Spin-off-Management-Buy-out
Transcription
Spin-off-Management-Buy-out
FINANCE-Studien Fesseln sprengen! Spin-off-Management-Buy-out: Wie sich ein Tochterunternehmen erfolgreich vom Mutterkonzern löst Impressum Dezember 2002 Haftungsausschluss: Alle Angaben wurden sorgfältig recherchiert und zusammengestellt. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts sowie für zwischenzeitliche Änderungen übernehmen Redaktion und Verlag keine Gewähr. © 2002 F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH Mainzer Landstraße 195, 60326 Frankfurt am Main Deutsche Beteiligungs AG Kleine Wiesenau 1, 60323 Frankfurt am Main Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen Wiedergabe und der Speicherung in elektronischen Medien. Datenerhebung und -auswertung: Petra Gessner (FINANCE) Redaktion: Petra Gessner (verantw.), Bastian Frien, Markus Dentz (FINANCE) Gestaltung, Satz und Korrektur: Christine Lambert & Daniela Seidel, Vera Pfeiffer (F.A.Z.-Institut) Druck: Metzgerdruck GmbH, Obrigheim Ansprechpartner Deutsche Beteiligungs AG Thomas Franke Kleine Wiesenau 1 60323 Frankfurt am Main Telefon: 0 69 / 95 78 73 07 Telefax: 0 69 / 95 78 73 91 E-Mail: thomas.franke@ deutsche-beteiligung.de 3 Vorwort Sehr geehrte Leserinnen und Leser, die Konzentration auf das Kerngeschäft steht bei Konzernen und großen Mittelständlern hoch im Kurs. Geschäftseinheiten, einst gegründet, und Tochterunternehmen, einst hinzugekauft, zählen oft nicht mehr zur Kernkompetenz und werden veräußert (Spin-off). Dabei gibt es drei Möglichkeiten: den Börsengang, den Verkauf an einen Wettbewerber und das Management-Buy-out, bei dem das Management gemeinsam mit einem oder mehreren Finanzinvestoren das Tochterunternehmen übernimmt. Die letzte Lösung hat den besonderen Reiz, dass das Spin-off-Unternehmen sich zum einen in einen unabhängigen, flexiblen und schlagkräftigen Mittelständler wandelt. Zum anderen bahnt sich das Management den Weg in die unternehmerische Freiheit. Ein neues Unternehmen wird geschaffen. Nicht jedes Tochterunternehmen und nicht jedes Management sind für ein MBO geeignet. Voraussetzung für den Erfolg ist, dass die Tochter und deren Geschäftsführung bereits im Konzernverbund eigenständig und selbstbewusst agieren. Im besten Fall kann sich das Management sogar einen Finanzinvestor als Käufer aussuchen, wenn es das Vertrauen des Konzernvorstandes genießt. Mit anderen Worten: Das Management spielt beim MBO die 4 entscheidende Rolle und kann den Verkaufsprozess maßgeblich beeinflussen. In der vorliegenden Studie berichten zehn beteiligte Manager über ihre MBO-Erfahrungen. Wo liegen die Chancen, wo verbergen sich die Risiken? Welche Herausforderungen stellt die neue Selbstständigkeit an die Geschäftsführung? Die Studie soll all die angestellten Manager von Tochterunternehmen, die nicht mehr zum Kerngeschäft gehören, inspirieren, über den Sinn eines MBOs im eigenen Hause nachzudenken. Sie enthält außerdem wertvolle Informationen für jeden Manager. Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Managern und Finanzinvestoren für ihr Vertrauen und ihre aktive Unterstützung unserer Untersuchung! Gewinn und Spaß beim Lesen wünschen Wilken von Hodenberg Deutsche Beteiligungs AG Inhalt I. Executive Summary 6 II. Deutscher Buy-out-Markt im Überblick 8 4. In Wartestellung: Spin-off der Metro AG 24 9. Spin-off der Siemens AG Vom Tellerwäscher zum Millionär – Nachgebohrt – MacFash und HannoverFinanz Sirona und Permira schaffen neue mit überraschend schnellem Exit Unternehmensidentität 44 Der deutsche Buy-out-Markt sortiert sich 5. Spin-off der VAW aluminium AG (E.ON-Konzern) III. Zehn Erfolgswege eines MBOs bei einem Spin-off 12 10. 28 Spin-off der Celanese AG und der Wacker-Chemie GmbH Hart wie Stahl – Chemie stimmt – Erftcarbon und Bridgepoint Capital investieren Vinnolit und Advent spielen in der Weltliga 48 in neue Fertigungsanlage 1. Spin-off der Continental AG 12 Bücher für Hundertwasser IV. 6. Spin-off der Danone-Gruppe Bamberger Kaliko und BPE Al dente – mit Biss – bauen ein drittes Standbein Birkel und BdW auf Nudelhochzeit Stolpersteine & Erfolgsfaktoren 52 Die Gefahren – 32 Warum scheitern MBOs bei Spin-offs? A) 52 Wo die beteiligten Manager die Stolpersteine sehen und welche 2. 3. Spin-off der Pfleiderer AG 16 7. Spin-off der Caradon plc. 36 Ratschläge sie geben Katz-und-Maus-Spiele – Mit Durchblick – Katz Coasters International und Weru und Triton trotzen Stolpersteine sehen und welchen 3i auf Bierdeckeljagd der Baukrise Rat sie ihren Kollegen geben würden Spin-off der SER Systems AG 20 8. Spin-off der Rütgers AG (RAG-Konzern) Just in time – Gas geben – Forbatech stärkt mit Unterstützung AKsys und die Deutsche Beteiligungs AG der Finanzinvestoren den Vertrieb gehen auf Akquisitionstour B) 53 Wo die Finanzinvestoren die 58 40 5 I. Executive Summary Die in der Studie befragten Manager, die gemeinsam mit Finanzinvestoren eine Konzerntochter über ein Management-Buy-out (MBO) gekauft haben, sammelten die folgenden Erfahrungen: Zwei der größten Vorteile, die ein Tochterunternehmen in seinem Mutterkonzern sieht, sind die finanzielle Sicherheit und die Stabilität, die ein Konzern auf die Kunden der Tochter ausstrahlt. Ein Mythos hingegen ist der Glaube, dass große Synergien im Einkauf und Verkauf mit der Mutter bestehen. Die im Konzern relativ eigenständigen Töchter haben sich jeweils einen eigenen Kunden- und Lieferantenstamm aufgebaut. Die größte Fessel des Mutterkonzerns ist die Weigerung, ihrer Tochter Kapital für Investitionen zur Verfügung zu stellen, weil sie nicht zum Kerngeschäft gehört. Die meisten Töchter litten vor dem MBO unter einem Investitionsstau. Die meisten Konzerne standen beim Verkauf ihrer Töchter unter Zeitdruck. Häufig war dem Spin-off ein Wechsel im Vorstand vorausgegangen. Der Konzern-Vorstand hat großes Vertrauen in die selbstbewusste Geschäftsführung. In sechs Fällen überließ er es dem Management, einen passenden Käufer zu finden. Die anderen fanden den Käufer über ein Auktionsverfahren. 6 Auch in diesem Fall besitzt das Management indirekt Einfluss auf die Auswahl des Käufers. Das Management schaut sich zuerst nach einem strategischen Käufer um. Erst nach dem Scheitern der Gespräche wendet es sich an Finanzinvestoren. Das Management muss mit einer Zwickmühle zurechtkommen: Einerseits soll es loyal für den Mutterkonzern arbeiten und sich für einen möglichst hohen Verkaufspreis einsetzen. Andererseits verfolgt es seine persönlichen Interessen, die eigenen Anteile möglichst billig zu kaufen. Die Finanzierung des Deals empfinden die Manager als realistisch und tragbar. Der Anteil der Fremdfinanzierung liegt zwischen 35 und 67 Prozent. Zum Abbau der Schulden werden 20 bis 100 Prozent des Cashflows eingesetzt. Die Höhe halten die Manager in der Regel für angemessen. Die wichtigsten Investitionen nach dem MBO zielen zum einen auf die Modernisierung und den Neubau von Produktionskapazitäten. Zum anderen fließen die Mittel in die Verbesserung des Vertriebs und in die Kundenbetreuung und Kundenbindung. Eine der größten Herausforderungen nach dem Spin-off sieht die Hälfte des Managements in der Schaffung einer eigenen Unternehmensidentität. In vier Fällen wurde ein neuer Firmenname gewählt. Eine weitere Herausforderung ist die Motivation der Mitarbeiter. Das Umdenken in Cashflowund Ertragsgrößen erhöht für alle Mitarbeiter den Leistungs- und Verantwortungsdruck. Kaum Schwierigkeiten bereitet dagegen der Aufbau eines eigenen Cash-Managements und anderer Aktivitäten auf der Verwaltungsebene. Die Mitarbeiter reagieren mit einer Ausnahme positiv bis begeistert auf das MBO. Die Mitarbeiterzahl bleibt in den meisten Fällen konstant. Die Manager betrachten das MBO als erfolgreiche Abnabelung von der Mutter. Die Umsatzverflechtungen mit der ehemaligen Mutter oder mit anderen Töchtern der Gruppe liegen mit einer Ausnahme bei 0 bis 5 Prozent. Bei einigen Unternehmen stagniert oder sinkt in den ersten ein bis zwei Jahren nach dem MBO das operative Ergebnis, weil die Gesellschaften hauptsächlich mit Aufbau- und Restrukturierungsmaßnahmen beschäftigt sind. Mit dem MBO steigt zwar der Verschuldungsgrad, das Management stuft die Eigenkapitalquote dennoch als hoch und die Liquidität als hoch bis ausreichend ein. Die Manager genießen die neue unternehmerische Freiheit und können endlich ihre Vision umsetzen, die sie unter dem Mutterkonzern nicht realisieren konnten. Die Manager würden, im Nachhinein betrachtet, jederzeit noch einmal ein MBO durchführen. 7 II. Deutscher Buy-out-Markt im Überblick In Wartestellung: Der deutsche Buy-out-Markt sortiert sich Mit hohen Erwartungen sind viele ausländische Private-Equity-Gesellschaften in den letzten zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Die Zahl der Deals hat auch die einheimischen Beteiligungsgesellschaften enttäuscht. In welcher Verfassung befindet sich der deutsche Buy-out-Markt derzeit? Ein kurzer Überblick sieht einen Markt, der wartet – und lernt. Die Buy-out-Branche schwankt derzeit zwischen Wehklagen und Frohlocken, zwischen Hoffen und Bangen. Schlagzeilen machen vorwiegend die spektakulären Fehlinvestitionen wie Bundesdruckerei oder Fairchild Dornier. Erfolgreiche Exits wie Schmalbach Lubeca geraten dagegen zur Randnotiz – sie sind allerdings auch selten geworden. Der Markt steckt in einer hochinteressanten Phase. Einige spannende Investments sind in den vergangenen Monaten gemacht worden, und das in allen Größenordnungen: Im zweistelligen Millionenbereich ging Jack Wolfskin an Bain Capital, Gardena hat mit Industri Kapital für einen dreistelligen Millionenbetrag einen neuen Mehrheitsgesellschafter gefunden. Kompliziert und politisch brisant war die Übernahme der Babcock-Tochter HDW durch One Equity Partners. Auch für Autoteile Unger (Doughty Hanson) und die Swissair-Tochter Gate Gourmet (Texas Pacific) zahlten die Erwerber hohe dreistellige Millionenbeträge. Einige große Deals Den bislang größten Deal des Jahres hat EQT mit dem Simultanerwerb von Haarmann & Reimer und Dragoco für geschätzte 2 Milliarden Euro abge8 schlossen. Spannend ist an der Transaktion vor allem, dass sich hier ein strategischer Investor mit einer Beteiligungsgesellschaft zusammengeschlossen hat. Nicht vergessen werden sollte auch der von Marktexperten als sensationell eingestufte, exklusiv verhandelte Paketdeal von KKR: Die Amerikaner kauften Siemens für rund 1,7 Milliarden Euro auf einen Schlag sieben Tochterunternehmen ab und brachten sie in ein gemeinsames Joint Venture ein. Deals von dieser Sorte könnten in den nächsten Jahren noch weitere folgen. Für die nächsten Monate ist mit weiteren großen Buy-outs zu rechnen: Bei der Veräußerung des Kabelnetzes der Telekom, bei der Bankgesellschaft Berlin und auch bei Salamander haben Finanzinvestoren gute Aussichten, den Zuschlag zu erhalten. Dennoch bleibt nüchtern festzustellen: Nicht alle Träume der Private-Equity-Gesellschaften haben sich erfüllt. Insgesamt 42 Buy-outs mit Unterstützung eines Finanzinvestors finden sich für das laufende Jahr in der FINANCE-DealBank, die den gesamten deutschsprachigen Raum abdeckt (Stand: 21. Oktober 2002). Damit hat im Schnitt nicht einmal jede dritte in Deutschland tätige PrivateEquity-Gesellschaft in diesem Jahr ein Investment getätigt. Viel Geld im Markt An Geld mangelt es nicht. Im letzten Jahr wurden laut BVK weit über 5 Milliarden Euro an Kapital eingesammelt, das in Buy-outs investiert werden soll. Das entspricht bei konservativer Finanzierung mit 50 Prozent Fremdkapitalanteil einem Dealvolumen von über 10 Milliarden Euro. Zwar muss das Geld nicht komplett in Deutschland und auch nicht in diesem Jahr investiert werden. Dem stehen aber nicht abgerufene Gelder aus den Vorjahren gegenüber. Im Klartext: Der Buy-out-Markt schwimmt im Geld, auch wenn das Fundraising für viele PrivateEquity-Gesellschaften in diesem Jahr schwieriger geworden ist. Warum gibt es dann so wenig Abschlüsse? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zunächst einmal unterscheiden sich Nachfrage und Angebot. Der allergrößte Teil der Fondsgelder ist für so genannte große Buy-outs (mit einem Eigenkapitalanteil von über 75 Millionen Euro) bestimmt. Big Deals gab es in diesem Jahr bislang allerdings nur zehn. Bedarf an Eigenkapital haben aber vorwiegend kleinere Unternehmen. Die sind jedoch für die großen Buy-out-Firmen nicht interessant. Zum einen sind häufig nur Minderheitsanteile verfügbar, was für die meisten Investoren nicht in Frage kommt. Zum anderen müssen die Big Player mittlerweile milliardenschwere Fonds investieren, und sie können nicht mehrere Dutzend Portfoliounternehmen betreuen. Außerdem verursacht ein kleiner Buy-out ebenso viel Arbeit wie ein großer, die Ertragsaussichten sind aber viel geringer. Woher sollen die Deals kommen? Seit vielen Jahren geistert die Prophezeiung vom Boom der Nachfolge-Buy-outs durch Deutschland. Die Realität sieht anders aus, und die meisten Finanzinvestoren haben sich damit abgefunden. Nur wenige rechnen für die kommenden Jahre mit mehr als ein, zwei Dutzend Deals. Auch wenn viele Unternehmer mittlerweile über Buy-outs als Nachfolgelösung Bescheid wissen, kommt es nur selten zum Abschluss. In der momentanen Marktverfassung streiken die Verkäufer, weil sie das Preisniveau für viel zu niedrig halten. Wer nicht unbedingt veräußern muss, behält sein Unternehmen noch ein paar Jahre und wartet auf bessere Zeiten. Hoffnung auf Spin-offs Anders sieht es dagegen beim Verkauf von Konzernteilen (Spin-offs) aus. Zwar haben sich auch in diesem Bereich die Hoffnungen vieler Finanzinvestoren noch nicht erfüllt. Doch wenn sich Konzerne erst einmal zur Trennung von einem nicht mehr zum Kerngeschäft gerechneten Bereich entschlossen haben, ist die Schmerzgrenze beim Preis ziemlich hoch. Dazu kommt, dass die Großunternehmen bei Akquisitionen derzeit sehr zurückhaltend sind. Dadurch fallen strategische Investoren, die in der Regel mehr zahlen als Beteiligungsgesellschaften, in vielen Verkaufsprozessen als Konkurrent aus. Auf die Spin-offs richtet sich also zukünftig die Hoffnung der Branche. Schließlich können Veräußerungsgewinne seit diesem Jahr steuerfrei vereinnahmt werden und verbessern so manche durch das schlechte operative Geschäft angeschlagene Bilanz. Außerdem brauchen viele Unternehmen Liquidität, die sie am einfachsten durch Beteiligungsverkäufe erhalten können. Manche Konzerne wollen auch ihre Verlustbringer loswerden. So ist hinter vorgehaltener Hand sogar von negativen Kaufpreisen zu hören – der Verkäufer muss dem Investor also sogar noch etwas überweisen, damit der ihm die Gesellschaftsanteile abnimmt. 9 Problem Auktion Nische Turnaround Allerdings machen sich die Private-Equity-Investoren heute oft untereinander das Leben schwer. Fast alle größeren Deals werden mittlerweile über einen Auktionsprozess an den Käufer gebracht. Die Vielzahl der in Deutschland tätigen, auf große Buy-outs spezialisierten Investoren führt dazu, dass die Preise manchmal den vernünftigen Rahmen sprengen (auch darum blicken viele neidisch auf die von KKR exklusiv eingefädelte Siemens-Transaktion). Das ist vor allem für die Geldgeber ärgerlich, die in mehrere Private-Equity-Fonds investieren und mit ansehen müssen, wie diese im Bieterwettbewerb die Preise in die Höhe treiben. Auch im mittleren Segment werden Auktionsverfahren immer üblicher, nur bei Buy-outs im zweistelligen Millionenbereich haben Interessenten noch gute Aussichten auf ein exklusives Verhandlungsmandat. Nicht immer allerdings erfüllen Auktionsprozesse die Erwartungen des Verkäufers: Viele Bieterverfahren müssen abgebrochen werden, weil keine Dynamik entfacht werden kann. Insbesondere bei schwach aufgestellten Unternehmen ist es schwierig, die Investoren zu begeistern. Dennoch könnten gerade angeschlagene Unternehmen der Renner der nächsten Jahre werden. Das Angebot ist reichlich, und immer mehr PrivateEquity-Gesellschaften sehen in Sanierungsfällen lukrative Investitionsmöglichkeiten. Bislang sind allerdings kaum Player am Markt tätig. Das dürfte sich bald ändern, weil viele Beteiligungsgesellschaften in ihrem angestammten Geschäftsfeld kaum Perspektiven sehen. 