Die Räumung nach dem „Berliner Modell“ - refawi
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Die Räumung nach dem „Berliner Modell“ - refawi
Praxiswissen 19 Die Räumung nach dem „Berliner Modell“ Zwangsräumungen sind für Vermieter immer mit einem hohen Kostenaufwand verbunden. Sie müssen gegenüber dem zuständigen Gerichtsvollzieher für Kosten der Räumung – Öffnung der Wohnung, Abtransport der gepfändeten Gegenstände, Lagerung der Gegenstände und Versteigerungskos ten – in Vorlage treten. Die Versteigerung der gepfändeten Gegenstände deckt häufig nicht annähernd die gleichzeitig entstandenen Räumungskosten. Ende 2005 erging eine für die Praxis folgenschwere Entscheidung des BGH, welche die Kosten der Räumung nunmehr möglichst gering halten soll. Aber ist sie eine wirkliche Alternative? Von Anja Rumpel, Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, Berlin 1. Allgemeines zur Räumung Räumungsprozesse sowie die häufig darauf folgende Räumungsvollstreckung sind mit einem enormen Kostenaufwand für Vermieter verbunden. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als ihre säumigen Mieter unter Zuhilfenahme staatlicher Gewalt aus den Besitz der streitgegenständlichen Mietwohnung zu bringen. Sobald dem Vermieter als Gläubiger ein Titel zur Vollstreckung eines Herausgabeanspruches gegen den Mieter bzw. Schuldner bezüglich einer Wohnung, eines Grundstücks, eines Kfz-Stellplatzes etc. vorliegt, kann der für den Vollstreckungsbezirk des Schuldners zuständige Gerichtsvollzieher mit der ZwangsräuReno 09/2009 mung beauftragt werden. Der Titel muss zwingend das zu räumende Objekt/Grundstück genau bezeichnen und eindeutig auf Herausgabe, Überlassung oder Räumung gerichtet sein. Eine eventuelle Räumungsfrist muss abgelaufen sein. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Titel gegen jeden Mieter bzw. Mitbesitzer gerichtet sein muss. Dies gilt insbesondere für Untermieter, Ehepartner oder Partner in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft, nicht jedoch bspw. für minderjährige Kinder. Räumungstitel sind z. B.: - Räumungsurteil - Prozessvergleich - notarielle Räumungsverpflichtung - vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses bei einer Zwangsversteigerung 20 Praxiswissen Hinweis Zum Ablauf des Räumungsverfahrens soll auf den Beitrag in „Die Reno“ 2/2008, S. 4 ff., verwiesen werden. Dieser ist für Abonnenten auch im Zeitschriftenarchiv unter www.azubee.de abrufbar. In diesem Artikel wird das Räumungsverfahren im Hinblick auf die Antragstellung und den Verfahrensablauf ausführlich geschildert. Nachdem der Auftrag beim Gerichtsvollzieher eingegangen ist, fordert dieser umgehend beim Gläubiger bzw. beim Gläubigervertreter einen Räumungskostenvorschuss an. Dieser soll die zu erwartenden Kosten der durchzuführenden Räumung decken. Der Gerichtsvollzieher verschafft sich mithilfe eines Schlossers Zugang zur Mietwohnung, lässt Hausrat und Einrichtung durch eine Spedition abtransportieren, einlagern und letztendlich nach Ablauf der Wartefrist von zwei Monaten öffentlich versteigern. Kostenvorschüsse von mehreren tausend Euro für eine Räumung sind inzwischen keine Seltenheit. Entstandene Kosten sind zwar notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung i. S. d. § 788 ZPO und vom Schuldner zu erstatten, jedoch bleibt dies erfahrungsgemäß oftmals erfolglos. 2. Die Berliner Räumung Die so genannte „Berliner Räumung“, welche durch das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 17.11.2005 - I ZB 45/05 (u. a. abgedruckt in NJW 2006, 848 = NZM 2006, 149) erstmals für zulässig erklärt wurde, soll Vermietern nunmehr die Möglichkeit bieten, einen in der Regel kostengünstigeren Weg der Räumung zu gehen. Dieser bietet erhebliche Vorteile, allerdings ist er auch mit einigen Gefahren verbunden. Da es in der Praxis immer häufiger dazu kommt, dass Anwaltskanzleien mit der Führung von Räumungsprozessen sowie der oftmals nachfolgenden Vollstreckung unter Berücksichtigung der Geltendmachung ih- res Vermieterpfandrechts gem. § 562 BGB beauftragt werden, soll nachstehend ein kurzer Überblick über die Möglichkeiten und Besonderheiten dieser Vollstreckungsmaßnahme gegeben werden. 