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18 neue verpackung> 02.2005 branche> Pharma Pharmazeutische Primärverpackungen / Teil 2 Mehrwert gefragt Manche brauchen sie täglich, andere nur im Akutfall – die Rede ist von Medikamenten. Deren Primärverpackung soll einerseits das Medikament optimal schützen, andererseits aber auch verbraucherfreundlich sein. Welche Ansprüche werden heute an ein Packmittel gestellt, wohin geht der Trend? Im Gespräch mit Fachleuten hat die Redaktion Pharma +Food einige interessante Aspekte herauskristallisiert. > Für feste Formen wird vor allem die Blisterverpackung eingesetzt – mit stark steigender Tendenz. Im Jahre 2002 betrug der Blistermarkt weltweit 3 545 Mio. US-Dollar, bis 2012 sollen es 6 590 Mio. US-Dollar sein. Die Hauptrolle spielt mit 62 % reines PVC, PVDC-beschichtetes PVC rangiert mit 24 % an zweiter Stelle, etwa 5 % Anteil haben PCTFE-beschichtete Laminate und rund 8 % sind Laminate aus OPA (biaxial orientiertes Polyamid)/Aluminium/PVC. Damit sind rund 99 % aller Bodenfolien für Blister PVCbasierend. Die Vorreiterrolle von PVC ist nach wie vor ungebrochen, wenn sich auch der Anteil der Folien aus reinem PVC Schätzungen zufolge auf 53 % verringern wird, während der Anteil der Barrierekunststoffe bis zum Jahr 2006 auf 46 % steigen wird*. Die Anforderungen an die Folie werden durch Wirkstoffe und Trägersubstanz bestimmt, und hier steht der Wasserdampf wieder im Mittelpunkt. Reines PVC hat nur eine ganz geringe Wasserdampfbarriere, durch die Dicke der Barriereschicht (PVDC, Aclar, PVDC/COC) kann man die Barriere variieren. Dies trifft bei PVDC für die Wasserdampf- und gute Sauerstoffbarriere zu. PVC hat immer noch Vorrangstellung PVC war zwar in den 90er Jahren im Rahmen der allgemeinen Angriffe gegen die Chlorchemie in die Diskussion geraten, gehört aber inzwischen sicherlich zu den am besten untersuchten Kunststoffen. Entgegen allen Substitutionsbemühungen in anderen Bereichen hält die Pharmaindustrie eisern an dem bewährten Packmittel fest. Die intensiven Zulassungstest für neue Medikamente bestätigen immer wieder die gute Schutzwirkung des PVC-Blisters. „In ei- Der Formpack ist eine Struktur aus OPA, Aluminium als Barriereschicht im Kern und PVC als Siegelschicht. Einsatzgebiete sind vor allem Medikamente, die hochempfindlich gegen Feuchtigkeit sind. (Foto: Alcan Packaging) ner PVC-Blisterfolie sind die Halogene fest in der Molekülstruktur gebunden. PVC ist auch nicht depolymerisierbar, so dass keine Monomere mit dem Füllgut bzw. dem Patienten in Wechselwirkung treten könnten. Und was die mechanischen Eigenschaften angeht, ist PVC unschlagbar“, erklärt Hans-Dieter Laux, Business Manager Marketing & Sales SBU Pharma bei Klöckner Pentaplast. Die hohe Wasserdampfbarriere von COC wird auch im Blisterbereich genutzt. Pionierarbeit für Blisterverpackungen aus COC hat Klöckner Pentaplast geleistet. Die erste Zulassung der FDA erhielt der Packmittelhersteller für *Die Angaben basieren auf Erhebungen von Alcan Packaging bzw. der aktuellen Studie von Freedonia „World Pharmaceutical Packaging to 2007“ Der komfortable Stick-pack aus Aluminiumfolie enthält eine Einmaldosis des Medikaments, die in den Mund geschüttet wird. (Foto: Alcan Packaging) 20 neue verpackung> 02.2005 branche> Pharma die klare, mehrschichtige Laminatfolie Pentapharm COC 240 P/03. Die Außenschichten der Folie bestehen aus Polypropylen, der Kern aus Topas. COC-basierte Blisterfolien lassen sich problemlos und ohne Umrüsten auf allen gängigen Maschinen verarbeiten. „Da Medikamente immer sensibler, immer anfälliger werden gegen Feuchtigkeit, könnte das für alle Barrierekunststoffe, also auch für COC, ein Treiber sein“, konstatiert Bernd Sparenberg, Global Marketing Manager Packaging and Film COC bei Ticona. „Was die Barriere angeht , konkurrieren wir einerseits gegen PVCKombinationen, andererseits gegen PCTFE wie etwa Aclar.