10 Allerdings birgt eine strategische Neuausrichtung auf Problemunternehmen hohe Risiken. Sanierungsfälle sind ein gänzlich anderer Investment Case als die traditionell bevorzugten Unternehmen. Die sollen vor allem einen hohen Cashflow aufweisen, damit der durch die Leveraged-Finanzierung aufgehäufte Schuldenberg rasch abgetragen werden kann. Sanierungsfälle dagegen sind naturgemäß margenschwach und verlangen nach Handson-Management. Damit brauchen die Beteiligungsgesellschaften auch einen neuen Typ Investmentmanager. An Stelle der Finanzakrobaten und Strategen sind hemdsärmelige Personen mit operativer Erfahrung – möglichst auch in der Sanierung – gefragt. Die sind in der deutschen PrivateEquity-Szene selten. Wer heute aber einen neuen Fonds auflegen will, hat es als „First-Timer“ häufig schwer, Kapital einzusammeln – viele Investoren dürfen Frischlingen gar kein Geld anvertrauen. Marktreife Wie geht es weiter? Die deutsche Buy-out-Landschaft steht vor einem Umbruch. Nicht alle großen Beteiligungsgesellschaften werden bei den wenigen Megadeals zum Zuge kommen. Sie werden sich notgedrungen in das mittlere Segment herablassen müssen. Das könnte den Druck auf mittelgroße Spieler wie die Hannover Finanz Gruppe oder die Deutsche Beteiligungs AG erhöhen, sich auch den kleineren Investments zuzuwenden. Dort ist die Zahl der Investitionsmöglichkeiten groß, wenn die Perlen auch nicht leicht zu finden – und zu überzeugen – sind. Es wäre ein Zeichen der Marktreife, wenn der Fokus von den wenigen Megadeals auf die Vielzahl kleinerer Gelegenheiten schwenkte. Und dem Mittelstand würde die Professionalität der Finanzinvestoren gut tun. 11 1. Spin-off der Continental AG Bücher für Hundertwasser Bamberger Kaliko und BPE Private Equity bauen ein drittes Standbein Deal-Steckbrief Unternehmen Bamberger Kaliko GmbH, Sitz in Bamberg Branche (Produkte) Textilveredelung (Bucheinbandstoffe, Rollo- und Lamellenstoffe, technische Textilien) MBO 2000 Mutterunternehmen Continental AG Finanzinvestor Berenberg Private Equity Beteiligungs KG (verwaltet durch die BPE Private Equity GmbH) Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Dauer von der ersten Zwei Monate Präsentation bis zum Vertragsabschluss Anteile Management 77% nach dem Secondary- Schon immer haben die Bamberger ihr eigenes Ding gedreht. Nur eines wurde ihnen vom Mutterkonzern Continental erschwert: Investitionen in neue Produkte. Das hat sich seit dem MBO geändert. Mit dem Finanzinvestor BPE im Rücken konnte die Bamberger Kaliko ihre Fertigungskapazitäten erweitern. Jetzt müssen nur noch die Vertriebskanäle erschlossen werden. Das ist aber schwieriger, als die Partner erwartet hatten. „Die Bamberger Kaliko war immer eine Art Betriebsunfall innerhalb des Konzerns“, sagt Peter Klenner. Damals, 1970, wurde der Marktführer für Textilveredelung vom Automobilzulieferer Continental übernommen. „Aber es gab nie Bezüge zur Technologie oder zur Vermarktung der üblichen Produkte des Mutterunternehmens.“ Kaum verwunderlich, dass es Jahre später zum Verkauf kam, als mit einem Wechsel im Vorstand bei Continental eine Strategieanpassung einherging. Buy-out im Jahr 2001 (zuvor 38,5%), Vorkaufsrecht für die restlichen Anteile Anteile Finanzinvestor 12 23% (zuvor 61,5%) Klenner, seit zehn Jahren Geschäftsführer bei der Bamberger Kaliko GmbH, war nicht unglücklich über diese Entscheidung. Er genoss zwar dank der Führungsphilosophie von Continental eine große Entscheidungsfreiheit. Doch Ideen zur Weiterentwicklung des Unternehmens konnte er kaum umsetzen. „Mittel für technologische Innovationen waren hart umkämpft. Wir hatten außerdem schon mehrfach die Möglichkeit, eine gute Firma zu übernehmen, um in unserem Kerngeschäft zu wachsen. Doch wir wurden immer wieder höflich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass wir nicht zum Kerngeschäft gehörten“, erinnert sich der CEO, der für die Haltung des Konzerns jedoch Verständnis hatte. Ein weiteres Problem bestand darin, dass die von dem Konzern angesetzten Benchmarks für die Bamberger Kaliko nicht anwendbar waren, weil die Geschäftszwecke zu unterschiedlich waren. Die Performance der Tochtergesellschaften war somit nicht vergleichbar. Zum Beispiel hinkte der Vergleich des Warenumschlags, weil Äpfel mit Birnen verglichen wurden. „Wir haben einen geringen Warenumschlag, die Reifentöchter einen viel höheren. Da sahen wir natürlich viel schlechter aus.“ Und die Konzernumlage störte natürlich auch, obwohl es nicht um hohe Beträge ging. Trotz der Fessel, die der Konzern den Bambergern angelegt hatte, pflegte Klenner ein offenes und freundschaftliches Verhältnis zur Mutter. Schließlich hat er bei Continental eine lange Karriere hinter sich und kennt die Vorstandsmitglieder persönlich. „Bis zum letzten Tag war ich meinem Unter- nehmen gegenüber loyal. Und eigentlich fühle ich mich immer noch als Continentaler, denn dort bin ich groß geworden.“ Für den Finanzinvestor war das gute Verhältnis von der Tochter zur Mutter ein großer Vorteil: „Das Konfliktpotenzial in den Verhandlungsgesprächen war dadurch genommen. Herr Klenner kannte die Strukturen des Konzerns aus eigener Erfahrung und konnte sich somit sehr gut in die Entscheidungsgrundlagen hineinversetzen“, erinnert sich Aman Miran Khan von BPE Private Equity. Das Verhältnis war aber nicht nur von Offenheit, sondern auch von beidseitigem Vertrauen geprägt: Continental überließ Klenner die Suche nach einem Käufer und motivierte ihn gleichzeitig, auch ein Management-Buy-out (MBO) in Betracht zu ziehen. Zunächst dachte der Kaliko-Chef an einen strategischen Käufer. Doch sein Wunschkandidat war zu jenem Zeitpunkt dabei, ein anderes Unternehmen zu akquirieren und konnte eine weitere Expansion nicht stemmen. In einem zweiten Schritt wählte Klenner vier Finanzinvestoren für erste Gespräche aus; ein alter Studienfreund hatte ihm den Kontakt zu BPE verschafft. Bevor Klenner aber die Private-Equity-Gesellschaften kontaktierte, setzte er sich mit seinen fünf engsten Mitarbeitern, den Leitern der Bereiche Finanzen, Produktion, Vertrieb, Logistik und F&E, zusammen. „Die wollte ich unbedingt mit ins Boot holen, weil sie sehr gute Leute und der Bamberger Kaliko schon viele Jahre verbunden sind. Alle waren von der Idee begeistert und wollten sich beteiligen, selbst der Vertriebsleiter, der schon 40 Jahre im Unternehmen ist und bald in den Ruhestand geht“, freut sich Klenner heute noch. Als Miran Khan sich dieser Gruppe zum ersten Mal vorstellte, kam er sich vor „wie beim ersten Besuch bei der Schwiegermutter“, weil der erlesene, selbstbewusste Kreis ihn intensiv prüfte – für einen Finanzinvestor ungewöhnlich, da diese „Prüfung“ meist eher in die andere Richtung läuft. Innerhalb von zwei Monaten war der Deal unter Dach und Fach. Die Mitarbeiter haben den Verkauf an BPE und das Management gelassen hingenommen, da der Großaktionär bei den meisten ohnehin nie im Bewusstsein präsent war. Die Geschäftsführung hatte zudem klargestellt, dass sich die Strukturen im Unternehmen nicht verändern würden. Der Betriebsrat unterstützte das Vorhaben. Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Technik, Fertigungskapazität Datenverarbeitung Qualifizierung Personal Größte Veränderung seit dem MBO Ausbau der Fertigungskapazitäten, um neue Produkte für Brandschutz- und Dichtungstechnik herzustellen Größte Herausforderung seit dem MBO Die Erschließung neuer Vertriebskanäle für die neue Produktpalette Die gewonnene Freiheit nutzte die Bamberger Kaliko sofort für die Entwicklung eines neuen Marktsegments. Da sie auf der operativen und der Ver13 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte sechs, im Unternehmen seit: CEO 1994 CFO 1975 F&E 1975 Produktion 1983 Logistik 1982 Vertrieb 1962 Veränderungen in der keine Führung seit MBO Veränderungen in der tungstechnik erobert werden. Hier rechnet Klenner langfristig mit besseren Ertragsaussichten als in den traditionellen Geschäftsfeldern. Bei Sonnenschutz und Bucheinband entwickeln sich die Märkte zwar stabil. Das Wachstum könnte aber nur über Akquisitionen angekurbelt werden. Neben den Produktgruppen Bucheinbandstoffe – der prominenteste Kunde war hier wohl der Wiener Künstler Friedensreich Hundertwasser – sowie Rollen- und Lamellenstoffe für den Sonnenschutz sollten nun auch die Segmente Brandschutz- und Dich- Die Idee und das Technologie-Know-how für die neuen Produktanwendungen lagen bereits in der Schublade, weil Mitarbeiter schon vor fünf bis sechs Jahren hieran getüftelt hatten. Es fehlten aber die notwendigen Produktionskapazitäten, die keine (unter 1%) Personalstruktur seit MBO Knackpunkte bei den Bewertungsfragen Altlasten (Dealkiller): Die Stadt hatte ein ehemaliges Betriebsgrundstück erworben. Wichtig hierbei war die Sicherstellung, dass keine Haftung bei evtl. Altlasten durch Erwerber übernommen werden muss. Konzernumlagen Marktentwicklung Gewährleistungen und Garantien der Mutter 14 waltungsebene immer eigenständig war, mussten intern keine neuen Strukturen geschaffen werden. Das Controlling und das Reporting waren zum Beispiel schon zu Continental-Zeiten professionalisiert, so dass der Aufbau eines eigenen CashManagements problemlos verlief. So wurde das MBO finanziert (Anteil des Cashflows, der zum Abbau der Schulden eingesetzt wird: 70%, Verschuldungskapazität wurde nicht voll ausgeschöpft) Finanzierungsstruktur des MBOs Finanzierung des Eigenkapitalanteils des Managements 12,3% 7,7% 60% 20% 100% Eigenkapital Finanzinvestor Eigenkapital Management Nachrangige Darlehen Finanzinvestor Fremdkapital (Darlehen Banken) Hausbankdarlehen „Die engsten Mitarbeiter wollte ich unbedingt mit ins Boot holen, weil sie sehr gute Leute und der Bamberger Kaliko schon viele Jahre verbunden sind. Alle waren von der Idee begeistert und wollten sich beteiligen.“ Peter Klenner, Geschäftsführer, Bamberger Kaliko GmbH Continental nie finanzieren wollte. Die Investition in den Ausbau der Fertigungsanlagen wurde gleich nach dem MBO vorgenommen. „Das bedeutete zwar eine große finanzielle Belastung. Aber wir mussten diesen Mut aufbringen“, sagt Klenner. Das Bamberger Management hat es endlich geschafft, seine langjährigen Visionen umzusetzen. Allerdings ist die Produktion nur der erste Schritt in den neuen Markt. Der zweite Schritt, der Vertrieb, gestaltet sich weit schwieriger als erwartet, weil Vertriebskanäle komplett neu erschlossen werden müssen. Die Bamberger sind daher auf exzellente Vertriebspartner angewiesen. Zweimal mussten sie bereits unerfreuliche Erfahrungen machen: „Wenn der Partner zu lange braucht, um das Produkt in den Markt zu bringen, macht er sehr viel kaputt.“ Klenner und seine Mannschaft versuchen nun, mit den ersten Kundenreferenzen selbst einen Kundenstamm zu etablieren. „Da wir uns in den Anwendungsbranchen unserer neuen Produkte noch nicht so gut auskennen, ist es sehr kostspielig, einen schlagkräftigen Vertrieb aufzubauen.“ Obwohl mit der ehemaligen Mutter so gut wie keine Umsatzverflechtungen bestehen, profitieren die Textilveredler vom weiterhin guten Kontakt. Eine Tochter der Continental könnte als Kunde für die neue Sparte gewonnen werden. Trotz dieser Anlaufschwierigkeiten blickt Klenner optimistisch in die Zukunft und ist zufrieden mit dem MBO. Das Geschäft brummt weiter wie bisher, auch in dieser konjunkturell schlechten Phase. Die Kunden und die Lieferanten, die die Bamberger schon seit Jahren, zum Teil Jahrzehnten, gut kennen, haben Klenner und seiner Mannschaft sogar auf die Schulter geklopft und gratuliert. „Von unseren meist inhabergeführten, mittelständischen Partnern werden wir jetzt sogar auf gleicher Augenhöhe wahrgenommen“, sagt Klenner. Er fühlt sich wohl in seiner Rolle. „Ich habe mich eigentlich immer als Manager und Unternehmer gefühlt, so hat Continental mich eben erzogen. Das MBO war daher gar kein großer mentaler Schritt für mich.“ Nach dem Secondary-Buy-out, bei dem das Management die Mehrheit von BPE erworben hat, befindet sich die 1863 gegründete Gesellschaft bald vielleicht sogar vollständig in Unternehmerhänden. Das Management hat ein Vorkaufsrecht für die restlichen Anteile, die BPE noch hält. Kennzahlen Umsatz 2001 27 Millionen Euro Mitarbeiter 2001 173 Marktposition Marktführer in Europa vor dem MBO Marktposition Marktführer in Europa nach dem MBO Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (+=steigend, 0=stabil, –=fallend) 2000 2001 (MBO) Umsatz + EBIT Mitarbeiterzahl 2002 (erw.) – + + o + + – 0 Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, relevant, 4=hoch, 5=sehr hoch) 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Verschuldungsgrad 3 3 3 Eigenkapitalquote 3 4 4 Liquidität 4 4 4 15 2. Spin-off der Pfleiderer AG Katz-und-Maus-Spiele Katz Coasters International und 3i auf Bierdeckeljagd Deal-Steckbrief Unternehmen Katz International Coasters GmbH & Co. KG, Sitz in Weisenbach/Baden Branche (Produkte) Konsumgüterindustrie (Bierdeckel) MBO 2000 Mutterunternehmen Pfleiderer AG Finanzinvestor 3i Deutschland GmbH Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Dauer von der ersten 18 Monate Präsentation bis zum Vertragsabschluss Anteile Management 35% Anteile Finanzinvestoren 65% Geplanter Exit zum bis zu sieben Jahre Zeitpunkt des MBOs Eigentlich war der Bierdeckelhersteller Katz zu klein für Finanzinvestoren. Also heckten der Geschäftsführer und ein Brite, der lange Jahre beim Konkurrenten tätig war und sich über ein Buy-out bei Katz beteiligen wollte, einen Plan aus: Mit der potenziellen Akquisition des britischen Wettbewerbers hat sich die Tochter der Pfleiderer AG für Private-Equity-Gesellschaften attraktiv gemacht. Weitere Übernahmen sollen nun folgen. Bierdeckel gibt’s in jeder Kneipe, auf jeder Kirmes und bei jedem Konzert. Kaum jemand weiß, dass ein Unternehmen nahezu jeden zweiten davon herstellt. Die Katz International Coasters GmbH & Co. KG aus dem Schwarzwald hält über 40 Prozent an der Produktion weltweit. Das sind Marktanteile, von denen viele nur träumen können. Nur: Pfleiderer, die ehemalige Mutter von Katz, interessierte das wenig. Der Baustoffkonzern hatte die 1903 gegründete Katz Ende der Siebzigerjahre vor der drohenden Pleite gerettet. Abgesehen hatte es Pfleiderer aber nur auf einen Bereich: die Herstellung von Eisenbahnschwellen für die Deutsche Bahn. Die Bierdeckelsparte blieb dagegen jahrelang der vernachlässigte Renditebringer der neuen Stiefmutter. Die Produktion der Pappdeckel erwirtschaftete zwar 16 regelmäßig gute Erträge, doch Pfleiderer hatte weder Interesse an Bierdeckeln noch an strategischem Wachstum. Nicht einmal an die nötigsten Investitionen war zu denken. Als eine Dachreparatur anstand, gab ein Pfleiderer-Vorstand dem Katz-Geschäftsführer Elmar Hohmann einfach nur den zynischen Rat: „Schließen Sie das Loch doch mit einem Schirm.“ Hohmann hört sich solche klugen Ratschläge nicht gern zweimal an. Für ihn hieß es bei der ersten Gelegenheit: Abnabeln von der Mutter. Die Gunst des Augenblicks kam 2000, als der neue Vorstandsvorsitzende der Pfleiderer AG den Konzern auf die Kernkompetenzen konzentrieren wollte. Bierdeckel gehörten nicht dazu. Damit waren die Fronten geklärt: Die Mutter war verkaufswillig, ein Käufer schnell gefunden. Der Brite Richard Brewster, als ehemaliger Manager der britischen Konkurrenz Jarvis Porter schon lange im Bierdeckelgeschäft, plante, sich durch ein Management-Buy-in (MBI) bei Katz einzukaufen. Doch niemand wusste, dass Hohmann sich gleichzeitig durch ein Management-Buy-out (MBO) an Katz beteiligen wollte: „Ich war sehr vorsichtig, wollte mich nicht zu früh aus dem Fenster lehnen.“ Er hielt zunächst still. Denn der Manager steckte, wie so oft bei MBOs, in der Zwickmühle. Einerseits sollte er loyal für Pfleiderer arbeiten und sich für einen möglichst hohen Verkaufspreis einsetzen. Andererseits hatte er das ureigene Interesse, seine Anteile möglichst billig zu kaufen. Als dann unter den Mitarbeitern auch noch Unruhe aufkam, hatte er für den Betriebsrat nur ausweichende Antworten parat: „Ich kann Euch zwar nicht sagen, was passiert. Aber macht Euch keine Sorgen.“ Zumindest laut Hohmann sorgte das für die nötige Ruhe, um weiter das operative Geschäft zu betreiben. Für die Mitarbeiter, die teilweise schon in der dritten Generation für den Schwarzwälder Betrieb arbeiteten, war es eine schwierige Zeit. Aber auch die beiden Manager standen unter Hochspannung. Brewster im Vordergrund und Hohmann im Hintergrund wussten nicht, wie sie den Deal finanzieren sollten. Zu zweit konnten sie das Geld nicht aufbringen. Nur auf die Hilfe von Banken wollten sich die beiden Geschäftsmänner auch nicht verlassen. Hohmann lamentiert: „Die kümmerten sich hauptsächlich um Zahlen und Sicherheiten, für unsere Strategie interessierten sie sich nicht.“ Mit Eigenkapitalgebern hatte Hohman aber keine Erfahrung – Private Equity war noch ein Fremdwort für den Mittelständler. Der Brite Brewster war da zum Glück weitaus besser beschlagen. Nur: Welche Private-Equity-Gesellschaft, gerade in Zeiten des Internet-Booms, interessiert sich schon für eine ehemalige Sägemühle mitten im Schwarzwald? Für die Eigenkapitalgeber war Katz noch zu klein. Der Betrieb war zwar Weltmarktführer und rentabel, erwirtschaftete jedoch zu wenig Umsatz und Wachstum. Katz musste schnell wachsen, um den Investoren ihr eingebrachtes Kapital möglichst bald doppelt und dreifach zurückzahlen zu können. Da gab es nur eine Lösung: Die Bierdeckelsparte des britischen Konzerns Jarvis Porter musste übernommen werden. Brewster war lange Manager bei Jarvis Porter gewesen. Hohmann und er kannten sich schon in dieser Zeit. Sie hatten sich häufig auf Messen getroffen und gescherzt: „Wer übernimmt wen?“ Es blieb bei Liebäugeleien, denn keiner der Betriebe hatte die Mittel, den anderen zu schlucken. Auf einmal schien der Kauf in greifbarer Nähe. Mit Investorenhilfe und ohne die Widerstände des Mutterkonzerns Pfleiderer war es jetzt endlich möglich, das strategische Wachstum durch eine Akquisition an- Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Übernahme eines weiteren Wettbewerbers Einkauf EDV Personal Größte Veränderung seit dem MBO Übernahme eines britischen Wettbewerbers Größte Herausforderung seit dem MBO Aufbau des eigenen Einkaufs 17 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte sieben, im Unternehmen seit: 1. CEO 1992 2. CEO (MBI) 2000 CFO 1980 Vertrieb 1973 Einkauf 1965 Produktion 1975/1988 Veränderungen in der keine Führung seit MBO Veränderungen in der keine Personalstruktur seit MBO Knackpunkte bei den Bewertungsfragen Einschätzung der Stand-alone-Kosten Nachhaltigkeit der Erträge Pensionen 18 zukurbeln und die für Finanzinvestoren kritische Größe zu erreichen. Hohmann und Brewster strickten aus ihren Wachstumsphantasien einen neuen Geschäftsplan. Auch ein neuer Name sollte die Metamorphose bezeugen: Katz International Coasters. Das weckte das Interesse der Investoren. Nur mit der angestrebten Übernahme war es möglich, sie wachzurütteln. Sechs Investoren, die Banken eingerechnet, hatten Interesse an Katz. 3i machte „das interessanteste Angebot“ und bekam den Zuschlag. Für Hohmann war die Voraussetzung, dass die Chemie zwischen den Managern von Katz und den Investoren von 3i stimmte. Es sollte keine Katzund-Maus-Spiele mehr wie in der Zeit davor geben. Stattdessen ein geregeltes Verhältnis zwischen professionellen Geschäftspartnern: „Wir berichten regelmäßig unsere Finanzzahlen, werden aber beim operativen Geschäft nicht gestört.