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DIE ALTE KATZE UND DIE FRAU Zweisamkeit im Alter Rolf Bahl 1 Copyright by Rolf Bahl Als E-Book geschrieben. 2013 Sämtliche Personen und Handlungen in diesem Buch sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig und unbeabsichtigt! 2 Anmerkungen: Wann kommt der Tag, der einmal kommen muss? Wer sich im Alter zu sehr mit dieser Frage herumschlägt, vergeudet nur seine kostbare Zeit auf Erden. Und wer das schöne Wort „Ruhestand“, all zu wörtlich auslegt und auslebt, muss sich nicht wundern, wenn sich die Lebenslust wie eine Seifenblase in der Luft auflöst. Zuviel Passivität für Körper und Geist, sowie Ziellosigkeit, wirkt tödlich, und fördert permanente Depressionen, Alzheimer und Demenz. Aber auch falsche Freundschaften, wie etwa „Freund Alkohol“, können verheerende Wirkungen zeitigen. Ungeeignete Partnerschaften sind weitere Frust und Stressfaktoren. Einsamkeit und Interesselosigkeit kann man mit etwas Geschick, weitestgehend therapieren. Und wer vom Schicksal brutal heimgesucht wurde, findet auch Wege zur Normalität. Dass es auch im hohen Alter noch „Lebensqualität“ geben kann, soll das Beispiel der Anna in diesem Buch aufzeigen. Während die Katze in der Gegenwart lebt, sinnt Anna oft nostalgischen Erinnerungen nach. Das bringt ihr etwas 3 Abwechslung in den monotonen Alltag. Zusammen leben sie das Spiel bis zum bitteren Ende durch. Offen bleibt nur die Frage, welche der beiden zuerst das Zeitliche segnen wird? Der Autor 4 Anna Baumgartner erwacht um 07.30, bevor sie aus dem Bett steigt, gibt sie mit halblauter Stimme ihr Tagesgebet von sich: „Allmächtiger Geist im Himmel, bitte helfe mir auch heute wieder zu einem friedlichen und angenehmen Tag. Dein universaler Schutz wird mich den ganzen Tag vor negativen Dingen verschonen, alles Schlechte geht zurück zum Absender, aber das Gute kommt zu mir. Oh allmächtiger Geist, ich danke Dir für Deine Güte und entschuldige bitte meine egoistischen Wünsche. Amen!“ Danach begibt sie sich auf die Toilette, um sich zu erleichtern, dann folgt eine warme Dusche, wie an jedem Morgen, wenn sie zum Einkaufen geht, kleidet sie sich sogleich an, bleibt sie zu Hause, dann schlüpft sie in den Morgenrock und in die Hausschuhe, das empfindet sie als bequem. Heute muss sie gleich nach dem Frühstück auf die Post, um dort einen Luftpostbrief an ihre in Australien lebende Tochter aufzugeben. Danach ist noch ein Abstecher zum Lebensmittelgeschäft eingeplant. Im Wohnzimmer begrüßt sie ihre „Freundin und Wohnpartnerin“, die Tigerkatze „SISSI“, sie lebt seit einiger Zeit bei ihr in „Untermiete“ und denkt nicht daran, jemals wieder weg zu ziehen, und da sie anscheinend nirgends vermisst gilt, darf sie bleiben. SISSI grüßt ebenfalls mit einem lieblichen „Miauuu“, und streichelt die Beine der Anna. Es ist eine Begrüßung zwischen zwei unterschiedlichen Wohnpartnern, und die SISSI tut das nicht nur um Nahrung zu erschmeicheln, denn im Fressnapf hat es noch ausreichend davon. 5 Anna bereitet sich ein „Müesli“ zu, kocht einen Kaffee mit viel Milch dazu, dann ergänzt sie das mit Brotstücken, die sie dann als „Kaffeemocken“ genießt, das macht sie schon ihr ganzes Leben lang so, bereits ihre Mutter mochte diese Milchbrocken nicht missen. SISSI verlangt hinaus gehen zu können, obwohl ihr Anna in der Wohnung eine moderne Katzentoilette einrichtete, zieht die SISSI die freie Natur vor, weil sie den Geruch in der Wohnung nicht riechen mag, und die Anna weiß das auch zu schätzen. Anna hat beim Schreinermeister Ilg eine Katzentüre in Auftrag gegeben, dann hat die SISSI freien Zugang und Auslauf. Nach dem Frühstück folgen die täglichen Notizen in die Agenda: „Montag 15. April, neblig und kühl, die Sonne versteckt sich hinter den Wolken, soweit aber gut geschlafen, die Rheumawäsche wirkte positiv auf die Harnblase, und der abendliche Lindenblütentee trägt auch zur Beruhigung der Blase bei, nur das linke Wadenbein schmerzt ein wenig, Stuhlgang etwas hart, muss wohl mehr Grünzeug und Obst essen! SISSI wie fast immer gut gelaunt“. Dann lehnt sich Anna im Sofa zurück, sie beabsichtigt, den Brief an ihre Tochter Monika noch einmal durchzulesen: „Meine liebe Monika! Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief und die schöne Karte, die Du mir zu meinem 85. Geburtstag zugestellt hast. Früher, als ich noch Schreibwarenverkäuferin war, gab es leider noch keine derart tolle Glückwunschkarten, die Melodie ist herrlich, und ich spiele sie oft ab, 6 auch die SISSI mag sie bestens. Ja, früher war beinahe alles anders, aber nicht unbedingt besser. Nein, ich fühle mich nicht einsam im alten Haus, und seit Onkel Emil, neue Elektroheizkörper eingebaut hat, ist es im Haus immer angenehm warm. Der Winter dauert ja neuerdings acht und mehr Monate im Jahr, das wirkt auch auf die Stimmung der Leute. Meine täglichen Einkäufe besorge ich immer noch selber, und ich bin meinem Schicksal dankbar, dass mir das möglich ist. Bereits sind 18 Jahre vergangen, seit Dein Vater, und mein geliebter Ehemann, sich von uns hatte verabschieden müssen. Hans war, trotz seiner starken beruflichen Beanspruchung, ein vorbildlicher Ehemann und Vater, aber das weißt Du ja auch. Und ich mache mir oft Selbstvorwürfe, dass ich für Dich so wenig Zeit hatte, besonders in den ersten Lebensjahren, als Vater lange im Auslandeinsatz stand, und ich meine Anstellung nicht aufgeben wollte. Ich schämte mich, wenn ich Dich in den frühen Morgenstunden, wie ein Paket der Tagesmutter auslieferte. Aber was blieb mir als Alternative, den Beruf aufgeben, und nach zehn oder mehr Jahren einsteigen, wo es doch in meiner Branche kaum offene Stellen gab! Und Geld war damals auch Mangelware, dabei hatten wir ein ehrgeiziges Ziel vor Augen, den Erwerb eines eigenen Hauses, und das mit einer möglichst niedrigen Verschuldung. Schwester Martha geht es nicht besonders gut, sie leidet an Krampfpfadern an beiden Beinen, was mich aber noch mehr beunruhigt, das ist die Feststellung, dass sie vermutlich an einer Demenz leidet? Dabei ist sie ganze neun Jahre jünger als ich, es ist zu befürchten, dass sie schon bald in ein Alterspflegeheim umziehen muss! Mit ihrer dürftigen Altersrente reicht das aber nicht aus, ich vermute sehr, sie wird dann zum Sozialfall! Zum Glück habe ich genug Rente, das ist aber auch der Lohn für meinen vierzigjährigen Arbeitseinsatz, jede Medaille hat eben zwei Seiten. Ich 7 hatte mir oft die Frage gestellt, ob es sich für mich als Frau auszahle, wenn ich während derart vielen Jahren Beiträge leiste? Und dennoch würde im Fall einer Einweisung in ein Altersheim, meine Rente nicht ausreichen, und ich müsste gezwungenermaßen mein Haus verkaufen. Das bleibt aber unter uns, liebe Monika, ich will mein Haus nur in einer rechteckigen Kiste verlassen, den Medizinern und andern Klugscheißern traue ich nicht über den Weg, bei denen bist Du doch nur ein „Renditenobjekt“ oder humaner ausgedrückt: ein lohnender Pflegefall! Die Klassiker CD mit Bethoven, Wagner, Brahms, und Tschaikovsky, die Du mir geschenkt hast, lasse ich nahezu täglich abspielen. Obwohl mir rund 60 Fernsehprogramme zur Wahl stehen, fällt es mir oft nicht leicht, intellektuell ansprechbare Sendungen zu lokalisieren. Wir befinden uns in einem Zeitalter der allgemeinen Verdummung, die kommerziellen Interessen stehen über dem Menschen. Und was da an Kultur geboten wird, grenzt schon eher an Verblödung! Wie Du aber schreibst, ist es bei Euch in Australien auch nicht besser bestellt. Mir tun die Jungen echt leid, die in einer solchen skrupellosen Welt aufwachsen, da bin ich echt dankbar, dass ich in jungen Jahren eine heilere und bessere Lebensqualität erleben durfte. Es gab damals noch kein Internet und kein Handy, aber Achtung, Ehrfurcht, Fleiß und Anstand waren noch keine Fremdwörter. Seit etwa vier Monaten habe ich eine kleine Wohnpartnerin, eine ältere Tigerkatze, sie war einfach plötzlich da und wollte unbedingt bei mir bleiben. Ich brachte eine Notiz am Informationsbrett des Kaufhauses an, aber es meldete sich niemand. Es könnte aber auch sein, dass sie, weil auch schon älter, von jemanden ausgesetzt wurde? Menschen sind eben brutale Wesen! 8 Was auch immer richtig sein mag, ich möchte die „SISSI“, so nenne ich sie, weil sie sich aristokratisch benimmt, nicht mehr missen müssen. Du erinnerst Dich vermutlich noch an den „SISSI“ Film, mit der Romy Schneider und dem Karl Heinz Böhm? Wir beide verstehen uns ausgezeichnet, gehen oft auch zusammen zum nahen Wald spazieren, nur zum Einkaufen darf sie nicht mitkommen, sie scheint das zu verstehen. Hast Du gewusst, dass die Katzensprache rund vierhundert Worte unterscheidet? Wir unterhalten uns oft wie zwei Menschen, ja, wir haben uns aber auch schon richtig gestritten. Wenn sie zu lange an der Haustür warten muss, bis ich ihr die Tür öffne, dann ist mir eine Schelte sicher: „Du hast mich wieder lange warten lassen“ hört es sich vorwurfsvoll an, und ihre Augen können durchaus böse Blicke austeilen! Ich kann das wieder gutmachen, indem ich ihr etwas Köstliches in den Fressnapf tue, dann entschuldigt sie sich ihrerseits, indem sie meinen rechten Handrücken mit der Zunge poliert. Ja, ich wäre todunglücklich, wenn sie mich verlassen würde. Besuche erhalte ich eher selten, das ist das Schicksal bei einem kleinen Verwandtenund Bekannten Umfeld. Für die Kinder von Bruder Emil, bin ich lediglich die alte Tante Anna, die man jedes Schaltjahr einmal besuchen geht. Und seit sie selber Familien und Kinder haben, fehlt ihnen auch noch die nötige Zeit dafür. Vor ein paar Monaten war unser letztes Klassentreffen, Aus meiner Klasse waren noch fünf Frauen und ein Mann gemeldet, aber zwei der Frauen konnten nicht kommen, weil sie in Pflegeheimen sind und nicht soweit reisen konnten. Damit blieben nur noch drei Frauen und ein Mann übrig. Wir benötigten lediglich einen Tisch und konnten uns ganz aus der Nähe gegenseitig betrachten, dabei staunte wohl jedes von uns, wie sich die andern verändert hatten. Fünf Jahre zuvor, waren wir noch 9 mit neun Leuten vertreten, aber so ist das Leben. Wir haben dann beschlossen, keine weiteren Treffs mehr zu organisieren, aus reiner Furcht, es könnte eine Einmann- oder Frau „Schau“ abgeben! Einmal ist es eben vorbei, und alle, gleichgültig ob arm oder reich, sind gezwungen, diesen einen Weg zu gehen! Aber grundsätzlich bin ich auch froh, wenn ich nicht zu viele Besucher habe, die bringen oft eher Unruhe in meinen friedlichen Tagesablauf. Die drei Kinder der Elisabeth zum Beispiel, die benehmen sich derart rüpelhaft und ungezogen, dass ich sie oft vor ihren Eltern zurechtweisen muss. Und es ist kaum zu glauben, die Eltern nehmen ihre frechen Taugenichtse auch noch in Schutz, und nennen mich von „Vorgestern“. Da mache ich mir wirklich ernsthafte Sorgen, was aus unserer Zivilisation und Kultur noch werden soll, die Kinder sollten doch unsere Zukunft sichern, und nicht Angst und Schrecken verbreiten, nein, auf diese Sorte von Besuchern kann ich verzichten! Und die Lisabeth wird beim nächsten Besuch ihrer Rasselbande zu Hause deponieren. Sie ist ja Deine Kusine, vielleicht kannst Du ihr auch einmal schreiben und dabei unsere Bedenken zur Art ihrer Kindererziehung anbringen? Ich mache mir wirklich ernsthafte Sorgen, besonders über den Stephan, der ist bereits 14, und wie der mich anschaut, so, als wollte er mich sogleich umbringen und ausrauben. Vor wenigen Tagen las ich in den Zeitungsnachrichten, dass ein etwa gleichaltriger Knabe seine Großmutter mit einem Messer umbrachte, weil sie ihm kein Geld für den Drogenkauf geben wollte, ja, so werden sie ausarten, wenn man ihnen eine anständige Erziehung vorenthalten will. Schon nur das Wort „Antiautoritär“, ist verwerflich und dürfte gar nie erwähnt werden. Jedes junge Bäumchen benötigt eine Stütze, sonst wächst es 10 zum Baumkrüppel heran, so ist das auch bei den Menschen. Wer seinen Kindern keine Erziehung gewährt, handelt kriminell! Die SISSI und ich haben es gut miteinander, wir führen zusammen eine angenehme und friedliche Wohngemeinschaft. Ich schrieb diesen Brief auf der Schreibmaschine, damit Du ihn besser lesen kannst. Die Anschaffung eines Computers habe ich mir auch schon überlegt, damit könnten wir diese E-Mails austauschen, aber ich habe etwas Bedenken, ob ich in meinem hohen Alter damit umgehen könnte? Und so viel haben wir auch nicht zu berichten, um die Möglichkeiten eines Computers voll ausschöpfen zu können. Und somit bleibe ich meiner bewährten Schreibmaschine treu. Ich wünsche Dir, Deinem Mann David und den Kindern weiterhin alles Gute und viel Spaß im schönen Australien. Viele herzliche Grüsse Deine Mutter“ „PS: Kürzlich kamen zwei Leute vom Sozialamt vorbei, stell Dir vor, die schlugen mir vor, in ein Altenheim umzuziehen, und sie führten aus, falls mir etwas zustoßen sollte, wäre ich im Haus ohne fremde Hilfe! Nun ja, die taten so, als würde man ewig leben. Ich habe natürlich deutlich und klar abgesagt, da ist doch wohl jemand geil auf mein Haus, vermutlich würden die das für ein Butterbrot veräußern!“ 11 Anna faltete den langen Brief sorgsam zusammen, danach schob sie ihn in einen Luftpostbriefumschlag, den sie noch zusätzlich mit durchsichtigen Klebestreifen versiegelte. Danach machte sie sich auf den Weg zur Post, SISSI befand sich im Garten. Wenn sie Lust auf frisches Fleisch hatte, schlich sie auf die Wiese von Landwirt Müller, dort duckte sie sich im hohen Grass und wartete geduldig auf eine unvorsichtige Maus. SISSI wusste genau, wohin ihre „Partnerin“ Anna ging, nämlich in das Lebensmittelgeschäft im Dorf, und sie rechnete auch nicht umsonst mit schmackhafter Katzenkost. Am Anfang begleitete SISSI die Anna bis vor den Ladeneingang, weil dort aber Vierbeiner aller Größen keinen Zutritt hatten, musste sie draußen neben diesen schmutzigen und unkultivierten Hunden warten. Das mochte die SISSI nicht einfach über sich ergehen lassen, deshalb wusste sie eine bessere Lösung, sie konnte diese Zeit nützlicher auf der Wiese verbringen. Und wenn sie leer ausging, dann brachte ja ihre Helferin etwas aus dem Geschäft mit. Heute benötigte die Anna besonders viel Zeit, auf der Post war eine lange Warteschlange, dann ging sie ins Warenhaus, um einen neuen Regenschirm zu erwerben. Als sie vorige Woche auf dem Friedhof das Grab ihres Mannes aufsuchte, vergaß sie den Schirm im Blumenhaus der Anlage, sie bemerkte zwar den Verlust sehr schnell, als sie auf dem Nachhauseweg den Schirm aufspannen wollte, realisierte sie den Verlust und eilte zurück. Aber ein lieber Mitmensch hatte sich bereits bedient und der Schirm war weg! Den neuen Schirm hatte sie schnell gefunden, doch dann suchte sie noch nach einem Katzengeschirr für die SISSI, diese stellte Ansprüche und mochte es nicht, wenn verschiedene Speisen im gleichen Geschirr waren. Eine Katze, die etwas auf sich hält, 12 verlangt einen angemessenen Komfort. Und dafür konnte sich die SISSI durchaus klar mitteilen, mehr Geschirr bedeutete für die Anna auch mehr zum reinigen. SISSI hatte auch die Fähigkeit, sich diesbezüglich deutlich zu äußern, so, dass die Anna gar nicht erst lange überlegen musste. Erst nach gut zwei Stunden kam die Anna von ihrem Einkaufsbummel zurück. Damit sie die schweren Taschen nicht tragen musste, hatte sie ein einachsiges Einkaufswägelchen erworben, mit dem konnte sie ausreichend Waren transportieren, ohne dabei zu ermüden. SISSI war bereits von ihrer Feldarbeit zurück, sie hatte eine tote Maus mitgebracht, diese musste die Anna natürlich gesehen haben, deshalb wartete sie schon seit gut 20 Minuten ungeduldig auf sie. Die Maus lag auf dem Kratzteppich vor der Haustür, nach einem kurzen Lob der Anna, nahm SISSI die Maus wieder hoch und versteckte sie im Garten. Wenn aber Anna frische Leberstücke mitbrachte, wollte die SISSI ihre Maus als Dank der Anna abliefern. Anna war bekannt, dass sie diese Zugabe niemals ablehnen durfte, ansonsten die SISSI schwer beleidigt wäre, sollte sie die Maus nicht als gleichwertige Gabe annehmen. Sie tat jeweils so, als würde sie die Maus freudig und genüsslich verspeisen, diskret ließ sie die Maus im kommunalen Müllsack verschwinden. Hauptsache war, die SISSI konnte auf ihre Mitarbeit bei der Nahrungsmittelbeschaffung stolz sein. Und SISSI war auch klar, dass die Anna die Maus anders zubereitete als sie, das Fleisch in eine Pfanne gab und kochte. SISSI versuchte nie, der Anna beizubringen, eine Maus schmecke einfach roh viel besser als gekocht. Sie wusste, diese langen Zweibeiner hatten andere Vorstellungen von der Nahrungsaufnahme. 13 Anna führte den kleinen Haushalt immer noch selbständig, fremde Hilfeleistungen benötigte sie nur im Garten. Bis vor fünf Jahren schaffte sie es noch alleine, eine ausreichende Gemüseversorgung aus dem eigenen Garten sicher zu stellen, dann machte aber ihr Rücken nicht mehr mit, deshalb beauftragte sie den Gärtnermeister Thommen mit der Gartenpflege, dadurch war es nicht mehr möglich, eigenes Gemüse zu ernten, die ganze Umgebung des Hauses wurde mit biologischem Naturrasen besäht. Meister Thommen schaute einmal monatlich vorbei, um Rasen und Hecken zu kürzen. Anna bezog eine ahnsehnliche Altersrente, das ermöglichte ihr auch, sich einen Gärtner leisten zu können. Das Haus verkaufen und in eine Altensiedlung umziehen, nein, das war für sie absolut kein Thema. Die ganze Umgebung war aber für die SISSI ein wahres Paradies. Und SISSI kante auch die Abgrenzungen bestens, niemals hätte sie ihre Bedürfnisse auf dem Grundstück der Anna verrichtet, dafür ging sie auf die Wiesen der Nachbarn. Für Anna war das ein Akt von Rücksichtnahme, was sie der SISSI sehr hoch anrechnete, denn in Sachen Reinlichkeit waren sich die beiden völlig einig. Seit SISSI in ihrem Haus lebte, hatte Anna ihretwegen keine zusätzlichen Reinigungsarbeiten zu verrichten, wie das meistens bei Hunden der Fall ist, oder bei einer Katze, die laufend Haare lässt. Das nächstliegende Einfamilienhaus lag rund 50 Meter entfernt, und seit ausländische Diebesbanden die Gegend verunsicherten, wurde es auch für Anna etwas kritisch. Darum ließ sie Alarmanlagen einbauen und kaufte sich einen Pfefferspray. Besonders ältere, allein stehende Leute wurden oft und gerne heimgesucht, ausgeraubt und manchmal sogar umgebracht. 14 Die Katzentüre für SISSI war nun eingebaut, diese konnte nun frei ein und ausgehen. Damit konnte die SISSI auch nachts ins Wohnzimmer kommen, wenn sie Lust dazu verspürte. Anna mochte besonders klassische Musik, aber auch gute Literatur und sinnvolle Filme gehörten dazu. Am aller meisten Zeit widmete sie aber ihrem Hobby, für die Auflösung von Kreuzworträtseln, da konnte sie stundenlang den gesuchten Worten nachsinnen. Und wenn die SISSI den Eindruck erhielt, Anna habe nur noch Augen für die Zeitungen, sprang sie demonstrativ auf den Tisch und setzte sich einfach auf die verantwortliche Schrift. Das war eine klare Aufforderung, mit dem Rätselraten auf zu hören und sich der SISSI und ihrer Anliegen zu widmen. Anna schaute dann in die fragenden Augen der SISSI, die da etwa sagten: „es wäre an der Zeit, etwas laufen zu gehen“. Anna sprach dann eine Weile mit der SISSI, welche angespannt zuhörte und so tat, als könnte sie jedes Wort verstehen. Nachdem SISSI lange genug zugehört hatte, entfernte sie sich wieder und ging auf dem Sofa schlafen. Anna konnte danach weitermachen, und nicht selten sprudelten ihr die gesuchten Worte nur so aus dem Kopf. Die Unterbrechung und Unterhaltung mit SISSI, erwiesen sich oft als sehr hilfreich. Anna las auch viel und gerne Bücher, bei der Gemeindebibliothek hatte sie eine Jahrespauschale, das ermöglichte ihr eine unbeschränkte Ausleihe während einem ganzen Jahr. Anna war vielseitig interessiert, besonders aber Reiseliteratur und Biografien hatten es in sich, aber auch gute Kriminalromane gehörten dazu. Ihr ganzes Leben lang setzte sie sich für die Rechte der Frauen ein, ohne aber deswegen ihr Frausein zu leugnen, wie das viele Emanzen heutzutage zu tun pflegen. 15 Sie waren drei Kinder, zwei Knaben und ein Mädchen, das Mädchen war sie, die Anna, und dazu noch die Erstgeborene, dann der Thomas, dieser ertrank im Dorfteich als er dreijährig war, und Emil der Nachzügler spielte den Benjamin. Vater August-Johann bevorzugte den Knaben, und wie man früher so schön sagte, den „Stammhalter“. Der Vater war auch der festen Ansicht, nur ein Knabe benötige eine berufliche Ausbildung. Für Mädchen hingegen, war das völlig überflüssig, die heirateten ja doch und blieben dann Hausfrau! Eine Berufsausbildung für ein Mädchen war deshalb reiner Luxus und nicht angebracht. Etwas anderes geziemte sich nicht für eine anständige Frau, und Anna sollte ein sozial angepasstes Wesen sein, keine Emanze! Aber Anna war schon immer etwas eigenwillig und unbändig, sie konnte und wollte die Ansichten ihres Erzeugers nicht gutheißen! Sie bäumte sich gegen ihn auf wie ein wilder Mustang, wollte ihm zeigen. zu was sie fähig war, sie schaffte es, in die Sekundarschule zu übertreten, etwas, das ihr Bruder später nicht schaffte, was bei Vater August wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel wirkte, er verstand die Welt nicht mehr. Anna konnte eine Berufslehre zur Schreibwarenverkäuferin absolvieren, ihr Bruder hingegen schaffte es knapp zu einer Ausbildung zum Hufschmied. Nach Beendigung der Lehrzeit, verbrachte Anna ein Jahr in London, wo sie als „Au-Pair-Mädchen“ in einem Haushalt mithelfen konnte. In der Freizeit besuchte sie Englischunterricht, den sie mit dem „Lower Cambridge Diplom“ abschloß. Danach konnte sie wieder in ihre Lehrfirma eintreten, und bereits nach zwei Dienstjahren wurde sie zur Stellvertreterin der Geschäftsleiterin ernannt. Ihr Vater lobte sie dafür aber nicht, heimlich war er aber doch etwas stolz auf seine Tochter. 16 Nein, er konnte und wollte sie nicht hochpreisen, das wäre sein Eingeständnis gewesen, dass er von Anbeginn mit seinen Ansichten falsch lag. Und damit lag es auf der Hand, dass Anna auch ihren Ehemann durch die Ausübung ihres Berufes kennen lernen sollte. Und diese romantische Geschichte erzählte Anna mehr als einmal anlässlich des „Kaffeeklatschtreffens“: „Ich war schon 23jährig, als ein scheuer junger Mann erstmals im Geschäft vorsprach, etwas blass im Gesicht, die Haare nach hinten gekämmt, gut gekleidet mit Krawatte. Er kaufte eine große Packung Schreibmaschinenpier Format A-4, 80 mg, er schaute mich etwas verunsichert an, und ich musste zwangsläufig ein Lächeln unterdrücken, dabei errötete er und nahm die Ware eiligst unter den Arm und verschwand aus dem Laden. Zwei Tage später stand er wieder da, diesmal benötigte er Schreibmaschinenbänder, ein Muster hatte er mit sich, ich fragte ihn, ob er hier arbeite, er antwortete nur: “Ja, ich habe bei der Firma Banzer-Import-Export, eine Stelle als Korrespondent angenommen, ich bin neu hier“. „Oh ja, diese Firma ist bei uns bekannt“, gab ich zur Antwort. Und es kam wie es kommen musste, schon bald wurden wir ein Liebespaar, während der Mittagspause trafen wir uns im Kaffee der Konditorei Mader, dort konnte man leichte Mahlzeiten zu günstigen Preisen erhalten, es war zudem sehr romantisch möbliert, zwischen den einzelnen Tischen waren Grünpflanzen. Ja, und dann gaben wir uns das bekannte „JA Wort“, wollten aber vorläufig keine Kinder haben, weil ich meine gute Stelle unter keinen Umständen aufgeben wollte.“ Am meisten freute sich Annas Vater, als er von der Hochzeit erfuhr, endlich werde die störrische Anna unter die Haube kommen und ihren 17 Meister kennen lernen, ein anständiges und zeitgemäßes Frauendasein fristen, wie alle andern weiblichen Wesen auch, dazu zählte auch kochen und Windeln waschen! Aber er freute sich viel zu früh, Hans gehörte einer anderen Generation an, jener, welche mit Rock and Roll und Jeanskleidung aufwuchs, damit wurde auch ein neues Zeitalter mit zum Teil anderen Denkmodellen eingeläutet. Diese Generation löste sich von überkommenen Ansichten, und kreierte neue Wege des Zusammenlebens, und war ein Jahrzehnt später der Auslöser der antiautoritären Revolution. Das neu beurkundete Ehepaar, welches nun über die einzig zulässige „Lizenz“ zum Sex verfügte, einigte sich vorerst auf den Verzicht auf ein Kind. Und sollte doch eines geplant werden, dann hatte das ohne Aufgabe von Annas Arbeitsplatz zu geschehen. Das war eine unorthodoxe und revolutionierende Idee, die dem herkömmlichen Brauchtum widersprach. Es galt als normal, dass nach einer Hochzeit ein Kind unterwegs war, dann noch ein zweites und drittes. Etwas anderes war nicht gesellschaftsfähig, da wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt: „Er kann nicht Kinder zeugen, es könnte auch an ihr liegen, etc.