3. Wahlbarometer 2015

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3. Wahlbarometer 2015
Rechtsrutsch, bei
schwächelnder Mitte
Medienbericht zur 3. Welle des
Wahlbarometer 2015, September 2015
Studie im Auftrag von SRG SSR
Projektteam
Claude Longchamp Politikwissenschafter,
Lehrbeauftragter der Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen
Martina Mousson Politikwissenschafterin
Stephan Tschöpe Politikwissenschafter
Aaron Venetz Politikwissenschafter
Marcel Hagemann Sozialwissenschafter
Johanna Schwab Sekretariat und Administration
Inhaltsverzeichnis
1
WICHTIGES IN KÜRZE ................................................................................3
2
EINLEITUNG ..............................................................................................14
2.1 Zielsetzung und Fragestellungen ........................................................14
2.2 Kurze Einbettung der Wahlen 2015 in die jüngere Wahlgeschichte...15
2.3 Thesen und Szenarien zu den Wahlen 2015.......................................22
2.4 Analyseschema des Wahlbarometers 2015 .......................................29
3
BEFUNDE ...................................................................................................34
3.1 Beteiligungsabsichten .........................................................................34
3.2 Potenziale der Parteien bei den Wahlberechtigten .............................35
3.3 Beteiligungsabsichten 2015 ................................................................36
3.4 Entscheidungsabsichten .....................................................................40
3.5 Soziologisches Profil der Parteien .......................................................46
3.6 Weltanschauliche Positionierung der Wählerschaft ...........................54
3.7 Dringliche Themen ..............................................................................60
3.8 Wahrgenommene Themenkompetenzen der Parteien ......................64
3.9 Spezialthema: Energiepolitik ...............................................................70
3.10 Parteipräsidenten ................................................................................74
3.11 Bester Wahlkampf ..............................................................................80
4
WAS SICH AUF DIE WAHL-ABSICHTEN AUSWIRKT .............................85
4.1 Übersicht über die Wirkungsfaktoren .................................................85
4.2 Ergebnisse zu den Wirkungsfaktoren nach Parteien ..........................86
4.3 Zwischenbilanz ....................................................................................89
5
SYNTHESE .................................................................................................90
5.1 Die bisherige Rahmung der Wahl 2015 ..............................................91
6
ANHANG ....................................................................................................96
6.1 gfs.bern-Team .....................................................................................96
Bern, 09. September 2015
Copyright by gfs.bern
2
1
Wichtiges in Kürze
1.1
Wahlabsichten
Wäre bereits am 24. August 2015 gewählt worden, hätten sich die Wahlberechtigten mit Beteiligungsabsichten wie folgt verteilt: Die SVP wäre auf 28.0
Prozent der Stimmen gekommen. An zweiter Stelle wäre die SP mit 19.3 Prozent gelegen. Dahinter eingereiht hätten sich die FDP mit 16.9 und die CVP mit
11.1 Prozent. Mit einem Wähleranteil von 7.4 Prozent wäre die GPS an fünfter
Stelle gelegen; 4.3 Prozent wären auf die GLP entfallen und 4.2 Prozent auf die
BDP.
Das ist keine Prognose der Parteistärken für den Wahltag vom 18. Oktober
2015. Es ist der jetzige Stand der Dinge gemäss Wahlbarometer.
Grafik 1
Die Messwerte selber sind mit einem statistischen Unsicherheitsbereich versehen. Dieser ist nicht absolut, denn er hängt von der Parteigrösse ab. Bei
grossen Parteien fällt er grösser aus, bei kleinen Parteien kleiner. Er variiert
auch mit dem verlangten Sicherheitsmass.
Man kann diese Berechnungen dazu verwenden, um zu bestimmen, wie wahrscheinlich aktuelle Gewinne und Verluste gegenüber 2011 wären. Gewinne
erscheinen bei der FDP zu 94 Prozent wahrscheinlich, bei der SVP zu 85 Prozent. Verluste von BDP und GLP gegenüber 2011 sind zu 96 Prozent wahrscheinlich. Bei der CVP und der GPS haben die Stimmenverluste eine Probabilität von 90 Prozent.
Nach verbreiteter statistischer Konvention sind nur Aussagen mit 95prozentiger Wahrscheinlichkeit sicher genug. Effektiv sind die Abweichungen in
der letzten Welle gering. Im Mittel der Parteien variieren sie im Wahlbarometer
zwischen 1 und 1,3 Prozent für die Jahre 2003 bis 2011.
3
Grafik 2
Aggregiert man Parteistärken auf Blöcke, kann man festhalten: Von der neuen
Mitte, 2011 mit BDP und GLP entstanden, geht heute nicht mehr die gleiche
Strahlkraft aus. Der Alleingang in einzelnen Fraktionen hat sie anders erhofft,
nicht gestärkt, sondern eher geschwächt. Bei SP, GLP und CVP kann man zudem vermuten, dass sich verlorene Volksabstimmungen zu eigenen Initiativen
negativ auswirkten.
Wahlsieger wäre vielmehr die rechte Seite. Den FDP und SVP wären zusammen mehr als 3 Prozent stärker als 2011. SP und GPS blieben weitgehend
stabil (-0.4%-punkte). Schwächeln würde die Mitte (-3.5%-punkte).
Keine direkten Aussagen lassen nationale Umfragen auf Sitzverteilungen zu,
denn die Mandate werden in den Kantonen verteilt und Listenverbindungen
sowie Restmandate bestimmen den Ausgang ebenso.
1.2
Beteiligungsabsichten
Anfangs August 2015 hätten sich 50 Prozent der Wahlberechtigten an den nationalen Wahlen beteiligt. Das wären minimal mehr als 2011. Damit würde sich
der längerfristige Trend seit 1995 mit einer wieder ansteigenden Wahlteilnahme nochmals bestätigen. Hauptgrund ist die politische Polarisierung.
Über dem nationalen Mittel sind die Teilnahmewerte bei der SVP, der GPS, der
SP und der CVP. Darunter fallen sie bei der FDP aus. In den letzten 12 Monaten
hat sie ihre Mobilisierungsfähigkeit aber verbessern können. Das gilt auch für
die SVP. Rückläufig sind die Beteiligungsbereitschaften insbesondere bei der
GLP und der GPS.
Die CVP und BDP kennen ein anderes Problem. Sie mobilisieren zwar zunehmend besser ihr denkbares Elektorat, nur hat sich ihr Potenzial gegenüber
2011etwas verringert.
4
1.3
Wanderungen der Wählenden seit 2011
Die grössten Wählermärkte gibt es zwischen der SP und der GPS einerseits,
der SVP und der FDP anderseits. Im ersten Fall nützt dies der SP, im zweiten
Fall ist die Bilanz genau geteilt. Ersteres beobachteten wir schon in früheren
Wanderungsanalysen; zweiteres ist neu, denn in den drei letzten Befragungen
legte jeweils die FDP zulasten der SVP zu. Jetzt gewinnen beide Parteien insgesamt. Weitere nennenswerte Wählermärkte gibt es von der neuen Mitte von
2011 zur FDP sowie, ganz schwach, von der SP zur GLP.
Verglichen mit 2011 kennen die SVP, die FDP und die SP eine positive Mobilisierungsbilanz. Negativ ist sie insbesondere bei der GLP.
1.4
Bisheriger Wahlkampf
Die rechte Seite der Wahlwilligen nimmt deutlicher als die linke einen Wahlkampf wahr. Vor allem denkbare SVP- und FDP-Wählenden haben auch klarer
eine Präferenz: 61 Prozent der SVP-Wählenden, die bestimmt teilnehmen wollen, halten den Wahlkampf ihrer Partei für den besten. Bei der FDP sind es 44
Prozent.
