herrschaft, netzwerke, brüder des deutschen ordens in mittelalter

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herrschaft, netzwerke, brüder des deutschen ordens in mittelalter
HERRSCHAFT, NETZWERKE, BRÜDER
DES DEUTSCHEN
ORDENS
IN MITTELALTER UND NEUZEIT
Vorträge der Tagung
der Internationalen Historischen Kommission
zur Erforschung des Deutschen Ordens
in Marburg 2010
herausgegeben von
Klaus Militzer
Unterschiede in der Herrschaftsauffassung und Herrschaft
und Verwaltung in den Zweigen des Deutschen Ordens
von
Klaus Militzer
Wenn jemand die Geschichtsschreibung über den Deutschen Orden Revue passieren lässt, wird er schnell feststellen, dass sich die meisten Autoren - von einzelnen
Ausnahmen abgesehen! - mit einem Zweig des Ordens befasst haben. Von denen
hat die größere Zahl ihr Interesse dem Orden in Preußen- und weniger dem in Livland! gewidmet. Die Aufmerksamkeit wurde erst in der letzten Zeit - wieder von
1 Der Altmeister der Geschichte des Deutschen Ordens Johannes Voigt, Geschichte Preußens von
den ältesten Zeiten bis zum Untergang der Herrschaft des Deutschen Ordens, 9 Bde., Königsberg
1827-1839, hat sich auch mit den Balleien im Deutschen Reich beschäftigt: ders., Geschichte des
Deutschen Ritterordens in seinen zwölf Balleien, 2 Bde., Berlin 1857-1859; Marian Turnier, Der
Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400, Wien 1955; Marian Tumler/Udo
Arnold,
Der Deutsche Orden, Bad Münstereifel 51992; Hartrnut Boockmann,
Der Deutsche
Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 41994; Kristjan Too maspoeg, Histoire des
chevaliers teutoniques, Paris 2001; William Urban, The Teutonic Knights, London 2003; Klaus
Militzer,
Die Geschichte des Deutschen Ordens, Stuttgart 2005; Sylvain Gouguenheim,
Les
chevaliers teutoniques, Paris 2007. Nun auch ein kürzerer Lexikonartikel von Kristjan Toomaspoeg
in: Nicole Be rio u et Philippe J 0 5 S era n d (Hrsg.), Prier et Combattre. Dictionnaire europeen des
ordres militaires au Moyen Age, Paris 2009, S.827-834.
2 Bruno Schumacher,
Geschichte Ost- und Westpreußens, Würzburg 41959; Marian Biskupl
Gerard Labuda, Die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen (Klio in Polen 6), Osnabrück
2000; Jürgen Sarnowsky,
Prusse, in: Prier et Combattre (wie Anm.l), S.756£.; Parisrwo zakonu
krzyiackiego w Prusach, hrsg. von Zenon Hubert N owak und Roman Czaja, Toruri 2000. Auch:
Grischa Vercamer,
Siedlungs-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte der Komturei Königsberg in
Preußen (13.-16.Jahrhundert) (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 29), Marhurg 2010.
;.
'.
."
.
3 William Urban, The Livonian Crusade, Washington 1981; Eric Christiansen,
The Northern
Crusades: the Baltic and the Catholic Frontier 1100-1525, London 1980; Heinz von zur Mühlen,
Livland von der Christianisierung his zum Ende seiner Selbständigkeit (etwa 1180-1561), in: Deutsche Geschichte im Osten Europas: Baltische Länder, hrsg. von Gert v.Pistohlkors,
Berlin 1994,
5.25-172; Inflanty w sredniowieczu, hrsg. von Marian Biskup, Toruri 2002; Norbert Angermann, Livonie, in: Prier et Combattre (wie Anm.l), 5.551£.; Bernhart Jähnig, Verfassung und
1
Ausnahmen abgesehen - auf die Balleien, also die Ordenshäuser und kleineren
Herrschaftsbildungen im Reich selbst, meist in Süddeutschland gelenkt. Das soll
nicht heißen, dass sich niemand mit der Ordensgeschichte einzelner Kommenden
oder auch Balleien beschäftigt habe, das Gegenteil ist der Fall. In der Regel wurde
die Geschichte dieser Kommenden und Balleien jedoch isoliert gesehen und nicht in
eine Gesamtschau eingebettet. Das geschilderte Verfahren hat gewiss seine Berechtigung gehabt. Jedoch sollte eine Gesamtschau nicht zu kurz kommen, sondern stets
im Hintergrund der Betrachtung stehen.
Spärlicher werden ältere Arbeiten über die Niederlassungen des Ordens im westlichen Mittelmeerraum, in Italien, Spanien und Griechenland, das damals meist
Morea genannt worden ist. Ebenso wenig ist über die Geschichte des Ordens in
Palästina gearbeitet worden. Die Geschichtsforschung vor allem in Frankreich und
England wie den Vereinigten Staaten hat sich eher mit den größeren und älteren
Ritterorden, den Templern und Johannitern befasst, als sich auf den jüngeren und
zunächst auch kleineren Deutschen Orden einzulassen.
'
Ich will auch gar nicht den Deutschen Orden und seine Geschichte aus dem zeitlichen Gesamtablauf herausheben oder gar isolieren. Der Orden hat vielmehr von
den beiden älteren Ritterorden und deren Errungenschaften in vielerlei Hinsicht
profitiert. Das soll hier nicht erneut herausgearbeitet werden', Ebenso wichtig ist
die Einbettung der Ordensgeschichte in die allgemeine Politik der großen und kleineren Herrscher, Fürsten, Grafen und auch der Städte, da die Entwicklung des Ordens ohne Förderung durch jene weltlichen Gewalten gar nicht abschließend zu
verstehen oder zu deuten ist.
Nun hat in jüngster Zeit Krzysztof Kwiatkowski, ein polnischer Kollege, den Gehorsam, den die Ordensbrüder zu leisten hatten, in den Vordergrund geschoben',
Er hat sicher insofern Recht, als der Gehorsam eine der wesentlichen Tugenden
bzw, Forderungen jeder religiösen Korporation und auch des Deutschen Ordens
gewesen ist. Selbst in dessen Statuten spielte der Gehorsam eine Rolle", Schließlich
waren die Bestimmungen vom Templerorden übernommen worden. Der Gehorsam
Verwaltung des Deutschen Ordens und seiner Herrschaft in Livland (Schriften der Baltischen Historischen Kommission 16), Berlin 2011.
4 Vg!. Klaus Militzer,
Von Akkon zur Marienburg (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 56 - Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 9), Marburg 1999, 5.47-49,110-115; vg!. auch Jochen Burgtorf,
The Central Convent of Hospitallers and Templars (History of Warfare 50), Leiden, Boston 2008.
5 Krzysztof K wiatkowski,
Die Grundlagen des Militärdienstes im Deutschen Orden in Preußen
(vom 13. bis Anfang des 15.Jahrhunderts), in: Beiträge zur Militärgeschichte des Preußenlandes von
der Ordenszeit bis zum Zeitalter der Weltkriege, hrsg. von Bemhart Jäh n i g (Tagungsberichte der
Historischen Kommission für 05t- und westpreußische Landesforschung 25), Marburg 2010, 5.31-48.
6 Max Perlbach,
Die Statuten des Deutschen Ordens nach den ältesten Handschriften, Halle a.d.S.
1890, S.29f., RegelI; vg!. Klaus Militzer,
Die Entstehung der Deutschordensballeien im Deutschen Reich (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 16), Marburg 21981,5.1 f.
2
gehörte wie die beiden anderen Gelübde der Keuschheit und der Armut zu den
Grundfesten des Ordens. Im' 13.Jahrhundert mag das Gehorsamsgelübde tatsächlich dahin gehend ausgelegt worden sein, dass ein Bruder den Befehlen gehorchte,
auch wenn er deren Sinn nicht verstand, falls sich der Befehl nicht gegen ein göttliches, von der Kirche sanktioniertes Verbot richtete. Aber handelte es sich bei dieser Debatte nicht um Ideale oder Vorschriften, die man auch umgehen konnte? Wie
haben sich Ordensbrüder verhalten, als der Streit schon im 13.Jahrhundert eskalierte? Darauf geben die Ausführungen Kwiatkowskis und seine Quellenbelege keine
Auskunft. Im 15.Jahrhundert änderte sich die Lage insofern grundlegend, als nicht
nur im Preußenland, wie Kwiatkowski selbst ausführt, sondern auch in Livland
und in den Balleien unter dem Deutschmeister Bewegungen einsetzten, die dem
Hochmeister in Preußen nicht mehr bedingungslosen Gehorsam entgegenbrachten.
Selbst in Preußen, dem eigentlichen Herrschaftsbereich des Hochmeisters und seiner Berater, begann das Gehorsamsgelübde und die daran begründete Erwartung
der Ausführung von Befehlen zu schwinden.
'
Beginnen wir mit dem 13.Jahrhundert. Insgesamt war dieses Jahrhundert bis zum
Fall von Akkon 1291 für den Deutschen Orden eine Zeit des Aufbruchs, in der er
sich durchsetzen musste. Das galt wohl auch noch für einige Jahre danach, ohne
dass ein festes Datum anzugeben wäre, obwohl die Geschichtsschreibung zu einer
definitiven Datierung neigt. Aber sogenannte epochemachende Entscheidungen wie
beispielsweise die Verlagerung des Haupthauses in die Marienburg ab 1309 erweisen
oder erwiesen sich erst im Nachhinein als zukunftsweisend? Für die damals lebenden Zeitgenossen war die Entscheidung noch gar nicht gefallen, zumindest nicht
endgültig und unumstößlich.
Doch kehren wir zurück zum 13.Jahrhundert in die Zeit Hermanns von Salza
(1209-1239). Ihm wird schließlich der Aufschwung zugeschrieben. Jedoch lassen
einige wenige Nachrichten vermuten, dass seine politischen Vorgaben nicht ohne
weiteres auf Zustimmung innerhalb des Ordens gestoßen sind. Man kann wohl vermuten, dass schon zu seiner Zeit der Orden längst keine in sich homogene Masse
mehr gebildet hat, sondern dass es Fraktionen mit unterschiedlichen Interessen gegeben hat, die Hermann von Salza selbst nur mühsam überbrücken konnte, soweit
die Quellen einen Einblick gestatten. Während eines Kapitels im Mai 1236 beispielsweise trafen Gesandte des Ordens ein, die zu einer Inkorporation des Schwertbrüderordens Stellung nahmen. Jedoch bildete sichin der Versammlungder Ordens-
7 Klaus Militzer,
Die Übersiedlung Siegfrieds von Feuchtwangen in die Marlenburg (Ordines rnilitares - Colloquia Torunensia Historica 16), Toruli 2011, S.47ff. Positiver sieht die Rolle Siegfrieds
von Feuchtwangen Udo Arnold, Von Venedig nach Marienburg. Hochmeister und Deutschmeister
am Ende des 13./ Beginn des 14.Jahrhunderts, in: Kirche und Gesellschaft im Wandel der Zeiten.