“ und dergleichen Schmeicheleien. Und in einem anonymen Schreiben, bot sich ein gut gebauter Hengst als Ersatzmann an, Antwort an eine Postlageradresse. Anna musste sich damit abfinden, sollte sie ein Kind kriegen und weiter arbeiten, man sie als „Rabenmutter“ betiteln würde. So nannte man damals verheiratete Frauen, die trotz einem Kind, ihre Stelle nicht quittieren wollten. Kinderhorte waren noch nicht bekannt, da musste eine Tagesmutter her. Mit zwei und mehr Kindern wurde ein solches Unterfangen bereits illusorisch. Um nicht unter Zwang handeln zu müssen, legten die beiden besonderen 18 Wert auf eine zuverlässige Geburtenkontrolle. Als im Dorf immer mehr gemunkelt wurde, Hans könne keine Kinder zeugen, oder Anna sei unfruchtbar, wurde es für die zwei unangenehm. Nachdem sich sogar Pfarrer Hurni mit besorgten Worten meldete, nicht als Samenspender, sondern als neutraler Berater, entschloss man sich ein Kind zu haben. Diese laufende Einmischung von Drittpersonen in ihre privaten Angelegenheiten war echt unangenehm, und dem wollten sie nun Einhalt gebieten. Dem ungeschriebenen Gesetz, wonach neun Monate nach der Hochzeit ein Kind zur Welt gebracht wurde, konnten sie nicht entsprechen, dafür aber zwei Jahre später. Dem endlosen Gespött von Impotenz und Unvermögen wollten sie endgültig einen Riegel schieben. Wenn das Paar gemeinsam durch die Dorfstraßen lief, erhielten sie stets den Eindruck, die Leute machten sich lustig über sie. Und wenn Anna alleine unterwegs war, konnte es vorkommen, dass sie von einer Gruppe Burschen eindeutige Angebote erhielt. Natürlich immer nur gut gemeinte, die ihren Ruf wieder ins Lot bringen sollten. Und als es publik wurde, dass die Anna wirklich schwanger ist, da kamen neue Gerüchte auf, da habe doch sicher ein Dritter Hilfe geleistet. Als der Säugling endlich auf dieser Welt war, schauten alle besonders gut hin, um festzustellen, ob irgendwelche Spuren vom Ehemann zu lokalisieren sind? Das Ehepaar Baumgartner einigte sich aber auf einziges Kind, sollten Zwillinge daraus werden, war das vom Schicksal gewollt, man musste auch so damit leben können. Anna plante nach der Niederkunft einen Urlaub von insgesamt sechs Monaten ein, einen Monate vor, und fünf Monate nach der Geburt. 19 Danach wollte sie ihr Kind tagsüber der Julia anvertrauen, diese wohnte gleich neben der Firma von Anna und war bereit als „Tagesmutter“ zu wirken. Das hatte den großen Vorteil, dass Anna auch tagsüber vorbeischauen und sich vergewissern konnte, dass es ihrer Tochter gut ging. Das war von Montag bis Freitag, an Samstagen hatte Hans frei, Anna musste bis 16 Uhr arbeiten, damit hatte Hans seinen Samstagsjob als Babysitter. An den Sonntagen waren beide gefordert. Obwohl dem Kind bestens geschaut wurde, munkelte man im Dorf desto trotz, die Anna sei eine schlechte Mutter und denke nur ans Geld verdienen. Wären die Hexenverfolgungen noch praktiziert worden, Anna wäre unweigerlich auf dem Scheiterhaufen gelandet. Das Ehepaar Baumgartner war sich aber keinerlei Schuld bewusst, für sie war diese Hatz völlig daneben und unbegründet. Das war auch ein wichtiger Grund, weshalb sich die Familie Baumgartner entschloss, am Dorfrand ein eigenes Einfamilienhaus erstellen zu lassen. Dafür arbeiteten und sparten beide nun während einigen Jahren, verzichteten auf Autos und Urlaube. Zu den bereits bekannten Vorurteilen, addierten manche Leute im Dorf noch Neidgefühle dazu, aber das störte das Ehepaar wenig, bald waren sie aus dem Mehrfamilienblock weg, und konnten in ihr neues, kleines Paradies einziehen. Neid und Dummheit sind nun einmal enge Verwandte, und die Menschen kennen nichts anderes. Da hätte selbst ein Umzug in ein anderes Dorf keine Besserung gebracht, weil der Mensch nun einmal überall etwa das gleiche Niveau aufweist. Sie waren wie ein Fels in der Brandung, und ließen die Wellen der Unvernunft abprallen. Für die Anna wurde auch klar, dass sie mit diesem Lumpenpack nicht in der evangelischen Dorfkirche erscheinen mochte. Die Monika wurde zwar christlich getauft, aber in einem 20 anderen Dorf. Und als sich Pfarrer Hurni einmal bei Anna erkundigt, war es sie, die Anna, welche dem Pfarrer eine aufklärende Predigt hielt: „Ja, glauben sie ernsthaft Herr Pfarrer, ich will mich neben diese „Scheingläubigen“ setzen, Ketzern und Teufeln, die uns ständig diskreditieren und wie Aussätzige behandeln?“ Pfarrer Hurni: „Aber liebe Frau Baumgartner, sie dürfen doch nicht alle Menschenkinder in den gleichen Topf werfen, der Herr im Himmel hat viele Kostgänger, setzen sie sich doch einfach zu den guten Menschen.“ Anna zynisch lachend: „ Und wo sind diese guten Menschen, die kommen doch gar nicht erst in ihre Kirche, was da bei ihnen aufkreuzt ist doch nur der Abschaum der Menschheit, Heuchler, Diebe und Schmarotzer.“ Pfarrer Hurni: „Es gibt immer wieder gute Schafe, auch in unserer Kirchgemeinde, schauen sie einfach mal herein liebe Frau Baumgartner, das würde mich sehr freuen!“ „Das werde ich mir aber sehr gut überlegen!“ Antwortete Anna, dann verabschiedete sich der Pfarrer von ihr, er war so klug wie zuvor. Hans blieb auch seiner Firma treu, er wurde Prokurist und schließlich Leiter der Importabteilung. Er schuftete viele unbezahlte Überstunden, musste sehr oft ins Ausland reisen, um Einkäufe zu tätigen. Aber die Mühen zahlten sich aus. Als Vizedirektor brachte er ordentlich viel Geld zusammen, und damit wurde es möglich, im Lauf der Jahre das Haus schuldenfrei zu erklären. Das ermöglichte nun der Anna, im hohen Alter weiterhin im Haus wohnen zu können, ohne gleich von den Kosten erdrückt zu werden. Dazu konnte sie mit ihrer Rente ein 21 sorgenfreies Alter genießen. Die Rente, die sich aus der staatlichen AHV-Rente und einer privaten Pensionsversicherung zusammensetzte, reichte für sie und die SISSI, sowie für den Unterhalt und die Pflege von Haus und Garten. Man konnte sich seinerzeit mit dem doppelten Einkommen viel leisten, Ferien an exklusiven Stränden vom Feinsten, und Hans steuerte meistens einen großen Mercedeswagen oder einen BMW, mit all dem Luxus und einem Haus, zählte man auch zum Mittelstand. Anna weigerte sich standhaft, die Autofahrprüfung zu absolvieren. Sie war der Ansicht, ein zusätzliches Auto belaste nur unnötig die Umwelt, zudem war ihr der Straßenverkehr zu stressig, Stattdessen sponserte sie Geld für Kinder in der dritten Welt, und was sie sparte, legte sie als Polster im Alter an. Das Paar hatte sich für den Ruhestand ein großes Ziel gesetzt, eine Reise um die Welt mit der „Queen Elisabeth“, also nicht mit der Königin, sondern mit dem Riesenschiff, das nach ihr getauft war. Bis dann war das schlichtweg unmöglich, da beide in Kaderpositionen waren, und eine monatelange Abwesenheit nicht denkbar war. Als Hans 65. Wurde, wollte er unbedingt noch ein knappes Jahr weiter arbeiten, weil er sich fest einbildete, nur er könne die Firma aus der gegenwärtigen Tieflage herausholen. Es stand schlecht um die Finanzen der Firma Banzer, Großkonzerne machte ihr die Hölle heiß. Letztere konnten bessere Konditionen anbieten, weil sie in einem viel größeren Umfeld wirkten, damit verlor Banzer ständig Kunden. Das nervte Hans besonders, er sah keinen Ausweg, und er fühlte sich von der Last der Probleme übermannt. Statt einem Abgang in Ehren und Würden, stand ein Abschied in größten Sorgen bevor. Und er schämte sich wie ein 22 Bettler am Straßenrand, das verletzte seinen Berufsstolz. Nächtelang sinnte er Lösungen entgegen, die sich nicht zeigten, zudem war nun auch noch der Firmenchef tödlich erkrankt! Anna war sauer, sie konnte als Frau bereits mit 62 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand treten, und erhielt eine angemessene Pension auf Lebenszeit. Hans hingegen, musste noch den Konkurs seiner Firma miterleben, das war mehr als nur ein Schock für ihn und seine Gesundheit, die ganze berufliche Laufbahn hatte er seiner Firma geopfert, und jetzt so etwas! Aber er war besser dran als die meisten seiner Mitarbeiter, er konnte nun mit 66 Jahren endlich in den Ruhestand gehen, wenn auch mit einem betrüblichen Abgang, den er kaum verdient hatte. Viele seiner Mitarbeiter wurden arbeitslos und mussten sich um neue Stellen umsehen. Obwohl ihm nur wenig an dieser Situation zuzuschreiben war, fühlte er sich dennoch als Versager. Das traf ihn tief in seiner Seele, und eine teuflische Krankheit ergriff von seinem Körper Besitz, früher nannte man sie im Volksmund „Auszehrung“, heute heißt sie: “Krebs“! Aber noch ahnte das Paar nichts von den dunklen Wolken, die am Horizont aufstiegen. Endlich konnten sie die lang ersehnte Weltreise auf der „Queen Elisabeth“ buchen, allerdings sollte die Abfahrt in Southampton erst in einem halben Jahr erfolgen. Doch ein halbes Jahr ist eine relativ lange Zeitspanne, besonders im Ruhestand, und erst recht, wenn man sich auf eine derartige Reise freut. Die beiden freuten sich wie die Kinder, für jeden Hafen, den sie ankerten, planten sie Ausflüge. Anna war jetzt 65 und Hans 66, jetzt konnte der schönste Lebensabschnitt beginnen. Tochter Monika hatte eine kaufmännische Lehre hinter sich, war bereits 29 und mit einem Australier von der 23 Botschaft verlobt. Nach der Weltreise, war die Hochzeit von Monika und David geplant. Die Zukunft präsentierte sich in einem goldenen Licht. Aber wie das Leben so oft spielt, aus der Vorfreude wurde Frust! Hans stellte eine seltsame Veränderung in der Halsgegend fest, er spürte kleine Knoten an den Seiten, die er nicht als entzündete Mandeln definierte. Der Hausarzt erkannte sogleich eine Schilddrüsenvergrößerung, in zwei Dritteln aller Fälle erweisen sich diese als harmlos und können mit einer Jodkur und Tabletten in kurzer Zeit behoben werden. Der Arzt wollte kein Risiko eingehen, weshalb er den Hans zu einem spezialisierten Kollegen schickte. Für den Arzt ist das eine doppelte Absicherung, einmal im Interesse des Patienten, für den Fall einer Früherkennung von Krebs, dann aber auch für ihn, weil er damit von seiner Verantwortung als Arzt befreit wird. Hans ging guten Mutes zum Spezialarzt, man muss ja nicht gleich den Untergang erwarten, und wenn rund zwei Drittel sich als völlig harmlos erweisen, konnte er mit gutem Grund erwarten, bei der Mehrheit zu verbleiben. Der Facharzt prüfte ihn mit strengem Gesichtsausdruck, machte einige kluge Sprüche, über den Brillenrand hinaus schaute der dem Hans frontal ins Gesicht, drückte an den Knoten herum und brummte unverständliche Worte vor sich hin. Danach folgten Brutproben durch eine Assistentin sowie Röntgenaufnahmen. Das Ergebnis dieser Untersuchung werde seinem Hausarzt mitgeteilt, sagte ihm der Spezialist zum Abschied. Hans sah dem optimistisch entgegen, Anna war weniger begeistert, sie war gegenüber der Ärztelobby eher kritisch eingestellt, eine verschworene Clique geldgieriger Zeitgenossen, welche möglichst viele Patienten rekrutierten, um so schnell reich zu werden, und zudem der Pharmaindustrie Handlangerdienste leisteten. 24 Es gab aber auch Notfälle, da musste man sich der Kunst der Äskulapen unterziehen, dafür existierten sie ja auch. Schön und gut, Hans erhielt nach drei tagen einen Anruf von der Praxishilfe seines Hausarztes, er möge so bald wie nur möglich vorsprechen, es sei äußerst dringend. Das klang doch eher negativ und beunruhigend, aber die Angestellte konnte oder wollte keinerlei Auskunft geben. Hans war aufgeregt und fragte, ob er sogleich vorbei schauen könne, er wollte unbedingt Klarheit haben. Nichts kann mehr Sorgen bereiten, als die Ungewissheit. Und nach einer kurzen Rücksprache mit dem Arzt, ging das in Ordnung. Ohne seine Frau zu orientieren, fuhr er mit seinem Auto zur Arztpraxis. Die Praxishilfe lotste ihn sogleich ins Patientenzimmer. Als der Herr Doktor wenig später ins Zimmer kam, erkannte Hans aus dem Gesichtsausdruck, dass etwas nicht in Ordnung sein konnte! „Herr Baumgartner, ich habe leider schlechte Nachrichten, sie haben Schilddrüsenkrebs im mittleren Stadium“, sagte der Arzt mit routinierter Manier, so, als sei das eine alltägliche Sache, aber wie hätte er vorgehen sollen? Etwa wie der Vater, welcher dem Sohn die Geschichte vom Klapperstorch erzählen will? Nein, es war die brutale Realität und die musste einfach so gesagt werden, schlussendlich ist das Leben immer ein Risiko, und wer geboren wurde, muss zwangsläufig auch einmal wieder sterben, und diese Regel kannte für einmal keine Ausnahme! Hans zuckte innerlich zusammen, so, als hätte ihn ein Blitzschlag getroffen. Erst musste er sich wieder fassen, dann sagte er mit leiser Stimme: „Aber wie ist das möglich, ich rauche nicht, und habe immer möglichst gesund gelebt, ist das nun die Belohnung dafür?“ 25 Arzt: „Das glaube ich Ihnen gerne Herr Baumgartner, aber Sie haben doch während Jahren in Ihrer Firma viel Stress erlebt, Dauerstress ist etwas vom Allerschlimmsten, es schwächt das Immunsystem, was den Krebszellen wiederum erlaubt, sich an Schwachstellen heranzumachen. Aber es gibt noch Grund zur Hoffnung, Herr Baumgartner, wenn wir sofort mit der Therapie anfangen und den Tumor entfernen, haben Sie ganz gute Chancen, den Krebs zu besiegen“. Hans: „Aber das ist doch der blanke Horror, Herr Doktor, soeben war ich an der Bestattung eines ehemaligen Mitarbeiters, er starb an Krebs, und der ging während zwei langen Jahren buchstäblich durch die Hölle, um dann trotz allen Leiden und schweren Erlebnissen den Tod zu finden! Nein, Herr Doktor, diese Kraft bringe ich nicht mehr auf!“ Arzt: „ Sie sehen das etwas zu schwarz, Herr Baumgartner, jeder Fall verläuft anders, und wenn Sie schon jetzt aufgeben, dann machen Sie alles nur noch komplizierter und schlimmer“. Hans war nicht in der Laune, nun weiter zu argumentieren, er hatte ja doch gar keine Wahl, das heißt doch, es gab verschiedene Wege und Möglichkeiten, die moderne Therapie, die Homöopathie, Geistheilungen, Meditation, oder ganz einfach nichts unternehmen. Es war an ihm, eine Entscheidung zu treffen, glücklicherweise existierten noch keine Gesetze, die einem kranken vorschreiben konnten, welche Therapie er durchmachen müsse. Die Zeit drängte, und der Arzt musste jetzt bereits disponieren können, also meldete er ihn vorerst provisorisch im Stadtspital an. Noch konnte Hans alles stornieren, und sowohl Operation, wie auch Therapie absagen. Auf der Heimfahrt realisierte er erst richtig, wie es um ihn und seinen Zustand 26 bestellt ist. Als anscheinend gesunder Mann fuhr er zum Arzt, und als krebskranker Patient wieder nach Hause, das in nur 20 Minuten, diese teuflische Krankheit hatte ihn erfasst, im tiefen Mittelalter waren es Pest und Cholera, die dafür sorgten, dass sich die Menschheit nicht wie die Ameisen vermehrten. War das nun Gottes Wille, warum er, und nicht der Nachbar? Was war das für ein Gott, der die Menschen derart brutal geißelte? Oder war das ein wahrer Teufel, der sich lediglich als Gott aufspielte? Viele Fragen und keine Antworten. Was ihn aber am allermeisten bedrückt, war seine Partnerschaft mit der Anna, wie konnte er ihr das antun? Gewiss, gewaltsame Trennung war nie ein Thema, man ignorierte so etwas und verschob es immer auf einen späteren Zeitpunkt. Sie waren ein Paar bis in den Tod und darüber hinaus, jetzt sollte plötzlich alles der Vergangenheit angehören, nein, das durfte doch einfach nicht sein! Seltsame Gedanken gingen ihm dabei durch den Kopf, sollte er gleich Schluss machen und mit seinem BMW in eine Hausmauer rasen? Oder der Anna nichts sagen und einfach weiter leben wie bis anhin? Wie war das mit der Weltreise, konnte er diese mit ihr durchziehen, oder war er dann schon beerdigt? Anna hatte nach einer mehr als vierzigjährigen Ehedauer so etwas nicht verdient. Musste nun Anna ihren Lebensabend allein verbringen? War er ein Versager? Und seit einem Jahrzehnt freuten sie sich gemeinsam auf diese Weltreise. Es durfte nicht anders sein, was sagte doch der Hausarzt: „Ihre Chancen stehen fünfzig zu fünfzig!“ Und er sagte nicht: „Sie haben keinerlei Chancen, also nutzen Sie sie!“. Daher entschied er wie immer in seiner Ehe, der Anna die Wahrheit zu sagen, und nichts als die Wahrheit. Aber er spielte zu Hause seine Krankheit etwas herunter, er müsse ins Spital, um dort einen Tumor entfernen zu lassen, sagte er der Anna beiläufig, gemäß dem Arzt ein alltäglicher Eingriff. 27 Aber für die Anna hörte sich das nicht wie Bagatellfall an, sondern eher als höchste Alarmstufe! Diese Verharmlosung hatte sie in der Vergangenheit schon zu oft gehört, von Kollegen und Kolleginnen, und nach wenigen Monaten, oft auch nur Wochen, erhielt sie prompt die Todesanzeigen ins Haus geflattert! Doch diesmal betraf es ihren Hans, und das war schon ein größerer Schock für sie. Erst wollte sie laut ausrufen, überlegte sich das aber nochmals, sie wollte ihre Sorgen und Ängste für sich behalten, damit sie ihn nicht noch zusätzlich demoralisierte. Sie tat so, als würde sie die Harmlosigkeit der Erkrankung mit Hans teilen. Und wie oft in solchen Situationen, konnte es ja sein, dass sich das Ganze als gutartige und heilbare Kranheit erwies, und tatsächlich Grund für einen zuversichtlichen Heilungsverlauf bestand. Nur knapp eine Woche später befand sich Hans bereits im Stadtspital, wo er vorerst auf Herz und Nieren, aber auch auf viele andere Organe intensiv getestet wurde. Dann, nach weiteren vier Tagen, erschien der Oberarzt und besprach sich mit Hans. Hans war, wie bereits bekannt, von einem Schilddrüsenkrebsleiden betroffen. Die zahlreichen Untersuchungen ergaben keinerlei Hinweise auf allfällige Ableger im Körper, wie der Arzt ausführte, ist das oft nur nach vielen Testverfahren feststellbar. Man werde ihn daher noch eine Weile im Spital behalten und mit der Strahlen- und Chemotherapie anfangen. Leider werde er dabei auch noch die verbleibenden Kopfhaare verlieren, diese würden aber nach der Therapie wieder nachwachsen. Dem Hans erschien das Problem mit den Haaren gar und gar nicht aktuell, ihm war die Heilung vom Krebs viel wichtiger. Besondere Sorgen bereiteten ihm zudem die bevorstehende Schiffsreise um die Welt. Wenn die ins Wasser fiel, dann nur seinetwegen, das hieß mit anderen Worten, wegen diesem 28 verdammten Krebs! Ihm hätte das wenig ausgemacht, doch er war sich bewusst, wie sehr sich die Anna darauf freute, seit mehr als zehn Jahren träumte sie davon, es sollte die Krönung ihrer Zweisamkeit sein, ein absolutes Hoch in ihrem Leben. Nun erlebte Hans das ständige Auf und Ab einer Chemotherapie, für das Personal, welches Routine gemäß vorging, war er eine Nummer, eine von vielen. Erschreckend empfand er die Schicksale von Kindern und Jugendlichen, die bereits an Krebs litten und sehr oft auch daran starben, die Kinderabteilung befand sich im 1. Stock, aber er kam dort vorbei, wenn er hinten hinaus in den Park ging. Ein Pfleger erzählte ihm von traurigen Fällen, bekanntlich wirken die Krebszellen in jungen Körpern viel aggressiver als bei älteren Menschen. Er fügte aber hinzu, dass die moderne Krebsbekämpfung bei Kindern, heutzutage viel erfolgreicher angewandt wird, als das noch vor 30 und mehr Jahren der Fall war. Aber Hans wollte sich nicht noch zusätzlich mit fremden Schicksalen belasten, sein Zustand genügte ihm bereits. Und wenn Anna ihn besuchte, sprachen sie nur von der bevorstehenden Weltreise, das lenkte an. Anfänglich ging alles wie geplant und gut voran, und der Tumor bildete sich leicht zurück. Dann aber platzte aus heiterem Himmel eine Bombe, im Prostatabereich und auf der Leber wurden Ableger gefunden. Damit brach für Hans mehr als nur eine Welt zusammen, aus war der Traum von der Schiffsreise! Anna sah nach Erhalt dieser Hiobsbotschaft um Jahre älter aus, aber sie hatte keine Wahl, die Reise musste storniert werden. Für Anna begann ein Leben in Einsamkeit, und für Hans der Niedergang, er wurde sehr launenhaft, mürrisch und depressiv, virtuell war er bereits gestorben, 29 er hatte sich bereits gänzlich aufgegeben, und vor dem Teufel „Krebs“ kapituliert. Die Therapien raubten ihm den letzten Lebenswillen, und sein Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Und bereits drei Monate später, führte Anna den bekannten aber wenig begehrten Titel: „Witfrau“. Aus war der jahrelange Traum vom gemeinsamen Lebensabend. Anna musste ihre Zukunft neu planen und organisieren, wie so viele andere Witfrauen. Es musste nun einmal auch so gehen, ein Leben brachte auch viel Schweres mit sich! Und der Liebe Gott, war wohl gar kein lieber Gott, sondern viel eher ein Sadist? Aber darüber mochte sie weder reden noch nachdenken, das Leben musste weiter gehen, es brachte nichts, mit dem Schicksal zu hadern. Anna blieb allein im Einfamilienhaus, eine neue Partnerschaft wollte sie nicht riskieren, sie zweifelte daran, dass sie erneut eine derart harmonische Partnerschaft Aufbauen könnte. Sie war zudem spirituell noch zu sehr mit dem Hans verbunden. Alle ihre Kolleginnen, welche sich nach dem Tod ihres Ehegatten erneut zur einer Heirat verleiten ließen, erlitten Schiffbruch. Jüngere Männer interessierten sich nur für das Vermögen, ältere waren bereits Mangelware und hatten durchwegs eine gescheiterte Ehe hinter sich. Am ehesten wäre noch eine Wohngemeinschaft mit einer gleichaltrigen Frau möglich gewesen, doch sie wusste aus Erfahrung, dass das oft mit viel Zündstoff verbunden war. Zudem wären ihre Freiheiten dabei stark und unnötig eingeschränkt worden. Da war noch ein Zwischenfall, bei dem Anna den Glauben an die Menschheit verlor. Kaum lag ihr lieber Hans auf dem Friedhof, flatterte auch schon eine Mahnung von einem dubiosen Inkassobüro ins Haus, dabei hatte Anna alle Hände voll zu tun. Fassungslos las sie den Mahnbrief, da sollte sie 30 einen Betrag von 365.- Franken einzahlen, für eine Bestellung von Pornomaterial, den ihr Hans vor seinem Ableben angeblich in Auftrag gegeben hatte. Dabei wusste sie, dass Hans auch solche Sachen immer in Absprache mit ihr bestellte, sie war ja schließlich nicht von vorgestern. Zudem war erst kürzlich in den Medien zu vernehmen, dass eine kriminelle Organisation sich mit solchen Mahnungen bereichere. Sie durchkämmen täglich die Zeitungen nach Todesanzeigen, erstellen fiktive Rechnungen und Lieferscheine, welche sie dann über ein Inkassobüro den trauernden Witfrauen zustellen. Die meisten traumatisierten Opfer schämen sich erst einmal in Grund und Boden, über die Tatsache, dass ihr mehr oder weniger geliebter, Mann derart schweinisches Zeug bestellte, sie eilen prompt auf die nächste Poststelle, um das Geld los zu werden. Die Gauner wissen um die Schamhaftigkeit der Witfrauen, Verwandte und Bekannte könnten ja zufällig davon erfahren. Und dieser Geldeintreiber war weit herum bekannt, seine Methoden lagen am Rande der Legalität. Sein Auto war mit Großbuchstaben bemalt: „Geldeintreiber“ stand geschrieben! Und er hatte die üble Angewohnheit, sein Auto stets vor dem Haus des Schuldners zu parken. Beim Witfrauenbetrug, ging man aber nicht so weit, man begnügte sich mit einer ersten Mahnung des berüchtigten Büros. Das wirkte Wunder, und man vermutete, dass rund die Hälfte aller Opfer zahlte. Anna lachte nur, sie war ganz im Bild und warf das Schreiben in den Müll, die sollten nur ein zweites Mal probieren, dann würde sie Anzeige erstatten. Nein, bei ihr waren sie an der falschen Adresse. Und sie hörte nie wieder etwas von dieser angeblichen Lieferung einer Firma Cosmus. 