Herausforderungen und Chancen der Automatisierung

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Herausforderungen und Chancen der Automatisierung
Konferenzbericht
Herausforderungen und Chancen
der Automatisierung von Straßenfahrzeugen
VDI|VDE-IT / Dr. Gereon Meyer
8. August 2013
1.)
Einleitung
Dieser Bericht fasst die Diskussionen eines Workshops mit dem Titel „Challenges and
Opportunities of Road Vehicle Automation“ zusammen, der Mitte Juli 2013 vom
Transportation Research Board der National Academies der Vereinigten Staaten von
Amerika in Zusammenarbeit mit der Stanford University veranstaltet wurde. Vor dem
Hintergrund der dort gewonnenen Erkenntnisse über die weit fortgeschrittenen Planungen
und Weichenstellungen von öffentlicher Hand, der Wissenschaft und Industrie für die
Einführung des automatisierten Straßenverkehrs in Amerika werden am Ende einige
Schlussfolgerungen für Deutschland und Europa gezogen und Empfehlungen abgeleitet.
2.)
Ziel und Programm des Workshops
Der Transportation Research Board (TRB) ist ein renommiertes Beratungsgremium des U.S.
Department of Transportation für Fragen der Verkehrsforschung. Mit diesem Workshop hat
der TRB das aktuelle Thema Automatisierung von Straßenfahrzeugen disziplinübergreifend
aufgegriffen und sich dabei sowohl mit technischen als auch mit rechtlichen und
gesellschaftlichen Fragen auseinandergesetzt. Ziel war es, den Bedarf an Forschung und
Entwicklung in diesen Bereichen zu bestimmen und entsprechende Schwerpunktsetzungen
für ein neu entstehendes Förderprogramm des U.S. Department of Transportation zu
empfehlen sowie Input für die Gesetzgebung in den Bundesstaaten zu geben. Hierzu wurde
ein insgesamt fünftägiges Programm mit Plenarvorträgen von Vertretern der öffentlichen
Hand, der Wissenschaft und von Unternehmen veranstaltet. Zudem war die Möglichkeit zu
Testfahrten in autonomen Fahrzeugen gegeben, z.B. bei Bosch und bei Google. Unter den
300 Teilnehmern befanden sich eine Vielzahl von Vertretern der in der San Francisco Bay
Area ansässigen Forschungslabors der Automobil- und Zulieferindustrie sowie Universitäten.
Dazu kam eine Reihe von Mitarbeitern verschiedener Ressorts der U.S.-Regierung und
einige wenige Gäste aus dem Ausland.
3.)
Planungen der öffentlichen Hand
In einer als inoffiziell bezeichneten Stellungnahme deutete R. David Edelmann, Senior
Advisor for Internet, Innovation, and Privacy beim Office of Science and Technology Policy
des Weißen Hauses an, dass das Interesse des amerikanischen Präsidenten am Thema
Automatisierung vor dem Hintergrund der starken Medienresonanz [1,2] sehr groß sei.
Dabei seien vier Potenziale relevant: (a) die Steigerung der Verkehrssicherheit durch
Vermeidung menschlicher Fehler, (b) die Erhöhung der Energieeffizienz durch adaptive
Lenkung der Verkehrsflüsse (bis zu einem Faktor 2), (c) die Steigerung der Produktivität
aufgrund verringerter Zeitverluste für Fahraufgaben und Staus (ebenfalls bis zu einem
Faktor 2) und (d) die Erhöhung der Verfügbarkeit individueller Mobilität für jüngere und ältere
Menschen. Die Herausforderungen würden in regulatorischen, haftungsrechtlichen und
versicherungstechnischen Fragen gesehen, in geeigneten Anreizen sowie in der Schwelle
der gesellschaftlichen Akzeptanz von Fehlern z.B. mit Todesfolge.
