grosses Fest anstellen und lud dazu aus der Nähe und Ferne die heiratslustigen Männer ein. Nun ward die Königstochter durch die Reihen geführt, an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig, dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. «Ei», rief sie und lachte, «der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel!» Und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart. Der alte König aber, als er sah, dass seine Tochter nur über die Leute spottete, ward zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bettler zum Manne nehmen, der vor seine Türe käme. Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an unter dem Fenster zu singen. Dem König gefiel der Gesang und er sprach: Dein Gesang hat mir so gefallen, dass ich dir meine TochAlice Reiners ter da zur Frau geben will.» Die Königstochter musste sich Malen und Kunst gleich mit dem Spielmann trauen lassen. Als das geschehen war, sprach der König: «Nun schickt sich‘s nicht, dass du als ein Bettelweib noch länger in meinem Schloss bleibst, du kannst nun mit deinem Manne fortziehen.» Der Bettelmann führte sie an der Hand hinaus, und sie musste mit ihm zu Fuss fortgehen. Sie kamen in einen grossen Wald, zu einer Wiese, durch eine grosse Stadt, und immer fragte die Königstochter: «Ach, wem gehört denn das?» «Das gehört dem König Drosselbart; hättst du’n genommen, so wär es dein.» «Ich arme Jungfer zart, ach hätt’ ich genommen den König Drosselbart!» Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie: «Ach, Gott, was ist das Haus so klein! Wem mag das elende winzige Häuschen sein?» Der Spielmann antwortete: «Das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.» Nun sollte sie Feuer machen, Essen kochen, aber sie verstand davon nichts. Ein paar Tage lebten sie schlecht und recht und zehrten ihren Vorrat auf. Da sprach der Mann: «Frau, so geht‘s nicht länger, dass wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten», aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. «Ich sehe, das geht nicht», sprach der Mann. «Spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.» Aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger. Da sprach der 7 Mann: «Du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen. Nun will ich‘s versuchen und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen. Du sollst dich auf den Markt setzen und die Ware feilhalten. Das erste Mal ging‘s gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie schön war, gerne ihre Ware ab und bezahlten, was sie forderte. Nun lebten sie von dem Erworbenen, so lange es dauerte, da handelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein. Sie setzte sich damit an eine Ecke des Marktes und stellte es um sich her und hielt feil. Da kam plötzlich ein trunkener Husar dahergejagt und ritt geradezu in die Töpfe hinein, dass alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen, aber ihr Mann sprach, «lass nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen. Ich war in unseres Königs Schloss und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, sie wollten dich dazu nehmen; dafür bekommst du freies Essen.» Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, musste dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit tun. Sie machte sich in beiden Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie nach Haus, was ihr von dem Übriggebliebenen zuteil ward, und davon nährten sie sich. Es trug sich zu, dass die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden. Da ging die arme Frau hinauf und wollte zusehen. Sie dachte mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz und Übermut, der sie erniedrigt und in so grosse Armut gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen warfen ihr Diener manchmal ein paar Brocken zu, die tat sie in ihr Töpfchen und wollte es heimtragen. Auf einmal trat der Königssohn herein, war in Samt und Seide gekleidet und hatte goldene Ketten um den Hals, ergriff sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie weigerte sich und erschrak, denn sie sah, dass es der König Drosselbart war, den sie verspottet hatte. Ihr Sträuben half nichts, er zog sie in den Saal. Da zerriss das Band, an welchem die Taschen hingen, und die Töpfe fielen heraus und es entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, dass sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte. Sie sprang zur Türe hinaus und wollte entfliehen, aber auf der Treppe holte sie König Drosselbart ein und sprach ihr freundlich zu: «Fürchte dich nicht, ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat, sind eins. Dir zuliebe habe ich mich verstellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzweigeritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für deinen Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast.» Da weinte sie bitterJenny8Schmidt de Pouplana Handfertigkeit lich und sagte: «Ich habe grosses Unrecht getan und bin nicht wert, deine Frau zu sein.» Er aber sprach: «Tröste dich! Die bösen Tage sind vorüber, jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern.» Da kamen die Kammerfrauen und taten ihr die prächtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und alle wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst an. Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabei gewesen. In diesem Märchen begleitet König Drosselbart die stolze Jungfrau, als sie ihr Vater verstossen hatte, aus ihrem Königreiche hinab: er selbst im Gewande eines Bettelsmannes und mit ihr in der engen Hütte der Armut Wohnung nehmend. Er führt sie durch Stufen von Prüfungen, die alle ihren Zweck haben, ihren Hochmut zu brechen – bis sie, aller Königswürde entkleidet, dem Gelächter der festlichen Schar beim königlichen Mahle preisgegeben, ihre tiefste Erniedrigung durchlebt: Da hebt sie der König Drosselbart zu Sabine Schaer sich empor. Er ist der gleiEurythmie che, der ihr einstmals in der Gestalt des Bettlers zur Seite gestanden hatte und der sich nun zu erkennen gibt. Sie feiern die Hochzeit, und sie erscheint in den prächtigsten Kleidern. Das ist der Glanz der Demut, in der erst die wahre Schönheit der Menschenseele zum Erstrahlen kommt. So wie der Körper nach Nahrung verlangt, so verlangt auch die Seele nach heilenden Bildern als Nahrung. Diese Bilder geben Märchen, wie auch Mythen, Sagen und Legenden der Völker. Würde die Tradition der Märchenerzähler heute noch bestehen und würden die Menschen genügend mit heilenden, kraftgebenden Bildern versorgt werden, dann wäre das Berufsbild des Psychologen und Psychoanalytikers überflüssig. Susanne Baimuradowa Basil Bachmann 9 Werken und Kunst Das Vorlesen ist eine christliche Tat Warum lesen wir unseren Kindern vor? Aus demselben Grund, warum wir ihnen erzählen. Wir möchten die jungen Menschen in Beziehung bringen zur Welt, in der sie leben, in eine erweiterte Beziehung, als sie durch ihr nächstes Umfeld möglich ist. Gehörte Erfahrungen bilden einen fruchtbaren und nahrhaften Boden, auf dem später eigene Erfahrungen gedeihen können. Andererseits werden eigene Erlebnisse bestätigt oder in einen grösseren Zusammenhang gestellt. Eigene Gefühle werden im Vorgelesenen wiedererkannt und können ins Bewusstsein gehoben werden. Das Vorlesen nimmt der junge Mensch vorerst als Monolog anderer Menschen entgegen, und wir hoffen, dass sich daraus im Jetzt und in der Zukunft ein Dialog entfalten wird. Ein Dialog, der Antworten auf Fragen geben kann, der selbst Fragen erweckt und im Idealfall den Menschen in eine umfassendere Beziehung zum Physischen, Seelischen und Geistigen stellt. Damit stellt sich die Frage, was wir den Kindern vorlesen wollen. Unsere Zeit bietet eine enorme Vielfalt an Inhalten durch gute Bücher an. Was «gut» ist, entscheidet jede/r Erziehende selbst. Wir können uns natürlich mehr oder weniger Grundlagen für eine bewusste Auswahl erarbeiten. Doch es ist kein spezielles Thema des Vorlesens, sondern ein allgemeingültiges Gesetz der Erziehung, dass nur das wirkt und prägt, was wir selber sind, Echtheit! Rezepte nützen oft wenig. Soll ich den Akt des Vorlesens der Kassette oder der CD überlassen? Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, kann ich mir vergegenwärtigen, was beim Vorlesen zwischen der/m VorleserIn und der/m ZuhörerIn geschieht: Die «Farbe»meiner Stimme ist lebendig, keine elektronische Lüge, der physische Klang wird begleitet durch seelisches Mitfühlen und geistiges Mitdenken im Jetzt. Beim Vorlesen kann ich auf Verständnisfragen oder emotionale Reaktionen eingehen. Wenn wir uns dieser Tatsachen bewusst werden, erübrigt sich die Frage nach der Qualität anderer Medien. Zdenek Koula 10 Turnen und Werken Das Vorlesen für die Kinder löst meist die frühere Phase des Erzählens ab. Der Inhalt wird umfassender, das Tempo steigert sich. Für die Deutschschweizer Kinder kommt mit der Zeit dazu, dass nicht mehr immer simultan ins Schweizerdeutsche übersetzt wird und die Kinder sich mit einem teils bekannten und doch so fremden Sprachgeist vertraut machen. In dieser Zeit war es für meine Kinder erleichternd, dass ich ihnen schon bekannte Bücher in der Schriftsprache vorlas. Die Freude ist gross und der Stolz anspornend, auf das Vertraute und Heimelige der Muttersprache zu verzichten und mit den Ohren einen Hauch geheimnisvolle Fremde zu schnuppern. Wenn wir Glück haben, war der Autor des Geschriebenen ein Künstler, und wir nehmen neben dem Inhalt eine Form auf, die allgemein unser Leben bereichert, da jegliche Kunstform ein Überragen des Physischen in Nichtmaterielles ist. Es ist ein Stück Sonntag im Alltag, das wir im Allgemeinen in unseren gewöhnlichen Erzählungen nicht bieten können. Wer am Abend erzählt, kommt immer wieder in die Not, «Konsequenzen» anzukündigen, z. B. «Wenn du nicht endlich deine Zähne putzt und dich schleunigst abziehst, kann es keine Geschichte mehr geben». Diese Konsequenz erscheint folgerichtig, doch wie gross und wohl nicht angemessen sie ist, merken wir erst, wenn uns bewusst ist, welchen Reichtum das Vorlesen darstellt. Immer dann, wenn wir bei der Wahl von Konsequenzen auf einen Verzicht von seelischer oder geistiger Nahrung zurückgreifen, sollten wir überlegen, ob es nicht noch eine bessere Lösung gibt! Heutzutage ist das Vorlesen leider oft nur für die noch nicht lesetüchtigen Kinder gedacht. Die Tatsache, dass sich auch Erwachsene gegenseitig vorlesen, scheint schon eher exotisch oder altmodisch und vielleicht zu unspektakulär; die Entscheidung, zusammen ins Kino zu gehen, ist schneller getan, als sich ganz einfach zum Vorlesen zu treffen. – Oder bei einem Krankenbesuch anstatt Blumen etwas zum Vorlesen mitzubringen, wirkt zunächst vielleicht befremdend, aber bleibt als «Strauss» bestimmt viel länger frisch. Dass wir auch den Toten vorlesen können, ist in weiten Kreisen unserer Gesellschaft ganz vergessen gegangen. – Des weiteren erlebe ich selbst es immer als besonders berührend, aufschlussreich und bereichernd, bei Lesungen Autor und Vorleser in einer Person zu begegnen. Das Vorlesen, zu dem es mindestens zwei Menschen braucht, ist eine zutiefst christliche Tat und hebt sich dadurch auch vom Lesen für sich selbst ab. Neben den vielen anderen modernen Möglichkeiten, die alle auch ihre Vorzüge und Berechtigung haben, möchte ich meine Ausführungen als Plädoyer für ein in Freiheit gewähltes Vorlesen uns allen wieder neu ans Herz legen! Verena Bonifazi-Schlumpf Schulmutter, 2. und 3. Klasse 11 Vom Zeichnerischen zum Schreiben zum Lesen Ferienzeit – die schönste Zeit des Jahres –, alle sollen daran teilhaben! Die Familie schreibt Postkarten. Die kleinen Kinder, noch im Kindergarten oder der ersten Klasse, sind nachahmend voller Eifer dabei und dürfen eine kleine Zeichnung anfügen oder sogar schon ihren Namen in krickeligen Buchstaben schreiben. Anders die Drittklässlerin – sie besteht darauf, dem Grossmami selbst zu schreiben. Ohne Korrektur durch die Erwachsenen. Das Grossmami freut sich sehr über die Karte der Enkelin und möchte diese Freude mit ihrer