“ Nach den sehr langen Monaten mit schwierigen Verhandlungen war er sehr erleichtert, als endlich die Verträge unterschrieben waren. Und auch erst dann machte Hohmann publik, dass er sich beteiligen würde. Mutter Pfleiderer war zwar erstaunt, Einwände gab es aber nicht. Die beiden frisch gebackenen Unternehmer feierten nicht lange. „Am Tag nach dem Abschluss des Buy-outs stellten wir den ersten Kontakt zu Jarvis Porter her“, blickt Hohmann zurück. Der Bereich „Special Products“, die Bierdeckelsparte von Jarvis Porter, war schon fest in die Businesspläne von Katz integriert. „Die wollten wir haben, nur die.“ Auch hier war die Mutter zum Glück verkaufswillig. Die Internationalisierung der Produktion passt in das Geschäftskonzept: Immerhin 80 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet Katz mit Exporten, und nur im Wachstum des internationalen Biermarkts sieht Hohmann Perspektiven. Daneben konnten jährlich Kosten in Höhe von 2 Millionen Euro gespart werden. So schön diese Synergieeffekte klingen, eine negative Nebenwirkung hatten sie doch: Bei den britischen Bierdeckelherstellern kam es zu Entlassungen. Der deutsche Produktionsstandort war dagegen kaum von der Akquisition betroffen. Hier konzentrierte sich das Management darauf, die verloren gegangenen Kapazitäten des Mutterkonzerns aufzubauen. Während die Einführung eines neuen ITSystems sowie des Cash-Managements keine Schwierigkeiten bereitete, musste Katz finanzielle und personelle Ressourcen für den Aufbau einer eigenen Einkaufsmannschaft einsetzen. Pfleiderer „Wir berichten regelmäßig unsere Finanzzahlen, werden aber beim operativen Geschäft nicht gestört.“ Elmar Hohmann, Geschäftsführer, Katz International Coasters GmbH & Co. KG hatte den Bierdeckelhersteller mit Rohstoffen versorgt. Katz besuchte nun alle Lieferanten und musste die Konditionen neu verhandeln. „Wir haben zwar einige Lieferanten verloren, weil sie uns keine günstigen Angebote gemacht haben. Dafür haben wir uns aber neue gesucht. Das war zwar mühselig, aber insgesamt kein Problem“, erklärt Hohmann. Kennzahlen Heute, ein Jahr später, sieht Hohmann sein MBO noch immer als persönlichen Erfolg. Die Verantwortung lastet nicht allzu schwer auf ihm, auch wenn sein eigener Geldbeutel nun am Schicksal der Firma hängt: „Ein verantwortungsvoller Manager sollte immer mit dem Geld so umgehen, als wäre es sein eigenes.“ Für den Exit gibt es keinen Druck, ein Trade Sale ist aber wahrscheinlicher als ein Börsengang. Drei bis vier Firmen, zu denen Katz International Coasters passen würde, sind auch schon ins Auge gefasst. Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter Umsatz 2001 17,9 Millionen Euro Mitarbeiter 2001 260 Marktposition 50% Marktanteil in vor dem MBO Europa, 40% weltweit Marktposition unverändert nach dem MBO (Angaben inkl. Akquisition der Bierdeckelsparte von Jarvis Porter im Jahr 2001; +=steigend, o=stabil, –=fallend) 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Umsatz + + o EBIT + + o Mitarbeiterzahl o o o Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, ausreichend, 4=hoch, 5=sehr hoch) 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Verschuldungsgrad 3 3 3 Eigenkapitalquote 4 4 4 Liquidität 3 3 3 19 3. Spin-off der SER Systems AG Just in time Forbatech stärkt mit Unterstützung der Finanzinvestoren den Vertrieb Deal-Steckbrief Unternehmen Forbatech GmbH, Sitz in Frankfurt am Main Branche (Produkte) Software (Softwaresysteme für AssetManagement) MBO 2001 Mutterunternehmen SER Systems AG Finanzinvestor Cornerstone Capital (Lead), Heptagon Capital (Freie Sparkassen) Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Dauer von der ersten drei Monate Präsentation bis zum Vertragsabschluss Anteile Management Minderheit, aber über 25% Anteile Finanzinvestor Mehrheit Geplanter Exit zum vier bis sechs Jahre Zeitpunkt des MBOs 20 Die Forbatech GmbH schaffte den Absprung gerade rechtzeitig. Ein knappes Jahr nach dem Verkauf an den Finanzinvestor Cornerstone Capital meldete das ehemalige Mutter- und Neuer-Markt-Unternehmen SER AG Konkurs an. In dem zurzeit schwierigen Softwaremarkt nutzen die beiden Partner nun die Chance, einen schlagkräftigen Vertrieb aufzubauen, nachdem die traditionellen Kunden im IT-Hype vernachlässigt wurden. vorgegangen war und rasanter wuchs als die Finanzsparte. Im Jahr 1997 ging SER an den Neuen Markt. Ein nicht ganz freiwilliger, aber im Endeffekt glücklicher Verkauf: Im Jahr 2001 hatte sich die wirtschaftliche Situation des Softwarehauses SER AG so sehr verschlechtert, dass die Banken um ihre Kredite bangten. Sie forderten daher Veräußerungen von Tochtergesellschaften, um die Kassen der Mutter zu füllen. Es war also ein großes Glück für Forbatech, dass im Juli 2001 die ersten Gespräche stattfanden. Gert Reinhardt, SER-Gründervater und Mehrheitsgesellschafter, und Thorsten Heissel, Geschäftsführer der Tochter, setzten sich zunächst mit strategischen Investoren zusammen. Interessenten kamen sogar aus Übersee. Früh kristallisierte sich das Problem heraus: „Da alle wussten, dass SER unter Verkaufsdruck stand und die Branchensituation ohnehin schwierig war, sank der verhandelbare Kaufpreis relativ schnell in den Keller“, erinnert sich Heissel. „Unter diesen Bedingungen dachte ich: Das können wir auch selbst machen.“ Die Forbatech GmbH (früher SER Banking-Software Solutions GmbH) war eine unabhängige und selbstständige Tochter, die nicht zum Kerngeschäft der Mutter gehörte. Während die Mutter schwerpunktmäßig Software für das Dokumentenmanagement entwickelte und herstellte, war der Bankingarm vor allem auf Software für das AssetManagement spezialisiert. Das Besondere an der Firmengeschichte ist, dass die SER AG im Jahr 1995 als Spin-off aus der gegründeten SER Banking her- Daraufhin sprach er mit den engsten Mitarbeitern der zweiten Führungsebene über die Möglichkeit eines Management-Buy-outs (MBO). Es gab kein langes Zögern. Diese Lösung war die einzige, die ihnen ihre Arbeitsplätze retten konnte. Sie wussten, dass ein strategischer Investor in ihrer Branche üblicherweise die Softwareprodukte und die Kunden im Visier hat. Die Führung würde dagegen wahrscheinlich ausgetauscht und mit eigenen Leuten besetzt werden. Heikel war allerdings, dass schon ein potenzieller Käufer aus der Industrie die Due Diligence durchführte und einen Notartermin organisierte, während Heissel im Herbst 2001 den Kontakt zu drei Private-Equity-Gesellschaften suchte, unter anderem zu Cornerstone Capital. Die Finanzinvestoren führten im Anschluss an die erste Due Diligence ihre eigene durch. Die eingeweihten Mitarbeiter mussten die Prozedur gleich zweimal über sich ergehen lassen. Da beide Interessenten bereit waren, einen ähnlichen Kaufpreis zu zahlen, Cornerstone Capital aber schneller entschied, richtete sich Reinhardt nach dem Wunsch seiner Mannschaft. Im Dezember war der Kaufvertrag unter Dach und Fach. Die Mitarbeiter reagierten mit „Erleichterung bis hin zu Begeisterung, denn sie wussten, dass SER in Schwierigkeiten steckte“, erinnert sich Heissel. Vor allem aber war die Führungsriege erleichtert. Sie konnte sich nun endlich wieder voll und ganz auf ihre Kernkompetenz konzentrieren, nachdem sie unter einem Strategiewechsel der Mutter Ende der Neunzigerjahre gelitten hatte. Gründergeist Reinhardt war wie viele andere vom New-EconomyFieber angesteckt worden und auf den Zug „Knowledge-Management“ aufgesprungen. Ziel war es, ein neues Standbein aufzubauen. „Das erforderte leider auch von unserer Seite Managementkapazitäten und den Einsatz unserer Entwickler und Vertriebsleute. Die Folge war zu unserem Ärger eine Vernachlässigung des Kerngeschäfts. Unsere Kunden haben mit dem Kopf geschüttelt und sich vernachlässigt gefühlt, wie sich im Nachhinein herausstellte“, beklagt der neue CEO. Für eine Abnabelung war es also höchste Zeit. „Die wichtigsten Kunden habe ich schon vor dem Closing telefonisch informiert. Alle anderen Großkunden haben wir dann besucht.“ Allerdings kündigten sich bei den ersten Informations- und Akquisetouren erste Schwierigkeiten an. Obwohl Forbatech auf der operativen Ebene immer sehr unabhängig von der Mutter agierte, hatte SER dem Vertrieb der Tochter viele Vorteile gebracht. „Wir haben erstens von der Größe und vom Bekanntheitsgrad der SER profitiert. Sie war eines der ersten Unternehmen am Neuen Markt. Unsere Kunden haben damals die Finanzkraft unserer Mutter als fast unerschöpflich betrachtet. Wir sind deshalb leichter an Aufträge herangekommen.“ Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Administration Forschung & Entwicklung Marketing & Vertrieb Größte Veränderung seit dem MBO Erweiterung der einköpfigen Geschäftsführung um einen CFO und einen Vertriebsvorstand Größte Herausforderung seit dem MBO Aufbau eigener interner Unternehmensstrukturen und Prozesse/Abläufe sowie die Professionalisierung der Kundenbindung Diese weggebrochenen Vorteile versucht das flügge gewordene Unternehmen nun mit einem stark verbesserten Key-Account-Management wieder 21 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte vier, im Unternehmen seit: CEO 1997 Vertriebsleiter 1998 2 Entwicklungsleiter 1984 Veränderungen in der Erweiterung der Geschäfts- Führung seit MBO führung um zwei Personen (Vertrieb und CFO) Veränderungen in der Steigerung der Mitarbeiter- Personalstruktur seit MBO zahl um 10% aufzuholen. Ein Vertriebsprofi wurde deshalb in den Vorstand berufen. Jetzt arbeitet die vergrößerte Marketing- und Vertriebsmannschaft auf Hochtouren, um die Kundenzufriedenheit, die Servicequalität und den After-Sales-Service permanent zu verbessern. „Wir haben hier große Fortschritte erzielt“, freut sich Heissel. Doch Forbatech hatte sich noch nicht genug von der Mutter emanzipiert. Ein halbes Jahr nach dem MBO verursachte ein unerfreuliches Ereignis Kopfschmerzen. „Seit der Insolvenz unseres ehemali- gen Mutterkonzerns haben wir erhebliche Probleme mit dem Firmennamen. Deshalb haben wir uns entschieden, dem Unternehmen einen neuen Namen zu geben: Forbatech GmbH. Wir müssen und möchten nach innen und außen ein neues Image schaffen.“ Auch in anderen Bereichen löste sich die Nabelschnur zur Mutter nur langsam, zum Teil erst nach einem halben Jahr. „Auf Grund verschiedener Verträge mit der Mutter nutzen wir noch gemeinsame Standorte einschließlich der Serviceleistungen wie So wurde das MBO finanziert (Anteil des Cashflows, der zum Abbau der Schulden eingesetzt wird: 20 bis 30 Prozent, Verschuldungskapazität wurde voll ausgeschöpft) Finanzierungsstruktur des MBOs Finanzierung des Eigenkapitalanteils des Managements 20% 20% 35% 65% 60% Eigenkapital Fremdkapital (Darlehen Banken) 22 Bank-/Sparguthaben Darlehen von öffentlichen Instituten, z.B. KfW, DtA Andere (Beleihung Haus, Lebensversicherung) „Seit der Insolvenz unseres ehemaligen Mutterkonzerns haben wir erhebliche Probleme mit unserem Firmennamen. Deshalb haben wir uns entschieden, dem Unternehmen einen neuen Namen zu geben.“ Thorsten Heissel, Geschäftsführer, Forbatech GmbH Kantine oder Telefon. Das ist, im Nachhinein betrachtet, auf Grund der wirtschaftlichen Situation von SER ungünstig und trägt momentan zur einer Verschlechterung der Stimmung untereinander bei. Besser wäre ein radikaler Schnitt beim Verkauf gewesen.“ Viel angenehmere Beziehungen gibt es dagegen zu den anderen Töchtern von SER. Sie liefern Produkte, die Forbatech direkt an die Kunden weiterverkauft. Sie tragen etwa 15 bis 20 Prozent zum Gesamtumsatz bei, und das soll langfristig auch so bleiben. Dabei existieren sehr strenge Verträge über die Kundenbeziehungen. „Weder die anderen Töchter noch wir dürfen die Kunden des anderen direkt beliefern“, erklärt Heissel. Relativ zügig und problemlos verliefen in den ersten Monaten nach dem MBO die administrativen Anpassungen. Dazu zählten die Einführung eines eigenständigen Rechnungswesens, (Projekt-)Controllings, Marketings und Personal-Recruitings. Die Mitarbeiterzahl stieg um 10 Prozent. Die dadurch gestiegenen Personalkosten finanziert das Unternehmen aus dem Cashflow. CEO Heissel bekam neben dem Vertriebsvorstand auch einen Finanzchef zur Stärkung. Gemeinsam entschieden sie, welche Software oder Softwaremodule abgebaut und welche durch F&E zusätzlich gestärkt werden sollten. Nach dem ersten, turbulenten Jahr seit dem MBO ist CEO Heissel zufrieden mit den Fortschritten seiner Mannschaft. Forbatech blickt nun zielgerichtet in die Zukunft. Mit deutschen und europäischen ITUnternehmen finden Gespräche statt, um sie als Kooperationspartner für die gemeinsame Produktentwicklung zu gewinnen. Mittelfristiges Ziel ist die Expansion innerhalb Europas. Bislang ist das Unternehmen in Deutschland, Österreich und Luxemburg aktiv. In gemeinsamen Workshops mit den Mitarbeitern und in Strategieseminaren mit dem frisch gegründeten Beirat werden alle Beteiligten auch in den kommenden Jahren das Softwareunternehmen zum Erfolg führen. Heissel ist sich sicher: „Wir stehen erst am Anfang.“ Kennzahlen Umsatz 2001 16 Millionen Euro Mitarbeiter 2001 110 Marktposition 70% Marktanteil vor dem MBO in Deutschland Marktposition unverändert nach dem MBO Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (+=steigend, o=stabil, –=fallend) 2001 2002 (MBO) (erw.) Umsatz + + EBIT + o Mitarbeiterzahl + + Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, ausreichend, 4=hoch, 5=sehr hoch) 2001 2002 (MBO) (erw.) Verschuldungsgrad 3 3 Eigenkapitalquote 4 4 Liquidität 3 3 23 4. Spin-off der Metro AG Vom Tellerwäscher zum Millionär MacFash und HannoverFinanz mit überraschend schnellem Exit Deal-Steckbrief Unternehmen MacFash Textil GmbH, Sitz in Frechen Branche Textileinzelhandel (45 Filialen in Deutschland Ursprünglich planten der Textileinzelhändler MacFash und die HannoverFinanz fünf bis sieben Jahre für den Exit ein. Doch es kam anders. Der Schweizer Marktführer Vögele übernahm MacFash drei Jahre nach dem MBO und bescherte den Beteiligten eine traumhafte Rendite. zum Zeitpunkt des MBOs) MBO 1997 Mutterunternehmen Metro AG Finanzinvestor HannoverFinanz Gruppe (Commerz UBAG, Provincial Beteiligungs GmbH) Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Anteile Management 51% Anteile Finanzinvestor 49% Exit 2000, Verkauf an die Schweizer Vögele-Gruppe (ursprünglich waren fünf bis sieben Jahre eingeplant) Reinhard Gorissen war mehr als erfreut, als er hörte, dass sich die Metro AG im Jahr 1996 entschlossen hatte, ihr Portfolio zu bereinigen. Der Geschäftsführer von MacFash, seit 1984 eine Textileinzelhandelstochter von Metro, kann ein Lied von den Problemen mit der Mutter singen. Ein heikles Thema waren die „aufgezwungenen Synergien“ in den Bereichen Einkauf, EDV und Rechnungswesen. MacFash kaufte bei den gleichen Lieferanten ihre Ware ein wie die anderen Modetöchter. „Wir hatten zwar phantastische Konditionen. Aber die Sortimente der Töchter waren dadurch sehr ähnlich. Keine konnte sich am Markt profilieren“, beklagt Gorissen die Einkaufsstrategie. Auch die einheitliche Konzern-IT sei viel zu schwerfällig für den kleinen Textilhändler gewesen. „Die EDV deckte von der Konservendose bis zum Pelzmantel alles ab. Das hatte mit unseren Bedürfnissen nichts zu tun.“ Ärgerlich war außerdem, dass fast täglich eine vereinzelte Information von 24 „irgendeiner Stabsstelle im Konzern“ angefordert wurde. Zudem raubten die regelmäßigen Treffen mit den verschiedenen Bereichen der Mutter enorm viel Zeit. „Bei den Meetings mit dem Vorstand wollte jeder gut abschneiden. Das führte zur Vernachlässigung des Alltagsgeschäfts, weil jeder kurzfristig schöne Zahlen gebastelt hat.“ In der Fehlbesetzung der Geschäftsführerpositionen läge ohnehin der größte Fehler vieler Konzerne. Und natürlich sorgte die Konzernumlage für Konflikte. Kein Wunder also, dass Gorissen in der Abnabelung die Rettung sah. In den Achtzigerjahren hatte sich die Kölner Metro über zahlreiche Akquisitionen und Neugründungen zu einem Mischkonzern gewandelt. Mit einem Wechsel im Vorstand erfolgte auch eine Änderung der Strategie: Es sollten nur Töchter zum Konzern gehören, die mindestens die Nummer drei im Markt waren oder auf einen Umsatz von 500 Millionen Euro zusteuerten. „Unsere MacFash-Gruppe gehörte definitiv nicht zu den Auserwählten. Wir waren ungefähr die Nummer 30 im Markt und haben gerade mal 70 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet“, sagt Gorissen, der damals zur dreiköpfigen Geschäftsführung gehörte. Trotz der Spannungen zwischen Mutter und Tochter hatte Gorissen, der bereits in den Siebzigerjahren „Persönlich wäre ich ruiniert gewesen, wenn es nicht geklappt hätte. Aber ich wusste um die brachliegenden Potenziale der Firma.