31 Im Lauf der Jahre siedelten sich zahlreiche „Fremde“ im Dorf an. Manche kauften sich Eigentumswohnungen, das waren auch Menschen wie sie und Hans, die oft beide einer Beschäftigung nachgingen. Und mit einigen dieser Frauen, inzwischen ebenfalls verwitwet oder geschieden, gründete Anna einen „Kaffeeklatsch-Club“ im Hinterzimmer der Konditorei Mader. Dort traf man sich jeden Mittwochnachmittag bei Kuchen und Kaffee zum Gedankenaustausch. Sechs Witfrauen aus dem Dorf, aber nur sie, die Anna, war eine „Einheimische“ die fünf andern waren erst im Lauf der Jahre zugezogen. Mit den Einheimischen war Anna auf „Kriegsfuß“, diese hatten sie seinerzeit als Rabenmutter beschimpft und diskriminiert. Manche hatten zwar in der Zwischenzeit ihre Meinung geändert, aber Anna blieb etwas nachtragend und wollte auch nicht mit den „Bekehrten“ verkehren. Sie konnte nicht soviel Verständnis für Dummheit aufbringen, zudem empfand sie die zugezogenen Leute aufgeschlossener. Die Adelheid war sechs Jahre älter, aber noch sehr lebhaft und fröhlich, dann die Gertrud, drei Jahre jünger, die Susanne ein Jahr jünger, die Maria zwei Jahre älter, und die Elisabeth wiederum drei Jahre älter. Vier von ihnen hatten eine berufliche Ausbildung absolviert und waren die meiste Zeit auch im Beruf aktiv, zwei waren vor dem Kindersegen in Pflegeberufen als so genannte „Angelernte“ Tätig, dann mussten sie ihren Kindern schauen und ihre Berufsbezeichnungen auf „Hausfrau und Mutter“ ändern, wobei das immer noch der allerschönste der Berufe ist. Sie hatten alle gemeinsam, dass ihre Ehemänner bereits gestorben waren. Sodann, waren sie, als zweite Übereinstimmung, alle einmal in einem Beruf tätig, wobei „Hausfrau und Mutter“ nicht als Beruf galt. In diesem konservativen Kaff galten sie somit als die „Emanzen aus der Stadt“. 32 Besonders vier von ihnen, jede hatte nur ein Kind gezeugt, weil sie einer beruflichen Arbeit nachgegangen waren. Die Maria und die Elisabeth waren nur bis zur Niederkunft des ersten Kindes beruflich aktiv. Danach war es ihnen nicht mehr möglich, wieder in den Beruf einzusteigen, Maria hatte drei Kinder und die Elisabeth deren zwei. Nachdem die Kinder flügge wurden, zählten sie auch schon 55 und mehr an Jahren, und von einer angemessenen Arbeit wollten die feigen Arbeitgeber auch nichts mehr wissen, und keiner sagte ihnen den wirklichen Grund für die Absage, der hätte lauten sollen: „Sie sind zu alt, zudem schon zu lange aus der Arbeitswelt ausgeschieden“, nein, man suchte nach den dümmsten Ausreden: „Leider haben wir im Augenblick für sie keine geeignete Stelle offen, wir werden aber ihre Kandidatur aufbehalten, sobald sich etwas geeignetes ergibt, werden wir sie selbstverständlich sofort kontaktieren“. Und selbstverständlich konnten sie dann jahrelang warten und hoffen, sicher aber war, dass sie nie mehr etwas zu hören bekamen. Das gehört zum Mechanismus einer kapitalistischen Arbeitswelt, gefragt sind junge Leute, für die alten soll der Staat aufkommen! Oder anders: „Der Moor hat seine Schuldigkeit getan, der Moor kann jetzt gehen!“. Im Denksystem des Kapitalismus, darf nur leben, wer etwas Produziert, alle andern sind Schmarotzer, Behinderte und Alte belasten lediglich die wirtschaftlichen Erfolge, deshalb sollte man sie entsorgen. Vorläufig kennen wir aber noch Gesetze, die das verhindern können. Die Gertrud begnügte sich mit einem Kind, dann verunglückte ihr Mann bei seiner Berufsausübung tödlich. Gertrud wurde allein erziehende Mutter, und blieb bis zur Pensionierung beruflich aktiv. Susanne machte es der Anna gleich, sie behielt ihren Job, mit nur einem kleinen 33 Unterbruch. Ihr Mann war Filialleiter einer Bank, im Alter von nur 47 Jahren, erlag er einem tödlichen Herzinfarkt. Die Adelheid konnte ihre Stelle ebenfalls behalten, ließ sich aber nach der Geburt ihres Kindes für gut 2 Jahre beurlauben. Ihr Mann starb an einer Pilzvergiftung, das Pilzgericht hatte sie selber zubereitet, sie hatten sich geirrt und giftige Pilze im Wald gesammelt, ihr Mann hatte die größere Portion genommen, Adelheid überlebte nur sehr knapp. Seither meidet sie die Pilze wie der Teufel den Weihrauch! Es war kein Verein mit Vorstand und Statuten, sondern viel mehr eine lose Vereinigung gleich gesinnter Frauen, eine Schicksalsgemeinschaft. Sie plauderten nicht nur sinnloses Zeug zusammen, sondern pflegten regen Erfahrungsaustausch, halfen sich gegenseitig mit guten Ratschlägen aus, manchmal mussten sie sich aber auch Trost zuschieben, oder sie beschlossen am Ausflug der Wandervögel mitzumachen. Während den Sommermonaten nahmen sie auch am Altersturnen teil, machten gemeinsame Ausflüge mit der Eisenbahn. Wenn eine von ihnen weg war, dann musste die am nächsten wohnende Kollegin die Blumen bewässern und den Briefkasten leeren. Selbst an so genannten Werbefahrten beteiligten sie sich gruppenweise, seit kurzem machte Anna dabei aber nicht mehr mit, sie hielt noch nie viel davon. Die letzte Fahrt, die sie alleine mitgemacht hat, genügten ihr vollkommen, und sie verspürte absolut keine Lust, nochmals eine mitzumachen. Jahre zuvor, war das noch eine schöne Abwechslung, und sie hatte den Eindruck, dass die Verkaufspraktiken früher humaner und anständiger waren. Der mehrfarbige Prospekt im 34 Briefkasten, verleitete sie aber, es erneut mit einer Ausfahrt in Richtung Schwarzwald zu versuchen. Das Angebot klang wieder unglaublich positiv, ein Tagesausflug nach Baden-Württemberg, mit einem kostenlosen Mittagessen, am Nachmittag sollte die Fahrt nach Meersburg führen, von dort mit einem Schiff bis nach Romanshorn, wo wiederum der Reisebus wartete, der die Gäste sicher nach Hause brachte. Und jeder Gast erhielt dabei erst noch ein Geschenkpaket und eine Überraschung dazu! Eine Gratisverlosung war ebenfalls zugesagt, und nebenbei war noch erwähnt: „Dazwischen werden wir Ihnen völlig unverbindlich, eine kurze Werbeschau zeigen, wo es um eine interessante Neuheit für ihre Gesundheit geht“. Und das Ganze für einen kleinen Unkostenbeitrag von nur CHF 10.- für den Treibstoff. Wahrlich, es gab sie noch, die selbstlosen und karitativen Zeitgenossen, echte Menschenfreunde, welche die Zitate der Bibel lebten, ja, es war herrlich in so einer Welt leben zu dürfen! Bei früheren Fahrten lauteten die Versprechungen ähnlich, gehalten wurde dann meistens wenig davon, aber Anna las einmal, solche leeren Versprechungen wären neuerdings nicht mehr zulässig und strafbar. Damals nahm sie sich nach jeder Fahrt vor, nie mehr teilzunehmen, aber wenn die schönen Prospekte mit all den Versprechungen ins Haus flatterten, wurde sie wieder unschlüssig und wollte es noch einmal versuchen. Bis sie dann diese Rheumadecken zu einem weit übersetzten Preis kaufte, der Verkäufer konnte ihr einreden, diese Decken hielten alle Krankheiten von ihr fern, zudem sei es unmöglich, diese später zu diesem sensationellen Preis noch kaufen zu können. Anna unterschrieb den Kaufvertrag, als die Decken ausgeliefert wurden, 35 musste sie von Lehmann erfahren, dass es sich um drittklassige Qualität handelte, Lehmann war Fachmann, er führte im Dorf ein Möbelgeschäft, unter anderem verkaufte er auch Rheumadecken, und jene, die Anna gekauft hatte, kosteten bei Lehmann nur rund die Hälfte! Damit hatte der Verkäufer richtig vorausgesagt, dass Anna die Decken kaum mehr zu diesem Preis erwerben könne, sondern viel billiger! Das war zehn Jahre früher, und seither warf sie alle Prospekte sogleich in den Müll. Jetzt wollte sie es erneut versuchen, in der Hoffnung, die Mentalitäten hätten sich inzwischen zum Besseren gewendet. Sie meldete sich an, war aber fest entschlossen, nichts zu kaufen, oder bestenfalls einige Kosmetika und dergleichen. Wie bereits früher, sollte auch diesmal die Fahrt in modernsten Reisebußen erfolgen, wenn diese aber jeweils angefahren kamen, war es mit der „Moderne“ nicht sehr weit her. Anna hatte immer den Eindruck, diese Fahrzeuge könnten etwa ihren Jahrgang aufweisen. Sie meldete sich mit Vorbehalten an, war aber fest entschlossen, den scheinheiligen Worten der Verkäufer nicht zu erliegen, am besten wohl, sie stellte sich schwerhörig, wenn es nicht anders ging. Die Abfahrt vom Dorfzentrum sollte um 07.00 erfolgen, Anna war nicht allein, drei ältere Frauen und ein Mann, alle aus den neuen Siedlungen, Leute, die sie nicht kannte, warteten ebenfalls auf den Reisecar. Letzterer erschien mit leichter Verspätung und war, wie richtig vermutet, ein älterer Jahrgang. Der Busfahrer hieß die Neuzuzüge willkommen, kündigte an, der Reiseleiter, oder Leithammel, werde erst in Konstanz zusteigen. Anna bezog einen Platz im unteren Abteil, damit sie nicht die enge Wendeltreppe hoch klettern musste, neben ihr saß bereits ein ältere Frau, die schon an einem 36 andern Ort zugestiegen war, „Hedwig“ stellte sie sich vor. „Anna“ erwiderte diese knapp. Anna mochte noch keine doofen Gespräche eingehen, sie war es gewohnt, in den frühen Morgenstunden ohne Diskussionen auszukommen. Zudem wurde rundum eifrig geplaudert, jede Witfrau beklagte ihr Schicksal und beklagte den schweren Verlust, welchen sie durch den Abgang ihres Ehemannes erlitten hatten. Das Wehklagen wollte gar nicht enden, ein Fluch, der auf unserer Gesellschaftsstruktur lastete, warum waren die Männer anlässlich der Eheschließung im Durchschnitt rund fünf Jahre älter, dafür lebten aber Frauen wiederum etwa sieben länger als Männer. Das ergibt eine Differenz von 12 Jahren. Zudem leben Männer gefährlicher und ungesünder, meistens berufsbedingt. Aber das weiß man doch längst, also, warum heiratet eine Frau dann nicht einen Mann, der rund 12 Jahre jünger ist? Unmöglich! Also wird das Jammern weiter gehen. Anna mochte nicht mehr lauschen, das Thema war rund und ausgelaufen, darum war sie echt glücklich, als sie in Kreuzlingen/Konstanz eintrafen. Sie kannte nun einige Autobiografien mehr, welche sie aber einen Scheiß interessierten, sie wollte den Tag nach Möglichkeit genießen, soweit es die Umstände erlaubten. Der Morgennebel war aufgelöst und die Sonne drängte sich lauwarm am Horizont hervor. Der junge Mann begrüßte die betagte Gesellschaft und informierte sogleich: „Wir fahren jetzt durch die schöne Landschaft von Baden-Württemberg, in etwa 20 Minuten erreichen wir ein romantisches Dorf, dort, im Gasthof „Fürstenhof“, steigen wir aus, und sie begeben sich in den hinteren Saal, dort warten Kaffee und Gipfel auf sie, allerdings sind diese leider nicht kostenlos. Danach werden wir, meine zwei Kolleginnen und ich, ihnen eine sensationelle Weltneuheit vorstellen. Danach erhalten sie alle, ungeachtet ob sie etwas gekauft 37 haben oder nicht, ein fürstliches Mittagessen serviert, sie sollen nämlich wissen, dass wir uns nicht lumpen lassen, uns geht es um ihr Wohl und um ihre Gesundheit.“ Das waren nun wirklich herzergreifende und schöne Worte, aber Anna erinnerte sich, dass sie bereits bei früheren Anlässen die gleichen Floskeln gehört hatte. Diese christliche Nächstenliebe war nur pure Heuchelei, hier ging es doch um knallharte Verkaufspraktiken! Und der Helmut, wie sich der Mann nannte, hatte zwei Gesichter aufgelegt, das selbstlose, humane „Mutter Theresa“ Gesicht, und die gnadenlose Abzockerfresse des Geldmonsters, andererseits. Da bestand auch kein Zweifel, diese Leute wurden wie die Jagdhunde dressiert und auf das „Wild“, oder hier die Senioren, abgerichtet. Beim Zoll waren das die Drogenhunde. Im Gasthof angekommen, wurden die vielen Gäste wie eine Herde von Schafen in den hinteren Saal geschleust. Kaffe und Gebäck waren schon da, das nennt man Aufmerksamkeit, es eilte, weil man mehr Zeit für die Werbung wollte. Jede Person erhielt einen vor gedruckten Meldezettel, darauf machten die Servierfrauen bei jeder Bestellung einen Strich am jeweiligen Stichwort. Anna bestellte eine Tasse Kräutertee, das machte sie bereits jetzt schon zur Exotin. Nun gesellten sich auch die beiden jungen Damen dazu, Helmut stellte sie mit „Gabi“ und „Elke“ vor. Sie waren, nach mitteleuropäischen Empfinden, sehr gut aussehend! Und den wenigen Männer im Saal, kugelten nahezu die glänzenden Augen aus ihren Gesichtern! Wenn einmal einer der Männer seine Hände zu nahe am Po oder Busen hatte, wenn eine an ihnen vorbeihuschte, war dies, zumindest am Morgen, noch ein kleiner Ausrutscher, den sie mit einem verständnisvollen Lächeln quittierten. Sie waren an diesen Greisenzirkus gewohnt, und jeder Tag brachte 38 ihnen neue Kontingente. Greise Lustmolche, ungefährlich aber doch störend. Nach der Zwischenmahlzeit, war das Verkaufsteam „kampfbereit“, etwas unruhig schaute der Helmut zu seinen potentiellen Kunden, diese plauderten kreuzweise über die Tische, darum ergriff er das Wort und verlangte absolute Ruhe im Saal. Weil das, was da nun folge, uns alle betreffe, insbesondere unsere Gesundheit. Und beim Stichwort „Gesundheit“ kann kein Senior mehr abseits stehen. Dann legte Helmut richtig los, er hielt einen langen Monolog, in dem er festhielt, dass ihm das Wohl und die Gesundheit der älteren Menschen ganz besonders ans Herz gehe, und er habe es als seine Aufgabe gesehen, ungeachtet von Geld und Reichtum, den alten Leuten zu helfen. Und manchmal kriege er sogar richtige Albträume, weil es ihm nicht gelinge, die Leute von der Notwendigkeit der Anschaffung solcher lebensnotwendiger Artikel zu überzeugen. Ihm sei aber bewusst, dass er heute eine ausgesuchte Gruppe von sehr klugen und vorsorglich gesinnter Leute um sich habe. Denen die Gesundheit mehr bedeute als ein Haufen Geld auf der Bank. Und am heutigen Tag, da hätte nun eine auserwählte Anzahl von Menschen die einmalige Chance, ihre Wehchen und Leiden, ein für alle Male zu verbannen. Gemeint war damit eine sensationelle Magnetmatratze, diese wurde mit Spezialmagneten, im Wert von weit mehr als eintausend Franken ausgerüstet. Wer eine Nacht darauf schlief, werde am nächsten Morgen völlig beschwerdefrei und glücklich aufwachen. Bereits eine Stunde auf dieser Wundermatratze, bringe ein wundervolles Befinden mit sich. Eine Wohltat, auf die kein vernünftiger Mensch verzichten konnte. 39 Damit hatte Helmut bereits unterstrichen, dass, wer dieses Wunderding nicht kauft, unvernünftig handle! Nach weiteren Lobpreisungen, kam er zum Preis: „ Ja, liebe Leute, diese Matratze kostet bei der Konkurrenz 4.690.-Franken, doch bei uns erhalten sie diese für den einmaligen Preis von nur Fr. 1990.-, damit nicht genug, erhalten sie zusätzlich noch einen Handmixer, sowie einen Reisegutschein über Fr. 600.-, obendrein.“ Helmut getraute sich noch weiter auf die Äste hinaus und versprach, wer darauf schlafe, erlebe nur noch positive Träume. Danach begann das „Probeliegen“, jene mit einem Rheumaleiden und oder Gliedschmerzen, sollten zuerst darauf liegen, und nach einer knappen halben Stunde ihre Eindrücke schildern. Die andern Teilnehmer sollten sich dann ein Beispiel nehmen, und selbstverständlich auch bestellen. Ja, es gab noch echte Wunder, wie damals bei Jesus von Nazareth, nur hieß der Held der Geschichte Helmut der Menschenfreund. Seine Sprache wurde aber bereits deutlicher und direkter, es handelte sich nicht mehr um eine fakultative Anschaffung, sondern um ein echtes „Muss“ für jede ältere Person mit etwas Verstand. Ja, eigentlich sollte deren Beschaffung gesetzlich vorgeschrieben werden, damit man die hohen Krankenkosten reduzieren konnte. So weit war man noch nicht, wer aber gut zuhörte, konnte realisieren, dass nur echte Dummköpfe und hoffnungslose Ignoranten darauf verzichten. Anna kannte diese Verkaufspraktiken bestens, einmal war sie selber gelernte Verkaufsfrau, zweitens entsprach die Technik des Helmut und seines Teams genau jenem aus früheren Tagen. Und insgeheim hoffte sie, dass mindestens eine Bestellung einging, ansonsten der Nachmittag im Eimer war! Sie hatte schon erlebt, dass die im Prospekt versprochenen Zugaben ausblieben, weil keine größeren Aufträge erfolgten. 40 Die Mittagspause nahte bereits, aber wie üblich wurde es 13 Uhr, oder mehr, bis das Mittagessen serviert wurde. Anna hatte dafür vorgesorgt, sie gönnte sich deshalb zuvor noch zwei Stück Kuchen, es war nicht sehr ratsam, sich mit leerem Magen die Einlagen des Verkaufsteams über sich ergehen zu lassen. Das Ehepaar Gerber, litt unter Rheumaschmerzen, sie lagen deshalb bereits eine ganze Stunde auf der Matratze. Als sie wieder aufstehen wollten, gelang ihnen das nur mit größter Anstrengung, und das Beste kam erst noch, beide meldeten noch mehr Schmerzen als zuvor gehabt! Doch das sagten sie nicht ohne Folgen, das strahlende Gesicht von Helmut verwandelte sich in eine Fratze, er explodierte richtiggehend vor Wut und sagte: “Das darf doch nicht sein, sie sind sicher üble Spione, die unsere Schmutzkonkurrenz beigebracht hat, eine konspirative Verschwörung, aber wir werden sie wegen Kreditschädigung anzeigen, das wird sie teuer zu stehen kommen!“ Das Ehepaar Gerber verstand die Welt nicht mehr, sie sagten doch nur, was sie dabei empfanden. Der Menschenfreund Helmut wurde nun zum Amokläufer, er war nicht wieder zu erkennen. Die andern Gäste wirkten echt eingeschüchtert und munkelten halblaut über schlechte Manieren und dergleichen. Helmut lief wie ein Berserker im Saal auf und ab, sein Gesicht erinnerte an ein Monster in der Geisterbahn. Helmut beruhigte sich nur langsam, er war richtig aus dem Häuschen, wie man so schön zu sagen pflegt. Und wie zu erwarten war, bestellte niemand die Wundermatratzen, hingegen liefen die kleinen Sachen recht gut über die Bühne, Anna kaufte sich eine Gesichtscreme aus Murmeltierfetten und Alpenkräutern. Das war nur Beilage, aber besser als rein nichts! Die beiden Jungfrauen waren nun längst nicht mehr so tolerant wie am Morgen, die Streicheleinheiten eines geilen Seniors von 41 zuvor wurden nun mit einer klatschenden Ohrfeige belohnt. Anna war bewusst geworden, dass der Tag futsch war, mochte aber darüber mit den andern nicht diskutieren. Das Mittagessen war nur ein Schatten von jenem im Farbprospekt. Und einmal mehr, war die Rechnung am Ende höher, als nach einem gewöhnlichen Restaurantbesuch. Dem Ehepaar Gerber wurde es ungeheuerlich zu Mute, sie fürchteten die Rache des Helmut. Nach der Mahlzeit bestellten sie ein Autotaxi und fuhren zur Station der schwäbischen Eisenbahnen, um dann in Konstanz den Zug nach Hause zu besteigen. Das brachte den Helmut noch mehr auf die Palme, er verabschiedete sich ohne Gruß von der undankbaren Gesellschaft und überließ es dem Fahrer, diese Meute nach Hause zu bringen. Und wie Anna richtig vermutete, wurde die Schiffsfahrt auf dem Bodensee zur Strafe abgesagt. Das hatte den Vorteil, dass sie bereits um 17 Uhr, statt um 20 Uhr, wie geplant, zu Hause war. SISSI wusste das zu schätzen sie verbrachte den langen Tag auf der Wiese, sowie schlafend auf dem Sofa. Und noch etwas war sonnenklar, dass sie nie mehr so eine Irrfahrt unternehmen wollte, auch wenn der Prospekt noch so verheißungsvoll klingen mochte. Anna war stets bestens informiert, sie hatte zwar diese ständigen Negativmeldungen in den Medien, oft mehr als satt, aber man musste auf dem Laufenden bleiben. Zigeuner pflegten geheime Zeichen an den Briefkästen anzubringen, welche andere Zigeuner über die Hausbewohner informierten, diese Geheimschrift konnte etwa wie folgt lauten: „Hier wohnen reiche Leute“, oder „Hier leben Geizhälse, nichts zu holen“. Erst kürzlich konnte sie solche Zeichen an ihrem 42 Briefkasten feststellen. Mit starken Reinigungsmitteln, konnte sie diese Schriften entfernen. Es war für sie aber ein Alarmzeichen, vorsichtig zu sein. Misstrauen war ihr nicht angeboren, aber die gesellschaftliche Entwicklung und die allgemeine Unsicherheit, zwangen zu Vorsicht und Misstrauen. Trotzdem staunte sie nicht wenig, als eines Tages die Hausglocke klingelte, und draußen eine Frau von etwa 30 Jahren, sich in französischer Sprache vorstellte: „ Guten Tag Madam Baumgartner, ich bin die Tochter von Monika, und sie sind meine Großmutter!“ Anna glaubte zu träumen, sie brachte kein Wort hervor, schon gar nicht erst in französischer Sprache, die sie nur rudimentär beherrschte. Sie musste sich setzen, also ließ sie ihre angebliche Nichte, die sich „Josette“ nannte, in ihre Wohnung eintreten. Dort wurde diese von der SISSI kritisch begutachtet und dann ignoriert. Die Josette begann mit ihrer Geschichte: „Damals, als meine Mutter während zwei Jahren in Genf arbeitete, verliebte sie sich in meinen Vater, er ist Tunesier und war seinerzeit bei der UNO angestellt. Und ich bin das Ergebnis aus dieser Beziehung“. Anna glaubte immer noch zu träumen, ja, die Monika schrieb ihr damals aus Genf, und sie erwähnte auch ihren arabischen Freund bei der UNO. Dass die Monika aber von ihm schwanger wurde, und dass sie als Folge ein Kind gebar, das hatte sie ihr verschwiegen, sie erinnerte sich aber noch gut, als Monika einmal zu Besuch kam, wirkte sie etwas vollschlank. Die Josette wusste noch mehr zu berichten, nach einem Regierungswechsel in Tunesien, soll ihr Vater zurück berufen worden 43 sein, und später als Regierungsgegner sogar längere Zeit eingesperrt gewesen sein. Weil die Monika aber nicht nach Tunesien wollte, nahm der Vater den Säugling mit sich und übergab ihn seiner Mutter zur pflege. Jetzt liege ihr betagter Vater in einem Spital von Tunis, die Krebstherapie koste ein Vermögen, und Geld hätten sie auch nicht. Deshalb habe ihr Vater den Vorschlag gemacht, Josette möge nach ihrer Mutter forschen, er habe aber auch den Namen und die Adresse der Großmutter mitgegeben, sollte die Monika nicht auffindbar sein. Und nun sei sie eben hier gelandet. Josette nannte einen fünfstelligen Betrag, den sie gerne von ihrer Großmutter geborgt hätte. Selbstverständlich werde sie, die Josette, den Betrag später zurück vergüten. Das war aber eine ganz ordentliche Summe, aber Anna war nicht auf den Kopf gefallen. Die Reaktion von SISSI nahm sie als Alarmzeichen, SISSI war sehr sensibel und feinfühlend, wenn eine Person nicht vertrauenswürdig erschien, zeigte sie das mit ihrer Ignoranz an, Leute, die sie mochte, grüßte sie freundlich mit einem „Miau“, das war bei der Josette nicht der Fall! Als Josette erfuhr, dass die Monika in Australien lebte, fühlte sie sich ihrer Sache so sicher, dass sie sogar kurz im Dorf etwas einkaufen ging. In aller Eile rief Anna ihre Tochter an, in „Down Under“ war es mitten in der Nacht, aber es eilte: „Warum hast Du mir Dein Kind mit dem Tunesier in Genf verschwiegen?“ donnerte Anna vorwurfsvoll in den Hörer. Jetzt war es die Monika, welche die Welt nicht mehr verstehen konnte. Monika erinnerte sich aber sehr gut: „Der Ahmend war ein „Casanova“, er hatte damals noch mindestens drei weitere Freundinnen, und als ich Genf verließ, hatte ich längst einen 44 Schlussstrich gezogen, er schwängerte eine französische Kollegin von mir, und die hieß „Monique Martinez“. Alles war klar, Anna war erleichtert, sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass das alles ohne ihr Wissen hätte geschehen können. Sie hatte immer Vertrauen zu ihrer Tochter, und so etwas war grundsätzlich nicht möglich. Noch bevor Josette zurück war, eilte Anna zum Polizist Hauser, dieser konnte die Schwindlerin sogleich auf den Posten mitnehmen. Unterwegs versuchte die Josette zu fliehen, wurde aber von der flinken Polizei wieder eingefangen. Die Befragung ergab, dass sie tatsächlich die Tochter einer Tunesisch-Französischen Beziehung war, und dass ihre Mutter „Monique“ heißt. Die Idee für diese Geldbeschaffung kam vom Vater der Josette, welcher wirklich schwer erkrankt war. Josette wurde aus dem Land verwiesen, auf eine Strafanzeige wurde in diesem besonderen Fall verzichtet. Das war für die Anna wieder einmal gut abgelaufen. Anna wollte stets informiert bleiben, deshalb las sie täglich die Regionalzeitung, aber auch die Radionachrichten und die Tagesschau gehörten dazu und dienten der „Weiterbildung“. Was sie an allen diesen Informationen am meisten störte, war die leidige Tatsache, dass praktisch nur Negatives bemeldet wurde, ja, dass Positives die Ausnahme von der bekannten Regel bildete. Sie dachte, es wäre doch etwas Neues, wenn sich ein Medium nur noch auf die positiven Meldungen beschränken würde. Etwa wie „Radio Positiv“ oder „TVPositiv“, wäre das nicht ein Aufsteller? Sie hatte es langsam satt, jeden Tag zu vernehmen: „Schweres Eisenbahnunglück in X-Land“, „der König von Bumerang im Komma“, „die Zahl der Arbeitslosen stieg im vergangenen Jahr auf 11%“, „der Benzinpreis wird auf Januar 45 angehoben“, „die schulischen Leistungen der Schüler werden immer schlechter“, „Jugendliche Schläger verprügeln einen Senior und niemand hilft ihm!“, die Liste könnte noch weit mehr Beispiele aufweisen. Selbstverständlich konnte der Nachrichtensprecher nicht einfach sagen:“ Liebe Zuhörer, heute gibt es keinerlei Nachrichten zu vermelden, ich wünsche Euch trotzdem einen angenehmen Tag“. Nein, er konnte aber folgendes verkünden: „Für einmal habe ich Euch nur Positives zu vermelden, die Treibstoffpreise werden auf den 1. Januar gesenkt, die Landwirte melden eine Rekordernte im Obstbereich, der CEO (früher ein Generaldirektor) der Bank „Catchascatchcan“, verzichtet dieses Jahr auf seine Millionengage, er schenkt jedem Angestellten mit Kind je 5000.