Nachbarin teilen. Jene aber, selbst Grossmutter mehrerer Enkel, welche in der Primarschule gar keine Probleme haben und auch gerne in die Schule gehen, äussert sich süffisant über die Orthografie der Enkelin. Das Grossmami erwidert etwas wie… in der Steinerschule legen sie halt auf andere Sachen mehr Wert…, fühlt sich aber nicht wirklich gut dabei. Es ist also durchaus angezeigt, sich den unterschiedlichen Weg der Steinerschulen zum Lesen und Schreiben zu verdeutlichen. Bevor wir uns dem Erlernen von Lesen und Schreiben an unseren Steinerschulen im Detail zuwenden, fällt zunächst der gänzlich andere Zeithorizont auf. Rudolf Steiner sagt über den von ihm angeregten Weg, dass es noch reichlich genüge, wenn wir... «etwa bis nach dem neunten Jahr das Kind dazu bringen, dass es lesen kann...» Und in Ausführungen über die Vorgehensweise gibt er zu bedenken, dass man das Kind frühzeitig greisenhaft mache, stelle man es sogleich vor die konventionelle Schrift. Das Hinführen solle sich vielmehr so gestalten, wie einst in unserer Menschheitsentwicklung, nämlich über die Bilderschrift. Also fortschreitend vom Künstlerischen zum Intellektuellen – von der Handbetätigung zur Kopfarbeit: In der Klasse sprachen wir das gefundene vom Lehrer gemalte Wort aus, lauschten genau, wie es denn am Anfang tönt: König, Pilz, Nixe, Baum, Mund – geschenkte Buchstaben; später suchten wir neue auch inmitten der Wörter. Nachdem die Kinder die begleitenden Texte gehört hatten, malten sie diese, unmittelbar nach dem Sichtbarwerden (durch die Hand des Lehrers) von der Wandtafel ab. Je vertrauter sie damit umgingen, desto grössere Freude bereitete es, darauf zu achten, wie es jetzt tönt, zu raten, welches der nächste Buchstabe sei. Nach Abschluss dieses Abmalens erfüllte das anschliessende gemeinsame Lesen dieser Sprüche mit berechtigtem Stolz. Über mehrere Schreibepochen durften wir mit unserem Lernbegleiter «Momulu» die in der Welt verborgenen Buchstaben entdecken. Die begleitenden Sprüchlein gaben 12 viel Gelegenheit zum genauen Schauen und Abmalen. Wollten wir die Buchstaben beschreiben, waren uns zudem die Übungen des Formenzeichnens hilfreich. Ausgehend von der Geraden und Krummen des ersten Schultages über das O wie eine Ellipse, versteckte Kreise und verschiedene Winkelformen. Mal diente dies, mal die Erinnerung an die Geschichte und das Bild im Heft dazu, einen Buchstaben zu erraten und anschliessend zu malen. Doch verfolgten wir die Form nicht nur mit den Augen und mit der Schreibhand in der Luft. Auch durch Abschreiten von auf dem Boden in Buchstabenform ausgelegten Seilen, durch Erspüren auf dem Rücken, im Malen mit den Füssen oder dem geduldigen Erkneten, verleibten wir uns buchstäblich alles ein. Die grossen Buchstaben haben selbstverständlich kleine Geschwister. Deren Bekanntschaft dürfen wir nun in der zweiten Klasse machen. Und da sie sich als Wort wie eine kleine Familie fühlen, nehmen sie sich als sichtbares Zeichen der Zusammengehörigkeit an die Hand. So hoffen wir, wie am Schnürle zur Schreib- bzw. Schnürleschrift zu gelangen. Gelingt dem Lehrer dieser abkühlende Prozess vom Lebendigen, Warmen, Biegsamen über das Feste, Geronnene hin zur leblosen Konvention des Buchstabens, wird sein Bemühen bei den Kindern nicht nur mit Wärme und Interesse begleitet, sondern zudem so, wie es in den Schulzimmern der unteren Klassen beim täglichen Rezitieren des Morgenspruchs erklingt: «arbeitsam und lernbegierig». Martin Riegger Christian Labhart Heidi Schmid Labhart 6. Klasse 13 Literarisches Lesen im Jugendalter «Sport macht clever» erfährt auch der eilige Leser aus der Gratiszeitung. Ausserdem wissen wir, neurologisch untermauert: Musik ist gut für die mathematische Kompetenz; Eurythmie (heisst es, wenn die Schüler sie gerade nicht so mögen) ist gut für das geometrische Vorstellungsvermögen und die Sozialkompetenz. Das Üben der Lesefähigkeit ist gut für den Wirtschaftsstandort – sonst hätte die betreffende Studie nicht die ganze Bildungslandschaft Europas erschüttert. Muss nun also auch das Lesen von Romanen, Dramen und Gedichten für etwas gut sein, oder darf es einfach dem freien Bedürfnis eines heranwachsenden Menschen entsprechen? Merkwürdigerweise haben auch zwei literarische Texte Aufnahme in den ersten PISA-Test gefunden. Hat ein Schüler lesend verstanden, weshalb eine Amalia zu einer Gräfin sagt: «Er hat mich nicht erkannt», und kann er sich den Standort der Personen auf der Bühne in diesem Moment räumlich vorstellen, erhöht er seine Punktzahl und damit das Ranking seiner Nation. Dennoch bleibt der Verdacht, ob gegenüber dem empfehlenswerten Lesen von Sachbüchern das literarische Lesen nicht doch als «Zeitvertreib» im wörtlichen Sinne einzuschätzen sei. Ja, es ist geradezu ein Gefahrenpotential auszumachen. Wir sind nämlich durch ein frühes Denkmal der Weltliteratur gewarnt, d. h., seit solches Lesen sich in der Bevölkerung zu verbreiten begann und offenbar verheerende Wirkungen zeigte: «Schliesslich versenkte er sich so tief in seine Bücher, dass ihm die Nächte vom Zwielicht bis zum Zwielicht und die Tage von der Dämmerung bis zur Dämmerung über dem Lesen hingingen; und so, vom wenigen Schlafen und vom vielen Lesen, trocknete ihm das Hirn so aus, dass er zuletzt den Verstand verlor. Die Phantasie füllte sich ihm mit allem an, was er in den Büchern las...» Don Quijote entschloss sich konsequenterweise, das Leben mit Literatur zu verwechseln und lieber gegen Riesen zu kämpfen anstatt sich für die Physik der Windmühlen zu interessieren, was ihm als Zeitgenosse der beginnenden Neuzeit einiges mehr an Profit eingebracht hätte. 14 Renée Zitt Handfertigkeit Man könnte einwenden, man möge doch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, es gebe doch auch realistischere Literatur als die abstrusen Ritterromane, die Don Quijote zum Verhängnis wurden, sozusagen Literatur, aus der man für das reale Leben auch etwas lernen könne. Das sei zunächst dahingestellt, um das Lesen selber als merkwürdige Tätigkeit des Menschen ins Auge zu fassen, denn der spanische Antiheld ist offenbar nicht nur an den unzeitgemässen Inhalten, sondern auch gerade am Lesen und seinen Wirkungen auf den Organismus gescheitert. Wir Zivilisierte haben uns an das Phänomen des Lesens gewöhnt und erheben sein Erlernen schon zu einem Menschenrecht. Nur noch einem kleinen Kind kann es geheimnisvoll bis ärgerlich erscheinen, wenn es zur Kenntnis nehmen muss, dass die Grossen stundenlang auf schwarzes Gekritzel starren mögen, anstatt sich menschlich zu verhalten. Es ahnt noch nicht, dass sich in diesen sich immer wiederholenden schwarzen Zeichen eine unendlich reiche innere Bilderwelt verbirgt, deren Wirkung weit über die von der PISA-Gesellschaft angepeilte Informationsrezeption hinausgeht. Nun bekommt gerade diese «Andere Welt», die als zweite Welt neben die Eine der frühen Kindheit tritt – wodurch ja eine «erste» Welt überhaupt erst entsteht, die sogenannt reale Welt – mit dem Eintritt des Jugendalters eine besondere Bedeutung. Und genau in diesem selben Entwicklungsmoment bekommt auch das Alleinsein eine neue Bedeutung. Gerade darin liegt ja eine Gefährdung Don Quijotes, dieses Repräsentanten des modernen Menschseins: Selbstverständlich ist er lesend allein, sonst hätte er kaum den Verstand verloren. Im Hochmittelalter aber, als die Ritterromane noch zeitgemäss waren, wurden sie nicht gelesen, sondern gehört. Wolframs «Parzival» dürfte ein Vielfaches an Hörern gehabt haben als an Lesern. Der Vorgang des Hörens ist aber ein ganz anderer, sowohl beim Entstehenlassen der inneren Bilder aus der geformten Stimme eines andern Menschen als auch durch die sich natürlich ergebende Gemeinsamkeit mit andern anwesenden Hörern. Die Wurzeln der Weltliteratur liegen vollständig im Bereich dieses gemeinsamen Hörens – wie viele Jahrhunderte dauerte es, bis z. B. die Irrfahrt des Odysseus oder die Tragödie des Ödipus gelesen wurden! Warum aber bereitet die Lesekompetenz den Bildungsministern Albträume, während von Hörkompetenz gar nicht die Lesen bedeutet mir in meinem ganzen Leben sehr viel. Angefressen vom Lesestoff war es mir oft auch gar nicht möglich damit aufzuhören. Selbst mit der Schulliteratur ging es mir oft nicht anders, so war ich also meistens schon frühzeitig mit den Büchern fertig. Schliesslich kann man beim Lesen auch gänzlich vom Alltag abschalten und tief in die Phantasiewelt einsteigen, sich eigene Bilder schaffen, mit unterschiedlichen Lebensläufen befassen, Ansichten anderer Menschen kennen lernen und natürlich auch viel über die Welt und verschiedene Sprachen. Beim Lesen konnte ich mir einfach immer sicher sein, dass mich niemand stören konnte und ich alles für mich alleine hatte. Rika Henken ehemalige Schülerinn Lesen entspannt und spannt. Lesen spart Energie – der Film, den man sieht, läuft auch ohne Strom. Neomi Grieder 9. Klasse 15 Rede ist? Die Steinerschule geht in dieser Hinsicht schon in der Unterstufe einen andern Weg, indem sie die Bedeutung und Wirkung dieser beiden Tätigkeiten für die Entwicklung des ganzen Menschen bewusst berücksichtigt. Auch in der Oberstufe bedürfen die Schülerinnen und Schüler noch der gehörten Geschichten, obwohl sie längst lesen gelernt haben und obwohl das Zuhören durch die moderne Didaktik eine Zeit lang als Musterbeispiel von Frontalunterricht aus den Schulzimmern verbannt werden sollte, da es die Schüler zur Passivität verurteile, wo sie doch «eigentätig» sein können, z. B. indem sie lesen. Man verkannte die intensive Eigentätigkeit, die beim wirklichen Zuhören und Hervorbringen der inneren Bilder einsetzt. Die Schüler haben für diesen Unterschied ein feines Gespür, vor allem wenn die Erfahrung reinen Zuhörens durch den Verzicht auf Notizen verstärkt wird. «Ich war wie im Schlaf, doch meine Ohren waren bei der Geschichte, die uns der Lehrer erzählte. Es war wie kurz vor dem Schlaf. Ich stellte mir die Geschichte in Bildern vor, und das ging ganz leicht.» «Bei fast allem, was man in der Schule macht, muss man Notizen machen. Gerade im Deutsch ist es nötig, dass man sich alles aufschreibt. Jetzt durften wir mal nichts aufschreiben. Das ist so schwer, wenn man nur dasitzen und zuhören muss.» Offensichtlich handelt es sich um eine ganz eigene Fähigkeit, neben der im Zentrum stehenden Lesefähigkeit. «Parzival» wird von vielen Deutschlehrern bewusst in der 11. Klasse erzählt und nicht zum Lesen gegeben, um die angestrebte Wirkung des Epos für dieses Alter zu erreichen. (Die Schülerinnen-Zitate stammen aus dieser Epoche). Christine Spörri Französisch Allerdings gehört zum voranschreitenden Jugendalter nicht nur das oben erwähnte Alleinsein in der unvermittelten Konfrontation mit den toten Buchstaben, die es aus eigener Kraft zu erwecken gilt, sondern auch eine Literatur, die man kaum erzählen kann. Schon Kleist oder Büchner schreiben in einer Weise, die auf den einsamen, konzentrierten Leser wartet. Und wer würde sich erst zutrauen, Döblins «Alexanderplatz» zu erzählen! Literatur lesend aufzunehmen wird zunehmend alters- und sachgemäss. Was soll nun die Schule mit dieser wachsenden selbständigen Lesefähigkeit anfangen? Da gibt es für manchen Schüler das Antipathie-Wort: «Interpretieren». Und indem sich nicht nur leseschwache oder denkfaule Schüler dagegen auflehnen, 16 muss man zur Kenntnis nehmen, dass da eine ernst zu nehmende Klippe liegt. Am besten lasse ich das Jamuna, eine ehemalige Schülerin – von Kind an begeisterte, unermüdliche Verschlingerin von Büchern – erklären: «Und dann kam der Zeitpunkt, wo mir die Weltliteratur vorläufig verleidet ist, nämlich in der 10. Klasse. Ich lese gerne, nur eben nicht, wenn ich sozusagen dazu gezwungen werde. In diesen drei Wochen lernte ich, was es mit der Interpretation eines Buches auf sich hat. Mich verstörte dieses Sezieren und Ausweiden eines Buches. Vielleicht muss ich etwas weiter ausholen, damit Sie meine Abneigung gegen das Lesen-Müssen und Sezieren verstehen. Als erstes hatten Bücher für mich lange keinen Autoren, oder zumindest keinen