Artikel Zeitschrift bioaktuell 5/2014

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Artikel Zeitschrift bioaktuell 5/2014
■ T I E R H A LT U N G
Vogelmilben: Den lichtscheuen
Blutsaugern den Garaus machen
In der warmen Jahreszeit vermehren sich in Geflügelställen die Roten Vogelmilben rasant.
Sie schwächen die Hühner, indem sie ihr Blut saugen. Regelmässige Kontrollen und ein rasches
Handeln sind sehr wichtig, damit die Situation nicht eskaliert.
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Bilder: Bio Suisse
ie Rote Vogelmilbe ist in praktisch
allen Geflügelställen in der Schweiz
anzutreffen», sagt Veronika Maurer, Wissenschaftlerin am FiBL und Expertin,
wenn es um die parasitäre Rote Vogelmilbe geht. Die Rote Vogelmilbe ist ein blutsaugendes Spinnentier. Sie lebt versteckt
in Ritzen in den Geflügelställen und hält
Temperaturen von –20 bis +45 ºC aus.
«Am wohlsten ist es der roten Vogelmilbe
zwischen 25 und 30 ºC. Dann vermehrt
sie sich explosionsartig», weiss Maurer.
Den Stall behandeln,
nicht die Hühner
Da die Vogelmilbe im Stall lebt und nicht
auf dem Geflügel selber, bleibt sie oft erstmal unentdeckt. Denn die Vogelmilbe ist
lichtscheu und befällt nachts die Hühner,
um an ihnen Blut zu saugen, und zieht
sich nachher wieder in ihr Versteck zurück. «Aus diesem Grund muss man
den Stall und nicht die Hühner gegen die
Rote Vogelmilbe behandeln», erklärt die
FiBL-Expertin.
Mit gutem Vorbeugen ist schon viel
gegen die Vogelmilbe getan. Bereits beim
Stallbau sollte man darauf achten, Unterschlupfmöglichkeiten für Milben zu
verhindern, etwa durch geeignete Materialwahl und Bauweise. «Durch zusammengeschraubtes Holz entstehen immer
Spalten und Absätze, die gute Verstecke
für Milben sind. Auch Rohre in Ställen
bieten perfekten Unterschlupf, ebenso
Bild: Veronika Maurer
Die Vogelmilbe sorgt nicht nur für Blutarmut beim Geflügel, sie überträgt auch verschiedene Krankheiten.
unter Rosten und Sitzstangen oder in
Ecken ziehen sich die Milben gerne zurück», weiss Peter Lüscher, Knospe-EierProduzent und Präsident der Fachkommission Eier von Bio Suisse aus seiner
langjährigen Erfahrung. Er empfiehlt,
etwa Rohre mit Silikon zu füllen, um Unterschlupfmöglichkeiten zu eliminieren.
«Zur Vorbeugung und Bekämpfung
der Roten Vogelmilbe ist ein durchdachtes Vorgehen sehr hilfreich», ist
Veronika Maurer vom FiBL überzeugt.
«Neben einer gründlichen Reinigung
nach dem Ausstallen, respektive vor dem
Einstallen der neuen Hühner oder Mastpoulets sind eine ständige Kontrolle und
wiederholte Behandlungen im Bedarfsfall die wichtigsten Faktoren, die zum Erfolg führen.»
Waschen, desinfizieren,
behandeln, einstallen
Solche «Salz-und-Pfefferstellen» und sogar tagsüber sichtbare Milben weisen auf
einen sehr starken Befall mit Vogelmilben
hin.
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Peter Lüscher reinigt jeweils beim Umtrieb seiner Hühnerherden seinen Hühnerstall gründlich mit einem Hochdruckreiniger. Zudem hat er einen grossen Bottich, worin er die demontierten
Stalleinrichtungen heiss wäscht. Markus
Schütz, ebenfalls erfahrener Knospe-
Eier-Produzent und Präsident der «IG
Bio Ei», lässt seinen Geflügelstall zwischen zwei Umtrieben professionell reinigen. Eine externe Firma wäscht den
Stall mit Wasser, desinfiziert ihn und
behandelt ihn anschliessend mit Silikatstaub. Erst dann stallt Schütz die neue
Herde ein.
Seit 2013 sind gemäss Bio Suisse
Richtlinien gegen die Rote Vogelmilbe
nur noch Produkte zugelassen, die auf
der Betriebsmittelliste aufgeführt sind.
In Frage kommen Silikate (Kieselgur
oder Diatomeen-Erde) – pulverförmig
oder flüssig – sowie Öle. Man muss sich
jedoch für Silikat- oder Öl-Einsatz entscheiden, beides zusammen funktioniert
nicht. Peter Lüscher verwendet Rapsöl.
«Das Öl mische ich mit Wasser in einer
Rückenspritze und versprühe es da, wo
sich die Milben verstecken», erklärt er.
«Für mich ist das viel angenehmer als das
Silikat, weil ich so nicht im Silikat-Staub
arbeiten muss.»