“ Reinhard Gorissen, ehemaliger Geschäftsführer, MacFash Textil GmbH in die Metro-Gruppe eintrat, einen guten Draht zur Mutter. Während Metro die Verträge mit seinen beiden Geschäftsführerkollegen nicht verlängerte, vertraute der Konzern Gorissen die ersten Verhandlungsgespräche über einen Verkauf der MacFash an: Metro leitete die potenziellen Käufer, welche die beauftragte Investmentbank vermittelte, direkt an Gorissen weiter. Als Favorit galt zunächst ein strategischer Investor aus den Niederlanden. „Da habe ich echte Synergiepotenziale gesehen. Aber die waren in ihrer Entscheidungsfindung zu schwerfällig und hätten am liebsten für die nächsten 20 Jahre jedes Detail kleinlich geplant. Die Bürokratie und Kontrolle wären hier womöglich noch schlimmer als bei der Metro gewesen. Schade!“ bedauert Gorissen. Als schließlich drei weitere Versuche mit Wettbewerbern scheiterten, schlug er seinem Vorstand vor, das Unternehmen selber über ein ManagementBuy-out (MBO) zu kaufen. Dieser staunte zwar, gab aber sein Einverständnis und verfolgte mit Spannung, wie Gorissen die Finanzierung auf die Beine stellte. Das war in der Tat nicht einfach, denn die Branchen Handel und Textil gelten in Deutschland nicht gerade als sichere und profitträchtige Märkte. Die Hausbank, seinerzeit die Commerzbank, fädelte den Kontakt zur Beteiligungsgesellschaft HannoverFinanz Gruppe ein. „Ich habe auch mit zwei anderen Finanzinvestoren gesprochen, um nicht alle Karten auf ein Pferd zu setzen. Die HannoverFinanz hat am schnellsten reagiert und entschieden. Das war wichtig, denn meine Suche nach Kapital verschlang Zeit und ging zu Lasten der Firma.“ Zudem stand die Metro unter Zeitdruck, da die Desinvestitionen schnell vorgenommen werden sollten. „Um den Kaufpreis wurde eine halbe Stunde gefeilscht, Hauptsache, der Deal war vom Tisch“, erinnert sich der ehemalige MacFash-Chef. Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Systeme und Strukturen (z.B. Produktsortiment) Neue Filialen Qualifizierung Personal Größte Veränderung seit dem MBO Zusammenlegung des Ein- und Verkaufs Gorissen war sich des Risikos des MBOs bewusst. „Persönlich wäre ich ruiniert gewesen, wenn es nicht geklappt hätte. Aber ich wusste um die brachliegenden Potenziale der Firma.“ Die kannten auch die leitenden Mitarbeiter, die Gorissen einen Tag vor dem geplanten Closing in die Geheimnisse einweihte. „Ich musste sichergehen, dass die Mannschaft auch hinter dem MBO steht. Glücklicherweise waren alle erleichtert, endlich die Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen.“ Größte Herausforderung seit dem MBO Aufbrechen der Organisations- und Hierarchiestrukturen Endlich konnte er das Geschäftsmodell umsetzen, das die MacFash auf Kurs bringen sollte. Er war sich seines Erfolges gewiss, denn schon unter der Me25 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte eine, im Unternehmen seit: CEO 1984, bei der Metro AG seit 1970 Veränderungen in der Keine Führung seit MBO Veränderungen in der Verringerung der Personalstruktur seit MBO Mitarbeiterzahl (unter 5%) tro-Gruppe hatte er seine Ideen bei einer „Versuchsfiliale“ getestet. Dort hatte er das Sortiment verändert und anders im Laden positioniert, intensive Gespräche mit den Mitarbeitern geführt und Schulungen geleitet. Die Zahlen gaben ihm Recht: Der Umsatz stieg um knapp 50 Prozent. „Dieser positive Test war übrigens ausschlaggebend für das Investment der HannoverFinanz.“ Nach Vertragsabschluss läutete der Chef schließlich die ersten Veränderungen ein. Er packte MacFash gleich bei den Schwächen, die aus der Strate- gie der Mutter resultierten: beim Sortiment und bei der Sortimentsverteilung in den Läden. Zusammen mit den Filialleitern wurde ein neues Konzept für die Sortimentsstruktur aufgestellt und ein Musterladen entwickelt, der klare Vorgaben an die Verteilung der Ware im Geschäft machte. Gleichzeitig überließ Gorissen seinen Angestellten mehr Freiheit, zum Beispiel bei der Auswahl der Mitarbeiter. Eine neue EDV und das Rechnungswesen wurden aufgebaut. Die Einkäufer, bei Metro verwöhnt durch unbegrenzte Finanzmittel, lernten relativ schnell, mit Geld zu wirtschaften. So wurde das MBO finanziert (Anteil des Cashflows, der zum Abbau der Schulden eingesetzt wird: 20 Prozent, Verschuldungskapazität wurde voll ausgeschöpft) Finanzierungsstruktur des MBOs Finanzierung des Eigenkapitalanteils des Managements 10% 12,5% 20% 12,5% 44% 31% Eigenkapital Finanzinvestor Eigenkapital Management Eigenkapital (nachrangige Darlehen Finanzinvestor) Fremdkapital (Darlehen Banken) 26 70% Bank-/Sparguthaben Darlehen von öffentlichen Instituten, z.B. KfW, DtA Hausbankdarlehen Das alles verlief relativ reibungslos. Ein weiterer Einschnitt zwang den Geschäftsführer dagegen zu mehr Zeit und Geduld: das Aufbrechen der traditionellen Organisationsstrukturen im Einzelhandel. Die klassische Trennung von Einkauf und Verkauf hob Gorissen auf, weil „sie schlichtweg falsch ist. Die Einkäufer sagen, dass mit besseren Verkäufern die Ware nicht in den Regalen liegen bleiben würde. Die Verkäufer sagen, sie könnten besser verkaufen, wenn sie die richtige Ware hätten. Man muss beide zusammenführen.“ Das sei aber alles andere als einfach gewesen, da die Einkäufer in der Regel eine sehr große Entscheidungsfreiheit genössen und sich im Organigramm immer gerne ein Stück über den anderen sähen. „Durch viele, zum Teil langwierige Gespräche überzeugte ich zehn der zwölf Einkäufer von der neuen Struktur.“ Die anderen beiden konnten nicht umdenken. An Entlassungen dachte Gorissen nicht, er wollte zunächst abwarten, wie MacFash seinen Weg geht. Eine weitere Herausforderung war das Verhandeln mit den Lieferanten. Einige hatten dem neuen „Kleinen“ gleich schlechtere Konditionen gegeben. Andere ließen sich nur dank des Verhandlungsgeschicks auf eine Verlängerung der sehr günstigen Lieferkonditionen der Metro ein. Im Gegenzug konnten aber auch neue Einkaufsquellen gewonnen werden, vor allem in der Türkei. „Das, was wir durch die Metro an Massenvorteilen, zum Beispiel beim Einkauf, hatten, haben wir durch Schnelligkeit und Flexibilität mehr als kompensiert“, fasst Gorissen zusammen und freut sich über den Motivationsschub, durch den die Mitarbeiter das Unternehmen aktiv vorangetrieben haben. Vermisst hat die Mutter niemand mehr. MacFash nutzte zum Teil zwar noch die Importagentur der Metro, ging aber sonst einen eigenen Weg. Umsatzverflechtungen mit der Metro oder anderen Töchtern gab es nicht. Dann kam plötzlich die Überraschung. Der Schweizer Bekleidungsfilialist Charles Vögele Holding AG, der im Jahr 1999 an die Börse gegangen war, wollte MacFash mit seinen 45 Standorten kaufen. Das Angebot war so lukrativ, dass sich Gorissen und die HannoverFinanz auf den Deal einigten. Das war im Jahr 2000. Heute ist Gorissen frei und unabhängig und immer noch angesteckt vom Unternehmergeist. Er arbeitet als selbstständiger Berater für Standortfragen. Für ihn hat sich seine Entscheidungs- und Risikofreude bereits gelohnt. Kennzahlen Umsatz 1999 58,8 Millionen Euro Mitarbeiter 1999 300 Marktposition ca. Nummer 30 vor dem MBO in Deutschland Marktposition beim Exit unverändert Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (+=steigend, o=stabil, –=fallend) 1997 1998 1999 (MBO) Umsatz + + – EBIT + + – Mitarbeiterzahl – + – Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, ausreichend, 4=hoch, 5=sehr hoch) 1997 1998 1999 (MBO) Verschuldungsgrad 3 3 3 Eigenkapitalquote 3 3 3 2–3 2–3 2–3 Liquidität 27 5. Spin-off der VAW aluminium AG (E.ON-Konzern) Hart wie Stahl Erftcarbon und Bridgepoint Capital investieren in neue Fertigungsanlage Deal-Steckbrief Unternehmen Erftcarbon GmbH & Co. KG, Sitz in Grevenbroich Branche (Hauptprodukt) Stahl- und Aluminiumindustrie Für die Erftcarbon GmbH & Co. KG kam nach dem Auktionsverfahren nur ein Käufer in Frage: Die britische Bridgepoint Capital war die einzige Private-Equity-Gesellschaft, die bereit war, mit einer Investition von 20 Millionen Euro die Anlagen auf den neuesten Stand zu bringen. (Elektroden und Kathoden) Buy-out Finanzinvestor 1998 Bridgepoint Capital GmbH (ehem. Natwest Equity Partners) Mutterunternehmen VAW aluminium AG (Tochter der E.ON, 2002 an die norwegische Hydro verkauft) Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Dauer von der ersten acht Monate Präsentation bis zum Vertragabschluss Anteile Management 15 Prozent Anteile Finanzinvestor 85 Prozent Geplanter Exit vom vier bis sechs Jahre Zeitpunkt des MBOs 28 Keine Investitionen mehr. Sehr simpel und deutlich lautete die Botschaft der VAW aluminium AG, einer Tochter von E.ON. Dr. Joachim Hank leitete zu jenem Zeitpunkt einen Geschäftsbereich, der Kohlenstoffund Graphitprodukte für die Stahl- und Aluminiumindustrie herstellte. VAW wollte sich dagegen vollständig auf das Kerngeschäft Aluminium konzentrieren. „Mir war bewusst, dass unser Geschäftsbereich nicht mehr in das Portfolio der VAW passte“, sagt Hank. Fest stand, dass die Einheit veräußert werden sollte. Das funktionierte aber nicht von heute auf morgen. „Ich wusste, dass wir zunächst unseren Geschäftsbereich aus dem Konzern herauslösen und eine selbstständige rechtliche Einheit schaffen mussten. Sonst hätten wir niemals einen Käufer gefunden“, erklärt Hank. Die Mutter VAW überließ die weiteren Schritte Hank und seinen Kollegen. Und das bedeutete Sisyphusarbeit. Die Ausgliederung der Geschäftseinheit, der so genannte Carve-out-Prozess, dauerte insgesamt über ein Jahr. Zunächst wurde der Standort Grevenbroich aufgeteilt, an dem noch zwei weitere Geschäftsbereiche der VAW tätig waren. Die bis dahin gemeinsam genutzten Serviceeinheiten wie zum Beispiel die Werkstätten mussten zugeordnet und räumlich getrennt werden. Die Verwaltung mit Buchhaltung und Einkauf wurde ebenfalls auf die Geschäftsbereiche aufgeteilt. Dann erfolgte die Vermessung des Grundstücks, das mit Gebäuden, Maschinen und Anlagen auf die neu gegründete VAW Carbon GmbH, eine 100-prozentige Tochter der VAW aluminium AG, übertragen wurde. „Kompliziert war die Ausgliederung nicht, dafür aber äußerst arbeits- und zeitaufwendig. Allerdings hätten wir ohne die Unterstützung des Betriebsrates sicherlich Probleme bekommen, da wir auf die volle Unterstützung der Belegschaft angewiesen waren.“ Während der Carve-out-Prozess voll im Gange war, steckte die Mutter bereits vorsichtig die Fühler nach einem Käufer aus. Erste Gespräche mit den Wettbewerbern fanden statt. Hank, der schon in den Siebzigerjahren zur VAW gekommen war und das Vertrauen seines Vorstandes genoss, nahm an diesen Gesprächen teil. Sein großer Einfluss und Handlungsspielraum kamen ihm dabei zugute. Die strategischen Investoren zählten nicht zu den favorisierten Käufern, weil sie unter anderem in der Regel die Führungspositionen gerne mit eigenen Leuten besetzen. Viel wichtiger war das folgende Argument: „Wir brauchten einen finanzstarken Käufer“, erklärt Hank. Mit anderen Worten: Die frisch gegründete Tochter brauchte etwa 20 Millionen Euro, um in eine Anlage zum Graphitieren zu investieren, die nach dem Investitionsstop bei VAW nicht mehr wettbewerbsfähig war. Die Wettbewerber konnten diese Mittel nicht bereitstellen. Die existenzielle Frage lautete also: Welcher Käufer könnte solch eine Investition stemmen? Über ein Auktionsverfahren meldeten sich zwar ungefähr zehn Interessenten. Schnell zeigte sich aber, dass nur der Finanzinvestor Bridgepoint Capital GmbH zum Kauf und zur Weiterentwicklung der Gesellschaft bereit war. „Der Kaufpreis und der Investitionsbedarf lagen ungefähr in der gleichen Größenordnung. Die Finanzierung war daher eine besondere Herausforderung des Deals, der im Übrigen ein Asset-Deal war“, sagt Dr. Wolfgang Lenoir, Geschäftsführer von Bridgepoint Capital in Deutschland. Für Hank war der britische Finanzinvestor ohnehin nach verschiedenen Gesprächen der Wunschpartner. „Bridgepoint hat verstanden, worum es uns ging. Ihr ernsthaftes Interesse zeigte sich auch darin, dass sie zur ersten Unternehmenspräsentation gleich Vertreter von zwei Banken mitbrachte. Das hat mich beeindruckt.“ Nach dem Closing erhielt das „wieder geborene“ Unternehmen zunächst einen neuen Namen: Erftcarbon GmbH & Co. KG. Dann ging es sofort an die Arbeit. „Es sollte für unsere Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter keine Verbindungen mehr zu VAW geben. Dann folgte der Bau der Graphitierungsanlage. „Sie verbraucht ein Drittel weniger Strom, benötigt nur die Hälfte an Personal und verdoppelt den Output. Wir konnten unsere Produktivität insgesamt um 20 Prozent steigern.“ Zur Effizienzsteigerung beigetragen haben auch die Restrukturierungsmaßnahmen, die den gesamten Produktionsund Arbeitsprozess flexibilisieren. „Wir können Nachfrageschwankungen nun besser ausgleichen. Hierbei hilft vor allem ein flexibles Arbeitszeitmodell mit Jahresarbeitszeitkorridoren.“ Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Änderung der Technik Kapazitätsausbau im Bereich Graphitierung Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen Größte Veränderung seit dem MBO Investition in eine neue Fertigungsanlage Größte Herausforderung seit dem MBO Flexibilisierung der Arbeitsprozesse und Optimierung des Produktionsprozesses 29 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte vier Veränderungen in der 2001 ging der Geschäfts- Führung seit MBO: führer Technik in den Ruhestand. Die Position wurde nicht wieder besetzt. Knackpunkte in den Bewertungsfragen Prognose der Produktpreis- und der Kostenentwicklung Höhe der notwendigen Investitionen Drohende Eventualverbindlichkeiten (Umweltrisiken) und Gewinnausschüttung an den Vorbesitzer Das Management wusste, dass es seiner Belegschaft viel an Veränderungsgeist und -willen abverlangt. Nicht alle wollten diesen Wandel unterstützen. „Der Mann an der Maschine hatte kein Problem, sich flexibleren Schichtmodellen anzupassen. Schwierigkeiten gab es eher auf der zweiten und dritten Führungsebene“, berichtet Hank. „Einige fühlten sich schlichtweg überfordert.“ Das hatte Konsequenzen: Einige Positionen in der technischen Führung wurden mittlerweile mit neuen Mitarbeitern besetzt. Obwohl die Mitarbeiterzahl insgesamt seit dem MBO konstant geblieben ist, erforderte der Wandel auch eine Veränderung in der Personalstruktur: Auf der einen Seite reduzierte sich durch die Optimierung des gesamten Arbeits- und Produktionsprozesses die Mitarbeiterzahl. Auf der anderen Seite brauchte Erftcarbon dank der Produktionssteigerung mehr Arbeitskräfte. die Einführung eines Cash-Managements erfolgte schnell. Mehr Zeit dagegen benötigten das Umdenken und die starke Orientierung an den Kennzahlen. Während die ehemalige Mutter VAW bei anstehenden Investitionen die Berechnung der Wirtschaftlichkeit forderte, will der Finanzinvestor dagegen ganz genau wissen, wann wie viel Cash in die Kasse fließt. So wurde das MBO finanziert Finanzierungsstruktur des MBOs 11% 1% 44% Die Anpassungen in den anderen Bereichen verliefen dagegen reibungslos. Einkauf und Vertrieb lagen auch schon zu VAW-Zeiten in den Händen der Tochter. Erftcarbon bezieht seit Jahren seine Rohstoffe bei den gleichen Lieferanten. Überschneidungen mit Kunden der Mutter gab es nicht. Auch 30 44% Eigenkapital Finanzinvestor Eigenkapital Management Mezzanine inkl. Gesellschafter-Darlehen von Bridgepoint Fremdkapital (Darlehen Banken) „Der Mann an der Maschine hatte kein Problem, sich flexibleren Schichtmodellen anzupassen. Schwierigkeiten gab es eher auf der zweiten und dritten Führungsebene.“ Dr. Joachim Hank, Geschäftsführer, Erftcarbon GmbH & Co. KG Die harte Arbeit des Umbaus und des Umdenkens hat sich gelohnt. Die Umsätze sind seit dem MBO gestiegen. Allerdings kämpft Erftcarbon im Jahr 2002 mit Ergebnisrückgängen. Dies resultiere zum einen aus der Konjunkturkrise. „Zum anderen haben unsere Konkurrenten ihre Lager massiv abgebaut und dadurch die Preise kaputtgemacht.“ Erftcarbon reagierte auf diese Entwicklung mit dem Rückzug aus dem USA-Geschäft. Dort liegt die Stahlindustrie am Boden, und sie generierte ohnehin nur minimale Umsätze für die Deutschen. Zudem passte Hank die Lieferkonditionen an, „um früher an Geld zu kommen. Wir haben aber noch genügend Cash, um den Tilgungsplan zu erfüllen, der aus dem MBO hervorging.“ Trotz der Probleme auf der Ertragsseite bereut Hank nicht, den Schritt ins Unternehmertum gewagt zu haben. „Die Freiheiten sind heute größer, und wir sind in Europa jetzt wieder ein schlagkräftiger Wettbewerber. Ich erwarte, dass es nächstes Jahr aufwärts geht, und dann bereitet das Geschäft wieder richtig Freude.