Erlösung Gedichte zur Osterzeit
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Erlösung Gedichte zur Osterzeit
Dichter & Dichtung Der literarische Zaunkönig Nr. 1/2014 auch interpretiert zu werden – aber hat denn jeder Hörende, Lesende „das Zeug“ dazu? Aus dieser Erfahrung heraus und im Umgang mit vielen Lyrik schreibenden Menschen möchte ich die Dinge doch pragmatischer sehen: Sofern nämlich ein Kunstwerk nicht selbsterklärend ist, kann man nichts anders tun, als es betrachten, anhören, auf sich wirken lassen. Wenn man sagen kann: Ja, hier fühle ich das Besondere, etwas Apartes, Atmosphärisches, dann bezieht das Werk daraus seine Rechtfertigung – aus diesem „Hier bin ich angesprochen, etwas tönt heraus, schwingt weiter in mir“. Oder aber, im „nichtzutreffenden Falle“, ganz einfach: „Nein, danke, damit fange ich nichts an.“ Und als letzter Gedanke: Ich erkenne sehr oft, und anerkenne, dass ein Werk, klein oder groß, gestaltet und geformt wurde in der Absicht einer Dauer; um bewahrt, als kostbar er- und gehalten zu werden, weil es eben noch nicht entschlüsselt ist. Von Giorgiones La Tempesta las ich erst vor Kurzem, dass die (Kunst) -Welt auch heute noch rätselt, was der Maler eigentlich „damit wollte“. Ich finde es wunderbar, immer wieder zum Nach-Schauen, Nach-Sinnen eingeladen zu werden. Eva M. Kittelmann, Wienerin, war jahrelang im Verlagswesen tätig, schreibt Lyrik und Prosa und ist geschäftsführende Präsidentin des Verbands katholischer Schriftsteller Österreichs VKSÖ. Foto: Dr. Bernhard Kleibrink Erlösung Gedichte zur Osterzeit Dorothee Hövel-Kleibrink: Sie kommt aus dem falschen Land Du sprichst gibst Wasser das ist Liebe Jesus und die Samariterin. Skulptur auf dem Burgfriedhof von Warburg in Westfalen Erlösungsbedürftig von Ilse Brem Unaufhaltsam Es entpuppt sich der bürgerliche Gesellschaftsapparat als Menschen verzehrender Moloch. von Cordula Scheel Ostern – Auferstehung verkünden die Glocken, ungestüm, weithin schallend, unaufhaltsam wie die donnernden Hufe einer dahinjagenden Herde junger Fohlen. Dieses Land, diese Länder, ein wimmelndes Grauen hinter der Fassade der Scheinkultur. Die Ohnmacht der Mehrheit speist die parasitäre Macht einer Minderheit. Nach Erlösung lechzen beide. Leben liegt in der Luft. aus: Ilse Brem, Licht am Horizont. Berenkamp, Erlesen Bd. 20. Hall 2010 aus: Cordula Scheel, Denn ich wage das Wort. Edition Kreis der Freunde um Peter Coryllis; Walchum 1995 Seite 11 >>> Dichter & Dichtung Der literarische Zaunkönig Nr. 1/2014 Jenseits der Hoffnung ... von Christine Busta Jenseits der Hoffnung hat alles sein eignes Gesicht, nicht mehr das Ungenaue der Wünsche, der tröstenden Lügen. Menschen und Landschaft mit ihren unerbittlichen Zügen sind wieder Teil des Gestirns, entrückt in unfassbares Licht. Was du erkennst, ist erkannt als magisches Zeichen, deutlicher nur als Gefahr in Strenge und Schönheit gesetzt. Auch das Signal des Leidens bleibt ewig unverletzt und was gültig, geheim: nicht von Liebe noch Hass zu erreichen. Seltsamer Mut, zu vergehen an mählich verwitternder Stelle oder zu dauern, wo Gestein sich presst! Fraglos im dunklen Gesetz, das bindet oder entlässt, fühlst du entäußert zum Nichts dein Sein in göttlicher Helle. Franz Traunfellner: Alte Eiche. Holzschnitt Aus: Weg in Bekenntnis, Anthologie junger österr.Autoren, HG. Hans M.Loew, Stiasny 1954 Dornenkrone Himmel Viele Dornen sind dir mitgegeben auf deinen Lebenswegen. Keine Wunderdroge, die ich nur einzunehmen brauche, oder Ware im Supermarkt , die ich mir kaufe, wenn mir danach ist. Keine Traumreise auf Ratenzahlung – kein billiger Lackanstrich, der irgendwann abblättert, kein Wellnesspaket, Glück, jetzt und sofort, um jeden Preis. von Christiane Steindl Viele von dir selbst ins eigene Fleisch geschnitten – Viele von anderen gestreute Dornen, die sich eingraben in deine Seele. Immer tiefer – Doch die Hoffnung, dass dir die vielen Dornenzweige nicht deinen Weg versperren und dich gefangen halten – dass sie dir irgendwann einmal zur Krone geflochten werden und du sie königlich zu tragen vermagst – von Christiane Steindl Himmel – Ich kann ihn nicht pachten, nicht einfangen mit dem Netz meiner Begrenztheit, nicht festhalten. Der wahre Himmel ist Gnade, Geschenk – wenn ich