Der Bericht als PDF

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Was aus einer geplanten Besteigung des
Mont Blanc werden kann - zwei schöne Hochtouren
Angetreten bzw. angefahren nach Chamonix waren wir – Arnulf, Bertram, Manfred,
Peter, Stefan und ich (Margit) um unter der
kundigen Führung von Manfred den Mont
Blanc zu besteigen. Das ist ja an sich schon
kein kleines Unterfangen, auch wenn der
geplante Aufstieg von Les Houches über
die Hütte „Tetes Rousses“ und die „Gouter
Hütte“ die einfache Variante ist. Dennoch
wollen die fast 2.800 Höhenmeter vom
Ende der Seilbahn von Les Houches kommend bis auf den Gipfel in 4807 m Höhe
erst einmal erklommen werden. Das er-
fordert zum einen eine gehörige Portion
Kondition und einige bergsteigerische
Fähigkeiten, auch wenn die genannte Variante als wenig schwierig beschrieben ist.
Und: zum anderen muss auch bei dieser
einfachen Route das Wetter gut sein, soll
die Besteigung gelingen und z. B. nicht
wegen Sichtschwiegkeiten im so genannten Nirwana oder mit dem Hubschrauber enden.
Angekommen am
späten
Nachmittag am Zeltplatz „Mer de Glace“
in Chamonix Praz, stand am nächsten Tag
die Eingehtour an. Sie sollte zeigen, ob die
Teilnehmer die erste Bedingung erfüllen.
Der Midi-Plan-Grat
Startpunkt war die Seilbahnstation für die
„Telepherique de Aiguille du Midi“ (Kosten
für die einfach Fahrt p. P.
€ 37,00) in Chamonix. Es empfiehlt sich,
entweder im vor hinein eine Reservierung
für eine Kabine vorzunehmen oder wie
wir, früh morgens um 06:30 Uhr an der
Kasse anzustehen um die erste Kabine für
die Auffahrt zu sichern. Die Zahl der anstehenden Touristen aller Nationen kann
ansonsten zu ungeplanten Wartezeiten
führen.
Gestartet mit der ersten Kabine, Umsteigen in der Mittelstation, hieß es dann nach
dem Ankommen: „Gehfertigmachen“ im
Bergtunnel. Draußen empfing uns gleißender Sonnenschein und ein grandioser
Blick über die Savoyer Alpen mit dem „Königsgipfel“ Mont Blanc, im Blick vor uns,
doch im Hintergrund Matterhorn, Monte
Rosa etc. und tief unten im Tal Chamonix. Wir folgten der klassischen Grattour
„Midi-Plan-Grat“, beginnend mit dem
Abstieg über den ausgesetzten Firngrat
l`Arete de l` Aiguille du Midi. Nach einigen
kurzen Auf- und Abstiegen ließen wir uns
vor dem Aufstieg zum Gipfel der Aiguille
du Plan mit dem Seil hinab Richtung Valle
Blanche.
Der nun folgende zum Teil recht steile
Abstieg über den leicht spaltigen Glacier
d`Envers du Plan forderte einigen
von
Bürostühlen
verwöhnten Oberschenkeln doch viel
Kraft ab. Und das Folgen der Spur zweier vorausgehender Bergsteiger führte zu
guter Letzt zwar in die richtige Richtung
zur „Requin Hütte“, aber auf die falsche
Spur. So blieb am Ende des Tages nichts
anders übrig, als ein Abseilen über rd. 60
m, die nach zweimaligem Üben an dem
Tag doch recht zügig, weil angstfrei von
statten ging.
Die einfache Hütte (fehlender Wasser-/Abwasserzufluss) auf 2.516 m ist dennoch
komfortabel und gut bewirtet. Der Blick
am Abend auf die rot scheinenden Gipfel
gegenüber – vorne Aiguille du Tacul und
die dahinter liegende Grandes Jorasses
– ließen die Anstrengungen verblassen.
Ich habe vorm Einschlafen vom Firngrat
und vom Abseilen geträumt. Dann bin ich
mit leichtem Schwindelgefühl im Bauch
eingeschlafen.
Das Mer de Glace
Am nächsten Morgen traten wir den Rückweg über das Mer de Glace an, den größten Gletscher Frankreichs. Über mehrere
Leitern ging es abwärts zur Gletscherzunge, die (noch) tief vor das Tal von Chamonix reicht. Was Angesichts der geringen
Abstiegshöhe von 600 m im Vergleich mit
dem Vortag eher wie ein Spaziergang aussah, entpuppte sich als spannende und
gute Halbtagstour. Auf dem zerfurchten
Gletscher mit unzähligen Spalten und
nicht ganz einfacher Wegfindung war das
Vorankommen recht mühsam. Vor allem,
wenn mich vor dem Überspringen einer
Spalte ganz plötzlich das Vertrauen in die
Steigeisen und meine Sprungkraft, sprich mein Mut
verließ.
Oder
wenn ein
sch-
maler Verbindungsgrat zwischen zwei
Spalten zu queren war und ich - den Blick
in die Tiefe gerichtet - mit schlichtem Satz
feststellte: “Das kann ich nicht!“ Konnte
ich natürlich doch, dank der lieben Unterstützer und Mutmacher. Solchermaßen
gestärkt war der Aufstieg über mehrere
Leitern nach Montenvers (1.909m) ein
schöner Abschluss der Eingehtour. Für den
Weg zurück in das 870 m tiefer gelegene
Chamonix nutzten wir dann die Zahnradbahn (Kosten für die einfache Fahrt € 18,00
p. P.).