“ Kennzahlen Umsatz 2001 93, 9 Millionen Euro EBIT 2001 11,3 Millionen Euro Jahresüberschuss 2001 4,4 Millionen Euro Markposition Nummer 3 in Europa nach dem MBO Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (+=steigend, o=stabil, –=fallend) 1998 1999 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Umsatz o – + + – EBIT o – – + – Mitarbeiterzahl o o o o o Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, ausreichend, 4=hoch, 5=sehr hoch) 1998 1999 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Verschuldungsgrad 3 4 4 3 3 Eigenkapitalquote 3 3 3 3 3 Liquidität 3 3 3 3 3 31 6. Spin-off der Danone-Gruppe Al dente – mit Biss Birkel und BdW auf Nudelhochzeit Deal-Steckbrief Unternehmen Birkel Teigwaren GmbH, Sitz in Waiblingen Branche (Produkte) Lebensmittelindustrie (Nudeln) MBO 1998 Mutterunternehmen Danone-Gruppe Finanzinvestor Beteiligungsgesellschaft Der Nudelhersteller Birkel befand sich noch mitten in der Restrukturierung, als der Mutterkonzern Danone den Verkauf verkündete. Als die Verhandlungen mit französischen und italienischen Interessenten scheiterten, ergriff das Management die Initiative und führte ein MBO durch. Gemeinsam mit dem Finanzinvestor BdW hat Birkel seit dem MBO zwei Wettbewerber übernommen und will den Markt weiter konsolidieren. für die deutsche Wirtschaft GmbH (BdW) Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Dauer von der ersten sechs Monate Präsentation bis zum Vertragsabschluss Anteile Management 40% (nach dem MBO zunächst 51%) Anteile Finanzinvestor 40% (nach dem MBO Die Birkel Teigwaren GmbH hat ein turbulentes Jahrzehnt hinter sich. Im Jahr 1990 kaufte Danone das 1874 gegründete Familienunternehmen. Ein Jahr später fusionierte Birkel mit den Firmen TAG Nahrungsmittel und Sonnen Bassermann. Im Jahr 1998 verkaufte Danone die deutsche Tochter im Rahmen eines Management-Buy-outs (MBO), da die Franzosen Mineralwasser, Joghurt und Gebäck als neue Kernkompetenzen definierten. zunächst 49%) Anteile VK Mühlen 20% Geplanter Exit zum explizit kein Exit Zeitpunkt des MBOs vorgesehen 32 Die Entscheidung kam für Dr. Werner Hildenbrand überraschend. Er war 1994 als Geschäftsführer zu Birkel gekommen, um das Unternehmen zu restrukturieren. „Wir steckten noch mitten im Umbau. Ich habe gezweifelt, ob wir einen Käufer finden würden, der die Maßnahmen unterstützt und bezahlen kann“, erinnert sich Hildenbrand. Danone sprach zunächst mit der Beteiligungstochter der französischen Großbank Paribas. Nach einer Absage wandte sich der Konzern an den italienischen Pastaspezialisten Barilla. Hildenbrand nahm an den Verhandlungsgesprächen teil. „Mein Gefühl sagte mir, dass der Deal mit Barilla nicht klappen könnte. Ich dachte mir: Warum nicht selbst den Laden übernehmen?“ Er besprach seine Gedanken mit den beiden engsten Kollegen aus Produktion und Vertrieb, die sich gerne von der Idee anstecken ließen. Also schrieb der damals angestellte Manager im März 1998 einen Brief an den Danone-Präsidenten und schlug ihm ein MBO als Lösung vor. Auch seine Vorstellung vom Kaufpreis nannte er. Anders als der industrielle Interessent verlangte er dabei aber keine Garantieerklärungen. Zweitens hob er den positiven Imageeffekt hervor, weil Danone das Unternehmen nicht hin und her schiebe, sondern es wieder in seine ursprüngliche mittelständische Unabhängigkeit zurückführte. Und drittens würden Arbeitsplätze aufgebaut, was unter Barilla fraglich gewesen wäre. Nach dem Brief war erst einmal Funkstille. Im April 1998 scheiterten die Verhandlungen mit Barilla endgültig. Die Chance für das Management: „Ich habe den Finanzvorstand von Danone auf meinen Brief angesprochen. Er bat mich darum, ihm fünf Minuten Zeit zu geben“, erzählt Hildenbrand. „Dann ging er hinaus und telefonierte. Es war zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft. Als er zurückkam, sagte er nur: Der Ball ist bei Euch.“ Nun war der erste Schritt geschafft. Das Management würde die Nudelsparte Birkel übernehmen. Der andere Bereich, Sonnen Bassermann, ging an den amerikanischen Ketchup-Riesen Heinz. Doch wie das Ganze finanzieren? Hildenbrand machte sich zusammen mit seinen beiden Kollegen auf die Suche nach einem Finanzinvestor – und wurde bei der Beteiligungsgesellschaft für die deutsche Wirtschaft (BdW) fündig. Die BdW war der einzige Finanzinvestor, der nicht die Mehrheit am Unternehmen beanspruchte, sondern sich mit 49 Prozent zufrieden gab. „Ich war da vielleicht ein bisschen forsch und unerfahren, aber ich wollte die Kontrolle über das Unternehmen haben.“ BdW hat außerdem ein langfristiges Engagement akzeptiert, das heißt, die Frage des Exits spielte keine wesentliche Rolle bei den Verhandlungen. Wie kam Hildenbrand überhaupt auf die Idee, ein MBO durchzuführen? „Es hing sicherlich mit meinem Umfeld zusammen“, meint er im Rück- blick. „Ziemlich viele Unternehmer und Selbstständige. Und meine Eltern waren ihr Leben lang Unternehmer.“ Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Nach dem MBO ging es dann mit der Restrukturierung weiter. Kurz zum Hintergrund: Birkel schrieb seit Beginn der Neunzigerjahre rote Zahlen. Grund allen Übels war der erbitterte Preiskrieg, den sich die deutschen Marktführer Birkel und 3 Glocken seit den Achtzigerjahren lieferten. „Wir leiden heute noch unter den schlechten Margen, das sind die Nachwehen des Konkurrenzkampfes.“ Zwei Akquisitionen Produktion Restrukturierung Größte Veränderung seit dem MBO Restrukturierung 2002 Der härteste Einschnitt, der mit dem Verkauf des Unternehmens einherging, war die Stilllegung des Werkes in Endersbach bei Stuttgart. Die Produktion wurde aus Effizienzgesichtspunkten auf Mannheim konzentriert. Die Verwaltung inklusive Vertrieb und Marketing blieb dagegen in Waiblingen, um die Belegschaft nicht noch stärker zu strapazieren. Die Reaktionen der Mitarbeiter auf den Verkauf waren daher sehr unterschiedlich. Die Endersbacher zeigten sich entrüstet, die Mannheimer dagegen erleichtert, denn sie wussten, dass unter Barilla auch ihre Arbeitsplätze gefährdet gewesen wären. Größte Herausforderung seit dem MBO Über die aktive Marktkonsolidierung in Deutschland und über neue Produktsortimente mehr Marktanteile gewinnen Die Mitarbeiter in Endersbach standen nun vor der Wahl. Entweder sie akzeptierten den großzügigen 33 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte drei, im Unternehmen seit: CEO 1994 Produktion 1975 Vertrieb & Marketing 1994 Veränderungen in der eine (Ruhestand) Sozialplan von Danone, oder sie nahmen das Risiko auf sich, den Wohnort zu wechseln und für ein „neu“ gegründetes mittelständisches Unternehmen zu arbeiten. „Diese Art Eigenselektion hatte zur Folge, dass die motiviertesten und die risikofreudigsten Leute zu uns kamen. Das war uns nur recht.“ Führung seit MBO Für den Umbau von Birkel erhielt Hildenbrand Rückendeckung aus Paris. Die Konzepte, die das deutsche Management entwickelt hatte, überzeugten die Franzosen, so dass sie die Restrukturierungskosten für die Werkschließungen und die Verlagerung von Maschinen und Kapazitäten übernahmen. Das Verhältnis zur Mutter war ohnehin gut. „Danone hat uns vertraut und uns immer freie Hand gelassen“, lobt Hildenbrand. Birkel genoss eine Knackpunkte bei den Bewertungsfragen Marktentwicklung Umweltrisiken Finanzinvestor verlangte für ein Jahr eine Bürgschaft des Managements zusätzlich zum Eigenkapital So wurde das MBO finanziert (Anteil des Cashflows, der zum Abbau der Schulden eingesetzt wird: 100%, Verschuldungskapazität wurde nicht voll ausgeschöpft) Finanzierungsstruktur des MBOs 5% 50% Eigenkapital Finanzinvestor Eigenkapital Management Nachrangige Darlehen Finanzinvestor Fremdkapital (Darlehen Banken) 34 Finanzierung des Eigenkapitalanteils des Managements 5% 40% 50% Bank-/Sparguthaben Hausbankdarlehen 50% „Ich war da vielleicht ein bisschen forsch und unerfahren, aber ich wollte die Kontrolle über das Unternehmen haben.“ Dr. Werner Hildenbrand, Geschäftsführer, Birkel Teigwaren GmbH hohe Eigenständigkeit beim Einkauf, bei der Produktion und beim Vertrieb. „Außerdem bekamen wir immer finanzielle Unterstützung, wenn wir sie brauchten. Vom Erfahrungs- und Wissensaustausch mit den anderen Töchtern habe ich selbst sehr profitiert.“ Trotz der Vorteile, die die Mutter brachte, ist Hildenbrand nun froh, sein eigener Herr im Haus zu sein. Denn einen großen Nachteil gab es vor dem MBO: 30 bis 35 Prozent seiner Arbeitszeit verbrachte er mit Reisen und Meetings in Paris. Nach dem Deal hatte er endlich Zeit, sich voll auf die Wachstumsstrategie von Birkel zu konzentrieren. Ziel war die Konsolidierung der Wettbewerber, um den ruinösen Preiskampf zu stoppen. Mit der Übernahme der 3 Glocken GmbH ein Jahr nach dem MBO und der Möwe Teigwaren GmbH im Jahr 2001 ist Birkel seinem Ziel ein Stückchen näher gerückt. Zur Wachstumsstrategie zählt auch der Ausbau des Vertriebs. Zum einen drängt Birkel in den Absatzmarkt der Großverbraucher. Zum anderen wird der Export nach Russland und in die baltischen Staaten langsam aufgebaut. Hiervon verspricht sich Hildenbrand allerdings keine allzu großen Wachstumsschübe, da „Nudeln ein regionales und vor allem ein italienisches Geschäft sind“. Weiterhin will Birkel vor allem mit neuen, kreativen Produkten den Wettbewerbern Marktanteile abjagen. „Wir decken mit unserem Sortiment mittlerweile alles von preisgünstiger Mischware bis zu hochpreisigen Nudelspezialitäten ab. Damit werden wir für den Handel interessanter, da er von uns alles aus einer Hand bekommt.“ Kennzahlen Umsatz 2001 150 Millionen Euro Mitarbeiter 2001 460 Marktposition Marktführer in Deutschland vor dem MBO Marktposition unverändert nach dem MBO Als Markenhersteller leidet Birkel ganz besonders unter der Abwanderung der Konsumenten hin zu Billigprodukten und Handelsmarken. Der Teigwarenmarkt wächst zwar jährlich um 6 bis 7 Prozent, allerdings nicht zu Gunsten der Marken. Hinzu kommt, dass im Jahr 2001 die Rohstoffpreise um 30 Prozent in die Höhe geschossen sind. „Diese Kostensteigerung können wir nicht durch Preiserhöhungen kompensieren.“ Birkel hat bereits mit einer Reduzierung der Produktionsschichten reagiert. Während zuvor aus den Werken sieben Tage lang Nudeln rollten, wird heute nur noch an fünf Tagen produziert. Kein Zweifel, auf dem Nudelmarkt wirbelt zurzeit ein starker Gegenwind. Doch Hildenbrand bereut seinen Schritt in die Selbstständigkeit nicht und trotzt dem Sturm. „Wir werden auch dieses schwierige Jahr meistern und mit unserer Strategie langfristig erfolgreich sein.“ Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (Angaben inkl. Übernahmen der 3 Glocken GmbH im Jahr 2000 und der Möwe Teigwaren GmbH im Jahr 2001, +=steigend, o=stabil, –=fallend) 1998 1999 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Umsatz o o + + o EBIT – + – o o Mitarbeiterzahl – – + + o Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, ausreichend, 4=hoch, 5=sehr hoch) 1998 1999 2000 2001 4 4 3 (MBO) Verschuldungsgrad 1 2002 (erw.) 3 Eigenkapitalquote 4 3 3 3 3 Liquidität 4 4 4 3 2 35 7. Spin-off der Caradon plc. Mit Durchblick Weru und Triton trotzen der Baukrise Deal-Steckbrief Unternehmen Weru AG, Sitz in Rudersberg Branche (Produkte) Wohnungsbauindustrie (Fenster und Türenbau aus Kunststoff, Holz und Aluminium) MBO Mutterunternehmen 1999 Caradon plc. Als der Finanzinvestor Triton 1999 beim Fensterund Türenbauer Weru AG einstieg, waren beide Partner fest davon überzeugt, dass die Baubranche das Tal der Tränen hinter sich lassen würde. Das Gegenteil ist aber der Fall, in der Branche geht es nunmehr seit acht Jahren kontinuierlich bergab. Daher mussten die Partner ihre ursprünglich vereinbarte Wachstumsstrategie anpassen und die Kosten massiv senken. (Großbritannien) Finanzinvestor The Triton Fund Rechtsform vor AG dem Buy-out Dauer von der ersten acht Monate Präsentation bis zum Vertragsabschluss Anteile Finanzinvestor 98,5% der Aktien (TFB Fenster-Beteiligungs GmbH, im Besitz der Fenster Holding GmbH) Anteil Management Es ist am Kapital der Fenster Holding GmbH beteiligt Anteil des Cashflows, 50 bis 70% der zum Abbau der (Verschuldungskapazität Schulden eingesetzt wird wurde nicht voll ausgeschöpft) Geplanter Exit vom Zeitpunkt des MBOs 36 sechs bis sieben Jahre „Wir brauchten eine Zeitlang, bis wir wirklich die Sprache des anderen verstanden“, erinnert sich Walter Had. Der Vorstandsvorsitzende der Weru AG in Rudersberg bei Stuttgart hatte nach der Übernahme durch den Triton Fund im Jahr 1999 das Gefühl, am Finanzinvestor vorbeizureden, weil dieser wiederholt und beharrlich nach allen möglichen Zahlen fragte. Dr. Matthias Hillmann wiederum, der das Investment für Triton durchgeführt hatte, war sich nie sicher, ob das vorgelegte Zahlenwerk das schwäbische Unternehmen richtig wiedergab oder nicht doch zusätzliche Informationen relevant sein könnten. Heute kennen sich beide sehr gut und wissen die Fragen des Partners zu interpretieren. „Verständnis und vor allem Vertrauen ist besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten unerlässlich. Wir arbei- ten sehr hart, um das Unternehmen in einer brachliegenden Bauwirtschaft voranzutreiben“, sagt Had. Entgegen den Erwartungen, die Baubranche würde sich ab 2001 erholen, befindet sie sich weiterhin auf Talfahrt. Weru muss daher Umsatzund Ertragseinbußen verkraften. Bereits im Jahr 2001 war der Umsatz um etwa 12 Prozent gefallen, für das Jahr 2002 wird eine ähnliche Größenordnung erwartet. Der Rückgang schmerzt. Doch ohne den Finanzinvestor – da sind sich Had und Hillmann einig – sähe es wohl um einiges schlechter aus. Was war passiert? Das Unternehmen ist in Deutschland Marktführer im Fenster- und Türenbau. Seine Tradition reicht bis zur Gründung im Jahr 1843 zurück. Im Jahr 1995 wurde Weru vom britischen Mischkonzern Caradon plc. gekauft. Die Briten ließen die Schwaben zwar in ihrer Struktur und Unabhängigkeit unberührt. Sie setzten lediglich einen eigenen Mann auf den Finanzposten, der für ein strenges und regelmäßiges Reporting sorgte. Allerdings gab es einen sehr großen Einschnitt beim Einkauf: Caradon wollte Synergien nutzen und setzte auf Global Sourcing. Auf einmal musste zum Beispiel ein bestimmtes Glas aus Malaysia bezogen werden, das aber dann prompt nicht in die Fensterrahmen passte. „In unserem Geschäft ar- beiten wir mit Spezialanfertigungen, da müssen die Maße exakt stimmen. Ein Global Sourcing macht bei unserer handwerklichen Struktur in der Kunststoffverarbeitung einfach keinen Sinn“, erklärt Had. Die Konflikte zwischen den britischen Einkäufern und den deutschen Fachabteilungen schwelten, Unmut und Unzufriedenheit machten sich breit. Die Briten erkannten zwar auch das Problem, sahen sich aber nicht zum Handeln gezwungen. Als schließlich ein Wechsel in der Führung von Caradon stattfand, wurde entschieden, komplett aus der Bauindustrie auszusteigen und alle Fensterbeteiligungen in den USA, Großbritannien und Deutschland abzustoßen. Had, der 1997 zu Weru kam, freute sich über diese Entscheidung. Nachdem er bei zwei kleineren, börsennotierten Mittelständlern bereits im Vorstand tätig gewesen war, konnte er sich durchaus vorstellen, über ein ManagementBuy-out (MBO) endlich auch unternehmerisch aktiv zu werden. Über eine Auktion, an der strategische Interessenten und Finanzinvestoren teilnahmen, fiel die Wahl des Managements auf Triton. Dabei genoss das selbstbewusste Management das volle Vertrauen der Mutter. „Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zu den Briten. Die fragten uns, wen wir haben wollten, und wir antworteten: Triton.“ Die strategischen Investoren waren recht früh aus dem Rennen ausgeschieden, weil ihnen der Kaufpreis zu hoch erschien. Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Had fiel es nicht schwer, in das unternehmerische und das finanzielle Risiko zu gehen. „Ich weiß, welches Potenzial in unserem Unternehmen steckt. Außerdem haben wir es mit einem professionellen und vertrauenswürdigen Partner zu tun, hinter dem Investoren wie Sal. Oppenheim und Ikea stecken.“ Bei seiner Entscheidung haben ihm wohl auch seine Erfahrungen mit Caradon geholfen, auf die er nicht verzichten mag: „Ich habe sehr von der Internationalität profitiert. Die Führungskräfte der Töchter haben sich regelmäßig zum Austausch getroffen, mit dem Ziel, die Arbeitsprozesse zu verbessern. Viel gelernt habe ich auch von der sehr einfach strukturierten und geradlinigen Managementphilosophie „Keep it simple“. Wir Deutschen sind oft viel zu kompliziert in der Entscheidungsfindung.“ Die Mitarbeiter reagierten relativ gelassen auf die Verkaufspläne, die Had von Beginn an offen kommunizierte. Sie waren es bereits gewöhnt, dass die Anteilseigner ihres Unternehmens regelmäßig wechselten. Weru hatte sich 1989 bereits von einem Familienunternehmen zu einem börsennotier- Neue Produkte IT Effizienzsteigerung Rationalisierung in den Werken Triptis und Rudersberg Größte Veränderung seit dem MBO Effizienzsteigerung und Erschließung neuer Vertriebswege, unter anderem für das Projektgeschäft; Stärkung des Unternehmertums Größte Herausforderung seit dem MBO Die Abhängigkeit von der deutschen Baubranche durch Innovation und Expansion in neue Produkte und Märkte reduzieren 37 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte 14 (1. und 2. Führungsebene), ten Unternehmen mit einem Freefloat von 60 Prozent entwickelt. Erst 1995 folgten die Briten als Mehrheitsgesellschafter, die den Freefloat auf 5 Prozent reduzierten. im Unternehmen seit: CEO 1997 CFO 2002 Vorstand Technik 2001 Veränderungen in der 2002 wurde ein CFO Führung seit MBO ins Unternehmen geholt, 2001 ein Vorstand Technik Veränderungen in der Reduzierung Personalstruktur um knapp 7% seit MBO Knackpunkte bei den Bewertungsfragen Marktentwicklung Preisentwicklung Kostensenkungspotenzial 38 Als die Partner die Verträge 1999 unterzeichneten, stand die Wachstumsstrategie von Weru fest. Ziel war es, organisch zu wachsen und den Marktanteil in Deutschland zu erhöhen. Hierfür investierte Weru mit Unterstützung von Triton vor allem in die Entwicklung neuer Produkte, unter anderem in Fenster mit höchsten Sicherheitsstandards, in Wintergärten und in Aluminiumfenster. Dabei waren die Schwaben allerdings davon ausgegangen, dass sich die Bauindustrie spätestens im Jahr 2001 erholen würde. „So hatten es auch das ifo-Institut und andere einbezogene Experten prognostiziert“, sagt Had. Doch die Bauindustrie liegt Ende 2002 noch immer am Boden, der erhoffte Aufschwung blieb bislang aus. „Seit 1999 ist das Marktvolumen im Wohnungsbau um 55 Prozent eingebrochen. Weru musste seitdem 20 Prozent seines Umsatzes einbüßen“, beklagt Hillmann, räumt allerdings ein, dass Weru damit im Wettbewerbsvergleich gut gefahren sei. Die Fensterspezialisten schreiben im Gegensatz zu Wettbewerbern noch schwarze Zah- len. Das liegt vor allem an der erfolgreichen Einführung neuer Produkte, die seit dem MBO entwickelt wurden. Doch die ursprünglich formulierte Wachstumsstrategie musste angepasst werden. Konkret bedeutet dies seit 2001: Kosten reduzieren und alternative Vertriebswege erschließen. Die Einschnitte auf der Kostenseite waren besonders hart. Mit der Entlassung von rund 220 Mitarbeitern sparte man zunächst etwa 15 Prozent bei den Personalkosten ein. Es ging ans Eingemachte: Die gesamten Arbeits- und Produktionsprozesse wurden durchleuchtet, um die Kosteneinsparpotenziale ausfindig zu machen. Weru verzichtete da- Finanzierung des Eigenkapitalanteils des Managements 50% Bank-/Sparguthaben Andere (z.B. Beleihung Lebensversicherung, Haus) 50% „ Es ist sehr schwer, Hierarchien aufzubrechen und jeden Mitarbeiter dazu zu bewegen, die eigenen Mängel aufzudecken. Besonders, wenn das Damoklesschwert der Personalkürzungen über den Mitarbeitern schwebt.