Festschrift für Gabriel Adr iäny i zum 75. Geburtstag, hg. von Hermann-Josef Scheidgen,
Sabine
Prorok und Helmut Rönz, Nordhausen 2012, S.83ff.
'
3
brüder eine starke Strömung, die sich gegen die Einverleibung ausgesprochen haben
soll. Daraufhin wagten die Brüder keine Entscheidung ohne den Hochmeister, der
an dem Kapitel nicht teilgenommen hatte. Dass schließlich der Papst den Orden
fast vor vollendete Tatsachen stellte und 1237 in Viterbo die Inkorporation verlangte, mag für sich sprechen.
Nach Hermanns Tod brachen alsbald Spannungen aus, die sogar zu zwiespältigen
Wahlen der Hochmeister geführt haben oder geführt haben könnten. Eine stauferoder reichstreue Partei stand einer eher dem Papst zuneigenden Fraktion gegenüber.
Das alles ist bekannt und inzwischen auch oft genug interpretiert worden. Weniger
häufig, aber genau so wichtig ist die Feststellung, die immer mehr Anhänger findet,
dass sich auch im Deutschen Orden Seilschaften gebildet hatten, Brüder die sich
kannten und gegenseitig stützten oder ihrem Mitbruder aus derselben Region oder
verwandten Familien in ihren Karrieren halfen8• Über diese Netzwerke thüringischer Ordensbrüder hat Helge Wittmann ausführlicher berichtet. Gerade in der
Frühzeit, als der Orden fast jeden Mann benötigte, um seine Aufgaben in Ost und
West, vom Mittelmeer bis zum Baltikum zu bewältigen, spielten Netzwerke noch
nicht die Rolle wie in späteren Zeiten. Gleichwohl ist und bleibt es bemerkenswert,
dass schon im 13.Jahrhundert Karrieren von solchen Netzwerken abhingen. Wahrscheinlich haben die damals lebenden Ordensbrüder ein derartiges Vorgehen sogar
als durchaus legitim empfunden. Jedenfalls haben sie nicht, soweit wir wissen, dagegen opponiert. In den Quellen lassen sich zwar anhand prosopographischer Studien
solche Netzwerke herausarbeiten, dagegen keine Klagen dagegen herausfiltern.
Trotz allem muss man sich vor Augen halten, dass der Deutsche Orden bereits im
13.Jahrhundert, der Zeit seiner größten Ausdehnung, keine Einheit gebildet hat. Es
haben sich vielmehr Sonderformen ausgeformt, die offenbar nur schwer zu regulieren waren. Ein Mittel, eine gewisse Einheitlichkeit im Orden zu bewahren, bildeten
die Visitationen, deren Recht dem Hochmeister zustand'; Dieses Institut hatten alle
Ritterorden von den Zisterziensern übernommen'P, Ein weiteres Element der Vereinheitlichung waren die Generalkapitel, die gewöhnlich im Haupthaus des Ordens
zelebriert werden sollten. Auch das hatten die Ritterorden von älteren Mönchs-
8 Auf die Bedeutung der Netzwerke hat vor allem aufmerksam gemacht Wolfgang Reinhard,
Freunde und Kreaturen. Verflechtungen als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600 (Schriften der Philosophischen Fakultät der Universität Augsburg 14), München 1974; ders., Nepotismus. Der Funktionswandel einer papstgeschichtlichen Konstante, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 86, 1975, S.145-185.
9 Udo Ar n 0 Id, Die Schriftlichkeit des Deutschen Ordens am Beispiel der Visitationen, in: Die Rolle
der Schriftlichkeit in den geistlichen Ritterorden des Mittelalters: innere Organisation, Sozialstruktur, Politik, hrsg. von Roman Czaj a und Jürgen Sarnows k y (Ordines militares - Colloquia Torunensia historica 15), Toruri 2009, S.7-38; Militzer,
Geschichte (wie Anm.l), S.22f.
10 Jörg Oberste,
Visitationen und Ordensorganisation (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen
religiosen Lebens im Mittelalter 2), Münster 1996.
4
orden übernommen'', Allerdings sind während des Vollzugs der Grundsätze im
Deutschen Orden immer wieder Defizite aufgetreten und hin und wieder auch in
den Quellen zu ermitteln. Denn schließlich lag das Haupthaus bis 1291 in Akkon
im Heiligen Land, während Ordensbrüder am Rande der katholischen Christenheit
im Baltikum, also am anderen Ende der genannten Christenheit eingesetzt worden
sind. Das sind mehr als 3.650 km Luftlinie. Auf eine Reise auf Land und See übertragen, waren die Entfernungen noch erheblich größer. Ein Bote war wahrscheinlich mehr als drei Monate unterwegs, wenn er von Akkon, dem Haupthaus des
Ordens aus, Elbing im Preußenland oder Riga in Livland aufsuchen wollte. Die
Kommunikation zwischen dem wichtigen Haupthaus und den Außenstellen im BaItikum waren entsprechend zeitraubend und blieben umständlich.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn wir nur wenige Nachrichten über
ein Eingreifen vom Haupthaus in die Angelegenheiten der östlichen Provinzen haben. Eine solche Nachricht ist der sogenannte Brief Eberhards von Sayn, des Großkomturs in Palästina, aus den Jahren 1251-1252. In ihm wird ausdrücklich betont,
dass kein Landmeister (preceptor) die Macht habe, eigene Gewohnheiten beschließen zu lassen. Das stehe allein in der Macht des Hochmeisters und des Generalkapitels in Akkonv, Nach dem Fall von Akkon verlangten die Brüder im Preußenland eine stärkere Berücksichtigung ihrer Belange!', Gewiss sind diese Nachweise,
besonders der letztere, Zeichen einer am Ende des 13.Jahrhunderts stärker werdenden Sinnkrise im Deutschen Orden. Dennoch belegen sie die nicht immer wirksamen Durchsetzungsmöglichkeiten von Visitationen und den Beschlüssen des Generalkapitels in einem meist fernen Haupthaus.
Gewiss haben sich Hochmeister nicht nur im Heiligen Land aufgehalten. Soweit
wir wissen, haben sie es nur zu einem geringen Teil getan. Hochmeisterwahlen und
Generalkapitel oder solche Kapitel mit überörtlichem Anspruch fanden auch nicht
nur in Akkon statt. Daher ist die Bedeutung Akkons als "Haupthaus" des Ordens
11 Florent Cygler, Das Generalkapitel im hohen Mittelalter (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter 12), Münster 2002.
.,
12 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, 3 Bde., hrsg. von Marian Biskup und Irena
Janosz-Biskupova
unter der Redaktion von Udo Arnold
(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50 - Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10), Marburg 2002-2008; hier Bd. 1, S.S Nr.2.
13 Preußisches Urkundenbuch, Bd.I,2, hrsg. von August Seraphim,
Königsberg 1882, Nr.713; Klaus
M i lit zer, Der Hochmeister Gottfried von Hohenlohe, in: 800 Jahre Deutscher Orden 1190-1990
(Deutschordens-Museum e.v. Bad Mergentheim. Jahrbuch 1), Bad Mergentheim o.J. [1990], s.ssr,
ders., Gottfried von Hohenlohe, in: Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hrsg, von
Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 40 - Veröffentlichungen
der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 6), Marburg
1998, S.47f.; Ulrich Nieß, Hochmeister Kar! von Trier (1311-1324). Stationen einer Karriere im
Deutschen Orden (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 47), Marburg 1992,
5.16-18. Vgl. neuerdings auch J ähnig, Verfassung (wie Anm.3), S.209f.
5
einzuschränken. Es ist auch oft genug betont worden, dass manche Hochmeister
das Preußenland und Livland aufgesucht und dort Aktionen durchgeführt haben.
Dennoch dürfte als sicher gelten, dass im 13.Jahrhundert und darüber hinaus das
eigentliche Zentrum des Ordens im Heiligen Land ZU suchen ist",
Die Auseinanderentwicklung der Ordensteile in sogenannte "Zweige" ist in Ansätzen schon im 13.Jahrhundert wenige Jahrzehnte nach ihrer Entstehung und Entfaltung zu beobachten. Das lag einmal an der räumlichen Entfernung der Einsatzgebiete, aber auch an den unterschiedlichen Bedingungen, denen sich die Ordensbrüder
in den verschiedenen Einsatzgebieten gegenüber sahen. Das Zusammenleben und
der Kampf gegen die Sarazenen im Heiligen Land waren anders als die Bedingungen im Baltikum. Allein schon die Kampfesweisen unterschieden sich. Dennoch
wird man zugestehen müssen, dass damals noch die soziale Mobilität höher als in
den nachfolgenden Jahrhunderten gewesen ist. Ritterbrüder konnten im 13.Jahrhundert eher von einer Region in die andere gesandt werden, als es später möglich
gewesen ist. Diese Versetzungspraxis mag zum Teil auch zu einer Vereinheitlichung
des Ordens beigetragen haben", Über eine Versetzung von Priesterbrüdern oder
Sarjantbrüdern bzw. Graumäntlern ist dagegen in der frühen Zeit kaum je eine verwertbare Quelle zu ermitteln.
Von der eher allgemeinen Ebene wollen wir uns nun einzelnen Bereichen des
Ordens zuwenden, zunächst dem Wirken des Ordens in der zweiten Hälfte des
13.Jahrhunderts im Heiligen Land, in dem er schließlich gestiftet worden war und
das das Kerngebiet seiner Tätigkeit wie auch seines Selbstverständnisses bis zum
Fall von Akkon 1291 und darüber hinaus geblieben ist. Über Aspekte des Haupthauses in Akkon, dann auch in Montfort oder Starkenberg, wie die Burg in deutscher Sprache meist genannt worden ist, vor allem aus der Mitte des 13.Jahrhunderts hat Shlomo Lotan aus Israel berichtet. Man wird mit ihm feststellen dürfen,
dass wir nicht allzu viel über das Wlfken des Ordens in Palästina wissen, weil ein
großer Teil der Urkunden verloren und weil wohl auch, wie seinerzeit üblich, vieles
nur mündlich vereinbart worden ist. Dennoch ist ansatzweise untersucht worden,
wie sich der Deutsche Orden in einer fremden Umgebung verhalten hat16• Obwohl
14 Militzer,
Von Akkon (wie Anm.4), S.107f.