An diese Werte kommen die linken Parteien nicht heran. Bei den voraussichtlichen SP-WählerInnen präferieren 30 Prozent die SP-Kampagne, bei den GPSWählenden sind es gar nur 22 Prozent. Genau gleich hoch ist der Anteil bei der
CVP. Personen, die beabsichtigen für die GLP zu stimmen, nehmen vor allem
die SVP-Kampagne als die beste wahr, bei der BDP schielt man stark auf die
FDP. Wer von sich sagte, keine feste Parteipräferenz hat, bevorzugt auch keine
der parteilichen Wahlkampagnen. Im kurzfristigen Zeitvergleich zulegen konnte
nur die Kampagne der SVP.
Grafik 3
5
1.5
Dringliche Probleme und Lösungen
Die Migrationsthematik wird auch im August 2015 mit grossem Abstand am
häufigsten als dringendstes Problem genannt. Es folgen Nennungen rund um
die EU respektive die Bilateralen auf dem zweiten Rang. Dahinter reihen sich
drei Problembereiche, die alle annähernd gleich dringlich erscheinen: die soziale
Sicherheit, die Arbeitslosigkeit und die Umweltfrage. Zusammen bilden sie die
Top-Fünf der dringlichsten Probleme, von denen man sich eine politische Lösung wünscht.
Gewachsen ist der Vorsprung der Migrationsfragen auf alle anderen Problembereichen. Das kommt auch zum Ausdruck, wenn man die Dynamiken seit
2011 studiert. Nirgends ist die Veränderung nach oben so hoch wie hier.
Dafür hat die Umweltfrage kurz- und mittelfristig an Bedeutung verloren. 2011
rangierte sie bisweilen an erster Stelle. Im Wahljahr 2015 ist sie vom dritten auf
den fünften Rang abgestiegen. Vergleichsweise dringlicher geworden sind die
Arbeitslosigkeit und die soziale Sicherheit.
Grafik 4
Die von den Themenwählenden wahrgenommenen Kompetenzen der Parteien
sind bei der SVP die Migrationspolitik, bei der SP die soziale Sicherheit sowie
die Arbeitslosigkeit und bei der FDP die Europa-Frage. Die GPS konnte die
Umweltfrage klar besetzen. In keinem Top-Fünf-Thema führend sind die CVP
und die GLP, nur in der Europa-Frage erwähnt wird die BDP.
Zeitlich gesehen hat der Vorsprung der SVP in Migrationsfragen abgenommen.
Es wächst der Anteil, der hier keine parteipolitische Lösung will oder eine überparteiliche präferiert. Das gilt auch für Fragen der Arbeitslosigkeit.
6
Grafik 5
1.6
Spezialthema: Energie
Die Energiewende ist das Spezialthema dieses Wahlbarometers. Zunächst sei
festgehalten, dass die Einstellungen zur Energiewende 2050 mehrheitlich positiv sind. 74 Prozent sind mit der Forderung einverstanden, wonach die Schweiz
langfristig ohne Strom aus Atomkraftwerken auskommen soll. 22 Prozent sind
hier umgekehrter Meinung. 7 von 10 befürworten auch eine Beschränkung der
Laufzeiten für Kernkraftwerke. 27 Prozent der Wahlberechtigten widersprechen
dem ausdrücklich.
Argumentativ hofft eine Mehrheit von zwei Dritteln, dass die Energiewende in
der Schweiz Jobs schaffe. Genau die Hälfte findet, die in Aussicht stehende
Verteuerung der Energie sei für die Schweizer Wirtschaft nicht tragbar.
In allen Fragen zeigt sich ein Links/rechts-Gegensatz. Der grundsätzliche Ausstieg aus der Kernenergie ist in allen Parteiwählerschaften mehrheitsfähig – bei
der SVP allerdings nur ganz knapp. Das gilt nicht für die Beschränkung der
Laufzeit für bestehende Kernkraftwerke. In der SVP-Wählerschaft gibt es mehr
Gegner dieser Forderung als Befürworter, und selbst bei der BDP und FDP sind
nur knappste Mehrheiten dafür.
Ähnliches wiederholt sich bei der Jobfrage. Optimistisch sind hier die Wählerschaften von GPS und GLP über SP und CVP. Einiges an Skepsis zeigt sich
dagegen bei der FDP, insbesondere auch bei der BDP- und SVP-Basis. Mehrheitliche Kritik an einer Belastung der Wirtschaft durch die Energiewende zeigt
sich aus den gleichen Kreisen. So sind SVP-, knapp auch FDP- und BDPWählende mehrheitlich der Meinung, dies sei nicht tragbar.
7
Grafik 6
1.7
Parteipräsidenten und -präsidentinnen
Die höchste Glaubwürdigkeit bei den Wahlberechtigten insgesamt kennt der
CVP-Präsident Christophe Darbellay (49%), gefolgt von Christian Levrat (49%).
Auf den Rängen drei und vier folgen Philipp Müller (45%) und Toni Brunner
(41%). Dabei polarisiert der SVP-Parteipräsident am meisten, gefolgt vom SPParteipräsidenten. Knapp mehr als ein Drittel der Schweizer Wählerschaft hält
Toni Brunner für unglaubwürdig, den nächsthöchsten Vergleichswert erreicht
Christian Levrat mit 15 Prozent. Auf den hintersten drei Rängen der Glaubwürdigkeitsskala sind die Parteipräsidenten der BDP und der GLP einerseits, das
grüne Co-Präsidium andererseits zu finden. Bei diesen drei Präsidien mangelt
es namentlich an Bekanntheit nach aussen.
Für die Romands sind die beiden Westschweizer Parteipräsidenten Levrat und
Darbellay die glaubwürdigsten. Toni Brunner belegt hier den letzten Rang. Im
Tessin führt der CVP- vor dem FDP-Präsident. Die SP- und SVP-Präsidenten
haben das Nachsehen; sie liegen noch hinter Landolt.
Anders präsentiert sich die Lage, werden nur die Angaben der jeweiligen Parteiwählerschaften zu ihren eigenen Parteipräsidenten ihrer eigenen Parteipräsidentin berücksichtigt: Auch hier schneidet Christophe Darbellay mit 84 Prozent
Glaubwürdigkeit am besten ab. An zweiter Stelle folgt allerdings Toni Brunner
mit 81 Prozent. Hauptgrund hierfür ist, dass beide nach innen nicht polarisieren.
Es folgen Christian Levrat und Philipp Müller. Die Bekanntheitsschwächen der
Parteispitzen der BDP, GLP und der GPS bestätigen sich tendenziell selbst
innerhalb der eigenen Wählerschaft; die Glaubwürdigkeit ist aber für alle drei
Parteispitzen in den Augen ihrer WählerInnen intakt. Das gilt am klarsten für
Martin Bäumle.
8
Grafik 7
1.8
Systematisierte Gründe für Gewinne
und Verluste
Aus den bisherigen Wahlbarometer-Befragungen wissen wir, dass eine gute
Stimmung im eigenen Wahlkampf und eine hohe Identifikation mit dem eigenen Parteipräsidenten eine zentrale Voraussetzung für ein gutes Abschneiden
bei den Nationalratswahlen sind. Das ist grosso modo bei allen untersuchten
Parteien gegeben.