- Franken Extrazulage, den Rest gibt er dem Verein „Brot für Brüder“. In der ganzen Region war im vergangenen Monat kein einziger Verkehrsunfall mit Todesfolge zu verzeichnen.“ Und so weiter, es gäbe durchaus viele Dinge zu melden, aber das interessiert vermutlich nicht, der Mensch will sich lieber am Elend und Unheil der andern aufgeilen, Hauptsache, es geht ihm persönlich gut. Mit dem Mittwochclub im Hinterzimmer der Konditorei Mader, war das so eine Sache für sich. Sechs Frauen mit ähnlichen Interessen, und dennoch glitten die Konversationen oft unter die Gürtellinie. Zum Beispiel, wenn das Thema die Ausländer betraf, welche aus allen möglichen und unmöglichen Ländern ins Land kamen, die Sozialwerke plünderten und sich am Volkseigentum schadlos hielten. Anna mochte dieses Thema nicht besonders, man wollte sich ja nicht treffen, um Probleme zu diskutieren, für welche andere zuständig waren. Sie zog es vor, von den guten alten Zeiten zu plaudern, als die Welt nahezu noch heil war, und wo man sich als Frau auch noch nachts 46 auf die Strassen begeben konnte. Als noch Anstand und Ehrlichkeit eine Bedeutung hatten. Aber es gab oft Situationen, bei denen sich zwei Parteien bildeten, und man sich uneinig nach Hause begab. Und es gab auch Themen, die man zu den kulturellen Leckerbissen zählen durfte. Kein Vergleich mit den männlichen Stammtischrunden, und ihren doofen, und oft sehr primitiven Diskussionen. Als sie noch sechs Frauen waren, gehörten auch Lichtbildervorträge und Musik dazu, das veranlasste einmal die Dorfpresse, eine richte Reportage über diesen Kulturtreff zu publizieren. Prompt wurden sie danach mit Anfragen für Mitgliedschaften überschwemmt. Aber es sollte bei den sechs Frauen bleiben, man wollte gar keine neuen Gesprächspartnerinnen haben, das hätte vermutlich nur Probleme mit sich gebracht. Und nun ist ihr „Club“ sogar auf drei Personen zusammengeschrumpft. Drei von ihnen sind in nur zwei Jahren verreist, zwei ins Jenseits und eine in ein Pflegeheim. Die Gerti (Gertrud) erwischte es im 83. Lebensjahr, ein übler Magendarmkrebs vernichtete ihre Zukunftsaussichten, sämtliche Chemotherapien blieben erfolglos. Die Susanne starb in ihrem 85. Lebensjahr, sie wurde in der Stadt von einer Straßenbahn erfasst und war sogleich tot. Die Elisabeth hatte schon seit Jahren Schwierigkeiten mit ihren Beinen, Krampfadern und Durchblutungsstörungen, bis sie sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen konnte, deshalb zog sie es vor, doch in ein Alters- und Pflegeheim über zu siedeln. Jetzt waren sie nur noch zu dritt, die Anna, die Adelheid und die Maria. Einmal monatlich besuchten sie ihre Kollegin im städtischen Pflegeheim. Und schon gingen auch Klagen ein, an den Mittwochnachmittagen gehe es im Zimmer der Elisabeth zu wie in einem Affengehege, es wurde laut gelacht und manchmal sogar gesungen. Weshalb die Frau Oberschwester anordnete, diese laute 47 Gesellschaft der alten Damen, möge bitte in Zukunft im hinteren Esszimmer zusammenfinden. Die Frau im Nebenzimmer war sehr krank und sensibel, und nach so einem ausgelassenen Nachmittag der Damen nebenan, war sie jeweils sehr durch ein einander im Kopf und benötigte auch die doppelte Menge an Tabletten. Man befand sich nun einmal in einem Pflegeheim und nicht in einem Tollhaus. Der „Club der tollen Frauen“, wie sie nun im Heim genannt wurden, konnte stolz auf das Alter seiner Mitglieder blicken: Die Anna 88, die Maria 89, und die Adelheid 91 Jahre, und die Gastgeberin 88! Bei jedem Treff wurde eine Schweigeminute für die beiden Verstorbenen (Gerti und Susanne) eingehalten. Das wirkte wie ein kleiner Trost für die noch lebenden vier Frauen. Jede dachte dabei: „Wenn ich einmal weg bin, wird man das auch für mich tun“! Die Anna mochte nicht nachsinnen, wer von ihnen einmal den Schluss machen musste, den, oder die Letzte, beißen bekanntlich die Hunde. Oder das Schlusslicht möge das Licht löschen! Aber derartige Gedanken verdrängte die Anna, solange das möglich war. Anna wohnte als einzige in einem Einfamilienhaus, Maria und Adelheim besaßen komfortable Eigentumswohnungen, und die Elisabeth war sogar stolze Besitzerin einer luxuriösen Penthauswohnung, welche sie nun zu einem vornehmen Preis vermieten kann, und damit ihren Heimaufenthalt zusammen mit der Altersrente finanzieren kann. Anna war sich schon immer bewusst, dass ein Haus, eine wesentlich größere Bürde darstellt als eine Wohnung, aber solange sie die nötigsten Arbeiten noch selber verrichten konnte, dachte sie nicht daran, eine Änderung vorzunehmen, zudem war für die SISSI das Haus ein kleines Paradies mit freiem Auslauf. Anna schätzte 48 das Alter der SISSI auf etwa 17 Jahre, somit war sie umgerechnet auf das Menschalter etwa 87jährig, damit waren die beiden „Damen“ etwa gleich alt. Das war auch gut so, weil Anna überzeugt ist, dass sie die verbleibenden Jahre zusammen verbringen werden. Bei ihrem Lebenspartner ging diese Rechnung daneben, mit der neuen Wohnpartnerin sah es besser aus. Ein Hund wäre vermutlich ein besserer Wächter gewesen, aber sie mochte diese weniger, besonders ließen die es an Reinlichkeit zu wünschen übrig. Die Hundesteuer wäre noch das Wenigste dabei, aber der tägliche Auslauf, den ein Hund nun einmal benötigt, hätte sie wie ein schwerer Rucksack belastet. Und Hunde hinterlassen immer auch einen unangenehmen Geruch in der Wohnung zurück, kurz, sie bestanden bei der Anna die Prüfung nicht. Und dass Katzen auch aufmerksame Wächter sein können, das bewies die SISSI. Anna war sich der Tatsache bewusst, dass sie nicht mehr in der heilen Welt der Fünfzigerjahre lebte. Seit man den freien Personenverkehr kennt, kommt auch dubioses Gesindel ins Land, kriminelle Elemente, die nichts anderes suchen als Geld. Und das finden sie vorzugsweise bei alten Leuten in Einfamilienhäusern. Sie hatte bekanntlich dafür vorgesorgt, jedes Fenster wurde mit einer Alarmanlage versehen, auch die Kellerfenster. In der Waschküche lagerte auch der große Kassenschrank, den noch der Hans eingemauert hatte, dieser wog gute 300 Kilogramm! Um den wegzutragen, hätten sie, die Einbrecher ihre liebe Mühe gehabt. Wie sie aber aus der Sendung „XY-ungelöst“ wusste, gehen die Räuber anders vor, sie foltern die Bewohner, bis diese sich an das Passwort des „Safes“ erinnern. Und dem wollte sie möglichst vorbeugen, deshalb hatte sie eine Funkalarmanlage zur Familie Hauser, und damit zur Polizei, erstellen lassen. Um drüben einen Alarm auszulösen, sollte sie im Wohn- und 49 Schlafzimmer je einen Knopf drücken. Zudem war bei ihr wenig zu holen, dafür hatte sie vorgeplant, sie hatte so wenig wie nur möglich, Bargeld im Haus, wenn sie einkaufen ging, bezog sie das nötige Geld aus dem Automaten bei der Bank, oder sie zahlte mit der Bankkarte. Den gesamten Schmuck hatte sie bei ihrer Bank deponiert, und wenn die Diebe ihre selbst gemalten Ölgemälde klauen wollten, dann wäre das doch eher eine kostenlose Werbung! Aber Verbrecher mögen nun einmal ältere, allein stehende Frauen, sie sind meistens wehrlos und haben ihre Ersparnisse oft in der Bettmatratze eingenäht. Die drei Halunken drangen nachts über die Dachluke ein, nur diese hatte keine Alarmanlage, dafür hatte der Gärtnermeister die lange Leiter nicht versorgt, und sie konnten problemlos aufs Dach steigen. SISSI schlief im Wohnzimmer, vom Dachboden führte eine Treppe hinunter zum Korridor, die ungebetenen Besucher schlichen hinunter. Einer blieb auf der Flur, die beiden andern machten sich daran, das Wohnzimmer zu durchwühlen. SISSI konnte sogleich feststellen, dass da etwas nicht in Ordnung war, sie eilte ins Schlafzimmer, die Tür war nur angelehnt, sprang aufs Bett und miaute leise aber beunruhigt, jetzt stellte Anna im Wohnzimmer Bewegung fest, das veranlasste sie vorsorglich, den Alarmknopf beim Nachttisch zu drücken. Der SISSI legte sie nahe, ruhig zu bleiben. Die Räuber konnten die Katze in der Ferne hören, wussten aber nicht, woher die Stimme kam. Das Licht schalteten sie nicht ein, dafür leuchteten sie mit Taschenlampen das Wohnzimmer ab. Die Wohnwand interessierte sie besonders, sämtliche Schubladen wurden auf den Boden gekippt, aber außer einigen Gläsern, war nichts Wertvolles zu finden. Jetzt vernahm sie auch ein Fluchen in einer fremden Sprache, das war nicht gut, denn die könnten ihren Frust 50 an ihr auslassen. Schon oft wurden alte Leute zusammengeschlagen, nur weil sie kein Geld oder Schmuck in der Wohnung hatten! Im Dunkeln ging sie zur Zimmertür und verriegelte sie sorgfältig, diese mussten die Einbrecher erst einmal aufbrechen. Und in der Zwischenzeit sollte Polizist Hauser da sein! Dieser fluchte laut, als die Alarmanlage bei ihm lief, er stürzte sich in seine Uniform und lief eiligst hinüber zum Haus von Anna Baumgartner. Schon aus Distanz konnte er Lichtscheine aus Taschenlampen im Wohnzimmer erkennen. Die Haustür war aber von innen verschlossen, im Innern hörte er männliche Stimmen, die konnten weder von Anna noch von SISSI stammen. Er betätigte die Hausglocke mit der linken Hand, in der rechten Hand hielt er seine Pistole. Die Haustür wurde natürlich nicht geöffnet, dafür ein Fenster, und schon huschten drei Gestalten in der Dunkelheit davon. Hauser begab sich zum Fenster und rief: „Frau Baumgartner, wo sind sie?“ Anna antwortete hoch erfreut aus dem Schlafzimmer: „Ich bin hier im Schlafzimmer, und alles ist in Ordnung, danke für ihre Hilfe, Herr Hauser, es ist einfach toll, wenn man die Polizei zum Nachbarn hat.“Sie stürzte sich in den warmen Morgenrock und öffnete die Haustür, im Wohnzimmer herrschte eine große Unordnung, aber die Einbrecher gingen völlig leer aus. Als Polizist Hauser weg war, erfasste es Anna erst richtig, das Geschehen der Nacht wurde ihr bewusst und sie war einerseits heilfroh, so gut davon gekommen zu sein, das war auch der SISSI zu verdanken, die sie sofort weckte, aber auch der Soforthilfe von Polizist Hauser. An Schlaf war nicht mehr zu denken, dazu war sie viel zu aufgeregt, sorgfältig legte sie alles wieder in die Schubladen zurück, SISSI schaute ihr dabei aufmerksam zu und folgte ihr auf jeden Schritt. 51 --------------------------------Nach dem frühen Tod ihres Lebenspartners, und dem Verzicht auf die Weltreise mit der „Queen Elisabeth“, heiratete Tochter Monika ihren David von der Australischen Botschaft. David und Monika planten nach Australien umzusiedeln, um dort sesshaft zu werden, die ständigen Versetzungen von einem Land ins andere, wollte David vermeiden, darum kündigte er seinen Job als Handelsrat bei der Regierung. David war Elektroniker, und weil das Zeitalter der Computer anlief, gründete er eine eigene Firma. Solange noch keine Kinder da waren, konnte auch Monika im Geschäft mitarbeiten. Anna sah dem mit gemischten Gefühlen entgegen, Der Traum von der eigenen Firma endete nur allzu oft mit einer kläglichen Pleite, und dann war es meistens auch mit der harmonischen Ehe vorbei. Doch sie wollte gar nicht erst als Ruferin aus der Wüste auftreten, weil sie wusste, dass die jungen Leute doch immer tun was sie wollen. Sollten sie doch durch die harte Lebensschule klug werden, und wenn’s gut ausging, war das umso erfreulicher. Anna war sich einig, dass jeder Mensch, also auch die eigenen Kinder, ihr Leben selber meistern müssen, und man ihnen rein nichts ersparen oder abnehmen kann. Es heißt landläufig, man habe den Kindern das Leben geschenkt, und erkennt dabei beim eigenen Nachwuchs eine Form des Weiterlebens nach dem Tod. Ob das aber als „Geschenk“ empfunden und erkannt wird, das sei offen gelassen, zu viele Kinder verfluchen ihre Erzeuger, weil man sie ungefragt zeugte, oder ihre Zeugung ein „Unfall“ war. Und da der Mensch dabei nur als „Werkzeug“ fungiert, ist es bequemer und einfacher, wenn man „Gott“ dafür verantwortlich macht. Ob man schließlich als „Wunschkind“ oder aber als ungewolltes Kind das Licht der Welt erblickt, das heißt befördert und gepresst wird, spielt schlussendlich keine wesentliche 52 Rolle mehr. Der Lebenskampf wird keinem erspart, und der sichere Tod auch nicht, weil jedes Leben, das einmal geboren wird, auch wieder sterben muss. Alte Menschen leben oft und gerne in der Vergangenheit, das war bei der Anna nicht anders, wobei sie sich am liebsten an schöne Dinge zurück erinnerte. Wenn draußen Nebel und Regen herrschte, und das Wetter es kaum zuließ, einen Schritt vor die Haustür zu tun, setzte sich Anna auf das Sofa im Wohnzimmer und legte eine klassische CD ins Abspielgerät. Beethoven, Mendelsohn, Tschaikovsky, Brams, Mozart und viele andere Meisterwerke, die lifteten sie in sphärische Höhen, neben ihr schlief SISSI, welche diese Musik besonders gut mochte. Und nicht selten schliefen beide weit über den Schluss des Konzertes hinaus weiter. Wenn SISSI vorher erwachte, lief sie auf der Sofalehne zur Anna, und leckte sanft ihre Stirn bis Anna erwachte. Wenn Anna vorher erwachte, streichelte sie SISSI übers weiche Tigerfell, bis auch diese sie schläfrig und fragend anblinzelte. Bei beiden handelte es sich aber nicht um vorwurfsvolle Blicke, sondern eher um Dankbarkeit und gegenseitige Fürsorge. Anna hatte sich zur Gewohnheit gemacht, der SISSI Geschichten zu erzählen, Erlebnisse und Vorkommnisse aus früheren Tagen, indem sie ganz einfach laut dachte. SISSI lauschte ihr dabei stets aufmerksam zu, indem sie auf die Lippenbewegungen der Anna fixiert war, SISSI schien dabei nicht etwa gelangweilt, sondern tat so, als könnte sie alles verstehen. Und sie fühlte sich dabei wohl eher wichtig, dass eine so große Person ihr zuredete. Wenn SISSI das Gefühl hatte, sie habe nun aber lange genug zugehört, richtete sie sich auf um ihr glänzendes Fell zu polieren, danach stand sie auf und ging mit ein paar Sätzen zur Katzentür, um sich im Garten umzuschauen. Es war Zeit für einen Spaziergang oder 53 einem Versteckspiel mit einer Maus. Anna vertiefte sich in ihre Kreuzworträtsel, das war eine ihrer Leidenschaften, wenn das Wetter nicht zu einem Spaziergang in den nahen Wald einlud. Ein anderes Hobby, vermutlich das dominierende, war die Malerei, beruflich hatte sie stets mit Malerutensilien zu tun, das war Teil ihrer jahrelangen Verkaufstätigkeit. Sie versuchte sich in Landschaften und Surrealismus, aber auch in Tierportraits, so hatte sie bereits diverse Versuche hinter sich, die SISSI so hübsch wie nur möglich auf die Leinwand zu bringen. Doch sie zeigte etwas Mühe damit zu haben, statt einer eleganten, hübschen Katze, entstanden einige Bilder mit böse dreinblickenden Tigern, welche eher unbeholfen wirkten. Und selbst der SISSI schienen die Gemälde nicht zu gefallen, nachdem sie diese lange betrachtete, rannte sie plötzlich entsetzt weg. Sie beteiligte sich auch an „Vernissagen“, natürlich interessierte sich im Dorf kein Mensch an den Werken einer Anna Baumgartner, bekanntlich gilt der Prophet im eigenen Dorf, ja sogar im eigenen Land nichts. In der Stadt hingegen, wo die Menschen völlig vorurteilslos aufkreuzten, da wertschätzten die Besucher ihre Werke richtig ein, und sie konnte mehrere Gemälde verkaufen. Für niedrige Preise, aber das zählte nicht, sie freute sich wie ein kleines Kind auf ihren Erfolg. Und auch die SISSI wirkte erfreut, vermutlich weil die bösen „Tiger“ weg waren? Sie wollte das mit einem Salto auf dem Sofa feiern, dieser misslang ihr aber gründlich, und Anna sagte ihr belehrend: „SISSI, in unserem Alter macht man keine Purzelbäume mehr, merke dir das!“ SISSI schaute sie ungläubig an, miaute zweimal und legte sich schlafen. Das war ihre beste Therapie nach einem solchen Frusterlebnis. Anna genoss bei leiser Musik ihren Achtungserfolg, und bedauerte nur, dass Hans nicht 54 dabei sein konnte. Die beiden ungleichen Hausbewohner waren aber auch ein gutes Gespann, und man verstand sich bestens. Zusammen in das nahe Wäldchen wandern, das war für die zwei ein Vergnügen, sozusagen der Höhepunkt eines schönen Tagesablaufs. SISSI war aber kein Hund, der schön brav auf gleicher Höhe neben dem Chef lief, nein, sie war eine freie Katze, die ihr Tempo selber bestimmen wollte, daher war sie einmal voraus, dann wieder hinten dran. Lauschte den fröhlichen Vögeln auf den Bäumen, das tat die Anna auch, aber aus einem anderen Grund. Hin und wieder rannte die SISSI auf die Wiese um dort einen Mäusehaufen näher zu inspizieren. Die Fische im nahen Bach interessierten sie weniger, seit sie einmal ins Wasser fiel, waren diese für sie tabu. Dafür hatte sie einen Blick in die weite Ferne, so, als handle es sich dabei um Neuland, das man noch erforschen musste. Es gab aber auch Momente, da lief die SISSI schön brav neben der Anna einher, immer dann, wenn ein Spaziergänger mit einem Hund auftauchte. Im Wald mochte Anna besonders die mächtigen Bäume, Tannen, Fichten, Eichen und Buchen, welche bereits seit Jahrhunderten da standen, und unglaublich viel erlebt haben mussten! Kriege, Aufstände, Verfolgungen, Naturkatastrophen, Epidemien wie die Pest oder Cholera, und sie überlebten alles! Den Bäumen widmete sie ein altes Volkslied, das sie in Begleitung ihrer Ukulele zu singen pflegte: „Lasst uns die Bäume lieben Die Bäume sind uns gut In ihren grünen Trieben strömt Gottes Lebensblut 55 Einst wollt das Holz verhärten Da hing sich Christ daran Dass wir uns neu ernährten Ein ewiges Blühn begann Die einzige Zuhörerin war SISSI, die fand besonders Gefallen daran, anscheinend wollte sie noch weitere Lieder hören, Anna erinnerte sich oft und gerne an ein altes Volkslied, das sie in der Schulzeit sehr mochte: „Am Brunnen vor dem Tore da steht ein Lindenbaum, ich träumt in seinem Schatten so manchen süßen Traum. Ich schnitt in seine Rinde so manches liebe Wort. Es zog in Freud und Leide zu ihm mich immerfort, zu ihm mich immerfort. Ich musst auch heute wandern vorbei in tiefer Nacht, da hab ich noch im Dunkeln die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, hier find’st du deine Ruh! Die kalten Winde bliesen mir grad ins Angesicht, der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht. 56 Nun bin ich manche Stunde entfernt von jenem Ort, und immer hör ich’s rauschen: du fändest Ruhe dort! SISSI schaute mit klugem Blick zur Anna hinauf, und tat so, als hätte sie alles verstanden. Danach umarmte Anna die Bäume, sie wurde mit ihnen „EINS“, die ganze Kraft der Stämme zog sie virtuell in sich auf. SISSI wollte nicht zurückstehen und krallte sich an den Rinden fest, dabei schaute sie wiederum fragend zur Anna hinauf. Ihre Kaffeekranzkolleginnen hatten dafür wenig Verständnis, sie waren überzeugt, Anna bilde sich diese Kraftübertragung nur ein. Das störte die Anna aber nicht, sie empfand diesen Austausch als eine willkommene Erholung, eine Art von Mentalsprache. Anna war der festen Überzeugung, dass man mit jedem Baum, aber auch mit jeder Pflanze mental korrespondieren konnte. Alle Lebewesen, gleichgültig ob Mensch, Tier oder Pflanze, ja selbst Mineralien und gewöhnliche Steine, waren auf eine Art beseelt. Auch die Blumen im Garten, blühten schöner, wenn sie lieb zu ihnen sprach, das konnte laut oder leise sein, die Pflanzen konnten beide Versionen verstehen. Anna war sich bewusst, dass rund 90% dieser Esoterik Literatur in den Müll gehörte, die restlichen 10% waren aber durchaus einer seriösen Nachprüfung wert. Es gab zwischen Himmel und Erde nun einmal Dinge, die sich dem menschlichen Wissen entzogen, oder wofür das Verständnis des Menschen überfordert wurde. Auf dem Nachhauseweg konnte es die SISSI nicht lassen, einer Maus auf der Wiese nachzustellen. Aber die Maus war flinker und verschwand in einem Loch, und wie immer in solchen Situationen, war die SISSI danach schlechter Laune. Anna litt oft mit, deshalb kaufte sie der SISI einen Leckerbissen aus dem 57 Metzgerladen, den sie zu Hause in den Fressnapf legte. Danach war für die SISSI die Welt wieder in Ordnung. Nichts war schlimmer, als wenn eine der beiden alten Damen schlecht gelaunt oder sogar depressiv war. Bei der Anna war das der Fall, wenn sie begann, die Sofakissen wegzuwerfen, und bei der SISSI, indem sie nervös im Wohnzimmer, wie ein Tiger auf und ab lief. Dass es aber beide gleichzeitig traf, das kam sehr selten vor. War die SISSI schlechter Laune, nahm die Anna sie auf ihre Arme und streichelte ihr sanft übers Fell. Manchmal knurrte sie dabei, so, als wolle sie ihre schlechte Laune geltend machen, aber nach mehreren Streicheleinheiten begann SISSI zu „Schnurren“, was bekanntlich bei Katzen auf eine gute Stimmung schließen lässt. Katzenschnurren soll aber eine selbst heilende Wirkung auf die Katze ausüben. Meistens bedankte sich die SISSI mit dem Lecken des Handrückens bei Anna. Diese Massage mit der rauen Zunge löste jeweils gute Durchblutungsergebnisse aus, und wurde auch als Dank für die Streicheleinheiten verstanden. Das war auch ganz im Sinne einer harmonischen Partnerschaft von Geben und Nehmen. Nach außen wirkte das ungleiche Paar durchaus überzeugend, und für Anna war die SISSI auch ein Glückstreffer. Und dennoch hatten die beiden alten Damen oft ihre kleineren und größeren Depressionen. Die Ursachen waren jedoch grundverschieden, während die SISSI oft schlecht gelaunt nach Hause kam, weil sie erneut keine Maus einfangen konnte, das sie allein ihrem hohen Alter zuzuschreiben hatte, waren die Missstimmungen bei der Anna gänzlich anderer Natur. Es war der unausweichliche und unhaltbare Alterungsprozess, der schwer auf das Gemüht drückte, besonders an jenen Tagen, wenn auch das Wetter zum Heulen war! Die Feststellung, dass das Leben langsam aber sicher 58 dem Ende entgegen steuerte, wurde ihr in solchen Situationen noch direkter bewusst. Da konnten auch religiöse Fanatiker nicht trösten, was immer ihre Theorien waren, sicher war, dass nach dem Tod der Körper, dem man stets soviel Beachtung schenkte, zurück zur Erde findet, der Körper wird wie verdorbenes Gemüse kompostiert. Und ob die Seele einen Platz im Paradies oder im Nirwana erhält, das steht bestenfalls in den Sternen. Aber weshalb sich darum den Tag vermiesen lassen, nein, man sollte jeden Tag wie ein unbezahlbares Geschenk feiern, und nur das Beste daraus machen. Es brachte aber keinerlei Vorteile mit sich, wenn sie den ganzen Tag darüber nachsinnte, und sich selbst bemitleidete, sich ärgerte und Trübsal blies, das war nur destruktives Denken und änderte rein nichts am Schicksal. Also zog sie es vor, wie die SISSI, sich darüber keine Sorgen zu machen, und schon konnte sie mit dem üblichen Optimismus in den neuen Tag einsteigen. Nicht immer war nur der Spiegel an der üblen Morgenstimmung schuld, sehr oft waren es die Frühnachrichten im Radio, diese konnten ihre zuvor positive Stimmung ins Negative drängen. Um dieses Übel zu umgehen, ging sie nach der kurzen Tagesmeditation gut gelaunt in die Küche, und statt das Radio einzustellen, sang sie ein Lied aus ihrer Jugendzeit: „Melodie d’amour, Serenade der Liebe Chuchu Kolibri, Dich vergess ich nie. Melodie d’amour, Du erfüllst mich mit Sehnen Chuchu Kolibri, sing die Melodie 59 Sing von jener Zeit, als war‘n zu zweit Sing vom blauen Meer, wo so gern ich wär. Kleiner Kolibri, Dich vergess ich nie. O sing von jener Zeit, als wir waren zu zweit, Melodie d’amour, Serenade der Liebe, chuchu Kolibri sing die Melolie.“ Ja, der Klassenlehrer hatte keine große Meinung von diesem Schlager, er nannte die Worte „Volksverdummung“, aber das war um die Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Doch die Melodie war herzergreifend und wenn sie noch mit der Ukulele dazu spielte, dann war das Nirwana vollständig. Und weil auch SISSI das Lied sehr mochte, war für beide die Welt wieder im Lot. Der wöchentliche „Kaffeeklatsch“, oder auch „Kaffeekränzchen“ und „Kaffeetreff“, genannt, war für Anna ein besonders wichtiger Anlass, es war ihr Draht zur Außenwelt, ihr soziales Umfeld! Und im Gegensatz zu ähnlichen „Stammtischrunden“ bei den Männern, bei denen Sport, Sex und Politik im Vordergrund stehen, und Fußball so etwas wie ein Evangelium ist, und jeder sich als absoluter Experte aufspielt, trifft man beim Thema Sex nur Männer an, welche unisono behaupten, sie zählten zwar 65 und mehr Jahre, aber im Bett, ja da sind alle um die 20 Jahre alt! Nein, solche hirnlose Diskussionen kennen die Frauen nicht, sie müssen sich zwar auch selbst beweisen, aber das tun sie auf ihre Art und Weise. Wollte man alle „Sitzungen“ der vergangenen zwanzig Jahre aufzeichnen, ergäbe es ein sehr umfangreiches Buch, wir begnügen uns daher, einige Treffs zu zitieren, respektive Auszüge davon. 