15 Ebd., S.449-458.
16 Hubert Ho u ben, Intercultural Communications: The Teutonic Knights in Palestine, Armenia, and
Cyprus, in: A.D.Beihammer,
Maria G.Parani
und C.D. Schabel (Hrsg.), Diplomatic! in the
Eastern Mediterranean 1100-1500 (The Medieval Mediterranean 74), Leiden, Boston 2008, S.139157.Auch Marie-Luise Favreau- Lilie, L'Ordine Teutonico in Terrasanta (1198-1291), in: L'Ordine Teutonico nel Mediterraneo, hrsg. von H. H 0 u ben (Acta Theutonica 1), Galatina 2004, S.5572; Benjamin Z. Kedar, Religion in catholic-muslim correspondance and treaties, in: Beihammer
(wie oben), S.407 -421; Nicholas Edward Mort 0 n, The Teutonic Knights in the Holy Land 11901291,Woddbridge 2009. Immer noch lesenswert Kurt Forstreuter,
Der Deutsche Orden am Mittelmeer (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 2), Bonn 1967,für alle Balleien
und Häuser am Mittelmeer.
6
in den Statuten des Ordens keine Beschränkungen auf deutschsprachige Brüder zu
finden sind, setzte sich die Korporation doch in der Mehrzahl aus Adligen des
Deutschen Reichs zusammen. Das gilt insbesondere für die wichtigste Gruppe
der Ritter-, aber auch wohl für die Priesterbrüder, während über die Sarjantbrüder oder Graumäntler keine Aussagen zu machen sind. Dagegen wissen wir von
den Templern und Johannitern, dass die Ritterbrüder zwar in der Mehrzahl aus
dem französischsprachigen Raum stammten, jedoch auch in großer Zahl Italiener,
Spanier, Engländer, die aber meist des Französischen mächtig waren, und in geringerem Maße Deutsche, Skandinavier oder Ungarn aufgenommen wurden. Insgesamt blieb die Zusammensetzung der älteren Ritterorden "internationaler", auch
wenn deren Kommandosprache das Französische gewesen ist. Im Deutschen Orden
scheint die Kommandosprache in allen Zweigeneauch in Palästina, deutsch gewesen
zu seinl~
Obwohl Siedler und Herren aus anderen Bereichen als Frankreich kamen, erlangte das Französische doch in Palästina den Rang einer Verkehrssprache", Daneben
existierte weiterhin das Arabische und zahlreiche andere einheimische Dialekte. Angehörige des Deutsche Ordens hatten daher entweder das Französische zu erlernen
oder mussten sich mit Hilfe eines Dolmetschers verständigen. Letzteres mag vorgekommen sein. Jedoch ist auch richtig, dass es Urkunden in Französisch oder sogar
in Armenisch gegeben hatl9. Laut den Statuten hatte der Hochmeister in Palästina
einen eigenen scriptor sarracenus, übersetzt in deutsche Dialekte, einen heidenissehen
scbribere'". Ferner standen dem Hochmeister je nach Lage mehrere Turkopolen
(turcopulus) zu. Ob diese Männer, über deren Herkunft und Status es manche
Überlegungen gegeben hat", tatsächlich auch als Dolmetscher gedient haben, mag
dahin gestellt sein. Es dürfte jedoch deutlich geworden sein, dass die meist deutschsprachigen Adligen, die in den Orden eingetreten und nach Palästina geschickt worde? war~n, in eine fremde Umwelt gerieten, die mit den ihnen vertrauten Gegebenheiten nicht unbedingt zu vergleichen war. Sie hatten sich in dieser Umwelt zurecht
zu finden. Sie hatten sich nicht nur auf die neuen französisch geprägten und auch
neu gebildeten Institutionen einzustellen, sondern ebenfalls mit den ihnen fremden
orthodoxen Christen und den Muslimen auszukommen, wenn sie überleben und
die Herrschaft des Ordens ausbauen wollten.
Analoges galt auch für das Ordensengagement in Armenien und auf Zypern. Wir
wissen zu wenig über die Lage des Ordens in Armenien und auf Zypern und in
Morea (Griechenland), als dass bislang tragfähige Aussagen möglich wären. Jeden-
17
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21
Vg!. Houben,
Intercultural Communications (wie Anm.16), S.141. '
N.Jaspert,
Die Kreuzzüge, Darmstadt 22004, S.97.
Houben,
Intercultural Communications (wie Anm.16), S.141.
Perl bach, Statuten (wie Anm.6), S.98£., Gewohnheit 11.
Hou ben, Intercultural Communications (wie Anm.16), S.142.
7
falls ist wohl davon auszugehen,dass die Ritterbrüder in diesen Regionen ebenfalls auf ihnen fremde Strukturen gestoßen sind, denen sie sich haben anpassen
miissen+.
•
Eine andere Region hat Kristjan Toomaspoeg vorgestellt. Süditalien trat nach
dem Verlust des Heiligen Landes in den Hintergrund des Ordensinteresses. Es ist
zu beobachten, dass die dort tätigen Ordensbrüder mehr und mehr eine andere .
Strategie verfolgten, als sie es beispielsweise in den Balleien getan haben. Anfangs
mögen Juden und andere Bewohner eine Rolle gespielt haben, indem die Ordensbrüder sie und andere in der Region fremde Männer herangezogen haben. Das änderte sich offenbar im Laufe der Zeit. Die schließlich nur geringe Zahl an Ritterbrüdern in den italienischen, vor allem den süditalienischen Balleien Apulien und
Sizilien verstärkte das System der Einbindung von Familiaren in die Verwaltung der
Ordensgüter. Diese Familiaren waren aber keine Deutschen oder Adlige aus dem
Reich, sondern vielfach angesehene Einheimische, also Italiener, die aber nicht in
den Orden aufgenommen wurden. Die Ritterbrüder haben vielmehr die Oligarchie
vor Ort in ihre Verwaltungstätigkeit einbezogen-', Es ist die Frage, ob diese Politik
nicht schließlich auch zu einer Entfremdung der Ordensgüter geführt hat. Zumindest gerieten die Balleien am Mittelmeer nach der endgültigen Übersiedlung des
Hochmeisters in die Marienburg in Preußen an den Rand des Ordensinteresses. Es
.ist die Frage, ob die Übertragung der Verantwortung für diese Balleien an den
Deutschmeister tatsächlich zu einem erneuten Interesse oder gar zu einem Aufblühen der südlichen Ordensprovinzen geführt haben, wie Toomaspoeg nahe zu legen
scheint. Viele Quellen vor allem aus dem Reich sprechen dafür, dass in die süditalienischen Provinzen oft Brüder abgeschoben worden sind. Es werden weitere Forschungen erforderlich sein, wenn dieses Bild revidiert werden sollte. Allerdings ist
auch in diesem Fall zu differenzieren. Verfallserscheinungen sind vermehrt erst im
15.Jahrhundert zu beobachten.
Wiederum anders war die Lage der Brüder in Friesland, weil der Orden auf eine
Region stieß, die noch nicht dem den meisten Adligen bekannten feudalistischen
System aufgeschlossen war. Es ist wohl nicht abwegig zu behaupten, dass auch diese
Tatsache dazu geführt hat, dass sich der Orden in Friesland vor allem auf Priester-
22 Andreas Kiesewetter,
L'Ordine Teutonico in Grecia e in Armenia, in: L'Ordine Teutonico (wie
Anm.16), S. 73-107; nun auch Hubert Hauben,
The Staufen Dynasty and the Teutonic Knights in
the Eastern Mediterrenean, in: Crossroads between Latin Europe and the Near East: Corollaries of
the Frankish Presence in the Eastern Mediterrenean (12th-14th centuries), hrsg. van Stefan Leder
(Istanbuler Texte und Studien 24), Würzburg 2011, S.179-189.
23 So schon Kristjan Toomaspoeg,
Les Teutoniques en Sicile (1197-1492) (Collection de l'ecole
Irancaise de Rome 321), Rom 2003, S.140-155 und öfter; ferner Hubert Houben,
Der Deutsche
Orden im Mittelmeerraum, in: Der Deutsche Orden in Europa, hrsg. von Karl-Heinz Rueß
(Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 23), Göppingen 2004, S. 37-40.
8
brüder hat stützen müssen", Johannes A. Mol hat dazu mehr gesagt. Nach meinem
Eindruck hat sich die Gesellschaft nicht nur Frieslands, sondern auch weiter Teile
der Ballei Utrecht von der des Reichs unterschieden, besonders von der Adelskultur
in Ober- oder Mitteldeutschland, aber auch der des Rheinlands. Jedoch bedarf es
dazu noch weiterer vergleichender Untersuchungen, die auch Definitionsfragen behandeln müssten. Sollte sich der angeführte Eindruck bestätigen, wäre zu überlegen, ob die Absonderung Utrechts vom übrigen Orden tatsächlich nur auf die
calvinistische Konfession zurückzuführen ist oder ob nicht auch andere Ursachen
einzubeziehen wären, die im sozialen Umfeld der Ritterbrüder zu suchen und zumindest in das 15.Jahrhundert zurückzuführen wären.
Was die Balleien am Mittelmeer, vor allem Apuliens und Siziliens, mit den Kommenden in Friesland verbindet, ist die geringe Zahl der Ritterbrüder, aber vor allem
die Einbettung in das Gesellschaftsgefüge der jeweiligen Region, auch wenn die Lösungen recht unterschiedlich ausgefallen sind. Es gab zwar keine oder nur wenige
Familiaren, aber dass in Friesland die Spitzen der Gesellschaft an der Aufnahme von
Priesterbrüdern beteiligt waren, zeigt die Macht dieser Geschlechter in diesem
Raum, die erst am Ende des 15.Jahrhundert gebrochen werden konnte.
Am Ende des 14.Jahrhunderts und zu Beginn des folgenden spitzte sich die Lage
des Ordens in den böhmischen und mährischen Gebieten, also der Ballei Böhmen,
zu, wie Libor Ja n darlegt. Das lag nicht so sehr an der Adelswelt als vielmehr an
der starken Stellung des Königtums, der es unterstützenden Adelswelt und deren
Ansprüchen, die zumindest für den Deutschen Orden ungewöhnlich waren. Die
Ballei Böhmen unterschied sich in dieser Hinsicht von den anderen Ordensprovinzen im Reich. Die dortigen Landkomture hatten sich an die teilweise andersartigen
Bedingungen anzupassen. Taten sie es nicht, liefen sie Gefahr, ihre Besitzungen einzubüßen. Das ist nach der verlorenen Schlacht bei Tannenberg im Jahr 1410 geschehen. Die Ordensritter, die aus anderen Regionen stammten, kannten eben die Sondersteuer, die Berna, nicht. Gewiss haben die Könige von Böhmen eine besondere
Rolle in der kompromisslosen Einziehung der Steuer am Ende des 14. und zu Beginn des 15.Jahrhunderts gespielt. Es hat auch Amtsträger aus dem böhmischen und·
mährischen Adel gegeben, jedoch blieben hohe Ämter der Ballei in den Händen
auswärtiger Ritterbrüder, die teilweise vom Hochmeister in Preußen geschickt worden waren25•
24 Vg!. vor allem Johannes A. M 0 I, De Friese huizen van de Duitse orde (Fryske histoaryske rige 6),
Ljouwen 1991; nun auch ders., Vechten, bidden en verplegen. Opstellen over de ridderorden in de
Noordelijke Nederlanden (Bijdragen tot de Geschiedenis van de Ridderlijke Duitsche Orde, Balije
van Utrecht 3), Hilversum 2011, mit mehreren Beispielen.