In der Wichtigkeit folgen die programmatischen Aussagen respektive die Positionierung in den bürgerseitig vorrangigen Themen. Die FDP kann sich hier
empfehlen, weil sie die Wirtschaftsentwicklung ganz allgemein thematisiert,
aber auch die Migrations- und Energiefragen aufgenommen hat. Falsch wäre es
die SVP zur Ein-Themenpartei stempeln zu wollen, denn aus Sicht der Wählenden kommt sie mit ihren Positionen in der Europa-Politik, der Wirtschaftsentwicklung und der Sozialversicherung ebenso gut an. Die Stärken der SP
schliesslich liegen ebenfalls im Wirtschaftsbereich, gekoppelt mit sozialpolitischen Forderungen. Mittels Migrationsfragen kann sie sich marginal empfehlen. Stärkster Grund CVP zu wählen, ist die Europa-Frage, während die sozialen
und ökologische Fragen für die GPS sprechen. Bei der GLP sind es Infrastruktur- und Umweltthemen, die ziehen, während bei der BDP kein bestimmtes
Thema die Wahlabsicht begründet.
Wertmässig konnte sich die FDP als Wahrerin des (ökonomischen) Erfolgsmodells Schweiz empfehlen, die SP als Vertreterin einer offenen Schweiz. Bei
Wählenden rechts der Mitte spielt die Positionierung von SVP, FDP und beschränkt jene der CVP eine Rolle, bei GPS und SP im linken Spektrum ebenso.
GLP und BDP können sich am ehesten als Parteien gegen die parteipolitische
Polarisierung empfehlen respektive mit Stärken überparteilicher Allianzen.
Der neue Trend besteht in den Parteistärken darin, dass die grösseren Parteien
eher gestärkt werden, die kleineren eher geschwächt. Das steht der Aufteilung
9
in immer mehr Parteien gegenüber, wie wir es 2011 erlebt haben. Es spricht
auch dagegen, dass Kleinstparteien diesmal grosse Sprünge wie bei der Vorwahl machen könnten. Vielmehr kommt sowohl ein Trend zur Vereinfachung
der Parteienlandschaft zum Ausdruck, der die grossen Polparteien stärkt und
der rechten Seite mehr nützt als der linken.
Tabelle 1
Parteienlager
Indikator
2011
3. Welle
Wahlbarometer
2015
Trend
Regierungslager
78.1
79.5
leichte Zunahme
Regierungslager (ohne BDP)
72.6
75.3
Zunahme
bürgerlich (SVP, FDP, CVP)
54.0
56.0
Zunahme
rechts (SVP, FDP)
41.7
44.9
Zunahme
Mitte (CVP, GLP, BDP, EVP)
25.1
21.3
Abnahme
rotgrün (SP/GPS/Linke)
28.0
27.6
stabil
Mitte/links (SP, GPS,GLP, BDP, CVP, EVP, Linke)
53.1
48.9
Abnahme
Bemerkung: Veränderungen von 1.0 Prozentpunkt und mehr gelten als Abnahme respektive Zunahme. Veränderungen darunter,
aber von minimal 0.5 Prozentpunkten werden als leichte Zu- oder Abnahme charakterisiert, derweil kleinere Veränderungen nicht
kommentiert werden.
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
Dabei fällt auf, dass die Volatilität im Wahljahr wieder gestiegen ist. Im unmittelbaren Nachgang zur überraschenden Aufhebung der Euro-Untergrenze dominierte die Stabilität, mit der Entwicklung des Wahlkampfes geht diese wieder
etwas zurück.
Profitieren konnte das rechtsbürgerliche Lager. Es ist gut 3 Prozentpunkte stärker als 2011. Derweil ist die Mitte fast 4 Prozentpunkte schwächer als vor vier
Jahren. Weitgehend stabil ist das rotgrüne Lager. Das lässt die Schlagzeile zu,
dass der Rechtsrutsch gegenwärtig am wahrscheinlichsten ist, allenfalls mit
einer Polarisierung zugunsten der grösseren Parteien.
In der längerfristigen Betrachtung gleicht dieser Trend sicher nicht dem von
2011. Am ehesten kommt er dem von 2007 nahe. Damals legte allerdings die
GPS zu, und es verlor die SP an Stimmenstärke. Momentan sieht es eher nach
dem Umgekehrten aus. Neu wäre auch, dass nicht mehr die SVP alleine gewinnt, sondern SVP und FDP zusammen.
Bezogen auf die Regierungsbildung sei festgehalten, dass Mitte/links ihre
knappe Mehrheit bei den Stimmen verlieren dürfte. Eindeutig mehrheitsfähig
wäre ein bürgerlicher Schulterschluss. Was sich bei den jüngsten kantonalen
Wahlen als Erfolgsformel herauskristallisierte, dürfte aber auf Bundesebene für
die CVP zu grossen Herausforderung werden, denn bei einer Stärkung der SVP
im Bundesrat zulasten der BDP würde sie numerisch ihre Rolle als mögliche
Mehrheitsbeschafferin verlieren. Denkbar wäre auch, dass die GLP ein zweites
SVP-Regierungsmitglied stützen würde. Es bräuchte voraussichtlich aber nicht
einzelne, die von der bisherigen Politik abweichen würden, sondern ein weitgehend geschlossenes Verhalten, wenn die CVP für die bisherige Regierungszusammensetzung votieren sollte.
10
1.9
Kurzantworten auf die drei
Forschungsfragen
1. Wer will wen wählen?
Gemäss Wahlbarometer bleibt 2015 die SVP die stärkste Partei. Auch sonst
wird sich aller Voraussicht nach nichts Entscheidendes an der Reihenfolge in
der Wählergunst ändern. Zunehmend variabel erscheinen in unserer Befragungsreihe die Parteistärken. Zulegen dürfte die FDP, und neuerdings sind
auch Gewinne für die SVP möglich. Stabil bleiben oder leicht stärker werden
dürfte die SP, während sich kleinere Wählerverluste für BDP, CVP, GLP und
GPS anzeichnen.
Direkte Wählerbewegungen sind von bisherigen NichtwählerInnen zu SVP, SP
und FDP zu verzeichnen.
Attraktivste Partei für WechselwählerInnen ist die FDP, sie gewinnt ehemalige
WählerInnen der BDP und der GLP. Links gewinnt die SP auf Kosten der GPS,
verliert allerdings schwach an die GLP. Allen Zentrumsparteien fällt es schwer
die bisherige Wählerschaft zu halten.
Die wichtigste Polarisierung der Wahlabsichten findet im Stadt/Land-Spektrum
statt. Wichtigste Wählerbasis des linken Pols bleiben die grossen Agglomerationen, während der rechte Pol nirgends so stark ist wie auf dem Land. Zwar
konnte sich die SVP konnte sich nach der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative auch in den grossen Agglomerationen empfehlen. Sie
sieht sich aber auf dem Land namentlich von der FDP konkurrenziert.
Damit teilweise verbunden ist die schichtmässige Herkunft der Wählerschaften. Je tiefer diese ist, desto eher gehen sie nach rechts, je höher, desto eher
verändern sie sich nach links. In beide Richtungen stark polarisiert sind mittleren Einkommensklassen. Bei den tiefsten Einkommen stellen wir keinen ausgeprägten Trend zur SVP mehr fest, eher hin zur FDP und SP.
2. Wer will sich an den Wahlen beteiligen?
Beteiligungsbereit sind heute 50 von 100 Wahlberechtigten. In höheren Bildungsschichten und Altersklassen ergeben sich höhere Werte. Vor allem bei
einer mittleren Bildung und jüngerem Alter sind die Teilnahmeabsichten aber
geringer.
Zeitlich gesehen stieg die Teilnahmebereitschaft in der laufenden Legislatur
stets ein bisschen an. Hauptgrund hierfür ist die Polarisierung in den Debatten,
die sich auf die Positionen der Wählenden und der Parteien auswirken. Kurzfristig besser mobilisiert wurden vor allem misstrauische BürgerInnen.
