örograpnre - kultur i de braui

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örograpnre - kultur i de braui
NAGEL & KIMCHE
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örograpnre
KURT GERRON
Kurt Gerron, dessen ursprünglicher Name Kurt Gersonwar, kam am 11. Mai 1897 in
Berlin als einziges Kind einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie zur
Welt. AIs Siebzehnjähriger wurde er als Soldat an die Front berufen und kehrte von dort
schwer verletzt nach Berlin zurück. Die Verletzung ermöglichte ihm zwar sein geplantes
Medizinstudium zu absolvieren, doch im Anschluss wurde er - nun als Lazarettarzt - erneut an die Front geschickt.
Nach Ende des Ersten Weltkriegs wandte sich Gerron der Schauspielereizu und wurde
zu einem Star, sowohl auf der Kabarettbühne, wie auch im Theater und auf der Leinwand. In der Uraufführung der Dreigroscherloper (1928) verkörperte er den Tiger Brown
und in Der blaue Engel von Josef von Sternberg spielte er den Zauberkrin,;tler Kiepert.
Als Regisseur produzierte er mit den Größen seiner Zeit erfolgreiche Filme für die UFA.
Er arbeitete mit Schauspielern wie Hans Albers, Marlene Dietrich, Emil Jannings, Heinz
Rühmann, und Magda Schneider, auch mit Max Schmeling war er befreundet.
Diese Freundschaften wurden auf eine harte Probe gestellt, als 1933 die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernahmen und Gerron aus Berlin vertrieben. Seine Regiearbeit am UFA'Film Kind, ich freu'mich auf Dein Konnten konnte er nicht mehr
beenden.Zusammen mit seiner Ehefrau Olga floh der Künstler zuerst nach Paris und anschließend nach Wien, ohne in beiden Städten langfristig Fuß fassen zu können. Gerron
emigrierte daraufhin nach Amsterdam, wo er als Filmregisseur erfolgreich war, bis ihm
die Fremdenfeindlichkeit der Branche weitere Aufträge verwehrte. In der zweiten Häifte
der 1930er Jahre schlug er sich als Kabarettist und Schauspieler an der I{olland,cche
Schouwburg durch, wo er auch noch auftrat als sie auf Befehl der deutschen Besatzer zur
ausschließlich für Juden zugänglichen Joodsche Schouwb.llgrumgewandelt wurde. Drei
Jahre nach der Besetzung wurden Kurt Gerron und seine Frau deportiert - zuerst ins
Durchgangslager Westerbork und zu Beginn des Jahres 1944 ins Ghetto Theresienstadt.
Dort gründete Gerron das Kabarett Karu,cseLLIm Sommer desselbenJahres bestimmte
ihn die Lagerleitung zum Regisseur für einen pseudodokumentarischenPropagandafilm
über Theresienstadt. Der Film, mit dem (nachträglich dazu erfundenen) titel Der Frihrer
,schenkt den Juden eine Sladt, wurde in den ietzten Monaten des Zweiten Weltkriegs fertig gestellt und konnte seinen Auftrag, die Weltöffentlichkeit über die tatsächlichen Zu'
stände in den deutschenLagern hinweg zu täuschen, nicht mehr erfüllen.
Kurt Gerron ist die eigene Rettung nicht gelungen. Am 30. Oktober 1944 wurden er
und seine Frau Olga in den Gaskammern des Konzentrationslagers Auschwitz ermordet,
wenige Tage bevor die Vergasungen endgültig eingestellt wurden.
NAGEL & KIMCHE
Interview
C h a r l e s L e w i n s k y l m G e sp r ä c h m i t
s e i n e m V e r l e g e rD l r k V a i h i n g e r
Wie kamen Sie darauf, die Geschichte von Kwt Gerron zu erzählen?
