Jugendliche aus Polen fragen den Chef des EU

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Jugendliche aus Polen fragen den Chef des EU
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Jugendliche aus Polen fragen den Chef des EU-Parlaments: Wie geht es
weiter mit der Ukraine?
„Politiker machen uns blauen Dunst vor, aber welche Schritte sollte man wirklich gegen
die hohe Jugendarbeitslosigkeit unternehmen?“, fragte Kamila Kosińska den Präsidenten
des Europaparlamentes. Und Urszula Kałuzińska erkundigte sich, wie die EU mit der Krise
umgehe.
Rom. Die 16-jährige Urszula und die 18-jährige Kamila sind die polnischen Gewinnerinnen des von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten Wettbewerbes Jugendwahlarena.
Die jungen Frauen sind unter den 19 jungen Menschen aus neun EU-Ländern, die ihre
Vision vom Europa des Jahres 2030 beschrieben haben. Ihr „Europa der Zukunft“ ist ein
Kontinent jenseits von Grenzen – mit einem aktiven Engagement der Türkei, der Ukraine
und sogar von Russland. Letztes Wochenende trafen sich die Gewinner in Rom, um da rüber zu diskutieren, wie die EU ihrer Träume erreicht werden kann. Bei dieser Gelegenheit führten sie auch ein Interview mit dem Präsidenten des Europaparlamentes Martin
Schulz.
Die Jugendlichen erarbeiteten vorher eine Reihe von Fragen, die für junge Europäer von
besonderem Interesse sind. Dabei fragten sie nicht nur nach den Herausforderungen für
die Zukunft Europas, sondern diskutierten auch Probleme, mit denen wir es hier und heute zu tun haben. Hierzu zählen unter anderem der NSA-Abhörskandal, separatistische
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Tendenzen in Katalonien und Schottland, die geringe Wahlbeteiligung bei Europawahlen,
immer stärker werdende nationalistische Tendenzen in den EU-Mitgliedstaaten, aber vor
allem die komplizierte geopolitische Situation der Ukraine.
Die Ukraine ist unser Nachbar
„Ich habe Angst, dass das, was jetzt dort
geschieht,
in
Wirklichkeit
nur
uns
–
Tschechen, Litauer, Slowaken und euch
Polen – interessiert“, erklärte Filip Drapal,
ein
18-jähriger
Ökonomiestudent
aus
Prag, den jungen Polinnen. „Unsere Eltern
erinnern sich, wie das vor 1989 war. Sie
solidarisieren sich mit den Ukrainern und
wir jungen Menschen auch. Die ganze
Zeit verfolge ich die Entwicklungen auf der Krim“, so Filip.
Auch Teilnehmer aus Ländern, die weiter von der Ukraine entfernt liegen, äußerten sich
ähnlich. Nicholas Belfitt aus Großbritannien formulierte es so: „Ich denke, dass der
Traum der Ukrainer nicht die Mitgliedschaft in der EU ist. Sie kämpften auf dem Maidan
für die Unabhängigkeit und jetzt ist diese tatsächlich bedroht. Wir müssen sie unterstützen und das sollten alle Europäer sehen. Wir dürfen unsere Aufmerksamkeit nicht a bwenden und sagen: ‚Sie sind nicht auf unserer Seite, das ist ihre Angelegenheit‘. Das ist
nicht wahr, denn das sind die Nachbarn von ganz Europa.“
Die Fragen zur Situation auf der Krim beantwortete am
Nachmittag auch Martin Schulz. Seine Antworten waren
jedoch für die jungen Gewinner des Wettbewerbes nicht
gänzlich zufriedenstellend. „Ich weiß, dass das Politik ist.
Aber ich würde gerne konkrete Lösungsvorschläge hören.
Werden wir im schlimmsten Falle Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen müssen? Werden wir Studenten aufnehmen? Und werden wir ihnen die Arbeitsaufnahme in
der EU erleitern?“, erklärte Urszula nach dem Interview
mit Schulz. Kamila hingegen bohrte nach den offiziellen
Fragen an Martin Schulz noch einmal nach. Sie lief zum
Präsidenten des Europäischen Parlaments und fragte, was
er „wirklich über die Ukraine“ denke. Schulz befürchte ein
Auseinanderbrechen der Ukraine, doch die EU werde die Integrität des Landes unterstützen. „Ich nehme ihn beim Wort“, so die junge Gymnasiastin.
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Der Mangel an Arbeit entsetzt die Jugendlichen
Davor, bei der offiziellen Fragerunde, war Kamilla die einzige Teilnehmerin, die eine zweite Frage stellen durfte, da
sie die Antwort des Parlamentspräsidenten nicht zufriedenstellte. Die 18-Jährige fragte nach konkreten Lösungen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Schulz
sagte unter anderen, Unternehmen, die junge Menschen
einstellen, sollten gefördert werden. Ferner sollte jungen
Menschen durch Mikrokredite und EU-Fördermittel der
Weg in die Selbständigkeit geebnet werden. Er kommentierte auch die Lücke zwischen Markt und Bildungssystem: „Nicht jedes Land bildet nach Marktbedürfnissen
aus.“
Kamila hakte jedoch nach: „Es ist keine Kunst, EU-Mittel
bereit zu stellen und sie anschließend schlecht zu verwenden. Meine Lehrer, die oft Schulungsangebote der EU in Anspruch nehmen, beklagen, dass vieles davon schlicht Ve rschwendung sei. Man könne dort nichts lernen, sondern verschwende seine Zeit. Daher
geht es nicht darum, mehr Geld für Bildung auszugeben, sondern das vorhandene Geld
besser einzusetzen.“ Schulz bekundete, es falle ihm schwer, die Qualität der Bildungsangebote zu beurteilen. Jedoch versicherte er den Diskussionsteilnehmern, sich des Problems anzunehmen.
Abseits des offiziellen Teils diskutierten die Gewinner der Jungendwahlarena intensiv über
das Thema Arbeitslosigkeit. Junge Griechen brachten offen zur Sprache, dass sich die
Mehrheit ihrer Bekannten nicht über die Branc he Gedanken mache, in der Sie arbeiten
wolle, sondern über das Land der Arbeitsaufnahme. Mehr als 5,5 Millionen arbeitslose
Europäer sind unter 25 Jahren. „Die Menschen arbeiten weit unter ihren Qualifikationen“,
so Urszula. Und Kamila fügte hinzu: „Ich habe Bekannte, die von Monat zu Monat nach
Arbeit suchen. Sie nehmen alles, was sie kriegen können, zum Beispiel in Müllverwe rtungsanlagen. Dabei ließen Sie sich doch ausbilden, um was anderes zu tun.“
Justyna Suchecka
Übersetzt durch die Friedrich-Ebert-Stiftung in Warschau. Der Originaltext ist auf der Internetseite Wyborcza.pl erschienen und kann hier abgerufen werden:
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http://wyborcza.pl/1,75477,15550941,16_latka_z_Ozorkowa_i_18_latka_z_Polkowic_nie
_odpuscily.html
Bild 1: Die Gewinner der Jugendwahlarena zusammen mit Martin Schulz // © FriedrichEbert-Stiftung
Bild 2: Martin Schulz im Gespräch mit Kamila Kosińska // © Friedrich-Ebert-Stiftung
Bild 3: Urszula Kałuzińska // © Friedrich-Ebert-Stiftung
Bild 4: Kamila Kosińska // © Friedrich-Ebert-Stiftung
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