25 Vg!. Josef Hemmerle,
Die Deutschordens-Ballei Böhmen in ihren Rechnungsbüchern 1382-1411
(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 22), Bonn 1967. Dazu verschiedene Arbeiten vor allem von Libor Ja n, zitiert in seinem Beitrag.
9
Die Ballei Böhmen spielte in der Geschichte des Deutschen Ordens in mehrerlei
Hinsicht eine Sonderrolle und ist nicht ohne weiteres mit den anderen Balleien im
Deutschen Reich zu vergleichen, wie auch die Kommenden in Friesland bis zum
Ende des 15.Jahrhunderts eine Sonderrolle einnehmen konnten. Schließlich war die
Ballei schon 1233 dem Meister Hermann Balk untergeordnet worden. Balk sollte
mit Hilfe der Einkünfte dieser Provinz seine Eroberung des Preußenlands finanzieren. Das haben die ihm folgenden Landmeister beibehalten=,
Eine Betrachtung der Situation in den Balleien des Deutschen Reichs fehlt leider
in der Sammlung der Aufsätze weitgehend, obwohl gerade eine Betrachtung der
genannten Balleien Aufschlüsse hätte bieten können. Aber andererseits dürfte es
schwierig sein, Ausführungen zu dem vorliegenden Thema zu machenf, zumal es
begrenzte Ausnahmen in Friesland und auch in Böhmen und Mähren gegeben hat.
In dem Kerngebiet des Ordens in Franken, Schwaben, dem Elsass, Hessen, dem
Rheinland und Thüringen war zunächst, abgesehen von den Netzwerken, von denen noch zu sprechen sein wird, ein Austausch der Brüder nach Preußen, Livland,
Palästina, Südeuropa und auch innerhalb der Balleien üblich28• Am Ende des 13.,
aber vor allem im Laufe des 14.Jahrhunderts verengten sich die Laufbahnen und
Karrieremöglichkeiten. Im 15.Jahrhundert blieb derjenige, der im deutschmeisterlichen Gebiet untergekommen war, im Bereich des Deutschmeisters, derjenige, der
nach Preußen gezogen oder geschickt worden war, in Preußen und konnte allenfalls
darauf hoHern, in eine hochmeisterliehe Kammerballei gehen zu dürfen29• Analoges
lässt sich für Livland beobachten'P,
Im Deutschen Reich wurden die Adelsfamilien Oberdeutschlands immer mächtiger und sorgten für ihre Angehörigen im Umkreis ihrer Güter. Gewiss hat es schon
26 Mili t z er, Entstehung (wie Anm.6), S.149ff.
27 Eine erste Übersicht bei Rudolf ten Haaf, Deutschordensstaat und Deutschordensballeien (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 5), Göttingen 21954; Militzer,
Entstehung (wie
, Anm. 6). Ferner seien hervorgehoben Dieter J. We i ß, Die Geschichte der Deutschordens- Ballei
Franken im Mittelalter (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe IX:
Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 39), Neustadt a.d. Aisch 1991; Hans Limburg,
Die
Hochmeister des Deutschen Ordens und die Ballei Koblenz (Quellen und Studien zur Geschichte
des Deutschen Ordens 8), Bad Godesberg 1969; Ursula Braasch-Schwersmann,
Das Deutschordenshaus Marburg. Wirtschaft und Verwaltung einer spätmittelalterlichen Grundherrschaft (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 11), Marburg 1989. Dazu
könnten noch zahlreiche weitere Arbeiten genannt werden.
28 Militzer,
von Akkon (wie Anm."), S.449-465.
29 Klaus M i lit zer, Die Einbindung des Deutschen Ordens in die süddeutsche Adelswelt, in: Ritterorden und Region - politische, soziale und wirtschaftliche Verbindungen im Mittelalter, hrsg. von
Zenon Hubert Now a k (Ordines militates - Colloquia Torunensia Historica 8), 'Ioruri 1995, S. 146148.
30 Klaus Militzer,
Die Ritterbrüder im livländischen Zweig des Deutschen Ordens, in: Lutz Fenske
und Klaus Militzer,
Ritterbrüder im livländischen Zweig des Deutschen Ordens (Quellen und
Studien zur baltischen Geschichte 12), Köln 1993, S.67f.; Jähnig; Verfassung (wie Anm.3), S.142f.
10
im 13.Jahrhundert sogenannte "Hauskommenden" gegeben, in denen vor allem
nachgeborene Söhne von einheimischen Hochadelsfamilien untergebracht wurden",
Man denke an Virnsberg, um ein Beispiel zu nennen, das der Versorgung nachgeborener Söhne der Burggrafen von Nürnberg, der Hohenzollern, diente32• Solche
"Hauskommenden" mehrten sich. Alle Häuser des Ordens im Reich standen immer mehr unter der Regie des umliegenden Adels oder auch der eine Region beherrschenden Fürsten, wie den Wettinern33, um wieder nur eine Familie herauszugreifen. Es muss bei diesen Andeutungen bleiben, weil eine Einführung mit einer
näheren Betrachtung dieser Tendenzen überfrachtet wäre. Es wäre beispielsweise
lohnend, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Aufnahmepraxis und die Karrieremöglichkeiten in süddeutschen Kommenden und in nördlicher gelegenen Ordenshäusern zu vergleichen sind, ob es dort Unterschiede oder Gemeinsamkeiten
und mithin vergleichbare Zustände gegeben hat. Dass es jedoch Unterschiede gegeben haben wird, wenn man die Jahrhunderte von den Anfängen im 13. bis zur
Reformation im 16.Jahrhundert passieren lässt, scheint plausibel zu sein, da Unterschiede in der Herrschaftsauffassung zwischen süd- und nord- oder mitteldeutschen Adligen aufgedeckt worden sind. Es dürfte einleuchten, dass auch zwischen
den Balleien im Reich Unterschiede bestanden haben, die es aufzuspüren gilt. Leider ist das bislang nur in geringem Maß geschehen. Eine Schwierigkeit besteht sicher auch darin, dass die Unterlagen für eine derartige Untersuchung weit verstreut
sind und sich die Bearbeitung durch die Auflösung und Verteilung des Mergentheimer Archivs weiter verschlechtert haben'",
Schon vor der Herrschaft Pauls von Rusdorf als Hochmeister waren die deutschmeisterlichen Balleien, insbesondere die wichtige Ordensprovinz Franken, dem
eigentlichen Oberen des Ordens entglitten. Dem konnten auch die von späteren
Hochmeistern angeordneten und durchgeführten Visitationen nichts ändern35• Nach
der Schlacht von Tannenberg 1410 und dem Frieden vom Melnosee 1422 und dann
dem Frieden von Brest 1435 brach das Einvernehmen zwischen dem Hochmeister
Paul von Rusdorf und dem Deutschmeister Eberhard von Seinsheim auseinander,
wenn es ein solches Einvernehmen je gegeben haben sollte. Der Deutschmeister
.
31 Dieter Woj tecki, Der Deutsche Orden unter Friedrich 11., in: Josef Fleckenstein
(Hrsg.), Probleme um Friedrich 11. (Vorträge und Forschungen 16), Sigmaringen 1974,S.197-209.
32 Weiß, Geschichte (wie Anm.27), S.124-126.
.
33 Rainer Groß, Die Wettiner, Stuttgart 2007. Über die Ludowinger macht Helge Wittmann nähere
Ausführungen.
34 Karl Heinrich Lampe, Die Auflösung des Deutschordenshauptarchives zu Mergentheim, in: Archivalische Zeitschrift 57, 1961, S.66-130; Alois Seiler, Horneck - Mergentheim - Ludwigsburg.
Zur Überlieferungsgeschichte der Archive des Deutschen Ordens in Südwestdeutschland, in: Udo
Ar n 0 Id (Hrsg.), Horneck, Königsberg und Mergentheim (Schriftenreihe Nordost-Archiv 19), Lüneburg 1980, S.53-102.
.
35 Vg!. die Sammlung der Visitationen, Bd.I-3 (wie Anm.12), mit den Nachweisen für solche Visitationen im deutschmeisterlichen Bereich und in den Balleien im Deutschen Reich überhaupt.
11
stützte sich auf Statuten von angeblich 1329, die sogenannten Orselnschen Statuten,
die sich als Fälschung erweisen sollten, und forderte den Hochmeister zur Rechtfertigung vor einem vom Deutschmeister einberufenen Kapitel auf36•
Jedoch ist zu beachten, dass auch der Deutschmeister mehr und mehr auf Franken beschränkt wurde. Das lag einmal an den Reaktionen des Hochmeisters Paul
von Rusdorf, der die nördlich gelegenen Balleien für sich und gegen den Deutschmeister Eberhard von Seinsheim zu gewinnen trachtete, aber auch an der Ballei
Franken und dem "Deutschmeistertum" selbst. Denn in beiden Gebieten lagen die
wichtigsten und wirtschaftlich stärksten Kommenden. 1444, also bald nach den ins
Spiel gebrachten Orselnschen Statuten, legte ein Kapitel in Mergentheim 1444 fest,
dass der neu gewählte Deutschmeister Eberhard von Stetten nur mit Zustimmung
der Ratsgebietiger aus der Ballei Franken und dem Deutschmeistertum handeln
dürfe, wenn es sich um Ordensangelegenheiten handele. In derartigen Fällen war
der Deutschmeister an das Votum der neuen Ratsgebietiger gebunden3~ Der Orden
wurde mehr und mehr regionalisiert oder territorialisiert, Süddeutschland und seine Ballei Franken vor allem schlossen sich von den anderen Balleien des Reichs
mehr und mehr ab. Innerhalb der deutschmeisterliehen Balleien erhielt Franken
sehr zum Ärger der nördlich gelegenen Ordensprovinzen eine Sonderstellung. Spätestens seit 1444 bildeten die deutschmeisterliehen Balleien keine Einheit mehr. Es
ist zu berücksichtigen, dass die hochmeisterliehen Kammerballeien Böhmen, Bozen,
Österreich, Koblenz und Elsass-Burgund bereits aus unterschiedlichen Gründen
zumindest seit dem Beginn des 14.Jahrhunderts und Elsass-Burgund am Ende des
14.Jahrhunderts dem Hochmeister unterstanden ",
Mit der Beschränkung des Deutschmeisters durch die Amtsträger der Ballei
Franken 1444 und schon früher ging eine Begrenzung der Herkunft der Ordensbrüder einher. Während im 13.Jahrhundert noch mit einer hohen Mobilität zu
rechnen ist und man nicht davon ausgehen kann, dass ein Ritterbruder auch dort
36 Weiß, Geschichte (wie Anm.27), S.292-294; ten Haaf (wie Anm.27), S.34f.; Carl August
Lückerath,
Paul von Rusdorf. Hochmeister des Deutschen Ordens 1422-1441 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 15), Bad Godesberg 1969, S. 174-176. Zur Fälschungsproblematik immer noch: August Se rap him, Zur Geschichte und Kritik der angeblichen Statuten
des Hochmeisters Werner von Orseln, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen
Geschichte 28, 1915,5.1-82.
