LESBlSCH SCHWULE FlLM- TAGE lN HAMBURG MERSl

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LESBlSCH SCHWULE FlLM- TAGE lN HAMBURG MERSl
MERSI-Auftritt beim
Berliner CSD
Foto©Isabelle Przysucha
Ein ausdrucksstarker Verweis auf die weltweite Situation von LGBT
Mitglieder von MERSI Berlin erinnern beim
30. Berliner CSD an aktuelle politische
Hintergründe des heute so bunt gefeierten Tages.
Ein muskulöser Mann in Army-Kleidung
zieht drei aneinander gekettete Menschen
in steril-weißer Häftlingskleidung hinter
sich her. Auf ihren Overalls prangen die
Worte “Transgender“, “Schwul“ und “Lesbisch“. Mit dieser prägnanten Szenerie erweiterte Amnesty International MERSI das
bunte Partytreiben beim 30. Berliner CSD
um eine globale und politische Perspektive: In mehr als 70 Ländern werden Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender
verfolgt, diskriminiert und kriminalisiert.
MERSI-AktivistInnen trugen Schilder zu
Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen aufgrund von sexueller Orientierung
und Gender-Identität besonders eklatant verlaufen. Eine riesige Weltkarte zeigte, in
welchen Ländern Homosexualität per Gesetz verboten ist. Das Banner war bereits wenige Tage zuvor beim Lesbisch-Schwulen Stadtfest im Motzstraßen-Kiez auf großes
Publikumsinteresse gestoßen.
Die MERSI-Präsenz in der Pride Week erinnerte auch an die ursprüngliche politische
Ausrichtung des Christopher Street Days, die heute – zwischen Sponsorenwägen, Drag
Queens, Muskelkörpern und Technobeats – leicht in Vergessenheit gerät: Der weltweit
begangene LGBT- Fest- und Demonstrationstag gedenkt der sexuellen Minderheiten,
die sich im Sommer 1969 gegen willkürliche Übergriffe der Polizei in der New Yorker
Christopher Street wehrten.
Florian Krauß
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AI-MERSI-Rundbrief Ausgabe Nr. 41, Februar 2009, http://www.mersi-amnesty.de
Foto©Peter Plappert
Matthias Wengenroth
Am 27. September 2008 wurde in den Räumen von Verdi ein MERSISeminar mit dem Titel “Homosexualität – Prinzipien vs. Vorurteile“
veranstaltet. Über 30 Personen nahmen teil und diskutierten angeregt
zu den verschiedenen Themen der ReferentInnen.
Beiträge gab es unter anderem zu den Yogyakarta Prinzipien, zu
Homophobie sowie zu Homosexualität und Religion.
Am 28. September 2008 fand im Sonntagsclub in Berlin ein von
MERSI veranstalteter Film- und Diskussionsabend zur Situation der
LGBT-Community in der Türkei statt. Gezeigt wurde der Dokumentarfilm “Das andere Istanbul“ (D 2008), der von den Schwierigkeiten der
Selbstfindung in einer überwiegend homophoben Gesellschaft erzählt.
Gleichzeitig macht der Film deutlich, dass die türkische Community zunehmend selbstbewusst für ihre Rechte eintritt. V.l.n.r.: Aykan
Safoğlu (Lambda Istanbul), Jennifer Petzen (GLADT), Döndü Kilic (Regisseurin), Peter Sass (Mersi).
Foto©Ana Grillo Photography
Foto©Isabelle Przysucha
sind. Vor allem in Afrika und Asien sieht es ziemlich rot aus und viele Standbesucher
interessieren sich für die Situation in bestimmten Ländern, weil sie dort z. B. Urlaub
machen wollen oder Freunde haben. Auch Kamerun zählt zu den roten Ländern und
viele Standbesucher müssen nicht erst lange überzeugt werden, um sich an unserer
Briefaktion zu beteiligen. In dieser setzen wir uns für einen Gefangenen ein, der unter
dem Vorwurf homosexueller Handlungen dort seit fast einem Jahr im Gefängnis sitzt.
“Mädels, alle zurückkommen, hier unterschreiben“ ruft eine forsche junge Frau ihren
Begleiterinnen hinterher, die schon zum Nachbarstand weitergezogen sind – und alle
tun brav, wie ihnen geheißen. Insgesamt kommen ca. 250 Unterschriften zusammen.
Am Ende packen wir zufrieden unsere Sachen zusammen. Zufrieden damit, etwas dazu
beigetragen zu haben, dass die vielen Tausend Besucher des CSD sich dort nicht nur an
Steaks, Bier und Discomusik laben konnten, sondern sich auch über die Arbeit von Amnesty zum Thema Menschenrechte von LGBT informieren konnten. Viele haben Interesse gezeigt, einige haben versprochen, sich uns anzuschließen. Wir würden uns freuen.