auch seine Kehrseite, das Kreuz annehmen kann. Seite 12 Der Bogen von Cordula Scheel Im Lichtjahr der Zeiten vom Himmel zur Erde, von der Erde zum Himmel und wieder zurück. Zwischen Freude und Schmerzen und blankem Entsetzen in kleiner Münze manchmal das Glück. Ein langsames Zeichnen des großen Bogens – Wachsen braucht Muße und ständiges Mühn. Das Glück macht es leichter im Lichtjahr der Zeiten, ist Versprechen auf Zukunft, lässt weiter dich ziehn. aus: Cordula Scheel, Denn ich wage das Wort. Edition Kreis der Freunde um Peter Coryllis; Walchum 1995 Dichter & Dichtung Der literarische Zaunkönig Nr. 1/2014 Ostergedichte von Ingrid Karner Den Stein den starren unbeweglichen schweren Stein wegwälzen den Stein der zwischen Tod und Leben steht der Auferstandene löste die Fesseln des Todes gab sich den Seinen zu erkennen wer vermag daran zu glauben der österliche Mensch der nicht im Stillstand der Negation verharrt der immer wieder aufbricht ins verheißene Land –– * –– Die kleinen Schritte ins Lebendige der Auferstehung mitten im Leben ein Schritt aus der nächtlichen Dunkelheit in den Lichtkreis einer entzündeten Kerze ein Schritt aus Enge aus Verzweiflung in die Weite sich dir entgegenstreckender Arme in den Schutz eines gütigen Wortes in die Verheißung eines aufmunternden Lächelns eine fast unmerkliche Bewegung ins Hoffnungsvolle ein Atemzug, der uns leben läßt auf den Wegen des Glaubens in verhaltener, leiser Osterfreude –– * –– Wiederentdeckung mitten in der Wüste die Oase mitten im Alltag ein neuer Anfang mitten im Leben der Zusammenhang von Tod und Leben mitten in der Natur die Knospe, die sich öffnet mitten unter den Menschen die tiefe Verbundenheit untereinander die Möglichkeit Versöhnung und Frieden zu bringen mitten in der Welt die Spur von Gottes Gegenwart Ostern Zusage der Liebe Diese Gedichte Ingrid Karners erschienen in Das Himmelstor ist aufgetan. August v. Goethe Literaturverlag, Frankfurt/M. 2011 Mahnung von Ilse Tielsch Vieles zertreten vieles vertan Sparen lernst du nicht mehr Der Wind wird kälter Die Grenzen sind abgesteckt öffne dein Ohr für die Botschaft –– * –– Das Leben Jesu Proexistenz bis zur Ohnmacht durchgehalten aus dem Scheitern im Endlichen Verwandlung im Unendlichen Durchbruch der Liebe das Leben Jesu Vermächtnis an uns Hüte das Licht für den Rest deines Wegs aus: Ilse Tielsch, Manchmal ein Traum, der nach Salz schmeckt. Löcker, Wien 2011 Seite 13 >>> Dichter & Dichtung Der literarische Zaunkönig Nr. 1/2014 Franz Traunfellner: Mondengel. Holzschnitt Barrabas von Franz Theodor Csokor Landpfleger, wir können den Mann nicht ertragen, der uns verlangt, wie er ist! Jenen Anderen brauchen wir, – mag er uns plagen, – Mist bleibt er von unserem Mist. Landpfleger, hör unseren Schrei: Gib uns den Barrabas frei! Sträubst du dich Schuld an dem Sanften zu finden weil er uns immer verzeiht? Uns soll man nicht durch Barmherzigkeit binden! Wer mit uns sündigt, befreit! Was stellst du uns zwischen die Zwei? Gib uns den Barrabas frei! Auf dem Berg Ararat von Ilse Brem Nicht Gottes Durst war so groß, dass es vierzig Tage regnete. Den Fetten! Den Starken! Den Schönen! Der dient nicht bei Knechten als Knecht. Der will nicht mit Demut versöhnen. Wo der begehrt, ist sein Recht. Wie er es holt, – einerlei! Gib uns den Barrabas frei! Es war seine Trauer über eine erkenntnisunwillige Menschheit. Er weinte über sie, bis auf dem Berg Ararat seine Tränen trockneten Bangt dir vorm Blut eines Schwachen? Über uns komme sein Blut! Leben heißt Rauben und Lachen so wie es Barrabas tut. Was er verbrach, geht vorbei. Gib uns den Barrabas frei! und er die Geretteten aus der Arche Noah einen neuen Versuch wagen ließ. Sei der dem Kreuze verfallen, der für uns betet und wacht! Oder du fällst mit uns allen, denn auch dein Reich war die Macht. Landpfleger, brich dich nicht selbst jetzt entzwei! Landpfleger, gib deinen Bruder uns frei! Wie viele Tränen muss er vergießen, bis eines seiner Experimente gelingt? Wie oft muss die Menschheit mutieren, um die Menschwerdung zu erreichen? aus: Franz Theodor Csokor, Auch heute noch nicht an Land. Briefe und Gedichte aus dem Exil. Ephelant, Wien 1993 aus: Ilse Brem, Unter einem fremden Himmel. Berenkamp, Erlesen Bd. 26; Wattens/Wien 2013 Seite 14