60 Im Alter haben beide Geschlechter das Bedürfnis, Erlebnisse aus ihrer Jugendzeit preis zu geben, in dieser Beziehung unterscheiden sie sich nicht. Das lenkt vom Alter ab, motiviert und wirkt wie eine Vitaminspritze. Dabei tendieren die Frauen mehr dazu, Dinge preiszugeben, welche sie bislang für sich behielten, und oft nicht einmal ihren Ehegatten anvertrauten. Anna setzte sogar einen solchen Nachmittag an, an welchem jede der drei Frauen, je ein persönliches Erlebnis aus der Jugendzeit, das sie bisher noch nie jemanden erzählten, zum Besten gaben. Damit sollte ein gewisser Ausgleich stattfinden, und keine von ihnen eine allzu schlechte Figur dabei machen. Bei den Männern wäre das zum Beispiel ein erotischer Misserfolg in jungen Jahren, bei dem sie statt einem Beischlaf, lediglich eine Ohrfeige kassierten, das erzählt natürlich keiner weiter. Frauen bezeugen damit weniger Probleme, sie müssen ja auch nicht mit der leidigen Potenz kämpfen. Erst im hohen Alter, wenn solche Lappalien zur Bedeutungslosigkeit werden, spricht man mehr oder weniger gelassen und frei darüber. Maria hatte lange Zeit ein Geheimnis, das sie nie jemanden erzählte, und ein ganzes Leben lang für sich behielt, nicht einmal ihrem Ehemann getraute sie sich an. Dabei war das doch eine völlig harmlose Angelegenheit! Hier, im Kreis von aufgeschlossenen Kolleginnen, entschwanden ihre Hemmungen wie Seifenblasen und sie erklärte freimütig: „Ihr könnt es glauben oder nicht, aber in meiner Pubertät pflegte ich regelmäßig und intensiv zu onanieren, ich rieb meine Klitoris solange, bis sich das „Gute Gefühl“ einstellte, das geschah meistens vor dem Einschlafen, danach konnte ich herrlich schlafen. Einmal hörte meine Mutter die „Lustschreie“ und sie rannte in mein Zimmer hinauf, fragte aufgeregt, ob mir nicht wohl sei, da sagte ich kurz entschlossen: 61 „Doch, doch, ich musste nur wegen einem lustigen Satz im Buch laut lachen“, sie schaute auf den Buchtitel auf dem Nachttisch und meinte: „ich wusste gar nicht, dass die Gebrüder Grimm so lustig schrieben!“ und sie wollte das Buch auch lesen. Ich schämte mich über meine Notlüge überhaupt nicht!“ Anna und Adelheid hatten nur hinzu zu fügen, dass auch sie damals ab und zu solchen Praktiken griffen, ohne aber dabei viel darüber nachzudenken, es ergab sich einfach so, und die Mädchen wurden auch nie diesbezüglich bedroht, wie das bei den Knaben der Fall war. Denen machte man die „Hölle heiß“, Onanie führe zu Geisteskrankheiten, bringe schlechte Schulnoten und hemme das Wachstum, ja, manche Besserwisser behaupteten sogar, das Sperma, das man dabei verliere, komme direkt aus der Hirnmasse! Jetzt war die Adelheid an der Reihe: „Ja, wenn ich das mit den heutigen Auslegungen und Maßstäben vergleiche, wurde ich mit 14 Jahren richtiggehend vergewaltigt, aber damals hieß das noch anders, und galt als Beweis, dass man ins Erwachsenenalter kam. Unser Nachbar, ein Landwirt, beschäftigte einen Knecht, ein junger Bursche von etwa 20 Jahren. Der hatte nur Augen für mich, machte immer direkte Anspiellungen etwa wie: „ein Mädchen, das derart gut gebaut ist, sollte ihren Körper nicht vernachlässigen, sondern den biologischen Bedürfnissen anpassen“. Einerseits fühlte ich mich damit als Frau bestätigt, andererseits wurde mir aber, allein schon beim Gedanken, was da der Kerl vorhatte, beinahe übel. Einmal müsse es ja doch passieren, meinte er, und dazu gäbe es keinen mehr geeigneten Mann im Dorf, er, der Maximilian, verfüge über Schutzmittel, wie Kondome, was die andern kaum aufweisen konnten. Ich wurde neugierig, ließ mir aber Zeit, der war doch nur Knecht, und das war nichts für eine längere 62 Beziehung, aber ein kleines Abenteuer, warum nicht? In den Schulferien half ich oft beim Landwirt aus, und da geschah es einmal im Heuschober. Max und ich hatten eben den letzten Heuballen abgeladen, wir waren weit und breit alleine, und schon schob er mich aufs Heu! Ich wollte schreien, aber er legte mir seine Hand auf den Mund, riss meine Höschen herunter und schon spürte ich einen harten Gegenstand zwischen den Beinen. Wie eine wilde Bestie begann er hin und her zu reiben, ich verspürte leichte Schmerzen in der Vagina, und schon hörte ich ihn unterdrückt aufschreien. Max stand eilig auf und entfernte den vollen Kondom von seinem Penis, und sagte mit ernster Stimme: „Dass Du aber nichts weiter erzählst, sonst hast Du ein Problem“. Ich realisierte aber kaum, was er mit mir gemacht hatte, zudem geschah das auf eine völlig unromantische Art. Das war weder romantisch noch sonst wie interessant, wie das in den Liebesromanen so schön erzählt wird. Es blieb für lange Zeit mein einziger Kontakt zu einem Mann, und den Max sah ich nie wieder, er zog es vor, sein Zelt abzubrechen und zu verschwinden.“ Jetzt war die Anna dran: “Bei mir war es nur Frust, mit 16 besuchte ich die Berufsschule in der Stadt. Meistens fuhr ich mit dem Fahrrad zur Schule, am Dorfausgang befand sich eine Autowerkstatt, diese wurde von drei Brüdern geführt, der mittlere von ihnen, der Willy, hatte ein Auge auf mich, mir war er jedoch zu grob und zu bullig, dazu noch leicht primitiv in seinem Benehmen. Einmal, als mein Fahrrad außer Betrieb war, fuhr ich mit dem Postauto zur Schule. Auf dem Rückweg, wartete ich an der Haltstelle in der Vorstadt, da hält ein Auto nebenan, und wer sitzt am Steuer? Der leibhaftige Willy von der Autowerkstatt! Er will mich nach Hause fahren, erst sträube ich mich dagegen, andererseits war er kein Unbekannter, und es hieß doch immer, man 63 solle nie in die Autos von unbekannten Leuten einsteigen! Der Willy aber, war sozusagen ein Nachbar, also wagte ich es trotz meinen Vorbehalten, sollte er gewalttätig werden, würde das im Dorf bekannt, und er hätte ein großes Problem! Zudem handelte es sich nur um eine kurze Strecke. Ich wagte es somit, stieg ein und saß dabei neben dem Willy. Dieser grinste mich mit glänzenden Augen an, dann steuerte er auf einen Feldweg zu. Die Tage waren kurz und die Dämmerung begann bereits hereinzubrechen! Ich sagte zum Willy: „Was soll das, fahr mich sofort nach Hause!“ Aber er lachte nur blöde, schwafelte etwas von einer großen Liebe und begann mit der Hand meine Oberschenkel zu massieren. Ich schlug ihn mit der Hand, aber das machte ihn nur noch geiler, dann versuchte er, mit Gewallt meine Höschen runter zu reißen, dabei kratzte er mich im Intimbereich und ich schrie laut auf, da hielt er einen Augenblick inne, ich nutzte diesen Unterbruch, um eiligst aus dem Wagen zu hechten. Bis er den Wagen gewendet hatte, war ich bereits auf der Strasse und erreichte die ersten Häuser des Dorfes. Ich war in Sicherheit. Niemand erfuhr jeweils etwas über diesen Zwischenfall, auch nicht mein späterer Mann. Und der Willy war heilfroh, dass ich ihn nicht anzeigte.“ Anna war in Erzählstimmung gekommen: „Wenn wir schon im erotischen Bereich sind, hier noch ein Erlebnis aus Paris. Einmal, als Monika sich während zweier Wochen in einem Ferienlager aufhielt, beschlossen Hans und ich, uns einmal eine Reise nach Paris zu gönnen. Hans mochte besonders das „Quartier Latin“ die vielen Buchhandlungen, kleine Restaurants, Antiquitätenläden und die Stimmung in diesem Stadtteil. Da ihr alle auch schon in Paris wart, will ich mich kurz fassen, das „Moulin Rouge“ kennt ihr sicher auch, nun ja, 64 das haben wir natürlich auch sehen müssen. Was wir aber in dessen Nähe sahen, in der „Manege“ oder ähnlich, das war einzigartig! Eine „Life Sex Show“ vom Feinsten, mit den Beischlafstellungen aller Nationen, und am Schluss der reinste Wahnsinn, ich sage euch das war echt „Sodom und Gomorrha“, ein schwarzer Bulle mit einem Stück, das jeden Hengst in Minderwertigkeitskomplexe versetzt hätte, sicher gegen einem halben Meter lang, und die Partnerin eine echte Französin, nein, das konnte doch nicht sein. Anatomisch ein Ding der Unmöglichkeit, Hans war der Ansicht, das ginge nur, wenn die Frau alles herausoperiert habe, oder das Ganze wäre eine Irreführung, und weil nur von der Seite her sichtbar, eine Sinnestäuschung gewesen. Wir waren uns aber einig, dass das Riesending des Schwarzen echt war, und Hans sagte leicht frustriert, “Du musst dich halt mit einem Minibonsai, begnügen“. Diese „Life-Show“ wird seit Jahren täglich gezeigt, und ist fast immer voll ausgebucht.“ Nach Annas Vortrag ging eine rege Diskussion weiter, und diese drehte sich ausschließlich um extreme Erotik. Danach wollte Anna das Gespräch im Niveau etwas verbessern, es gab keine Erklärungen, weshalb nicht alle Männer gleich groß bestückt waren, die Sieger sind immer die Afrikaner, ihnen folgen die Europäer mit zwei Zentimeter Abstand und schließlich die Asiaten mit nochmals 2 Zentimeter weniger. Aber nun kam Anna zu einem anderen Thema, welches sich mit dem Wert eines jeden Menschen beschäftigte: „Laut kapitalistischen Denkmustern, hat eine Art, die milliardenfach vorkommt, weniger Wert, als etwas, das seltenheitswert aufweist. Beispiel: Steine existieren im Überfluss, und weisen keinen oder wenig an Wert auf, Gold und Edelmetalle hingegen, sind rar und wertvoll. 65 Bei den Menschen gilt dieses Prinzip aber nicht, Angehörige von Ministaaten sind kaum wertvoller, als jene von Milliardenstaaten. Aussterbende Naturvölker werden oft nicht einmal als gleichwertig genommen, obwohl sie nur wenige Leute zählen!“ Aber Annas Denkanstöße ernteten keinerlei Echo, das Thema war ihnen zu kompliziert, dafür wollte die Maria lieber nochmals mit einer erotischen Erzählung aus ihrer Jugendzeit aufkreuzen: „Damals, im Konfirmandenlager im Oberland am Blausee, drei volle Tage durften wir in den Ferienhäusern der Dorfgenossenschaft verbringen. Wir waren alle im Alter von 14 bis 16 Jahren, und das Lager sollte uns etwas näher bringen, spirituell natürlich. Knaben und Mädchen waren streng getrennt, und die beiden Pfarrer, die uns begleiteten, fühlten sich als Sittenwächter zuständig, uns vor möglichen Entgleisungen zu schützen. Und sowohl bei den Knaben wie auch bei den Mädchen, gab es zusätzlich noch diese selbsternannten „Aufseher“! Mädchen und Knaben aus besonders frommen Familien, denen eine keusche Heirat zur Lebensqualität gehörte. Abends um 22 Uhr war Lichterlöschen, und die Herren Pfarrer waren dafür höchstpersönlich zuständig. Es war daher für einen Knaben absolut unmöglich, sich ungesehen ins Mädchenhaus einzuschleichen. Tagsüber durften wir aber zusammen ausgehen, kleine Wanderungen unternehmen, oder mit einem Ruderboot auf dem See fahren. Und am zweiten Tag, traf ich den blonden Peter, von dem es hieß, er habe bereits Erfahrungen mit Frauen, und der sich gerne als Herzensbrecher aufspielte. Peter fragte mich ganz direkt: „Kommst du mit mir auf dem See rudern?“ Ich konnte gar nicht anders als mit „JA“ antworten. Das Wetter war gut und es herrschte Windesstille, zudem fuhren bereits ein paar Boote auf dem 66 See umher, die meisten waren von unserer Klasse. Pfarrer Rosegger überwachte dabei den See mit seinem Fernglas. Er hatte es besonders auf jene Boote abgesehen, wo Mädchen und Knaben drin waren, sobald er feststellte, dass sich ein Pärchen im Boot langlegte, betätigte er sein Alarmhorn. Weil er befürchten musste, da könnte etwas „Unanständiges“ geschehen. Peter und ich ruderten deshalb bis zum anderen Ufer, dort waren Büsche im See und dahinter konnte man das Boot gut verstecken. Weil ein anderes Boot hinter uns nachfuhr, legten wir hinter den Büschen an und gingen an Land. Peter schlug vor, hinten in einen Ziegenstall zu verschwinden, sollte das jemand sehen, wäre von einer Notdurft die Rede gewesen. Der Stall war leer, roch jedoch stark nach Ziegenkot, Peter faselte nicht lange und warf mich einfach aufs Stroh. Ich bemerkte, dass er sehr aufgeregt war, das war ich natürlich auch, und so sagte ich ihm: „ Aber Peter, nur etwas schmusen, mehr nicht!“ Dieser nickte und begann meine Oberschenkel zu massieren, als er dann seinen erigierten Schwengel auspacken wollte, ergriff mich Panik und ich rannte aus dem Ziegenstall. Wortlos ruderten wir zurück und kein Mensch bemerkte etwas von unserer Ausfahrt. Das heißt doch, wir rochen wie die Ziegenböcke! Wir hatten aber eine plausible Erklärung, unser Ruderboot stank nach Ziegenkot. Damit war auch dieser Fall zufrieden stellend erledigt. Zudem war ja nichts „Verbotenes“ geschehen. Später soll aber der Peter von einem Abenteuer im Klassenlager erzählt haben, jedoch ohne meinen Namen zu nennen, und seine Geschichte hörte sich völlig anders an. Mir war nun klar geworden, dass alle seine Abenteuergeschichten, die er gerne 67 preisgab, nur Wunschdenken war! Pfarrer Meier hatte eine Gitarre mitgebracht, am Abend trafen wir uns nach dem Abendessen im Esszimmer und die beiden Pfarrer erzählten uns von Wundern aus der Bibel und noch weit mehr. Es war draußen schon etwas kühl, aber die romantischen Teilnehmer unter uns, zogen eine Jacke über und begaben sich auf die Veranda, direkt am See. Jetzt wurden die neuesten Schlagerlieder angestimmt, im Hintergrund der stille Mond, welcher auf dem See einen leichten Schein hinterließ. Es herrschte eine unglaubliche Stimmung, besonders dann, wenn wir das Lied „BLAUE NACHT AM HAFEN“ summten. Den Text kenne ich heute noch immer auswendig: „Blaue Nacht, o blaue Nacht am Hafen, in der Ferne rauschen Meer und Wind, und die Schiffe liegen still und schlafen, die von weit, weit her gekommen sind. Doch im Zwielicht einer Bootslaterne Stehen zwei und finden nicht nach haus. Und sie flüstert: Liebster, ach wie gerne Führ ich morgen mit aufs Meer hinaus. 68 Aber alles, was er mit auf See nahm. War die Hoffnung auf ein Wieder sehn, und als er nach einem Jahr zurück kam, sah er wartend sie am Hafen stehn. Und er nahm sie zärtlich in die Arme, und sie sahn einander fragend an, doch sie wussten: Herzen, die sich lieben trennen Grenzen nicht und Ozean.“ Ja, liebe Kolleginnen, das war einmal, und was ist heute? Es war doch eine bessere Zeit!“ Damit schloss Maria ihre Geschichte von damals. Und Tränen kollerten ihr über die Wangen. War es nur die Geschichte an sich, oder vielmehr die Tatsache, dass sie jetzt alt und runzelig im Gesicht war? Aber das Leben ist unbarmherzig, es gibt keine Umkehr, und der Tag der Wahrheit kommt für alle, immer nach dem Leitsatz: „Du hast keine Chance, also nutze sie!“ Deshalb war es ratsam, den Lebenswillen nicht zu verlieren, und jeden Tag wie ein unzahlbares Geschenk entgegen zu nehmen, und daraus das Beste zu machen, soweit das möglich war. Darin waren sich die Damen vom Kaffeeclub durchaus einig, sie saßen doch alle im gleichen Boot, eines, das keine Rückkehr kannte. Das wiederum wirkte beruhigend, obwohl man sich bewusst war, dass man 69 den allerletzten Weg ganz alleine antreten musste, fühlte man sich im Boot der letzten Hoffnung etwas geborgener, zumindest wirkte sich diese Tatsache beruhigend aufs Gemüt und die Stimmung aus. Anna war diesbezüglich der „Sonnenschein“ in der Gruppe, sie verstand es immer, Melancholie ins Positive umzustimmen: „Was bringt es uns, wenn wir jeden Tag Trübsal blasen, uns wegen der hoffnungslosen Zukunft ängstigen oder sogar fürchten, der Tod ist gnädig und erlöst viele von uns von den Schmerzen, von einer Welt, die nicht humaner wird, sondern laufend brutaler, von Wirtschaftssystemen, denen Mensch und Tier nur Manipuliermaße ist. Wo die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird, wo Anstand und Ehrlichkeit Fremdwörter sind.“ Anna sparte nicht mit Worten, sie prangerte besonders die kriminellen Züge der Galgenvögel in der Politik und Wirtschaft an. Eine große Mitschuld daran trugen auch die Medien bei, welche Wirtschaftskriminelle hochleben ließen, und Politiker unterstützten, die wegen ihren leeren Versprechen eigentlich in den Knast gehörten. Aber es gab auch Augenblicke, da musste selbst sie vor den ewigen Negativmeldungen kapitulieren: „Kriege, Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit, Amokläufe, Umweltkatastrophen und ähnliche Horrormeldungen, ja, man hatte oft den Eindruck, dass positive Informationen gar nicht erst erwünscht waren, die Medien lebten viel besser mit den Horrormeldungen, besonders in den frühen Morgenstunden konnten solche Informationen auf die vorerst gute Stimmung der Anna drücken. Und es mag befremdend klingen, die schlechte Laune übertrug sich auch auf die SISSI! Anna regte sich auf, wenn sie in den Medien vernahm, in Afrika verhungerten jährlich viele 70 Hunderttausend Kinder, und Millionen seien unterernährt. Und der Grund dafür sei die elende Korruption der Regierenden! Die landwirtschaftliche Misswirtschaft, der Mangel an Aufklärung und die planlose Kinderproduktion! Und was konnte sie, die Anna, dagegen tun, herzlich wenig, sie zahlte jeweils einen Betrag an den Verein „Brot für Brüder“, und in Bolivien hatte sie eine Patenschaft für ein Mädchen übernommen, diesem ermöglichte sie damit ein Arztstudium an der Universität von La Paz. An Tagen der Niedergeschlagenheit, mied Anna die Nachrichten am Abend, damit ihr nicht auch noch die Nacht vermasselt wurde. Oft waren es aber auch nicht die Medien, welche bei ihr für schlechte Stimmung sorgten. Es genügte bereits, wenn eine Verkäuferin frech mit ihr umging, oder ein Autofahrer sie beim vorbeirasen mit Wasser bespritzte. Kam sie aber gut gelaunt vom Einkaufen zurück, konnten nur noch die SISSI oder Postbote den Tag vermiesen. Wenn Anna aber ihre eher seltenen Depressionen, mit jenen von anderen alten Frauen verglich, lagen diese bei ihr im „MiniBonsai-Bereich“. Dass dies so war, verdankte sie diversen Umständen, da war erst einmal die SISSI, die sie nicht mehr missen mochte, aber auch ihre verschiedenen Hobby, wie die Malerei, Kreuzworträtsel, das Wandern und natürlich die wöchentlichen Treffs im Kaffeeclub, all das brachte Abwechslung und half mit, die oft langen Tage und Nächte gut zu meistern. Im musischen Bereich standen klassische Musik und gute Literatur, im Vordergrund. Die schönen alten Schlagerlieder spielte sie gerne mit Ukulele Begleitung. Und wenn sie einmal Lust verspürte, mit einem menschlichen Wesen zu sprechen, von welchem sie – im Gegensatz zur SISSI – ab und zu auch eine Antwort erhalten konnte, dann rief sie ihrer Schwester an. Das tat sie aber eher selten, weil sie 71 dann alle Sorgen und Klagen einer frustrierten Schwester abhorchen musste, die zudem noch an Selbstmitleid litt! Jede Altersstufe kennt ihre Vor- und Nachteile, die ersten 20 Jahre gehen auf das Konto Ausbildung, sowie Vorbereitung auf den Lebenskampf. Dann folgt die produktive Phase der Arbeitswelt, aber auch jene der Fortpflanzung und der Konsolidierung. Und ab dem 60. Lebensjahr kommt der dritte und letzte Lebensabschnitt, von dem die Leute sehr unterschiedliche Vorstellungen mitbringen. Für die einen ist es der schönste Abschnitt, der wohlverdiente Ruhestand, auf den sich viele jahrelang kindisch freuen. Und wenn sie am Ziel angekommen sind, wissen sie nicht wie damit umgehen, saufen sich zu tode oder vegetieren trostlos dahin. Für manche, die es versäumt haben, für ihren Ruhestand vorzusorgen, etwa die Freischaffenden und die Künstler, bedeutet das oft die Hölle, ihre Renten sind zuviel zum Sterben, aber zuwenig zum Leben. Sie fühlen sich von der Gesellschaft ausgestoßen und diskriminiert. Und wer das Glück hat, in einem sozial hoch entwickelten Land zu leben, kann in der Regel auf Ergänzungsleistungen des Staates zurückgreifen. Männern bereitet der Alterungsprozess mehr Mühe als den Frauen, sie können sich nur schlecht damit abfinden, dass ihre Potenz und ihr Leistungsvermögen, nicht mehr dem eines Zwanzigjährigen entspricht! Das hat aber auch mit einer guten Portion an Dummheit zu tun, sowie einem abartigen Denkmuster. Mit dem Tag der Pensionierung, fallen viele Rentner in ein tiefes Loch, aus dem sie oft nicht mehr herauskommen. Sie fühlen sich nutzlos, und eine solche Person hat 72 kaum noch eine Daseinsberechtigung. Das führt zwangsläufig zum Alkoholkonsum, und damit zu einem raschen Ende, was die Sozialwerke sehr begrüßen, das hilft die Kassen sanieren. Der plötzliche Verlust eines Lebenspartners, wie das Anna und ihre Mitkolleginnen erleben mussten, kann oft zu sehr schweren Depressionen führen. Und wer in solchen Situationen kein Geld hat, darf sich „elend einsam“ nennen, kaum ein Mensch wird sich seiner erbarmen und annehmen. Anna war diesbezüglich gut gepolstert, sie erhielt seit ihrem 62. Altersjahr eine staatliche Altersrente, und darüber hinaus auch noch eine ordentliche Pension, die ihr Arbeitgeber gewährte. Und nicht genug, erhielt sie noch eine Witwenrente aus der Vorsorgekasse ihres verstorbenen Mannes. Sie konnte sich daher ein komfortables Leben leisten, und auch großzügige Zuwendungen an wohltätige und gemeinnützige Organisationen leisten. Das erleichtert das Gewissen, man kann ja nie wissen, ob es ein Jenseits nach dem Tod gibt, und man für diese Liebesgaben einen besseren Platz im Paradies zugewiesen erhält. Oder sollte etwas an der Reinkarnationslehre dran sein, dann wollte sie schon lieber in Mitteleuropa, in eine gute Familie geboren werden, als etwa in einer Lehmhütte in der Sahelzone. Aber das war natürlich unchristliches und egoistisches Denken. Nein, es war wohl klüger, keinen derartigen Gedanken nachzusinnen, es genügte bereits, wenn sie jeden Morgen im Spiegel feststellen musste, dass sie wieder älter aussah als am Vortag, und das Schlimme daran war, dass es keine Flucht daraus gab. Sie war dem Alterungsprozess erbarmungslos ausgeliefert. Ein biologischer Vorgang, dem niemand entgehen konnte, auch nicht die SISSI. Letztere wies schon lange grau 73 melierte Haare um den Hals auf, es stand ihr aber gut. Als Katze hatte sie den Vorteil, keine Runzeln im Gesicht aufzuweisen, aber sonst waren sie zwei alte Damen mit schlohweißen Haaren. Da war sie jetzt angelangt, die einst hübsche junge Anna, mit einem Allwettergesicht, von Sonne, Wind und Regen und Flecken gezeichnet. Das veranlasste kürzlich zwei ungezogene und freche Mädchen in der Stadt zur wenig schmeichelhaften Aussage: „Siehst du dort das laufende Friedhofgemüse“. Da musste Anna schon zweimal leer schlucken, und sich die Frage stellen, ob diese unverschämten Girls die Ausnahme von der bekannten Regel bildeten, wo blieb da der Respekt vor dem alter? Musste man sich als betagte Person so etwas gefallen lassen, in einer Zeit, da man für die Aussage „Neger“ bestraft werden kann? Anna erinnerte sich an ihre Jugendjahre, ja, man machte sich auch Gedanken, wenn eine uralte Frau gebeugt am Stock erschien, aber man hätte sie deshalb nie angepöbelt. Aber Anna beruhigte sich schon bald wieder, weil ihr in der Straßenbahn, ebenfalls ein junges Mädchen den Sitzplatz überließ! Damit war der schlechte Eindruck über die heutige Jugend wieder im Lot. Kluge Jugendliche sind sich bewusst, dass auch sie vermutlich einmal alt werden, und das geht oft viel schneller voran, als man denkt. Das Leben läuft ab wie eine Sanduhr, es gibt kein Zurück, und nur einen kleinen Unterschied, die Jungen können alt werden, die alten aber nicht mehr jung. In jungen Jahren lebt man aber so, als wäre man auf ewige Zeiten jung, nur die andern werden älter. Und die Jungen vergessen ebenfalls, dass man auch jung sterben kann, was jeweils mit noch tieferer Trauer der Verbliebenen endet. Stirbt aber eine Person im 95. Altersjahr, dann erscheint das vielen oft wie eine Gnade oder Erlösung von einem völlig verbrauchten Körper. 74 Damals, als ihre Freundin Eliane, mit einem wunderhübschen Gesicht, blonden langen Haaren und einem makellosen Körper, der an eine Filmdiva erinnerte, im zarten Alter von nur 16 ½ Jahren, von einem Sittenstrolch vergewaltigt und erdrosselt wurde, da flossen die Tränen wie kleine Gewässer anlässlich der Bestattung. Es war einfach unvorstellbar, dass ein so junges Geschöpf nicht mehr war! Anna sah die in Weiß gekleidete Eliane im Sarg, und sie sah aus wie ein Engel. Genau so hatte sie sich einen Engel vorgestellt, verständlich, dass derartige Bilder ein ganzes Leben lang haften bleiben. Bis zu ihrem 75. Lebensjahr, unternahm Anna noch lange Wanderungen, und konnte auch die nötigen Arbeiten in Haus und Garten verrichten. Natürlich fühlten sich die Werkzeuge Jahr um Jahr schwerer an, und die Müdigkeit stellte sich immer früher ein, und Anna musste immer mehr Pausen einlegen. Aber sie war deshalb nicht etwa krank, es war einzig der Alterungsprozess, welcher ihr zu schaffen machte. Es fiel ihr nicht leicht, sich damit abzufinden, aber auch da hatte sie keine Wahl. Sie besuchte auch einen Abendvortag, der sich mit dem Thema „Altersdepressionen“ befasste. Darunter versteht man auch häufig wiederkehrende Emotionen und Gefühle von Lustlosigkeit, Langeweile und Leere! Wenn diese sporadisch auftreten und wieder verschwinden, dann ist das Teil des Alterungsprozesses, bleibt das aber ein Dauerzustand, dann ist die Schwelle zur Krankheit erreicht und fachmännische Beratung empfohlen! Das ist klar, weil immer mehr Therapeuten ausgebildet werden, und diese rufen nach Beschäftigung. 