37 Weiß, Geschichte (wie Anm.27), 5.306-308.
38 Klaus M i lit z e r, Bozen, Koblenz, Österreich und Elsaß - Die Entstehung der hochmeisterlichen
Kammerballeien des Deutschen Ordens. in: Preußische Landesgeschichte. Festschrift für Bernhart
Jähnig zum 60. Geburtstag, hrsg. von Udo Arnold,
Mario Glauert
und Jürgen Sarnowsky
(Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 22),
Marburg 2001, S.I-16; Militzer,
Entstehung (wie Anm.6), 5.138-159; ten Haaf (wie Anm.27),
S.26-32. Anderer Ansicht ist Ulrich Nie ß, Hochmeister Karl von Trier (1311-1324). Stationen
einer Karriere im Deutschen Orden (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 47), Marburg, S.163ff.
12
eingetreten war, wo er ein Amt übertragen erhalten hatte, änderte sich der Zusammenhang zunehmend. Spätestens im 15.Jahrhundert wurde es üblich, dass ein Ritterbruder auch in der Kommende eingesetzt wurde, in die er eingekleidet worden
war und in deren Umgebung seine Verwandten wohnten. Infolgedessen nahm der
Einfluss dieser verwandten Adligen ZU39• Es ist daher auffällig, dass die friesischen
Kommenden in dieser Hinsicht eine Ausnahme machten, wie Johannes A. Mol
überzeugend dargestellt hat.
Damit komme ich zum Deutschen Orden im Baltikum und seinen Herrschaftsbildungen in Preußen und Livland. Bernhart Jähnig beschäftigt sich in seinem Beitrag besonders mit dem 13.Jahrhundert und dem Aufbau der Ordensherrschaft im
Preußenland. Er geht aber auch auf die Vorbilder ein, die vor allem die Ritterbrüder
aus ihrer Heimat mitgebracht haben und hebt darauf ab, dass die frühen Verträge
ein Bild der Ordensherrschaft widerspiegeln, muss aber zugeben, dass die Urkunden in einer ordensfremden Kanzlei verfasst und geschrieben worden sind. Es bleibt
daher die Frage, ob nicht doch Vorstellungen dieser Kanzlei und ihrer Herrscher
eingeflossen sind. Möglich wäre auch, dass die mit den Herrschern und Kanzlisten
vertrauten Meister analoge Vorstellungen entwickelt haben, ohne dass sie bis zu den
Ritterbrüdern in Preußen vorgedrungen wären. Zumindest haben die Spitzen des
Ordens gelegentlich dafür sorgen müssen, dass die Ritterbrüder in Preußen und
Livland die Beschlüsse der vielfach in Akkon oder Montfort tagenden Generalkapitel zu achten hätten. Auch die Klage der Ritterbrüder in Preußen, dass der Hochmeister mehr auf ihre Belange eingehen möge, könnten in diese Richtung weiserr'P,
In seinem Beitrag über die Städte im Deutschordensland Preußen weist Roman
C z a j a darauf hin, dass Ministeriale und Ritter in den Führungsgruppen vertreten
waren und dass daher die soziale Herkunft der Führungsgruppen in den neuen
Städten und die der Ritterbrüder in Preußen gar nicht so weit auseinander gelegen
hätt~n. Man müsste diesen Gedanken, wie er selbst sagt, noch näher untersuchen.
Er mmmt aber auch an, dass diese Führungsgruppen durch das kaufmännische Element beiseite geschoben worden seien und daher der soziale Abstand zwischen den
städtischen Eliten und den Ritterbrüdern im 14. und schließlich im"15.Jahrhundert
angewachsen sei.
Jedoch hat die Forschung nicht nur die Frühzeit oder die Anfänge des Ordens in
Preußen unter den Aspekten der Herrschaftsausübung beschäftigt, sondern auch
das ungleich dokumentenreichere 15.Jahrhundert. Während der preußische Ordenszweig im 13.Jahrhundert zwar um die Anerkennung seiner Probleme gegenüber den"
Brüdern in Palästina zu kämpfen hatte, spielte dieser Streitpunkt im 14.Jahrhundert
39 Militzer,
Einbindung (wie Anm.29), S.146£. Auch Udo Arnold,
Europa und die Region - widerstreitende Kräfte in der Entwicklung des Deutschen Ordens im Mittelalter, hrsg. von Zenon
Hubert N owak (Ordines militares - Colloquia Torunensia Historica 8), Toruli 1995, S.167.
40 Zu den Ermahnungen des Großkomturs Eberhard von Sayn und den Klagen gegen Gottfried von
Hohenlohe vg!. oben S.5 f.
13
keine Rolle mehr. Im Gegenteil gewann der preußische Ordenszweig nach der Festigung des Haupthauses in der Marienburg während des 14.Jahrhunderts eine Stellung, die ihn über alle anderen Zweige in den Balleien wie in Livland herausgehoben hat. Diese Stellung mag dazu geführt haben, dass damals Gegensätze noch
nicht so stark aufgebrochen sind, sie sich zumindest in der Überlieferung nicht widergespiegelt haben. Es ist immer wieder hervorgehoben worden, dass die Hochmeister, an erster Stelle Winrich von Kniprode, eine Klientel- oder Netzwerkpolitik
zugunsten von Rheinländern betrieben, wie prosopographische Arbeiten herausgefunden und festgestellt haben. Jedoch hat diese Politik im 14. Jahrhundert noch
nicht zu Unstimmigkeiten innerhalb des preußischen Zweigs des Ordens geführt.
Zumindest bieten die Quellen keinen Anlass, das Gegenteil zu unterstellen".
Im 15.Jahrhundert nach der verlorenen Schlacht bei Tannenberg brachen Gegensätze auf, die bislang als Streitigkeiten regionaler Gruppen gedeutet wurden, weil
Oberdeutsche die Bevorzugung von Rheinländern beispielsweise nicht mehr hinnehmen wollrenS. Aber waren das alles lediglich Auseinandersetzungen zwischen
regionalen Gruppen um die Beteiligung an der Macht? Meines Erachtens muss die
Antwort lauten, dass dem so gewesen ist, aber eben nicht nur. Es geht vielmehr darum, nicht nur die Herkunft der Ritterbrüder zu untersuchenv, obwohl auch in
41 Vg!. Klaus Conrad, Winrich von Kniprode, in: Die Hochmeister (wie Anm.13), 5.84-88, mit weiterer Literatur. Dazu nun Bernhart Jäh n i g, Winrich von Kniprode - Hochmeister des Deutschen
Ordens 1352-1382, in: ders., Vorträge und Forschungen zur Geschichte des Preußenlandes und des
Deutschen Ordens im Mittelalter (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens 34),
MünsterlWestf. 2011, 5.68, 86£.
.
42 S[ophie] Meyer, Paul von Rußdorf und die Konvente von Königsberg, Balga und Brandenburg, in:
Altpreußische Monatsschrift 46, 1909,5.363-417, 543-591; Lückerath,
Paul von Rusdorf (wie
Anm.36), 5.184-192; auch Peter Gerrit Thielen, Die Verwaltung des Ordensstaates Preußen vornehmlich im 15.Jahrhundert (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart 11), Köln 1965,
S.56; Klaus Eberhard Murawski,
Zwischen Tannenberg und Thorn (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 10/11), Göttingen 1953, S.32f.; Fritz G a us e, Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen, Bd. I, Köln 31996, S. 167£.; Vercamer,
Siedlungs-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte (wie Anm.2), S.101-103.
43 G.A:v.Mülverstedt,
Die Beamten und Conventsmitglieder in den Verwaltungs-Districten des
Deutschen Ordens innerhalb des Regierungsbezirks Marienwerder, in: Zeitschrift des historischen
Vereins für Marienwerder 8, 1883, 5. 1-48; 9, 1883, 5.81-114; 10, 1884, S. 1-19: ders., Die Beamte~
. und Conventsmitglieder in den Verwaltungs-Districten des Deutschen Ordens innerhalb des Regie, rungsbezirks Danzig, in: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 24, 1888, S.I-68; ders.,
Die Beamten und Konventsmitglieder in den Verwaltungsbezirken des Deutschen Ordens innerhalb
des Oberländischen Kreises, in: Oberländische Geschichtsblätter 2,1900, S.1-59; ders., Beamte und
Konventsmitglieder in den Verwalrungsbezirken des Deutschen Ordens innerhalb Masurens, in:
Mitteilungen der literarischen Gesellschaft Masovia 6, 1900, S.48-67; Ernst Weichb rod, Die Gebietiger des Deutschen Ordens in Preußen nach ihrer Herkunft (Historisch-Geographischer Atlas
des Preußenlandes 1), Wiesbaden 1967.Ferner Bernhart Jäh n i g, Der Danziger Deutschordenskonvent in der Mitte des 15.Jahrhunderts, in: Danzig in acht Jahrhunderts, hrsg. von Bernhart J äh ni g
14
dieser Hinsicht noch manches zu erforschen und aufzuklären ist, sondern auch darum, wie die Ritterbrüder aufgewachsen sind, in welchen Herrschaftsstrukturen
und Herrschaftsvorstellungen sie groß geworden sind. Darauf haben die drei oberländischen Konvente Königsberg, Balga und Brandenburg selbst hingewiesen, wenn
sie ihre "Freunde in Deutschland" ins Spiel brachten"; Aber auch die anderen Klagen lassen Vorstellungen zum Vorschein kommen, die auf alte Erfahrungen aus der
Heimart schließen lassen. Man muss meines Erachtens stärker die landesgeschichtlichen Forschungen der Herkunftsregionen heranziehen, aus denen die Ritterbrüder
nach Preußen gezogen oder dorthin geschickt worden sind~5. Eine stärkere Verknüpfung der Ergebnisse der Forschungen in der preußischen Geschichte mit denen der Herkunftsregionen scheint mir erforderlicher denn je. Denn die Ritterbrüder kamen nicht aus geschichtslosen Gegenden, sondern aus Regionen, die von
unterschiedlichen Vorstellungen geprägt waren oder geprägt sein konnten".