Ihre kurzfristig denkbaren Potenziale können SVP, SP und CVP gleich gut mobilisieren. Würde es der FDP gelingen, ihre vergleichsweise mittlere Mobilisierungskraft zu verbessern, könnte sie noch besser abschneiden. Die Möglichkeiten der Mitte-Parteien bleiben aber beschränkt, weil ihre Potenziale nicht
wachsen, eher schrumpfen. Das gilt speziell für CVP und BDP. Letztere kann
drohende Verluste in der Wählerstärke durch eine gute innere Mobilisierung
etwas kompensieren. Das ist bei beiden grünen Parteien hingegen nicht der
Fall, so dass sich deren Mobilisierung im Wahljahr insgesamt verschlechtert
hat.
11
3. Was sind die zentralen Wahlgründe?
Thematische Profilierung ist für die Ansprache von Wählenden von wachsender
Bedeutung. Das gelingt Parteien mit klarer Ausrichtung besser als solchen im
Zentrum und es gelingt grösseren besser als für kleineren.
Profilierte Parteien haben in aller Regel ein Leadthema. Bei der SVP ist es die
Migrationsfrage, bei der SP die soziale Sicherheit, bei der GPS die Umweltthematik und bei FDP und CVP sind dies am ehesten die Bilateralen.
Bürgerseitig haben sich Migrationsfragen dauerhaft an der Spitze der zu lösenden Probleme etabliert. Das gilt auch für 2015 mit der Aktualität der Asylfrage.
Erste Partei für ThemenwählerInnen ist in dieser Frage die SVP. Allerdings steiget gerade in der Migrationsfrage der Wunsch nach überparteilichen Lösungsvorschlägen.
Generell gilt, dass Parteien, die mit Themen gewinnen wollen, mehrere Angebote brauchen. Die SVP gewinnt ThemenwählerInnen auch mit ihrer Position
zur Sozial- und Wirtschaftspolitik, die SP kann sich ebenso mit Wirtschaftsfragen empfehlen. Für die FDP entscheidend ist, dass sich die Wahrerin des ökonomisch ausgerichteten Erfolgsmodells der Schweiz. Mittlere und kleinere
Parteien kennen diese Mehrspurigkeit meist nicht.
Themen als Wahlgründe sind im heutigen Umfeld meist wichtiger als Kampagnen und herausgehobene Personen. Hauptgrund hierfür ist, das letztlich alle
Parteiwählerschaften ihre ParteipräsidentInnen positiv beurteilen, ebenso die
eigene Kampagne schätzen.
Die besten Noten gibt die Parteiwählerschaft der SVP für ihren Wahlkampf
gefolgt von der FDP. Einiges dahinter folgen die Beurteilungen der Wahlkämpfe
von SP und GPS, deren WählerInnen zu wenig von der Wahlkampagne ihrer
Mutterpartei erfasst sind respektive nicht durchwegs überzeugt sind davon.
Auffällig ist, dass die positive Wahrnehmung und Bewertung von Parteikampagne vor allem dort gut ausfällt, wo es eine werberisch aufwendige Vorkampagne gab.
12
1.10 Datengrundlage
Die vorliegende Befragung wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern konzipiert
und vom gfs-Befragungsdienst realisiert. Die Berichterstattung nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor. Dieses trägt auch die Gesamtverantwortung. Befragt wurden 2013 repräsentativ ausgewählte Stimmberechtigte in der ganzen
Schweiz. Um gewisse sprachregionale Aussagen machen zu können, haben
wir die Sprachminderheiten überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um
nationale Aussagen machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht.
Tabelle 2
Technischer Kurzbericht Wahlbarometer 2015, 3. Welle
Auftraggeber
SRG SSR
Grundgesamtheit
Wahlberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz
Herkunft der Adressen
Telefonverzeichnis der Swisscom (gepoolt)
Datenerhebung
telefonisch, computergestützt (CATI)
Art der Stichprobenziehung
geschichtet nach
at random/nach Sprachregionen; Geburtstagsmethode im Haushalt
Sprachregionen
Befragungszeitraum
21. – 29. August 2015
mittlerer Befragungstag 24. August 2015
Stichprobengrösse
minimal 2000, effektiv 2013
n DCH: 1008, n WCH: 605, n ICH: 400
Teilnahmewillige NRW 2015 n = 1316
Stichprobenfehler
+/- 2.2% bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
Quotenmerkmale
Geschlecht/Alter interlocked
Gewichtung nach
Sprache, Teilnahme, Parteiaffinität
Befragungsdauer
Mittel
Standardabweichung
10.7 Minuten
3.5 Minuten
Publikation
9. September 2015, 17h
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
Die Sperrfrist für den aktuellen Bericht ist Mittwoch, 9. September 2015, um
17 Uhr.
Zitierweise
3. Welle des SRG-SSR-Wahlbarometer 2015, realisiert vom Forschungsinstitut
gfs.bern zwischen dem 21. bis 29. August 2015 bei 2013 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten.
13
2
Einleitung
2.1
Zielsetzung und Fragestellungen
Ziel des Wahlbarometers 2015 ist es, den Prozess der Meinungsbildung zu den
Nationalratswahlen aufgrund einer Serie untereinander vergleichbarer, repräsentativer Befragungen von Wahlberechtigten so zuverlässig wie möglich zu
begleiten.
Die Prognose des Wahlausgangs selber ist kein vorrangiges Ziel. Vielmehr geht
es darum aufzuzeigen, was die Ursachen für die Verhältnisse respektive Veränderungen in den Parteiwählerschaften sind.
Das Wahlbarometer 2015 schliesst damit an die früheren Befragungsserien an,
welche die SRG SSR Medien seit 1999 durch das Forschungsinstitut gfs.bern
erstellen liessen.
2.1.1 Fragestellungen
Die generelle Fragestellung des Wahlbarometers lautet: Wer wählt wen, warum und mit welcher Wirkung? Konkret meint dies:

Wer will sich an den Wahlen 2015 beteiligen?

Wer will welche Partei wählen?

Was sind die Gründe für den beabsichtigten Wahlentscheid?
Als vierter Punkt kommt ein variables Schwerpunktthema hinzu, das sich aus
der Situation ergibt. Im aktuellen Fall ist es die Energiepolitik, konkretisiert am
Ausstieg aus der Kernenergie und der Energiewende.
Damit ist auch gesagt, was das Wahlbarometer nicht leistet: Namentlich liefert
es keine kantonalen Analysen. Die Stichprobe wird national respektive sprachregional gebildet; sie reicht nicht, um genaue Aussagen je Kanton zu machen.
Sie kann deshalb auch nicht verwendet werden, um die Ständeratswahlen zu
untersuchen, beziehungsweise die Sitzverteilung bei den Nationalratswahlen
nach Kantonen (und damit insgesamt) zu bestimmen. Nicht weiter analysiert
werden zudem Parteien mit einem Wähleranteil von klar unter 5 Prozent. Deren
Repräsentanz ist angesichts der Stichprobengrösse zu gering, um differenziert
betrachtet werden zu können.
Aus politikwissenschaftlicher Warte macht es auch immer mehr Sinn, nationale
Wahlanalysen vorzunehmen. Denn die stark kantonal geprägten Parteiensysteme wurden seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts nationalisiert.1 Nationale Parteien waren davor letztlich nur die FDP und die SP. Seither sind die
GPS und die SVP hinzugekommen. Ein Beispiel einer weiterhin kantonal stark
unterschiedlich strukturierten Partei ist heute die CVP. Insbesondere die Konfessionsräume wirken hier als Grenzen bei der nationalen Ausbreitung. Das gilt
letztlich auch für die BDP, kaum aber für die GLP.
