Die Geschichte der Phonologie Ferdinand de Saussure Ferdinand

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Die Geschichte der Phonologie Ferdinand de Saussure Ferdinand
Ferdinand de Saussure
Die Geschichte der
Phonologie
20. Jhdt.
1. Teil
Ferdinand de Saussure
‚Cours de linguistique gén
‚Cours de linguistique générale‘ 1916
†1913
Ferdinand de Saussure
érale‘
Unterschiede zwischen:
-Sprache als System ‚langue‘ und Sprechen als
Verhalten ‚parole‘
-historischer Entwicklung und Sprache als
synchrones System
Ferdinand de Saussure
Sprache als System ‚langue‘ und Sprechen als
Verhalten ‚parole‘
‚parole‘ : Wie wird das Wissen in konkreten
Gesprächssituationen umgesetzt? (Gebrauch
von Sprache)
=> Phonetik
• „Meilenstein“
„Vater der modernen Linguistik“
Sprache als System ‚langue‘ und Sprechen als
Verhalten ‚parole‘
‚langue‘ : repräsentiert das Wissen um
systematische Entsprechungen von Laut und
Bedeutung. Fähigkeit die Grammatikalität von
Äußerungen zu beurteilen.
=> Phonologie
Ferdinand de Saussure
Ziel und Zweck der Unterscheidung von langue
und parole:
Konzentration auf langue
langue: ein System von Zeichen
Ferdinand de Saussure
Zeichen: Einheit von
extern:
intern:
signifiant
signifié
Ferdinand de Saussure
Zeichen: Einheit von
‘Lautgestalt‘
‚Konzept
extern:
intern:
signifiant
signifié
‘Lautgestalt‘
‚Konzept
Beliebigkeit
Ferdinand de Saussure
Beliebigkeit:
Ferdinand de Saussure
Es ist unmöglich, dass zwei Sprachen
identische Zeichen enthalten:
betrifft auch die Ebene der Konzepte
(Englisch calf - veal / Franz. veau)
Ferdinand de Saussure
Ein Zeichen ist rein relational und
abgrenzend (distinktiv).
aufgrund unterschiedlicher Beziehungen
zu anderen Zeichen: ein Zeichen existiert
nur durch diese Beziehungen.
Ferdinand de Saussure
enge Beziehung zwischen langue und
parole:
‚langue‘ wird entwickelt aufgrund von
Beobachtungen von ‚parole‘
‚parole‘ ist nur möglich aufgrund der
zugrundeliegenden ‚langue‘.
Ferdinand de Saussure
Sicht auf Sprachwandel:
Motivation immer in ‚parole‘
irrelevant für die entscheidende Frage:
Was ist Sprache?
Ferdinand de Saussure
„in der langue geht es nur um Unterschiede, ...
nicht um etwas positives“
gemeint ist: Studium der phonetischen
Eigenschaften von Sprachlauten ist nicht an
sich Teil der Linguistik, sondern es geht immer
um Relationen zwischen Sprachlauten.
Ferdinand de Saussure
Entwicklung der Silbentheorie:
Der phonetische Gehalt eines Sprachlauts
ergibt sich aus:
I.
seinem statischen
artikulatorisch/akustischem Typ
II. seiner Position innerhalb der Silbe
Ferdinand de Saussure
Junggrammatiker: Sprache kann nur als
das Ergebnis historischer
Veränderungen verstanden werden
Saussure: Historische
Sprachwissenschaft trägt nichts zum
Verständnis von Sprache bei.