In Franken und Oberdeutschland beispielsweise hat es im 15.Jahrhundert einen
starken Gegensatz zwischen dem Landadel und den in den Städten lebenden Geschlechtern gegeben. Es ist herausgearbeitet worden, dass dieser Gegensatz Auswirkungen 'auf die Adelswelt in Süddeutschland hatte4~ Obwohl die Geschlechter einer
großen und bedeutenden Stadt wie Nürnberg adliges Leben nachempfanden und es
nachahmten, wurden sie vom Landadel als nicht gleichberechtigt angesehen und
beispielsweise nicht' zu den Adelsgesellschaften und den von jenen organisierten
44
45
46
47
und Peter Letkemann
(Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens 23), Münster!
Wesd. 1985, S.169-172, 176-182.
Akten der Ständetage Preußens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens, hrsg. von Max T ö p pen,
Bd.2, Leipzig 1880, Nr.90b, S.145.
Das ist keineswegs gänzlich neu. So hat Marian Bis k u p, Der Deutsche Orden und die Freiheiten
der großen Städte in Preußen vom 13. bis zur Mitte des 15.Jahrhunderts, in: Stadt und Orden. Der
Verhältnis des Deutschen Ordens zu den Städten in Livland, Preußen und im Deutschen Reich,
hrsg. von Udo Arnold
(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 44 - Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen
Ordens 4), Marburg 1993, S.124, auf den niederen Adel Süddeutschlands und dessen Stellung zu
Städten als Vorbild für das Handeln der dort geborenen Ordensbrüder verwiesen.
Vg!. die vergleichende Darstellung von Joachim Schneider,
Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel. Ein landschaftlicher Vergleich (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 52), Stuttgart
2003, der allerdings den Deutschen Orden weder in Preußen noch in einer anderen Region berücksichtigt hat.
Ebd., S. 93-131; Andreas Ranft, Adelsgesellschaften, Gruppenbildung und Genossenschaft im
spätmittelalterlichen Reich (Kieler Historische Studien 38), Sigmaringen 1994, ders., Turniere der
vier Lande: Genossenschaftlicher Hof und Selbstbehauptung des niederen Adels, in: Zeitschrift für
die Geschichte des' Oberrheins 142, 1994, S.83-102. Ferner Klaus Graf, .Der adel dem burger tregt
hass". Feindbilder und Konflikte zwischen städtischem Bürgertum und landsässigem Adel im späten
Mittelalter, in: Werner Rösener
(Hrsg.), Adelige und bürgerliche Erinnerungskultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (Formen der Erinnerung 8), Göttingen 2000, S. 191ff.; M i lit zer,
Ritterbrüder (wie Anm. 30), S. 16f.
15
Turnieren zugelassen". In den preußischen Kommenden kann ich zwar einzelne
Angehörige von Nürnberger Geschlechtern nachweisen, aber keine in höheren Stellungen49• Das wiederum deckt sich mit der Klage der oberländischen Konvente,
dass "die Niedriggeborenen ... die Verderber des Ordens und des Landes" seien,
weil jene Geld aus dem Land zugunsten ihrer Freunde schaffen würden50• Einen
solchen Gegensatz zwischen landsässigem Adel und städtischem Patriziat ist im
Rheinland nicht zu finden", Daher konnten beispielsweise die Overstolzen, Angehörige eines bedeutendes Kölner Geschlechts, schon im 14.Jahrhundert in höhere
Stellungen aufsteigen, ohne dass sie Hochmeister wurden oder auch mir die Chance
hatten, die unter dem Hochmeister anzusiedelnden höheren Chargen zu besetzen'",
Aber immerhin haben sie anders als die aus Nürnberg stammenden Kresse in Komtursstellen aufsteigen können. Wenn es solche Gegensätze gegeben hat, wird das
Auswirkungen auf die Herrschaftsausübung in Preußen selbst gehabt haben, beispielsweise gegenüber den städtischen Honoratioren Thorns, Elbings oder Danzigs,
aber auch gegenüber dem aufstrebenden Landadel des westlichen Preußen. Die
Auseinandersetzungen betrafen also meines Erachtens nicht unbedingt den gesam48 Hanns Hubert Hofmann.
Nobiles Nonmbergenses. Beobachtungen zur Struktur der reichsstädtischen Oberschicht, in: Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte
in Europa (Vorträge und Forschungen 11), Konstanz Stuttgart 1966, S.53-92; Thomas Zotz, Adel,
Bürgertum und Turnier in deutschen Städten vom 13. bis 15.Jahrhundert, in: Das ritterliche Turnier
im Mittelalter, hrsg. von Josef Fleckenstein
(Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für
Geschichte 80), Göttingen 1985, S.484-499; Rudolf Endres, Adel und Patriziat in Oberdeutschland, in: Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, hrsg. von Winfried Sc h u I z e (Schriften des
Historischen Kollegs, Kolloquien 12), München 1988, S.221-238.
49 Ein Kress, der wohl der Nürnberger Patrizierfamilie gleichen Namens zuzuordnen ist, war 1437/38
Pferdemarschall in Thorn, ist aber in keinen höheren Ämtern nachzuweisen; Thielen,
Verwaltung
(wie Anm.42), S. 174. Gerade die Kaufmannsfamilie Kress unterhielt seit dem Beginn des 15.Jahrhunderts enge Beziehungen zur Deutschordenskommende Kapfenburg: Klaus M i lit zer, Auswirkungen der spätmittelalterlichen Agrardepression auf die Deutschordensballeien, in: Von Akkon bis
Wien. Studien zur Deutschordensgeschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. Festschrift zum
. 90. Geburtstag von Althochmeister P. Dr. Marian Tu m I er O. T. am 21.Oktober 1977,hrsg. von Udo
Ar n 0 Id (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 20), Marburg 1978, S.73.
50 Akten der Ständetage 2 (wie Anm.«), Nr.90b, S.145.
51 Das heißt nicht, dass es dergleichen gar nicht gegeben habe. Eine derartige Tendenz war aber nicht
vorherrschend. Dem Übergang vom Adel in die Stadt und von Patriziern in den Landadel hat
Walther Föhl, Der Bürger als Vasall (Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuß 3), Neuß 1965, ein ganzes Buch gewidmet. Für Köln vg!. Klaus Militzer,
Führungsschicht und Gemeinde in Köln im
14.Jahrhundert, in: Städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit, hrsg.
von Wilfried Ehbrecht
(Städteforschung A 9), Köln 1980, S.I-24.
52 Hans Li m bur g, Deutschordensmitglieder aus dem Hause Overstolz im Mittelalter, in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschah für Familienkunde 23, 1967/68, Sp.143-150; Klaus Militzer,
Von Köln nach Preußen. Kölner Bürgersöhne im preußischen Zweig des Deutschen Ordens, in:
Prusy - Polska - Europa. Studia z dziejöw sredniowiecza i czasöw wczesnonowozytnych, Festschrift für Zenon Hubert Nowak, hrsg. von Andrzej Radz im i äs k i und Janusz Tandecki,
'Ioruri 1999, S.204-210.
16
ten Orden, sondern konnten sich durchaus auch auf einzelne Brüder beziehen wie
beispielsweise auf den hinlänglich bekanten Thorner Komtur Nothaft'" oder auch
~~
Es ist ferner zu berücksichtigen, dass sich gerade in der Komturei und Stadt Königsberg (Altstadt, Kneiphof und Löbenicht) die Preußenfahrer versammelten, um
gegen die Litauer als Feinde der Christenheit zu kämpfen, wie es einem christlichen
Ritter angestanden hat. Auch wenn die adligen Preußenfahrer die eigentlichen Aufenthaltsräume der Ritter- und Priesterbrüder oder der Graumäntler nicht betreten
haben, haben sie doch Kontakte zu den Konventsmitgliedern gehabt. Sie wurden
eingeladen, erhielten. Aufmerksamkeiten und hatten wohl auch Einzelheiten des
Marsches zu besprechen. Werner Paravicini hat in seinem Buch mehrere solcher
Kontakte beschrieben'", Wenigstens die Niederländer scheinen niederländische Ordensbrüder als sogenannte "Verbindungsoffiziere" bevorzugt zu haben". Man wird .
annehmen dürfen, dass die Niederländer die aus ihrer Heimat stammenden Brüder
deshalb bevorzugten, weil sie deren Sprache leichter verstehen konnten. Leider hat
Paravicini nicht viele Oberdeutsche nachweisen können. Es wäre immerhin denkbar, dass sie analog zu den Niederländern gehandelt und eben Brüder aus Oberdeutschland als ihre Begleiter bevorzugt haben. Die Preußenreisen des europäischen
Adels bis über 1410hinaus waren zweifellos dem adligen Selbstverständnis verpflichtet, dienten aber auch der Kommunikation zwischen diesen Adligen und den Ritterbrüdern in den Konventen oder wenigstens eines Teiles von ihnen. Wie auch immer
man diesen Aspekt bewertet, ganz vernachlässigen wird man ihn nicht können.
Man spricht in der Geschichtsschreibung oft von einem Dialekt, der für Preußen,
zumindest für den dortigen Zweig des Deutschen Ordens charakteristisch gewesen
sei". Die Feststellung trifft aber nur auf entsprechende Kanzleien und auf solche
.
53 Hans Koeppen,
Der Fall des Gebietigers Johann Nothaft, in: Acht Jahrhunderte Deutscher Orden. Festschrift Marian Turnier, hrsg. von Klemens Wieser (Quellen und Studien zur Geschichte
des Deutschen Ordens 1), Bad Godesberg 1967, S.153-164; Bernhart Jähnig, Zur Stellung des
Komturs von Thorn unter den Deutschordens-Gebietigern
in Preußen, in: Thorn. Königin der
Weichse11231-1981, hrsg. von BernhartJähnig
und Peter Letkemann
(Beiträge zur Geschichte
Westpreußens 7), Göttingen 1981,S.132. Kann man Nothaft tatsächlich als einen .Querkopf- oder
gar einen .Geistesgestörten- abtun?
54 Werner Paravicini,
Die Preußenreisen des europäischen Adels, Teil1 (Beihefte der Francia 17/1),
Sigmaringen 1989, S.272-344.
