KaufkandidatenrückeninGriffnähe

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KaufkandidatenrückeninGriffnähe
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Mittwoch, 15. Oktober 2014 · Nr. 81
22 Enttäuschungen sind programmiert
Märkte
22 Finnland verliert das Triple-A
Alle Börsen, Devisen, Obligationen,
Rohstoffe im Monitor ab Seite 27
23 Die Japanifizierung der Eurozone
25 «Myriad wird wohl ein Übernahmeziel»
«Kaufkandidaten rücken in Griffnähe»
Thomas Braun und Georg von Wyss, Partner von Braun, von Wyss & Müller, nutzen die Marktturbulenzen zum Kauf. Vorsicht lassen sie bei Grossbanken walten.
E
gal, ob die Märkte haussieren oder
korrigieren: Thomas Braun und
Georg von Wyss sind überzeugt, in
jeder Marktlage unterbewertete Aktien zu
finden. Besonders angetan sind die beiden von der Kreuzfahrtindustrie, die mit
Carnival und Norwegian Cruise Lines
gleich zwei der diesjährigen Neuzugänge
im Portfolio stellt.
Zu den Personen
Thomas Braun und Georg von Wyss sind
seit Jahrzehnten in der Vermögensverwaltung tätig. im Jahr 1997 gründeten sie zusammen mit Geschäftspartner erich Müller die
investmentboutique Braun, von Wyss & Müller
mit sitz in Wilen bei Wollerau im Kanton
schwyz. spezialität des Hauses ist das Aufspüren unterbewerteter Aktien nach Art des Value-Übervaters Benjamin Graham. Flaggschiff
des Vermögensverwalters ist der Classic Global equity Fund, der den Weltaktienindex seit
lancierung im dezember 1997 deutlich geschlagen hat. Braun hat an der Universität
Zürich Wirtschaft studiert, von Wyss besitzt
GM
einen MBA des Dartmouth College.
Herr Braun, Herr von Wyss, finden Sie
als Value-Investoren nach über fünf Jahren
Hausse noch attraktiv bewertete Titel?
von Wyss: Wir müssen zwar mehr Steine
umdrehen als auch schon, aber letztes
Quartal haben wir zwei neue Titel erworben. In den ersten beiden Quartalen waren es je drei Namen.
Haben Sie in den jüngsten Kursturbulenzen
zugekauft?
Braun: Wir haben die Korrektur genutzt,
um eine bestehende Position aufzustocken. Kaufkandidaten rücken in Griffnähe, wir haben aber noch nicht zugeschlagen.
Sie verlangen auch bei kleiner
kapitalisierten Aktien keinen höheren
Abschlag zum fairen Wert?
Braun: Im Normalfall kaufen wir eine
Aktie zu maximal 60% des inneren Werts.
Bei einem qualitativ sehr hochwertigen
Namen, der 100 wert ist, würden wir auch
einen Preis von 65 akzeptieren.
von Wyss: Nur bei extrem illiquiden Titeln muss der Abschlag mindestens 50%
betragen.
Spielen Makroüberlegungen bei Ihrem
Ansatz keine Rolle?
Braun:Wir machen kein Markt-Timing auf
Basis von Konjunkturprognosen, weil
wir nicht glauben, dass dies funktioniert.
Die Entwicklungen der nächsten paar
Monate lassen sich nicht prognostizieren.
Kurzfristig folgen die Börsen einem Random Walk. Allerdings wollen wir Extrem-
«Wir rechnen damit, dass
sich die wirtschaftliche Lage
eines Unternehmens
in drei Jahren normalisiert.»
GEORG VON WYSS
risiken – sogenannte Tail Risks –, die im
System schlummern, vermeiden. Deshalb
sichern wir hin und wieder auch unsere
Fonds dagegen ab – so nach Ausbrechen
der Griechenlandkrise, beim Budgetstreit
im US-Kongress oder auch im Zusammenhang mit der Ukrainekrise. Wir konnten uns ein – zwar unwahrscheinliches –
Szenario vorstellen, dass die Lage eskaliert. Politische Krisen können eine
Dynamik entwickeln, die schwierig zu
prognostizieren ist.
von Wyss: Wir rechnen grundsätzlich damit, dass sich die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens in drei Jahren norma-
Bild: iris C. rit ter
Nehmen Sie nicht höhere Risiken in Kauf,
wenn Sie immer tiefer graben müssen?