Ferdinand de Saussure
Unterschieden wird zwischen:
„Lautbildern“ (‚images acoustiques‘), zeitlose,
perzeptuelle Archetypen) => langue
“Lauten“ („phonèmes“) spezifische, physische,
artikulatorische Manifestationen => parole
Ferdinand de Saussure
Silbe
/
|
Ansatz Nukleus
<d
I
explosiv
(dynamisch
öffnend)
\
Koda
>d
implosiv
(dynamisch
schließend)
Ferdinand de Saussure
Silbe
/
|
Ansatz Nukleus
D
I
D
\
Koda
D
Abstraktion: Phonetischer Typ (finite Menge)
Ferdinand de Saussure
Silbe
/
|
Ansatz Nukleus
D
I
„
\
Koda
D
Ferdinand de Saussure
D
I
D
Abstraktion: Phonetischer
Typ (finite Menge)
„identische Wahrnehmung“
Ferdinand de Saussure
D I D
Unterschiede in der Manifestation
universeller Natur“
Silbe
/
|
Ansatz Nukleus
<d
I
Ferdinand de Saussure
\
Koda
>d
Laut
D
Lautbild
„Phonetische Typen“ werden weder
produziert noch wahrgenommen.
„psychische Realität“
sie determinieren sowohl die Intention als
auch die Wahrnehmung des Sprechers
Zur Rolle der
[p]
[b]
Distinktivität
[m]
Zur Rolle der
[p]
[-sth]
Distinktivität
[b]
[+sth]
[m]
Zur Rolle der
Distinktivität
Finnisch:
[p]
[b]
[p]in - [b]in
‚pin‘ ‚bin‘
Zur Rolle der
Distinktivität
[m]
[n]
[+lab] [-lab]
Zur Rolle der
h e
Distinktivität
m
p
[+lab] [+lab]
Zur Rolle der
[p]
[+lab]
Distinktivität
[t]
[-lab]
Zur Rolle der
*henp
[r]
Distinktivität
Zur Rolle der
h e
Distinktivität
m
p
- [+lab]
Zur Rolle der
Distinktivität
Zur Rolle der
*hemk
Zur Rolle der
h
h
e
m p
[+lab] -
Distinktivität als
Repräsentation
[S1] [S2] [S3] [S4]
[+M2] [+M2] [-M4] [-M1]
[+M1] [-M1] [-M3] [+M5]
[-M2] [+M2]
Distinktivität
e
Distinktivität
m p
\ /
?[+lab]
Distinktivität als
Repräsentation
Ableitung der
phonetischen Form
[hemp‘]
Distinktivität als Regelsystem:
Redundanz
[hemp]
Wenn: [Nasal] [Plosiv]
Dann: [αASt] [αASt]
Distinktivität als Regelsystem:
Redundanz
[hemp]
Redundanzregeln: langue
Phonetische Realisation:
parole
Ferdinand de Saussure
Alternation:
[fVt]
/
\
N.E. [fUt]SG - [fi:t]PL
Distinktivität als Regelsystem:
Redundanz
[hemp]
Wenn: [Nasal] [Plosiv]
Dann: [+lab] [+lab]
Ferdinand de Saussure
Alternation:
A.E. [fo:t]SG - [fo:ti]PL
[fo:t]SG - [fø:ti]PL
N.E. [fUt]SG - [fi:t]PL
Ferdinand de Saussure
zu jedem Zeitpunkt: 2 Zeichen
A.E. [fo:t]SG - [fo:ti]PL
N.E. [fUt]SG - [fi:t]PL
Ferdinand de Saussure
Richtungsweisend:
statt historischer Studien
phonetischen Details
=> Studien von Systemen,
Relationen: synchroner
⇒ Regularitäten
Johannes Fehr
(Eidgenössische Technische Hochschule
Zürich)
Saussure und das Schreiben
• Montag, 31. Januar 2005, 16 Uhr
• Ort: Raum KL 29/235
• Habelschwerdter Allee 45
Baudouin de Courtenay
1845-1929
Aufgabe des
Sprachwissenschaftlers:
Versuch, Gesetzmäßigkeiten zu
verstehen
Erklärung von Sprache
Ferdinand de Saussure
Was ist Sprache?
Was ist charakteristisch fuer
Grammatik?