Regelmässig kontrollieren
ist unerlässlich
Nach jeder Behandlung sollte man kontrollieren, ob sie genügend gewirkt hat.
«Dazu kann man zum Beispiel Fallen
stellen», rät Veronika Maurer. «Man befestigt zusammengefaltete Stofftüchlein
oder Wellkarton an der Unterseite von
Rosten oder Sitzstangen oder sucht einfach Auflagen, Absätze, die Unterseite
von Rosten und dergleichen auf sogenannte ‹Salz-und-Pfefferstellen› ab, die
die Milben hinterlassen.»
Markus Schütz kontrolliert seinen
Stall regelmässig auf Milbenbefall. Denn
ein rasches Handeln ist wichtig, um eine
Milben-Invasion zu verhindern. Stellt
Schütz eine Vermehrung fest, führt er
eine Folgebehandlung durch. Dazu lockt
er seine Hühner mit Körnern in den Auslauf. «Dann stäube ich Silikat-Pulver mit
einer am Kompressor angeschlossenen
Pistole in die Milbenverstecke im Stall.
Dabei muss ich eine gute Staubmaske
tragen, aber das nehme ich in Kauf, denn
Stäuben wirkt besser als Spritzen», ist er
überzeugt. Auch Lüscher kontrolliert
und behandelt regelmässig seinen Hühnerstall: «Im Sommer, bei feuchtwarmem
Wetter, ist der Populationsdruck viel
höher als im Winter. Dann sprühe ich
das Rapsöl im Durchschnitt alle sechs
Wochen, im Winter jedoch nur halb so
oft.»
Forschung für
Bekämpfungsstrategien
«Ganz ausrotten kann man die Rote Vogelmilbe nicht, aber man muss sie auf
ein für Mensch und Geflügel erträgliches
Mass begrenzen», sagt Veronika Maurer
vom FiBL. In der Versuchsreihe zur Vogelmilbenbekämpfung am Forschungsinstitut für biologischen Landbau in
Frick, hat man auch den Einsatz von
Raubmilben, Lichtbehandlungen, krankmachende Pilze, Pheromone, Impfungen
und neue Akarizide auf pflanzlicher Basis
geprüft. Weitere Versuche sind geplant.
Petra Schwinghammer
«Beim Silikat hat die Applikationstechnik
einen grossen Einfluss»
Vogelmilbenbekämpfung ist auch Sache von Profis. Sabine und Beat Bättig aus Burg AG sind seit
elf Jahren in dem Bereich tätig.
bioaktuell: Sie reinigen professionell
Hühnerställe, wie muss man sich das
vorstellen?
Sabine Bättig (S.B.): Wir sind ein Fünferteam. Im Auftrag von Produzenten
waschen, desinfizieren und behandeln
wir Geflügelställe gegen Parasiten.
Wie sind Sie auf diese Geschäftsidee gekommen?
Beat Bättig (B.B.): Immer wieder habe
ich von Landwirten gehört, dass sie keine
Zeit für die Reinigung haben, während
der meist kurzen Leerzeit ihrer Ställe.
So habe ich angefangen, auf Anfrage die
Reinigung zu übernehmen. Mittlerweile
sind wir seit elf Jahren mit unserem Nischenangebot erfolgreich tätig.
Wer sind Ihre Kunden?
S.B.: Unsere Kunden stammen aus der
gesamten Schweiz. Es sind konventionell
wie auch biologisch wirtschaftende Geflügelhalter. Vom Mastbetrieb bis zum
Eierproduzenten.
Was kostet Ihre Dienstleistung?
S.B.: Da man die Leerzeiten der Ställe durch unseren Einsatz kürzer halten
kann, rentiert es sich besonders für grössere Betriebe, uns zu engagieren. In etwa
kann man mit einem Franken pro Huhn
rechnen, wir verrechnen aber nach Stundenaufwand.
Wie beurteilen Sie die verschiedenen
Produkte auf dem Markt für die Bekämpfung der Roten Vogelmilbe?
B.B.: Wir setzen meistens Silikat ein –
und zwar ein Pulver aus fossilem Plankton. Das ist auch im Biolandbau zugelassen. Das Silikat dehydriert die Milben,
wenn sie damit in Kontakt kommen.
Für eine optimale Applikationstechnik
laden wir das Pulver elektrostatisch auf
und tragen es mit einer Pulverbeschichtungsanlage in den Ställen auf. So haftet
es auch an Blech.
Beobachten Sie Unterschiede zwischen
konventionellen und biologisch wirtschaftenden Produzenten?
S.B.: Tendenziell warten einige Biobauern zu lange, bis sie eine Behandlung
gegen die Rote Vogelmilbe einleiten. Das
ist schade, denn auch im Biolandbau hat
man genügend Bekämpfungsmöglichkeiten.
Interview: Petra Schwinghammer
Weitere Infos:
www.baettig-hallenreinigung.ch
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