5.12 . Rechtsanwaltskosten in Belgien

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5.12 . Rechtsanwaltskosten in Belgien
5.12 . Rechtsanwaltskosten in Belgien
Mit Wirkung zum 01.01.2008 ist eine Änderung der belgischen Zivilprozessordnung in Kraft getreten, welche
eine deutliche Erhöhung der der im Rechtsstreit obsiegenden Partei zu erstattenden Rechtsanwaltskosten
vorsieht. Unabhängig von der Höhe der tatsöchlich bezahlten Rechtsanwaltskosten, wird der obsiegenden
Partei grundsätzlich ein am Streitwert orientierter Pauschalbetrag zugesprochen, den ihr die unterlegene Partei
zu erstatten hat. Die Entscheidung überden genauen von der unterlegenen Partei an die obsiegende Partei zu
erstattenden Betrag trifftderRichterauf Antrag im Urteil.
Die Systematik von Art. 1022 der belgisehen Zivilprozessordnung in Verbindung mit dem Königlichen Erlass vom 26.10.07 ist
mit den §§ 91 ff. der deutschen Zivilprozessordnung in Verbindung mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vergleichbar.
I. Die Rechtslage vor dem 01.01.2008
Bereits nach bisher geltendem belgisehen Recht bestand aus Sicht der obsiegenden Partei eine begrenzte Möglichkeit, die ihr
entstandenen Rechtsanwaltskosten von der unterlegenen Partei erstattet zu bekommen. Die obsiegende Partei konnte jedoch
in zivilrechtlichen Verfahren erstinstanzlieh maximal einen Betrag von 371 ,85 EUR für die ihr entstandenen
Rechtsanwaltskosten bekommen.
II. Die Rechtslage seit 01.01.2008
Der erhöhten Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten sind klare Grenzen gesetzt worden und die vorgegebenen Beträge
sind streitwertabhängig gestaffelt. Die Regel-, Minimal- bzw. Maximalbeträge pro Instanz lassen sich für allgemeine Zivilverfahren und Handelssachen der folgenden Übersicht entnehmen:
Streitwert
bis 250,00 €
250,01 bis 750 €
750,01 bis 2.500 €
2.500,01 bis 5.000 €
5.000,01 bis 10.000 €
10.000,01 bis 20.000 €
20.000,01 bis 40.000 €
40.000,01 bis 60.000 €
60.000,01 bis 100.000 €
100.000,01 bis 250.000 €
250.000,01 bis 500.000 €
500.000,01 bis 1.000.000 €
1.000.000,01 € und mehr
Regelbetrag
150 €
200 €
400 €
650 €
900 €
1.100 €
2.000 €
2.500 €
3.000 €
5.000 €
7.000 €
10.000 €
15.000 €
Minimalbetrag
75 €
125 €
200 €
375 €
500 €
625 €
1.000€
1.000 €
1.000 €
1.000 €
1.000 €
1.000 €
1.000 €
Maximalbetrag
300 €
500 €
1.000 €
1.500 €
2.000 €
2.500 €
4.000 €
5.000 €
6.000 €
10.000 €
14.000 €
20.000 €
30.000 €
Im Einzelnen gibt der belgisehe Gesetzgeber hier einen pauschalen Regelbetrag an, von dem der Rich~ ter auf Antrag der
Parteien nach oben oder unten abweichen kann - ohne dass jedoch die ebenfalls vorgegebenen Minimal- bzw.
Maximalbeträge unter- bzw. überschritten werden dürfen. Gesetzlich kann dieser Antrag mit der finanziellen
Leistungsfähigkeit der unterliegenden Partei, der Schwierigkeit der Rechtssache, der Höhe eventuell zu zahlender
Vertragsstrafen oder Verzugszinsen sowie unredlichem und rechtsmissbräuchlichem Verhalten der Parteien begründet
werden. Für den Fall, dass es mehrere obsiegende Parteien gibt, beträgt die maximal von der unterlegenen Partei an die
obsiegenden Parteien zu erstattende Summe nicht mehr als das Doppelte des Maximalbetrages. Auf die Anzahl der von
der/n obsiegenden Partei(en) gewählten Rechtsanwälte kommt es dabei nicht an. Ergeht gegen den Verurteilten ein
Versäumnisurteil, so ist der obsiegenden Partei lediglich der pauschale Minimalbetrag zu erstatten.
III. Der Anwendungsbereich der neuen Regelung
In zeitlicher Hinsicht ist hervorzuheben, dass die neue Regelung zur Prozesskostenvergütung auf Verfahren Anwendung
findet, in denen derUrteilsspruch ab dem 01.01.2008 erfolgt. Auf den Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Verfahrens
kommt es hingegen nicht an. Auch laufendeVerfahrenfallen daher unter die Neuregelung.
In sachlicher Hinsicht bleibt zu betonen, dass die obsiegende Partei die ihr für die Inanspruchnahme von
Beratungsleistungen entstandenen Kosten lediglich dann in den oben angegebenen Grenzen erstattet verlangen kann,
sofern sie die Unterstützung eineszugelassenen Rechtsanwalts in Anspruch genommen hat.
Wenn die obsiegende Partei sich selbst verteidigt oder anderweitig Beratungshilfe - etwa durch die Gewerkschaftsvertretung
in arbeitsrechtlichen Verfahren - in Anspruch nimmt, kann keine Kostenumlegung stattfinden.
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IV" Die Regelung in einigen anderen Rechtsgebieten
In arbeitsrechtlichen Verfahren sind andere Regel-, Minimal- und Maximalbeträge als die oben genannten maßgeblich. Der
Minimalbetrag für arbeitsrechtliche Verfahren liegt erstinstanzlieh bei 26,46 EUR, der Maximalbetrag bei 248,64 EUR (vgl.
ausführlicher Art. 4 des Königlichen Erlasses vom 26.10.2007).
Im Strafprozessrecht entfaltet die Neuregelung lediglich eingeschränkte Wirkung. Ausgeklammert bleibt hier stets das
Verhältnis zum Staat. Dadurch soll vermieden werden, dass etwa die Staatsanwaltschaft aufgrund drohender Kosten aufdie
Erhebung einer Anklage verzichtet.
Nur in denjenigen Fällen, in denen eine Zivilpartei am Strafverfahren beteiligt ist, kommt die Neuregelung daher im
Verhältnis zwischen Zivilpartei und Angeklagtem zum Tragen. Der Angeklagte kann der Zivilpartei gegenüber zur
Kostenerstattung verpflichtet sein, wenn er ihr einen Schaden zugefügt hat.
Die Zivilpartei hingegen trifft gegenüber dem Angeklagten dann eine Kostenerstattungspflicht, wenn sie das Verfahren durch
direkte Ladung in Gang gesetzt hat und der Angeklagte freigesprochen wird.
Debelux Magazine 2/2008
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