“ Dr. Walter Had, Vorstandsvorsitzender, Weru AG bei bewusst auf einen externen Berater und schaltete stattdessen die gesamte Belegschaft in den Prozess ein. Die Motivation der Mitarbeiter war und ist dabei der Schlüssel. „Es ist sehr schwer, Hierarchien aufzubrechen und jeden Mitarbeiter dazu zu bewegen, die eigenen Mängel aufzudecken. Besonders, wenn das Damoklesschwert der Personalkürzungen über den Mitarbeitern schwebt. Wir schaffen das nur durch eine sehr offene und intensive Kommunikation mit unseren Mitarbeitern“, ist Had überzeugt. Weru habe neben den Personalkürzungen bereits weitere Fortschritte auf der Kostenseite erzielt. Hierzu zählten zum Beispiel die Reduzierung von Logistik- und Materialkosten sowie die Optimierung des Produktsortiments durch die Einführung einer Plattformstrategie. Auch bei der Erschließung neuer Vertriebswege ist Weru in die Offensive gegangen. Neu ist das Projektgeschäft. Weru vertreibt jetzt nicht mehr nur über Fachbetriebe, die hauptsächlich den Markt der Ein- bis Zweifamilienhäuser bedienen, sondern akquiriert nun bei Architekten, bei Generalunternehmern und bei Wohnbaugesellschaften. Hierfür gründete Weru eine eigene Vertriebs- und Projektgesellschaft. Ein Großauftrag aus diesem neuen Geschäft ist zum Beispiel der Bau von 4.000 Fenstern für die Siemens AG. Zudem beliefert Weru nun Fertighausbauer. Zur neuen Vertriebsstrategie zählt auch die internationale Expansion. Um sich von der heimischen Baubranche weniger abhängig zu machen, will Weru im Ausland wachsen. „Darüber hinaus eröffnen sich attraktive Zukaufmöglichkeiten“, sagt Hillmann. Um die Finanzierung und die Strukturierung von Übernahmen wird sich der Finanzinvestor kümmern. „Triton ist bereit, zusätzliche Mittel zu investieren.“ Triton steht zu seinem Investment, auch in diesen schweren Zeiten. „Andere hätten vielleicht schon das Handtuch geschmissen. Wir haben sogar vor einem Jahr noch einmal weiteres Kapital in Weru gesteckt, weil wir vom langfristigen Erfolg überzeugt sind“, sagt der Finanzinvestor. Auch Had ist optimistisch. „Wir sind mit unserem Produktsortiment und neuen Vertriebskanälen schlanker und wettbewerbsfähiger als 1999. Durch die Optimierung des gesamten Geschäftsprozesses werden wir überdurchschnittlich profitieren, wenn der Markt wieder anzieht.“ Bis zum Aufschwung werden die Partner weiterhin eng zusammenarbeiten und in ihren monatlichen Treffen weitere Offensivstrategien austüfteln und deren Umsetzung effektiv vorantreiben. Eines steht in diesen stürmischen Zeiten für Had fest: Er würde sich auch heute für ein MBO entscheiden. Kennzahlen Umsatz 2001 158,86 Millionen Euro Mitarbeiter 2001 1.314 im Jahresdurchschnitt EBT 2001 1,0 Millionen Euro Marktposition ca. 7% in Deutschland vor dem MBO (Fenster für Wohnungsbau) Marktposition ca. 14% in Deutschland nach dem MBO (Fenster für Wohnungsbau) Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (+=steigend, o=stabil, –=fallend) 1999 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Umsatz – o – o EBIT + – o o Mitarbeiterzahl – – – – Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote 1999 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Verschuldungsgrad 1 2 3 3 Eigenkapitalquote 5 3 3 3 Liquidität 5 4 3 3 39 8. Spin-off der Rütgers AG (RAG-Konzern) Gas geben AKsys und die Deutsche Beteiligungs AG gehen auf Akquisitionstour Deal-Steckbrief Unternehmen AKsys GmbH, Sitz in Worms Branche (Produkte) Automobilzulieferindustrie (Akustik- und Kunststoffsysteme) MBO 2001 Mutterunternehmen Rütgers AG (RAG-Konzern) Finanzinvestor Deutsche Beteiligungs AG (Lead), Beteiligungsgesellschaft für die deutsche Wirtschaft BdW, Süd Private Equity Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Dauer von der ersten etwa zwölf Monate Präsentation bis zum Vertragabschluss Anteile Management 10% Anteile Finanzinvestoren 90% Geplanter Exit zum fünf bis acht Jahre Zeitpunkt des MBOs 40 In der Automobilzulieferindustrie kann nur derjenige in der obersten Liga mitspielen, der nicht nur Komponenten, sondern ganze Systeme anbietet. Dieses Ziel hat sich die AKsys GmbH gemeinsam mit ihrem Finanzinvestor Deutsche Beteiligungs AG gesetzt. Sie wollen mit Übernahmen weiterer Wettbewerber zu einem schlagkräftigen Systemlieferanten werden. „Für uns kam die Verkaufsentscheidung überraschend. Wir gehörten eigentlich zum Kerngeschäft und haben immer gute Erträge erwirtschaftet“, erinnert sich Dr. Bernhard Ruffing. Der Mutterkonzern, die Rütgers AG, veräußerte im Jahr 2001 sein gesamtes Automobilgeschäft, um sich noch stärker auf die Chemie- und Kunststoffindustrie zu konzentrieren. Zur Automobilsparte gehörten die drei Geschäftsfelder Akustik (CWW Gerko Akustik GmbH), Kunststoff (RKT Kunststoffe GmbH) und Reibbeläge (Rütgers Automotive AG). Während die Reibbeläge in die Hände des Wettbewerbers TMD Friction übergingen, übernahm der Finanzinvestor Deutsche Beteiligungs AG die anderen beiden Bereiche im Rahmen eines Management-Buy-outs (MBO). Für die Veräußerung der Autosparte gab es zwei wesentliche Gründe. Zum einen musste Rütgers mehrere größere Übernahmen verdauen. Die Akquisitionen nahmen die finanziellen Mittel stark in Anspruch und erzwangen die Suche nach zusätzlichen Kapitalquellen. Zum anderen war die Automotive-Sparte sehr heterogen und nicht mit einer einheitlichen Strategie zu führen. „CWW und RKT waren sich hinsichtlich der Kundengruppe recht ähnlich. Aber mit den Reibbelägen gab es keine gemeinsamen Anknüpfungspunkte“, sagt Ruffing, der vor dem MBO Geschäftsführer bei CWW Gerko war. Hinzu kam, dass der Akustikbereich ein Joint Venture mit der Gründerfamilie war, die noch 40 Prozent hielt. Ruffing gibt gerne zu, dass es dem Unternehmen im Rütgers-Konzern recht gut ging. Im Gegensatz zu vielen Konzerntöchtern litten CWW und RKT nie unter einem Investitionsstau. Im Gegenteil: „Da wir ja zum Kerngeschäft gehörten, ist bei uns in den letzten Jahren vor allem in die Entwicklungszentren und die Anlagentechnik Kapital geflossen.“ Zudem war der Akustikspezialist nicht so sehr von der üblichen Ergebnisabführung betroffen, weil der Minderheitsgesellschafter darauf bestand, das Geld im Unternehmen zu lassen. So wurde auch die Aus- landsexpansion vorangetrieben. In den USA baute CWW einen eigenen Standort auf und erwarb noch vor dem MBO die Mehrheit des Joint-VentureUnternehmens in Spanien. Obwohl Ruffing den Verkauf weder erahnt noch erwartet hatte, ist er überzeugt, dass der Weg in die Unabhängigkeit der richtige war. Denn nun können er und seine drei Geschäftsführerkollegen endlich in die Richtung marschieren, die sie schon länger im Visier haben: Sie wollen ein großer, schlagkräftiger Systemlieferant für die Automobilhersteller werden. Um das Ziel zu erreichen, musste dann „nur“ noch der richtige Partner unter den etwa 20 Kaufinteressenten gefunden werden, die an dem Auktionsverfahren teilnahmen. „Nach zahlreichen Präsentationen und Gesprächen kristallisierte sich die Deutsche Beteiligungs AG als der einzige Finanzinvestor heraus, mit dem wir uns vorstellen konnten, unsere Strategie umzusetzen.“ Helmut Irle, Mitglied im Vorstand der Deutschen Beteiligungs AG, erkannte das Potenzial für eine Buy-and-Build-Strategie. „Wir wollen die Gruppe durch Übernahmen von einzelnen ertragsstarken Firmen stärken, um für die Autohersteller ein wichtiger Partner zu werden. Unser Ziel ist eine Ver- dopplung des Umsatzes innerhalb von fünf Jahren.“ Den Worten folgten Taten. Nur zehn Monate nach dem MBO wurde die bayerische Faist Automotive KG übernommen. Die Akquisition stärkt vor allem die Produktbereiche Schall- und Hitzeisolierung sowie Kunststoffe. Als das MBO unter Dach und Fach war, wurde als erster symbolischer Schritt der neue Firmenname bekannt gegeben: AKsys (Akustik-Kunstoffsysteme). „Mitarbeiter und Kunden sollten sehen, dass hier ein ganz neues Unternehmen entsteht: ein Systemlieferant“, erklärt Ruffing. Irle fügt hinzu: „Psychologisch ist der neue Name sehr wichtig. Einerseits hat niemand von CWW oder RKT das Gefühl, dass der eine den anderen übernommen hat. Andererseits ist es nun leichter, weitere Unternehmen in die Gruppe zu integrieren.“ Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Übernahme eines weiteren Unternehmens mit komplementärer Produktpalette Maßnahmen zur Integration der Unternehmen Größte Veränderung seit dem MBO Umstrukturierung der Geschäftsleitung in vier funktionale Bereiche und Bildung von Produktbereichsschwerpunkten Größte Herausforderung seit dem MBO Die Taufe war leicht. Schwieriger dagegen ist die Zusammenführung der mittlerweile drei Unternehmen. Management und Finanzinvestor haben hierfür gemeinsam Maßnahmen erarbeitet, die sie nun schnell und gründlich durchführen müssen. Zunächst erfolgte die funktionale Aufgabenaufteilung in der Geschäftsführung in die Bereiche Vertrieb & Marketing, Entwicklung, Finanzen & Controlling Integration der Töchter in eine Unternehmensgruppe 41 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte vier, im Unternehmen seit: und Produktion. Folglich ist allerdings an manch einem Standort, an dem es zu früheren Zeiten eine Geschäftsleitung gab, für die Mitarbeiter eine Neuorientierung notwendig geworden. Alle waren mehrere Jahre bei CWW oder RKT in verschiedenen Funktionen tätig Veränderungen in der keine Führung seit MBO Veränderungen in der Steigerung um 42% Personalstruktur seit MBO durch die Akquisition eines weiteren Unternehmens „Einige Mitarbeiter wussten anfangs nicht, wen sie bei Fragen oder Problemen ansprechen sollten“, sagt Ruffing. Schritt für Schritt übernehmen nun die Mitarbeiter neue Verantwortungsbereiche. In anderen Feldern wird dagegen Verantwortung eher verlagert. Zum Beispiel soll der Vertrieb, der bisher stark produktorientiert war, jetzt übergreifender über alle Sparten arbeiten. Für manch einen Vertriebsmann bedeutet das eine anspruchsvolle Veränderung seiner Aufgaben. Knackpunkte bei den Bewertungsfragen Plausibles Zahlengerüst und Ertragserwartungen Umweltrisiken Gewährleistungen und Garantien Diese Veränderungen führen natürlich zu Diskussionen. „Dem Informationsbedarf der Mitarbeiter begegnen wir Geschäftsführer mit einer offenen Kommunikation. An allen Standorten in Deutschland haben wir Informationsveranstaltungen organisiert, damit unsere Mitarbeiter verstehen, woher die Veränderungen rühren und welche Absicht dahinter steckt. Das ist enorm wichtig“, weiß Ruffing. Die „Aufklärungsarbeiten“ tragen schon Früchte. Insgesamt sei die Unsicherheit innerhalb der Belegschaft so gut wie verflogen. „Das liegt auch da- 42 ran, dass der Betriebsrat das MBO unterstützt hat, um die Standorte und die Arbeitsplätze zu sichern. Sein Vertrauen in das Management und in uns hat der Belegschaft Sicherheit gegeben“, ergänzt Irle. Außerdem wurden, wie versprochen, keine Mitarbeiter entlassen. „Es finden nur Umschichtungen statt, indem wir Führungskräfte identifizieren, die So wurde das MBO finanziert (Anteil des Cashflows, der zum Abbau der Schulden eingesetzt wird: 75%, Verschuldungskapazität wurde nicht voll ausgeschöpft) Finanzierungsstruktur des MBOs 39,6% 49% 11% Eigenkapital Finanzinvestor Eigenkapital Management Mezzanine Fremdkapital (Darlehen Banken) 0,4% „Wir mussten sehr klar kommunizieren, dass unser Geschäft stabil weiterläuft und wir mit dem Finanzinvestor genauso stark sind wie zuvor, wenn nicht sogar stärker.“ Dr. Bernhard Ruffing, Geschäftsführer, AKsys GmbH bereit sind, sich neuen Aufgaben zu stellen und Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Ruffing. Neben der Integration der Unternehmen und der Motivation der Mitarbeiter wartete eine weitere Herausforderung: Bei einigen Kunden musste AKsys zunächst Vertrauen schaffen. Sie reagierten auf den Verkauf mit Skepsis, weil der Konzern im Rücken für Sicherheit bürgte. „Wir mussten sehr klar kommunizieren, dass unser Geschäft stabil weiterläuft und wir mit dem Finanzinvestor genauso stark sind wie zuvor, wenn nicht sogar stärker.“ Vertriebschef Ruffing musste sich auch aus einem weiteren Grund intensiv um die Kunden bemühen. Der Verkaufsprozess mit Rütgers hat sich über ein Jahr lang hingezogen, weil der Konzern den Verkauf seiner Automobilsparte angekündigt hatte, ohne im Vorfeld Gespräche mit potenziellen Käufern zu führen. Die Folge: „Wir haben Aufträge nicht erhalten, weil die Kunden sich über unsere Zukunft Sorgen machten.“ Insgesamt hat AKsys bislang bewiesen, dass sie sehr gut ohne den Schutzmantel der Mutter auskommt. Die Umbau- oder Aufbaumaßnahmen sind seit dem MBO gut gelungen. Dazu zählt vor allem auch der Aufbau eines eigenen Cash-Manage- ments. Dem Finanzmann, der sich schon seit Jahren um die finanziellen Belange bei CWW und RKT gekümmert hatte, fiel die Umstellung nicht schwer. Selbstbewusst schreitet die neue Gruppe auf dem Weg zum Systemlieferanten voran. Die ersten Synergien sind bereits sichtbar. Ehemalige RKT- und CWW-Leute fahren gemeinsam zu den Kunden. In Mexiko wird der Standort nicht nur für die Kunststofftechnik, sondern auch für die Akustik genutzt. Und Ruffing genießt die neue Freiheit. „Alle Entscheidungen treffen wir jetzt für uns selbst. Das motiviert und bereitet Freude. Ich blicke unserer Zukunft sehr zuversichtlich entgegen.“ Kennzahlen Umsatz 2001 262 Millionen Euro Mitarbeiter 2001 1.750 Marktposition Top 10 in Europa vor dem MBO Marktposition Top 5 in Europa (nach der nach dem MBO Akquisition von Faist Automotive KG) Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (Angaben inkl. der Übernahme der Faist Automotive KG im Oktober 2002; +=steigend, o=stabil, –=fallend) 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Umsatz + + + EBIT + + + Mitarbeiterzahl o o + Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, ausreichend, 4=hoch, 5=sehr hoch) 2000 2001 (MBO) 2002 (erw.) Verschuldungsgrad 3 3 3 Eigenkapitalquote 4 4 4 Liquidität 3 3 3 43 9. Spin-off der Siemens AG Nachgebohrt Sirona und Permira schaffen neue Unternehmensidentität Deal-Steckbrief Unternehmen Sirona-Gruppe (Sirona Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH, Sitz in Bensheim) Branche (Produkte) Dentale Ausrüstungsgüter (Röntgengeräte, Instrumente, Behandlungseinheiten, Dentale CAD-/CAM-Systeme) MBO 1997 Mutterunternehmen Siemens AG Finanzinvestor Fonds, die von der Permira Beteiligungsberatung GmbH (zum Zeitpunkt des MBOs Schroders & Partner Beteiligungsberatung GmbH) beraten werden Rechtsform vor Geschäftsfeld dem Buy-out der Siemens AG, während des Verkaufprozesses in eine KG eingebracht Dauer von der ersten fünf Monate Präsentation bis zum Vertragsabschluss Anteile Management 4,4% Anteile Finanzinvestor 95,6% Geplanter Exit vom vier bis sechs Jahre Zeitpunkt des MBOs 44 Gestern noch ein integrierter Geschäftsbereich im Siemens-Konzern, der für Sicherheit stand, dann plötzlich ein Mittelständler mit einem unbekannten Finanzinvestor im Rücken: Das MBO bei der Sirona-Gruppe stellte das Management vor eine besondere Herausforderung, weil das Vertrauen der Mitarbeiter dahinschwand. Um es wiederzugewinnen und eine neue, eigene Unternehmensidentität zu schaffen, investierte das Dentaltechnikunternehmen kräftig in die Personalpolitik. nahme der Dentalsparte, die seit den Sechzigerjahren nicht in München, sondern in Bensheim bei Darmstadt angesiedelt war. Der Grund für die Abspaltung lag hauptsächlich in der unterschiedlichen Vertriebsstruktur. Während die sehr kostspieligen Siemens-Hightech-Geräte direkt an die Kliniken vertrieben werden, gelangen die Dentaltechnikprodukte über Zwischenhändler an die Zahnarztpraxen. Synergien beim Vertrieb existierten also nicht. Der Schock saß tief. Nachdem die Siemens AG ihre Dentalsparte an das Management und die vom Finanzinvestor Permira (früher Schroder & Partner) beratenen Fonds veräußert hatte, wurden zunächst 200 Mitarbeiter entlassen. Angst und Unsicherheit griffen um sich. Wie schaffte man es nun, die Mitarbeiter zu überzeugen, dass ein mittelständisches Unternehmen mindestens genauso schlagkräftig sein kann wie ein Konzern? Und schneller und flexibler auf Krisen reagieren kann, um das Überleben zu sichern? Diese Fragen waren für die SironaGruppe die zentralen Themen nach dem Management-Buy-out (MBO). Mit dem Herauslösen der Dentalsparte aus dem Konzern, auch Carve-out genannt, brachte Siemens die Einheit in eine Kommanditgesellschaft ein. Der neue Firmenname Sirona wurde von einem früheren Produktnamen aus den Achtzigerjahren übernommen. Dann fiel der Startschuss für das Auktionsverfahren, die ersten Gespräche mit potenziellen Investoren liefen zügig an. Ein kurzer Blick zurück: Siemens hatte Mitte der Neunzigerjahre die Medizintechnik ganz klar zum Kerngeschäftsfeld deklariert, allerdings mit Aus- Obwohl der Verkauf innerhalb von fünf Monaten verhältnismäßig schnell über die Bühne ging, steckten in der Financial Due Diligence auf Grund des Carve-outs einige knifflige Aspekte. „Für uns war es schwierig, die historischen Daten und die Projektionen zu analysieren, da die Dentalsparte ein Teil des Zahlenwerkes des Geschäftsbereiches Medizintechnik der Siemens AG war“, erinnert sich Simone Blank, die kaufmännische Geschäftsführerin bei Sirona. Blank hat viele Jahre als Wirtschaftsprüferin bei PriceWaterhouseCoopers gearbeitet und im Auftrag der neuen Investoren die Financial Due Diligence bei Sirona durchgeführt. Sie wurde 1999 vom Vorsitzenden der Geschäftsführung der Sirona in das Unternehmen gelockt. Die Entscheidung des Jobwechsels fiel ihr leicht, da sie eine neue Herausforderung suchte: „Ich wollte herausfinden, ob ich nicht nur im Rückblick Prozesse und Finanzdaten beurteilen, sondern diese auch aktiv gestalten kann. Als Berater kann man immer sagen: Das hätte ich besser gemacht.