75 Lebensunlust, Trübsal, ständige Müdigkeit, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, sind weitere Merkmale. Auch der Wunsch nach Einsamkeit gehört im weiteren Sinne dazu. Für Anna waren auch diese Symptome nicht gänzlich fremd, weil diese aber nur sporadisch auftauchten, und im Alter durchaus zur Normalität zählten, sah sie sich nicht als von einer Altersdepression betroffen. Und das Wetter spielte dabei auch eine wichtige Rolle, Morgennebel und Rieselregen, das war nicht einmal für junge Leute ein Aufsteller! Als sie aber noch im Erwerbsleben stand, konnte man ins gut geheizte Büro flüchten, und das unfreundliche Wetter war bereits vergessen. Die alten Leute, die müssen aber den ganzen Tag mit diesem Scheißwetter auskommen! Trostlosigkeit wo immer man hinschaut oder hört: sei es am Morgen in den Spiegel, oder bei den Nachrichten, wo man in nur fünf Minuten vernehmen muss, dass die Altersrenten nicht sicher sind, dass aber der CEO von XYZ, Millionen an Bonis kassiere, und um die Firma zu sanieren noch dazu eine Anzahl Mitarbeiter entlassen wolle. Da kommen seltsame Gedanken auf, man denkt an die französische Revolution und möchte diese Verbrecher unter der famosen Guillotine sehen. Aber vielleicht gibt es doch eine Hölle, und diese Unmenschen werden dort ihre gerechte Strafe erhalten? Anna mochte den Ungerechtigkeiten dieser Welt nicht zu sehr nachsinnen, sie war sich sicher, dass das nur zu Depressionen führen kann. Der Mensch hat im praktischen Christentum völlig versagt, aber auch beim Versuch, den Kommunismus zu leben, ein Ding der Unmöglichkeit, wenn jeder den anderen übervorteilen will! Und auf die Frage, weshalb der Mensch so ist und nicht anders, erhielt sie nie eine Antwort. Das Raubtier im Menschen wurde nie besiegt, es wurde 76 lediglich von humanitären Vorstellungen bei wenigen Leuten veredelt, aber das Urtier blieb! Tiere kann man in ihrer Gefährlichkeit beurteilen und einschätzen, den Menschen nicht, dieser bleibt unberechenbar. Wenn Anna über diese Tatsachen nachsinnte, wollte sie keinen anderen Menschen begegnen, nicht einmal der Familie Hauser, sie war heilfroh, nur mit der SISSI zusammen zu sein, bei ihr wusste sie, woran sie war. Und nicht selten kam eine leise Hoffnung in ihr hoch, es wäre herrlich, jetzt einfach auf dem Sofa einzuschlafen und nie mehr zu erwachen. Dann war alles vorbei, und einmal musste ja der Tag kommen, an dem sie diese Reise anzutreten hatte. Es gibt verschiedene Methoden solchen negativen Gedanken zu begegnen, fromme Leute gehen zum Pfarrer und suchen bei ihm tröstende Worte, Männer treffen sich im Park oder am Stammtisch und beklagen ihre Sorgen. Andere sitzen auf den Bänken herum und schauen den Leuten nach, besonders jungen Frauen. Und völlig verzweifelte können eine Telefonnummer anwählen, und dort ihren Frust auspacken, am andern Ende lauscht eine Fachperson mit eisernen Nerven und viel Geduld. Anna hatte da andere Wege, sie legte eine klassische CD auf und ließ sich in den siebten Himmel liften, das wirkte wundersam. Wenn aber noch Erinnerungen an ihre längst verstorbene Mutter dazukamen, dann hatte sie ein Schnulzenlied von einem gewissen V.T. Auflegen: „Silberfäden zart durchziehen 77 Meiner Mutter weiches Haar Silberfäden heute zieren Ihr das Haupt so wunderbar Schenkt sie mir doch all ihr Leben Ist die beste Mutter mir Alles was sie mir gegeben Bleibt des Herzens gold’ner Zier Silberfäden mir bedeuten Mehr als Silber zum Geschenk Silberfäden mir heut deuten Wie viel Jahr sie mich gelenkt All die Jahre schnell entfliehen Voller Leid und voller Glück doch ihr Herz ist jung geblieben immer zart und lieb ihr Blick Glänzt ihr Haar im Silberschimmer Ist ihr Herz doch nur aus Gold Und so bleibt sie mir für immer 78 Meine Mutter zart und hold“ Ihre Mutter Magdalena, pflegte das Lied zu summen, und die Melodie konnte sie nie vergessen. Aber in solchen Situationen war sie das reinste Lebenselixier für das Gemüt. Ein altes Schnulzenlied konnte wahre Wunder bewirken, Depressionen und Lebensmüdigkeit zum verschwinden bringen, und das heulende Elend mit einem Sonnenschein ersetzen. Auf tröstende Worte von Seiten der Leute konnte sie gut verzichten, die saßen ja alle im gleichen Boot, einer Fähre, die dem Untergang zusteuerte. Was sollten die mit ihren Sprüchen schon ausrichten können. Die freute es besonders, wenn es dem andern noch schlechter erging als ihnen. Es waren immer kleine unscheinbare Dinge, welche zu einem Aufsteller führten, keine Millionen und materielles Zeug! Ein singender Vogel im Garten, herrlich blühende Sträucher, duftende Tannen im Wald, eine Wanderung bei Sonnenschein, keine Jogger die einem über den Haufen rannten, ein Buch, das mit einem „Happy End“ schließt, und vieles mehr. Wenn die Wettervorhersage und die Nachrichten, für einmal keine Negativmeldungen enthielten, was eher eine Ausnahme war, dann sorgten sicher dumme Mitmenschen für Missstimmung und Ärger. Es war bedeutend einfacher, in depressive Gedanken zu versinken, als in eine gute Laune. Dabei wirkte das menschliche Intellekt eher destruktiv, und die Ignoranz oder die Unkenntnis der Tiere eher als positiver Faktor. Jedes Mal, wenn Anna auf den Friedhof pilgerte, wurde ihr voll bewusst, wo ihr Dasein einmal enden wird. Und daran konnte nicht gerüttelt und gezweifelt werden, es gab keinen anderen Weg! Unbekannt blieb aber der Zeitpunkt, und das war wohl 79 von Vorteil, nur die zum Tod verurteilten Leute können ihre noch verbleibenden Stunden erkennen, es ist oft erstaunlich, wie diese damit umgehen können. Sie wissen, es ist aus, aber sie nehmen das in einer Art von Trancezustand wahr. Manch einer steigt mit einer unglaublichen Gelassenheit auf den elektrischen Stuhl, andere wehren sich verzweifelt. Anna stellte sich auch die Frage, wie es wäre, wenn man ewig leben würde? Und obwohl sie mit ihrer Situation durchaus zufrieden war, empfand sie diese Möglichkeit ebenfalls als unerträglich. Aber ein Alter von 120 Jahren, ja das wäre schon noch erstrebenswert für sie, obwohl in ihrem derzeitigen Leben, ein Tag wie der Nächste verlief. Heimlich ängstigten sie aber die vielen Geiseln der Menschen, welche von einem Tag auf den anderen auftreten konnten. Und das war nicht nur Krebs, sondern auch Demenz, Alzheimer und ähnliches Teufelszeug. Sie erinnerte sich dabei an eine Schulkollegin, die Frau Holzinger, sie wies bereits im Alter von 62 Jahren, spontane Anzeichen von beginnender Alzheimererkrankung auf. Jetzt ist sie in einem Pflegeheim, und ist auf fremde Hilfe angewiesen, kann nicht einmal mehr ihre Bedürfnisse selber erledigen! Ihr einen Besuch abzustatten erinnert an einen Horrortrip, sie ist im Rollstuhl und erkennt die Anna nicht mehr! Bestaunt am helllichten Tag die Sterne im Himmel, das Getränk der Schwester spukt sie aus. Letztere lenkt den Rollstuhl ins Heim zurück, um der Frau Holzinger die Windeln zu erneuern! Und ein Gespräch mit der kranken Frau konnte sie auch nicht führen, da war es mit der SISSI viel einfacher klar zu kommen! Anna verließ das Heim in einem äußerst deprimierten Zustand, nein, das war doch kein Leben mehr, musste das sein? Wo blieb da die 80 Würde des Menschen, wenn die Lebensqualität weit unter jenem der Tiere lag? Dann doch lieber Abschied nehmen und in Frieden ruhen! Und wie war doch die Geschichte von der hässlichen Raupe, welche stirbt und dann als wunderbarer Schmetterling weiter lebt? War das Dasein eines Menschen etwa gleich? Konnten wir unseren verbrauchten und kranken Körper einfach verlassen, um dann als herrlicher Engel weiter zu existieren? Es wird oft behauptet, im Jenseits existierten Milliarden von Engeln, und die meisten stammten von unserer Erdkugel. In Gedanken sah sie den Rumpf der toten Raupe (Körper) und den weißen Engel (Schmetterling) daraus aufsteigen. Das vermochte sie wieder halbwegs zu trösten, aber ihre gute Laune kam erst wieder zur Geltung, als sie der SISSI die Leber aus dem Fleischerladen servierte, und diese das mit einer guten Stimmung verdankte. SISSI war eben doch eine gute Wohnpartnerin, und sie hatte den großen Vorteil, dass sie keine negativen Gedanken in den Raum brachte. Aber das Unheil nahte mit Riesenschritten, und sollte die gute Laune wieder vertreiben. Die Hausglocke klingelte, „das ist sicher der Postbote“, murmelte Anna. Aber vor ihr standen zwei seltsame Gestalten, eine ältere Frau und ein noch älterer, etwas ausgemergelter Mann. Die beiden schauten die Anna mit besorgten Blicken an, der Mann ergriff das Wort: „Guten Tag Frau Baumgartner, wir kommen in Gottes Namen, und haben eine wichtige Nachricht für sie!“ Anna erkannte den „Kriegsruf“ in der Hand der Frau, und sagte umgehend: „Sie sind doch von den Zeugen Jehovas“, sagte sie etwas 81 ungehalten. Die Frau bejahte die Feststellung und der Mann fuhr fort: „ Das Ende naht, bald ist der Weltuntergang!“ Anna: „Das weiß ich auch, schließlich bin ich schon bald 92, das müssen sie mir nicht noch aufschwatzen!“ Die Frau fügte hinzu: „Wir meinen nicht sie, sondern die ganze Menschheit, in sechs Monaten ist der Untergang, Jehova wird uns, die echten Gläubigen, aber mit einem Raumschiff retten, auch sie können noch gerettet werden, wenn sie heute zu uns kommen, es ist nie zu spät!. Anna wurde ungeduldig und antwortete: „Hören sie gut zu, ihr seid bereits die x-ten Untergangspropheten, alle paar Monate kommen Narren wie sie zwei vorbei, und alle erzählen immer nur denselben Unsinn! Ja, mein Ende naht, aber ich werde nicht von der „Arche Noa“ abgeholt, sondern von einem Pferdegespann auf den Friedhof gefahren, und nun wünsche ich ihnen noch einen erfolgreichen Tag auf eurer Seelenjagd!“ Anna drehte sich demonstrativ um und schloss hinter ihr die Haustür. Die beiden seltsamen Gestalten trotteten weiter, um andere Menschen zu belästigen. Auf dem Sektor „Glauben“, herrschte nach wie vor unbeschränkte Narrenfreiheit, es war sicher eine strafbare Tat, an einer Hausglocke zu läuten, und die Person mit Drohungen zu ängstigen. Weshalb man bei religiösem Wahn eine Ausnahme macht, das konnte Anna auch nicht verstehen. Annas gute Stimmung war auf alle Fälle hin, sie plante am frühen Vormittag, mit der SISSI auf den Friedhof zu wandern, dieser war nur rund 1200 Meter entfernt, und befand sich gleich vor dem kleineren Waldstück. Aber das liebe Wetter machte 82 einmal mehr einen Strich durch ihr Vorhaben, es begann zu regnen, und es sah nicht danach aus, dass der Nachmittag trocken verlaufen könnte. Damit kündigte sich erneut einer dieser zahlreichen „Stubentage“ mit SISSI an. Nach der Mittagsmahlzeit, gönnten sich beide eine Schlafpause auf dem Sofa, während Anna sich mit einer Wolldecke warm hielt, schlief SISSI unten am Sofarand querweise, weil sie neben der Anna keinen Platz finden konnte. Und sie bildeten auch im Schlaf ein gutes Team, indem beide leise schnarchten. Als Anna erwachte, verspürte sie leichte Kopfschmerzen, SISSI schlief weiter. Anna legte eine CD mit klassischer Musik auf, bis schließlich auch die SISSI wach wurde, und mit einem lauten „MIAU“ auf die Schoß der Anna sprang. Das war jeweils das Startzeichen für die „Plauderstunde“. Anna führte keine Selbstgespräche, nein, sie erzählte ihre Geschichten der SISSI, und diese machte ein kluges Gesicht und lauschte aufmerksam zu: „Damals, vor gut 60 Jahren, da war die Welt noch klein und geordnet, zumindest dachten wir es wäre so. Es war gegen Ende Mai, die Wiesen voller Blüten, und die Vögel sangen in allen Tönen von den Bäumen herunter. An sonnigen Sonntagen pflegten wir, Hans und ich, dem Waldrand entlang zu wandern, wir waren verlobt und voller Träume und Hoffnungen. Allerorts herrschte Hochstimmung, es ging aufwärts mit der Wirtschaft, die Menschen setzten sich Ziele und waren positiv gestimmt, im Unterschied zu heute. Da lagen wir am Waldrand in einer herrlich duftenden Blumenwiese. Hans hatte ein Reisegrammophon mitgenommen, den man mit einem Schlüssel aufladen konnte, das Federwerk hielt für das Abspielen einer 78iger Schallplatte. Wir legten verschiedene Platten auf, meistens aktuelle Schlager, es war wie in einem schönen Traum, in dem man ewig verbleiben wollte. Eines dieser Lieder blieb mir bis heute in Erinnerung 83 und wurde ein Stück von mir, den Text kenne ich auswendig, ich singe ihn dir vor. Anna holte ihre Ukulele von der Wand und begann zu singen: „Wenn die Glocken hell erklingen Und der Sommer geht ins Land Dann beginnt mein Herz zu singen Und wir reichen uns die Hand Schweigend stehen wir beieinander Was Du fühlst, das fühl auch ich Endlich heut nach Tag und Jahr Wird für uns das Wunder wahr Durch das Wort: Ich liebe Dich Viele Jahre sind ins Land gegangen Dann fing für uns das Leben an Ein Lied führte uns zusammen Und ein schöner Traum begann Dann wiederholte sie nochmals, und Tränen flossen ihr übers Gesicht runter, SISSI war das nicht entgangen und kriegte glänzende Augen, so, 84 als hätte sie jedes einzelne Wort verstanden. Vor lauter Emotion und Rührung, nahm Anna die SISSI in ihre Arme, und beide schauten sich lange stumm und fragend an, es war ein Gedankenaustausch ohne Worte. Zwei grundverschiedene Wesen verstanden sich bestens, was für eine herrliche Welt. Eine alte Frau und eine alte Katze, wie schön doch Zweisamkeit sein konnte. Eine sphärische Glückseligkeit beherrschte die Wohnung. Für eine ganze Weile, waren alle irdischen Probleme im Hintergrund getreten. Fragen über den Sinn des Lebens, und was unter einem sinnvollen und ausgefüllten Leben zu verstehen war. Die Ängste der alten Leute, wie Krankheiten, Unfälle, Abhängigkeiten, Pflegfälle, Demenz und Alzheimer. Und was war eigentlich Sinn und Zweck des Lebens? Die Mehrheit aller Menschen wird geboren, lernt und arbeitet um zu überleben, zeugt Nachwuchs und stirbt. Und wie ist es bei den Tieren? Im Prinzip genau gleich! Anna ist der Ansicht, da müssten doch die Menschen mehr aus dem Leben machen, ja, natürlich, die Leute treiben Sport, Tiere auch, aber weniger intensiv, eher in Verbindung mit der Nahrungsbeschaffung. Elefanten spielen auch Fußball, aber das ist nur für die Touristen. Echter Fußball bringt Geld, viel Geld, und Massen von Zuschauern, und die benehmen sich oft daneben, was sie wiederum vom Tier unterscheidet, wenn man von den Schweinen absieht. Menschen setzten sich Ziele, das können Tiere nicht, seltsamerweise aber nie das Endziel! 85 Anna erhielt keine erschöpfende Auskunft zu diesen Fragen, sie tröstete sich damit, am jüngsten Tag mehr zu erfahren. Und damit konnte sie diesem alles entscheidende Tag getrost entgegensehen. Dass er kommen wird, das war sicher wie der Sonnenuntergang, wann er sein wird, das wollte sie nicht wissen. Vielleicht schon am nächsten Tag, nächste Woche, oder Monat, oder in einem oder mehr Jahren? Am Mittwochnachmittag wollte Anna zum Kaffeetreff gehen, aber am Mittag rief die Maria an, sie fühle sich nicht wohl und komme nicht zum Treff! Die Adelheid habe ihr dann mitgeteilt, dass sich eine Zusammenkunft zu zweit auch nicht mehr lohne, und darum wurde das Vorhaben storniert, das war weiter nicht schlimm, seit sie nur noch zu dritt waren, verzichteten sie auf einen reservierten Tisch im Hinterzimmer und begnügten sich mit den freien Plätzen im vorderen Abteil. Als Ersatz dafür, plante Anna eine kurze Wanderung in den kleinen Wald. Anna hatte Lust wieder einmal eine Tanne oder Fichte zu umarmen, ihre Kraft und Stille zu absorbieren, und an der großen Eiche am Waldrand stärkte sie ihre Immunkräfte, sie konnte die aufsteigende Baumkraft im ganzen Körper spüren. Es war wie ein Jungbrunnen! Während Anna, tief ein und aus atmend, sich mit neuer Kraft „voll tankte“, schaute ihr die SISSI interessiert und fragend zu. Dann begann sie ihre Krallen an der Baumrinde zu polieren. Gut gelaunt und mit neuem Elan, gingen die beiden wieder nach Hause. Dabei spielte SISSI die aufmerksame Begleiterin, alles was sich am Wegrand bewegte, wurde von ihr sorgfältig und könnerisch geprüft. Bei der kleinen Brücke am Bach, tat SISSI so, als müsste sie die Festigkeit überprüfen, ob sie das Gewicht der Anna tragen möge? Näherte sich hingegen eine Person 86 mit einem Hund, dann lief SISSI schön brav und vorbildlich neben der Anna einher. Sie fühlte sich so vor dem Hund sicher, hatte die Anna doch einen Pfefferspray in der Tasche! Sobald der Hund verschwunden war, rannte SISSI wieder nach vorn um die Gegend auszukundschaften. Annas Haus lag an einer Sackgasse, früher, als sie und Hans das Haus bauten, waren sie die einzigen Bewohner an diesem Landweg, der später in eine Privatstrasse ausgebaut wurde, dann folgte das Haus der Familie Hauser, der Mann war bei der Dorfpolizei. Mit drei Kleinkindern war Frau Hauser eine klassische Hausfrau. Das brachte auch Vorteile, weil die Anna damit stets eine Kontaktperson in ihrer Nähe hatte. Sollte Anna dringend Hilfe benötigen, was in ihrem hohen Alter durchaus im Bereich des Möglichen lag, im gegenseitigen Einvernehmen, hatte man auch eine Alarmanlage zwischen den beiden Häusern montiert. Zudem besaß Frau Hauser einen Schlüssel zum Haus der Anna, und noch einen versiegelten Umschlag. Im Fall, dass der Anna etwas zustoßen sollte, hatte sie darin eine Verfügung und ein handgeschriebenes Testament. Darin enthalten war auch die Anschrift von Tochter Monika in Australien, die sie, die Frau Hauser, umgehend informieren sollte. Als Erbin für das Haus war nur Monika genannt, sie sollte auch noch 80% des Barvermögens bei der Reifeisenbank erhalten, 20% gingen an die Bestattungskosten, für die spätere Grabpflege und der Rest an Bruder Emil. Und auch die SISSI war im Testament erwähnt, sie erhielt Wohnrecht und Verpflegung bis an ihr Lebensende zugesprochen. Für die Durchsetzung war Frau Hauser zuständig und verantwortlich. Das Honorar für Frau Hauser war ebenfalls im Umschlag enthalten, es 87 handelte sich um einen fünfstelligen Betrag! Im Prinzip war alles klar und einfach geregelt. Sollte Bruder Emil noch leben, dann war er mit der Organisation beauftragt, bis die Monika aus Australien zurück war. In späteren Jahren, wurden drei weitere Einfamilienhäuser an ihrer Strasse gebaut, die Familie Zambelli, Herr und Frau Schmiedli, und schließlich ganz hinten das Ehepaar Maurer. Anna mochte ein geordnetes Leben, machte sich aber wenig Gedanken über das Nachher ihres Ablebens, sie hatte alle Vorkehrungen getroffen, wenn diese nicht befolgt wurden, war das kein Grund, sich im Jenseits darüber aufzuregen. Einzig was die Kremation anbetraf, legte sie großen Wert auf eine Frist von mindestens fünf Tagen nach dem Tod. Sie hatte schon von verschiedenen Quellen vernommen, dass eine zu frühe Verbrennung, der Seele Höllenqualen verpassen könne! Erst wenn die letzten Lebensspuren aus dem Körper raus sind, kann dieser wie ein Strohsack verbrannt werden. Und wie immer, gibt es dafür keine konkreten Beweise für die Richtigkeit dieser These, aber auch keine Gegenbeweise. Weil aber die Monika sicher erst nach einer knappen Woche erscheinen konnte, war sie bezüglich beruhigt. Anna und SISSI, die nun schon länger als drei Jahre zusammen lebten, pflegten mindestens zweimal monatlich auf den Dorffriedhof zu wandern. Ehemann Hans, lag nun bereits seit 24 Jahren dort, das heißt, seine sterblichen Überreste, wie man das allgemein nennt. Als sein Tod nahte, gelobte ihm Anna, ihn so oft wie nur möglich auf dem Friedhof zu besuchen. Sie hielt ihr Versprechen in all den Jahren, und wenn es die Jahreszeit erlaubte, brachte sie bei jedem Besuch auch frische 88 Blumen mit. Wenn möglich rote Rosen, oder Tulpen, die Lieblingsblumen von Hans. Die SISSI wurde ihre regelmäßige Begleiterin, oft eilte sie voraus, um dann am Grab von Hans geduldig zu warten. Und wer sich nun fragt, weshalb die SISSI weiß, dass es auf den Friedhof geht, unterschätzt ihre Beobachtungsgabe und Logik, sobald Anna die Blumen in den Händen hat, ist es für die SISSI klar, wohin die Wanderung führt! Katzen sind nun einmal kluge Tiere, und sie wissen viel mehr über den Menschen, als wir über sie! Anna legt ihren Blumenstrauß in eine der bereitgestellten Vasen, dann gießt sie etwas Wasser hinein, damit die Blumen länger schön bleiben, danach steckt sie die Vase am Fuß des Grabsteins in die Erde. SISSI schaut ihr mit Bekennerblick zu wie sie anschließend leise vor sich hin meditiert: „Lieber Hans, mir geht es soweit gut, ich denke immer an Dich, ich weiß, dass Deine Seele weiterlebt, und dass Du ganz in meiner Nähe bist! Bald schlägt auch meine Stunde der Wahrheit, dann sind wir wieder zusammen! Ich fühle den Tag kommen, Du hast es hinter Dir, ich vor mir, es ist wie eine Erlösung vom irdischen Dasein, meine allerletzte Reise in diesem Körper, ich freue mich schon!“ Die baldige Begegnung war aber nicht auf dieses Grab bezogen, sondern in der spirituellen Welt. Das Grab von Hans sollte schon bald geräumt werden, so verlangte es die Friedhofsverordnung. Ein Familiengrab wäre grundsätzlich machbar gewesen, aber in diesem Fall nicht eingeplant. Hauptsache, beide ruhten auch dem gleichen Areal. Auf dem Nachhauseweg, beneidete Anna die SISSI, weil diese völlig gleichgültig und sorglos dahinleben konnte, ohne sich Gedanken zum 89 nahenden Tod zu machen. Oder irrte sie sich da, und konnte auch die SISSI fühlen, dass ihre Tage gezählt waren? Die Menschen sind ja bekannt für ihre Ignoranz gegenüber der Natur, besonders aber zur Tierwelt. Pferde, die in einen Schlachthof gebracht werden, können das bereits im vor aus erfühlen und erahnen. Grundsätzlich trifft das aber auch für alle andern Tierrassen zu. Katzen waren schon bei den alten Ägyptern heilige Tiere, sie waren besonders für ihre hellseherischen Fähigkeiten bekannt. Wer eine Katze tötete, wurde dafür mit dem Tod bestraft! Zudem vertilgten sie die Ratten und Mäuse, welche sonst die Getreidevorräte vernichteten. Im Mittelalter, brachten es die idiotischen Hexenverfolger tatsächlich zustande, auch die meisten Katzen umzubringen, weil diese angeblich mit dem Teufel und den Hexen verbündet waren. In der Folge vernichteten die Ratten und Mäuse die Getreidevorräte, und nebst einer gravierenden Hungersnot, brachen auch noch Seuchen, wie Pest und Cholera aus! Aber SISSI hatte Glück, sie lebte in einer besseren Zeit, wo Hauskatzen echt verwöhnt werden. Zu Hause angekommen, legte die SISSI auf dem Sofa eine Ruhepause ein, während die Anna sich eine Weile aufs Bett legte und eines ihrer Gedankenspiele durchführte: sie überlegte sich, wie wohl alles geworden wäre, wenn sie statt nur einem, gleich drei Kindern das Leben geschenkt hätte? Niemand hätte sie daran hindern können, und die Welt wäre auch genau gleich geblieben, aber ihr Umfeld und ihr Leben vermutlich anders abgelaufen? Sie sah dabei gedanklich, die Gesichter der beiden nicht geborenen Kinder. Nein, das war nicht real, wie konnte sie überhaupt auf solche Gedanken kommen? War das etwa eine Parallelwelt, eine Spiegelung aus der realen Welt? 90 Anna war inzwischen eingeschlafen und es waren nur Träume. Plötzlich klingelte das Haustelefon, Anna wurde aus ihrem Schlaf geweckt. Am anderen Ende der Leitung war die Rosemarie, die Tochter der Adelheid, sie meldete kurz: „ Meine Mutter ist heute Nacht im 93. Altersjahr sanft entschlafen“. Das war es also, nun waren sie nur noch zu zweit für den Kaffeeklatsch vom Mittwochnachmittag! Anna und Maria wurden sich einig, den „Club“ per sofort aufzulösen. Von nun an wollten sich die zwei nur noch zu Hause besuchen, einmal ging die Maria zur Anna, und umgekehrt, das sollte aber ganz ohne Zwang erfolgen. Die Beisetzung der Adelheid fand im engsten Kreis statt, so, wie es die Tote testamentarisch gewünscht hatte. Aus dem Bekanntenkreis der Toten waren nur die Anna und die Maria zugegen, die andern waren Familienangehörige. Die Elisabeth war nicht in der Lage dabei zu sein, seit sie im Pflegeheim liegt, geht es mit ihr nur noch abwärts. Sie hat rapide gealtert und ist kaum wieder zu erkennen. Solange sie noch täglich kleine Wanderungen machen konnte, war sie voller Lebenswille und gut gelaunt, seit sie an den Rollstuhl gebunden ist, hat sich ihre Welt zum Schlechteren gewandelt. Und selbst eine halbstündige Fahrt im Rollstuhl, von einer Schwester gestoßen, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und es bedarf etlicher Überwindung, sich tagtäglich wie ein Säugling pflegen zu lassen, und manche Leute werden damit nie klar. 91 Der kleine Trauerzug bewegte sich gemächlich und geräuschlos in Richtung Friedhof. Neben der Anna lief die kleine SISSI und schaute besorgt zu ihr hinauf. Die Abdankung unter Pfarrer Hurni fand am offenen Grab statt, das war dem Wunsch der Adelheid entsprechend. Anna hatte bei Gärtner Thommen einen schönen Kranz in Auftrag gegeben. Dieser brachte einen Hauch von Würde und Feierlichkeit In die Abdankung. Daneben waren lediglich noch ein paar wenige Blumensträuße zu sehen. Da lag der Unterschied bei einer Bestattung einer unbekannten Witfrau aus dem Dorf, und dem Generaldirektor Müller, welcher vor einer Woche an der Reihe war. Müller starb im 55. Altersjahr an einem Herzinfarkt! Weit über 500 Trauergäste, dabei fanden nur gegen einhundert Platz in der Kirche, weshalb Pfarrer Hurni die kirchliche Abdankungsrede auf der großen Wiese vor der Kirche durchführen musste, das Musikhaus Hügler sorgte für die Lautsprecheranlagen. Und sein Grab war immer noch mit dutzenden von Kränzen belegt, einzelne davon reichten bis zum einsamen Grab der Adelheid. SISSI interessierte sich für die Kranzberge, vermutlich fanden sich in diesem Dschungel auch noch Mäuse und dergleichen Spielzeuge? Sie war so tief in diese Blumenpracht versunken, dass sie es nahezu unterließ, mit der Anna nach Hause zu gehen. Anna musste sie erst einmal aus den Blumen- und Kranzbergen heraus bitten, enttäuscht folgte sie der Aufforderung, sie ging leer aus. Anna verzichtete auf die einfache Vespermahlzeit im Restaurant Krone, wie sollte sie der SISSI beibringen, dass Katzen nicht dabei sein durften? Und die SISSI wie einen Hund vor dem Eingang festbinden, das wäre wohl eine schwere Beleidigung gewesen. Demzufolge verabschiedete 92 sich die Anna von der Gruppe und lief gemütlich mit der SISSI nach Hause. Diese Selbstüberwindung und Rücksichtnahme konnte die SISSI natürlich nicht erkennen, aber für Anna war die Freundschaft mit einer gut gelaunten SISSI wichtiger, als die banalen und oft inhaltslosen Palaver mit den Mitmenschen. Anna murmelte auf dem Nachhauseweg halblaut vor sich hin, wie immer, wenn sie sprach, lauschte SISSI mit zurückgestellten Ohren, aufmerksam zu, deshalb lief sie schön brav nebenher und rannte nicht voraus, wie sie das sonst zu tun pflegte: „ Wieder ist eine von uns gegangen, und nichts hat sich verändert, die meisten Einwohner im Dorf nehmen nicht einmal Kenntnis davon, ja, ich weiß genau was die Leute denken, wenn sie die Todesanzeige im Dorfblatt lesen: „Es war höchste Zeit, die hat doch nur unsere Sozialwerke belastet!