Baudouin de Courtenay
1845-1929
Mikolaj Kruscewski
1851-1887
„Kazan Schule“
Baudouin de Courtenay
1845-1929
Verstehen von Gesetzmäßigkeiten
auf der synchronen Ebene
grundlegend für das Verstehen
von Sprachwandel
Kruszewski
Sprache:
Netzwerk zweier Arten von
Assoziationen zwischen
linguistischen Formen:
Kruszewski
Assoziationen basierend auf
1. Gleichzeitigkeit: Parallele
Strukturen
⇒ Paradigmatische Relationen
Kruszewski
Assoziationen basierend auf
1. Gleichzeitigkeit: Parallele
Strukturen
2. 2. Sequenz:
Nebeneinanderordnung
Kruszewski
Folge dieser Assoziationen:
Wörter bilden Familien „Nester“
die strukturelle Basis von Sprache
2.
Sequenz: Nebeneinanderordnung
⇒ => Syntagmatische Relationen
Paradigmatisch/syntagmatisch
Das Kind liebt die Blumen
Kruszewski
sieht
Das Kind liebt die Blumen
gießt
kauft
pflückt
vergisst
Kruszewski
sieht
Das Kind liebt die
Blumen
gießt
kauft
pflückt
vergisst
Kruszewski/Baudouin
Sprache beinhaltet nicht
mechanische Wiederholung
sondern: ständige Schöpfung,
ständiges Einordnen in das
assoziative System
Kruszewski/Baudouin
I. ge-essen
II. gessen (System ge+Stamm)
Kruszewski/Baudouin
I. ge-essen
II. gessen (System ge+Stamm)
III. gegessen
IV. Integration in das synchrone
V. System von Assoziationen
Kruszewski/Baudouin
•
•
•
Latein
Altenglisch
margari:ta -> mere-grota
‚Perle“
‚Meer‘-‘Korn‘
•
•
Integration in das synchrone
System von Assoziationen
Kruszewski/Baudouin
•
•
•
•
Interdependenz:
Verstehen historischen
Wandels
aufgrund des synchronen
assoziativen Systems
Kruszewski/Baudouin
•
•
•
•
Interdependenz:
Verstehen historischen Wandels
aufgrund des synchronen
assoziativen Systems.
•
•
Verstehen des synchronen
assoziativen Systems aufgrund
eines
Verstehens von historischem
Wandel
•
Baudouin/Kruszewski
Anthropophonetik
Psychophonetik
Baudouin
Anthropophonetik:
A.E. hu:[s] - hu:[z]ian
Psychophonetik:
N.E. hou[s] - hou[z]
Ferdinand de Saussure
Historische Sprachwissenschaft trägt
nichts zum Verständnis von Sprache
bei.
Baudouin/Kruszewski
Anthropophonetik:
Studium der rein physikalischen Aspekte
von Lautstruktur
Psychophonetik:
Lautstruktur aus der Sicht der
Morphologie
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Faktoren:
1. die alternierenden Sprachlaute
2. die Bedingungen unter denen die
jeweiligen Varianten auftreten
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Typ I:
- Bedingung ist unmittelbar präsent:
- => transparent
- generell: keine Abhängigkeit von
morphologischer Struktur
- keine Ausnahmen
- Sprachlaute sind phonetisch ähnlich
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
- hu:[s] - hu:[z]ian
hu:[z]es
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Typ I: 1-3 notwendig + hinreichend
- 1. Bedingung ist unmittelbar
präsent:
- => transparent
- 2. generell: keine Abhängigkeit von
morphologischer Struktur
- 3. keine Ausnahmen
- Sprachlaute sind phonetisch ähnlich
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
- hu:[s] - hu:[z]ian
-
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
- Typ I:
- alle nondistinktiven
Alternationen
- l[i:]k ‚leak‘ - l[i::]gue ‚league‘
- aber auch:
- Hun[t] - Hun[d]e
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Anspruch: Erklärung indem ein
notwendiger Zusammenhang zwischen
beobachtbaren Phänomenen postuliert
wird.
