für Gottes Lohn - Kirchliche Berufe

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für Gottes Lohn - Kirchliche Berufe
Unbekannte Helden
Sonntag, 16. Juni 2013 / Nr. 24 Zentralschweiz am Sonntag
30
Mit Kafi und Kuchen
Flüchtlingen direkt geholfen
A
n einem Sonntagnachmittag
im September geht Karin Ottiger mit zwei Kolleginnen ins
Asylzentrum Eigenthal. Mit
Kaffee und Kuchen besucht sie die
Flüchtlinge: «Ich wollte wissen, wie es
ihnen geht, und ihnen zeigen, dass sie
dort oben nicht ganz vergessen sind.»
Am Gitter werden sie mit der Begründung abgewiesen, dass eine Besuchsbewilligung nötig sei. Doch die Asylbewerber suchen den Kontakt und
treffen sich mit den Frauen ausserhalb
des Zentrums. «Was wir dann erfuhren,
war schockierend», sagt die Luzernerin.
Die Flüchtlinge erzählen, dass warme
Kleider fehlen und Kleinkinder keine
Kindernahrung erhalten. Ein 11-monatiges Kind sei mit einer Entzündung
nicht sofort in medizinische Behandlung
gebracht worden – ganz zu schweigen
von fehlender Information über ihre
Lage und Rechte. Bei der Zentrumsleitung beissen die Frauen auf Granit.
Solidarische Besuche jeden Sonntag
Auf der Wanderung zurück ins Tal
entscheiden sie, nun jeden Sonntag im
Eigenthal präsent zu sein, und sie dokumentieren die Probleme für die Behörden. Amnesty International reagiert
sofort, ebenso eine Gruppe von 15
Freiwilligen, die von da an abwechselnd
mit Kaffee, Kuchen und Kinderspielzeug
Besuche macht. Ein Aufruf von Karin
Ottiger bringt warme Kleider zusammen.
Mittlerweile hat der grüne Nationalrat
Louis Schelbert von der Sache erfahren
Heute stellen wir den zweiten Zweiervorschlag für die Wahl der Zentralschweizer
Helden des Jahres vor. Die Personen zeichnen sich aus durch ihr selbstloses, mutiges
und aussergewöhnliches Handeln. Aus
diesem Duo wählen Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt den zweiten Quartalshelden aus. Ende Jahr werden vier
Helden aus unserer Region feststehen. Aus
diesem Quartett wählt die Jury unter dem
Präsidium des Einsiedler Abtes Martin Werlen den «Unbekannten Helden» des Jahres.
und Bundesrätin Simonetta Sommaruga
anlässlich einer Fragestunde mit den
Vorwürfen konfrontiert. Sie könne die
Missstände nicht bestätigen, sagt diese.
Nun berichten auch Medien eingehend.
«Es brauchte sehr viel, bis wir als Zivilpersonen ernst genommen wurden»,
sagt die 51-Jährige. Ein unabhängiger
Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe
beanstandet schliesslich diverse Missstände. Die private Betreiberfirma ORS
beurlaubt daraufhin den Zentrumsleiter,
die Kinder erhalten angemessene Nahrung, und das Bundesamt für Migration
gesteht Fehler bei der Kontrolle ein. Am
12. Dezember wird die Asylunterkunft
wie vorgesehen geschlossen.
Verträge angepasst
Das Beispiel Eigenthal hat die Diskussion angestossen, ob private, gewinnorientierte Firmen Asylunterkünfte führen sollen, und gezeigt, wie wichtig die
Kontrolle des Bundes ist. Die Rahmenverträge zwischen Bund und Firmen
wurden bereits angepasst. Karin Ottiger
ist nach der Erfahrung im Eigenthal
überzeugt: «Es braucht die Öffentlichkeit
in solchen abgelegenen Zentren, damit
die Flüchtlinge nicht Willkür ausgesetzt
sind.» Ihr Engagement ist noch nicht zu
Ende: Karin Ottiger hat für die Asylunterkunft Nottwil eine Betreuungsgruppe ins Leben gerufen und will auch
im Bundeszentrum Realp, das im Sommer öffnet, vorbeischauen.
rahel Schnüriger
[email protected]
Karin Ottiger brachte Kuchen ins Eigenthal und löste damit
eine grosse Diskussion aus.
Bild Dominik Wunderli
Stimmen Sie ab via Telefon:
Karin Ottiger:
0901 81 80 01
Leo Steffen:
0901 81 80 02
Tarif: Fr. 1.–/Anruf, Festnetztarif
oder im Internet:
www.luzernerzeitung.ch/helden
Die Abstimmung für das erste Quartal
dauert bis Freitag, 21. Juni, 12 Uhr. Unter
den Teilnehmern verlosen wir drei Geschenkkörbe im Wert von je 100 Franken, gesponsert von Pilatus Getränke
AG, Alpnach.
Mineral und Kaffee (Wert je 290 Franken) im Hotel Schweizerhof in Luzern.
Die Serie «Unbekannte Helden» wird zudem unterstützt durch Klug Krankenversicherung, B Swiss und das Zentralschweizer Fernsehen Tele 1.
Die Vorschläge für die beiden Helden eingereicht haben Beatrice Bucher aus Kriens
sowie Eduard Lienert aus Rotkreuz. Sie
erhalten je ein 4-Gang-Saisonmenü für
zwei Personen mit 1 Flasche Wein,
Vorschläge für Unbekannte Helden können hier
eingereicht werden: [email protected] oder
LZ Medien, «Unbekannte Helden», Maihofstrasse 76, 6002 Luzern.