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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Im Rahmen des Workshops stellte Mike Shagrin, Program Manager Connected Vehicle
Safety & Automation beim U.S. Department of Transportation (DOT) den Entwurf eines
nationalen Programmplans für die Automatisierung von Straßenfahrzeugen vor. In seinem
Vortrag schätzte er die volkswirtschaftlichen Potenziale anhand der jährlichen Kosten der
Folgen des Straßenverkehrs für die Gesellschaft in den Vereinigten Staaten ab: Unfallschäden - 500 Mrd. US$, Verschwendung von Zeit und Kraftstoff im Stau - 120 Mrd. US$,
Folgen des CO2-Ausstoßes – 30 Mrd. US$. Er erläuterte, dass die Rolle der U.S.-Regierung
darin bestehe, Forschung und Entwicklung sowie den Einsatz und die Verbreitung der
Automatisierung zu unterstützen, Sicherheitsstandards zu setzen und für einen sicheren
Übergang vom automatisierten zum nicht-automatisierten Straßenverkehr zu sorgen. Der
Programmplan werde dazu Forschungsbedarf in den Bereichen Technologieentwicklung,
Ergonomie, Erprobung und Gesetzgebung identifizieren, eine Roadmap für die Umsetzung
vorlegen und auch schon begonnene Aktivitäten der Industrie unterstützen. Dabei solle auf
die Zuarbeiten verschiedener Akteure gebaut werden, z.B. auf die aktuelle Stellungnahme
der National Highway Traffic Safety Administration [3]. Aufgrund der Befragung von
Experten würden die größten Herausforderungen des automatisierten Fahrens bei
Technologieentwicklung, Funktionaler Sicherheit der Elektronik (Ausfallsicherheit, Datensicherheit), Lösung von Haftungsfragen, Erprobung und Zertifizierung sowie Schaffung von
Nutzerakzeptanz und regulatorischem Rahmen gesehen. Aus Sicht des DOT könnten die
Potenziale der Automatisierung nur bei gleichzeitiger Vernetzung von Fahrzeugen und
Infrastruktur erreicht werden. Der Plan wird auf 5 Jahre ausgelegt sein und soll ab 2014
umgesetzt werden.
Nach Angaben von Bernard Soriano, Deputy Director des California Department of Motor
Vehicles soll im U.S.-Bundesstaat Kalifornien bis spätestens zum 1. Januar 2015 der
regulatorische Rahmen für die Erprobung und den Betrieb autonomer Fahrzeuge auf
öffentlichen Straßen geschaffen werden. Dies geschehe von dem Hintergrund der Tatsache,
dass Lösungen für die Automatisierungsstufen Level 1 „Assisted“ (System unterstützt den
Fahrer beim Lenken, Beschleunigen und Bremsen) und Level 2 „Partial Automation“
(Teilautomatisierung: System lenkt, bremst und beschleunigt selbst, Fahrer beobachtet den
Verkehr) nach SAE Definition [Annex 1] bereits am Markt verfügbar sind, Lösungen für Level
3 „Conditional Automation“ (Hochautomatisierung: System beobachtet auch den Verkehr) in
Erprobung seinen (z.B. bei Google) und solche für Level 4 „Complete Automation“
(Vollautomatisierung) bereits entwickelt würden. Ähnliche Gesetzgebung wird in den
Bundesstaaten Nevada und Florida entwickelt.
4.)
Erkenntnisse der Wissenschaft
Der Darstellung von Bryant Walker Smith, eines Juristen am Center for Internet and Society
und am Center for Automotive Research der Stanford University, zufolge lassen sich die
rechtlichen Herausforderungen der Automatisierung von Straßenfahrzeuge wie folgt
umreißen: (a) Unklarheit der Pflichten für den Fahrer, (b) Unsicherheit über technische,
rechtliche und imagebezogene Risiken, (c) Nutzung und Missbrauch von Daten. Die
Automatisierung stelle durch den höheren Grad an Vernetzung eine größere Nähe zwischen
dem Hersteller (oder Serviceanbieter), Fahrzeug und Fahrer her, durch die sich die
Verpflichtungen des Herstellers gegenüber Personen, die durch das Fahrzeug gefährdet
werden, erhöht werden könnten. Diese Verpflichtungen ließen sich in einem
Geschäftsmodell, das Mobilität als Dienstleistung anbietet, evtl. akzeptieren und managen.