Getragen wird das Projekt Wahlbarometer von der SRG-SSR-ChefredaktorInnen-Konferenz – realisiert wird es vom Forschungsinstitut gfs.bern. Verbreitet
wird es von allen SRG-Medien.
Bis zu den Wahlen im Herbst 2015 erscheint nach dem vorliegenden Bericht
noch ein weiteres Wahlbarometer. Bereits publiziert wurden die Wahlbarometer 2013 und 2014, welche die jeweiligen Jahresentwicklungen nach den Wah-
1
K. Armingeon: Das Parteiensystem der Schweiz im internationalen Vergleich. Eine Studie mit
Daten der Nationalratswahlen 1971-1999. BfS, Neuchatel 2003.
14
len 2011 aufzeigten. In diesem Jahr gab es im März und im Juni je eine Publikation.
Die Zeitspanne, die mit dem Wahlbarometer beobachtet und analysiert werden
kann, lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen:
1.
Vorvorwahlkampf: Erste Versuche des Themenaufbaus, letzte kantonale
Wahlen und letzte eidgenössische Volksabstimmungen.
2.
Vorwahlkampf: Nominierung in den Kantonen, Listenverbindungen, gezielter Themenaufbau national oder sprachregional.
3.
Hauptwahlkampf: Delegiertenversammlungen, Wahlkampfauftakte, parteipolitische Kontroversen, Herbstsession der eidgenössischen Räte/
Werbung; Spekulation über Bundesratszusammensetzung, persönliche
Kampagnen.
4.
Schlussmobilisierung: Themenzuspitzung und Mobilisierung.
Mit dem aktuellen Wahlbarometer beschreiben wir den Einstieg in den Hauptwahlkampf. Vorvor- und Vorwahlkämpfe sind weitgehend abgeschlossen.
Wichtigste Eigenschaft dieser Phase ist, dass die mediale Aufmerksamkeit
nach dem bekannten Sommerloch schnell ansteigt. Hinzu kommt, dass Parteien fast ausschliesslich unter dem Aspekt der Herbstwahlen thematisiert werden.
2.2
Kurze Einbettung der Wahlen 2015 in die
jüngere Wahlgeschichte
2.2.1 Zwischen gemässigtem zum polarisiertem
Pluralismus
Die Politikwissenschaft behandelte das Parteiensystem der Schweiz lange als
typisches Beispiel für einen gemässigten Pluralismus.2 Inhaltlich entspricht das
einem Parteiensystem, das sich vom Zwei- zum Mehrparteiensystem entwickelt hat, also parteipolitisch fragmentiert ist, jedoch ideologisch nur beschränkt
polarisiert ist.
In der Schweiz ist das im Wesentlichen eine Folge der Einführung des Proporzwahlrechts für den Nationalrat gewesen. Mit der Grösse der Wahlkreise
mutiert das Parteiensystem weg von der alten Dichotomie zwischen liberalen
und konservativen Parteien hin zu einem Parteiensystem, dass durch mehrere
parteipolitisch gefasste Konfliktlinien geprägt ist. Um dieses Parteiensystem
regierungsfähig zu halten, dominierte in einer ersten Phase eine bürgerlicher
Koalition nach dem Mehrheits-/Minderheitsprinzip. Seit 1959 gilt das Konkordanzprinzip mit einer Regierung bestehen aus den grösseren Parteien. Die
Wahlen 2003 und 2007 brachten hier eine Veränderung, denn die BDP als kleine Abspaltung der SVP blieb via ehemaliger SVP-Bundesrätin eine Regierungspartei.
2
G. Sartori: Parties and Party Systems. A Framework for Analysis. Cambridge 1976.
15
Grafik 8
Vom gemässigten zum polarisierten Pluralismus
Offensichtlich hat sich das Parteiensystem der Schweiz seit den 90er Jahren
des 20. Jahrhunderts nochmals stark verändert. Zentrales Stichwort ist die
Polarisierung. Gewachsen ist namentlich die weltanschauliche Distanz zwischen den Parteien und ihren Eliten. Entsprechend spricht man heute meist
von einem polarisierten Pluralismus.
Internationale Vergleiche zeigen, dass die Fragmentierung des Parteiensystems
im OECD-Raum am dritthöchsten ist. Nur Belgien und Italien kennen eine höhere effektive Parteienzahl als die Schweiz. Bei der Polarisierung befindet sich
unser Land an vierter Stelle. Gegensätzlicher sind die Parteien nur in Spanien,
Island und Schweden.3 Analytiker wie Hanspeter Kriesi sprechen von einem
vollzogenen Übergang zum polarisierten Pluralismus, derweil Adrian Vatter eine
Mischvariante zwischen gemässigtem und polarisiertem Pluralismus ortet.
Hauptgrund ist, dass die SVP (wieder) eine Regierungspartei sei und sie ein
Regierungs-/Oppositionssystem auf Bundesebene nicht erzwingen könne.
Der Berner Professor für Schweizer Politik, Adrian Vatter, bewertet seit 2014
das Parteiensystem der Schweiz mit dem Hinweis, dass sich die demokratische Funktionsweise nicht am Wechsel der Mehrheiten im Wettbewerbssystem zeige, sondern an der Integrationsfähigkeit des Konsenssystems. Die institutionellen Voraussetzungen hierfür sieht Vatter weiter für gegeben, zentral
bleibe aber die Frage nach der Positionierung und Einbindung der SVP. Gemessen an der (rein) arithmetischen Konkordanz müsste sie mit zwei Sitzen im
Bundesrat vertreten sein. Aufgrund der inhaltlichen Konkordanz gäbe es jedoch
Widerstände, insbesondere wegen des Gebrauchs der Volksrechte, mit denen
die Regierungspolitik, wie beispielsweise bei der angenommenen Masseneinwanderungsinitiative, in folgenreiche Schwierigkeiten gebracht werde.
Pascal Sciarini, Genfer Professor für Schweizer Politik, veröffentlichte 2015
eine weitere Analyse4. Gemäss seiner Analyse des Eliteverhaltens hat sich die
Schweiz erheblich vom Muster der Konsenspolitik entfernt. Dies gilt nicht nur
für Ausnahmefälle, vielmehr ist es der Regelfall geworden. Mit dem Verlust der
Mehrheit von FDP und CVP im Parlament sei die Allianzbildung Mitte/rechts
respektive Mitte/links vorrangig geworden. Dabei wird auf die Berücksichtigung
des Gegenpols in Sachfragen zunehmend verzichtet, im vollen Bewusstsein,
dabei mehr Referenden oder Volksinitiativen aus oppositioneller Sicht zu riskieren. Sciarini unterscheidet zwischen grosser und kleiner Konkordanz, mit zwei
respektive einer eingebundenen Polpartei. Das zeigt sich auch auf kantonaler
3
A. Vatter Das politische System der Schweiz, Baden-Baden 2014, p. 146 ff.
P. Sciarini, M. Fischer, D. Traber: Political Desicion-Making in Switzerland. The Consensus Model
under Pressure. Palgrave Macmillan 2015.
4
16
Ebene, denn seit 2015 kennen mehr Kantone die kleine anstelle der grossen
Konkordanz.5
Die Zürcher Professorin für Schweizer Politik Silja Häusermann analysiert seit
längerem die Folgen des Wandels der Konkordanz in der Schweiz für die Wirtschaftspolitik. Negativ falle auf, dass die Berechenbarkeit der Politik bei gleichzeitig steigender Zahl an Volksentscheidungen sinke. Das gilt ihr zu Folge insbesondere auch für Abstimmungen über Volksinitiativen, die angesichts der
zahlreichen Urnengänge hierzu auch an Annahmechancen gewonnen haben.6
Zudem hat sich das Spektrum angenommener Volksinitiativen erweitert, von
Ausländer- und Umweltfragen auf Themen des Strafrechts einerseits, aber
auch der Wirtschaftspolitik anderseits.7 Die zahlreichen Volksentscheidungen
geben zudem den Parteien regelmässig die Gelegenheit, sich zu profilieren.