menschlichen. Das Buch war nicht ihr Produkt. Sie waren vielmehr diejenigen, die die Geschichte gefunden haben, sie auf Papier brachten, um etwas zu erzählen und nicht um auf tiefgründige Probleme aufmerksam zu machen. Die Vorstellung, dass Menschen mit einer eigenen Idee, einem eigenen Leben hinter den Geschichten in den Büchern stehen, hatte für mich etwas Unheimliches. ... Dann kam ich in die 11. Klasse. Die Deutschepoche verlief ähnlich, und ich musste nur die nötige Aufmerksamkeit aufbringen, um zu erfahren, was ich bei den Interpretationen schreiben sollte. ... Und hier finden sich Anhaltspunkte, warum ich an den gewünschten Interpretationen scheitere: Für mich verändert sich eine Geschichte je nach dem, wer sie vorliest oder wann sie vorgelesen wird. Schon nur die Sprache unterscheidet sich, ob man es still für sich liest oder laut in der Gruppe. Eine Interpretation müsste eigentlich immer mit den Worten beginnen: Zu dem Zeitpunkt, also mit 19 Jahren, als ich Woyzeck las ...» Aus der gesamten, sieben Seiten umfassenden Selbstvergewisserung einer Leserin am Schluss ihrer Steinerschulzeit spricht die Anforderung an den Lehrer, das literarische Lesen nicht nur wegen der Inhalte – als günstigen Anlass, Lebensfragen zu besprechen – in seiner Bedeutung für das Erwachsenwerden zu bedenken. Es geht auch um das Rätsel der «Autorschaft» jedes Menschen, um die eigene Erfahrung des Schülers als Autor vieler Texte, um die Scheu im Umgang mit dem, was ein Mensch «eigentlich sagen will», um die Quelle, aus der man seine Geschichten schöpft, bis hin zum Geheimnis des umfassenden «Urheberseins» seines Lebens. Man kann auf diesem Hintergrund nur dankbar sein für die eingeforderte Vorsicht gegenüber dem Interpretieren. Das Lesen ist tatsächlich ein Geheimnis. Der Erstklässler erfährt es am Beginn der Steinerschule anhand der gemalten Buchstabenbilder, und der Oberstufenschüler kann seine Ahnung von einem Geheimnis sich in neuer Weise zu Bewusstsein bringen, wenn der Unterricht ernst nimmt, dass da noch einmal eine Art Geburt stattfindet – eine Ich-Geburt mit einem neuen, unsichtbaren Sinnesorgan, dem Ich-Sinn, der sich erproben will am Ich jedes Mitschülers, jedes Lehrers, jedes Autors. Peter Lüthi 17 «Ich wär’ so gern wie du…» Gedanken zur Begegnung mit Büchern «Tief ist der Brunnen der Vergangenheit...» – der Beginn eines Buches, der mich fasziniert, seit ich ihm vor etwa fünfzehn Jahren das erste Mal begegnet bin, und das, obwohl ich dieses Buch bis heute nicht zu Ende gelesen habe. Mehrmals habe ich einen Anlauf genommen, doch weiter als bis zu den ersten 80 Seiten bin ich nie vorgedrungen – und Thomas Manns Roman «Joseph und seine Brüder» umfasst vier Bände! Dennoch: Dieser eine Satz ist mir wertvoll und teuer, und er verbindet mich mit dem Buch und seinem Autor, und bis heute hoffe ich, dass ich einmal das ganze Werk lesen werde. Dabei wäre es verlogen zu behaupten, ich hätte nicht die Zeit und die Musse dazu gehabt, denn in der Zwischenzeit habe ich unzählige andere Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Internetartikel gelesen und wohl ebensoviele Spielfilme, Dokumentationen, Nachrichtensendungen angesehen oder am Radio bzw. auf CD angehört. Zeit hätte ich genug gehabt, aber es war vielleicht nicht die richtige Zeit für dieses Buch. Was ich damit sagen will: Ich lese viel und gerne, halte mich auch für einen Menschen mit einem gewissen literarischen Verständnis, doch ich kann es nicht beeinflussen, ob mich ein Buch (oder ein Film oder eine Radiosendung oder ein Kunstwerk oder eine Musik oder ...) berührt und ergreift, oder ob es bald wieder, manchmal schon während des Lesens, in Vergessenheit und Gleichgültigkeit versinkt. Dabei spielt es keine Rolle, auf welchem literarischen Niveau dieses Werk steht, die banale Aussage eines einfach gestrickten Gesellschaftsromans kann mich in ihrer besonderen Konstellation zutiefst berühren, während eine tiefe Erkenntnis in prägnantester und künstlerisch vollendeter Formulierung mir wohl Anerkennung und Achtung abnötigt, mich aber nicht ergreift, weil ich gerade woanders stehe. Nicht selten bleiben aber gerade von den Büchern, die mich nicht sofort ergriffen haben, die sperrig, eckig, ungewohnt erschienen, einzelne Bilder, Sätze, Charaktere oder Stimmungen in bleibender Erinnerung und scheinen zu warten, bis ihre Zeit gekommen ist. Manches, was ich als Schullektüre lesen musste, ist bis heute geblieben, zunächst mit Antipathien behaftet, mit der Zeit aber immer mehr zu mir gehörend, so dass ich gerade manche dieser Werke heute wieder mit meinen Schülern lesen will. Im Lesen von Büchern (und auch im Betrachten von Filmen, überhaupt in der Rezeption von Kunstwerken) findet eine Begegnung mit den Gedanken, Erlebnissen, Vorstellungen und Ideen von anderen Menschen statt – mit der Besonderheit, dass diese uns nicht in Raum und Zeit gegenüberstehen, sondern dass wir sie willkürlich in unser Leben hereinholen können. Sie treten uns entgegen, aber – und das macht vermutlich ihren Reiz aus – wir müssen ihnen nicht antworten. Sie machen uns ein Angebot, aber sie verpflichten uns zu nichts. In der gegenwärtigen Zeit gelten 18 Filme und Computerspiele vielfach als suchtauslösende, wirklichkeitsverzerrende Angriffe auf den freien Menschen – es sind Medien, die eine bestimmte Sicht auf die Welt transportieren. Dies tun sie in immer gleicher Weise – unabhängig davon, wie der Konsument auf sie reagiert. Ist es beim Buch anders? Auch das Buch ist ein Medium und reagiert nicht mit seelischer Feinfühligkeit auf den Leser. Auch das Lesen von Romanen hat man in früherer Zeit verdammt, es führe zu Trägheit, wirren Gedanken und entfremde von der Lebenswirklichkeit. Heute dagegen preist man das Lesen als grundlegende Kulturfähigkeit, die dringend gefördert werden muss, und beklagt es, dass die Jugend zu wenig lese bzw. dazu ja schon gar nicht mehr in der Lage sei. Betrachtet man die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt, betrachtet man die Anzahl der Bücher pro Haushalt, die Menge der Bücher, die ein Schulkind während seiner Schulzeit – selbst an der Steinerschule – für den Unterricht benötigt, so mag man diesen Unkenrufen eigentlich nicht glauben. Und einfach zu behaupten, all diese Bücher würden zwar gedruckt und verkauft, aber nicht wirklich gelesen, macht die Sache auch zu einfach. Ich denke viel mehr, dass heute bereits in sehr jungem Alter eine starke Differenzierung der Beweggründe vorhanden ist, welche uns zum Lesen veranlassen. Warum also lesen wir? Da gibt es zum Beispiel den zwölfjährigen Knaben, der von sich sagt, er lese keine Bücher, das sei alles so fantastisches Zeugs, das ihn nicht interessiere, der aber durchaus mit grosser Aufmerksamkeit und Wachheit die Zeitungsmeldungen wahrnimmt, das «Guinness-Buch der Rekorde» studiert und komplizierte Betriebsanleitungen für technische Geräte einwandfrei verstehen kann. Das Lesen dient hier der sachlichen Information, es gibt Hinweise und Hilfen für das praktische Leben. Erfahrungen, die andere gemacht haben, können so für einen selber nutzbar gemacht werden. Der Text, der gelesen wird, hat einen objektiven, sachlichen Charakter, er berührt mich weder in meiner Befindlichkeit noch in meiner Persönlichkeit, ich muss ihn verstehen, aber nicht mich mit ihm verbinden. Polar gegenüber steht diesem Lesen die intensive subjektive Verbindung mit dem Inhalt, den Figuren und der Handlung eines Buches beim Romanleser. Die äussere Welt wird zurückgedrängt, verlassen, der Leser wird faszinierter, aber unbeteiligter Zuschauer des Lebens anderer. Jegliche Verpflichtung zum eigenen Handeln fehlt im Moment des Lesens, der Leser sucht die äussere Zeit und den Raum zu vergessen, ganz einzutauchen in eine andere – mediale – Welt. Dies kann nur gelingen, wenn das Buch auch eine Welt anbietet, die zu betreten der Leser gewillt ist, sonst wird er sich nicht verbinden, sondern die Zumutungen des Autors mit Antipathie zurückweisen. (Häufig ist dies das Dilemma einer Schullektüre: Da soll etwas gelesen werden, was die Schüler nicht von sich aus gefunden haben, sie sollen womöglich eintauchen und sich dem Zauber des Buches hingeben, und dann soll darüber in der nächsten Schulstunde wiederum eine objektiv-kritische Auseinandersetzung und sachliche Diskussion stattfinden). 19 Mit Lesen beunruhige ich mich, werde in Geheimnisse eingeweiht, lasse mich verzaubern, kann die Liebe erkennen, werde zur Besserwisserin und Altklugen und werde manchmal auch selig müde zum Einschlafen. Verena Gattiker, Mutter Eine «Kindheits – Beschäftigung», die heute viel zu kurz kommt: «bäuchlings» verreisen können, wohin man will. Christian Holm Schularzt Wer liest, lebt gefährlich! Denn lesen lenkt ab, konfrontiert (mit anderen Gedanken), macht süchtig (mit der Taschenlampe nachts unter der Bettdecke), entführt (in fremde Welten), schlägt tot (die Zeit)! Darum wehe dem, der liest! Eine dritte Art von Büchern mutet dem Leser die Auseinandersetzung schon beim Lesen zu. Sie versuchen mit uns über die Grenzen des Mediums hinweg ein Gespräch. Sie bieten weder objektiv Tatsachen dar noch versuchen sie uns gänzlich in ihre Welt hineinzuholen, sondern sie versuchen einen gedanklichen Dialog zu führen, Impulse für innere oder äussere Tätigkeit zu geben und fordern dafür unsere gedankliche Wachheit beim Lesen. Ja, und wie ist das nun mit dem Lesen im Jugendalter? Ist es anders als im Erwachsenenalter? Ich denke, nicht wirklich! Erwachsene lesen zum Teil mit vielfältigeren eigenen Erlebnissen, mehr Lebenserfahrung, mit mehr Bildungshintergrund, aber auch immer nach ihren gegenwärtigen Bedürfnissen. Der Leser muss für ein Buch bereit sein, wenn es ihn erreichen soll. Es ist und bleibt ein Medium und kann uns nicht mit der Ich-Kraft einer Persönlichkeit entgegentreten. Ein Mensch kann sich aber sehr wohl zum Anwalt eines Buches machen, indem er es mit seiner persönlichen Begeisterung einem anderen Menschen empfiehlt oder diesen in die angemessene Stimmung bringt. Oft schon habe ich Bücher nur gelesen, weil meine Eltern, meine Lehrerin, meine Freunde, verehrte Menschen, meine Freundin, meine Frau sie gelesen haben, und weil mich interessierte, was diese Menschen an diesen Büchern interessiert ... dadurch bin ich in viele neue Welten gekommen, die ich sonst vielleicht noch nicht gefunden hätte. Rudolf Steiner gibt einmal den Hinweis, das Lesen solle immer den Abschluss bilden, nachdem man den grösseren Zusammenhang zuerst erzählt und besprochen habe. Hier könnte das heissen, dass Erwachsene wirklich mit eigener Ich-Kraft für die Kinder und Jugendlichen den Zugang zu einem Buch, zu einer Leseerfahrung bereiten können. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass solche Empfehlungen – gerade im Jugendalter – auch gegenteilig wirken können, dann, wenn jemand selber suchen möchte. Bücher wollen auch manchmal gefunden werden – und sie warten wohl auch auf uns, wie jenes Werk noch auf mich wartet, das beginnt: «Tief ist der Brunnen der Vergangenheit». Was ist ein gutes Buch? Als Vielleserin und Bibliothekarin gerate ich an diese und jene Bücher. Ob ich Bücher für die Schülerbibliothek lese oder aus Neugierde und Interesse – immer ist es zu Beginn ein MichEinlassen auf ein kleines Abenteuer. Bei manchen Autoren bin ich schon nach wenigen Sätzen mitten in ihren Bildern und tauche voll Freude in sie ein, andere Bücher sind zu Beginn widerspenstig und wollen erobert werden. Spätestens nach der vierzigsten Seite hat mich eine Geschichte eingefangen – oder ich lege das Buch enttäuscht zur Seite und frage mich dann, woran das Gelingen oder Misslingen liegt. Das Phänomen des guten Buches ist leicht zu beschreiben: Die Geschichte nimmt uns mit auf geraden oder verschlungenen Pfaden, lässt uns Vielfältiges miterleben, unsere Alltagswelt ist für die Lesezeit verschwunden. Tauchen wir aus diesem intensiven Leseerlebnis auf und blicken darauf zurück, staunen wir über das Kunstwerk, seinen Aufbau und Entwicklung, die verschiedenen Tempi, Landschaften und Menschenschicksale, wo hindurch es uns geführt hat. Wie der Autor das nun aber macht und woran eigentlich ein schlechtes Buch scheitert, darüber machte ich mir schon oft Gedanken. Trotz vielen Überlegungen habe ich noch keine Antwort gefunden – vielleicht lässt sie sich auf diesem Weg auch gar nicht finden. Vielleicht ist es schlicht das Geheimnis jedes Kunstwerks, das aus sich selbst zu uns spricht und gar keine Erklärung braucht. Wir erleben ja seine Wirkung intensiv. Traue ich diesem Erlebnis doch einfach und nehme es genau so ernst wie eine intellektuelle Erklärung! Andreas Tielcke Esther Lange Ariane Boissonas Französchisch 20 Thomas Gmelin Musik und Wirtschaft Sabina Schmutz 7. Klasse 21 Warum lesen im Fremdsprachunterricht? Rudolf-Steiner-Schulen verzichten in ihrem Fremdsprachunterricht weitgehend auf den Gebrauch von Lehrbüchern. Aus diesem Verzicht ergibt sich eine im Vergleich zur Staatschule bedeutende Aufwertung der Lektürearbeit beim Fremdspracherwerb an einer RSS: Der Anteil der Lektürestunden am ganzen Fremdsprachenpensum der Schüler und Schülerinnen kann bis zu 60 oder sogar mehr Prozent betragen. Das gemeinsame Lesen und selbstverständlich darüber hinaus das Besprechen einer Lektüre erfüllt Aufgaben, die beim Spracherwerb von zentraler Bedeutung sind. Die offensichtlichste von ihnen ist die Schulung der Lesefähigkeit und dabei der korrekten Aussprache. Es wäre jedoch weit verfehlt zu meinen, dass das korrekte Lesen das einzige oder sogar das Hauptziel der Lesestunden sei. Ein Nebengewinn der Lektüre ist eine vertiefte und lebendige Auffassung der grammatikalischen Strukturen, die bereits früher oder vielleicht auch erst später in gesonderten Grammatikstunden quasi analytisch diskutiert wurden/werden. Der Gebrauch solcher Strukturen durch den Schriftsteller im Zuge seiner Erzählung liefert «das Fleisch» zu den «Knochen» des Grammatikunterrichtes; das Fleisch, das viel echter, lebendiger und überzeugender ist als abstrakte Beispiele, die in den Grammatikstunden benutzt werden können. Darüber hinaus bietet die Lektürearbeit dem Lehrer die Gelegenheit, Fragen zum Text zu stellen, die die Schüler beantworten müssen. Diese können von ganz einfachen Fragen nach den Fakten (wer? wann? wie? was? usw.) bis zu komplexen Verständnisfragen in Bezug auf die feineren Punkte und die seelischen Nuancen der geschilderten Situationen reichen. Die Schüler können ebenfalls Abschnitte des Textes mündlich oder auch schriftlich zusammenfassen, um die Ausdrucksfähigkeit zu fördern. Es ist recht offensichtlich, dass, während ein Schüler bzw. Schülerin mit der Bewältigung einer solchen Aufgabe direkt beschäftigt ist (im Falle schriftlicher Arbeit sind selbstverständlich alle gleichzeitig aktiv), die anderen nicht zu Untätigkeit bzw. Passivität verurteilt sind. Das aufmerksame Zuhören fördert einerseits die Verständnisfähigkeit für das gesprochene Wort, andererseits lernt der Schüler auch den korrekten Gebrauch der Sprache dadurch, was der Lehrer sagt, wie auch dadurch, was die Klassenkameraden sagen bzw. wie die Lehrperson sie korrigiert. Die Pflege des Fremdsprachigen der Lektüre soll aber nicht das exklusive Anliegen sein. Die Beschäftigung mit menschlichen Schicksalen und mit paradigmatischen existentiellen Problemen des menschlichen Lebens, welche das Hauptthema jedes guten Romans oder auch jeder guten Novelle sind, bereichert die seelische Entwicklung der Schüler in unersetzbarer Art. Die Bekanntschaft mit gewissen fikti- 22 ven, aber urtypischen Gestalten der Literatur wie Robin Hood, Tom Sawyer, Robinson Crusoe, Oliver Twist, Scrooge, Hamlet usw. wirkt prägend und modellhaft-bildend auf die Entwicklung junger Menschen in einer Art, die durch keine anderen Einflüsse selbst annährend ersetzt werden kann. Die besten Bücher der Weltliteratur sind selbstverständlich (fast) ohne Ausnahme auf Deutsch erhältlich. Es ist jedoch immer ein grosser Gewinn, diese Gestalten mit der einmaligen Nuance ihres Sprachmilieus kennen zu lernen. Die Lektürearbeit gewinnt besondere Bedeutung im Zeitalter, in dem das Kulturleben und der zwischenmenschliche Austausch restlos vom Bild (Film-, Fernseh-, Plakatbilder) dominiert werden. Es ist allgemein bekannt, dass fast keine Filmadaptation eines Romans in ihrer Ausstrahlungskraft dem Original ebenbürtig ist. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass die seelischen Feinheiten, die inneren seelischen Regungen, die inneren Kämpfe und Auseinandersetzungen der Protagonisten, ihre Überlegungen, Zweifel, ihre geheimen Gedanken, die in einem guten Roman in Worte gegossen sind, unmöglich durch selbst das beste Schauspiel wiedergegeben werden können. Darüber hinaus zeichnet sich ein guter Roman dadurch aus, dass in ihm sehr viel zwischen den Zeilen angedeutet wird, dass der Leser anhand einiger weniger Hinweise die vom Schriftsteller intendierten Aussagen quasi erraten muss. Dies subtile Spiel der Andeutungen und Mehrdeutungen kann unmöglich in einem Film, der immer schnell weiterrollen muss und der keine Zeit für Reflexion und nochmaliges Betrachten zulässt, der deshalb sofort verständlich und nachvollziehbar sein muss, wiedergegeben werden. Die hohe menschliche soziale Kunst des «aus der Luft Ergreifens» muss aber unbedingt kultiviert werden. Denn gemäss den PISA-Erhebungen findet es die Jugend, die mit Filmen, Videoclips und Billigzeitungen aufwächst und sich damit (miss)bildet, zunehmend schwer, feinere Punkte geschriebener Texte zu verstehen. Sich in einer solchen Zeit die Gewohnheit anzueignen, gute Bücher zu lesen, heisst, sich wahrhaft menschlich bilden zu dürfen. Bücherlesen ist Menschwerdung. Gebt uns Zugang zu guten Büchern! Marek Majorek Nach der 1. Schulwoche im August 2009: « Wir haben immer noch nicht lesen gelernt!» Anton Neuhaus 1. Klasse Lesen bedeutet mir Langeweile, ausser das Buch ist kurz und spannend. Deborah Marfurt 12. Klasse Eintauchen in andere Welten. Marion Lohrer-Gubser Schulmutter Abenteuer im Kopf! Ingrid Sonnleitner Fremdsprachen In eine andere Welt abtauchen und die realen Probleme vergessen. Robin Christ 12. Klasse 23 Gelesen… Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel aus und flog davon Ein Buch von: Joyce Carol Oates, Hanser-Verlag 2008 Jenna drückte wieder die Eject-Taste und schob die CD ein weiteres Mal in den CDApparat des Autos. Er spuckte die CDs immer aus, was Jenna furchtbar aufregte. Sie fuhr mit ihrer Mutter über die Tappan-Zee-Brücke, der roten Sonne entgegen. Diese warf ihr Licht blendend von der Autohaube zurück. Und dann sah Jenna das Tier mitten auf der Autobahnbrücke, die 42 Meter über dem Hudson River schwebt. Vielleicht schrie Jenna, vielleicht sah ihre Mutter das Tier auch, und vielleicht hatte Jenna ihrer Mutter ins Steuer gegriffen. Jedenfalls schleuderte der Wagen mitten auf der Brücke. Dann war da die halbe Sekunde, in der sie begriff, dass Mom die Kontrolle über das Auto verloren hatte, und sie nicht mehr zurückgewinnen würde… Jenna sah Schneegänse davonfliegen, schrie ihnen nach: «Wartet, wartet auf mich, ich komme auch…» Doch die Gänse flogen davon, ohne sie. Weg von der Tappan-Zee-Brücke. Und sie nahmen etwas mit, ihre Mutter. Als Jenna wieder kurz zu Bewusstsein kommt, liegt sie auf der Intensivstation im Spital. Doch dann driftet sie wieder ins Blaue ab. Als sie wieder aufwacht, reden Stimmen auf sie ein. …Bleib mal da, versuch uns zu antworten… …Was geschah genau beim Unfall, es gibt keine anderen Zeugen, du musst es uns erzählen… Keine anderen Zeugen – so erfährt Jenna, dass mit ihrer Mutter auch der LKW-Fahrer starb. Dr. Currin, sagt man ihr, habe ihr das Leben gerettet, doch sie denkt sich nur Fragt mich nicht, wozu. Und Jenna verschwindet wieder im Blauen. Jenna beschliesst, dass sie niemanden mehr lieben will. Denn immer wird man enttäuscht. Selbst von der Mutter. «Nach dem Unfall würde niemand mehr von meinen Verletzungen erfahren, das stand für mich fest. Und ich würde mich nie mehr verletzen lassen. Auch das stand für mich fest.» 24 Martin Riegger 2. Klasse Nach dem Spitalaufenthalt zieht Jenna zu ihrer Tante, die Schwester ihrer Mutter. Im ganzen Zimmer stellt sie Bilder von ihrer Mutter auf. Jenna will wieder rennen. Einmal rennt sie, und bricht zusammen. Ein unbekannter Typ steht vor ihr. Crow. Ein Biker, welcher ihr nicht ganz geheuer ist. Er will ihr helfen, doch sie lässt ihn nicht. Und dann sagt er, als er sie laufen sieht: «Weisst du, wie du mir vorkommst? Wie jemand, der einen Autounfall hatte.» Wieder ziehen die Bilder auf, das Auto schleudert, knallt herüber, bricht das Brückengeländer ein… In der neuen Schule wird sie gepiesackt. Sie trägt ja immer diese Mütze, da sie nicht will, dass alle diese Babylöckchen sehen. Diese Löckchen wachsen seit dem Unfall, denn im Spital hatten sie ihr die Haare rasiert, um zu nähen. Niemand soll die Locken und die Narben sehen. Im Herbst lernt Jenna neue Freunde kennen. Es sind echte Freunde, es wird viel Alkohol getrunken, und Lieven Moerman Drogen ziehen ihre Kreise. Schliesslich nimmt Jenna Gastlehrer Geschichte eine Überdosis, was dann als Selbstmordversuch gedeutet wird. Jenna gerät an eine Frau Dr. Freer, um bei ihr eine Therapie zu machen. Jenna bestiehlt sie. Anschliessend schwänzt sie die Therapiestunden. Eines Nachmittags will Jenna ins Kaffee laufen, wo sie ihre Tante treffen soll. Unerwartet trifft sie Crow. «Dein Fehler ist, dass du mit Trina Holland rumhängst.» Und dann plötzlich stellt Crow die Frage, die eigentlich alle stellen wollten, doch noch niemand aussprach: «Warum geht es dir schlecht?» Und da erzählt Jenna ihm alles – der frontale Zusammenstoss auf der Brücke, das Schleudern… Jenna sagt plötzlich…«Ich war schuld an dem Zusammenstoss, glaube ich.» Jenna erzählt zum ersten Mal: «Ich hab ins Lenkrad gegriffen, ich hab die Panik gekriegt, vermute ich. Da war irgendetwas vor uns auf der Brücke – genau konnte ich’s nicht sehen, die Sonne hat mich geblendet...» Einmal treffen sich Crow und Jenna vor der Schule. Crow lädt Jenna hinten auf sein Motorrad und fährt mit ihr zu einer Brücke. Jenna hat immer noch, seit dem Unfall, fruchtbare Angst vor Brücken. Brücken verliehen Jenna das Gefühl, dass sie da zusammen mit ihrer Mutter hätte sterben sollen. Dass sie mit ihrer Mutter und den Schneegänsen hätte davonfliegen müssen. Crow schafft es, Jenna über die Brücke zu bringen. Dadurch hat er sie geheilt. Carla De Pouplana, 8. Klasse 25 Denk-Lehrer statt Mathe-Pauker Von den neuen Lehrern gibt es einen Lebenslauf in den Mitteilungen. Nur von «Urgesteinen» wie dir wissen die neuen Eltern wenig. Und darum würde ich dir gerne ein paar Fragen stellen, so dass wir dich kennen lernen können. Ralf Henken, hast du deine Schulzeit an einer Steiner-Schule verbracht? er mich zu einem anderen Kollegen weiter. Das zweite Jahr ist man selbständig an einer anderen Schule, ich hatte acht Stunden eigenen Unterricht, je vier in Mathe und Chemie. Am Ende des zweiten Jahres sind dann in jedem Fach zwei Lehrproben, Fachleute beurteilen den Unterricht. Danach hätte ich eine Stelle gekriegt als Beamter, als einer von wenigen in BadenWürttemberg. Darum konnten es meine Kollegen gar nicht verstehen, als ich sagte, ich gehe jetzt in die Schweiz an eine Waldorfschule. Ich war also frisch ausgebildet, als ich hier anfing. Du hast also ein Stelleninserat von der RSSZO gesehen und bist dann… Nein, ich bin Staatsschüler, ging vier Jahre auf die Grundschule und dann neun Jahre auf das Gymnasium, in Ostfriesland, wo ich geboren bin. Dort gab es gar keine Waldorfschule in der Nähe, die nächste war 80 km entfernt. Meine Eltern kannten damals weder Anthroposophie noch Waldorfpädagogik. Wie bist du zu deinem Beruf gekommen? Mein Vater ist Lehrer, meine Mutter ist Lehrerin, beide Grundschule. Ich war etwa acht Jahre alt und wusste: ich werde Lehrer! Berufung? Ich empfinde es schon so, ja. Für mich war nur die Frage, was für ein Lehrer. In der ersten und zweiten Klasse bin ich in unserem Dorf bei meinem Vater zur Schule gegangen, da wollte ich Grundschullehrer werden, später Gymnasiallehrer, ich wollte mit Grossen zu tun haben, mit Mathe und Chemie. Beim Zivildienst in einer anthroposophischen, sozialtherapeutischen Behinderteneinrichtung begegnete ich vielen tollen jungen Menschen, die auch Zivildienst oder ein freiwilliges soziales Jahr dort machten – Menschen, die mich durch Engagement, Kreativität, künstlerische Begabung, Musikalität beeindruckten – und die alle Waldorfschüler waren. Das war meine erste Begegnung mit Waldorfschule und führte schliesslich dazu, dass ich nicht nur Lehrer werden wollte, sondern Waldorflehrer in der Oberstufe. Nein. In der Dorfgemeinschaft Lautenbach, wo ich vor dem Studium Zivildienst leistete, lernte ich Thomas Witzemann kennen, meinen Vorgänger als Mathematiklehrer hier. Bei ihm in der Familie verbrachte ich mein zweites Jahr Zivildienst. Wir wurden Freunde und blieben über meine Studienjahre in Kontakt. Als ich mein Studium beendete, fragte er mich, ob ich sein Nachfolger werden wolle. Ich habe mir das lange mit meiner Frau überlegt, zwischen Studium und Referendariat eine 11. Klassepoche Analytische Geometrie und das Feldmessen der 10. Klasse begleitet – schliesslich kamen wir hierher. Thomas Witzemann war 65 und ich 31. In meinem ersten Jahr unterrichtete ich die 9. und 10. Klasse, Thomas die 11. und 12. Klasse, im nächsten Jahr hatte ich die 9.