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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Clifford Nass, Kommunikationswissenschaftler an der Stanford University, beschrieb die
psychologische Dimension des automatisierten Fahrens anhand des Situationsbewusstseins, das auf den verschiedenen Stufen der Automatisierung in unterschiedlichem
Grad benötigt werde. Wahrnehmen, Begreifen und Planen seinen verschieden stark
gefordert, besonders kritisch zeige sich dies beim Übergang vom automatisierten zum nichtautomatisierten Fahren. Folglich erfordere die Automatisierung des Straßenverkehres eine
Reihe von Paradigmenwechseln, z.B. vom Achtgeben des Fahrers auf den Verkehr hin zum
Situationsbewusstsein des Fahrzeugs, das erst in kritischen Situationen die Aufmerksamkeit
des Fahrers wieder erfordert.
Die Erfahrungen, die in den Vereinigten Staaten bislang mit automatisierten Straßenfahrzeugen gemacht wurde erläuterte Joe Peters, Director Operations R&D, von der Federal
Highway Administration: Im AERIS-Programm sei nachgewiesen worden, dass sich durch
intelligente Verkehrssteuerung der Kraftstoffverbrauch um 9% (bei 40 mph / ca. 65 km/h) bis
18% (bei 20 mph, ca. 30 km/h) steigern lasse und beim Platooning von LKWs seien
Effizienzsteigerungen von 10-14% gemessen worden.
Eine Roadmap für die Entwicklung von Technologien und Rahmenbedingungen des
automatisierten Straßenverkehrs stellte Steve Underwood, Director Connected Vehicle
Proving Center an der University of Michigan in Dearborn, vor. Diese setzt die
Markteinführung von kombinierten Technologien wie Spurhalte- und Abstandsassistenten für
2015, und von begrenzten Selbstfahrfunktionen auf Autobahnen wowie in Staus für 2020 an,
automatisiertes Fahren in Städten ab 2025 und fahrerloses Fahren, z.B. Robotertaxis, ab
2030.
5.)
Aktivitäten von Unternehmen
Nach Einschätzung von Jan Becker, Senior Manager am Research and Technology Center
von Bosch in Kalifornien, kann die Automatisierung auf den Fahrer je nach Situation
entlastend oder stimulierend wirken und so die Freude am Fahren erhöhen. Die Roadmap
von Bosch beschreibe die Einführung in Schritten ausgehend von Fahrerassistenzsystemen
wie dem Tempomaten mit Abstandsregelung (Adaptive Cruise Control) und dem Spurhalteassistenten (Lane Keeping Support), die auf der Auswertung von Signalen einzelner
Sensoren beruhen. Die Automatisierung fange mit integrierten Lösungen an, die Daten aus
mehreren Quellen fusionieren. Diese entlasteten den Fahrer durch longitudinale und
zugleich laterale Führung (Integrated Cruise Assist), belasse die Kontrolle aber noch
vollständig bei ihm. Eine Reduzierung der Kontrolle durch den Fahrer beginne erst mit dem
nächsthöheren Grad an Automatisierung, der noch vor 2020 zuerst auf Autobahnen zum
Einsatz kommen solle (Highway Pilot) und schließlich auch für Pendler im urbanen Umfeld
verfügbar sein werde. Voraussetzung dafür sei die 360-Grad-Umdfelderkennung durch die
eingesetzte Sensor-, Radar- und Kameratechnologie, die autonome Entscheidung über den
Spurwechsel ermögliche. Weiterer Entwicklungsbedarf besteht nach Aussage von Becker in
den Bereichen Fahrerzustandsmonitoring, Online-Kartendaten, Wahrnehmung, Entscheidungsfindung, Aktorik, funktionale Sicherheit und in der Anpassung der elektrischen und
elektronischen Architektur. Bosch erprobt das automatisierte Fahren in Deutschland und in
den USA [4].