Menschen­­rechte
und sexuelle
Identität (MERSI)
Rundbrief der deutsch­
sprachigen Amnesty
International-lgbt-Gruppen
Ausgabe Nr. 41 / Februar 2009
Impressum
Postanschrift
A-Wien
Amnesty International, Deutsche Sektion
Amnesty International Österreich AI-Netzwerk LGBT
Menschenrechte und Sexuelle Identität
Moeringgasse 10, 1150 Wien
(MERSI, Sektionskoordinationsgruppe 2918)
Tel. 0 043-1-7 80 08, [email protected], www.lgbt.at
2918/MERSI, Postfach 35 04 49 , 10213 Berlin
CH-Bern
Gruppensprecher:
PF 509, CH-3000 Bern 9
Rupert Haag, 030-7829440, [email protected]
Hans Markus Herren,
Tel. 0041 - (0)32 724 24 86 oder (0)76 396 4484,
Spendenkonto:
[email protected], www.queeramnesty.ch
Amnesty International Bonn, Stichwort: “für 2918”
Bank für Sozialwirtschaft Köln, Nr. 80 90 100, BLZ 370 205 00
D-Berlin
Bezirkskoordinationsgruppe 1303 MERSI, Postfach 350449, 10213 Berlin
in Kooperation mit
Stephan Cooper, 030 - 796 28 74, [email protected]
Amnesty International, Schweizer Sektion AI for gays and lesbians
http://www.queeramnesty.ch, [email protected]
D-Frankfurt/M.
Spendenkonto: AI for gays and lesbians, PC 82-645780-9
Thomas Kolb, 069 - 95 15 83 40, [email protected]
AG LBGT, Amnesty International Österreich
www.lgbt.at, [email protected]
D-Hamburg
Spendenkonto: AI Österreich, für die LGBT-Gruppe,
Therese Walter, 040 - 32 84 43 76, [email protected]
PSK 1.030.000, BLZ 60.000
D-Köln
Redaktion: Claudia Körner (V.i.S.d.P.), Florian Krauß
Bezirkskoordinationsgruppe 1271 MERSI
Layout: Claudia Becker
Ludgera Reckmann, [email protected]
Druck: DRUCKSTUDIO, Werbeagentur der Druckhaus Frankfurt GmbH,
Lindenallee 30, 15890 Eisenhüttenstadt
D-München
Auflage: 3.500
Flu Bäurle, 089 - 20 20 51 72 [email protected]
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von
Amnesty International oder der Redaktion wieder.
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www.mersi-amnesty.de
AI-MERSI-Rundbrief Ausgabe Nr. 41, Februar 2009, http://www.mersi-amnesty.de
Lesbisch Schwule Filmtage in Hamburg
Mersi präsentiert Filme und informiert über
AI Arbeit zu LGBT
In der Hamburger MERSI Gruppe fehlte es schon länger an aktiven Mitstreiter/-innen.
Sehr viel positives Feedback hatte unsere Aktion im Oktober 2008: ein Infostand auf den
Lesbisch Schwulen Filmtagen Hamburg.
An dem gewählten Abend lief zunächst der Film "East/West – Sex & Politics", in dem Jochen Hick die Auseinandersetzungen um die Gay Paraden in Moskau in den Jahren 2006
und 2007 dokumentiert. Anschließend wurde der u. a. auf der diesjährigen Berlinale
mit dem Teddy-Filmpreis prämierte Film "Be Like Others" (Kanada/Iran/Großbritannien/
USA 2008) gezeigt. Porträtiert werden schwule Männer, die sich für eine Identität als
Transsexuelle entscheiden. Durch diesen radikalen Schritt suchen sie gesellschaftliche
Akzeptanz, denn eine Geschlechts-OP ist im Gegensatz zu Homosexualität im Iran legal.
Nach wie vor droht Männern für den Geschlechtsverkehr mit Analpenetration das Todesurteil. Gleichzeitig ist der Iran das einzige Land der Welt, das Menschen nach einer Geschlechtsumwandlung in der Geburtsurkunde das Geschlecht umändert. Repression und
Bestrafung von Homosexualität ebenso wie die Anerkennung von Transsexualität werden
mit bestimmten Koranauslegungen begründet.