–11. und ab dem dritten Jahr alle vier Oberstufenklassen. Das war für mich ein sehr guter Einstieg, er konnte seine Klassen abschliessen und ich konnte langsam anfangen und meinen eigenen Weg finden. 1994 war das, jetzt unterrichte ich also im 15. Jahr hier. So gehörst du zu den «Dinosauriern» an der Schule? Na ja, viel, viel länger als ich sind Beatrice und Felix Zimmermann, Peter Lange und Zdenek Koula an der Schule, Heike Holm-Bertelsen kam Monate vor mir, Christa Hunziker gleichzeitig mit mir. Nach 14 Jahren gibt es wohl viele Wiederholungen beim Unterrichten, ist das für dich ein Problem? Hast du an der Staatsschule unterrichtet und dann irgendwann gewechselt? In Deutschland geht man etwa fünf Jahre an die Uni und absolviert zwei Hauptstudiengänge. Danach folgt die pädagogische Ausbildung, der zweijährige Vorbereitungsdienst, das so genannte Referendariat, man ist Beamter auf Widerruf. Im ersten Jahr läuft man mit einem Kollegen mit, der sagt zum Beispiel: «Kommen Sie mit in die 11. Klasse – gut, jetzt haben Sie das ein paar Wochen gesehen, jetzt versuchen Sie das mal selber.» Darauf unterrichte ich und der Kollege sitzt hinten drin. Dann reicht 26 Im Studium haben die Diplommathematiker immer gefunden: «Im Lehramt machst du ja immer dasselbe, kannst gar nichts Neues herausfinden!» Aber das stimmt ja höchstens für das Mathematische. Man unterrichtet immer gleiche Inhalte, hat aber mit ganz anderen Menschen zu tun, jedes Jahr wieder neu und spannend. Es braucht neue Erklärungen, um etwas klar zu machen. Du weisst nie, wie es wird. Für mich steht im Mittelpunkt die Begegnung mit dem Menschen, dem immer wieder anderen Menschen! Ich will damit nicht sagen, dass Mathe Nebensache ist: Der Sinussatz 27 bleibt, aber wie ich ihn erkläre oder wie ihn die Schüler begreifen, das ändert sich; auch die Aufgaben ändern sich: mit einer Klasse konnte ich andere Probleme besprechen als mit der vorigen, eine ist weiter gekommen, eine andere hat sich besonders findig gezeigt. Mit Wahlfachgruppen kann ich auch mal ganz neue Themen bearbeiten. Von Thomas Witzemann habe ich am Anfang viel übernommen, habe den Unterricht thematisch so gestaltet wie er. Im Laufe der Jahre habe ich das Inhaltliche immer ein bisschen geändert und so zu meinem gemacht. Weil sich die Schüler verändert haben, hat der Übungsteil immer grösseren Anteil am Unterricht erhalten. So ist das immer im Fluss geblieben. mir gesagt, nun könnten sie diese Textaufgaben verstehen und machten lauter Fünfer in Mathe – da merke ich, dass es passt, was ich mache, wenn sie auch zwischendurch gemotzt haben über diesen Mittelschulstoff und sich teilweise nicht wirklich engagiert mit den verschiedensten Übungsaufgaben auseinandergesetzt haben. Auch von Maturanden und Abiturienten bekomme ich eigentlich nur solche positiven Rückmeldungen. Meinst du, du bist in den Jahren ein besserer Lehrer geworden? Wie, wenn überhaupt, lässt du Anthroposophie in den Unterricht einfliessen? Steiner sagte ja, die Schüler müssten nichts von Anthroposophie wissen. Das weiss ich nicht. Anfangs kam ich nach fünf Jahren Studium voll aus der Wissenschaft, ein bisschen abgehoben. Ich weiss nicht, ob ich die armen Schüler damals nicht manchmal theoretisch überfordert habe. Inzwischen habe ich durch «pädagogische Reduktion» beispielsweise manchen mathematischen Beweis besser verständlich gemacht, indem ich vielleicht auf das hinterletzte Schrittchen nicht mehr eingehe. Stattdessen lasse ich wie gesagt die Schüler viel mehr üben. Hast du den Ehrgeiz, dass alle in der Klasse deinen Unterricht verstehen, oder sagst du bei einigen Aufgaben, nur die sollen sie machen, die wollen oder in dieser Richtung begabt sind? Jeder sollte den Gedankengang «an sich» verstehen, mitmachen. Aber es wird Schüler geben, die nach der Stunde sagen, super, das habe ich total verstanden, und andere, die finden, ja cool, können es aber nicht jemand anderem erklären. Aber den Gedankengang hat jeder mitmachen können. «Schnalle ich sowieso nicht, mach ich nicht mit» – das kommt bei mir eigentlich «nicht in die Tüte». Mein Anspruch ist, dass jeder die Grundaufgabe kann, und dass ich denen, die mehr können und wollen, Futter gebe, damit auch sie genug haben. Dass alle später sagen können, wir sind gut vorbereitet für die weitere Schulkarriere, wir haben profitiert. Wie ist es, wenn du 12. Klässler verabschiedest? Meistens machen 12. Klässler ein Abschlussfest, da gehe ich sehr gerne hin, wenn ich eingeladen bin. Danach fehlen sie mir sehr, ich merke, wie ich mich über die Jahre mit ihnen verbunden habe! Aber ja, mathematisch habe ich ihnen was zeigen können und bin sicher, sie machen ihren Weg. Ich weiss, dass sie für eine Lehre oder für die Matura an einer Kantonsschule oder für das Abitur an einer deutschen Waldorfschule gut vorbereitet sind. Denn nicht wenige ehemalige Schüler, die dann an einer Berufsschule waren, haben 28 Mathematik ist jetzt wirklich ein Fach, in dem ich inhaltlich an der Waldorfschule nicht völlig anders unterrichten kann als an einer Staatsschule. In Chemie müsste ich meinen Unterricht total anders aufbauen. Als Mathematiker kann ich den Kosinussatz jetzt nicht plötzlich goetheanistisch angucken. Aber meine Haltung ist eine andere. Ich versuche die Mathe zu lehren, die der Denkentwicklung des Schülers entspricht. Ich bin nicht Mathe-Pauker, sondern ein Denk-Lehrer. Wir orientieren uns ja mit der Pädagogik an der Entwicklung des Kindes. Warum bringen wir dies in der neunten Klasse oder das in der zehnten oder in der zwölften? Es geht mir darum, Ralf Henken Mathematik und Feldmessen den jungen Menschen mit seinem Alter entsprechenden Gedanken bekannt zu machen, sie ihn denken zu lassen. So lernt der Schüler immer besser zu abstrahieren, lernt immer mehr vorstellungsfrei zu denken; beispielsweise bezieht der 12. Klässler die Unendlichkeit in seine Gedankengänge ein – vorstellen kann er sie sich nicht, nur denken. Das übe ich beispielsweise in der projektiven Geometrie – und das kann ich so als Ziel nur an der Waldorfschule realisieren. Ich kann den Schülern nicht mit Anthroposophie kommen, das mach ich nie. Die Schüler erleben, wie ich mich verhalte, und ich möchte möglichst stimmig sein als Lehrer, nicht dass die Schüler denken, der predigt ja Sachen, die er ganz anders handhabt. Das ist mir wichtig. Aber das wäre für mich das gleiche, wenn ich Staatsschullehrer wäre. Ich darf nichts anderes verlangen, als ich von mir selber verlange. 29 Lesen raubt Zeit, ist spannend und gefährlich, gibt Mut und ist schön. Jonathan Boissonnas 3. Klasse Bedrucktes Papier kann einem Türen zu tausenden Welten öffnen. Ursina Liechti 9. Klasse Lesen ist Abtauchen in eine andere Welt. Das Zurückkommen schmerzt. Lesend kann ich in zwei Welten leben, ohne gespalten zu sein. Carol Walder 9. Klasse Beim Lesen kann man die Zeit vergessen, man kann aber auch Zeit gewinnen. Arion Schuler 9. Klasse 30 Hypothetische Frage: Wenn du König von der Schweiz wärest, was würdest du als erstes ändern? Oh, hat die Schweiz neuerdings einen König? … Die ganze Haltung müsste sich ändern, aber das kann man nicht als König anordnen. Man müsste vieles ändern, etwa, dass Steiner-Schulen sich nicht ganz selber tragen müssten und dass sie hier mehr anerkannt würden. Rika, meine Tochter, hat das 13. Schuljahr in Überlingen am Bodensee gemacht und dort das Abitur abgelegt. Und sie war begeistert davon, erleben zu dürfen, dass «Waldorfschule» in Überlingen ein Markenzeichen ist, das man mit Stolz vertritt. Bei den Präsentationen der Abschlussarbeiten der 12. Klässler strömen da drei Tage lang die Leute in die Schule, der Saal mit 650 Plätzen ist immer ziemlich voll, man ist interessiert daran, was die jungen Menschen machen. Wenn ein König der Schweiz den Steiner-Schulen hier die Anerkennung geben könnte, die sie verdienen, wäre das toll. Und – wenn ich jemand wäre, der das könnte, dann würde ich das Grundeinkommen einführen. Letzte Frage: Mit wem würdest du gerne zusammen essen gehen, wenn du frei wählen könntest? Den könntest du dann unter vier Augen ein wenig löchern. Ja gut, ich hätte jetzt nie so einen Wunsch gehabt, weil ich nicht gern essen gehe. Aber was mich in letzter Zeit immer wieder bewegt, ist wie gesagt der Gedanke mit dem Grundeinkommen. Von daher wäre es interessant, Götz Werner einmal zu treffen und zu fragen, wie er sich das wirklich denkt. Ich habe den Eindruck, bei all dem, was in der Wirtschaft gerade jetzt passiert, wäre vieles lösbar, wenn es plötzlich nicht mehr nur darum ginge, immer mehr und mehr Geld zu scheffeln. Sich vom Zwang des Geldverdienens lösen, die Trennung von Arbeit und Geld, das ist für mein Verständnis der Gedanke des Grundeinkommens. Man könnte zu hundert Prozent ehrenamtlich arbeiten und hätte sein Grundeinkommen. Und wem das nicht reicht, der kann eine bezahlte Arbeit machen. Wie funktioniert das, geht das wirklich, das könnte ich dann Götz Werner fragen. Das Gespräch führte Dieter Wiesflecker Neue Lehrerinnen und Lehrer stellen sich vor Udo Richter «Ich male gerne» Das sagten mir schon viele Schüler, die ich an der Primarschule unterrichtete. Zu einer Zeit, in welcher ich selbst noch nicht ein einziges Mal aus freiem Entschluss einen Pinsel oder einen Farbstift in die Hand genommen hatte, um ein Bild – oder auch nur ein Bildli – zu malen. Das heisst, streng genommen stimmt das so nicht: Einmal nämlich, als ich in Assuan im südlichen Ägypten nach einer längeren Velotour am Ziel angelangt war, da habe ich versucht ein Bildli zu malen. Aber das kam so heraus, dass es mir beinahe so ergangen wäre wie dem petit prince von Antoine de Saint-Exupéry mit seinem von der Schlange gefressenen Elefanten, wenn ich nicht… – doch das ist lange her, da war ich grad ein Jahr älter als halb so alt wie heute, nämlich zweiundzwanzig und: einmal ist bekanntlich keinmal. Bei diesem einen, keinen Versuch blieb es dann für lange, und es ist viel geschehen, bis es zu einem zweiten Versuch zu malen kam, dieses mal aber nicht mit Blick auf den Nil und seinen ersten Katarakt, sondern vom Brünig in die Berner Alpen hinein. Das ist nun nicht mehr allzu lange her, vor gut acht Jahren wars und ich war unterwegs von zu Hause nach Santiago de Compostela, und einige Bildli mehr entstanden noch auf dem Weg dorthin, und ich hätte damals noch immer nicht gedacht, dass ich je würde fünf volle Jahre lang Malerei studieren und das erst noch in der grossen Stadt – also, was heisst da «Stadt»? Grossstadt, und erst noch zwei waren es: Stuttgart und Basel. Ich und Malerei und Stadt? Einst denkbar undenkbar. Udo Richter 1. Klasse 31 «Lesen ist Denken mit fremdem