2.1 Ausgangsfall der maßgeblichen BGH-Entscheidung Zwei Schuldnerinnen wurden durch das Amtsgericht Berlin-Neukölln verurteilt, die streitgegenständliche Wohnung zu räumen und geräumt an den Gläubiger herauszugeben. Der Gläubiger erteilte der zuständigen Gerichtsvollzieherin einen Herausgabe- und Räumungsauftrag mit dem Hinweis, an sämtlichen sich in der Wohnung befindlichen Gegenständen der Schuldnerinnen sein Vermieterpfandrecht geltend zu machen und widersprach dem Abtransport der Sachen. Er beschränkte schließlich seinen Auftrag auf die Herausgabe der Wohnung. Die Gerichtsvollzieherin machte die Ausführung des Auftrages von einer Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 3.000,00 EUR abhängig, da nach ihrer Ansicht auch unter Berücksichtigung der Geltendmachung des Vermieterpfandrechts eine Spedition für den Abtransport der unpfändbaren Sachen der Schuldnerin beauftragt werden müsse. Der Gläubiger legte Erinnerung wegen des zu hoch bemessenen Kostenvorschusses ein. Das Amtsgericht wies die Erinnerung sowie das Landgericht die darauf folgende sofortige Beschwerde des Gläubigers zurück. Hiergegen richtete sich die zulässige Rechtsbeschwerde des Gläubigers vor dem Bundesgerichtshof. Dieser vertrat die Auffassung, dass die Rechtsbeschwerde begründet sei. Er führt aus, dass die Reno 09/2009 21 Gerichtsvollzieherin für die ausschließlich auf die Herausgabe gerichtete Zwangsvollstreckung, zu deren isolierter Durchführung sie verpflichtet sei, einen Vorschuss für den Abtransport von Sachen nicht verlangen kann. Merke Vermieterpfandrecht Gem. § 562 Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Vermieter an eingebrachten Sachen des Mieters in der streitgegenständlichen Wohnung dann ein Pfandrecht zu, wenn dieser berechtigte Forderungen, bspw. aus offenem Mietzins, gegenüber seinem Mieter innehat. 2.2 Folgen der BGH-Entscheidung Bislang war die Frage, ob ein Vermieter die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe der Wohnung beschränken kann, in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass ein Abtransport von Sachen des Schuldners nur dann vorzunehmen ist, wenn die Geltendmachung des Vermieterpfandrechts zwischen den Parteien unstreitig ist. Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass der Gerichtsvollzieher auch dann die Sachen in der Wohnung zu belassen hat, wenn zwischen den Parteien Streit darüber bestehen sollte, ob tatsächlich alle beweglichen Sachen des Schuldners vom Vermieterpfandrecht umfasst sind. Für diese materiell-rechtlichen Streitigkeiten ist der Gerichtsvollzieher als VollstreckungsReno 09/2009 organ nicht zuständig. Dies obliegt den Gerichten. Mit der Entscheidung des BGH wurde die Räumung nach dem Berliner Modell nunmehr höchstrichterlich für gangbar erklärt. Folglich kann die Zwangsvollstreckung auf die Herausgabe der Wohnung gem. § 885 ZPO beschränkt werden, wenn der Vermieter an sämtlichen beweglichen Sachen des Mieters, die sich in den Räumlichkeiten befinden, sein Vermieterpfandrecht geltend macht. Darauf, ob die Sachen unpfändbar sind, kommt es nicht an. Ein zu zahlender Vorschuss erstreckt sich zunächst aufgrund des Wegfalls des Abtransports, der Zwischenlagerung sowie der Versteigerung lediglich noch auf die Kosten für die Öffnung der Wohnung durch einen Schlosser. Erfahrungsgemäß kann mit einem Vorschuss in Höhe von 400,00 EUR für die Kosten des Gerichtsvollziehers sowie des Schlossers gerechnet werden. Sobald der Vermieter durch den Gerichtsvollzieher wieder in den Besitz der Mietwohnung gebracht worden ist (bspw. durch Schlüsselübergabe durch den Gerichtsvollzieher), obliegt