Welche Herausforderungen und Forschungsprioritäten sich aus Sicht von Volkswagen mit
dem automatisierten Fahren verbinden, stellte Arne Bartels von der Forschungsabteilung
des Unternehmens vor. Ausgangspunkt sei die zunehmende Markteinführung von
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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Systemen, die den Fahrer beim Bremsen, Spur halten, Einparken, Abblenden und beim
Erkennen von Verkehrsschildern unterstützen oder ihn vor Ermüdung warnen. Ein
zunehmender Grad an Automatisierung des Fahrzeugs lasse im Wesentlichen längere
Reaktionszeiten des Fahrers zu, die auf dem SAE Level 3 bereits 10 Sekunden und bei
Level 4 sogar 10 Minute betragen könnten [Annex 2]. Dies stehe im Widerspruch zur Wiener
Konvention und damit in vielen Fällen zum Straßenverkehrsrecht. Daher bestehe
Handlungsbedarf. Weitere Voraussetzungen für die Automatisierung von Straßenfahrzeugen
seien: Selbstlernende Karten und Onlinedienste über Car-to-Infrastructure-Kommunikation,
Car-to-Car Kommunikation, Erprobung, Rechtsrahmen, Fahrerzustandsmonitoring, und
fehlertolerante Systemarchitektur. Die Aktivitäten von Volkswagen bei der Automatisierung
von Fahrzeugen sind beim Electronics Research Lab in Kalifornien angesiedelt. Es besteht
eine enge Kooperation mit der Stanford University. Nach Angaben von Bartels steht
Volkswagen mit den Anbietern von Kartendaten in Kontakt und kann sich auch vorstellen,
solche Daten mit den eigenen Fahrzeugen zu sammeln.
Die Entwicklungen von BMW im Bereich des automatisierten Fahrens auf Autobahnen
wurden von Dirk Rossberg, dem Leiter des Technology Office in Kalifornien vorgestellt.
Nach seiner Darstellung stellt der Übergang vom teilautomatisierten zum hochautomatisierten Fahren (also von SAE Level 2 zu 3) einen Sprung beim Kundennutzen und zugleich
eine große Herausforderung an die Technik dar. Vor dem Hintergrund eines geeigneten
Rechtsrahmens müssten Einführungsszenarien (auch für die Mischung von automatisiertem
und nicht automatisiertem Verkehr), Akzeptanz der neuen Fahrerrolle, Interesse von
Wirtschaft und Politik sowie eine robuste Technologie geschaffen werden. BMW erprobe die
Machbarkeit des 100% automatisierten Fahrens auf Autobahnen seit Januar 2013 in
Zusammenarbeit mit Continental in Deutschland.
Welche Erwartungen in den Bereichen Verkehrssicherheit, Kraftstoffeinsparung und
Produktivitätsgewinn Google mit dem automatisierten Straßenverkehrs verbindet, erläuterte
Ron Medford, der Safety Director des in Kalifornien ansässigen Unternehmens. Er gab
insbesondere zu bedenken, dass die Automatisierung vermutlich nicht zu 100% effektiv sein
könne und verwies darauf, dass andere Maßnahmen wie Sitzgurte, Airbags, Kindersitze etc.
zwar einen erheblichen, aber nicht vollkommenen Sicherheitsgewinn gebracht hätten.
Google testet das hochautomatisierte Fahren (SAE Level 3 und höher) seit 2010 im
Straßenverkehr [5] und setzt sich für die Schaffung des nötigen Rechtsrahmens ein. Dieser
trat 2012 erstmals im Bundestaat Nevada in Kraft. Automatisierte Straßenfahrzeuge erhalten
dort ein Nummernschild mit rotem Hintergrund, auf dem zudem das Symbol für Unendlichkeit („∞“) abgebildet ist.
6.)