Kopf», sagt Schopenhauer. Für mich: Lesen ist mit dem Denken auf Reisen gehen. Angelika Salgo Vorstand Man kann Bücher lesen, jedoch auch Menschen. Benjamin Hirsch 9. Klasse Wer sich eine Geschichte beim Lesen vorstellen kann, ist auf seine Weise ein Künstler. Wer den Buchstaben Leben einhaucht, der taucht ein in eine fremde und doch vertraute Welt. Wer lesen kann, ist gut. Wer eintauchen darf, der wird belohnt. Livia Morell 9. Klasse 32 Ich und Schule und Dorf? Einst war es so – und anders undenkbar: Während meiner ganzen Kindheit, als der mittlere von drei Buben, im thurgauischen Bischofszell – während der Ausbildung zum Primarlehrer im ebenfalls thurgauischen Kreuzlingen am Bodensee – insbesondere auch während der Eroberung meiner ersten eigenen räumlichen Heimat, dem Appenzellerland, in Heiden: da «landete» ich dereinst – direkt nach dem Abschluss am Lehrersemi: einundzwanzig war ich und Lehrer. Einundzwanzig! Mit zweiundzwanzig machte ich mich dann auf die bereits erwähnte Velotour nach und durch Ägypten. Der Reisehunger war somit vorerst gestillt und ich etwas älter und bald schon wieder im Appenzellerland, nun aber für neun Jahre am Stück. Das gab mir einen gewissen Boden. In der Mitte dieser neun Jahre verlor ich meinen älteren Bruder. Das liess mich meinen gewohnten Boden gehörig in Frage stellen – und ich suchte nach Halt, nach Antworten auf einen grossen Verlust. In der Menschenkunde Rudolf Steiners fand ich solche. Bis ins Jahr 2000 unterrichtete ich weiterhin als Primarlehrer auf der Mittelstufe (4. bis 6. Klasse), in Herisau. Danach war sie vorbei, die Zeit als fest angestellte Lehrperson – ich kündigte meine Arbeitsstelle und wusste nicht, was kommen mag. Ich wollte es nicht wissen. Bald wusste ichs: Der Heilige Jakob rief mich auf seinen Weg, der mir nach wie vor ein Herzstück meines Lebens darstellt. In wenigen Monaten ein ganzes Leben innerhalb eines Menschenlebens. Dreiunddreissig Jahre alt war ich und keinen Tag älter beim Aufbruch, Winter wars und oft kalt in der Schweiz, der März der regenreichste seit hundert Jahren in Frankreich, die letzten Maitage die heissesten seit Menschengedenken in Galizien. Was folgte, waren sechs Studienjahre, ein erstes an der Freien Hochschule in Stuttgart zum Waldorflehrer – eigentlich war es ja meine Absicht, es bei diesem einen bewenden zu lassen und wieder unterrichten zu gehen. Doch hatte es mir die Kunst zu sehr angetan, um gleich heimzukehren, und ich blieb für ein weiteres Jahr an derselben Hochschule und besuchte das grad erst ein Jahr davor eingerichtete Künstlerische Jahr. In diesem entflammte nicht nur die Liebe zur Kunst, zur Malerei, zur Farbe (auch wenn ich zu dieser in ihrem wirklichen Sein erst nach Jahren fand), sondern auch jene zu meiner Frau (deren Sein nicht minder einfach zu ergründen ist…), welche sich ebenfalls zur Waldorflehrerin ausbilden liess. Dieser unserer Liebe entsprang bereits ein Bub, der zweijährige Peter, und ein zweites Kind ist unterwegs und wird wohl kurz nach unserem Umzug nach Unter-Ottikon im Zürioberland zur Welt kommen. Umziehen werden wir in den Herbstferien. Die Liebe zur Kunst, die Sehnsucht nach ihr war also geweckt, mein Weg führte mich in die Nordwestschweiz, an die Assenza-Malschule in Münchenstein. Ein Semester, im 2004, verbrachte ich dort und dies mit grosser Herzensfreude. Derweil meine Mutter mit Krebsleiden dem Tod entgegenzugehen hatte. Ich war von Verpflichtungen befreit genug, um sie in ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten und durfte grosse Momente mit ihr durchleben. Mein Herz hätte gerne zurückgewollt an die Assenza-Malschule. Eine grössere Herausforderung stellte mir aber die «neue KUNST schule» in Basel dar, weshalb ich mich für diese entschied und ein dreijähriges Studium absolvierte: «ICH male gerne.» Es war mir vergönnt, während einiger Jahre tief in künstlerische, seelenweitende, bewusstseinserhellende Prozesse einzusteigen, sie zu durchleben – und ich bin nun guter Hoffnung, in meiner neuen Aufgabe als Klassenlehrer aus diesem neu errungenen Reichtum schöpfen und diesen den mir anvertrauten Kindern verwandelt weiterschenken zu können. Udo Richter Marek Majorek Ich wurde 1954 in Warschau, Polen, geboren, wo ich auch meine Schulausbildung absolvierte und das Studium der Psychologie und Philosophie anfing. Mit etwa 17 Jahren begegnete ich der Anthroposophie, und diese Begegnung wurde zu einer entscheidenden Wende und einem bleibenden Einfluss in meinem Leben. 1974 reiste ich nach Sydney, wo meine Familie aufgrund der beruflichen Versetzung meines Vaters bereits wohnte und wo ich mein Studium an der University of Sydney fortsetzte und dann mit dem B.A.-(Honours)-Diplom abschloss. 1976 kehrte ich nach Warschau zurück, wo ich das Magisterdiplom in Psychologie erwarb. 1978 heiratete ich und im gleichen Jahr verliessen meine Frau und ich Polen, um am Emerson College, Forest Row, East Sussex in Grossbritannien das Allgemeine Anthroposophische Studienjahr zu absolvieren. Dieser Ausbildungsaufenthalt verwandelte sich in die Emigration. 1979 und 1980 kamen unsere beiden Söhne zur Welt, 1982 nahm ich eine Tätigkeit als Rundfunksjournalist beim BBC World Service in London auf. 1987 war 33 meine Frau mit ihrer Eurythmieausbildung an der London School of Eurythmy fertig, wollte aber ihr Eurythmiestudium vertiefen, was in England nicht möglich war. Ich indessen war zur Überzeugung gekommen, dass, obwohl die journalistische Tätigkeit durchaus interessant ist, ich der Anthroposophie direkter als Waldorflehrer dienen kann. Meine Frau und ich haben uns deshalb entschlossen, zum «Herzen»der Anthroposophie, nach Dornach, zu reisen, wo beide von uns die jeweiligen Ziele verfolgen konnten. 1987 bis 1989 absolvierte ich die Ausbildung als Waldorflehrer am (damals noch so genannten) Lehrerseminar in Dornach. Es folgten zwei Jahre als Klassenlehrer an der Heilpädagogischen Tagesschule in Liestal und 1991 wurde ich Englischlehrer an der Rudolf Steiner Schule Basel. 1996 begann ich nebenberuflich an einer Dissertation in Philosophie an der Universität Basel zu arbeiten, die ich 2001 mit der Promotion abschloss. Seit dieser Zeit erteilte ich neben Englisch auch Philosophieunterricht an der Rudolf Steiner Basel, arbeitete eine Zeitlang (teilzeitig) als Dozent für Philosophie am Philosophischen Seminar der Uni Basel, gab zahlreiche Vorträge und Seminare/Arbeitsgruppen in anthroposophischen Zusammenhängen wie auch an akademisch-wissenschaftlichen Konferenzen und veröffentlichte viele Aufsätze und einige Bücherbeiträge in (vor allem) anthroposophischen Zeitschriften bzw. Büchern. Jetzt freue ich mich, meine langjährige Erfahrung als Englisch- und Philosophielehrer der Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland zur Verfügung zu stellen. Marek Majorek Englisch und Ethik Marek Majorek Elisabeth Heimlicher Ich wurde in Rohrbach im Kanton Bern geboren und verbrachte die ersten 20 Jahre meines Lebens auf dem Land. In Langenthal absolvierte ich das Lehrerseminar und schloss mit dem Diplom als Volksschullehrerin (1.–9. Schuljahr) ab. 34 Nach einigen Jahren Praxis auf der Unterstufe wandte ich mich den Naturwissenschaften zu und studierte an der ETH Zürich, bis ich meine Interessen gestillt und genug vom trockenen akademischen Betrieb hatte. Lieber erlebte ich die Biologie «live» und widmete mich der Berglandwirtschaft und dem Biogarten, wo ich verschiedene Praktika absolvierte. Mein Mann hatte unterdessen eine Stelle als Lehrer im Zürcher Oberland gefunden, und die Familienphase begann. Wir hatten grosse Freude und viel Arbeit mit unseren vier Kindern, die alle den Kindergarten und die RSSZO (1.–8. Kl.) besuchten. Die Begegnung mit der Anthroposophie eröffnete mir neue geistige Horizonte und gab mir viele Impulse, wobei ich immer nach dem Motto lebte, auf mein Gefühl und meine Erfahrungen zu achten und nichts ungeprüft zu übernehmen, nichts einfach «nachzubeten». Das Stillen unserer Kinder war mir sehr wichtig, deshalb wurde ich Stillberaterin, später, als es keine Spielgruppe gab in unserem Quartier, half ich eine zu gründen, und so wuchs ich mit den Kindern in immer neue Welten hinein, erhielt viele Anregungen und Gelegenheiten zur Weiterentwicklung. Lebenskrisen blieben nicht aus, ich lernte, dass sie zum Leben gehören, dass man an ihnen wachsen kann, so schmerzhaft sie sind. Die Trennung von meinem Mann katapultierte mich an die Universität Zürich, wo ich familienbegleitend ein Studium der Pädagogik, Psychologie und Psychopathologie des Kindes- und Jugendalters begann, welches ich im Juni 1997 abschloss (u. a. mit einer Arbeit über Platon und R. Steiner). Gleichzeitig bildete ich mich bei Alexander Gosztonyi zur Rückführungstherapeutin aus. Danach fand ich eine Teilzeitstelle als schulische Heilpädagogin an der Oberstufenschule WetzikonSeegräben. Aus Spargründen wurde ich mit 58 Jahren frühpensioniert und musste mir eine neue Arbeit suchen. Ich gründete meine «Praxis für Support» und biete als Lehrerin und als Psychologin/Pädagogin auf verschiedenen Gebieten für Kinder und Erwachsene Elisabeth Heimlicher35 Förderunterricht Unterstützung an. An der Oberstufe Wetzikon gründete und leite ich noch die Hausaufgabenbetreuung. Nach den Sommerferien erhielt ich einen Telefonanruf, ob ich die Stelle als Förderlehrerin an der RSSZO übernehmen würde. Ich spürte die Dringlichkeit und mein Gefühl sagte klar «Ja». Ich freue mich sehr, nun selber an der RSSZO mit Kindern zu arbeiten, ihre Entwicklung zu begleiten und sie nach meinen besten Möglichkeiten zu fördern. Die RSSZO ist ein Ort, an dem ich mich immer wohl fühlte und fühle, wo ich bereits viele Menschen kenne, viele Erinnerungen an die Schulzeit meiner Kinder habe und mit Interesse sehe, wie sich die Schule selber auch entwickelt und verändert hat. Elisabeth Heimlicher Peter Lüthi Als letztes von sechs Geschwistern im engen Bergtal von Glarus geboren, liebte ich es als Kind und Jugendlicher, entweder zu lesen und zu schreiben oder mich in den von Felsbrocken übersäten Abhängen des Bergwaldes herumzutreiben. Dem Glärnisch, der mir 20 Jahre unerschütterlich direkt gegenüberstand und sich durch die chaotischen Weltläufe keineswegs beeindrucken liess, verdanke ich viel. Eine starke Neigung zeigte sich sowohl zum Denken wie auch zum Träumen. Bloss nicht zum Arbeiten – mich tätig mit der Welt zu verbinden fiel mir schwer. Umso mehr nahm ich seit der 2. Klasse, als wir in der Schule schweigend der ungarischen Opfer des russischen Einmarsches gedachten, lebhaften, täglichen Anteil an der Weltpolitik. Allerdings, sagte man mir, liege für ein gewöhnliches Mittelstandskind eine Diplomatenkarriere nicht drin. In der elterlichen Bibliothek entdeckte und verschlang ich die grossen russischen Schriftsteller, die mir aber auch nur meine innere Welt bereicherten – das reale Russland war ja verbotenes Feindesland. So stand das endgültige Erwachsenwerden nach der Matur wie ein Berg vor mir und ich traf in der Universitätsstadt Basel ohne jedes Berufsziel ein mit dem einzigen Wunsch, Geschichte zu studieren. Aber mein Geburtsjahr war ja so gelegt, dass jetzt gerade 1968 herangerückt war, und vehement trat der Appell an mich heran: Ergreife Deine Aufgabe, denn du hast eine – mit deiner Generation zusammen die Welt grundlegend zu erneuern! Alles weitere ergab sich aus der deutlich im Innern geweckten eigenen Antwort auf den weltgeschichtlich auftretenden Appell. Jetzt liess mich die politische Überzeugung sogar praktische Arbeit in Landwirtschaft und Fabrik suchen. Dabei erfuhr ich endlich den sehr relativen Wert der Klugheit im Vergleich zum Wert des lebenspraktischen Könnens. Die marxistischen Illusionen legte ich später ebenso ab wie meinen jugendlichen Entschluss, nie Lehrer zu werden. In den sozialen Ideen Rudolf Steiners fand ich 36 das, was ich irrtümlicherweise bei Marx gesucht hatte, und die neugegründete Familie mit dem ersten Kind nötigte mich, Geld zu verdienen – halt als Lehrer in einem Bergdorf. Die 14 Schüler in 9 Klassen lehrten mich, Lehrer werden zu wollen. Nachträglich erwarb ich mir das Bündner Lehrerpatent. Auch die beiden eigenen Kinder lenkten mich daraufhin, dass es in der Welt kaum etwas Interessanteres geben kann als heranwachsende Menschen. Nur ein halbes Jahr durfte ich dann in Stuttgart eintauchen in das künstlerische Tun, in die goetheanistische Naturbetrachtung und in die Grundtexte der Anthroposophie, aber ich erlebte doch, wie eine solche Art Lehrerbildung tatsächlich das Leben und Sein umgestaltet. Ich übernahm an der Rudolf Steiner Schule in Pratteln eine 6. Klasse, deren hervorragend vorbereitete Schüler meine eigentlichen Lehrer wurden in dem, was Steinerschule sein soll. 14 Jahre später (nach dieser Klassenführung weiter an der Oberstufe mit Geschichte, nebenbei auch Deutsch und Gartenbau) spürte ich, dass dieser Bogen zu Ende gehen muss. 21 Jahre nach 1968 waren gerade vergangen, so dass die Weltgeschichte mir wieder günstig war: Die Sowjetunion brach zusammen, man durfte dort von der Pädagogik Rudolf Steiners sprechen und sogar Schulen gründen – mein inneres Russland wurde eine reale, tätige Beziehung, die bis heute andauert, durch die Waldorfinitiativen in St. Petersburg, Irkutsk, Dnjepropetrovsk und Kiev. Parallel dazu durfte ich Russisch und Osteuropäische Geschichte studieren und als Gastlehrer verschiedene Steinerschulen kennenlernen, darunter Wetzikon. Sofort fühlte ich mich mit dieser Schule mehr verbunden als mit jeder andern. Dennoch ergab sich ein zehnjähriger Umweg, der mehr war als ein Umweg: eine wesentliche Erfahrung mit der besonderen Form der Oberstufe an der ROJ in Solo- Peter Lüthi Deutsch und Geschichte 37 thurn, wo die Schüler der 11.