55 Ebd., S.278.
56 Bernhart Jäh n i g, Bevölkerungsveränderungen und Landesbewusstsein im Preußenland, in: Blätter
für deutsche Landesgeschichte 121, 1985, S.137-139; Dieter Heckmann,
Die Ausstrahlung hochmeisterlicher Kanzleien auf die deutsche Sprache und Schriftlichkeit des Spätmittelalters, in: Die
Rolle der Schriftlichkeit in den geistlichen Ritterorden des Mittelalters: Innere Organisation, Sozialstruktur, Politik, hrsg. von Roman C z aj a und Jürgen Sa r now sky (Ordines militares - Colloquia
Torunensia Historica 15), 'Ioruri 2009, S.121-132; Thomas Behrmann,
Latein, Mittelniederdeutsch
und die frühen hansischen Rezesse. Anmerkungen eines Historikers, in: Edition deutschsprachiger
17
Schreiber und Notare zu, die in diesen Kanzleien geschult worden sind. Ob die Ritterbrüder aus dem Rheinland und aus Oberdeutschland diesen Dialekt gebraucht
haben, steht auf einem anderen Blatt5~ Selbstverständlich müssen sich Ritterbrüder irgendwie verständigt haben, schon weil sie gemeinsame Kommandos in einer
Schlacht oder auf Märschen befolgen mussten. Eine andere Frage ist aber, ob sie
nicht doch Eigentümlichkeiten der Dialekte aus ihren heimatlichen Herkunftsregionen beibehalten haben. Wenn man beispielsweise die Vermerke betrachtet, die Komture oder deren Vertraute auf der Rückseite von Eilbriefen schrieben, stellt man
schnell fest, dass ein einheitlicher Dialekt nur in den großen Kanzleien, des Hochmeisters und der oberen Gebietiger, befolgt worden ist58• Komture und vielleicht
auch die Gebietiger selbst, möglicherweise auch einzelne Hochmeister bedienten
sich eines Mischdialekts, der sich von dem der Kanzlei unterscheiden konnte. Die
Fülle der Überlieferung des preußischen Ordenszweigs scheint darüber hinwegzutäuschen, dass die meisten Stücke in einer Kanzlei entstanden, eben nicht von den
Ritterbrüdern selbst geschrieben worden sind. Es würde sich lohnen, diese Diskrepanzen sorgfältiger als bisher geschehen herauszuarbeiten. Dann würde sich vielleicht auch ergeben, welche Integrationsleistung der preußische Ordenszweig vollbracht hat, indem er Männer aus unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlicher
Herrschaftsauffassung und verschiedenartigen Dialekten zu einer Korporation geformt hat, auch wenn Gegensätze im 15.Jahrhundert aufbrachen, die diese Leistung
in Frage stellen konnte. Wenn man die Ausführungen ernst nimmt, kann man eigentlich nur davon sprechen, dass sich in den Arengen auch nur die Auffassungen der
Kanzleien widerspiegeln. Ob die Hochmeister oder die Großgebietiger so gedacht
haben, wissen wir nicht. Noch komplizierter wird es, wenn es sich um Empfänger- .
ausstellungen gehandelt hat, auch wenn der Empfänger - in unserem Fall also der
Orden - ein Konzept eingereicht hatS9• Aber das alles kann ich in diesem Zusammenhang nur andeuten. Eine ausführlichere Betrachtung muss einer weiteren Arbeit vorbehalten bleiben.
Ein anderes Problem, zu dem Roman Czaja vorgetragen hat, betrifft die Beziehungen des Ordens zu den Städten. Man hat gesagt, dass der Orden der Entwicklung größerer Städte reserviert oder gar ablehnend gegenüber gestanden habe60• Das
wird zutreffen. Allerdings ist wieder zu fragen, warum er gegen größere Städte eingestellt war. Denn kleinere Städte hat er gegründet oder gründen lassen. Für die
57
58
59
60
18
Quellen aus dem Ostseeraum (14.-16.Jahrhundert), hrsg. von Matthias Thumser,
Janusz Tandecki und Dieter Heckmann,
'Ioruri 200t. 5.153-167.
Vg!. Militzer,
Ritterbrüder (wie Anm.30), 5.15.
Ebd., S. 14 mit weiterer Literatun Eine Beschäftigung mit den Rückvermerken fehlt weiterhin.
Vg!. Heinrich Fich tena u, Arenga, in: Lexikon des Mittelalters 1, München 1980, Sp. 917f., der von
einer bescheidenen Beeinflussung einer öffentlichen Meinung spricht. Zur Reskripttheorie von
Pitz, vg!. unten BemhartJähnigs
Beitrag, 5.67-92.
Biskup, Der Deutsche Orden (wie Anrn.45), S.114f.
Antwort auf diese Frage ist der Blick auf die Herkunftsregionen der Ritterbrüder
hilfreich oder kann es sein, wenn man sich überlegt, welche Vorstellungen von Städten Ritterbrüder eigentlich gehabt haben konnten und welche sie als wichtig und
richtig möglicherweise durchsetzen wollten. Ist es beispielsweise vorstellbar, dass
die Ritterbrüder eine, wie man manchmallesen kann, Vorstellung davon hatten, wie
eine Landschaft wirtschaftlich zu organisieren sei, indem sie Dörfer mit kleinen
Städten und größeren Handelsniederlassungen gründetens'? Die Frage müsste eigentlich lauten, welche Siedlungen fanden sie in ihrer Heimat vor und mit welchen Vorstellungen kamen sie nach Preußen62? Die staufischen Herren und deren Mitarbeiter
haben jedenfalls solche wirtschaftlichen Überlegungen kaum in den Vordergrund
gestellt. Für sie war die Erfassung einer Landschaft durch Städte oder stadtähnliche Siedlungen eher eine Form der Herrschafrssicherung'v, Denn Städte oder Minderstädte haben sich weitgehend selbst verteidigen können. Im Preußenland des
13.Jahrhundert bildeten die Bürger mit ihren hölzernen Verhauen oder alsbald steinernen Mauern Verbündete des Ordens in einer feindlichen oder' zumindest fremden Umwelt. Mag der Verteidigungswert der ersten Wälle und Palisaden auch eher
gering gewesen sein, so bildeten sie doch Stützpunkte der neuen Herrschaft", Während der folgenden Jahrhunderte gestaltet sich das Verhältnis recht unterschiedlich.
Der Wert der Städte für den Orden als Verteidigungsbasis in einer feindlichen Umwelt schwand. Dagegen haben Ordensbrüder oft die städtischen Honoratioren gegen ihre Widersacher innerhalb der Kommunen gestützt, bis der Orden schließlich
im 15.Jahrhundert - aus welchen Gründen auch immer - das Vertrauen selbst der
Stadtspitzen einbüßte.
.
Wenden wir uns weiter nördlich, stoßen wir auf Livland, das sich trotz einiger
Analogien von dem vom Orden weitgehend beherrschten Preußenland unterschied.
Erstens war der Deutsche Orden nicht von Anfang an in die Eroberung eingebunden, sondern beerbte den Schwertbrüderorden, der auch erst nach dem Beginn der
61 Karl Kasiske, Die Siedlungstätigkeit des Deutschen Ordens im östlichen Preußen bis zum Jahre
1410(Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 5),
Königsberg 1934, S.2; auch Georg Mic hel s, Zur Wirtschaftsentwicklung von Kleinstädten und
Flecken im Ordensland und Herzogtum Preußen (bis 1619)(Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 11), Lüneburg 1995, S, Hf.
62 So ähnlich auch schon Bis k u p, Der Deutsche Orden (wie Anm. 45), S. 124, der von einem .adligen
Herrenbewußtsein" spricht.
63 Vg!. Hans Planitz,
Die deutsche Stadt im Mittelalter, Graz-Köln 21965, S.153£.; Karlheinz
Blaschke,
Geschichte Sachsens im Mittelalter, Berlin 21991, S.115f. Zur Gesamtproblematik
Slawomir G a w I a s, Die zentrale Funktion der Städte in Ostmitteleuropa in der Zeit des Landesausbaus, in: Städtelandschaften im Ostseeraum im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, hrsg. von
Roman Czaja und Carsten J ahnke, Toruri 2009, S.9-28.
64 Dazu Krzysztof Kwiatkowski,
Die militärische Funktion der Städte unter der Herrschaft des
Deutschen Ordens in Preußen (vom 13. bis zum Anfang des 15.lh.), in: Städtelandschaften (wie
Anm.63), S.171-186.
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Eroberung geschaffen worden war und zudem den Bischöfen und besonders dem
von Riga, dem späteren Erzbischof, Obödienzeide zu leisten hatte. Die Geschichte
Livlands verlief anders als in Preußen, weil der Rigaer Erzbischof, auch der Bischof
von Dorpat, eigene Herrschaften aufbauten, die mit der des Ordens konkurrierten.
Dazu trat der Anspruch der Stadt Riga auf Teilhabe an der Macht. Zwar gelang es
dem Orden, die rivalisierenden Mächte zeitweise zu neutralisieren, aber ausschalten
konnte er sie nie65•
Livland stand zumindest im 14.Jahrhundert, aber doch wohl auch während der
vorhergehenden Zeit weitgehend unter der Aufsicht der Hochmeister, die ihre Kandidaten für die Landmeisterstelle durchsetzen konnten'", Es lassen sich nur wenige
Anhaltspunkte dafür finden, dass der livländische wie der preußische Zweig keine
Einheit gebildet hätten. Das mag zum Teil auch an der - gemessen an Preußen - geringen Überlieferungsdichte liegen. Erst im 15.Jahrhundert kämpften Rheinländer
gegen Westfalen um die Vorherrschaft im livländischen Ordenszweig'f Es ist allerdings kaum glaubhaft, dass es vorher keine Auseinandersetzungen gegeben habe.
Einmal abgesehen von Streitigkeiten um den rechten Wegzwiscnen den nach der
Schlacht an der Saule übrig gebliebenen Schwertbrüdern'" und den neu hinzugekommenen Deutschordensbrüdern um Hermann Balk blieb wohl das westfälische
Element unter den Ritterbrüdern stark und stellte möglicherweise sogar die Mehrheit'", Jedenfalls brach der Gegensatz zwischen Rheinländern und Westfalen im livländischen Zweig aus70 und wurde vom Hochmeister Paul von Rusdorf geschürt",
Aus regionalen Gegensätzen wuchsen allmählich Parteien hervor, zu denen auch .