Braun: Nein. Nach den Erfahrungen der
Jahre 2007 bis 2009 wenden wir heute
striktere Risikoparameter an. Wir wollen
im Portfolio Unternehmen vermeiden, die
in existenzbedrohende Probleme geraten,
falls die Wirtschaft ernsthaft einbrechen
oder die Kreditmärkte einfrieren sollten.
Deshalb analysieren wir Bilanz und operativen Mittelfluss noch eingehender als
früher. Aus diesem Grund verwerfen wir
heute Ideen, die wir 2006 noch umgesetzt hätten, auch wenn die Aktie stark
unterbewertet ist.
Die zehn grössten Positionen1
Thomas Braun (links) und Georg von Wyss schwören auf die Kreuzfahrtgesellschaft Carnival, die unter einem Schettino-Malus leidet.
Opportunities 2015
Georg von Wyss wird an der Anlegerkonferenz «Opportunities 2015» der «Finanz und
Wirtschaft» auftreten. Weitere redner sind
u. a. James Montier (GMO), ed Yardeni (Yardeni research), steen Jakobsen (saxo Bank),
Prof. thorsten Hens und Alfons Cortés. der
Anlass findet am 18. November in Zürich
statt. Weitere informationen unter:
www.forum-executive.ch/opportunities
lisiert. Das ist eine Annahme und keine
Prognose. In Europa ging diese Annahme
bisher nicht auf – seit 2007 kommt die
europäische Wirtschaft nicht auf Touren.
Deshalb mussten wir bei den Zeitarbeitskonzernen Randstad und Adecco die Normalisierungsperiode immer weiter verlängern. Dadurch stagniert der innere
Wert, der mit der Zeit eigentlich wachsen
sollte. Handkehrum wurden die beiden
Unternehmen dank der krisenbedingten
Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen – die französische Regierung
gewährt eine Steuergutschrift für die Beschäftigung von Personen in den unteren
Lohnklassen – viel profitabler, was man
angesichts der schwachen Konjunktur
nicht erwartet hätte. Und irgendwann wird
sich die europäische Wirtschaft erholen.
Wie gehen Sie mit Strukturwandel um?
Schliesslich normalisiert sich nicht jede
Branche.
Braun: In der Tat lauern diesbezüglich
grosse Gefahren fürValue-Investoren, weil
wir zunächst die Vergangenheit analysieren, um herauszufinden, was ein Unternehmen über den Zyklus verdienen kann.
Bei einem Strukturbruch entwickeln sich
die Margen aber plötzlich ganz anders.
von Wyss: Wir stellen uns diese Fragen
natürlich auch und rechnen nicht einfach
mechanisch mit einer Normalisierung.
Microsoft war vor einiger Zeit deshalb
so günstig, weil das Unternehmen den
Siegeszug des Tablet-Computers verschlafen hat. Wir waren jedoch überzeugt,
dass der PC nicht verschwinden wird.
Deshalb griffen wir bei Microsoft, aber
auch bei Intel und Hewlett-Packard zu.
Diese Namen wurden wie Unternehmen
ohne Wachstum bewertet.
Ein aktuelles Beispiel für einen möglichen
Strukturbruch ist die Apple Watch. Wird sie
zum Problem für Swatch?
Braun: Im oberen Preissegment – da, wo
Swatch Geld verdient – dürfte die Apple
Watch keine Konkurrenz sein. In diesem
Segment ist die Uhr mehr Schmuck als
Zeitmesser. Für uns ist Swatch allerdings
noch nicht günstig genug.
Eingangs haben Sie erwähnt, dieses Jahr
bereits acht neue Titel zugekauft zu haben.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
von Wyss: Wir haben im zweiten Quartal
Aktien der Kreuzfahrtgesellschaft Carnival gekauft. Über Jahre erzielte Carnival
einen höheren Nettoumsatz pro Passagier
und Tag als die Konkurrenz – bis Kapitän
Francesco Schettino mit der «Costa
Concordia» die Insel Giglio rammte und
kurze Zeit später wegen eines Stromausfalls auf einem Schiff in der Karibik
die Toiletten versagten. Diese Vorfälle
schadeten dem Ruf und dem Markennamen von Carnival und Costa, die ebenfalls zu Carnival gehört, sowie der Kreuzfahrtindustrie insgesamt.