Ein Mitglied der Sektionskoordinationsgruppe war zur Unterstützung aus Berlin angereist
und gab gemeinsam mit den Verantwortlichen der Hamburger Gruppe jeweils vor den
Filmaufführungen eine kurze Einführung in die Arbeit von AI und MERSI. Die ZuschauerInnen wurden dabei auf den Infostand und die dort ausliegenden Unterschriftenlisten
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AI-MERSI-Rundbrief Ausgabe Nr. 41, Februar 2009, http://www.mersi-amnesty.de
Foto©Ana Grillo Photography
Mersi Mitglieder am Infostand im Rahmen der
Lesbisch Schwulen Filmtage in Hamburg.
zur Situation in Litauen (massive staatliche Behinderung von LGBT-Organisationen), auf
aktuelle Aktionen zu Ägypten (Zwangsuntersuchungen, Misshandlung von HIV-positiven
Männern u. a. in Kairo) und den USA (Misshandlung von Lesben / Schwulen in Polizeigewahrsam in Chicago) hingewiesen. Vor und nach den Filmen besuchten zahlreiche
KinobesucherInnen den Stand. Über 150 Unterschriften und 85 Euro Barspenden kamen
zusammen, die Unterschriftenlisten gingen so schnell aus, dass sie eilig nachkopiert werden mussten. Besonders schön: etliche potentielle Mitstreiterinnen kamen auf uns zu. Im
November gab es ein erstes Gruppentreffen, bei dem "die Neuen" in der Mehrzahl waren.
Hoffentlich gibt es nun viel frischen Wind, viele Ideen und neuen Elan in der Hamburger
MERSI-Gruppe.
Therese Walther
Kontakt zur MERSI-Gruppe in Hamburg: Therese Walther [email protected]
LGBT – OLYMPIADE VON
MERSI
Foto©Isabelle Przysucha
Stöckelschuh-slalom, Wattebausch-weitwurf
und Nägelkloppen
Ein Stand auf dem lesbischwulen Parkfest in
Berlin Friedrichshain bot BesucherInnen die
Möglichkeit, sich in Unterschriftenlisten und
Petitionen einzutragen und Informationen über die
Foto©Isabelle Przysucha
AI-Arbeit und MERSI zu erhalten.
Trotz konfrontativer Startbedingungen ließen sich
viele ParkbesucherInnen auf das Spiel der
LGBT-Menschenrechts(verletzer)-Olympiade ein
und absolvierten die Sportarten mit viel
Ehrgeiz und Spaß.
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“Auf die Plätze, fertig, los!“ … Der Olympionike bei der LGBT-Menschenrechts(verletzer)Olympiade beim jährlich stattfindenden lesbischwulen “Parkfest Friedrichshain“ in Berlin
meisterte unter den strengen Augen der Wettkampfrichter der Berliner MERSI-Gruppe mit
erstaunlicher Behändigkeit den Stöckelschuh-Slalom in neuer Weltrekordzeit von 3,43
Sekunden. Kein Wunder, hatte er auch “nur“ Schwierigkeitsstufe A unter den möglichen
Kategorien A, B und C gezogen, was hieß, den Slalomparcours lediglich mit Handschellen
hinter sich zu bringen. Die bekamen jene LGBT-OlympiateilnehmerInnen angelegt, welche
aus den Staaten, die zum Wettkampf antraten, eines jener sieben A-Länder zogen, in denen Homosexualität “nur“ mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zehn Jahren bestraft wird.
Wer hingegen durch die Ziehung für ein Land B antrat, welches Homosexualität mit bis
zu lebenslänglichen Gefängnisstrafen sanktioniert, musste die Disziplinen mit Hand- und
Fußfesseln meistern. Am schlimmsten traf es aber jene, die einen C-Staat wie z. B. die
Vereinigten Arabischen Emirate erwischten, in dem LGBT-BürgerInnen die Todesstrafe
droht: Der/die LGBT-OlympionikIn hatte als Handikap zu den Hand- und Fußfesseln noch
mit verbundenen Augen zu kämpfen – was zwar beim Wattebausch-Weitwurf, der zweiten
Sportart, bis auf leichte Orientierungsschwierigkeiten kompensierbar, beim Nägelkloppen,
der dritten Disziplin, allerdings besonders hinderlich war.
Die Berliner MERSI-Gruppe machte mit dieser Aktion auf die in fast 80 Ländern anhaltende strafgesetzlich verankerte Bestrafung einvernehmlicher sexueller Handlungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen und transidentischen Menschen und deren
gesellschaftlicher Diskriminierung bis hin zu staatlich organisierter Verfolgung und Ermordung aufmerksam. Die in der Aktion implizierte Auseinandersetzung mit willkürlicher Beschneidung von Würde, Selbstbestimmung und Freiheit in diesen Staaten sollte über den
üblichen Rahmen hinaus Anstoß zum Nachdenken geben, was von den TeilnehmerInnen
und umstehenden BeobachterInnen zum Großteil auch bestätigt wurde. Nach anfänglichen Hemmungen, sich auf die LGBT-Olympiade einzulassen, machten doch schließlich
viele BesucherInnen des Parkfestes mit und diskutierten im Nachhinein auch oft noch mit
den InitiatorInnen oder untereinander weiter.
