Presse- information - Kunstverein Hannover

Transcription

Presse- information - Kunstverein Hannover
Presseinformation
Kunstverein Hannover
Sophienstraße 2
D-30159 Hannover
T: +49(0)511.16 99 278 -12
F: +49(0)511.16 99 278 - 278
[email protected]
www.kunstverein-hannover.de
In einer Einzelausstellung präsentiert der Kunstverein Hannover:
Brian Jungen
20.4.–16.6.2013
Hannover, 17.4.2013
Pressefrühstück und Vorbesichtigung: Donnerstag, 18. April 2013, 11.00 Uhr
Eröffnung: Freitag, 19. April 2013, 20.00 Uhr
Der kanadische Künstler Brian Jungen (*1970), Sohn einer nordamerikanischen
Ureinwohnerin und eines Schweizer Einwanderers, thematisiert in seinen großformatigen Skulpturen und Installationen das Verhältnis von indigener und globaler Kultur. Die Einzelausstellung des documenta 13-Teilnehmers im Kunstverein Hannover konzentriert sich sowohl auf Neuproduktionen als auch Arbeiten
der letzten Jahre, die erstmals in Europa präsentiert werden.
Jungen spielt in seinem vielschichtigen künstlerischen Werk mit dem vorherrschenden Bild des Indianers und konfrontiert es mit der profanen Wirklichkeit.
Er verwandelt Gegenstände moderner Lebens- und Konsum- oder Unterhaltungskultur in traditionelle Objekte indianischen Lebens. Mit der Kombination
unterschiedlicher Materialien erzeugt Jungen ein ambivalentes Bedeutungsgeflecht zwischen traditionellen indianischen Handwerkstechniken, klischeehafter
Adaption indianischer Kultur und der realen Gegenwart der »First Nations« Kanadas.
Gleich zu Beginn der Ausstellung kommt das Bild des Indianers als »bedrohlich
Wilder« zum Tragen: zum einen in der Skulptur »The Prince« (2006), eine aus
Baseball-Handschuhen in handwerklicher Manier zusammengesetzte, kriegerisch anmutende Figur mit Kopfschmuck, zum anderen in der Arbeit »Skull«
(2006–2009); diese zeigt, wie der Name schon sagt, einen Totenkopf, der aus
den Bestandteilen im Park gefundener Baseballs gefertigt wurde.
Beeinflusst vom heutigen indianischen Alltagsbild in Nordamerika entstand Brian Jungens neueste Serie von drei in Hannover produzierten Arbeiten (»Moon«,
»Mother Tongue«, »Companion«, 2013). Die jeweils aus zwei PKW-Kotflügeln
zusammengesetzten und mit Tierhaut bespannten Skulpturen erinnern an in die
Vertikale gebrachte Trommeln. Die Autoteile stehen stellvertretend für die Autovans, die eine typisch indianische Familie absurderweise auf oder nahe ihrer
Wohnparzelle ungenutzt versammelt; mit den Kühltruhen, die den drei Skulpturen als Sockel dienen und die ebenfalls gegenwärtig in jedem indianischen
Haushalt zu finden sind, spielt Jungen auf die Konservierung gejagter Tiere an.
In Kanada genießt ein Teil der Ureinwohner gesetzlich geregelte Privilegien gegenüber der restlichen Bevölkerung im Hinblick auf die Jagd wilder Tiere als
Nahrungsbeschaffung.
Rituale und Dresscodes im Sport, die besonders in Teamsportarten wie Football,
Baseball oder Basketball von Bedeutung sind, faszinieren Brian Jungen, daher
finden bei ihm Sportartikel als künstlerischer Rohstoff häufig Verwen-
1
Presseinformation
Kunstverein Hannover
Sophienstraße 2
D-30159 Hannover
T: +49(0)511.16 99 278 -12
F: +49(0)511.16 99 278 - 278
[email protected]
www.kunstverein-hannover.de
dung. In der Serie »Blankets 2–7« (2008) verwandeln sich in Streifen geschnittene Basketball- und Football-Trikots mittels Webtechnik in individuell gemusterte
Decken und lassen so eine Parallele zwischen den Stereotypen der Indianer- und
der Fankultur entstehen – beziehen sich doch die Namen von Sportmannschaften wie Indians oder Red Skins oftmals auf das Klischeebild des »wilden« Indianers.
Der Kontrast zwischen industriell gefertigten Dingen und Handarbeit tritt auch
in Jungens Wasser- und Kraftstoffkanistern mit den Titeln »Seed«, »Cut lines«
und »Water hemlock« zutage. Die unzähligen, in die Wandungen der drei Behälter eingearbeiteten kleinen Löcher erinnern an Stickmuster und verweisen
durch ihre jeweilige Gestaltung auf eine Verbindung zur Natur. So spielt das
spiralförmige Muster von »Seed« (2012) auf die Fibonacci-Folge in der Natur
an. Die Anordnung von Blättern oder Samen in den Blütenständen beispielsweise, wie sie sich durch die Fibonacci-Zahlen beschreiben lässt, sorgt dafür, dass
Pflanzen die beste Lichtausbeute erzielen.