“ Ja, ich weiß es SISSI, wenn ich gehe wird man genau gleich reden und denken. Stell dir vor, man wird froh sein, dass ich endlich abgetreten bin, man wird mir den Tod herzlich gönnen, nur du SISSI wirst um mich trauern, das weiß ich jetzt schon. Und wenn du an der Reihe bist, wird kein Mensch sagen: „es war an der Zeit für die Katze“, nein, das ist nur uns Menschen vorbehalten, soweit haben wir es gebracht, nicht einmal Tiere verhalten sich derart gemein.“SISSI lauschte mit klugen Augen ihren Worten, auch wenn sie vermutlich nichts verstehen konnte, tat sie so, als hätte sie den Sinn der Ansprache verstanden, indem sie der Anna schnurrend um die Beine strich, sozusagen mitfühlend und als Dank. Einen Vorteil der Sommermonate, bilden auch die sehr langen Tage, und an heißen Abenden, weilten Anna und SISSI oft bis gegen 22 Uhr auf dem Gartensitzplatz. Bei klarem Himmel, bestaunten die zwei die Sterne am endlosen Firmament. Damit SISSI nicht davonlief, 93 plauderte sie halblaut mit ihr, SISSI war immer eine dankbare Zuhörerin, und solange Anna sprach, blieb sie schön brav bei ihr: “Der Mensch braucht im Leben immer ein Ziel, der Tod kann aber kein Ziel sein, demzufolge setze ich mein Ziel über den Tod hinaus, wenn ich meinen verbrauchten Körper verlasse, dann will ich auf die Plejaden, dort gibt es eine Zivilisation, die ist um viele Millionen Jahre älter als die auf unserer Erde. Und die Wesen dort sind uns hoch überlegen, sie haben das Tier abgelegt und überwunden, sie sind spirituelle Wesen, die sich nur mit spiritueller Nahrung versehen. Schlachthöfe und dergleichen Horrordinge kennen sie seit Urzeiten nicht mehr, und die 10 Gebote sind bei denen überflüssig, sie sind längst auf einer höheren Ebene. Jesus war vermutlich einer von dort, aber sein Werk wurde leider missverstanden. Es ist eine Schande, was die Menschen daraus gemacht haben und immer noch machen! Ja, SISSI, wenn du mit einer Maus spielst, dann ist das eben eine Maus, aber stell dir vor, was Menschen anderen Menschen antun, und das seit Urzeiten, schrecklich! Und wenn die Menschen Filme mit Außerirdischen drehen, dann wissen sie nichts Besseres, als diesen ebenfalls menschliche Gemeinheiten zuzusprechen, weil die Menschheit anscheinend zu dumm ist, um sich eine humanere Welt vorstellen zu können! Man erwartet von den Außerirdischen genau die gleichen Untaten, wie sie Menschen aufweisen! SISSI, ich glaube an eine bessere Welt auf den Plejaden, und ich will dorthin, das ist mein Ziel über den Tod hinaus!“ Anna wies mit der rechten Hand auf die Sternenwelt, SISSI schaute interessiert zum Sternenpanorama hinauf, vermutlich wollte sie fragen, ob dort auch Mäuse wohnen? Dann begann Anna ein altes Volkslied zu summen: 94 „Weißt du wie viel Sterne stehen An dem blauen Himmelszelt? Weißt du wie viel Wolken gehen Weithin über alle Welt? Gott, der Herr, hat sie gezählet Dass ihm auch nicht eines fehlet, an der ganzen großen Zahl, an der ganzen großen Zahl. Weißt du wie viel Mücklein spielen In der hellen Sonnenglut? Wieviel Fischlein auch sich kühlen In der hellen Wasserflut? Gott, der Herr, rief sie mit Namen Dass sie all ins Leben kamen Daß sie nun so fröhlich sind Daß sie nun so fröhlich sind. Weißt du wie viel Kinder schlafen, heute nacht im Bettelein? Weißt du wie viel Träume kommen 95 Zu den müden Kinderlein? Gott, der Herr, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet, kennt auch dich und hat dich lieb, kennt auch dich und hat dich lieb. Weißt du, wievielk Kinder frühe stehn aus ihrem Bettlein auf, Daß sie ohne Sorg und Mühe Fröhlich sind im Tageslauf? Gott im Himmel hat an allen Seine Lust, sein Wohlgefallen, Kennt auch dich und hat dich lieb, Kennt auch dich und hat dich lieb. Katzen können nicht singen, aber SISSI lauschte wie ein kleines Kind in der Sonntagsschule. Um sich für das Lied zu bedanken, streichelte sie der Anna schnurrend um die Beine, sie wusste, wenn Anna zu singen pflegte, war sie guter Laune, und diese Stimmung übertrug sich auch auf die SISSI. Sobald sich die Anna auf das Sofa setzte, begann SISSI mit ihrer bekannten Handmassage, indem sie liebevoll die beiden 96 Handrücken leckte. Danach legte sie sich ganz eng an die Seite der Anna um einzuschlafen, dabei wirkte ihr Fell wie ein kleiner Ofen. Eine tiefe Dankbarkeit erfasste die beiden, und eine friedliche Stimmung herrschte im Raum. Auch Anna fiel in einen ruhigen Schlaf. Das Leben war herrlich und kostbar, man musste nur wissen, wie man es anstellen muss. Als Anna wieder erwachte, erinnerte sie sich an einem seltsamen Traum, plötzlich stand die Adelheid in voller Größe neben ihrem Grab und sagte: „Anna, warum bist du nicht zum Vespermahl gekommen?“ Und als sie erwachte, schaute sie in die Augen der SISSI. Deshalb konnte sie der Adelheid nicht mehr antworten, obwohl sie das gerne getan hätte. Aber Traum war Traum, und Adelheid würde ihr wohl kaum einen Vorwurf machen. Aber die Adelheid ließ sie nicht einfach los, jetzt kamen ihr die Treffen beim Kaffeeclub in Erinnerung, und zwar genau die Aussagen, welche die Adelheid unter anderen gemacht hatte, da sagte sie doch einmal mit voller Überzeugung: „Meine Damen, wisst ihr auch, dass Reinkarnation nicht zwangsläufig bedeutet, dass man wieder als Mensch zurück kommt, sondern als Lebewesen, ist das nicht eine unheimliche Vorstellung?“ Und Anna kriegte dabei eine Hühnerhaut, wenn sie daran dachte, dass die Adelheid nun möglicherweise in ein animalisches Wesen integriert wurde. Nein, dann schon lieber in einen Baum! Eine heimatlose Seele konnte problemlos in einen alten Baum untertauchen. Bei diesem Gedanken wurde ihr wieder wohler, aber sie brachte die Adelheid 97 einfach noch nicht aus ihren Gedanken weg. Die Adelheid sorgte oft für interessanten Gesprächsstoff, da war zum Beispiel das große Klassentreffen, von dem sie humorvoll berichtete: „Aus meiner Klasse sind seltsame Berufe hervorgegangen, die Klara Verdient ihr Geld mit ihrer Stimme und wurde Sängerin. Die Erika hat Informatik studiert, und macht Geld mit ihrem Kopf. Der Anton wurde Berufsfußballer und verdient gutes Geld mit den Beinen. Die Marie-Rose ist Klavierspielerin und verdient ihr Geld mit den Händen. Und Josefine, die nennt sich „Escort-Dame“, was eine humanere Umschreibung für eine Liebesdienerin ist, sie verdient ihr Geld mit dem Geschlechtsteil. Und des Rätsels Lösung ist, alle verdienen ihr Geld mit einem Körperteil, den sie besonders gezielt einsetzen müssen.“. Anna erinnerte sich, dass danach eine rege Diskussion vom Stapel lief, in der es darum ging, ob es einen Unterschied mache, welchen Körperteil man zur Verfügung stelle oder vermiete? Und die Meinung der Adelheid, wonach das völlig unwichtig ist, weil ja der Körper von Kopf bis Fuß gleichwertig sei, setzte sich durch. Adelheid sah sich in ihrer Ansicht bestätigt, sie zählte zu jenen, die sich persönlich gedemütigt fühlten, wenn man ihre Ansichten ignorierte. Erst jetzt konnte sich Anna gedanklich wieder von der Adelheid trennen. 98 Die langen Sommertage verbrachten die beiden ungleichen Bewohner hauptsächlich im und ums Haus, dabei unterschied sich so ein Tagesablauf zwischen Anna und SISSI nur wenig. Für beide begann der neue Tag mit der Morgentoilette, wobei die SISSI dafür mehr Zeit benötigte als die Anna. Danach folgte das Frühstück, wenn Anna sich den Luxus eines amerikanischen Frühstücks leistete, konnte SISSI ebenfalls ihren Teil davon erhalten. Wenn Anna jedoch auf „Muesli“ und „Milchbrocken setzte, war SISSI weniger begeistert, dann nahm sie anstandshalber etwas davon, um anschließend auf der Wiese das richtige Frühstück zu suchen. In der Zwischenzeit war Anna schon unterwegs um die täglichen Einkäufe zu tätigen. Und wenn die Sterne gut gelaunt waren, dann brachte Anna noch frische Leber mit, ein wahrer Leckerbissen für die SISSI! Danach war der Vormittag schon beinahe vorüber, und Anna machte sich an die Zubereitung des Mittagessens, während SISSI ihre zweite Morgentoilette begann. Was eine echte Katze ist, braucht dafür täglich bis zu drei Stunden. Die Mittagsmahlzeit nahmen sie gleichzeitig ein, das heißt, Anna am Tisch, und SISSI aus dem Katzengeschirr in der Ecke. Und es war die SISSI, die laut schmatzte als sie die Leber genüsslich verspeiste. Anna gönnte sich eine Tasse Kaffee, während SISSI ihre bevorzugte Katzenmilch schlürfte. Die Mittagsnachrichten vom Radiosprecher interessierten nur die Anna, und wie üblich nur negative Meldungen, was sonst? Während diese der Anna oft aufs Gemüt schlugen, störten diese die gute Laune der SISSI in keiner Art und Weise! Letztere machte erneut ihre Kurztoilette und legte sich 99 gemütlich zur Siesta aufs Sofa hin. Anna reinigte noch schnell das Geschirr und legte sich danach ebenfalls zu einem kurzen Mittagsschläfchen hin. Danach war beglückendes Tun angesagt, Für Anna war das die Auflösung von Kreuzworträtseln oder Malerei. Für die Kreuzworträtsel hatte die SISSI herzlich wenig übrig, sie sprang auf den Tisch um der Anna eine Weile zuzuschauen, wenn sie das Gefühl hatte, Anna habe nur noch Augen und Zeit für diese komischen Schriften, legte sie sich demonstrativ auf die Rätsel und begann laut zu schnurren, so, als wollte sie sagen: „Ich bin auch noch da!“ Es konnte sich aber auch um eine sanfte Aufforderung für einen Spaziergang handeln, da hatte SISSI mehr Spaß, besonders an den Vögeln in den Büschen und auf den Bäumen. Wobei sie es nie schaffte, einen zu fangen, das leide Alter! Wieder zurück im Haus, gönnten sie sich Kuchen und Milchkaffee bei klassischer Musik. Danach war bei SISSI erneut eine kurze Toilette fällig, während die Anna es erneut mit der Auflösung des hartnäckigen Kreuzwortsrätsels versuchte. Die Wanderung und die frische Luft, lieferten ihr die Lösungen, an denen sie zuvor umsonst nachsinnte. SISSI genoss erneut den Schlaf der Gerechten, während Anna vor sich hin philosophierte und einmal mehr über den Sinn des Lebens nachdachte. Weshalb sie die Anna Baumgartner war, und nicht die schwarze Venus aus dem Kongo, oder eine braune Inderin aus Bombay, eine Jüdin aus Israel, oder eine Araberin aus Algerien! Auch nicht eine Katze oder ein Hund, nein, sie war die Anna Baumgartner, aber dessen ungeachtet, was immer sie auch war, zum Sterben waren alle verurteilt. Und mit der SISSI tauschen, das brachte auch nichts, es war sogar möglich, dass die SISSI früher dran glauben musste. Sie waren beide im hohen Greisenalter 100 und kurz vor dem Ableben. Und es gab keinerlei Gründe, die SISSI zu beneiden, sie waren beide im gleichen Boot und reif fürs Jenseits. Und die jungen Leute hatten auch keine leichte Zukunft in ihre Wiegen mitbekommen. Nein, das Leben war zu brutal, um den Wunsch aufkommen zu lassen, noch länger auf diesem Strafplaneten zu verweilen, oder noch einmal jung sein zu wollen! Die UNO kennt zwar die Menschenrechte, aber diese werden allerorts mit Füssen getreten, Missbrauch und Ausbeutung werden wieder salonfähig, Anstand und Genügsamkeit sind Fremdwörter geworden! Annas Gedanken schwebten zurück in die Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, damals, als man noch schöne Volkslieder zu singen pflegte, nicht nur im Radio, auch zu Hause im Familienkreis und in der Schule, bei den Pfadfindern, und dergleichen Anlässen. Ein Lied war bei ihren Eltern besonders gefragt, Anna begann es spontan zu singen, für einmal ohne Begleitung mit der Ukulele: „Kein schöner Land in dieser Zeit Als hier das uns’re weit und breit Wo wir uns finden Wohl unter Linden Zur Abendzeit Da haben wir so manche Stund‘ Gesessen da in froher Rund 101 Und taten singen Die Lieder klingen Im Eichengrund Daß wir uns hier in diesem Tal Noch treffen so viel hundertmal Gott mag es schenken Gott mag es lenken Er hat die Gnad Nun Brüder eine gute Nacht Der Herr im hohen Himmel wacht In seiner Güte Uns zu behüten Ist Er bedacht“ SISSI schlief weiter und tat so, als höre sie das Lied nicht, Anna hatte Tränen in den Augen, die Gesichter ihrer Eltern tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Und sie hatte das innige Gefühl, dass sie in ihrer Nähe waren! 102 Bereits war wieder die Zeit für die Zubereitung des Nachtessens gekommen, Anna hatte Kartoffelstock mit Bratwurst an einer Zwiebelsoße vorgesehen. Das war ein Menü, das beiden gut schmeckte. Nach dem Abendessen, zog es die SISSI noch etwas an die frische Luft, ihre Stimme hörte sich an, als wolle sie sagen: „Deine Bratwurst in Ehren, aber ich möchte noch etwas Frischfleisch!“ Deshalb wollte sie den Mäusen noch eine gute Nacht wünschen. Gut so, aber Anna hatte ein anderes Programm für den Abend, im Fernsehen war ein Musical aus den Fünfzigerjahren angesagt, das wollte sie sich nicht entgehen lassen. Aber der Film lief derart lange, dass sie bereits schon um 22 Uhr vor dem Bildschirm einschlief! Sie wachte erst wieder auf, als die SISSI ihre Hände mit der Zunge sanft massierte, und statt dem Musical, wurden bereits die Spätausgabe der Tagesschau verlesen. Für beide war es an der Zeit den Schlaf des Gerechten zu finden. Sämtliche Tage liefen ähnlich ab, besonders in den Sommermonaten. Im tiefen Winter, mied es Anna nach Möglichkeit, sich unnötig auf Eis und Schnee aufzuhalten. Unter keinen Umständen einen Unfall bauen, oder sogar krank werden! Tod und Teufel wollte sie meiden, aber die Leute in weiß noch viel mehr, das war der blanke Horror, sicher leisteten manche von ihnen gute Arbeit, und verrichteten ihren Job verantwortungsvoll, und gewissenhaft, aber fast ausnahmslos war für sie ein Fall eine Nummer von vielen! Ein „Profitfaktor“, der viele Einnahmen bringt. Und Anna wollte unter allen Umständen vermeiden, zum Fall XY im Zimmer 504, im 5. Stockwerk zu werden. Ihr allergrößter Wunsch war, in ihrem Haus ganz im Stillen nur bei der SISSI, in die andere Welt hinüber zu gleiten. Was sie den wenigen Hinterbliebenen noch ausrichten wollte, das hatte sie bereits gesagt, nur nicht in einem Spital 103 oder Pflegeheim enden, mit Dutzenden von starren und hilflosen Augenpaaren auf sie gerichtet, hinter denen sie zu lesen glaubte: „Du bist alt genug, Deine Zeit ist abgelaufen“. Nein, und noch einmal nein, diese letzte Reise musste sie ganz alleine antreten, und auf tröstende Worte konnte sie auch verzichten, die waren ja doch nur Ausdruck von Machtlosigkeit. Was konnten diese Leute schon ausrichten, sie waren auch nur Todeskandidaten für später, und niemand konnte sich davon freikaufen, gleichgültig ob König oder Bettler. Und als Trost, hatte sie die Gewissheit, dass sie es bald hinter sich hatte, was die andern noch vor sich herschieben mussten und nach Möglichkeit aus dem Bewusstsein zu verdrängen suchten. Ihr Wunsch war, am Abend friedlich einzuschlafen um am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen. Wer im Spital stirbt, ist in den meisten Fällen voll mit Medikamenten gepumpt, vegetiert in einer Art von Halbdelirium und sieht sich selber nur noch als Schatten. Auf einen solchen Abschied von dieser Welt wollte sie schon lieber verzichten. Strenggläubige Menschen, begleiten die verreisende Seele mit ihren Gebeten und Meditationen ins Jenseits. Oder behält der Atheist Recht, welcher einmal sagte, nach dem Tod wäre alles so wie vor der Geburt, nämlich nichts! Kein Paradies, keine Hölle, keine Wiedergeburt, nichts! Und wie war das doch mit dem ewigen Leben? Ah ja, sie lebte doch weiter in ihrer Tochter Monika, und die Monika weiter in ihren Kindern. Das ist ein unendlicher Kreislauf, der sich zumindest auf die körperliche „Ewigkeit“ beschränkt, was die Seele anbetrifft, da hatte die Monika ihre eigene mitbekommen. Anna wagte 104 sich im Winter kaum aus dem Haus, besonders wenn die Gehwege vereist waren, sie wollte unter keinen Umständen ausschlipfen und möglicherweise einen Knochen brechen, in ihrem hohen Alter, nahm so eine Heilung Wochen oder gar Monate in Anspruch. Weil die SISSI keine Einkäufe tätigen konnte, übernahm das jeweils die älteste Tochter der Familie Hauser. Die Vierzehnjährige wurde dafür fürstlich entschädigt, und sie machte das mit viel Freude. Als Anna körperlich immer schwächer wurde, ging die Priska auch im Sommer für sie einkaufen. Als Folge davon, erschienen die Leute vom Sozialamt erneut, und wollten Anna überzeugen, doch lieber in ein Pflegeheim zu gehen! Aber Anna wies das Ansinnen entschieden zurück und sagte kurz: Ihr bringt mich nur in einer rechteckigen Kiste aus diesem Haus!“ Die wollten doch nur ans Haus herankommen, damit sie Randständige, Flüchtlinge und Zigeuner darin unterbringen konnten, und weil sie der Ansicht waren, eine alte Frau und eine Katze allein in einem Haus, das sei Wohnraumverschwendung und Luxus. Aber Anna war Alleinbesitzerin des Hauses, und solange noch keine Gesetze existierten, wonach in solchen Fällen eine Enteignung stattfindet, konnten die nichts ausrichten. Schon seit drei Wochen fiel kein Regen mehr, es war ausnahmsweise einmal richtig Sommer. Anna und SISSI vertrieben sich die Zeit wie an jedem Tag, beide litten unter der sommerlichen Hitze, und nicht selten gerieten sie aneinander. Besonders bei der Verpflegung, SISSI hatte es satt, immer zu nur Kartoffelbrei mit Fleischsoße zu fressen. 105 Nachdem Anna ihr wieder einmal eine Portion verabreicht hatte, begann sie laut zu reklamieren: „Miauuuuuu, breeee, miauuu, breee“ und schaute dabei zornig zur Anna hinauf. Anna konnte sie sehr gut verstehen, es war ein klarer Vorwurf:“ immer dieses scheußliche Zeug!“ Anna war sich ihrer Schuld bewusst und antwortete ihr: „ Ja, SISSI, ich weiß es doch, du magst frisches Fleisch!“ Sie warf den Kartoffelbrei in den Müll, und öffnete eine Dose Katzenfutter von feinster Qualität. SISSI stürzte sich freudig darauf und schmatzte laut. Anna schaute ihr dabei lächelnd zu und amüsierte sich am Zornesausbruch der Katze. Die SISSI klagte selten, meistens handelte es sich um die Qualität der Nahrung, seltener noch, wenn SISSI den Eindruck hatte, Anna habe zu wenig Zeit für ihre Anliegen. Und wenn sie da einmal ausrastete, dann entschuldigte sie sich mit einer sanften Massage von Händen und Armen, ohne dabei mit „schnurren“ aufzuhören. Es war, als wollte sie sich für ihre Schelte entschuldigen und alles wieder gutmachen. SISSI legte nun einmal viel Wert auf eine harmonische Beziehung, Spannungen und Gehässigkeiten mochten beide nicht ausstehen. SISSI wusste, wenn Anna eines ihrer Volkslieder aus alten Zeiten sang, dass sie das speziell auch für sie tat. Als nach drei Wochen Trockenheit, endlich wieder Regen fiel, griff Anna erfreut zu ihrer Ukulele und startete mit dem schönen alten Lied: „Am Tag als der Regen kam“: „Am Tag als der Regen kam, langersehnt, heißerfleht, auf die glühenden Felder, auf die durstigen Wälder, am Tag als der Regen kam, langersehnt, heißerfleht, 106 da erblühten die Bäume, da erwachten die Träume, da kamst du. Ich war allein im fremden Land, die Sonne hat die Erde verbrannt, über all nur Leid und Einsamkeit, und du, ja du, so weit, so weit, Doch eines Tages vom Süden her, da zogen Wolken über das Meer, und als endlich dann der Regen rann, fing auch für mich das Leben an, ja, ja, ja, Am Tag als der Regen kam, langersehnt, heißerfleht, auf die glühenden Felder, auf die durstigen Wälder, am Tag als der Regen kam, weit und breit, wundersam, als die Glocken erklangen, als von Liebe sie sangen, da kamst du, da kamst du. „ Anna bewegte sich dabei in einer anderen Welt, sie fand sich zurück in ihrer Jungendzeit, Erinnerungen kamen hoch und sie fühlte sich leicht und frei. Und wenn die SISSI das Lied nochmals hören wollte, sprang sie auf ihren Schoß und streichelte dann mit einer Pfote ihren 107 Handrücken. Und nicht selten wurde daraus ein echtes Wunschkonzert, oder wenn SISSI wünschte, dass Anna ein Lied singt, dann ging sie zur Ukulele an der Wand und schaute nach oben. Anna fühlte sich dadurch geehrt, weil SISSI ihre Liedervorträge den CD’s vorzog. Der SISSI war nicht entgangen, dass auf den CD’s andere Leute sangen, und sie schätzte nun einmal die persönlichen Darbietungen aus der Kehle von Anna! Ein weiteres Jahr ging dem Ende zu, Anna befand sich bereits im 93. Altersjahr, und mit jedem Jahr wurde das Leben beschwerlicher und monotoner. Kein Tag, an dem nicht ein Glied schmerzte, selbst die einfachsten Verrichtungen im Haushalt wurden zur Belastung. Aber Hauptsache war, dass sie nicht bettlägerig oder krank wurde, das hätte einen moralischen Keulenschlag verursacht. Für jede Tätigkeit benötigte sie dreimal mehr an Zeitaufwand als früher, aber es ging trotzdem, schließlich hatte sie genug Zeit zur Verfügung. Sie konnte deutlich fühlen, wie ihr Körper langsam aber sicher schwächer wurde, „ausgebrannt“ und ohne Energie. Das Gesetz der Natur, und es war nur ein billiger Trost, dass es auch der SISSI genau gleich erging. Schon seit 20 Jahren, suggerierte sie sich jeden Morgen ein, dass der Teufel, den man „Krebs“ nennt, sie nie aufsuchen möge, aber auch böse Degenerationen, wie Alzheimer und Demenz, vermochte sie bislang erfolgreich fern zu halten. Gut, die Vergesslichkeit hielt sich im Rahmen, und das Kurzgedächtnis ließ zu wünschen übrig, aber sie hatte alle noch im Griff. Jetzt, im hohen Alter, konnten sie auch diese Horrorerkrankungen und Geiseln der Menschheit nicht mehr groß ängstigen. Und den täglichen Blick in den Spiegel konnte sie bislang noch ausstehen, sie war immer noch die