–13. Klasse parallel in der Schule lernen und beruflich arbeiten. Nun ergab sich aus dem Leben heraus die «Rückkehr» nach Wetzikon – und das Staunen darüber, wie das Leben gerade dadurch folgerichtig verläuft, dass es anders verläuft, als man es sich gedacht hat. Peter Lüthi Aus dem Kollegium Mit einer zweitägigen Quartalskonferenz ist das Lehrerkollegium ins neue Schuljahr gestartet. Intensiv haben wir uns mit dem Thema befasst, was die Schüler mit auf ihren Lebensweg bekommen sollen, wenn sie nach 14 Schuljahren unser Haus verlassen? Was ist das Ziel einer Steiner-Schul-Bildung? Brauchen wir neben dem schon vorhandenen IMS-Abschluss und den dadurch möglichen Anschlüssen noch weitere Anschlussmöglichkeiten? Welche Ausstrahlung soll unsere Schule haben? Um uns mit diesen Fragen auseinander setzen zu können, haben wir nun im laufenden Quartal mit einer Lehrplanarbeit begonnen, durch welche wir zu Erkenntnissen für eine noch zeitgemässere Schule kommen wollen. Kurz nach dem Start ins neue Schuljahr hat sich eine personelle Veränderung ergeben. Als neue Förderlehrperson hat anstelle von Frau Sandra Bernays bei uns Frau Elisabeth Heimlicher mit Schülern aus der 4.–9. Klasse ihre Arbeit begonnen. Frau Heimlicher hat langjährige Erfahrung im Förderbereich und ist zudem eine ehemalige Schulmutter. eeeeeeee 3. Klasse Catherine Langmair 3. Klasse Besonders gefreut hat uns, dass die Schulrechnung des vergangenen Jahres positiv abgeschlossen werden konnte. Dies können wir auf die neue, gut greifende Familienbeitragsregelung zurückführen, die uns hoffentlich auch in Zukunft verlässlich begleiten wird. Ein herzliches Dankeschön allen, die dazu beigetragen haben. In diesem Sinne starten wir das Schuljahr mit neuem Schwung. Michèle Truog Sophia 38Wepfer-Linsi 4. Klasse Erika Urbscheit Handfertigkeit Sybil Hartmaier Eurythmie Sonja Flüeler Handfertigkeit 39 Ehemalige berichten Der Blick auf den Stephansdom ist atemberaubend. Das gotische Wahrzeichen mitten in Wien ragt massiv und gleichzeitig filigran in den blauen Himmel. Gestern Abend sass ich mit Freunden im Stadtheurigen, um meinen Wiener Liederabend vom kommenden Samstag zu planen. Da kam ein Anruf aus der Schweiz, ob ich den nächsten Ehemaligenbericht schreiben könne. Mach ich doch gerne. Nach der 12. Klasse wurde ich als Jungstudierender ans Konservatorium Zürich aufgenommen. Ich konnte mich zwei Jahre auf das Gesangsstudium vorbereiten: Theorie, Komposition, Gehörbildung, Musikgeschichte, Gesangsstunden und dazu ein Dutzend, Jobs vom Büromöbelmonteur über Zeitungsverkäufer bis hin zum Bäcker. Die neu gewonnene Freiheit lebte ich auch auf Reisen aus. Australien, Asien, Europa und Nordafrika konnte ich während diesen zwei Jahren bereisen. Die Bühne ist momentan für mich das Leben. Ich wäre gerne auch Tänzer oder Schauspieler geworden, aber singen wollte ich unbedingt. Und da die Oper alle drei Künste umfasst, bin ich eben Opernsänger geworden. Lyrischer Tenor, um genau zu sein. Angefangen zu singen (so richtig, meine ich) habe ich in der 9. Klasse. Ich wollte Gesangsunterricht bei Beat Spörri nehmen, unserem damaligen Musiklehrer. Leider hat er mich nicht genommen, er nehme keine privaten Gesangsschüler. Zwei Monate später hat er mich gefragt, ob ich am nächsten Chorkonzert Solist sein wolle. Meine Antwort war ja, aber nur wenn ich sein Gesangsschüler sein dürfe. So hat‘s dann doch noch geklappt. Auch während meines Studiums an der Musikhochschule Zürich kam das Reisen nie zu kurz. Natürlich konnte ich nicht mehr jederzeit meinen Rucksack packen und verschwinden; durch Engagements in Wien, Italien, an der Staatsoper Stuttgart, in Japan, Frankreich und in anderen Länder wurde meine Reiselust bis jetzt jedoch immer befriedigt. Letztes Jahr wurde ich durch einen glücklichen Zufall Mieter eines Theaters in Zürich. So stellte ich kurzerhand eine kleine und delikate Musikwoche auf die Bühne unter dem Namen «Camille Festival». Jeden Abend ein anderes Konzert. Der rote Faden war die Stimme. Nächsten März folgt die Fortsetzung. Oft sitze ich lange vor meiner Agenda und plane die nächste Spielzeit. Proben, Konzerte, Flüge buchen, schauen, dass ich von einer Probe bis zur nächsten genügend Zeit habe für den Weg usw. 40 Häufig lebe ich dann nach meiner Agenda. Sie ist meine «Bibel». Aber auch ein Schubert-Band oder eine Verdi-Partitur können in gewissen Zeiten zur «Bibel» werden. Wenn ich mich lange mit einem Werk auseinandersetze, suche ich unter anderem eine Verbindung von der Zeit, in der der Komponist gelebt hat, ins Jetzt. Die Gefühle einer Rolle, deren Charakter und die daraus resultierenden Handlungen sind meist erstaunlich einfach nachzuvollziehen. Und dann gibt es Werke, welche mich seit meinen ersten Gesangsstunden begleiten. Die «Dichterliebe» von Schumann zum Beispiel. Es ist ein Liederzyklus, den ich immer tiefer zu empfinden lerne, dessen Text von Heine ich immer besser begreife und die eigene Interpretation an Verständnis und Intensität wächst. Hinzu kommt die Arbeit mit Pianistinnen und Pianisten, die mich auch in der Ansicht eines Klangs, Tempos oder Wortes beeinflussen kann. So scheint es mir wichtig, dass wir Musiker unsere ganz eigene Sprache, unseren eigenen Ausdruck haben, aber jederzeit bereit sind, uns auf Mitmusiker einzulassen. Ähnlich ist es auf der Bühne: Bei den Proben ist alles neu: Regisseur, Musik, Bühne, Gesangspartner und -partnerinnen, Text, Kostüm, meist fast alles. Felix Zimmermann Und dann singe ich als verliebter Schmachtlappen 8. Klasse eine Liebesarie, und dabei denke ich nur an meinen linken Schuh, der mich drückt. Aber auch solche «Kleinigkeiten»kann ich dazu nutzen, in eine gute und starke Energie zu kommen, um die Arie nicht zu säuseln, sondern als tief empfundene Liebesbotschaft zu singen. An der Premiere ist meine Konzentration ganz der Rolle gewidmet. Die Stimme kann ich leicht führen, und das Spiel geschieht aus dem Charakter heraus. Zurzeit wohne ich in Zürich. Nachdem ich hier das Lehrdiplom und das Konzertdiplom erlangt habe, werde ich nun im Herbst mit dem Schweizerischen Opernstudio in Biel beginnen. Für meine Freunde und die Muse fahre ich etwa dreimal pro Jahr nach Wien. Das Schöne an Wien ist für mich auch die Donau, die Menschen und die heimlichen Gässchen. Und der Dom. Deshalb bin ich immer glücklich, hier singen zu dürfen. Daniel Camille Bentz 41 Austrittsgespräche Als Mitglied der Aufnahmegruppe habe ich immer wieder Gelegenheit, mit Eltern, deren Kinder die Schule mit der 12. Klasse abgeschlossen haben oder die die Schule vorzeitig verlassen, ein Austrittsgespräch zu führen. Alle Mitglieder der Aufnahmegruppe teilen sich in diese Aufgabe, da diese Gespräche doch recht zahlreich sind und grossen Zeitaufwand bedeuten. Die Gespräche sind immer wieder ein Erlebnis. Hier kommen nochmals Erinnerungen auf, und damit verbundene Gefühle stehen wieder greifbar im Raum. Manchmal darf ich dann mit Freude wahrnehmen, dass Eltern mit grosser Dankbarkeit der Schule gegenüber und dem, was sie und ihre Kinder hier erlebt haben, zurückblicken. Manchmal brechen aber auch alte Konflikte wieder auf, werden Unzulänglichkeiten und Fehler, die in der Zusammenarbeit mit dem Klassenlehrer, mit anderen Kollegiumsmitgliedern oder auch im Kontakt der Eltern untereinander passiert sind, erwähnt. Zuweilen wird mir dann klar, dass zu wenig offen miteinander geredet werden konnte, dass keine gegenseitige Verständigung erzielt wurde. Oft sind es aber auch Anregungen, die in diesen Gesprächen an uns herangetragen werden, und die es gilt ins Kollegium weiterzugeben. Was immer wieder erwähnt wird, ist die Verbundenheit mit der Schule, die die Eltern in dieser Zeit entwickelt haben. Die Arbeit in den Elternabenden, die Vorbereitungen für den Basar in den verschiedenen Arbeitsgruppen, die vielen sozialen Kontakte und Beziehungen, die entstehen konnten, kurz: die Teilnahme am reichen Leben unserer Schulgemeinschaft wird als zutiefst bereichernde und lehrreiche Zeit empfunden. Wir haben hier so viel gelernt, wir haben Freundschaften geknüpft, wir haben hier unsere Probleme, unsere Ängste besprechen können – das sind immer wieder formulierte Aussagen. Ich bin überzeugt, dass sich dieser soziale Reichtum auch auf unsere Schüler überträgt. Sie erleben uns Erwachsene hier als sich selber organisierende und sich immer wieder neu gestaltende Gemeinschaft. Sie erleben hier, dass Zusammenleben, Schule machen, möglich ist trotz der vielen Unzulänglichkeiten und den immer wieder gleichen Problemen, die mühsam von neuem diskutiert und gelöst werden müssen. Und sie erleben vor allem, dass nur wir selber unser Leben gestalten können, dass wir immer wieder selber entscheiden müssen. kann. Als langjähriger Lehrer an verschiedenen Berufsschulen habe ich gesehen, dass ehemalige Steinerschüler nicht unbedingt mit ihren Leistungen glänzten, aber sie waren meist diejenigen in den Klassen, die Verantwortung für sich und die Mitschüler übernahmen und ihre Aufgaben dadurch erfolgreich lösen konnten. Ein weiterer sozialer Aspekt wird in den Gesprächen oft als wichtig erwähnt: In den Jahren des gemeinsamen Heranwachsens zusammen mit den Klassenkameraden bilden sich in den Klassen tiefe, tragende Freundschaften. Aber auch jene, die sich nach der Schulzeit nicht mehr so häufig sehen, bleiben durch die gemeinsam verlebten Jahre miteinander verbunden. Dieses Gemeinsame kann vor allem dann entstehen, wenn die Schüler ihre gesamte Entwicklung von der ersten Klasse, vielleicht sogar vom Kindergarten an, über die Klassenlehrerzeit und über die Wirren der Pubertät bis zum gemeinsamen Abschluss gehen können. Es wird aber auch erwähnt, dass Schüler in ihrer Klasse oft in eine Rolle gedrängt werden, aus der sie nicht mehr Ariane Boissonas heraus können. Diese Rollen Französisch bleiben oft bis zum Schulende erhalten und hindern den Schüler daran, sein wirklich Eigenes zu entdecken. In der Aufnahmegruppe stellten wir in den letzten Jahren die Tendenz fest, dass Schüler häufiger die Schule wechseln. Das kann natürlich für jemanden, der in einem Rollenverhalten festsitzt, eine Befreiung bedeuten. Es kann aber auch sein, dass anstehende Probleme dadurch nur auf die lange Bank geschoben werden. Häufigere Schulwechsel bringen es mit sich, dass auch Quereinsteiger von anderen Schulen in die