AI-MERSI-Rundbrief Ausgabe Nr. 41, Februar 2009, http://www.mersi-amnesty.de
Die Aktion wurde auch anderen LGBT-Gruppen von Amnesty International online zur Verfügung gestellt.
Die SpielentwicklerInnen entwarfen die Olympiade so, dass sie
auch zu anderen Sportfesten verwendet werden kann wie z. B. zur
Leichtathletik-WM, zur anstehenden Winterolympiade, zu FußballWMs und zu kleineren Straßen- und Vereinsfesten.
Stefan Landvogt
Foto©Colin de la Motte-Sherman
Am Ende fand auf der Bühne des Parkfestes eine Siegerehrung der drei Besten einer
Sportart statt. Als Preise wurden Amnesty-Bücher, Sweatshirts und CDs überreicht.
“…sie sollen beide des Todes
sterben!“– Bibel und Homo­
sexualität
Vortrag MERSI-Seminar September 2008 in Berlin
Die Ablehnung von Homosexualität und damit einhergehend von schwulen, lesbischen, bisexuellen oder transsexuellen Menschen wird auf christlich-konservativer Seite häufig mit der eindeutigen Ablehnung von Homosexualität in der Bibel begründet.
Der Textbestand ist allerdings dürftig, insgesamt behandeln nur sechs Stellen der Bibel direkt oder indirekt gleichgeschlechtliche Sexualpraktiken. Diese sind bei näherer Betrachtung in ihrer grundsätzlichen Ablehnung von Homosexualität nicht so
eindeutig, wie allgemein vermutet wird.
Aus dem Alten Testament werden häufig die Sage vom Untergang Sodoms (1. Buch Mose, Kap. 19), dazu die nach dieser
Geschichte als Dublette gebildete Schandtat von Gibea (Buch der Richter, Kap. 19) und das Verbot aus dem Heiligkeitsgesetz
(3. Buch Mose, Kap. 18, V. 22 und Kap. 20, V. 13), aus dem Neuen Testament zwei Verse aus dem Römerbrief (Kap. 1, V.
26f.) und Aufzählungen aus den sog. Lasterkatalogen im 1. Korintherbrief, Kap. 6, V. 9ff. und dem 1. Timotheusbrief, Kap. 1,
V. 10 herangezogen.
Der Untergang Sodoms und die Schandtat von Gibea:
Die Zerstörung Sodoms durch Gott wird mit dem lasterhaften und gottlosen Verhalten der Stadtbewohner begründet. In der
Sage fordern die Männer der Stadt die Herausgabe von zwei Übernachtungsgästen, damit “wir uns über sie her machen“
können (V. 5). Das hebräische Verb jadah, welches in gängigen deutschen Übersetzungen dieses Verses mit “verkehren“ oder
“her machen“ wiedergegeben wird, bedeutet in seiner Grundaussage schlicht “erkennen“, wird in der Bibel aber allgemein
auch für den sexuellen Verkehr gebraucht. Wortgleich wird diese Szene mit gleichen Motiven in einer anderen Geschichte im
Richterbuch erzählt. In beiden Geschichten wird statt der Herausgabe der männlichen Gäste die Auslieferung von im Hause
befindlichen Frauen angeboten, mit denen der Mob tun kann, “wie es ihm gefällt“.
Eine grundsätzlich negative Beurteilung von Homosexualität aufgrund der Sodoms- und der Gibea-Geschichte ist damit fragwürdig und bezöge sich genau genommen nur auf homosexuelle Vergewaltigung.
Heiligkeitsgesetz:
Der Hintergrund der im Heiligkeitsgesetz verbotenen Verhaltensweisen, darunter verschiedene sexuelle Verfehlungen, ist unklar. Das alte Israel grenzt sich mit einem ausführlichen Verbotskatalog von den umliegenden Völkern ab und nennt in diesem
Zusammenhang auch das Verbot männlicher homosexueller Handlungen. Dabei fällt auf, dass der direkte Kontext, in dem das
Homosexualitäsverbot steht, auf bestimmte kultische Praktiken der nicht-israelitischen Völker Bezug nimmt. Es deutet demnach vieles darauf hin, dass das den männlichen homosexuellen Verkehr ausdrücklich missbilligende und mit der Todesstrafe
bedrohende Gesetz in erster Linie in Abgrenzung zu einer kultischen Prostitution entstanden ist, die im alten Orient verbreitet
war. Das Heiligengesetz lehnt damit homosexuelle Sexualpraktiken zwar ab, aber explizit nur solche, die im Kontext von Prostitution an sakralen Kultstätten stehen.