“ Reizvoll sei für sie besonders die mittelständische Struktur des Unternehmens gewesen, das eine große Entwicklungsabteilung, eine Fertigung und einen internationalen Vertrieb unter einem Dach vereinte. „Ich kenne das Unternehmen dank meiner Arbeit als Wirtschaftsprüferin sehr gut. Die Chancen übersteigen bei weitem das Risiko. Deshalb habe ich mich auch ohne Wenn und Aber finanziell beteiligt.“ Als der Kaufvertrag unter Dach und Fach war, musste Sirona nun allein zurechtkommen. Operativ agierten die Bensheimer zwar schon immer unabhängig. Vorteile brachte Siemens aber trotzdem: Der Mutterkonzern kümmerte sich zum Beispiel um Grundsatzfragen in den Bereichen Finanzen, Steuern, Rechtsangelegenheiten und Personal. Der Standort Bensheim wurde immer über die neuen technologischen Errungenschaften der Medizinsparte informiert und profitierte hiervon. Auch die Kontakte zu den Siemens-Auslandsgesellschaften bescherten den Vertriebsleuten zum Teil lukrative Aufträge. Bewertung des MBOs Sirona schaffte es aber, diese zum Teil weggebrochenen Vorteile innerhalb von drei Jahren zu kompensieren. Bereits in den Jahren 2000 und 2001 wuchsen Umsatz und EBIT wieder. Die Gründe hierfür lagen in der Entwicklung und Herstellung neuer Produkte sowie in Kosteneinsparungen, vor allem im Einkauf. „Beim Einkauf, den wir auch schon unter Siemens eingeständig geleitet hatten, sind wir mit unseren Sparzielen schneller und besser vorangekommen als erwartet“, erklärt Blank. Zunächst sind die Einkaufssynergien über Siemens zwar weggebrochen. Mit den Lieferanten handelte Sirona aber gute Konditionen neu aus und gewann gleichzeitig neue, spezialisiertere Lieferanten hinzu. Größte Veränderung seit dem MBO Die größten Investitionen seit dem MBO Forschung & Entwicklung Ausbau der Distributionskanäle Mitarbeiterentwicklung Abspaltung des Distributionsbereiches in ein unabhängig gemanagtes Unternehmen Größte Herausforderung seit dem MBO Das Schaffen einer neuen, eigenen Identität und Ausbau des Marktanteils Auch im Vertrieb hat sich seit dem MBO einiges getan. Der im Jahr 1997 ebenfalls von der Siemens AG 45 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte 1. und 2. Ebene, im Unternehmen seit: Komplett neue Führungsriege auf der ersten Ebene mit dem MBO (CEO, CFO, Vertriebs- und Marketinggeschäftsführer) Veränderungen in der Führung seit MBO 1. Ebene: Wechsel CEO sowie Vertriebsund Marketinggeschäftsführer (Ruhestand), Wechsel CFO (Abspaltung Distributionsbereich), Benennung eines erworbene Dentalfachhandel wurde 1998 auf die demedis GmbH, eine Schwestergesellschaft der Sirona Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH, abgespalten und wird seitdem von einem eigenständig operierenden Management geführt. Zudem eroberte Sirona neue regionale Märkte und intensivierte insbesondere die bestehenden Handelsbeziehungen. Das Ergebnis: Innerhalb von fünf Jahren stieg der Auslandsumsatz von 50 auf 65 Prozent an. Dabei kommt Sirona in dem einen oder anderen Fall auch der historisch gewachsene, enge Kontakt zu den Siemens-Auslandstöchtern zugute. „Wenn Siemens Großaufträge von ausländischen Kliniken bekommt, die auch ihren Dentalbereich neu ausstatten möchten, werden die Anfragen an uns weitergeleitet“, freut sich Blank. Geschäftsführers für Human Resources & Services, 2. Ebene: Etwa ein Drittel der Führungskräfte wurde ausgetauscht Veränderungen in der Nach dem Buy-out zunächst Personalstruktur seit MBO Freisetzung von ca. 200 Mitarbeitern (ca. 15% der Belegschaft), danach kontinuierlicher Zuwachs bei der Mitarbeiterzahl 46 Während die Veränderungen im Ein- und Verkauf relativ problemlos verliefen, steckte das Management besonders viel Kreativität, Zeit und Geld in die Personalpolitik. Die Mitarbeiter mussten zunächst einen großen Schock verdauen: Für die Personalreduzierung von 200 Mitarbeitern, zum großen Teil aus der Fertigung und der Verwaltung, wurde ein Sozialplan abgeschlossen. Hinzu kam, dass dieses MBO eine der ersten größeren Transaktionen dieser Art in Deutschland war. „Keiner wusste so richtig, wer oder was sich hinter einem Finanz- investor verbarg“, erklärt Blank die aufgeheizte Stimmung. „Die meisten Mitarbeiter stufen das Risiko, bei einem Mittelständler angestellt zu sein, höher ein, als bei einem Konzern zu arbeiten. Der Job bei Siemens bedeutete für viele eine Beschäftigung auf Lebenszeit. Außerdem hatte man als sehr guter Mitarbeiter die Chance, für Siemens in die Welt geschickt zu werden.“ Von all diesen Privilegien galt es nun Abschied zu nehmen. Um die Motivation der Mitarbeiter zu si- So wurde das MBO finanziert (Anteil des operativen Cashflows, der zum Abbau der Schulden eingesetzt wird: 50 bis 60%, Verschuldungskapazität wurde voll ausgeschöpft) Finanzierungsstruktur des MBOs 14% 34% 28% 24% Eigenkapital Finanz- und andere Investoren High-Yield-Bonds Darlehen Banken Darlehen Verkäufer „Die meisten Mitarbeiter stufen das Risiko, bei einem Mittelständler angestellt zu sein, höher ein, als bei einem Konzern zu arbeiten.“ Simone Blank, Kaufmännische Geschäftsführung, Sirona-Gruppe chern und ihr Vertrauen in die Zukunft zu stärken, holte Sirona zwei erfahrene Personalexperten von der Porsche AG ins Boot. Unter ihrer Leitung hat Sirona Mitarbeiterkonferenzen nach der OpenSpace-Technology ins Leben gerufen: Alle Mitarbeiter waren eingeladen, um über die unterschiedlichsten Themen zu diskutieren. Jeder konnte einen Beitrag leisten oder eine Frage oder einen Kommentar in die Runde werfen. Die Themen wurden später strukturiert und zusammengefasst. Von 1.100 Mitarbeitern nahmen gleich beim ersten Mal fast 900 teil, „ein großes und wichtiges Erlebnis für alle“, wie Blank sagt. Aus diesen Erfahrungen hat Sirona dann Leitfäden für das eigene Erfolgsmanagement abgeleitet. „Die leitenden Köpfe haben gemeinsam mit ihren Mitarbeitern die Sirona-Erfolgsfaktoren und deren Ausprägungen definiert“, erklärt die Finanzchefin. Jedes Jahr überprüfen alle Mitarbeiter diese Leitlinien und entwickeln Maßnahmen für das nächste Jahr. „Ich glaube, es ist uns auf diese Weise wirklich gelungen, den Mitarbeitern eine eigene Sirona-Identität zu geben und zu sagen: Das ist Euer Unternehmen, Ihr könnt gestalten und Euren Input in Erfolg umsetzen.“ Besonders stolz ist Blank auf das von Stern Stewart entwickelte Managementund Incentivemodell EVA, das bei Sirona für alle Mitarbeiter eingeführt wurde. „Jeder außertarifliche Mitarbeiter hat einen variablen Gehaltsanteil, dessen Ausprägung abhängig von der Unternehmenswertentwicklung ist. Die tariflichen Mitarbeiter setzten einen Anteil ihres Einkommens ins Risiko. Hier haben wir eine Beteiligungsquote von über 90 Prozent. Das ist unseres Wissens einmalig in Europa.“ Der neue Mitarbeitergeist hat dem Unternehmen in den letzten Jahren kräftige Umsatz- und Gewinnsteigerungen beschert. Blank sieht Sirona gut für die Zukunft gerüstet. Das dürfte das gesamte Management und den Finanzinvestor erfreuen, denn die Unternehmenswertsteigerung seit dem MBO ist die beste Voraussetzung für einen lukrativen Exit, der in den nächsten ein bis zwei Jahren vor der Tür steht. Das wäre dann das dritte Mal, dass Sirona einen neuen Mehrheitsgesellschafter erhält. Im Jahr 1925 hatte Siemens das 1877 gegründete Unternehmen gekauft. Wer die Perle nun übernimmt, bleibt spannend. Kennzahlen Umsatz 2000/01 278 Millionen Euro Mitarbeiter 2000/01 1.105 EBIT 2000/01 46,6 Millionen Euro Marktposition ca. 12 Prozent vor dem MBO Weltmarktanteil Marktposition ca. 16 Prozent nach dem MBO Weltmarktanteil Entwicklung Umsatz, EBIT, Mitarbeiter (+=steigend, o=stabil, –=fallend) 1998 1999 2000 2001 2002 – o + + o EBIT + o + + o Mitarbeiterzahl – o o + o (erw.) Umsatz Entwicklung Verschuldungsgrad, Liquidität, Eigenkapitalquote (1=irrelevant, niedrig, 2=gering, 3=überschaubar, ausreichend, 4=hoch, 5=sehr hoch) 1998 1999 2000 2001 2002 (erw.) Verschuldungsgrad 4 4 4 3 3 Eigenkapitalquote 3 3 3 3 3 Liquidität 3 3 3 3 3 47 10. Spin-off der Celanese AG und der Wacker-Chemie GmbH Chemie stimmt Vinnolit und Advent spielen in der Weltliga Deal-Steckbrief Unternehmen Vinnolit GmbH & Co. KG, Sitz in Ismaning bei München Branche (Produkte) Chemie (Kunststoff PVC für die Bau-, Automobil- und Medizintechnikindustrie) MBO 2000 Mutterunternehmen Celanese AG (früher Hoechst AG) und Wacker-Chemie GmbH (50/50-Joint-Venture) Finanzinvestoren Advent International, M2 Capital Rechtsform vor GmbH dem Buy-out Dauer von der ersten elf Monate Präsentation bis zum Vertragsabschluss Anteile Management 9% Anteile Finanzinvestoren 82% Anteile Celanese/Wacker 9% Geplanter Exit vom drei bis sechs Jahre Zeitpunkt des MBOs 48 Die Alternative lautete: Verkauf oder (Teil-)Stilllegung der Werke. Die Vinnolit und ihr Management kämpften beharrlich für die Fortführung ihres Unternehmens. Sie überzeugten den Finanzinvestor Advent International vom Potenzial des PVCGeschäftes. Mit gewaltigen Investitionen verwandeln sie nun gemeinsam das Unternehmen zu einem der führenden Produzenten Europas. „Allen Mitarbeitern war bewusst, dass sie nicht mehr zum Kerngeschäft der Mütter gehörten und dass die Zukunft des Unternehmens ungewiss war“, sagt Dr. Josef Ertl, seit Mitte 2001 gemeinsam mit Hans-Jürgen Zippel Geschäftsführer der Vinnolit GmbH & Co. KG. Die kritische und beunruhigende Frage lautete: Würde Vinnolit verkauft oder aufgegeben? Als der Verkauf im Jahr 2000 im Rahmen eines Management-Buy-outs (MBO) an den Finanzinvestor Advent International verkündet wurde, waren die Vinnoliter daher erleichtert. Die Vorbereitungen der Veräußerung hatten bereits vor einigen Jahren begonnen. Im Jahr 1993 gründeten die Hoechst AG und die Wacker-Chemie GmbH die Vinnolit als Joint Venture (50:50), um ihr PVCGeschäft auszugliedern und sich auf die Kerngeschäfte zu konzentrieren. Der Grund für die Abspaltung war die zwar schleppende, aber doch ste- tig voranschreitende Konsolidierung der PVC-Branche, in der die PVC-Sparten von Hoechst und Wacker-Chemie schlichtweg zu klein waren, um als aktive Spieler aufzutreten. Sie spielten im fragmentierten Markt, in dem zahlreiche Anbieter mit zu kleinen und veralteten Anlagen produzierten, keine große Rolle. „Vor 20 Jahren überlebten in einer ersten Branchenkonzentration 17 von 31 Unternehmen in Westeuropa. Heute sind es elf Gesellschaften. Man geht davon aus, dass sich diese Zahl in den nächsten Jahren noch einmal halbiert“, sagt Ertl. Die Finanzinvestoren haben die Chance der Industriekonsolidierung für eine Buy-and Build-Strategie längst gewittert. Nicht nur bei Vinnolit, sondern auch bei den europäischen Wettbewerbern EVC und Vestolit sitzen Private-Equity-Gesellschaften mit im Boot. Dabei schwebten den Müttern Celanese und Wacker zunächst industrielle Käufer vor. Doch Gespräche kamen kaum zu Stande, da die meisten Unternehmen der Chemiebranche ihre PVC-Sparte abstoßen wollten. Erst als 1997 und 1998 in Deutschland die ersten größeren Deals mit Finanzinvestoren in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückten, verfolgten die Mütter die Idee eines Buyouts. Die Mutterkonzerne gingen auf drei Finanzinvestoren zu und entschieden sich sehr schnell für Advent. „Advent brachte zwei Seniormanager mit, die beide aus der Chemieindustrie kommen. Sie verfügen über Branchen-Know-how, das für die Entwicklung und Einschätzung des Businessplans in unserem Fall unerlässlich ist.“ Die Knackpunkte bei der Bewertung der Vinnolit drehten sich im Wesentlichen um zwei Aspekte. „Zum einen lässt sich die langfristige Entwicklung des PVC-Marktes nur schwer einschätzen. Die Wachstumsraten in Europa sind gering, in Übersee und in Osteuropa deutlich besser. Zum anderen ist der Markt sehr zyklisch. Preisausschläge von bis zu 30 Prozent innerhalb eines Jahres sind nicht selten.“ Bei dem Deal ging es insgesamt um noch mehr: Advent ermöglichte nach dem Buy-out die Umsetzung eines äußerst ambitionierten Investitionsprogramms. Das Ziel: Mit neuen, modernsten Fertigungsanlagen sollte die Rückwärtsintegration in der Wertschöpfungskette erreicht werden, um die eigene Rohstoffversorgung zu sichern. „Wir vereinen jetzt vier wichtige Veredlungsstufen. Früher hatten wir nur eine Produktionsstufe in der Hand, so dass wir die fehlenden Produkte bei unseren Müttern oder bei Dritten zukaufen mussten. Für die Unabhängigkeit und die größere, im Unternehmen verbleibende Wertschöpfung war dieser Schritt enorm wichtig.“ Mit den neuen Kapazitäten hoffen Ertl und Zippel „auf der Grundlage einer kostenoptimierten Wertschöpfungskette und einer damit erheblich gestärkten Wettbewerbsfähigkeit“ den Wert der Vinnolit nachhaltig zu steigern. Seit 1998 wurden über 260 Millionen Euro in die Fertigungsanlagen investiert. „Die Investition bedeutet sowohl nach innen als auch nach außen ein Riesensignal. Unseren Mitarbeitern zeigen wir, dass wir an unsere Zukunft glauben, und geben ihnen eine neue Perspektive nach Jahren der Ungewissheit. Unsere Wettbewerber wissen nun, dass wir wieder ein ernst zu nehmender Spieler sind.“ Doch der Wandel von konzernmüden zu hoch motivierten Mitarbeitern war nicht einfach. Ertl weiß: „Eine Transaktion beginnt erst dann, wenn Außenstehende denken, sie sei mit dem Closing abgeschlossen. Dann aber müssen die Firmenkultur und die Organisation wieder neu belebt und aus dem Personal ein schlagkräftiges Team gemacht werden.“ Bewertung des MBOs Die größten Investitionen seit dem MBO Neue Produktionsanlagen Beseitigung der Engpässe der vorhandenen Produktionsanlagen Vertrieb, Customer-RelationshipManagement, Supply-Chain-Management Größte Veränderung seit dem MBO Bau neuer Produktionsanlagen Größte Herausforderung seit dem MBO Den Unternehmergeist über interne Kommunikationsmaßnahmen an alle Mitarbeiter weitergeben Beim Einschwören der Belegschaft auf den neuen Unternehmensgeist half die bereits 1998 entwickelte neue Vision „Leadership in PVC“: Unternehmenswert steigern, Wachstum in ausgewähl49 Führungs- und Personalstruktur Beteiligte Führungskräfte zwei Geschäftsführer und acht Mitglieder der 1. Führungsebene, im Unternehmen seit: 1. Geschäftsführer 1982 bei der damaligen Hoechst AG, seit 1998 bei Vinnolit 2. Geschäftsführer ten PVC-Segmenten forcieren, Technologie-, Kosten- und Qualitätsführerschaft anstreben. 1970 bei Wacker-Chemie GmbH, seit 1998 bei Vinnolit Veränderungen in der fanden statt, Führung seit MBO jedoch nicht im Zusammen- Die Transaktion bedeutete für die Mitarbeiter – neben einem neuen Selbstbewusstsein – vor allem aber einen höheren Leistungsdruck. „Der Finanzinvestor bringt Veränderungen in das Unternehmen, über die sich jeder Mitarbeiter bewusst sein muss. Dazu zählen vor allem die Messung an den Finanzkennzahlen und die Orientierung an Cash und Liquidität. Dadurch dringt ein höherer Verantwortungsdruck in das ganze Unternehmen.“ Um diese Veränderung langsam in Vinnolit leben zu lassen, setzen Ertl und Zippel vor allem auf Kommunikation. „Es gibt für die Mitarbeiter nichts Wichtigeres, als dass sich die Geschäftsführung selbst – und nicht eine Agentur oder ein Berater – vor die Mannschaft stellt und berichtet. Nur so kann sie auch das eigene Commitment und vor allem den Hintergrund für einschneidende Maßnahmen glaubwürdig rüberbringen.“ Die Geschäftsführung weiß, dass der Erfolg des MBOs auch in Zukunft ganz wesentlich von dem hang mit dem MBO Veränderungen in der keine, die mit dem MBO Personalstruktur seit MBO in Zusammenhang stehen So wurde das MBO finanziert Finanzierungsstruktur das MBOs 0,5% 5,5% Knackpunkte bei den Bewertungsfragen Starke Zyklizität des Marktes (Commodity-Geschäft) Mögliche Umweltrisiken Nachhaltigkeit der Großinvestitionen 15% 27% 33% 34% Eigenkapital Management Eigenkapital Finanzinvestor Mezzanine Langfristiges Fremdkapital (Darlehen Banken) Kurzfristiges Fremdkapital (Darlehen Banken) 50 Finanzierung des Eigenkapitalanteils des Managements 85% Bank-/Sparguthaben Darlehen „Der Finanzinvestor bringt Veränderungen in das Unternehmen. Dazu zählen vor allem die Messung an den Finanzkennzahlen und die Orientierung an Cash und Liquidität. Dadurch dringt ein höherer Verantwortungsdruck in das ganze Unternehmen.