Stellungnahmen der internationalen Vertreter
Im Auftrag der Europäischen Kommission nahm Maxime Flament von ERTICO an dem
Workshop teil. Er stellte ausgehend von der aktuellen Roadmap im Verkehrsbereich [6] die
Ziele der Europäischen Union dar, u.a. die Halbierung der Zahl der Unfallopfer im
Straßenverkehr bis 2020 und eine „Vision zero“ für Todesopfer bis 205. Vor diesem
Hintergrund erscheine das automatisierte Fahren langfristig als einzige Lösung. Flament
erläuerte, dass sich das Themenfeld der intelligenten und kooperativen Mobilität
insbesondere in den IKT-Arbeitsprogrammen der Europäischen Kommission niedergeschlagen und zu einer Vielzahl von F&E-Projekten geführt habe. Als Beispiele führte er an:
HAVEit (verschiedene Stufen des automatisierten Fahrens), citymobil (DemonstrationsAutomatisierung von Straßenfahrzeugen
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projekt, aus dem u.a. das auf automatisierten Fahrzeugen basierende Transfersystem am
Flughafen London-Heathrow entstanden ist) und interactive (Aktive Sicherheitssysteme).
Darüber hinaus verwies er auf verschiedene Studien, die die Europäische Kommission in
der Vergangenheit beauftragt habe, sowie auf die 2012 gegründete Arbeitsgruppe
„Automation in Road Transport“ des iMobility Forums, die neue Coordination Action VRA
und einige in Verhandlungen befindliche Forschungsprojekte.
Die Aktivitäten Japans bei der Automatisierung von Straßenfahrzeugen beleuchtete
Yasuhiro Okumura, Director ITS Policy im Ministry of Land, Infrastructure, Transport and
Tourism. Er betonte die Bedeutung der Kommunikation von Fahrzeugen und Infrastruktur für
die Einführung der Elektromobilität und stellte die „ITS Spot“-Technologie vor, die diese
Kommunikation mit hoher Bandbreite ermöglicht. An 1600 Stellen in Japan wurden
inzwischen entsprechende Sender installiert, mehr als 100.000 Fahrzeuge können mit ihnen
kommunizieren. Sie stellen bereits heute Informationen zur Verkehrslenkung und zur
Warnung zur Verfügung und sollen künftig mit Spurhalteassistenten und Tempomat mit
Abstandsregulierung kombiniert werden, um so Verkehrsstaus zu vermeiden. Das hoch
automatisierte Fahren (Auto-Pilot) soll darüber hinaus in Japan in Schritten entlang einer
Roadmap bis zum Jahr 2020 eingeführt werden [Annex 3].
7.)
Automatisierung und Elektromobilität
Ein Teil der Diskussionen des Workshops wurde in kleinen Arbeitsgruppen geführt, darunter
auch eine Runde zum Thema Energy and Environment, die von Paul Leiby, einem
Wissenschaftler bei der Environmental Sciences Division am Oak Ridge National Laboratory
moderiert wurde. An dieser nahmen u.a. Mitarbeiter des Advanced Vehicle Programms des
U.S. Department of Energy teil, die sonst die Förderprogramme zur Elektromobilität
zuständig sind. Diese Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit den Zusammenhängen von
Automatisierung des Straßenverkehrs und Konzeption von Fahrzeugen, die eine hohe
Energieeffizienz oder die Verwendbarkeit alternativer Kraftstoffe ermöglichen, insbesondere
von Elektro- und Plug-In-Hybridfahrzeugen. In diesem Zusammenhang wurden die
Potenziale der Kraftstoffeinsparung durch Optimierung der Verkehrsflüsse erwähnt. Zudem
wurden die Möglichkeiten der Steigerung von Energieeffizienz durch Leichtbau diskutiert,
der bei Automatisierung konsequenter eingesetzt werden könnte. Es wurde auch
argumentiert, in automatisierten und vernetzten Straßenverkehr könne die Reichweitenvorhersage von Elektrofahrzeugen verbessert und deren Nutzung, gerade in gemanagten
Flotten und Carsharing-Diensten optimiert werden. Schließlich wurde festgestellt, dass der
elektrische Antrieb und die damit einhergehende Neukonzeption der elektrischen und
elektronischen Architektur den Einsatz von elektronischen Steuerungen und die
Automatisierung erleichterten. Automatisierte Funktionen könnten zugleich den Nutzwert
und die Attraktivität von Elektrofahrzeugen erhöhen. Dieses dürften Beweggründe für BMW
und Volkswagen sein, für in ihre Elektrofahrzeugmodelle i3 mit einem Stauassistenten und
eT! mit einer Follow-me Funktion (Transporter folgt dem Fahrer beim Gehen von Haus zu
Haus) automatisierte Optionen vorzusehen.