Das erhöht die Unterscheidbarkeit, aber auch die Unterschiede selber unter
den Regierungsparteien.
Eine Legislaturbilanz des Forschungsinstituts gfs.bern aufgrund von Expertengesprächen und Dokumentenanalysen zeigt, dass nach 2011 effektiv die MitteParteien mit der SP die grösste parlamentarische Wirkung entfalteten. Für die
Koalitionsbildung wurde der Ständerat wichtiger, derweil die konkrete, mehrheitsfähige Variante im Nationalrat unter Einschluss der neuen Parteien gebildet
wurde. Weniger dramatisch eingeschätzt wird die Bedeutung von Volksinitiativen. Im Einzelfall können sie entscheiden, im Normalfall werden sie überschätzt.8
Grafik 9
Wirkung Parteien pro Jahr
in % indexierter Wirkungspunkte
100
13
18
14
16
18
17
20
21
13
14
16
80
25
25
29
24
27
24
27
23
22
24
13
19
21
21
20
21
21
40
25
21
19
12
15
15
8
6
4
17
12
22
22
23
8
7
9
9
9
5
20
15
18
18
22
20
6
12
8
17
17
11
12
16
12
9
19
19
16
9
20
22
SVP
FDP.Die
Liberalen
CVP
24
20
andere
21
23
8
15
22
27
60
20
13
9
8
9
11
12
10
9
10
12
8
8
9
7
BDP
GLP
6
6
GPS
26
13
16
17
18
18
SP
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
© gfs.bern, Parlamentswirkung 2000-2015, Juni/Juli 2015 (N = 333 ausgewählte Parlamentsgeschäfte)
5
Claude Longchamp: Grosse resp. kleine Konkordanz in den Kantonen:
http://www.zoonpoliticon.ch/blog/20659/grosse-oder-kleine-konkordanz-die-verhaeltnisse-in-denkantonen/.
6
http://dievolkswirtschaft.ch/de/2015/04/haeusermann-direkte-demokratie-und-wirtschaft/
7
http://sotomo.ch/wp/wp-content/uploads/2014/12/nzzs-16.11.14-hg-026_027_Hintergrund.pdf
8
Lukas Golder et al.: Das neue Selbstbewusstsein der alten Mitte. Bern 2015,
http://www.gfsbern.ch/de-ch/Detail/parlamentswirkung-in-der-schweiz-2011-2015. Ferner:
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/es-regiert-die-koalition-der-vernunft/story/13692545
17
2.2.2 Gesellschaftliche Ursachen
Die politische Soziologie präzisiert die Ursachen der neuen Polarisierung. Sie
spricht in den europäischen Gesellschaften von grundlegenden Konfliktlinien,
welche die Ausbildung von typischen Parteien bestimmt haben.9 Für die
Schweiz relevant waren die konfessionelle Spaltung im Gefolge der Reformation, die Ansätze der Trennung von Kirche und Staat nach der Französischen
Revolution, die Spaltung städtischer und ländlicher Interessen respektive die
Polarisierung zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft an der Wende vom 19.
zum 20. Jahrhundert. Als Folge daraus ist das für europäische Verhältnisse
nicht untypische Parteiensystem mit einer vorrangigen Links/rechtsPolarisierung entstanden, allerdings ohne Überwindung der konfessionellen
Spaltung und damit auch ohne dominante Partei.
Namentlich im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts änderten sich die gesellschaftlichen Konfliktlinien erneut. So sind postmaterialistische Werte hinzugekommen, geformt aus neuen Bedürfnissen der individuellen Selbstentfaltung.
Das hat speziell zur politischen Partizipation der Frauen geführt, aber auch zur
Entstehung der GPS. Die letzte neue Konfliktlinie betrifft die Globalisierung der
nationalstaatlich verfassten Politik, die in der Internationalisierung respektive
Europäisierung der Schweizer Politik ihren Ausdruck findet. Sie hat zu einer
eigentlichen Gegenbewegung geführt, einer neuen Form des Nationalismus,
mit dem auch ein neuer Konflikt zwischen Kulturen entstanden ist, speziell
entlang der Trennlinie zwischen Einheimischen und Fremden, wie sie etwa in
der Migrationsdebatte zum Ausdruck kommt.
2003 endete die Polarisierung nach links weitgehend, 2007 auch jene nach
rechts. Parallel dazu verloren seit den Wahlen 1979 die alten Mitte-Parteien
FDP und CVP. Gegenbewegungen hierzu hielten nicht mehr als eine nationale
Wahl an.
Tabelle 3
Konfliktlinien nach Lipset/Rokkan (1967) und Caramani (2008)
kritische
Schwelle
vorindustrielle
Revolution
industrielle
Revolution
postindustrielle
Revolution
Zeitpunkt
Konfliktlinie
umstrittene Themen und
Ereignisse
16. und 17.
Jahrhundert
Zentrum
vs.
Peripherie
konfessionelle Spaltung, Tradition oder
Moderne, Regeneration Bundesstaat,
Kulturkampf
Freisinn, katholisch
Konservative
seit 1789
(französische
Revolution)
Staat
vs.
Kirche
säkulares vs. kirchlich kontrolliertes Bildungssystem
SP, FDP, DP, KP, LP
Stadt
vs.
Land
Schutzzölle für landwirtschaftliche Produktion, industrielle im Gegensatz zur landwirtschaftlichen Produktion
SP, FDP, DP, KP, LP
Kapital
vs.
Arbeit
staatlich regulierte vs. freie durch Märkte
koordinierte industrielle Produktion, Entstehung Zauberformel, Generalstreik 1918
SP, FDP, DP, KP, LP,
EVP, Nationale Front,
BGB, LdU, PdA, Nationale Aktion
Materialismus
vs.
Postmaterialismus
Generationen über politische Prioritäten:
Bürgerrechte, Pazifismus, Feminismus,
Umwelt
GPS; ökologische Parteien
offene
vs.
geschlossene
Gesellschaft
Globalisierung der Wirtschaft; Öffnung der
Arbeitsmärkte; Druck durch Billiglohnländer in Asien; wirtschaftliche Integration in
Europa; Anti-Amerikanismus
Protestparteien; nationalistische Parteien;
extreme Rechte, neopopulistische Parteien
19. Jahrhundert
spätes 20.
Jahrhundert
Parteifamilien
© gfs.bern, Quellen: Lipset und Rokkan (1967): Party Systems and Voter Alignments. Cross-National Perspectives. New York: Free
Press. Caramani, Daniele (2008): Comparative Politics. Oxford: Oxford University Press. Vatter (2014): Das politische System der
Schweiz Baden-Baden: Nomos.
9
Comparative Politics, ed. Third edition., by D. Caramani. Oxford 2013, neuerdings auch M. Freitag,
A. Vatter: Wahlen und Wählerschaft in der Schweiz, Zürich 2015.
18
Angeführt wird das Parteiensystem seither nicht mehr von einer sozialen oder
liberalen Partei, vielmehr von der SVP, deren Position seit längerem als nationalkonservativ10 respektive rechtspopulistisch11 bezeichnet werden kann Vor
allem 2007/8 radikalisierte sich die SVP im Umfeld der Abwahl von Christoph
Blocher aus dem Bundesrat. Vorübergehend war sie eine Oppositionspartei,
seit 2009 ist sie wieder in der Regierung vertreten, hat aber den Gebrauch der
Volksinitiative aus oppositioneller Sicht intensiviert.
