Als Ziggy Stardust nach Russland kam – eine Hommage an David

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Als Ziggy Stardust nach Russland kam – eine Hommage an David
Als
Ziggy
Stardust
nach
Russland kam – eine Hommage
an David Bowie
[Ein Nachruf von Michael Barth] – Der Starman, der Ziggy
Stardust, der uns mit Major Tom in den Weltraum nahm, ist tot.
In seinem 69. Erdenjahr ist diese schillernde Figur von diesem
Planeten gegangen, um seinen Weg in den Rock ’n‘ Roll-Himmel
anzutreten. Aber vorher hat er noch in Russland
vorbeigeschaut.
David Bowie, eine glamouröse Legende im Show-Business, ein
Chamäleon, das sich ständig neu erfand. Laut dem OnlineLexikon „Wikipedia“ gilt er als „einer der einflussreichsten
Musiker der jüngeren Musikgeschichte.“ Man muss seine Musik
nicht mögen, aber auf jeden Fall darf man seine künstlerische
Darstellung respektieren. Als stilles, schweigsames Kind in
London aufgewachsen, suchte sich David Robert Jones, so Bowies
richtiger Name, ein Ventil. Eine Möglichkeit, den Dampf
abzulassen, der sich angestaut hatte.
Prägnant war er, der, der mit 13 Jahren bereits Saxophon in
einer Jazz-Band spielte. 1969 setzte Bowie seinen ersten
Meilenstein mit seinem Debütalbum, das schlicht seinen Namen
trägt, und der Weltraumhymne „Space Oddity“. Die Odysee im
All, angelehnt an Stanley Kubriks galaktischem Epos, brachte
den Major Tom auf alle Plattenteller und später sogar bis auf
die ISS.
1971 nahm der Künstler seine androgyne Rolle an. Sie sollte
sein Etikett werden. Von den Höhen des Weltraums ging es dann
Knall auf Fall in die Abgründe des irdischen Lebens. New York
City, The Factory, Andy Warhol. Die Kunstfigur Davis Bowie
übertrug diese blasse Boheme auf sich.„Ich weiß nicht, wohin
ich gehe, aber ich verspreche, es wird nie langweilig“.
David Bowie bei den Sowjets
So absurd es klingt, der Starman hatte Flugangst. Nach
Auftritten in Japan, es war im Jahr 1973, war eine
Europatournee gebucht. Die naheliegende Lösung gen Westen zu
kommen: Mit der „MS Felix Dscherschinski“ nach Wladiwostok und
von da aus auf die Transsibirische. Neben seinem Haus- und
Hoffotografen und seinem Schlagzeuger, folgte David Bowie ein
Tross der Staatssicherheit. Bei der Sowjetbevölkerung indes
blieb der Weltstar unerkannt. Sie kannten ihn ja nicht einmal.
Als „altertümlichen französischen Zug der Jahrhundertwende mit
schöner hölzerner Innenverkleidung, mit altertümlichen
Spiegeln, Bronze und samtigen Sitzen“ beschrieb Bowie im
Nachhinein die Legende der Eisenbahnen. Verlassen hat das
Reisegrüppchen den Zug auf der Fahrt durch Sibirien jedoch
nicht. Stattdessen filmte der Künstler, der sich stets fragte,
ob es Leben auf dem Mars gäbe, mit einer in Japan erworbenen
16mm Filmkamera die gesamte Reise aus dem Zugfenster.
Station to Station and back again
Erst in Jekaterinenburg, seinerzeit noch Sverdlowsk, begab
sich der kleine Pulk nach draußen. Bowie, im weißen Kimono und
orangener Ballonmütze, erregte, wer hätte es gedacht,
aufsehen. Stante pedes wurde der Mann, der offenbar vom Himmel
fiel wieder in seinen Zug verfrachtet. Was David Bowie
besonders auffiel, dass je weiter man sich Moskau nähert, die
Menschen immer arroganter wurden. Pünktlich zum 1. Mai war die
Hauptstadt erreicht. Musikalisch verarbeitet hat der britische
Dandy seine Reise durch dieses ihm so unverständliche Land
1976 auf seinem Album „Station to Station“.
Über die zweite Russlandreise des Exzentrikers, aus dem Jahr
1976, ist in der Öffentlichkeit hingegen wenig bekannt. Der
Besuch, des für ihn bornierten Moskaus, war rein privater
Natur. Und auch wenn David Bowie Moskau immer noch nicht
verstand (kann man das überhaupt?) hatte er zumindest eine
nicht minder illustre Reisebegleitung dabei. Zusammen mit der
Ikone des Punks, Iggy Pop, feierte der Starman in der
russischen Metropole den Geburtstag des ausgemergelten Enfant
Terribles.
Und noch ein drittes Mal sollte es David Bowie ins ungeliebte
Moskau verschlagen. Mittlerweile schrieb man das Jahr 1996 und
das Land hieß nicht mehr UdSSR, sondern wieder Russland. Waren
die beiden Reisen zuvor noch rein privat, stand nun der
geschäftliche Teil für den Künstler an. Ein Auftritt im
Kremlpalast, bestuhlt bis an die Bühnenkante und einem „dabei
sein ist alles“-Publikum. Major Tom und Moskau sollten nie
Freunde werden. Das wurde bei diesem Konzert noch einmal
deutlich unterstrichen.
Der Staat wachte mit Argusaugen, das Zuhörerschaft „kalt wie
eine Hundeschnauze“, wie ein Kritiker später schrieb. Für
David Bowie selbst war es „das schrecklichste Publikum“, das
er je erlebt habe. Wer nur zu seinem Vergnügen das Konzert
besuchte, hatte sowieso schon verloren. Der Star, so heißt es,
war äußerst gereizt. Nein, ein Wunschkonzert war es für die
Fans beileibe nicht. In einer knappen Stunde spulte er, ganz
Profi, ein kurzes Standardprogramm herunter und damit war es
auch wieder gut. Der anberaumte anschließende Bummel über den
Roten Platz fiel aus und David Bowie schwor sich, nie mehr
einen Schritt in dieses Land zu setzen…