8.)
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzustellen, dass höhere Grade der Automatisierung von Straßenfahrzeugen (ab SAE Level 3) aufgrund der potenziellen Vorteile für die Verkehrssicherheit,
die Energieeffizienz und die Produktivität weltweit als erstrebenswert angesehen werden.
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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Die nötigen Schlüsseltechnologien in den Bereichen Umfelderkennung, Datenverarbeitung
und Kommunikation mit der Infrastruktur wurden in den vergangenen Jahren konsequent
entwickelt [7] und sind zumeist am Markt verfügbar, auch wenn es weiter Forschungs- und
Entwicklungsbedarf gibt, z.B. bei interaktiven Karten, der funktionalen Sicherheit und der
Fusion von verschiedenen Informationsquellen. Getrieben von Akteuren der IT-Branche wie
Google finden in den Vereinigten Staaten derzeit intensive Erprobungen statt. Infolgedessen
bemühen sich einige Bundesstaaten darum, schnell die rechtlichen Voraussetzung für das
hochautomatisierte Fahren zu schaffen und auf der amerikanischen Bundesebene wird
entlang einer Roadmap ein umfangreiches Programm für die Klärung der noch offenen
rechtlichen und technischen Fragen aufgelegt. Auffällig ist die starke Beteiligung deutscher
Automobilhersteller und –zulieferer sowie das Engagement von deren Forschungszentren in
Kalifornien bei der Bereitstellung der Schlüsseltechnologien. Weder amerikanische noch
japanische oder andere europäische Hersteller sind ansatzweise so präsent wie die
deutschen. Das jüngste Beispiel dafür dürfte die Kooperation von Continental mit dem
Telekommunikationsunternehmen Cisco im Bereich der Datenkommunikation für das
automatisierte Fahrzeug sein [8]. Bemerkenswert ist auch die Verbindung, die zwischen den
Themen Automatisierung und Elektromobilität gesehen wird.
9.)
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Die erfolgreichen Aktivitäten der Forschungszentren deutscher Hersteller bei der
Automatisierung von Straßenfahrzeugen in den Vereinigten Staaten sind begrüßenswert und
sollten durch eine gezielte Vernetzung mit Unternehmen hierzulande und dort weiter
gefördert werden. Angesichts der Tatsache, dass die Schlüsseltechnologien für die
Automatisierung von Straßenfahrzeugen im Wesentlichen von deutschen Zulieferunternehmen und in vielen Fällen mit Unterstützung durch entsprechende Förderprogramme
des Bundes entwickelt werden, rät die VDI/VDE-IT aber dringend dazu, auch hierzulande
und damit (dem Beispiel Japans folgend) auch außerhalb des amerikanischen Marktes
umgehend die technischen, verkehrs- und haftungsrechtlichen sowie organisatorischen
Voraussetzungen für die Erprobung und den Einsatz von automatisierten Straßenfahrzeugen zu schaffen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich die Produktentwicklungen
nur an Normen und Voraussetzungen anderer Märkte z.B. in den Vereinigten Staaten
orientieren und infolgedessen erhebliche Teile der Wertschöpfung dorthin abwandern
könnten. Das bestehende Knowhow deutscher Unternehmen muss nicht nur durch
Erprobung, Standardisierung und Zertifizierung gestärkt und durch Forschung, Entwicklung
und Demonstration ausgebaut werden, sondern auch unter Nutzung der hier verfügbaren
Kommunikations-, Navigations- und Kartensysteme, und für die im hiesigen Markt
relevanten Szenarien zur Anwendung gebracht werden. Zudem muss frühzeitig die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit für die Einführung des automatisierten Fahrens in
Europa verstärkt sowie eine internationale Harmonisierung erreicht werden.