schon bestehenden Klassen kommen. In den unteren Klassen wird oft der Leistungsdruck, der heute bis in den Kindergarten hinabwirkt und der als sehr negativ empfunden wird, als Motiv für einen Eintritt in die Steinerschule angegeben. Auch sind den Eltern oft die musischen und handwerklichen Fächer wichtig. In die oberen Klassen (9./10. Klasse) Hier liegt sicher zum Teil der Ursprung für eine zweite Feststellung, die oft ausgesprochen wird: Unsere Kinder haben hier das Selbstbewusstsein gewonnen, dass sie ihr Leben in die Hand nehmen können. Und die Erfahrung zeigt, dass unsere Ehemaligen ihr Leben auch tatsächlich mutig angehen und meistern, auch wenn der Übertritt aus der geschützten Schulwelt in den rauen Alltag zuerst Mühe bereiten 42 Michèle Truog 3. Klasse 43 treten Schüler ein, die noch weiter in die Schule gehen wollen, da sie sich noch nicht für einen Beruf entscheiden können oder denen eine Ausbildung in einem künstlerischen Beruf vorschwebt. Häufig sind es auch Schüler aus anderen Steinerschulen, die bis in die 12. Klasse weitermachen möchten, deren Stammschule aber nur bis zur 9. Klasse führt. Es gibt aber auch Schüler, die aus einer schwierigen schulischen Situation heraus zu uns kommen, um bei uns einen Neuanfang zu versuchen. Einigen gelingt es, ihre Probleme zu bewältigen, andere werden für die Klasse auch bei uns zur Belastung. Diese Situation wird dann in den Austrittsgesprächen als negativ empfunden. Für die Aufnahmegruppe heisst dies, dass bei jedem Neueintritt mit dem Klassenlehrer ganz genau abgewogen werden muss, ob ein Schüler in eine Klasse und in unsere Schule hineinpasst oder nicht. Für uns ist dies immer wieder eine schwierige, wenn auch interessante Aufgabe. Deutlich werden von den Eltern die Änderungen, die die Einführung der IMS-Stufe mit einer Abschlussprüfung für die Schule mit sich gebracht hat, wahrgenommen. Positiv fällt das zielgerichtete Arbeiten vor allem in der 11. Und 12. Klasse auf. Anderseits wird bemerkt, dass die Anforderungen deutlich gestiegen seien und für schwächere Schüler eine dauernde Überforderung darstellten. Es ist klar, dass wir uns auf ein bestimmtes Niveau für das Erreichen der IMS-Zertifikate festlegen müssen. Nicht alle unserer Schüler können das IMS-F-Niveau erreichen. Es liegt nun an uns Lehrern und auch an den Eltern, den Schülern den Umgang mit dieser Situation zu erleichtern. Ich glaube, dass alle Schüler die wichtigsten Inhalte und Zusammenhänge des Unterrichtsstoffes erfassen und auch davon profitieren können. Die Erkenntnis, dass die eigenen Leistungen nicht ausreichen, um ein angestrebtes Ziel zu erlangen, ist manchmal schmerzlich. Die meisten Schüler können sich allerdings recht genau einschätzen und wissen, wo sie stehen. Sie kennen aber nicht nur ihre Schwächen, sondern auch ihre Stärken, die sich vielleicht in den musischen oder handwerklichen Fächern zeigen oder die im Sozialen deutlich werden. Das breite Angebot an Fächern, die verschiedenen Lager und Praktika ergeben eigentlich für alle Schüler eine Möglichkeit, Bestätigung für sich zu finden. Ich habe versucht, einige mir wichtig erscheinende Aspekte der Schule, die in den Austrittsgesprächen häufig angesprochen werden, herauszugreifen. Dies ist natürlich eine subjektive Auswahl. Auch ist das häufige Auftauchen von Argumenten in den Gesprächen nicht unbedingt eine Garantie für deren Wichtigkeit. Kleine Bemerkungen, die mir neu erscheinen, mich vielleicht überraschen, gilt es ebenso ernst zu nehmen. Dies macht die Austrittsgespräche immer wieder spannend. Markus Frey 44 Reich ins arme Namibia Die im vergangenen Mai und Juni durchgeführten fünf Benefizkonzerte haben uns in jeder Hinsicht bereichert. Nicht bloss, weil das Konto schliesslich satte 15 000 Franken aufwies. Nein! Der lange Weg zum kurzen Abschied von Familie und Freunden bereicherte uns so sehr, dass wir bis zu unserer Abreise Mitte August guter Dinge blieben. Bis auf zwei Möbelstücke und ein Schaukelpferd hatte alles im Container Platz. Am 28. Juli verliess dieser mit dem Schiff den Hamburger Hafen in Richtung südliches Afrika. Dass er, entgegen allen Erwartungen, schon am gleichen Tag wie wir in Namibia ankommen würde, freute uns sehr, nützte uns jedoch vorerst gar nichts. Der Container stand im Hafen von Walvis Bay, und wir warteten geduldig auf das OK der Zollbehörden. Inzwischen lebten wir uns mit den Rucksacksachen ein. Zwei Betten, ein Tisch mit genügend Stühlen und ein Arbeitstischbrett waren schon da – mehr brauchten wir nicht! In den Begegnungen mit den Menschen, die hier schon seit Generationen leben, deren Lachen uns hell und freudig klingt und deren Augen und weisse Zahnreihen uns gleichermassen entgegenstrahlen, gehen wir auf und fühlen uns vom ersten Moment an angenommen. In der Waldorfschule ergeht es uns nicht anders. Natürlich ist alles ein wenig intellektueller, kühler, «deutscher». Aber auch hier: Umarmungen, Lachen, freudiges Wiedersehen, als wäre alles altbekannt. Wie wunderbar, dass sich Menschen über unser Kommen freuen; wie erschreckend aber, welch hohe Erwartungen in uns gesteckt werden. Und doch gibt es uns Aufschwung, die Arbeit, welche vor uns liegt, freudig anzupacken. Zwei Wochen später erwarten wir den Container vor dem Haus. Sein Kommen ist auf Freitagmorgen 8 Uhr angekündigt. Alle, Leute der Transportfirma, Männer vom Zügelunternehmen eines zukünftigen Schulvaters, sind pünktlich. Nur die Zollbeamten müssen nach Intervention des Managers der Transportfirma nochmals aufgeboten werden und treffen erst fünf Stunden später ein. Eine Uniform tragen sie nicht, unterscheiden sich jedoch in Kleidung und Wortwahl deutlich von den anderen. Sie nehmen Platz, Getränke und Snacks stehen bereit. Nun wird die Plombe mit einer riesigen Blechschere durchtrennt. Ein emsiges Treiben beginnt. Unsere Sachen werden ins Haus gebracht, diejenigen für die Waldorfschule auf zwei kleine Lastwagen verladen, und die Kindergärtnerin des Projektes «Sôutere» («beschütze Dich!») im Armenviertel Katutura füllt ihren VW-Bus mit Mobiliar, 45 Berufspläne der letzten 12. Klässler/innen Puppen, Tüchern und Bauklötzen für den neuen Kindergarten (über dieses Kinderprojekt berichten wir gerne später einmal). Nogler Benjamin Egli Raphael Fehr Semjon Leuenberger Annina Schuler Silvan Henschel Melvin Haas Carmen Henken Nils Geisser David Scheibling Lorena Meier Johanna noch offen Hochbauzeichner Hochbauzeichner Kanti Küsnacht Kanti Wetzikon Kanti Wetzikon Kanti Wattwil Abitur in Oldenburg D Kochlehre Schule für Linguistik Praktika für Hotelfachschule Nach einer guten Stunde sind 32 Kubikmeter Material ausgeladen, und wir nutzen die folgenden Tage zum Einräumen und Vorbereiten. Erich übernimmt am 14. September die vierte Klasse mit 28 Kindern und führt sie mit Germanischer Mythologie, Bruchrechnen und namibischer Heimatkunde durch das dritte Trimester. In der grossen Klasse sitzen Kinder von kürzlich eingewanderten Deutschen, von alteingesessenen Südwestern, Herero-, Nama-, Damara und Ovambokindern sowie allerlei Mischlinge. Diese Vielfalt der Ethnien ist wunderbar und passt zum farbigen Kontinent Afrika. Reich ins arme Namibia? Alles, was wir mitbringen, wird hier irgendwo verwendet. Viele Menschen sind schon für das Allernotwendigste auf Hilfe von aussen angewiesen. Jedoch sind lange nicht alle Menschen materiell arm. Namibia gilt als das schwarzafrikanische Land mit der grössten Kluft zwischen Reich und Arm – und der Graben verläuft längst nicht mehr nur zwischen weissen und schwarzen Menschen. Barbara Stauffer und Erich Meier Buchtipp: Bartholomäus Grill: Ach Afrika, Berichte aus dem Inneren eines Kontinents, Goldmann-Taschenbuch 15337, 2005 46 Markus Frey Naturwissenschaft Ingrid Ebner-Sonnleitner Fremdsprachen 47 Franziska Zuppiger Turnen Insertions-Bestimmungen 1/1 Seite 118x 173 mm Fr. 220.– 1/2 Seite 118 x 84 mm Fr. 120.– 1/4 Seite 57 x 84 mm Fr. 60.– 1/4 Seite 118 x 40 mm Fr. 60.– 1/3 Seite 118 x 53 mm Fr. 80.– Preise exkl. 7,6% MWSt, auf Umschlagseite + 25 % Anzeigenschluss Winter 09: 18. Nov. Inseratvorlagen: Daten in Erscheinungsgrösse als PDF direkt an [email protected]. Bearbeitungen wie Neusatz, Gestaltung werden zusätzlich verrechnet. Inseratenverwaltung und Produktion: Alinéa AG Schönaustrasse 13, 8620 Wetzikon Telefon 044 932 75 79, [email protected] Herbs t im Bioladen pfelbaum Zentralstrasse 18, Uster www.oepfelbaum-uster.ch GEBR. 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Dezember in Zürich • Maria Montessori – Rudolf Steiner Eine Gegenüberstellung Leitung: Ursula Taravella, Daniel Wirz Samstag, 21. November in Zürich Infos, Anmeldung: Kurse FPA, Postfach 801, CH-6301 Zug Telefon 041 710 09 49, Telefax 041 711 58 77 E-Mail: [email protected] www.arbeitskreis.ch 56 57 Schnupper- abo Massivholz- Küchen, Betten, Tische Schlafzimmermöbel Naturbettinhalt artisana Naturbettinhalt Prolana Naturbettinhalt TRINATURA Naturbettinhalt Relax Küchen, vollmassiv Einbauschränke Tische, Stühle Kinderbetten + Möbel Gesundes Sitzen Möbelrestaurationen Wiegen-Vermietung Bio- Bettwäsche Duvet + Kissen aus Hirse,Dinkel, Wolle, Latex Möbel zum verlieben im Naturbett-Center Jona Viel Zeit verbringen wir zu unserer Erholung im Bett. Es ist daher einleuchtend, wie wichtig es ist, diese Zeit in einer heimeligen, gift - und störungsfreien Umgebung zu verbringen. Der schlafende Körper kann sich ja nicht wehren. Gerne bestelle ich ein Schnupperabo für zwei Monate für nur Fr. 25.–. Name Vorname Strasse PLZ/Ort Telefon Zürcher Oberländer, Abonnentendienst, Postfach, 8620 Wetzikon, einsenden oder per Fax 044 933 32 57 www.zol.ch/aboservice 58 Mindestens 4 verschiedene Bettsysteme stehen zum Probeliegen bereit: Trinatura, artisana, Relax, und neu Prolana. Prolana bietet ein riesiges Sortiment an Bettwaren und Kinderartikeln wie Schlafsäcke, Kissen, Duvets, Bettwäsche usw., und alles aus kbA- Baumwolle und Schurwolle aus kontr. Biol. Tierhaltung. Mit einem solchen Bett tun Sie sich etwas zuliebe und schonen auch noch die Umwelt dabei. Willkommen in unserer schönen Ausstellung. e-Mail Ich hätte gerne den ZO Im Naturbett-Center Jona gibt’s eine riesige Auswahl an wunderschönen Betten und Matratzen. Und alles aus natürlichen Materialien, ohne Schrauben, Spanplatten, Lack, Plastik, Motoren…, einfach Natur pur. Holz aus der Region, behandelt mit natürlichen Ölen und Wachsen. Dank der eigenen Möbelschreinerei kann auf individuelle Wünsche eingegangen werden. 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Psychologin FH Maltherapeutin IAC Kastellstrasse 6 8620 Wetzikon-Kempten Mobile 078 827 47 71 [email protected] www.beziehungstherapeuten.ch Krankenkassenbeitrag mit Zusatzversicherung möglich Claude Balsiger unterwegs im West-Himalaya. VELOPLUS gratis Besuchen Sie unsere Velowelten. Finden 7000 Artikel Sie 7000 ausgewählte Velo-, Bike- und Tipps · Tests Outdoorartikel, auf die Sie sich verlassen Infos wert fr. 8.– können! Alles von unserem Team minuziös getestet. 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F R E I R A U M - M O E B E L . C H Öffentliche Veranstaltung zum Phänomen der Altersdemenz Samstag, 28. November 2009 15.00 bis 21.30 Uhr im Gemeindesaal Blatten, Hombrechtikon Steuerberatung Finanzbuchhaltung / Lohnadministration Unternehmensberatung Treuhandleistungen Kurzreferate, Podiumsgespräch und Abendvorträge mit Judith von Halle und Dr. Michaela Glöckler Detailprogramm erhalten Sie beim Sonnengarten, Tel. 055 254 40 70 www.sonnengarten.ch [email protected] Wir freuen uns, Sie persönlich kennen zu lernen: Thomas & Cornelia Warburton 64 65 dESIGN & PRINT FLYER | PLakaTE | PROSPEkTE | PROGRaMME Ausstellung Bilder von Jérôme Bessenich im Sonnengarten Hombrechtikon SERAPHlM - Haus der Engel Sie finden bei uns liebevoll ausgesuchte Engel- und Elfenfiguren aus div. Materialien für Haus, Balkon und Garten. Ausserdem führen wir Engelbilder, -Karten, -Decken, -Schmuck und viele schöne Herzensdinge zum Schenken. Wir freuen uns auf Sie. 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