Brüder aus der jeweils anderen Region stoßen konnten/I, Es sind also Rheinländer
in der Partei der Westfalen und umgekehrt zu finden. Die neuen Parteiungen haben
sich eher politisch als Anhänger der Hochmeister in Preußen oder als eigenständige
Macht definiert. Jedenfalls sind Gegensätze zwischen Rheinländern und Westfalen
wie in den in Preußen wichtiger werdenden Fragen ständischer Herkunft im livländisehen Ordenszweig nicht zu ermitteln. Tatsache bleibt aber, dass viele der west- .
fälis~hen Adligen aus engen Verhältnissen stammten, die sie kaum von Großbauern
65 Dazu von zur Mühlen, Livland (wie Anm.3), S.25-172; Inflanty (wie Anm.3); J ähnig, Verfassung (wie Anm.3).
66 Sonja Neitmann,
Von der Grafschaft Mark nach Livland (Veröffentlichungen aus den Archiven
preußischer Kulturbesitz, Beiheft3), Köln 1993, S. 55-99; J ähnig, Verfassung (wie Anm.3), S.142.
67 N eitmann,
Grafschaft (wie Anm.66), S.100-130.
68 Vg!. Friedrich Benninghoven,
Der Orden der Schwenbrüder (Ostmitteleuropa in Vergangenheit
und Gegenwan 9), Köln 1965, S. 381f.; vgl, Klaus M ilitzer, Selich, Johann, in: Ritterbrüder (wie
Anm.30), Nr.804, S.595f.
69 So auchJähnig,
Verfassung (wie Anm.3), S.135; Neitmann,
Grafschaft (wie Anm.66), S.19-26.
70 N eitmann,
Grafschaft (wie Anm.66), S.55-78; Militzer,
Ritterbrüder (wie Anm.30), S.36-45.
71 Lückerath,
Paul von Rusdorf (wie Anm.36), S.I77-183.
72 So auch Ne i t m ann, Grafschaft (wie Anm. 66), S.86£., die allerdings ein früheres Datum für die
Entstehungszeit vorschlägt.
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unterscheiden lassen. Es ist auch zu beobachten, dass Ordensbrüder aus Westfalen
ihre Verwandten nachrücken ließen, ihnen sogar die Überfahrt bezahlten und Geld
schickten/'. Wahrscheinlich sollten sie die Stellung ihrer Verwandten im Orden stärken. Man wird also die Parteiungen der Westfalen und Rheinländer differenzieren
müssen, wenn man ein einigermaßen zutreffendes Bild zeichnen will. Die westfälischen Brüder haben ihre Stellung in Livland auch durch den Zuzug von Verwandten zu stärken gesucht. Das Ziel mögen sie auch dadurch erreicht haben.
Ferner ist zu beachten, dass der Orden in Livland landfremd war, in welchem
Maße, hat Juhan Kreem erörtert. Denn der Ordenszweig in Livland stand vor anderen Problemen als der in Preußen. Eine deutsche bäuerliche Besiedlung hat es in
Livland nicht gegeben. Auf diese Schicht konnte sich der Orden schon seit dem
13.Jahrhundert nicht stützen. Gewiss waren die Bürger, die in den livländischen
Städten den Ton angaben, deutschsprachig. Aber inwieweit sie sich in die Politik des
Ordens haben einbinden lassen, ist nicht mit einem Satz zu beantworten. Denn die
Herrschaft des Ordens in Livland war keineswegs so gesichert wie in Preußen. Vielmehr hatte der Orden in Livland starke Konkurrenten im Erzbischof von Riga und
in der Stadt Riga selbst. Von dem dänischen König im Norden möchte ich einmal
absehen74•
Wie landfremd also ist der Deutsche Orden im 15. und im folgenden Jahrhundert
gewesen? Welche Konsequenzen hat er aus seiner besonderen Stellung gezogen und
wie seine Herrschaft konsolidiert? Auf diese Fragen istJuhan Kreem eingegangen,
ohne dass er damit alle Probleme hat lösen können.
Wenn wir nun das Mittelalter verlassen, wird wohl niemand im Ernst behaupten
können, dass der Deutsche Orden in der Neuzeit noch die Rolle, die er während
des 13. und 14. und auch noch im IS.Jahrhundert gespielt hat, hat einnehmen können. 1525 wurde Preußen säkularisiert und in ein Herzogtum umgewandelt, das als
Lehen vom Königreich Polen abhängig war. 1562 verlor der Orden schließlich Livland endgültig. Wie das Land im einzelnen aufgeteilt wurde, braucht uns in diesem
73 Die Brüder Dietrich und Enge1bert Lappe von Köningen bezahlten ihrem Bruder Cord die Überfahrt von Westfalen nach Livland; Friedrich v Kl o c ke, Westfalen und Nordosteuropa, Wiesbaden
1964, S.124ff.; ders., Studien zur Soester Geschichte 1, Soest 1928, S. 309f.; Klaus Mili tzer, Lappe
von Köningen, Dietrich, in: Ritterbrüder (wie Anm.30), Nr.531f. S.406£. Weitere Nachweise Astaf
von Transehe-Roseneck,
Die von Ovelacker, in: Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und
Sphragistik 1900, Mitau 1902, S.I4ff.; ders., in: Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften, Teil Livland, Bd. I, Görlitz o.J., S.210; Ono Stavenhagen,
Johann Wolthuss von Herse,
1470-71, Meister des Deutschen Ordens zu Livland, in: Mitteilungen' aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands 17,1900, S. 8; N ei tmann, Grafschaft (wie Anm.66), S.563, 566.
74 Der Deutsche Orden hat den nördliche Teil Estlands an den König von Dänemark im Vertrag von
Stensby 1238 abgetreten. Der dänische König verkaufte 1346 dieses Gebiet dem Hochmeister in
Preußen. Es war wohl das Erbe des 1347 in den Orden eingetretenen Ono, des jüngeren Bruders
Waldemars IV. Königs von Dänemark; Klaus Militzer,
Otto von Dänemark, in: Ritterbrüder (wie
Anm.30), Nr.646, S.493 f.; Bernhart J ähnig, Estonie, in: Prier et Combattre (wie Anm.l), S.340f.
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Zusammenhang nicht zu interessieren. Preußen und Livland blieben jedenfalls trotz
aller Versuche des Ordens, beide Territorien zurückzuerobern, verloren. Der Orden
wurde auf die Balleien beschränkt. Aber auch das trifft nur in begrenztem Maße zu.
Denn die Mittelmeerballeien gingen ebenfalls in andere Hände über. Einige Balleien
im Reich wurden protestantisch oder wie die Ballei Marburg trikonfessionelFS,
während sich die Ballei Utrecht schließlich im Laufe des 17.Jahrhunderts absonderte oder entfremdet wurde76•
Die Folgen der Reformation für den Orden sind also kaum zu überschätzen.,
Aber sie waren es nicht allein. Hinzu kamen politische Faktoren, die die Entfremdung von Gütern und ganzen Balleien beschleunigten. Im 16.Jahrhundert hatte sich
der Orden jedenfalls wieder neuen Gegebenheiten zu stellen, die ihm im Mittelalter
in dieser Form nicht begegnet waren. Der Orden und seine Führung hatten auf die
veränderten Herausforderungen neue Antworten zu finden, die nicht mehr auf die
älteren Gegebenheiten zurückgreifen konnten. Einer der Irrwege zumindest aus
heutiger Sicht war wohl das Festhalten an den verloren gegangenen Territorien und
den Forderungen auf Reichstagen, dem Orden diese Territorien wieder zurückzugeben. Man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass die Ordensvertreter ihre Gesprächspartner nervten~
Eine modernere oder angemessenere Antwort zur Bewältigung der neu aufgetretenen Probleme stellt Udo Arnold vor, indem er sich mit der Spitze des Ordens
nach dem Verlust Preußens beschäftigt und die Entwicklung hin zum Titel Hochund Deutschmeister untersucht. Eine andere Fragestellung hat Jozef Mertens beschäftigt, der die Beteiligung von Ritterbrüdern aus der Ballei Biesen an den Feldzügen vor allem gegen die Türken untersucht. Was schon am Ende des Mittelalters
ventiliert worden ist, gewann nun eine neue Brisanz. Die Erfolge türkischer He~re
auf dem Balkan erforderten Reaktionen, an denen auch der Orden beteiligt war.
Besonders bleibt auf die Arbeit von KarI Murk hinzuweisen, der aus den Akten
der Ballei Hessen Nachweise für die Ordensbrüder, in diesem Fall die Ritterbrüder,
zusammenstellt und deren Laufbahnen Revue passieren lässt. Die besonderen Bedingungen der Ballei in der Neuzeit werden dabei deutlich. Sie zeigen Unterschiede
zu den anderen Ordensprovinzen, die nur zum Teil ausgeführt worden sind.
Seit dem 13.Jahrhundert war der Orden keine in sich geschlossene Einheit, Sondern zerfiel trotz der allen gemeinsamen Regel in Gruppen mit unterschiedlichen
Zielrichtungen. Das lag nicht nur an den Ordenszielen, sondern ebenso an der
weiträumigen Ausdehnung seines Einsatzgebietes, den daraus folgenden Kommuni75 Vgl, die Ausführungen von Karl Murk, unten 5.205-239.
76 Dazu die noch ungedruckte Bochumer Dissertation von Daniela Grögor-5chiemann.
Ferner
.
Johannes A.Mol, Trying to Survive, The Military Orders in Utrecht. 1580-1620, in: The Military
Orders and the Reformation, hrsg. von Johannes A. M 0 I, Klaus Mi 1i t z er und Helen J. Ni c h 0 1son, Hilversum 2006, 5.181-207.
77 Anders die Meinung von Udo Arnold in diesem Band, 5.159-175.
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kationsproblemen und den ständigen Kämpfen in Palästina wie im Baltikum, Das
Besondere vor allem des preußischen Ordenszweigs ist nun, dass die Ritterbrüder
kaum jemals aus dem Land selbst gekommen, sondern in der Mehrzahl stets aus
dem Reich in das Baltikum gezogen sind. Die Brüder kamen vor allem seit dem
14.Jahrhundert aus unterschiedlichen Regionen mit eigenen Herrschaftsvorstellungen und besonderen Dialekten. Mag eine Integration anfangs gelungen sein, brach
sie in sich zusammen, als der Orden nach der Schlacht bei Tannenberg seine Dominanz und seine wirtschaftliche Potenz einbüßte. Um die geringeren zur Verfügung
stehenden Mittel bei gleichzeitig gestiegenen Ansprüchen brachen Gegensätze und
Kämpfe fast von selbst auf. Während diese Entwicklung schon immer im Bewusstsein der Forscher vorhanden war, ist meines Erachtens eine stärkere Berücksichtigung der Herkunft und der damit in Zusammenhang stehenden Vorstellungen und
Spracheigentümlichkeiten und der Ergebnisse der landesgeschichtlichen Forschung
in Deutschland wünschenswert, weil dadurch neue Erkenntnisse gewonnen werden
können.
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