Zurück am Campingplatz wurden die Wettervorhersagen für die nächste zwei Tage
abgerufen. Egal von wo und wem, die
Vorhersagen waren alle schlecht. Dies half
sehr bei der Entscheidungsfindung, den
Mont Blanc nicht wie geplant zu besteigen. Als es am nächsten Morgen anfing
in Strömen zu regen, kaum dass die Zelte
verstaut waren, fiel die Abfahrt ins Aostatal allen gleichermaßen leicht.
Aosta und der Grand Paradiso
Im Aosta angekommen, hatten wir den
Regen hinter uns gelassen. Das rd. 36.000
Einwohner zählende Städtchen lohnt für
einen Besuch. In der reizvollen, verkehrsberuhigten Altstadt kann man in den
Gassen die vielfältigen Angebote unterschiedlichster Geschäfte bewundern.
Cafes und Restaurants am Straßenrand
laden zwischendurch zur Pause ein. Seine
infrastrukturelle Bedeutung erhielt Aosta
wegen seiner Verbindung zu zwei Grenzübergängen: dem großen St. Bernhard Pass
bzw. Tunnel und dem Mont Blanc Tunnel. Aber Aosta ist auch der Zugang zum
Grand Paradiso Nationalpark, und hier
wollten wir hin.
Der Grand Paradiso ist für viele Bergsteiger der erste Viertausender, da er als leicht
zu besteigen gilt. Deshalb soll er auch der
meist bestiegene sein. Ausgangsort für die
Meisten ist der Anstieg von Pont im Valsavarenche über das Rifugio Vittorio Emanuele II. Wegen Überbuchung wählten wir
den Anstieg über das Rifugio Chabod. Es
liegt ungefähr auf gleicher Höhe wie das
Rifugio Vitt. Emanuele II.
An einem Parkplatz,
ca. 2 km vor Pont, beginnt der Wanderweg
hinauf zur Hütte. Er führt über 800 Höhenmeter gleichmäßig ansteigend in Serpentinen zunächst durch lichten Lärchenwald,
dann über Matten zum Rifugio auf 2.750
m. Das gute Wetter und das Wochenende hatte viele Wanderer und Bergsteiger
angelockt. Wir waren froh, dass Manfred
dank seines Bergsteiger-Netzwerkes für
uns hatte Plätze reservieren lassen. So
konnten wir den Tag entspannt ausklingen lassen.
Pünktlich um 05:00 Uhr am nächsten Morgen starteten wir zum Gipfel. Über einen
Pfad oberhalb der neuen Hütte ging es
nach rechts über eine Moräne zum Gletscherrand. Mit uns zog eine lange Reihe
von Stirnlampen dem Morgengrauen entgegen. Noch im Halbdunkel zogen wir die
Steigeisen an, banden uns in das Seil und
erblickten dabei gegenüber die Konturen
des Mont Blanc.
Die aufsteigende Spur über den Gletscher
war gut zu erkennen. Gletscherspalten
konnten s-förmig umgangen oder über
Schneebrücken übergangen werden. Mittlerweile hatten sich auch die Bergsteiger,
die vom Rifugio Vitt. Emanuele II kamen,
eingereiht. Eine Karawane von Seilschaften
strebte dem Gipfel des Grand Paradiso entgegen. Über einen kleinen Sattel verließen
wir den „Gletscherberg“. Hier trafen uns als
bald die ersten Sonnenstrahlen, aber auch
gleichzeitig ein eiskalter Wind.
Wie alle Gruppen, legten auch wir hin und
wieder eine kurze Pause ein, sei es um Luft
zu schnappen, sei es um das phantastische Panorama im Morgenlicht zu genießen, das mit jedem Höhenmeter größer
wurde. Zum Schluss ging es noch einmal
steil bergan, dann war der felsige Teil des
Berggipfels erreicht. Beim Erklettern des
Gipfelbereiches musste der Weg zwischen
all den anderen Steigeisen, die auch nach
oben oder schon wieder nach unten wollten, gefunden und gleichzeitig die Finger
in Sicherheit gebracht werden. Oben angekommen,
d. h. an einem freien Platz in Gipfelnähe
für sechs Personen, saßen wir dann zu „Füßen“ der Madonnenstatue mitten im großen Paradies, nämlich der Alpen und genossen den Rundblick, angefangen vom Mont
Blanc, über das Matterhorn, hin zur Monte
Rosa bis zum Monviso.
Zurück ging es dann auf
gleichem
Weg
– nur viel
schneller. Im Rifugio Chabod angekommen, stießen wir auf den gelungenen Gipfelanstieg an, setzen dann aber den Abstieg zu unseren Autos fort. Nach 1.300 m
Aufstieg und 2.100 m Abstieg freuten wir
uns alle auf eine schöne Dusche und ein
gutes Abendessen. Beides fanden wir in
Villeneuve im Hotel Valdotain. Als wir am
nächsten Morgen zur Heimreise aufbrachen, war das Wetter umgeschlagen und
die Berggipfel oben weiß. Wir hatten alles
richtig gemacht.
Margit Berghof-Becker