Anspruch: Theorie / nicht bloße
Klassifizierung
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Typ I:
Alternationen repräsentieren denselben
Sprachlaut (B: unbemerkt vom Sprecher)
Typ II / Typ III
- unmöglich die lautliche Ursache der
Alternation (synchron) zu erkennen
- Ausnahmen sind möglich
- keine notwendige phonetische
Ähnlichkeit
Typ II / Typ III
Alternationen repräsentieren unterschiedliche Sprachlaute
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
der M[a]gen - die M[ä]gen
der M[a]gen - die M[ä]gen
der W[a]gen - die W[a]gen
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Typ II vs. Typ III
Typ III: notwendige morphologische
Konditionierung
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Typ I beruht auf syntagmatischen Relationen
(lautliche Umgebung)
hu:[s] - hu[z]ian
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Typ III beruht auf paradigmatischen
Relationen (Gleichzeitigkeit)
W[a]gen
W[ä]gen
Baudouin
Anthropophonetik:
A.E. hu:[s] - hu:[z]ian
Kruszewskis Typologie der
Alternationen
Alternationstypen haben
einen engen Bezug zu den
fundamentalen assoziativen
Relationen, die Sprache
ausmachen.
Baudouin
I. T[a]k - T[a:]ge
Psychophonetik:
N.E. hou[s] - hou[z]
Baudouin
I. T[a]k - T[a:]ge
II. T[a:]k - T[a:]ge
Baudouin
Ursprung: universelle
phonetische Variationen
[V:] stimmhaft
[V] stimmlos
Baudouin
Entwicklung: sprachspezifische Phonologisierung
[V:] stimmhaft
[V] stimmlos
Baudouin
Phonologisierung:
• 2 getrennte Wörter:
l[i:]k - l[i::]g
‚leak‘ - ‚league‘
Baudouin
Morphologisierung:
• 2 getrennte, verwandte
Wörter:
Hun[t]SG - Hun[d]ePL
Baudouin
Phonologisierung:
• 2 getrennte Wörter:
l[i:]k - l[i::]gue
‚leak‘ - ‚league‘
Baudouin
Phonologisierung:
• 2 getrennte Wörter:
l[i:]k - l[i::]k
‚leak‘ - ‚league‘
Baudouin
Morphologisierung:
• 2 getrennte, verwandte
Wörter:
Hun[t]SG - Hun[d]PL
Baudouin
Morphologisierung:
• 2 getrennte, verwandte
Wörter:
wa[z]PRES - we[r]PAST
Baudouin
Zyklus der Alternationen:
- rein phonetische Variation
- Phonologisierung
- Morphologisierung
- Verlust
Spätere Entwicklung Scerba
Spätere Entwicklung Scerba
Typ I (Kruscewski):
Alternationen repräsentieren denselben
Sprachlaut (B: unbemerkt vom Sprecher)
Typ I (Kruscewski):
Alternationen repräsentieren denselben
Sprachlaut (B: unbemerkt vom Sprecher)
Baudouin: dieselbe Intention unterschiedliche Realisation
Hun[t] - Hun[d]e / l[i:]k - l[i::]gue
Hun/d/ - Hun/d/e / l/i:/k - l/i:/gue
Spätere Entwicklung Scerba
Typ I (Kruscewski):
Alternationen repräsentieren denselben
Sprachlaut (B: unbemerkt vom Sprecher)
Scerba:
Wenn: Hun[t] - Hun[d]e
und : [d]eich „Deich‘ - [t]eich ‚Teich
Spätere Entwicklung Scerba
Scerba:
Wenn: Hun[t] - Hun[d]e
und : [d]eich „Deich‘ - [t]eich ‚Teich
dann: Hun/t/ - Hun/d/e

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