ihm gem. §§ 1215, 1257 BGB eine Verwahrungspflicht. Er kann die Gegenstände in der Wohnung belassen oder diese in geeignete Lagerräume bringen. Auf Verlangen des Mieters hat der Vermieter unpfändbare Sachen herauszugeben. Tut er dies nicht, so steht dem Mieter ein Schadensersatzanspruch zu. Das geltend gemachte Vermieterpfandrecht erlaubt es dem Vermieter schließlich, die Sachen zu ver- werten. Ein Recht zur Vernichtung des Räumungsguts steht dem Vermieter aufgrund verbotener Eigenmacht nicht zu. Eine Ausnahme gilt für offenkundig wertlose Gegenstände. Nach dem Ablauf der Wartefrist hat der Vermieter das Recht, die Sachen im Wege der öffentlichen Versteigerung zu verwerten. Fraglich ist, was der Vermieter tun kann, wenn der Mieter weder seine Gegenstände abholt, noch eine Verwertung möglich oder beabsichtigt ist. Dem Vermieter ist zu empfehlen, den Mieter zur Abholung seiner Gegenstände unter Fristsetzung aufzufordern mit der Androhung, diese nach Ablauf der gesetzten Frist zu vernichten. Somit stände dem Mieter bei tatsächlicher Vernichtung seines Eigentums kein Schadensersatzanspruch zu. Der BGH bestätigte seine Entscheidung noch einmal mit Beschluss vom 10.8.2006 (I ZB 135/05). Er führt sogar noch weiter zur Frage des Schutzes des Mieters aus. Der Mieter sei berechtigt, vor dem Besitzwechsel unpfändbare und nicht vom Vermieterpfandrecht umfasste Sachen aus der Wohnung zu schaffen. Wer so lange den „Kopf in den Sand stecke“, könne keinen Schutz mehr beanspruchen. 3. Fazit Die Berliner Räumung bietet Kostenvorteile und ist zulässig. Ob sie im Einzelfall angeraten ist oder nicht, bedarf fachkundiger Prüfung. Eines steht jedoch fest: Die Zeiten der ruinösen Vorschussforderungen der Gerichtsvollzieher für eine Wohnungsräumung sind vorbei. 22 Praxiswissen Musterformulierung Antrag auf Herausgabe einer Wohnung und Wiedereinsetzung in deren Besitz („Berliner Räumung”) In der Zwangsvollstreckungssache (…) Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte (…) Gläubiger(in), gegen (…) Schuldner(in), ist der Schuldner verpflichtet, die in dem anliegenden Vollstreckungstitel näher bezeichnete Wohnung an die Gläubigerin herauszugeben. Es wird daher namens und in Vollmacht der Gläubigerin beantragt, die Herausgabevollstreckung bezüglich der Wohnung nach § 885 Abs. 1 ZPO durchzuführen. Der Auftrag wird ausdrücklich auf die Herausgabe und die Wiederinbesitznahme der Wohnung beschränkt. Eine Räumung soll nicht erfolgen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Gläubigerin an sämtlichen Gegenständen, welche sich in der Wohnung befinden, ein Vermieterpfandrecht gem. § 562 I BGB geltend gemacht hat und dem Abtransport der Sachen widersprochen wird. Die Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der Gläubigerin ein gesetzliches Vermieterpfandrecht an den eingebrachten beweglichen Sachen des Schuldners zusteht, obliegt nicht den Vollstreckungsorganen, sondern in einem Streitfall dem Gericht. Die Gläubigerin ist anstelle der in § 885 III 1 ZPO bestimmten Unterbringung der beweglichen Sachen des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher selbst zur Verwahrung der verbliebenen Sachen in der Wohnung gem. §§ 1215, 1257 BGB verpflichtet (vgl. BGH Beschluss vom 17.11.2005 – I ZB 45/05, dort unter S. 7). Gleichzeitig ist der Schuldner verpflichtet, die nachstehend berechneten Kosten dieses Antrages zu erstatten. Gegenstandswert: ................... € (12 x ........EUR) 0,3 Verfahrensgebühr – Zwangsvollstreckung Nr. 3309 VV RVG Postpauschale Mehrwertsteuer Bezüglich des zu leistenden Gerichtsvollzieherkostenvorschusses gehen wir davon aus, dass sich dieser auf nicht mehr als 400,00 EUR belaufen wird, da allenfalls die Kosten einer zwangsweisen Öffnung der Wohnung durch einen Schlosser, nicht jedoch Transport- oder deren Bereitstellungskosten anfallen. Wir bitten insofern höflich um Bestätigung. Rechtsanwalt Reno 09/2009