“ Aclar von Honeywell Specialty Materials verfügt ein Mehrfaches an Wasserdampfbarriere als COC und ist aufgrund der Produkteigenschaften in der Regel teurer. Die Folie erlaubt eine visuelle Inspektion und die Identifikation des Füllgutes. Mögliche Kombinationen sind beidseitig PP mit COC im Kern – coextrudiert oder kaschiert – oder auch PVC/COC. Die neue Struktur eines Kunden, nämlich die Kombination von PCTFE mit COC, hat eine Barrierewirkung, die als Flachfolie der von Aluminium nahe kommt. Prüfung bestanden? Die Verpackungsentwicklung für die pharmazeutische Industrie ist eine relativ zeit- und kostenintensive Angelegenheit. „Bei besonderen Drug-delivery-Systemen kann die Verpackung ei- nes Medikamentes ein so wesentlicher Bestandteil der Drug-delivery-Technologie sein, dass die Verpackung schon in einem sehr frühen Stadium entwickelt werden muss“, erklärt Dr. Remco van Weeren, Marktsegmentleiter Specialty Films bei Honeywell. „Heute prüft man im Blisterbereich verschiedene Strukturen parallel. Wir beobachten, dass COC zunehmend mit in die Stabilitätstests einbezogen wird“ , erklärt Bernd Sparenberg. „Bei Vials oder Spritzen testet man Glas parallel zu COC. Aus Gesprächen mit Pharmazeuten wissen wir, dass man aktiv nach einem Ersatz für Glas sucht, weil man sich dessen Schwächen in gewissen Anwendungen bewusst ist.“ Hier kommen weitere Vorteile von COC zum Tragen: COC bietet – im Vergleich zu Glas – große Flexibilität beim Design; darüber hinaus erleiden Behälter aus COC, wenn sie fallen, im schlimmsten Fall einen kleinen Riss. „Das ist bei Notfallprodukten, wo es auf einfache Bedienung und Bruchsicherheit ankommt, ein großer Vorteil“, so Thomas Petzel, Global Marketing Manager Injection Moulding COC bei Ticona. Wie auch immer: „Im Zuge der zunehmenden Globalisierung in der pharmazeutischen Industrie wird sich ein Pharmazeut, was die Primärverpackung angeht, für eine Lösung entscheiden – schon aufgrund der Kosten, die die Qualifikation der Verpackung mit sich bringt. Mit dem „One-fits-all“-Gedanken werden die Ansprüche hinsichtlich Barriere weiter steigen“, weiß sein Kollege Sparenberg. Hinsichtlich Barriere gegen Wasserdampf und Gas kann der Alu/Alu-Blister als Mercedes bezeichnet werden. „Aluminium hat eine 100%ige Barriere gegen Wasserdampf und Sauerstoff, natürlich auch gegen Sauerstoff und Licht“, erklärt Dr. Erwin Pasbrig, Leiter Entwicklung Pharma Personal Care bei Alcan Packaging Singen und KreuzlinBlisterverpackung aus COC Topas (Foto: Bild: Ticona) gen. Der von Alcan entwickelte Formpack ist eine Struktur aus OPA, Aluminium als Barriereschicht im Kern und PVC als Siegelschicht. Einsatzgebiete sind vor allem Medikamente, die hoch empfindlich gegen Feuchtigkeit sind, wie etwa Inhalationsprodukte, Diagnostika oder Antibiotika. Pasbrig weiß, dass bei der Wahl des Werkstoffs auch der Marketingaspekt eine große Rolle spielt. „Einige Kunden nutzen den wertvoller aussehenden Formpack, auch bedruckt, um sich vom Wettbewerb zu unterscheiden – gerade bei OTC-Produkten wird das immer bedeutsamer. Einen wichtigen Trend sehe ich zu Drug-delivery-Systemen. Direkte Inhalation der Wirkstoffmoleküle ohne Füllstoffe haben geringere Nebenwirkungen und eine höhere Effizienz. Dies ist eine der bedeutenden Entwicklungsrichtungen der Pharmaindustrie.