Seit 1999 reihen sich hinter der SVP die SP und die FDP als Repräsentanten
einer sozial- respektive liberaldemokratischen Position ein. Es folgt die CVP als
christdemokratische Vertretung in der Schweiz. Danach figurieren grüne Parteien, die GPS als linksgrünes und die GLP als grünliberales Beispiel. Die BDP
kann man am ehesten als bürgerliche Zentrumspartei bezeichnen.
Der Befund der anhaltenden Polarisierung wurde mit den Wahlen 2011 in Frage
gestellt.12 Denn erstmals verloren alle Polparteien. Überhaupt zählten alle grösseren Parteien zu den Verliererinnen.
Grafik 10
Gewonnen hatten zwei neue Parteien, und zwar die BDP und GLP, die aus
Abspaltung von der SVP respektive der GPS hervorgegangen waren. Bezeichnet wurde dies als Trend zur "neuen Mitte", primär durch die Anforderungen
des politischen Systems ausgelöst.13 Der GLP gelang es dabei besser, sich als
Projekt einer neuen Generation, die auf Ausgleich zwischen ökologischen und
liberalen Werten ausgerichtet ist, zu platzieren. Das kann man ansatzweise als
Umgang mit einem neuen Konflikt interpretieren. Ob es eine solche Fundierung
auch bei der BDP gibt, wird von den Fachleuten mehrheitlich bezweifelt, denn
10
C. Longchamp: Die nationalkonservative Revolte in der Gestalt der SVP. Eine Analyse der Nationalratswahlen 1999 in der Schweiz. In: F. Plasser/P. A. Ulram/F. Sommer (Hg.): Das österreichische
Wahlverhalten. Wien 2000.
11
A. Manatschal, C. Rapp: Welche Schweizer wählen die SVP und warum?, in: M. Freitag, A. Vatter: Wahlen und Wählerschaft in der Schweiz, Zürich 2015.
12
C. Longchamp, L. Golder, M. Imfeld: Von der Polarisierung zur Harmonisierung. Erstanalyse der
Nationalratswahlen vom 23. Oktober 2011, gfs.bern, Bern 2011.
13
C. Longchamp: Bilanz zum neuen Parteiensystem aus der Wahltagsbefragung 2011,
http://www.zoonpoliticon.ch/blog/15457/bilanz-zum-parteiensystem-aus-der-wahltagsbefragung/
resp. G. Lutz: Eidg. Wahlen 2011, Lausanne 2012, http://forscenter.ch/wpcontent/uploads/2013/10/Selects_2011_Brochure_D.pdf.
19
sie wird eher als Plattform zur Sicherung der Regierungsbeteiligung auf Bundes- teils auch auf Kantonsebene gesehen.14 Nicht gelungen ist in der auslaufenden Legislatur, eine neue, organisatorisch vereinheitliche Mitte zu begründen. Zunächst kündigte die GLP ihre Zusammenarbeit mit der CVP und EVP in
der gemeinsamen Fraktion auf; dann verweigerte die BDP eine Union auf Bundesebene mit der CVP.15
Die Phase nach den Wahlen 1991 bis und mit den Wahlen 2007, eingeleitet
durch die EU-Debatte bis zum (vorübergehenden) Ausscheiden der SVP aus
dem Bundesrat, brachte eine Klärung der Parteienlandschaft auf der rechten
Seite, nicht aber auf der linken. Entscheidend hierfür war nicht, wie die ökonomisch inspirierte Wahlforschung annimmt, eine veränderte Wirtschaftslage,
sondern ein Umbruch in der schweizerischen Wertelandschaft, traditionellerweise geprägt durch Neutralität und Unabhängigkeit. Deshalb ist es seither
eher üblich, die Parteien mindestens im zweidimensionalen Feld mit einer Achse links/rechts und einer zwischen Moderne und Tradition zu bestimmen.16
Politikwissenschaftlich gesprochen bedeutet dies, dass es Phasen des Ab- und
Aufbaus von Parteibindungen gibt. Realignment meint, dass traditionelle Konfliktlinien an Bedeutung verlieren, weshalb beispielsweise der Gegensatz zwischen FDP und CVP nicht mehr parteibildend wirkt. Am besten ersichtlich wird
das Realignment als Gegenstück, wenn man den Aufstieg der SVP, der SP oder
der GPS betrachtet. Er hielt über mehr als eine Wahl an, blieb aber, vielleicht
mit Ausnahme der SVP, hinter dem zurück, was man einen neuen Cleavage
nennen kann. Bei der SVP kam es zu einer tiefgreifenden Transformation der
ehemals reformiert-konservativen Mittelstandspartei zu einer neuen, weltanschaulich nationalkonservativen Partei, bei der vor allem in der Kommunikation
auch ein rechtspopulistisches Element hinzukam.17
2.2.3 Repolitisierung, Wahlbeteiligung und
Kommunikation
Die Polarisierung des Schweizer Parteiensystems einerseits, die Ausbildung
neuer Parteien anderseits haben die Beteiligung an Wahlen ansteigen lassen.
Die Polparteien mobilisieren dabei WählerInnen mit klaren Positionen auf einer
der Konfliktachsen, derweil die neuen Parteien Mitte-Wählende ansprechen
konnten, die sich durch die bestehenden Parteien nicht vertreten fühlten, aber
eine zentrierte Politik befürworten.
Zunächst gilt: Die Wahlbeteiligung ist im internationalen Vergleich tief. Sie ist
jedoch, anders als weltweit, nicht mehr sinkend. Denn der internationale Trend
geht Richtung einer Beteiligung zwischen 65 und 70 Prozent statt den 80 Prozent, die noch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts üblich waren.
Gründe für die tiefere Wahlbeteiligung in der Schweiz werden in der Regel in
der Komplexität aus direkter Demokratie und Konkordanzsystem gesucht. Der
Wiederanstieg seinerseits ist die Folge der Politisierung durch neue Konfliktlinien. Tiefpunkt bei der Teilnahme an nationalen Wahlen war das Jahr 1995.
Seither steigt sie konstant, wenn auch nicht im kontinuierlichen Masse. Der
Effekt war zwischen 2003 und 2007 erheblich; 2011 hat er etwas nachgelassen. Damals nahmen 48,5 Prozent der Wahlberechtigten an den Nationalratswahlen teil.
14
C. Longchamp: "Die 6. Generation Schweizer Parteien", in: zoonpoliticon, 8. April 2013.
"Union von CVP und BDP kommt nicht zustande", swissinfor.ch, 31.10.2014.
16
M. Hermann, H. Leuthold: Atlas der politischen Landschaften, Zürich 2004.
17
H. Kriesi et al. (Hg.): Der Aufstieg der SVP. Acht Kantone im Vergleich, Zürich 2005.
15
20
Grafik 11
Mit den Änderungen bei der Beteiligung verbunden, sind Änderungen in der
Potenzialausschöpfung. Das Konzept des Wahlbarometers geht nicht davon
aus, wen man wählt, sondern wen man mit welcher Wahrscheinlichkeit wählen
würde. Befragungstechnisch ist es aufwändiger; dem Schweizer Wahlrecht ist
es aber angemessen.