“ Dr. Josef Ertl, Geschäftsführer, Vinnolit GmbH & Co. KG Verantwortungsgefühl aller Mitarbeiter abhängt. Die organisatorischen Voraussetzungen dafür sind durch die Struktur der ergebnisverantwortlichen Business-Units gegeben. „Die Manager mischen sich in unternehmensübergreifende Fragen ein und denken nicht nur an ihren eigenen Bereich. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor“, freut sich Ertl über die Veränderungen, die er täglich beobachtet. Den Müttern trauert niemand hinterher. Heute existieren kaum noch Geschäftsbeziehungen. Lediglich am Produktionsstandort der Wacker-Chemie in Bayern gibt es noch Überschneidungen. Straßen, Rohrleitungen, die Kanalisation und die Kläranlage werden gemeinsam genutzt. Vinnolit geht nun ihren eigenen Weg und will noch größer und stärker werden. „Wir werden uns aktiv an der weiteren Konsolidierung der Industrie beteiligen, und wenn wir die kritische Masse erreicht haben, ist ein Börsengang in besseren Kapitalmarktzeiten nicht ausgeschlossen.“ Kennzahlen (Vinnolit-Konzern) Umsatz 2001 568 Millionen Euro Mitarbeiter 2001 1.620 Marktposition Marktführer in Deutschland, vor dem MBO Nummer vier in Europa Marktposition unverändert nach dem MBO Entwicklung Umsatz, EBITDA, Mitarbeiter (+=steigend, o=stabil, –=fallend) 2000 2001 2002 Umsatz /Absatz* + + + EBITDA + + + Mitarbeiterzahl 0 0 0 (erw.) *) Auf Grund der Preiszyklizität im PVC-Geschäft hat die Absatzmenge als Kennzahl die höhere Bedeutung als der Umsatz bzw. entspricht dem Umsatz in anderen, nicht stark zyklischen Industrien. 51 IV. Stolpersteine und Erfolgsfaktoren 1) Die Gefahren – Warum scheitern MBOs bei Spin-offs? Auf die Frage nach den Stolpersteinen eines MBOs bei einem Spin-off nannten alle Befragten die folgenden Punkte: 52 Für das Management ist entscheidend, dass die Finanzierung realistisch strukturiert ist. Das heißt erstens, dass das Unternehmen nicht von der Last der Schulden erdrückt wird, die aus der Fremdverschuldung resultieren. Zweitens darf dem Unternehmen auch in konjunkturell schwierigen Zeiten nicht die Luft zum Atmen ausgehen. Liquiditätsengpässe müssen in der Finanzierungsstruktur einkalkuliert werden. Sonst kann ein MBO scheitern. Einhelliger Meinung sind das Management und die Finanzinvestoren bei einem wesentlichen Stolperstein eines MBOs bei einem Spin-off: Nur wenn die Einheit unter dem Mutterkonzern sehr autark war, gelingt das MBO als Spin-off. Wenn Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb und Rechnungswesen mit der Mutter oder anderen Töchtern vermischt sind, dauert die Aufbauarbeit zu lang und ist zu teuer. Daran kann solch ein Deal scheitern. Für den Finanzinvestor ist die Qualität des Managements das wichtigste Investitionskriterium. Da er vom operativen Geschäft in der Regel nichts versteht, ist er auf ein exzellentes Management angewiesen. Wenn das Management den Aufgaben und der steigenden Verantwortung nach dem Deal nicht gewachsen ist, kann ein MBO scheitern. Die befragten Manager und Finanzinvestoren haben reichlich MBO-Erfahrung und wissen, dass ein Deal aus einer Vielzahl von Gründen scheitern kann. Aus seinen persönlichen Erfahrungen über die Gründe für ein mögliches Scheitern berichtet im Folgenden jeder der Befragten. A) Wo die beteiligten Manager die Stolpersteine sehen und welche Ratschläge sie geben Sein Rat: „Kämpfen Sie um maximale Anteile, am besten um die Mehrheit.“ Elmar Hohmann, Geschäftsführer, „Suchen Sie einen Hands-off-Investor, das heißt jemanden, der weder in das operative Geschäft noch in die Unternehmensstrategie eingreift.“ Katz International Coasters GmbH & Co. KG Peter Klenner, Geschäftsführer, Bamberger Kaliko GmbH Die Stolpersteine: „Die Risiken im Businessplan dürfen nicht aus dem Bauch heraus überlegt, sondern müssen nach kaufmännischen Gesichtspunkten bewertet werden.“ „Man muss zu seinen beteiligten Geschäftsführerkollegen und dem Finanzinvestor absolutes Vertrauen haben.“ „Sehen Sie ein, dass es ohne einen Finanzinvestor nicht geht.“ „Verhalten Sie sich während der Verhandlungen dem Mutterkonzern gegenüber loyal. Falls der Deal platzt, müssen Sie dort weiterarbeiten.“ „Sie müssen entscheidungsfreudig sein.“ Die Stolpersteine: „Die Kosten des Deals müssen der Ertragslage angemessen sein.“ „Das Management steht nicht zu 100 Prozent hinter dem Deal und ist der Unternehmerrolle nicht gewachsen.“ „Die Chancen wurden schöngerechnet.“ „Die geplanten Synergien lassen sich nicht umsetzen.“ „Die Bewältigung des operativen Geschäfts und die MBO-Verhandlungen sind eine Doppelbelastung für das Management. Das Tagesgeschäft darf dabei keinen Schaden nehmen.“ 53 Sein Rat: nicht eine Zwischenfinanzierung bereitgestellt hätte, hätte das MBO nicht geklappt.“ „Schauen Sie sich das Unternehmen genau an.“ „Prüfen Sie, ob die zu Grunde gelegten Prämissen realistisch sind.“ „Bewerten Sie die zu erwartenden Synergien und Marktentwicklungen lieber niedriger.“ Sein Rat: „Schaffen Sie vor Beginn der Gespräche Kostentransparenz. Sonst kann man keine Planzahlen für den Businessplan ableiten, und der Deal scheitert schon in seiner Vorbereitung.“ „Stellen Sie sich darauf ein, dass der Prozess enorm viel Kraft und Zeit kostet.“ besetzt werden, die sich auch schon unter der Mutter unabhängig von den Konzernvorschriften verhalten haben.“ „Die vielen Gespräche mit Banken und Finanzinvestoren führen zur Vernachlässigung des Geschäfts.“ „Als Konzerntochter konnten wir viel Geld ausgeben, ohne dass nachgefragt wurde. Plötzlich muss man mit knappen Finanzmitteln arbeiten. Das sollte man schnell lernen.“ Sein Rat: Thorsten Heissel. „Wenn Sie einmal den Gedanken an ein MBO gefasst haben: Tun Sie es! Man verfügt über mehr Energie, als man denkt.“ Geschäftsführer, Forbatech GmbH Reinhard Gorissen, Die Stolpersteine: Ex-Geschäftsführer, Mac Fash Textil GmbH „In der Dealphase besteht die Gefahr, dass sich ein Management so stark um den Kaufprozess kümmern muss, dass das Geschäft wegbricht.“ Die Stolpersteine: „Die öffentliche Finanzierung für Existenzgründer ist viel zu langsam. Wenn der Finanzinvestor uns „Die Schlüsselpositionen müssen durch selbstständig arbeitende und denkende Mitarbeiter 54 „Sie brauchen Mitarbeiter, auf die Sie sich 100-prozentig verlassen können.“ „Sprechen und überzeugen Sie den Betriebsrat. Dann ziehen auch die Mitarbeiter mit.“ Sein Rat: „Lassen Sie sich nicht zum Erfüllungsgehilfen für die Maßnahmen des Finanzinvestors degradieren. Sichern Sie sich Ihre unternehmerischen Freiheiten.“ Dr. Joachim Hank, Geschäftsführer, Erftcarbon GmbH & Co. KG Dr. Werner Hildenbrand, Die Stolpersteine: Geschäftsführer, Birkel Teigwaren GmbH „Die Vorarbeit, also die Ausgliederung in eine eigenständige, rechtliche Einheit, ist das Wichtigste und muss deshalb vor der Verkaufsankündigung geschehen sein.“ „Mutter und Tochter müssen beide die Abspaltung wirklich wollen.“ Sein Rat: „Einigen Sie sich über die Höhe der Beteiligung des Managements, bevor es in die kritische Preisverhandlung geht.“ „Erstellen Sie das Konzept über die zukünftigen Investitionen vor der Vertragsverhandlung.“ „Versuchen Sie, die Fremdverschuldung so schnell wie möglich abzubauen.“ „Suchen Sie sich einen Pool von Banken zur Finanzierung des MBOs, um ein bisschen mehr Spielraum zu gewinnen.“ Die Stolpersteine: „Der Finanzinvestor darf das Management nicht unter Druck setzen und muss es in Ruhe arbeiten lassen.“ „Im Businessplan sollten so viele Sicherheiten eingebaut werden, dass das Unternehmen ein oder zwei schlechte Jahre überleben kann.“ „Es ist weder sinnvoll noch hilfreich, die zu erreichenden Zahlen ganz konkret festzulegen.“ Walter Had, Vorstandsvorsitzender, Weru AG Die Stolpersteine: „Das Menschliche ist in Krisenzeiten das Entscheidende. Das Vertauen in die Kompetenz des 55 jeweiligen Partners und das Verständnis für seine Situation sind besonders wichtig. Persönliche Eitelkeiten sind hier fehl am Platz und können sogar den Deal zum Scheitern bringen.“ „Die Beteiligung muss so hoch sein, dass es schmerzt, wenn man sie verliert. Der Verlust darf den Manager aber nicht in den Ruin treiben. Ohne diese faire Abmachung ist ein MBO schwer.“ „Bringen Sie die Bereitschaft mit, den Finanzinvestor verstehen zu lernen. Sonst verstehen Sie die Hintergründe der Fragen nicht und werden misstrauisch. Das heißt vor allem, dass Sie verstehen und akzeptieren müssen, dass die Investition für den Finanzinvestor ein Geschäft auf Zeit ist.“ Sein Rat: „Bringen Sie den Verkaufsprozess so schnell wie möglich zum Abschluss. Mitarbeiter und Kundenaufträge können wegen Ungewissheit verloren gehen.“ „Suchen Sie einen Finanzinvestor, der professionell ist, ein langfristiges Konzept hat und keinen schnellen Exit sucht.“ „Implementieren Sie die neuen Managementstrukturen so schnell wie möglich.“ Sein Rat: Dr. Bernhard Ruffing, „Suchen Sie sich einen Finanzinvestor mit Industrieerfahrung. Das erleichtert die Zusammenarbeit in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Wenn man aus der Industrie kommt, weiß man, dass eins und eins auf dem Papier nicht gleich zwei in der Praxis ist.“ „Entwickeln Sie einen ehrlichen Businessplan. Ein realitätsnaher Businessplan in einer solchen Transaktion steht und fällt mit der Erwartung über den künftigen Cashflow. Ihre gesamte Mannschaft muss hinter diesem Businessplan stehen.“ 56 Geschäftsführer, AKsys GmbH Die Stolpersteine: Simone Blank, Kaufmännische „Das Geschäft muss stabil sein und auf soliden Füßen stehen. Denn gerade in der Automobilindustrie sind die Vorlaufzeiten für neue Aufträge und Umsatzsteigerungen sehr lange. Bis aus einem Entwicklungsauftrag Serienproduktionen entstehen, vergehen oft drei bis vier Jahre.“ Geschäftsführung, Sirona-Gruppe Die Stolpersteine: „Im Unternehmen muss Transparenz geschaffen werden, damit der Kaufprozess beschleunigt wird. Eine unklare Datenlage führt zu Unsicherheit und kann die Transaktion gefährden.“ wicklung des Unternehmens und des entsprechenden Industriezweigs mitbringt.“ „Ein Spin-off aus einem Traditionskonzern kann scheitern, wenn das Management es nicht schafft, die Mitarbeiter für das neue Unternehmen zu begeistern und ihnen eine eigene Identität zu vermitteln. Ein Konzern bedeutet oft Identifikation und Sicherheit.“ „Finanzinvestoren leiden immer noch unter dem schlechten Ruf, nur Geld abschöpfen zu wollen. Erläutern Sie die Rolle und die Aufgaben eines Finanzinvestors dem Betriebsrat und auf Betriebsversammlungen der gesamten Belegschaft.“ Dr. Josef Ertl, Geschäftsführer, Vinnolit GmbH & Co. KG Die Stolpersteine: Ihr Rat: „Sie müssen sich darüber klar werden, ob Sie sich mit der Strategie des Unternehmens identifizieren können.“ „Das Verhältnis zum Finanzinvestor und das gemeinsame Verständnis der Aufgaben und Ziele der Zukunft sind sehr wichtig.“ „Wenn man die Mitarbeiter nicht offen über die Vorgänge und deren Hintergründe informiert, kann das den Erfolg des MBOs gefährden.“ „Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie sehr viel stärker als in der Vergangenheit an der Zielerreichung gemessen werden.“ „Bei einem größeren beteiligten Managementteam von zehn Leuten braucht man eine Kultur der Kompromisse. Diese müssen schnell formuliert und vor allem bedingungslos von allen getragen und konsequent gelebt werden.“ Sein Rat: „Suchen Sie sich einen Finanzinvestor, der sich nicht in das Alltagsgeschäft einmischt, sondern Kompetenz für die strategische Weiterent- 57 B) Wo die Finanzinvestoren die Stolpersteine sehen und welchen Rat sie ihren Kollegen geben würden „Finden Sie heraus, ob Auseinandersetzungen sachbezogen oder emotional geführt werden.“ „Versuchen Sie sich in die Motive und Interessen der beteiligten Manager hineinzuversetzen.“ Sein Rat: „Seien Sie mutig, aber realistisch bei der Einschätzung des Potenzials.“ „Bringen Sie Ausdauer und Stehvermögen mit.“ Aman Miran Khan, Geschäftsführer, BPE Private Equity GmbH Ronald Ayles, Die Stolpersteine: Investmentmanager, 3i Deutschland GmbH „Es muss eine Interessenparität zwischen den Beteiligten hergestellt werden. Die „Chemie“ muss stimmen.“ „Das MBO darf nicht um jeden Preis durchgedrückt werden.“ Partner, Cornerstone Capital AG Die Stolpersteine: „Es muss ein starkes, unternehmerisches und vollständiges Management im Unternehmen sein.“ Sein Rat: „Prüfen Sie den Neidfaktor der beteiligten Führungskräfte untereinander, vor allem, wenn alle unterschiedlich hohe Anteile halten.“ 58 Oliver Böhme, „Das Unternehmen sollte eine sehr gute Marktstellung besitzen.“ Die Stolpersteine: „Jedes Unternehmen braucht ein schlüssiges Konzept, ein starkes Management und eine herausragende Marktstellung. Sonst klappt ein MBO nicht.“ Sein Rat: „Mit der Mutter sollten klare Übergangsverträge geschlossen werden. Die Sicherheit für eine saubere Trennung in kleinen Schritten muss gegeben sein, falls man sich nicht von heute auf morgen trennen kann.“ Herbert-Ernst Finke, Vorstand, „Achten Sie darauf, dass Sie ein Unternehmen mit klaren Trennlinien zum Konzern bei Einkauf, Rechnungswesen, Vertrieb und Entwicklung vorfinden.“ HannoverFinanz Gruppe Sein Rat: „Führen Sie mit dem Wirtschaftsprüfer die Due Diligence extrem sorgfältig durch. Auf Grund der Verflechtungen mit der Mutter ist die Unternehmensprüfung komplizierter als bei Familienunternehmen.“ „Testen Sie, ob der Manager wirklich den Unterschied zwischen einem Angestelltendasein und dem Unternehmertum versteht.“ Die Stolpersteine: „Prüfen Sie das Management, und schauen Sie, ob Ihnen Unternehmer oder leitende Angestellte gegenüberstehen.“ „Wenn das Management nur spezielle Anforderungen erfüllt, zum Beispiel im Vertrieb oder im Einkauf, kann ein MBO scheitern. Das Management muss den Willen und die Fähigkeit besitzen, das Unternehmen ganzheitlich zu führen.“ „Die Finanzierung sollte so konservativ wie möglich strukturiert sein. Wenn der LeverageEffekt zu überzogen ist, wird jeder Sturm zum Orkan.“ 59 Rainer W. Sahler, Investmentmanager, Dr. Matthias Hillmann, Dr. Wolfgang Lenoir, Beteiligungsgesellschaft für Investment Director, Geschäftsführer, die deutsche Wirtschaft mbH Triton Beteiligungsberatung Bridgepoint Capital GmbH (BdW) GmbH Die Stolpersteine: Sein Rat: Die Stolpersteine: „Wenn die Einschätzungen über die Qualität des Geschäfts zwischen Käufer und Verkäufer divergieren, kann ein MBO scheitern.“ „Prüfen Sie das Management auf Herz und Nieren. Das Management spielt zu jeder Zeit eine Schlüsselrolle für den Erfolg der Transaktion.“ „Die Parteien können sich nicht auf einen Unternehmenswert einigen.“ „Führen Sie eine ausführliche Due Diligence durch und ziehen Sie alle verfügbaren Informationsquellen heran, um Fehleinschätzungen hinsichtlich der Marktentwicklung und des im Unternehmen vorhandenen Gestaltungspotenzials zu vermeiden.“ „Wenn der Finanzinvestor sich ausschließlich auf Kennzahlen fokussiert und nie richtig verstanden hat, wie das Geschäft dahinter funktioniert, können die Hürden in harten Zeiten nur sehr schwer genommen werden.“ Sein Rat: „Analysieren Sie so früh wie möglich alle Interessenlagen.“ „Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche.“ „Planen und besprechen Sie mit dem Management den Exit.“ 60 „Ein Buy-out wird dann erfolgreich sein, wenn im Unternehmen bereits eine gute Strategie auf einem starken Fundament besteht, die man gemeinsam fortsetzen kann. Wenn der Finanzinvestor eine Kursänderung vornehmen muss, geht er ein sehr hohes Risiko ein.“ Sein Rat: Sein Rat: „Ohne detaillierte Kenntnisse der Marktrisiken und des Marktumfeldes können Sie keine Transaktion erfolgreich durchführen.“ „Treiben Sie die Verhandlungen zügig voran. Die Gefahr, dass der Deal kippt oder die Motivation von Management und Belegschaft sinkt, steigt mit der Länge des Kaufprozesses an.“ Helmut Irle, Vorstand, „Vertrauen Sie nicht auf die Möglichkeit, die eine oder andere Schwäche im Management durch jemand anderen auszugleichen.“ Deutsche Beteiligungs AG Die Stolpersteine: „Finden Sie heraus, ob das Management bereit und in der Lage ist, mit Transparenz und Offenlegung von Zahlen umzugehen, die ein Buy-out ständig begleiten.“ „Die Tochter sollte eine gute Marktposition haben.“ „Klären Sie vor dem Dealabschluss, wie und über welche Kanäle mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten kommuniziert werden soll.“ „Diskutieren Sie vor dem Abschluss des Deals ausführlich über die Strategie, damit jeder weiß, worauf er sich einlässt.“ „Management und Finanzinvestor sollen sich Zeit lassen, um herauszufinden, ob die Fähigkeiten des anderen wirklich ausreichen, um auch schwierige Zeiten gemeinsam durchzustehen.“ „Eine Kontinuität im Management muss gegeben sein.“ 61 Ralf Huep, Geschäftsführer, Advent International Deutschland GmbH Die Stolpersteine: „Ein MBO kann scheitern, wenn das Management und der Investor keine klaren Zielvereinbarungen getroffen haben.“ „Eine Gefahr besteht immer darin, das Risiko falsch einzuschätzen und nur unzureichende vertragliche Zusicherungen vereinbart zu haben.“ Sein Rat: „Holen Sie sich gute Spezialisten an Bord.“ „Diskutieren Sie zuerst mit dem Käufer und dem Management ihre unterschiedlichen Ideen, um die Zusammenhänge besser zu verstehen.“ 62