Die Rechtfolgen einer zunehmenden Automatisierung (Teil-, Hoch- und Vollautomatisierung)
von Straßenfahrzeugen in Deutschland wurde im vergangenen Jahr von einer
Expertengruppe unter Leitung der Bundesanstalt für Straßenwesen in einer umfangreichen
Studie analysiert [9]. Dabei stellte sich heraus, dass die verschiedenen Automatisierungsgrade durch unterschiedlich hohe Konzentration der Aufmerksamkeit des Fahrers auf das
Verkehrsgeschehen und durch unterschiedliche starke Eingriffsmöglichkeiten in die
Fahrzeugsteuerung charakterisiert sind. Nur die Teilautomatisierung lässt sich demnach mit
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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der in Deutschland gültigen Rechtslage vereinbaren, bei der Hoch- und Vollautomatisierung
hingegen verstieße der Fahrzeugführer gegen die in der Straßenverkehrsordnung implizit
angenommenen Pflichten ständiger Fahrzeugbeherrschung und Verkehrsbeobachtung,
wenn er sich auf das System verließe. Auch würden sich Schadens- und Produkthaftungsfragen dabei neu stellen. Daher bestehe zunächst weiterer Forschungsbedarf.
Vor dem Hintergrund der bei dem o.g. Workshop gewonnen Erkenntnisse empfiehlt die
VDI/VDE-IT, in Ergänzung dieser rechtlichen Bestandsaufnahme unverzüglich eine
umfassende nationale Strategie für die Automatisierung von Straßenfahrzeugen zu
entwickeln und rät, dabei alle befassten Ressorts der Bundesregierung, die Unternehmen
der Automobil-, Elektronik- und Telekommunikationsbranche und die Zivilgesellschaft mit
einzubeziehen.
Der Presse war kürzlich die Aussage des Bundesverkehrsministeriums zu entnehmen, dass
sich zwecks Klärung der für das automatisierte Fahren relevanten Fragen gerade eine
Arbeitsgruppe bilde [10]. Vor dem Hintergrund ihrer Rollen als Projektträger und ihrer
Expertise in einer Vielzahl von relevanten Bereichen (Mikrosystemtechnik, Automobilelektronik, Elektromobilität, demographischer Wandel, Autonomik), als Sekretariat der
Europäischen Technologieplattform EPoSS und als Veranstalter des jährlichen Internationalen Forums on Advanced Microsystems for Automotive Applications ist die VDI/VDE-IT
gerne bereit, sich aktiv an einen solchen Dialog zu beteiligen, und diesen auf Wunsch auch
zu initiieren oder fachlich-inhaltlich zu begleiten.
Kontakt:
Dr. Gereon Meyer, VDI/VDE Innovation + Technik GmbH
Tel. 030 310078-134, E-Mail: [email protected]
Literatur
[1] How can self-driving cars change our world, Forbes Magazine, 7. Juni 2013.
[2] The future of the car: Clean, safe and it drives itself, The Economist, 20. April 2013.
[3] Preliminary statement of policy concerning automated vehicles, National Highway Traffic
Safety Administration 2013.
[4] Automatisiertes Fahren – Bosch testet auf deutschen Straßen, Bosch, 3. Mai 2013.
[5] Google cars drive themselve in traffic, The New York Times, 9. Oktober 2010.
[6] White Paper – Roadmap to a single European transport area – Towards a competitive
and resource efficient transport system. European Commission, COM (2011) 144.
[7] Advanced Microsystems for Automotive Applications 2013: Smart Systems for Safe and
Green Vehicles, ed. by J. Fischer-Wolfarth and G. Meyer, Springer 2013.
[8] Continental baut ein Roboterauto, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. August 2013
[9] Rechtsfolgen zunehmender Fahrzeugautomatisierung, Berichte der Bundesanstalt für
Straßenwesen, Heft F 83, 2012.
[10] Automatisiertes Fahren: Mensch gegen Maschine. Spiegel Online, 14. Juni 2013.
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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Anhang
[Annex 1]
Summary of SAE International’s Draft Levels of Automation for On-Road Vehicles, July
2013.
[Annex 2]
Zusammenhang von Grad der Automatisierung und Fahreraktivität (Volkswagen)
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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Annex 3]
Roadmap für die Einührung des automatisierten Fahrens in Japan (MLIT)
Automatisierung von Straßenfahrzeugen
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