Und das wird sich nun ändern?
von Wyss: Carnival wird dieses Imageproblem überwinden, denn das ist letztlich eine Frage des Marketings. Für die Berechnung des fairen Werts haben wir aber
nicht einmal angenommen, dass Carnival die Lücke zur Konkurrenz schliessen
wird. Wir haben nur das Wachstum der
Kreuzfahrtindustrie eingesetzt, das jährlich 5 bis 7% beträgt. Kreuzfahrten sind
ein gutes Produkt mit einem attraktiven
Preis-Leistungs-Verhältnis, das die ganze
Bedürfnispalette von Luxus- bis zu massentauglichen Reisen abdeckt und deshalb weiter wachsen wird.
Weil Ferien ein Grundbedürfnis sind.
von Wyss: Seit ein paar Jahren öffnet sich
eine Schere zwischen dem Nettoumsatz
pro Gast und Tag in der Hotellerie und bei
den Kreuzfahrtunternehmen – nicht zuletzt wegen des besprochenen Imageproblems. Mit dem Kauf von Carnival
erwerben wir die Option, dass sich dieser Abstand schliesst. Für das Unternehmen sprechen also drei Gründe: erstens
die wachsende Branche, zweitens könnte
sich die Position von Carnival innerhalb
der Branche verbessern, und drittens ist
nicht ausgeschlossen, dass die Branche
zur Hotellerie aufholen wird.
Wie präsentiert sich die Bewertung?
von Wyss: Die Margen standen in den letzten Jahren unter Druck. Derzeit erzielt
Carnival eine Ebitda-Marge von 20%. Wir
rechnen nicht mit einer Rückkehr auf die
Niveaus von 2007, als über 30% erreicht
wurden, doch 27% sind möglich. Gleichzeitig handelt Carnival zum Buchwert. Sie
bezahlen also keinen Aufschlag auf die
«Im oberen Preissegment
dürfte die Apple Watch keine
Konkurrenz sein. Für uns ist
Swatch allerdings noch nicht
günstig genug.»
THOMAS BRAUN
Flotte, obwohl Kreuzfahrtschiffe eine gute
Kapitalrendite abwerfen und deshalb wesentlich mehr wert sind.Wir betrachten ein
Preis-Buchwert-Verhältnis von 2 als fair.
Das ergibt ein attraktives Potenzial.
Braun: Sollten unsere Annahmen bezüglich Marge und Bewertung in drei Jahren
eintreffen, verdoppelt sich der Kurs in
diesem Zeitraum.
Das gilt wohl auch für die im dritten
Quartal erworbene Norwegian Cruise Lines?
Name
Microsoft
rent-A-Center
directV
Hewlett-Packard
Carnival
CrH
Norwegian Cruise lines
Altran technologies
teleperformance
Cisco systems
1
land
Anteil in %
UsA
5,8
UsA
5,2
UsA
5,1
UsA
5
Panama
4,7
irland
4,6
Bermudainseln
4,5
Frankreich
4,3
Frankreich
4
UsA
3,9
per 30.9.2014 im Classic Global equity Fund
Quelle: Braun, von Wyss & Müller
von Wyss: Norwegian hat 2008 neue
Eigentümer erhalten und gilt seither als
die grosse Herausforderin in der Branche
mit der jüngsten aller Flotten und frischen, innovativen Ideen. Mit diesem
von Carnival bereits in den Neunzigerjahren bewährten Erfolgsrezept konnte
Norwegian seither ihren Umsatz annähernd verdoppeln und den operativen
Gewinn gar verzehnfachen. Da die Gesellschaft in den kommenden Jahren
weitere neue und damit hochprofitable
Schiffe auf den Markt bringen wird, dürfte
sich die positive Entwicklung kontinuierlich fortsetzen. Wir schätzen den fairen
Wert der Aktie auf 54$. Gegenwärtig notiert sie unter 32$.
Wie heisst der zweite Titel, den Sie
im dritten Quartal erworben haben?
Braun: Petrofac ist eine im Öl- und GasGeschäft tätige Ingenieurfirma mit Hauptsitz in London. Operativ ist sie neben
Grossbritannien auf den Nahen und den
Mittleren Osten, Nordafrika und den Kaspischen Raum fokussiert, wo sie primär
für die jeweiligen nationalen Ölfirmen
Grossprojekte in eigener Regie abwickelt.
Petrofac weist ein starkes organisches
Wachstum und die höchsten Margen in
der Industrie auf. Zusätzlich engagiert sie
sich in Kooperation mit Ölfirmen in der
Ölförderung. Zwei dieser Unternehmen
meldeten Verzögerungen und enttäuschende Fördermengen, was zu einer GeFORtSEtzuNG auF SEitE 24
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