Anna, wenn auch mit Furchen im Gesicht und schneeweißen Haaren. Aber Lippenrot trug sie schon 108 lange nicht mehr auf, das tat doch die Maria immer, und sie sah aus wie ein Indianer auf dem Kriegspfad. Das ganze Leben war eine Art von Krieg, galt es doch immer, sich gegen alle Seiten zu wehren, weil es leider Leute gibt, denen das Leben erst richtig Spaß macht, wenn sie andern ein Leid zufügen können. Und es gab Augenblicke, da freute sich Anna richtiggehend auf ihren Tod, endlich erlöst zu werden, sich nicht mehr mit dem gefährlichsten Lebewesen, genannt Mensch, herumschlagen müssen. Diesen „Strafplaneten“ für immer verlassen können, warum nicht gleich? Dann schaute Anna in die fragenden Augen der SISSI, die hatte es gut, Katzen haben bekanntlich sieben Leben, sagt man so nebenbei, dabei waren auch ihre Tage gezählt! Die Lebewesen, die Menschen eingeschlossen, spüren innerlich auf intuitiver Grundlage, wann ihr Ende naht. Der Lebenswille wird eingedämmt, oft folgt eine Art von Todessehnsucht, oder der Tod wird zum freudigen Ereignis, das man kaum erwarten kann. Aber soweit war die Anna noch nicht, sie nahm immer noch aktiv an den täglichen Vorkommnissen teil, orientierte sich mittels Radionachrichten und Fernsehen, las Zeitungen und löste oft Kreuzworträtsel. Und wenn all das frustrierend wirkte, dann legte sie klassische Musik auf. Dabei sprang auch die SISSI zu ihr aufs Sofa und begann laut zu schnurren. Auch die SISSI musste kürzer treten, statt täglich zwei bis drei Stunden Toilette, reduzierte sie diese auf eine knappe Stunde. Und vom Mäusefangen konnte sie nur noch träumen, sie war viel zu langsam geworden! Das war für sie ein großer Tiefschlag, sie war nur noch ein Schatten von einer aktiven Katze. Die beiden konnten sich nur noch gegenseitig trösten, indem sie sich 109 Tief in die Augen schauten, und sich lautlos einig wurden, dass es langsam aber sicher dem Ende entgegen ging. Für Anna blieb die Lebensqualität intakt, soweit sie noch über ihren Körper verfügen konnte, und die einzelnen Organe ihre Aufgaben halbwegs zufrieden stellend erfüllten. Solange ihr das ermöglicht wurde, konnte sie mit ihrem Schicksal zufrieden sein, und jeden neuen Tag mit dem nötigen Optimismus in Angriff nehmen. Positiv denken konnte wahre Wunder bewirken! Jedoch kann man damit den Tod auch nicht verhindern. Aber positiv denken war oft schwierig, wenn man den ständigen körperlichen Abbau vor Augen hatte! Die Nahrungsverarbeitung lässt zu wünschen übrig, der Körper schrumpft wie ein Apfel im Frühling, permanente Müdigkeit und Kraftlosigkeit, schon die kleinste Anstrengung wird zur Mühsal. Eine Ernährungsfachfrau informierte sie kürzlich, dass man auch im hohen Alter diesen Erscheinungen wirksam begegnen könne. Einerseits weisen unsere Lebensmittel nur noch 25% an Nährwert auf, vor 50 Jahren waren es noch gute 75%! Mit anderen Worten, müsste man heute die dreifache Menge an Gemüse und Früchten verspeisen, um die gleichen Werte zu erreichen. Dazu kommt noch, dass bei älteren Leuten die Verarbeitung der Nahrung nachlässt, das kann zu Mangelerscheinungen und Immunschwächen führen. Und in einem geschwächten Körper kann sich „Teufel“ Krebs ausbreiten, er vergreift sich vorzugsweise an den Schwachstellen! Die Beraterin schlug daher vor, Anna möge es doch mit guten Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminpräparaten versuchen. Billig sind sie nicht diese Produkte, aber sie können helfen. Anna leistete sich einen Versuch damit, erst konnte sie keinerlei Besserung 110 verzeichnen, dann aber, nach etwa sechs Monaten, stellte sie mehr Lebensgeist und weniger Müdigkeit fest. Und sie hatte auch wieder mehr Lust auf Wanderungen. Und so feierte Anna ihren 93. Geburtstag bei relativ guter Gesundheit und im kleinen Kreis einiger Freunde, dazu zählten auch die Maria und die SISSI. Bruder Emil konnte nicht kommen, er lag im Komma im Spital, seine Tage waren auch gezählt. Monika und David schickten ein Glückwunschtelegramm aus dem fernen Australien. Die Nichten und Neffen – die Kinder von Emil – konnten nicht kommen, weil sie keine Zeit hatten. Dafür spendete die Familie Hauser eine große Geburtstagstorte, verspeist wurde sie dann von den Hauser Kindern. Und solche Geschenke erfreuen besonders. Man bewunderte die geistige Frische, die Anna noch zeigte, das verdankte sie ihren Aktivitäten, wie Kreuzworträtsellösen, Ölbilder malen, Bücher und Musik. Sie wirkte für ihr Alter jugendlich und munter, und eine beneidenswerte Kondition. Nur nach längerem Sitzen, bekundete sie etwas Mühe mit dem aufrichten und gehen, aber das ging auf das Konto „Alter“. Abwechslungsweise schmerzten auch die Glieder, aber das war auch bei der SISSI der Fall, Letztere holte sich das nachts auf der kalten Wiese zu. Auch eine Geburtstagsfeier ist nur ein Tag wie jeder andere, man ist einfach wieder ein Jahr älter, ob das Grund zur Feier sein kann? Anna war mit dieser Minifeier mehr als zufrieden, sie konnte mit allen Teilnehmern diskutieren, am allermeisten natürlich mit der Maria, die ein Jahr jünger war. Und danach äußerte sie den Wunsch, anlässlich ihrer eigenen Abdankung, möge es auch in einem kleinen Rahmen bleiben! 111 Sie mochte keine „Massenveranstaltung“, wo man sich kaum begrüßte, und den größten Teil der Teilnehmer nicht kannte. Und sie konnte die dumme und naive Folgerung, wonach es hieß, je mehr Leute umso bedeutender die Person, auch nicht teilen. Das war doch nur Schaumschlägerei von Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen. Gebildete Leute mit Charakter konnten durchaus auf derartige Einlagen verzichten. Und im Tod waren sich alle gleich, da gab es keine Klassenunterschiede, auch wenn viele Leute das so sehen wollen. Auch im Alltag begegnete Anna immer wieder Leuten, denen sie lieber nie über den Weg gelaufen wäre. Meistens bei ihren Einkaufstouren, aber ab und zu kamen solche Elemente auch bis vors Haus. Bettler, Hausierer, Sammler für karitative Zwecke, Teppichhändler, Zigeuner und andere Zeitgenossen. Und Anna konnte sich dabei ganz auf die SISSI verlassen, wenn SISSI die Besucher nicht mochte, rannte sie davon, waren die aber genehm, dann ging sie denen entgegen und zeigte keinerlei Ängste. Den Briefboten und die Kinder der Familie Hauser kannte sie gut und sie waren stets willkommen. Wenn jemand an der Haustür klingelte, war die SISSI auch immer neben der Anna, und die Besucher wurden von zwei unterschiedlichen alten Damen empfangen. Das Erscheinungsbild hatte seltenheitswert. Es gab Augenblicke, da beneidete Anna die SISSI wegen ihrer Unbekümmertheit, beide hatten nur noch eine kurze Lebenserwartung, aber SISSI tat so, als gäbe es für sie kein Ende. Diesbezüglich war die SISSI im Vorteil, sie genoss das Privileg ein Tier zu sein. Aber so sicher war sich Anna dabei auch wieder nicht, sie hatte den Eindruck, dass sie auf rein spiritueller Ebene die gleichen Empfindungen hatten. Wenn bei der Anna einmal mehr dunkle Wolken am Horizont aufkamen, und sie 112 mit der SISSI über den baldigen Tod sprach, dem sie täglich näher kamen, dann glaubte sie, in den Augen der SISSI so etwas wie tröstende Eindrücke zu erkennen. Was war einfacher? Ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende? Beides musste nicht sein, darum legte Anna, beim Aufkommen solcher Gedanken eine klassische CD ein, und schon verflogen die dunklen Wolken, wie sie gekommen waren. Aber je älter sie war, desto öfters kamen diese teuflischen Gedanken auf. Oft verfiel sie auch in Tagträume und las virtuell eine Zeitungsüberschrift mit: „Alte Frau mit ihrer Katze in ihrem Haus verbrannt“. Weshalb ihr derartige Gedanken begegneten, wusste sie auch nicht, vermutlich als Ergebnis der vielen Negativmeldungen in den Medien? Und sollte wirklich ein Brand ausbrechen, die SISSI würde sich sicher in Sicherheit bringen. Aber selber Hand anlegen würde sie auf keinen Fall, nein, der Tag wird kommen, das war sicher, aber wann, das wollte sie nicht wissen. Seit aber Bruder Emil, im Alter von 82 Jahren, sich ebenfalls von dieser Welt verabschiedete, hatte sie beinahe schon ein schlechtes Gewissen, noch da zu sein. Emils Organe, wie Nieren und Leber wollten ihren Dienst nicht mehr verrichten, zudem musste er sich schmerzhaften Dialysen unterziehen, und mit seinem Einverständnis wurde er von den Schläuchen abgenabelt. Wie schon erwähnt, hatte Anna ihren Abgang weitgehend geregelt, nun musste nur noch das Testament angepasst werden, Tochter Monika war als einzige Hauserbin eingesetzt worden. Die Familie Hauser, die Gemeinde und auch Monika, erhielten die gleich lautenden Verfügungen zugestellt. Ein Keulenschlag versetzte ihr die Nachricht der Friedhofsverwaltung, wonach das Grab ihres Mannes nach 25 Jahren, gemäß geltendem Gesetz, innerhalb von sechs 113 Monaten geräumt werden müsse. Sie und die SISSI schafften es nur noch selten, bis zum Friedhof zu wandern, beiden fehlte einfach die nötige Kraft, aber wenn sie es schafften, war jetzt das Grab von Bruder Emil an der Reihe. Die zahlreichen Abgänge aus dem Bekanntenkreis wirkten auch nicht positiv auf ihre Moral. Die Missstimmung leitete über zu einer Art von persönlicher Selbstaufgabe, sie ließ sich gehen, was zu einer Form von Verwahrlosung führte. Die meiste Zeit schlief sie auf dem Sofa, die Einkäufe wurden von der Priska Hauser getätigt. Dieser fiel diese Entwicklung auf, und sie meldete das zu Hause. Polizist Hauser besprach sich mit der Gemeinde Instanz. Die Frau pflege sich nicht mehr, und in der Wohnung verbreite sich ein unangenehmer Geruch. Die Entscheidungsträger beschlossen, gleich am folgenden Tag einen Besuch bei der Anna zu machen. Aber die Ereignisse überstürzten sich, Anna schloss nachts ihr Schlafzimmer nicht mehr ab, so konnte SISSI sie frühmorgens besuchen, meistens mit einem klaren „Miau“ zum Morgengruß. Und wenn die Anna dabei nicht wach wurde, massierte die SISSI ihre Hände oder das Gesicht. Anna hatte immer ein Paar liebe Worte zum neuen Tag für sich und SISSI auf Lager. An diesem Morgen bemühte sich SISSI vergeblich, Anna wachte nicht auf und sprach auch nicht. Noch dachte SISSI, Anna liege in einem tiefen Schlaf und versuchte wie üblich sie zu wecken. Dabei wurde sie leicht nervös, weil alle ihre Versuche nicht fruchteten. Panikartig rannte SISSI durch die Katzentür aus dem Haus, und versuchte bei der Familie Hauser, mittels Kratzen an der Haustür, auf sich aufmerksam zu machen. Aber sie wurde nicht wahrgenommen, dann lief sie mit lautem und jammernden Miau Lauten ums Haus. Das war echt ungewöhnlich, so hatten sie die SISSI noch nie gehört. 114 Priska alarmierte sogleich ihre Mutter: „Mutter, die SISSI ist ganz seltsam, da stimmt etwas nicht, geht’s du nachschauen?“Mutter und Tochter folgten der aufgeregten SISSI zum Haus der Anna. Einen Schlüssel hatten sie bekanntlich. Bereits im Wohnzimmer wehte ihnen ein seltsamer Geruch entgegen, im Schlafzimmer lag die Anna friedlich, so, als würde sie schlafen, leblos im Bett. Der Fall Anna Baumgartner war damit auch für die Gemeinde gelöst worden. Anna verließ diese Welt in ihrem 95. Altersjahr, alt genug um abzutreten, dachten die meisten Leute in der Umgebung. Für manche war es eine Verschwendung von Wohnraum, eine alte Frau und eine alte Katze, die konnten doch in einem Altenheim unterbracht werden! Monika wurde, wie das von Anna festgelegt war, von Frau Hauser telefonisch informiert. Weil die Monika erst in einer Woche da sein konnte, wurde auch die Kremation eine Woche später angesetzt, erst danach sollte die Monika den Abdankungstag festlegen. Der Sarg mit der Leiche wurde deshalb im Kühlraum des Spitalkellers gehalten. Die Kremation fand nach fünf Tagen statt. Nahezu sämtliche Vorkehrungen wurden von der Gemeindeverwaltung veranlasst, dafür hatte Anna während vielen Jahren auch prompt Steuern entrichtet. Tochter Monika konnte die Bestattung bereits vor ihrer Ankunft online mit der Gemeinde absprechen. Damit war bei ihrer Ankunft bereits alles organisiert, sie musste nur noch die Rechnungen begleichen. Und was die Leute von der Gemeinde nicht gemacht hatten, das übernahmen Pfarrer Hurni und Polizist Hauser. Es war der Wunsch von Anna, es sollte ein einfaches Begräbnis ohne Tränen und dergleichen geben. Pfarrer Hurni hielt eine kurze 115 Abdankungsrede, wobei er es nicht verkneifen konnte, zu erwähnen, er habe die Anna kaum jemals in der Kirche gesichtet. Desto trotz habe sie aber ein klagloses und vorbildliches Leben geführt, an dem sich manche Zeitgenossen ein Beispiel nehmen könnten. Mit diesen Worten sprach er den Trauergästen direkt aus dem Herzen. Das Wetter war ebenfalls in Trauerstimmung, und so zog der kleine Trauerzug durch die neblige und regnerische Landschaft. Monika trug die Urne mit der Asche ihrer Mutter auf dem Arm. Kaum ein Dutzend Menschen, und hinter ihnen mit etwas Abstand, eine alte, grauhaarige Tigerkatze. Anna hatte ausdrücklich im Testament festgehalten, dass die SISSI, sollte sie nach ihrem Tod noch leben, im Haus verbleiben dürfe. Frau Hauser und die Priska sollten für ausreichende Nahrung sorgen, dafür war genügend Geld hinterlegt worden. Es war aber offensichtlich, dass die SISSI kaum viel älter als die Anna werden kann, oder möglicherweise noch vor ihr sterben könnte? Am Grab hatte Pfarrer Hurni noch einige nichts sagende Worte bereit, sie sollten Trost verbreiten und seine Existenz legitimieren. Dann wurde die Urne im bereitgestellten Grab versenkt. Dank der Monika und der Familie Hauser, sowie der spendefreudigen Gemeinde, lagen drei Kränze auf dem Grab. Auch noch verschiedene Blumensträuße fanden ihren Weg bis hierher, Gärtner Thommen, die Konditorei Mader, Frau Zambelli, und noch einige andere liebe Nachbarn zeigten Herz! Und nachdem die kleine Trauergemeinde nach Hause verschwand, legte da noch jemand eine tote Maus aufs frische Grab. Monika rief zu Hause nach der SISSI, aber sie konnte sie nirgends finden, auch nicht drüben bei der Familie Hauser. Monika fuhr mit ihrem Mietwagen zum Friedhof, sie hatte eine leise Ahnung, und lag richtig. Mit einiger Mühe, 116 gelang es ihr, die alte Katze einzufangen und mitzunehmen. Aber der Aufenthalt war von sehr kurzer Dauer, die SISSI verschwand sogleich wieder und kam nicht zurück. Jedes Ereignis hat zwei Seiten, eine gute und eine schlechte. Die schlechte Seite war die Tatsache, dass Anna, die immer gut zu Vögeln war, diesen im Winter kein Futter mehr zukommen lassen konnte. Die gute Seite war, dass der Vogelschreck auf vier Pfoten, nicht mehr durch die Büsche schlich, und deshalb zwitscherten nun die Vögel fröhlich und laut vor sich hin. Auf dem Friedhof wurde eine alte Katze gesichtet, die schon einige Besucher erschreckte, wenn sie davon rannte. Sie schlief tagsüber und nachts auf dem frischen Grab, ernährte sich von Würmern und Abfällen auf dem Friedhofkompost. Wenn der Gärtner aufkreuzte, versteckte sie sich in den Blumensträuchern. Aber auch auf dem Grab, war sie kaum sichtbar, wenn sie zusammengerollt auf den Blumen lag und schlief. Monika hatte einen Immobilien-Treuhänder mit dem Hausverkauf beauftragt. Für das Grab ihrer Mutter war auf der Gemeinde ein Guthaben deponiert worden, welches während 25 Jahren die Grabpflege sicherstellen sollte. Der Unterhalt wurde dem Gärtnermeister Thommen übertragen. Und schon nach wenigen Wochen, waren sämtliche Formalitäten geregelt, und Monika konnte wieder in ihr sonniges Australien fliegen. Für den Grabstein, gestaltet nach den Wünschen der Mutter, sorgte ebenfalls der Gärtnermeister. Vorläufig musste aber noch ein einfaches Holzkreuz dienen. Und wie nicht anders zu erwarten war, nachdem die Monika weg war, besuchte praktisch niemand mehr das Grab der Anna, das heißt, manchmal die Priska, welche aber nicht nur Blumen brachte, sondern auch etwas Essen für SISSI. Letztere blieb treu bei der Anna, das heißt, was von ihr 117 noch übrig geblieben war. Gärtner Thommen fand es aber recht komisch, dass er manchmal die SISSI schnurrend am Grab antraf, ob die mit der Anna „plauderte“? Oder sah sie ihren Geist, Katzen sind bekanntlich hellsichtig und können Geister erkennen. Er konnte den Eindruck einfach nicht loswerden, die SISSI sei nicht allein! Bei bösen Geistwesen, rennen die Katzen fluchtartig davon, bei den guten Geistern beginnen sie zu „schnurren“, mehr wusste der Gärtner auch nicht. Er stellte aber auch fest, dass die SISSI sehr schwach und krank wirkte, ihre Augen waren völlig leer und ausdruckslos. Und sie rannte auch nicht mehr weg. Am folgenden Morgen, als er wieder vorbeischaute, lag die SISSI leblos auf dem Grab, er nahm eine Schaufel und begrub die SISSI neben der Urne von Anna. Auf dem Grabstein war später zu lesen: Anna Baumgartner-Kuhn Und nach den Jahreszahlen etwas weiter unten: mit SISSI Ende. 118 Der Autor Rolf Bahl, Pseudonym und Kürzel von Vor- und Nachnamen, geboren am 24. August 1938 in Bern/Schweiz. Verbrachte seine ersten 10 Lebensjahre mit seinen Eltern in Südwestfrankreich. Geschichte studieren durfte er nicht, hingegen schaffte er mit nur fünf Volksschuljahren, die Aufnahmeprüfung für eine Lehre zum Bau-Kunst- und Konstruktionsschlosser, an der LWB der Stadt Bern. Bricht die Lehre vorzeitig ab, in der Ostschweiz arbeitet er vorerst als Bau- und Fabrikarbeiter. Mit 17 Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Postbeamten. In der Freizeit büffelt er autodidaktisch Fernkurse für Mittelschul- und Handelsfächer. Mit 19 verlässt er die Post, und reist erstmals allein auf dem Landweg nach Nordafrika. Nach der Rückkehr beginnt er als Quereinsteiger im kaufmännischen Beruf, absolviert nachträglich die KVLehrabschlussprüfung, später folgen noch zwei höhere Fachprüfungen. Das Jahr 1968 verbringt er als „Free Lance“ Sprachlehrer in Spanien. Aus gesundheitlichen Gründen, muss er 1969 seine Karrierepläne endgültig begraben. Als er halb geheilt wieder auf Jobsuche ging, fiel ihm in der NZZ ein Inserat auf: „Die OSEC (Office Suisse d’Expansion Commerciale) sucht für ihren Exportnachweisdienst einen viersprachigen Allroundkaufmann” etc. Er meldete sich und blieb bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1997. Seither lebt er in der kalten Jahreszeit in Südostasien, und im Sommer in der Schweiz. 119 Als angehender „Hobbyautor“, schrieb er erstmals im Alter von 8 Jahren Kurzgeschichten in französischer Sprache, die er seinem älteren Bruder sandte. Dann mit 14, nun im deutschsprachigen Raum lebend, verfasste er in der Schule während sechs Monaten seine Fortsetzungen unter dem Titel: „Meine Kriegserlebnisse in Frankreich“. Nun folgte eine lange Pause, 1968/69, erschien sein erstes Buch unter dem Titel: „Einmal die Ferne seh’n“. Im Lauf der Jahre schrieb er verschiedene Kurzberichte für Magazine sowie auch für die Hauszeitung, ferner zwei Dissertationen in englischer Sprache, als Abschlussarbeiten von College Studien in den USA. Um 1990/91 erschien sein zweites Buch: “Weltuntergang, 2000 Ende oder Wende?“ Verlag R. Fischer, Frankfurt. Siehe auch: „Verzeichnis der Publikationen“ im Anhang, sowie unter: www.rolfbahl.com 120 Publikationen von Rolf Bahl: Einmal die Ferne sehen, ARUBA-VERLAG 1968 In den Jahren 1957 bis 1966, reist der Autor etappenweise, und mit wenig Geld, um die Welt. Das Manuskript wurde damals auch während einem Jahr im „ Generalanzeiger Ostschweiz“, in Fortsetzungen veröffentlicht. (Das Buch ist leider vergriffen, kann aber von der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern, ausgeliehen werden) Weltuntergang, 2000 Ende oder Wende? 121 R. Fischer-Verlag Frankfurt 1992 Der Autor widmete sich während Jahren der Parapsychologie, hier versuchte er die Untergangsprognosen für das Jahr 2000 zu verharmlosen! Zu recht, wie wir heute wissen. (Nach 2000 vom Verlag aus dem Handel genommen). Hinweis: Beide Schriften können in der Schweiz bei: Schweiz. Nationalbibliothek, CH-3003 Bern, Mail: [email protected], in Ausleihe gelesen werden. Die gedruckten Bücher sind auch bei der: Deutschen Nationalbibliothek, Deutscher Platz 1, D-04103 Leipzig, aufgelegt. 122 TIMO, der schwarze Kater, ROBA-VERLAG Die Geschichte einer außergewöhnlichen Katze. Seltsame Erlebnisse und Beweise, dass auch Katzen logisch denken können! Neuauflage 2011, jetzt auch als E-Book: ISBN9786162221804 ! Schatten im Paradies , Leben und Sterben in Pattaya Wie Rentner ihren Ruhestand im Tropenparadies erleben, sowie die Gefahren und Versuchungen denen sie ausgesetzt werden. (Jetzt auch als Ebook: ISBN97862221781). ISBN 974-93004-7-5 123 Flucht aus Manila ISBN 974-93864-5-0 Ein Tourist gerät in die Fänge einer Erpresserbande, zahlt Lösegeld und ergreift vorsichtshalber die Flucht. (Jetzt auch als E-book: ISBN978616222061) Die Prinzessin von Kalasin ISBN 974-94967-8-7, Thailandroman Eine junge Frau aus dem armen Isaan, zeigt auf, wie sie in kurzer Zeit, am richtigen Ort, viel Geld verdienen konnte. Ein spannender Kriminalroman. Jetzt auch als E-book:ISBN9786162221972 124 Daeng‘s Abenteuer ISBN 978-974-09-8990-5 Der Traum vom sorgenlosen und angenehmen Leben im „Farangland“ (Westen), wird für Daeng zu einem wahren Albtraum. Interessanter Thailandroman. Jetzt auch als EBook:ISBN9786162221958 Sumalis Rache, Sumali überlebt das Konzentrationslager der „Roten Khmer“, später rächt sie sich an einem ihrer Peiniger, welcher nun als Menschenhändler in Thailand aktiv wurde. Jetzt auch als E-Book: ISBN9786162221965 125 Hans im Glück Als Rentner in Thailand, Möglichkeiten und Grenzen, mit zahlreichen Tipps und Hinweisen. Roman, jetzt auch als E-Book: ISBN 9786162221729 und ISBN:978-974-367-1 Rückblick unter Palmen, ISBN 978-616-903-4, eine mosaikähnliche Zusammenfassung aus der Vergangenheit bis zur Gegenwart. (Auch als E-Book erhältlich:ISBN 9786162222054) Weltvertrieb für obige Bücher: [email protected], oder www.der-farang.co.th 126 Bye – Bye Tiluk, eine seltsame Love Story aus Thailand, in englischer Sprache E-Book: ISBN 9786162221859 (auch gedruckt erhältlich) Jetzt auch als E-Book in deutscher Sprache erhältlich: „Bye Bye Tilak“ ISBN: 978616221699 Blick Zurück, Autobiographie von Rolf Bahl, in 220 selbstständigen Kapiteln unterteilt, unkonventionell und eigenwillig. Nur als E-Book erhältlich (890 Seiten) 127 Tod im Barrio Chino, Barcelona während der Franco Diktatur. Erlebnisbericht mit seltsamen Ergebnissen. Nur als E-Book erhältlich:ISBN9786162221828 Kurzgeschichten die das Leben schrieb. 25, zum Teil dramatische Erzählungen aus dem Leben. Nur als E-book:ISBN9786162221736 Nie wieder las Vegas! 128 Wer sich leichtsinnig dort zweimal verheiratet, muss später dafür schwer büßen. Nur als EBook:ISBN9786162221750 Der Urgroßvater die Nachforschungen in die Vergangenheit, führten zu erstaunlichen Ergebnissen in Nord- und Südamerika! Nur als E-Book:ISBN 9786162221675 Monikas Stimme Kriminalroman in einem „para“- normalen Umfeld. nur als E-Book :ISBN 9786162221743 129 So sprach Buddha ein unvollständiger Versuch, mit westlichem Verständnis, die Thesen des Buddhismus zu verstehen. nur als E-Book: ISBN9786162221798 Partnerschaft Vom Wunschdenken zur Realität Unkonventionelle Ansichten zum Thema Partnerschaften. nur als E-Book: ISBN 9786162221774 Ungültiger Jahrgang! 130 Über Altersdiskriminierung und andere Missstände im Alltag. nur als E-Book, ISBN:9786162221811 Butterfly und Nonne Nachträge und Fortsetzungen von Bye Bye Tiluk nur als E-Book: ISBN 9786162221682 ERWIN IM ALTERSHEIM Er wollte unter keinen Umständen in ein Altersheim, aber die Umstände sprachen gegen ihn! Roman, nur als E-Book erhältlich.ISBN:9786162221712 131 Licht und Schatten Zwischen Glauben und Wissen! Gedanken und Kommentare zu unseren Glaubensansichten. Nur als E-Book zugänglich. FATA MORGANA Das Leben ist voller Illusionen Wir leben oft in Scheinwelten, ohne es zu realisieren. Der Autor zeigt einige Beispiele aus dem Alltag auf, und nicht selten lebt es sich dabei leichter als in der brutalen Realität. Nur als Ebook erhältlich. 132 Die alte Katze und die Frau. ( Zweisamkeit im Alter) Besonders Frauen müssen ihren Lebensabend oft ohne ihren Partner verbringen, Anna tut das auf ihre Weise, und versteht es ihr Schicksal zu meistern. Nur als E-Book. Hinweis: Für 20 E-books sind die Verlagsrechte neuerdings bei http://www.bangkokbooks.com, diese können gegen eine kleine Gebühr, noch bei folgenden E-book Verlagen online gelesen werden: Amazon, Apple, Sony, Barnes&Noble, kobo, Android, Google Play,. 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