Neben der Infragestellung kultureller Stereotypen arbeitet Jungen mit der Darstellung von Identität, Symbolik und Bedeutung. Das aus Damenhandschuhen
aus rotem Leder genähte Wandobjekt »Wieland« (2006) bildet das stilisierte 11zackige Ahornblatt der kanadischen Nationalflagge nach und ist gleichzeitig
eine Hommage an die kanadische avantgardistische Filmemacherin und Künstlerin Joyce Wieland (1931–1998).
Die über zehn Meter lange Arbeit »Five year universe« (2011) besteht aus 20
aneinandergefügten Silbergelatinedrucken auf Schaumstoff, von denen jeweils
vier – wären sie in ihrer ursprünglichen Bildform zusammengesetzt – eine Tierhaut mit fehlendem, kreisrundem Mittelteil abbilden. Die auf den Drucken fehlenden runden Tierhautfragmente kehren in der in demselben Raum präsentierten Serie, die traditionell gefertigte Trommeln aus Tierhaut mit DesignklassikerSitzmöbeln kombiniert, in »Eero« (2011), »Walking Heart« (2011), »The Mom
Call« (2011) und in »My Decoy« (2011) wieder. Jungen überführt in diesen
Arbeiten Kultobjekte westlicher Konsumkultur in die Formensprache kultischer
Gegenstände und überwindet die Grenzen zwischen ethnologischem Anschauungsobjekt und Warenfetischismus.
Exemplarisch für dieses Verfahren steht auch die imposante Werkgruppe der
fünf über dreieinhalb Meter hohen Säulen (»1960«, »1970«, »1980«, »1990«,
»2010«) im großen Saal des Kunstvereins. Aus der Ferne scheint es sich um
überdimensionale Totempfähle mit den für sie typischen maskenartigen Zügen
zu handeln, aus der Nähe lassen sich aufeinandergetürmte Golftaschen ausmachen, die ähnlich im Sportfachgeschäft präsentiert sein könnten.
»Thunderbirds« (2006) heißt die fünfteilige Arbeit aus Autorückspiegeln, an
denen Vogelschwänzen und Federschmuck nachempfundene Gebilde aus
Kunststoff und Leder befestigt sind. Der Titel bezieht sich einerseits auf den amerikanischen Automobilklassiker »Ford Thunderbird« und beschreibt andererseits
einen Tiergeist in Form eines Riesenvogels aus den Mythen der nordamerikanischen Indianer.
2
Presseinformation
Kunstverein Hannover
Sophienstraße 2
D-30159 Hannover
T: +49(0)511.16 99 278 -12
F: +49(0)511.16 99 278 - 278
[email protected]
www.kunstverein-hannover.de
Am Ende der Ausstellung spricht Brian Jungen mit einer selbstgebauten Destille
auf einem modernen dreirädrigen Kinderwagenuntergestell auf ironische Weise
das Thema Alkohol an: »Portable still« (2005).
Die Ambivalenz, die in allen Werken mitschwingt, ist kennzeichnend für Brian
Jungens Arbeitsweise: Im Kern seines künstlerischen Ausdrucks nimmt er durchweg eine kritische Auseinadersetzung mit indianischer Tradition und westlichem
Wertesystem vor, enthält sich allerdings jeglicher Bewertung. Diese erfolgt allein
von Seiten des Betrachters.
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Bonner Kunstverein und
wird dort ab November 2013 zu sehen sein.
Kontakt und Information
Pressekontakt
Catharina Rahlff-Mackeprang
T 0511.1699278–12
[email protected]
Das Pressematerial steht Ihnen auch unter http://www.kunstverein-hannover.de/presse.html als
Downloadservice zur Verfügung.
_________________
Kurator der Ausstellung
Direktor René Zechlin
_________________
Öffnungszeiten
Dienstag–Samstag 12.00–19.00 Uhr
Sonntag und Feiertag 11.00–19.00 Uhr
_________________
Eintrittspreise
6 € / ermäßigt 4 € / Mitglieder frei
Freitag freier Eintritt
_________________
Förderer
Die Ausstellung wird gefördert durch die Stiftung Niedersachsen, das Niedersächsische Ministerium für
Wissenschaft und Kultur, die NORD/LB Norddeutsche Landesbank und die Botschaft von Kanada.
Der Kunstverein wird vom Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover institutionell gefördert.
_________________
Kulturpartner
NDR Kultur
3