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AI-MERSI-Rundbrief Ausgabe Nr. 41, Februar 2009, http://www.mersi-amnesty.de
Briefe des Paulus:
Beiläufig nennt Paulus in zwei seiner Briefe in sogenannten Lasterkatalogen neben anderen Sündern auch Männer, deren Verhalten unter Umständen als homosexuell verstanden werden könnte. Die genauen Bedeutungen der griechischen Begriffe sind uneindeutig; sie werden in deutscher Übersetzung meist mit “Lustknaben“, “Weichlingen“,
“Knabenschändern“ und “Unzüchtige“ wiedergegeben.
Während der Begriff “Unzüchtige“ für den außerehelichen heterosexuellen Sexualverkehr anzuwenden ist, wendet sich Paulus mit “Knabenschänder“ gegen Männer, die als
Päderasten einzuordnen sind. “Lustknaben“ und “Weichlinge“ sind meist jugendliche,
feminin agierende, männliche Prostituierte.
Am eindeutigsten ist die Ablehnung von Homosexualität in einer komplizierten theologischen Erörterung im Anfangskapitel des Römerbriefes. Paulus sieht einen Götzendienst
darin, dass die Menschen sich auf sich selbst und nicht auf Gott ausrichten und damit
nicht der schöpferischen Ordnung entsprechend leben; vielmehr haben sie Schöpfer
und Geschöpf vertauscht. Zur Illustration dieser Abkehr von Gottes Ordnung nutzt er
die gleichgeschlechtliche Sexualpraxis. Eigentliches Thema seiner Ausführungen ist sie
nicht, aber Paulus kann davon ausgehen, dass seine Leser – so wie er – gleichgeschlechtliche Sexualpraktiken selbstverständlich ablehnen und an ihnen die menschliche Verirrung am deutlichsten erkennen.
In den christlichen Kirchen ist es weitestgehend Konsens, dass biblische Texte grundsätzlich nicht einfach wortwörtlich genommen werden können, sondern vielmehr in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext interpretiert werden müssen. Trotzdem vertreten nicht
wenige Christinnen und Christen ein wörtliches Bibelverständnis und sie sind, gerade
was die Ablehnung von LGBT-Rechten anbelangt, durchaus einflussreich. Auch wenn zu
jeder einzelnen der besprochenen Bibelstellen eine eingehendere und differenziertere
Betrachtung notwendig wäre, als es hier geschehen konnte, ist die Behauptung, die Bibel lehne homosexuelles Verhalten durchgehend und eindeutig als sündhaft ab, sachlich
nicht haltbar.
Malte Lei, Vikar in der Nordelbischen Kirche
CSD in Düsseldorf
und Köln
Mersi präsentiert sich mit Banner und
Infostand
Es war in Köln wieder viel los am Ehrentag der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgender (LGBT). Auch am Stand von Amnesty International, den die Kölner MersiGruppe dieses Jahr dank Unterstützung von den Frankfurtern (thank you!) wieder auf
die Beine gestellt hat. Eine Woche vorher, beim Düsseldorfer CSD, hat es nicht für einen
eigenen Stand gereicht, dafür aber gab es dort eine Premiere: Amnesty war zum ersten
Mal in der Geschichte des Düsseldorfers CSD in der Parade präsent. Mit superschicken
Poloshirts im neuen Amnesty-Gelb haben wir stolz das AI-Banner durch die Altstadt und
über die berühmte Kö getragen. Die Marschierenden sind in Düsseldorf überwiegend
mit Wohlwollen von den Zuschauern betrachtet worden.
Viele von denen, die in Köln beim Amnestystand “hängen bleiben“, werfen erst einmal
einen Blick auf die Weltkarte, die die rechtliche Situation von Lesben und Schwulen
weltweit darstellt. Rot sind dort die Länder gekennzeichnet, in denen einvernehmliche
sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen gleichen Geschlechts unter Strafe gestellt
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AI-MERSI-Rundbrief Ausgabe Nr. 41, Februar 2009, http://www.mersi-amnesty.de
Zwei Mitglieder von der MERSI-Gruppe Köln tragen
das neue gelbe AI Banner auf der CSD Parade in
Düsseldorf.