“ Bequem soll's sein Die Blisterverpackung hat sich hier zu Lande nicht nur deshalb durchgesetzt, weil sie dem Produkt einen bestmöglichen Schutz bietet, sondern auch eine der für den Patienten bequemsten Verpackungsformen ist, denn Komfort wird auch in der Therapie inzwischen ganz groß geschrieben. Ein Paradebeispiel hierfür sind Fast-dissolvent-Tabletten, bei denen sich das gefriergetrocknete Produkt blitzschnell im Mund auflöst und dessen Wirkstoffe über die Mundschleimhaut aufgenommen werden; geschätzt wird der Vorteil dieser Darreichungsform von Kindern und älteren Menschen. Ähnlich komfortabel sind Stick-packs aus Aluminiumfolie, die eine Einmaldosis des Medikaments enthalten, das direkt in den Mund geschüttet wird. Sie eignen sich für Tabletten in Granulatform, wie beispielsweise Aspirin, Gelee sowie Suspensionen und Emulsionen. Den Vorteil hat hier nicht nur der Patient, sondern auch der Pharmazeut: „Er spart viel Verpackungsmaterial im Vergleich zu herkömmlichen Beuteln“, erklärt Dr. Pasbrig. Gleichgültig, ob feste oder flüssige Formen, ob Kunststoff oder Glas: „Das Blisterverpackung aus PCTFE Aclar. (Foto: Honeywell Specialty Materials) Thema Compliance hat einen zentralen Stellenwert bekommen“, so Folienspezialist Laux. Noch ist der ComplianceGedanke recht jung; das Thema kam Ende der 70er Jahre auf und gewinnt erst langsam an Bedeutung. Die Folgekosten durch Non-compliance sind sehr hoch; in Deutschland werden sie auf die Größenordnung 10 Mrd. Euro geschätzt. Verschiedenen Studien zufolge gibt es in den USA jährlich 170 000 Todesfälle durch Non-compliance. Die Gründe hierfür sind vielschichtig; an erster Stelle steht, wie Fachleute wissen, die Verpackungsform. In den USA wird häufig in Fläschchen abgepackt, der Blistermarkt steckt noch in den Kinderschuhen. Bei einer Blisterverpackung jedoch kann der Patient sehr viel besser seine regelmäßige Einnahme kontrollieren. Bestes Beispiel hierfür ist der Star unter den Blistern, die Kalenderpackung – hier liegt die Compliance bei 90 %. Tassilo Korab, Mitglied im HCPC (Health Care Compliance Packaging Council) Europe, zu diesem sensiblen Thema: „Ein Blister ist nachgewiesenermaßen compliance-fördernd. Es gibt eine große Anzahl relativ einfacher Hilfsmittel bei der Verpackungsentwicklung, die – gezielt eingesetzt – die Patienten-Compliance fördern können.“ Die Verpackungsgestaltung sei viel zu sehr an Vorschriften durch Gesundheitsbehörden orientiert und zu wenig am Patienten selbst. Die Weiterentwicklung von Kunststofffolien trägt auch diesem Gedanken Rechnung. Klöckner Pentaplast hat mit Pentapharm Aclar S03 eine symmetrische Verbundfolie entwickelt, die durch ihre beidseitige Bedruckbarkeit sowie die problemlose Siegelfähigkeit gegen Standard-Kartenfolien neue Gestaltungsmöglichkeiten für wichtige Patienteninformationen direkt am Tablettenblister bietet. Vor allem für ältere Menschen, die verschiedene Medikamente mehrmals täglich einnehmen müssen, ist der optische Erinnerungswert zu gering. Korab empfiehlt eine deutliche Unterscheidung in Form und Farbe des Medikaments sowie der Verpackung, denn mit dem Begriff Compliance ist der des Medikamentenirrtums eng verbunden. „Die meisten Pharmaunternehmen nutzen das Potenzial der Verpackung nicht in vollem Maße. In Zukunft wird die Verpackung vor dem Hintergrund der Compliance und der Markenetablierung eine viel stärkere Rolle spielen“, weiß van Weeren. Konflikt zwischen Sicherheit und Compliance Für Blister und Flasche gleichermaßen gilt: Kindersicher sollen sie sein. „Kindersicherheit hängt immer zusammen mit Erwachsenenfreundlichkeit“, erklärt Korab. Ist eine Verpackung jedoch dermaßen kindersicher, dass ältere Erwachsene Probleme mit dem Öffnen haben, kippt das Ganze leicht ins Gegenteil um: Froh, die Verpackung überhaupt geöffnet zu haben, neigt der Patient dazu, seine Medikamente umzufüllen – und damit liegt die Kindersicherheit bei Null. Derzeit läuft eine Studie an der Universität Wien, die sich mit diesem komplexen Thema beschäftigt „Dieser Konfliktbereich ist extrem schwierig aufzulösen; wenn man Kindersicherheit zu weit treibt, konterkariert sie sich selbst“, so Korab. „Ich glaube, wir haben hier ein enormes Feld von Verbesserungsmöglichkeiten.“ (Der erste Teil dieses Trendberichts, der sich mit Primärverpackungen für Liquida beschäftigte, erschien in nv 11/04) >| Birgit Lind, Redaktion Pharma+Food