Es passiert mir immer mal wieder, dass ich etwas lese oder höre, das in mir eine
Frage auslöst. Und wenn ich dann feststelle, dass mein Kopf nach Monaten oder - wie
bei diesem Buch - nach Jahren, immer noch eine Antwort darauf finden will, dann
muss ich schließlich versuchen, das Thema, das mich so gar nicht loslassen will, literarisch zu bewältigen. AIs ich zum ersten Mal etwas über Kurt Gerron hörte, war ich
von seiner Figur und seinem Schicksal sofort fasziniert. Aber das Detail, das sich festsetzte, war die Frage, warum er in Europa geblieben ist und sich nicht, wie so viele
seiner Kollegen, vor der Hitlerdiktatur nach Hollywood abgesetzt hat. Aus dem Versuch, eine Antwort darauf zu finden, ist nun ein dickes Buch geworden.
oGerron" iet keine Biographie, sondern ein Roman. Wie weit folgen Sie den histo'
rischen Tatsachen?
Kurt Gerron war als Schauspieler, Sänger und Regisseur ein Mann der Öffent'
Iichkeit. Wir wissen, welche Rollen er gespielt und welche Filme er gedreht hat. Von
seinem privaten Leben, von seiner Jugend, von seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg ist kaum etwas bekannt. Ich habe versucht, diese Lücke zu füllen, mit Begegnungen und Erfahrungen, die mit den bekannten Tatsachen nichts zu tun haben,
ihnen aber - das war mir sehr wichtig - auch nicht widersprechen. Mein Gerron ist
eine erfundene Figur und bringt doch sehr viel Wirklichkeit mit sich.
Wenn von historischen Romanen die Rede ist, dann denkt man meist an weit zurück'
liegende Epochen. War es schwierig, daeselbe Format auf die nahe Vergangen-heit an'
zuwenden?
Es gab das Problem des ,,embarras de richesse", ein Überfluss an dokumentarischem Material und an Erinnerungen. Wer über Nofretete oder Karl den Großen
schreibt, hat es da leichter. Und die Aussagen, die ich fand, widersprachen sich oft. Je
mehr ich mich mit dem Thema befasste, desto deutlicher wurde mir, dass man sich
auf Informationen aus Interviews am allerwenigsten verlassen kann. Nicht nur, dass
die Leute die Geschehnisse- und ihre eigene RoIIe darin - schönen, immer wieder
,,erinnern" sie sich auch an Dinge, die nie stattgefunden, und an Personen, die nie
existiert haben. Diese Unzuverlässigkeit hat mich zuerst erschreckt, und mir dann
den Mut gemacht, auch meinerseits der Phantasie freien Lauf zu lassen.
NAGEL & KIMCHE
Die Rekonstruktion
von Gerrons Leben war schwierig, weil vieles davon unbekannt
ist. Was war der überraschendste Fund i:n Zug der Recherchen?
Alle Biographen sind sich einig, dass sich Gerron - aus welchen Gründen auch
immer - nicht habe nach Amerika retten wollen, obwohl er die Mögiichkeit dazu gehabt habe. Ich fand im Archiv des Künstleragenten Kohner die Korrespondenz,in der
sich Gerron von Holland aus aktiv um ein Engagement in Hollywood bemühte. Er war
zu spät dran, und Kohner konnte ihm nicht mehr helfen. In diesem kleinen Punkt
kann ich also die Ansichten der professionellenHistoriker korrieieren.
Gerron war mit allen Größen des öffentlichen Lebens bekannt und mit vielen befreundet, von IWax Schmeling bie Heinz Rühmann und Bertolt Brecht. Das Verhälbris
zu üiesen dreien wird im Roman beschrieben. Hat sich denn keiner Beiner prominenten Freunde für ihn eingesetzt, als er ein Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung
wurde?
Wer nicht selber vor solchen Entscheidungen stand, sollte über Menschen, die sie
zu treffen haben, nicht richten. Aber man muss es leider so deutlich sagen: Die Hilfsbereitschaft gegenüber Verfolgten, derer sich viele Prominente der Zeit in ihren Memoiren gerne rühmen. hält der Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt nur selten
stand.
Sie haben nach
wieder einen Roman mit historischem Hintergrund ge'
"Melnitz"
echrieben. Ist dae eine Form, die sie besonders rcizt?
Ich lasse mich gern von historischen Details zu eigenen Erfindungen anregen.
Aber ich sehe mich nicht als einen Autor, der sich auf ein bestimmtes Genre spezialisiert. Es macht mir Freude, Iiterarisch auf möslichst vielen verschiedenenHochzeiten
zu tanzen.
Ztirich, im Mai 2011
O Verlag Nagel & Kimche AG
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