Gutes tun
Zentralschweiz am Sonntag, 16.6.2013
für Gottes Lohn
W
Leo Steffen hilft Betagten wie hier dem blinden
Pfarrer Grob im Altersheim Büel in Cham.
Bild Dominik Wunderli
enn wir «Unbekannte Helden» vorstellen, braucht es
oft etwas Überredungskunst. Bei Leo Steffen (75)
aus dem zugerischen Buonas ist das nicht
anders. Der pensionierte Lehrer meint,
dass er nichts Überragendes leistet. «Ich
wuchs auf dem Menzberg in einer Bergbauernfamilie in bescheidenen Verhältnissen auf. Für mich ist Hilfe zu leisten
und mich für Mitmenschen zu interessieren normal.»
Steffen hat es sich zur Lebensaufgabe
gemacht, seine Zeit mit betagten Frauen und Männern zu teilen. «Die Idee,
mich für einsame oder kranke Leute
einzusetzen, hatte ich schon, als ich
noch berufstätig war», sagt er. Mit den
Pfarreien von Risch gleiste er vor rund
zehn Jahren das Projekt «Wegbegleitung»
auf. So organisiert er einmal im Monat
eine Singrunde mit den Bewohnern im
Altersheim Dreilinden. Die betagten
Leute singen, so gut sie können, mit
oder erfreuen sich an dem Moment.
«Eine 100-jährige Frau, die selber nicht
mehr singen kann, bewegt nur ihre
Lippen. Aber dabei blüht sie auf. Der
Gesang berührt die alten Leute tief im
Herzen, ihre Augen leuchten», so Steffen. Die Singrunde besteht grösstenteils
aus Frauen. Die Männer treffen sich
lieber zum Männerstamm, den ebenfalls
Steffen ins Leben gerufen hat. «Wir
stossen jeweils auf die neue Woche an
und widmen uns Themen aus Politik,
Sport oder gegenwärtig den Überschwemmungen in Deutschland.» Die
Organisation solcher Treffen erfüllen
Steffen. «Die Leute sind unendlich dankbar und geben mir viel zurück.» Er habe
immer etwas in dieser Richtung machen
wollen, ohne entlöhnt zu werden. Ein
weiterer Aspekt ist, dass er einen anderen Bezug zum Alter hat als früher. «Ich
stehe mit 75 an der Schwelle. Vielleicht
bin ich selbst einmal froh, wenn mich
jemand begleitet.»
Schwimmen mit dem Nachbarn
Die Singrunde und der Männerstamm
sind nur zwei Beispiele seines Einsatzes.
Einmal pro Woche betreut er einen
demenzkranken Nachbarn. «Ich gehe
mit ihm schwimmen. Er braucht zwar
bei alltäglichen Dingen Hilfe, im Wasser
aber ist er frei und kann selbstständig
agieren.» Dadurch hat seine Frau einen
halben Tag, den sie für sich nutzen kann.
«Für sie ist es eine Entlastung und für
mich eine Erfüllung.» Während er erzählt, klingelt in seinem Wohnzimmer
das Telefon. Steffen entschuldigt sich
beim Journalisten und sagt: «Grüezi Herr
Pfarrer.» Er wechselt einige Worte, vereinbart einen Termin. Ohne Aufforderung erzählt er danach, dass es sich um
den 90-jährigen ehemaligen Pfarrer
Grob handelte, der sich sporadisch bei
ihm melde und um Hilfe bitte. «Pfarrer
Grob und ich leben seit Ende der 1960erJahre in Risch. Während vieler Jahre hat
er in bescheidender Art in der Pfarrei
vieles geleistet. Zu seinem 90. Geburtstag wollte der Pfarrer, dass ich in seinen
Unterlagen ein bestimmtes Lied suche,
das beim Fest vorgetragen werden sollte», gibt Steffen ein Beispiel.
Bei all der Freiwilligenarbeit findet
Steffen immer noch Zeit für seine Familie. Er und seine Ehefrau – die übrigens für behinderte Menschen Taxi fährt
– verbringen viele Stunden mit ihren
Enkelkindern und fahren regelmässig in
die Ferien. In seinen 42 Jahren als Lehrer war es ihm stets ein Anliegen, den
sogenannt schwachen Schülern – er
unterrichtete viele Jahre Sonderklassen
– Mut für die Zukunft zu machen. Offenbar traf er den Nerv vieler junger
Leute. «Manche von ihnen haben einen
unglaublichen Weg zurückgelegt und
sind heute erfolgreiche Unternehmer.»
Will Rollstuhlgruppe gründen
Die Ideen für gute Taten gehen Leo
Steffen noch lange nicht aus: «Mir
schwebt eine Rollstuhlgruppe vor. Ich
würde gerne Leute gewinnen, die sich
dafür melden und betagte Leute im
Rollstuhl gelegentlich begleiten.»
Steffen wünscht sich, dass sich mehr
Leute für die Wegbegleitung betagter
Menschen engagieren. «Ich spreche oft
Personen in meinem Alter an und versuche sie zu überzeugen, dass man mit
geringem Aufwand Menschen Freude
bereiten kann.» Oft vergebens. «Es ist
für viele Pensionierte ein schwieriger
Schritt, ein Altersheim zu betreten.»
Dabei wäre das Engagement so bereichernd. Nicht in finanzieller Hinsicht,
aber: «Jedes Mal, wenn ich das Heim
verlasse, nehme ich ein Stück Glück mit
nach Hause.»
Roger Rüegger
[email protected]