Aufsummiert haben SP und GLP das grösste Potenzial, gefolgt von der GPS,
der FDP, der CVP und der BDP. An letzter Stelle figuriert die SVP. Die Reihenfolge kehrt sich allerdings um, wenn man auf die Ausschöpfung der Potenziale
abstellt, denn da figuriert die SVP an der Spitze, gefolgt von SP, FDP, CVP und
GPS. Die neuen Parteien der Mitte liegen noch weiter zurück.18
Entscheidend ist vor allem, dass es der SVP in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gelang, ihre Potenzialausschöpfung in bisher unbekanntem Masse zu
verbessern. Kommen die grösseren Parteien auf Quoten bis 50 Prozent, gibt
es bei der SVP Anteile von rund drei Vierteln – mit steigender Tendenz: Das
kann als sensationeller Wert gelten.19
18
19
G. Lutz: Nationalratswahlen 2011, Lausanne 2012.
M. Senti: "Die Grenzen der SVP-Mobilisierung", in: NZZ, 7.5.2012.
21
Grafik 12
Die hohe Mobilisierungsfähigkeit stellt sich allerdings nicht von alleine ein.
Nebst der Positionierung im parteipolitisch weitgehend unbesetzten Feld des
Rechts-Konservatismus spielt die Polarisierung entlang der Trennlinie "Einheimische vs. Fremde" eine wichtige Rolle. Hinzu kommt die neue politische
Kommunikationskultur, die die SVP mit langgezogenen Kampagnen entwickelt,
die auf Angriff mit Skandalisierung setzt, Volksinitiative als Instrumente des
Strassenwahlkampfs nutzt und Massenversände von Kampfschriften beinhaltet. Sie verbessern die Verstärkung denkbarer Wahlabsichten bis zur Wahl und
sie helfen auch, schwache Bindungen an die Partei, wie sie in weniger politischen Schichten vorkommen, aufzubauen. Allerdings gilt, dass die Effekte stets
von neuem erzeugt werden müssen.20
2.3
Thesen und Szenarien zu den Wahlen
2015
Bisher sind verschiedene Thesen zum Charakter der Wahlen 2015 vorgetragen
worden. Dabei ist zwischen jene zu unterscheiden, die sich auf das Regierungssystem beziehen respektive vom Parteiensystem handeln.
Bezüglich des Regierungssystems werden zwei Perspektiven verfolgt:

Die Fortsetzung der bisherigen Regierungszusammensetzung.

Der Wechsel zu einer neuen Zusammensetzung den gängigen Konkordanzregeln entsprechend.
Die erste Perspektive geht davon aus, dass Abwahlen von Bundesräten nach
Parlamentswahlen Belastungsproben für das System sind; es liegt an den Mitgliedern des Bundesrats, den richtigen Zeitpunkt ihres Abgangs zu bestimmen.
Konkret gemeint ist damit, dass Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf selber
entscheiden solle, ob sie zu einer weiteren Legislatur antritt oder nicht. Gefordert wird hier nicht ein Bruch mit der Zusammensetzung der Bundesregierung,
vielmehr ein Abtreten von ParteidogmatikerInnen zugunsten von Brückenbauer20
C. Longchamp, C. Jans: "Wer zahlt, befiehlt! Über den Einfluss von Geld und Kommunikation in
Wahlkämpfen der Schweiz": in: Markus Freitag, Adrian Vatter: Wahlen und Wählerschaft in der
Schweiz, Bern 2015.
22
Innen. Denn sie hätten insbesondere im Nationalrat polarisiert, das politische
Klima verschlechtert und die Berechenbarkeit von Entscheidungen verringert. 21
Die zweite Perspektive zweifelt grundsätzlich an der Legitimation der BDP als
Regierungspartei. Dafür sei sie elektoral zu schwach, und mit der Absage an
eine Union mit der CVP sei keine erstarkte Mitte-Gruppierung entstanden. Gefordert wird hier ein bürgerlicher Schulterschluss, der sich sichtbar auf die Ausrichtung von Regierung und Parlament auswirken solle. Vergangene Gegensätze zwischen SVP, FDP und CVP sollten beiseite gelegt werden, die Suche nach
den gemeinsamen Interessen ausgehend von einem geeinten bürgerlichen
Lager zur bestimmenden Kraft werde.22 Dem verbreiteten Wunsch stehen Bedenken zum Willen der politischen Integration der SVP gegenüber. Als Voraussetzung wird diskutiert, dass ein zweiter SVP-Bundesrat wichtige Dossiers wie
die Bilateralen mittragen müsse, selbst wenn dies Abstriche bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative bedingt.
Die andere Diskussion betrifft die Erwartungen zum Wahlergebnis der Parteien
im Herbst 2015. Sie bleibt letztlich spekulativ, wird aber aufgrund von Wahlbefragungen, Wahlbörsen und Simulationen kantonaler Wahlen auch für den
kommenden National- und Ständerat geführt. Hier werden drei unterschiedliche
Standpunkte eingenommen:

Zunächst, dass alles gleich bleibt wie 2011,

dann, dass es 2015 zu einer weiteren Polarisierung komme und

schliesslich, dass im Herbst dieses Jahres ein genereller Rechtsrutsch
resultiere.
Im ersten Szenario geht man davon aus, dass mindestens die Mehrheitsverhältnisse von 2011 gewahrt bleiben. Wichtigste Voraussetzung ist, dass BDP
und GLP nicht verlieren. Zudem sollte keine der übrigen Parteien klar gewinnen. Die Stärkenverhältnisse in Parteien sollten gewahrt bleiben, sprich Mitte/links muss in Personal- und ausgewählten Sachfragen eine mehrheitsfähige
Allianz bilden können. Entsprechend zeichnet sich in diesem Szenario kein
schneller Wechsel im Bundesrat ab. Eveline Widmer-Schlumpf tritt wieder an
und wird erneut gewählt. Aufgrund der bisherigen Ergebnisse im Wahlbarometer halten wir das Szenario für nicht besonders wahrscheinlich. Hauptgrund ist,
dass insbesondere die BDP, aber auch die GLP seit 2014/5 in ihrem Aufstieg
gestoppt erscheinen.
Im zweiten Szenario geht man davon aus, dass sich der Trend von 2011, die
Polarisierung zu schwächen, fortsetzt. Es gewinnen aber nicht mehr zwingend
neue Parteien, sondern auch gewandelte grösseren Regierungsparteien im
Zentrum. Voraussetzung hierfür ist, dass keine Polpartei zulegt. In den Parteien
selbst werden nicht die Dogmatiker bestärkt, sondern die Brückenbauer. Das
Szenario ist möglich. Der Aufstieg der FDP spricht dafür; nötig wäre auch, dass
die CVP zulegen könnte, während SVP und SP stagnieren müssten. Das ist in
seiner Gesamtheit nicht gegeben.
Das dritte Szenario unterstellt eine allgemeine politische Entwicklung nach
rechts. Gestärkt werden mindestens zwei der bürgerlichen Parteien. Die Bereitschaft zur personal- und sachpolitischen Kooperation steigt und prägt die
Schweizer Politik der kommenden Jahre. Eine Verweigerungsmehrheit der
Parteien Mitte/links besteht nicht mehr. Das Szenario ist gegenwärtig das
wahrscheinlichste. Denn Gewinne der FDP sind wahrscheinlich, solche der SVP
gut möglich. Zudem würde sich das Ergebnis gut in die Wahlergebnisse auf
europäischer Ebene seit den jüngsten Europa-Wahlen einordnen. Neu an diesem Muster ist, dass nicht mehr die SVP alleine oder am meisten gewinnt, das
rechtsbürgerliche Element aber gestärkt wird. Namentlich die Zuwanderungs21
Typisch hierfür: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/zeit-fuer-einezaesur/story/14194731
22
Typisch hierfür: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/zeit-fuer-einezaesur/story/14194731
23
und Europapolitik sprechen aber gegen diese Entwicklung, denn die Positionen
von SVP und FDP sind hier nicht kongruent.
2.3.1 Bilanzen kantonale Wahlen seit 2011
Ein erstes Beobachtungsfeld für Trends im Parteiensystem ist die Analyse kantonaler Wahlen. Diese legt seit 2011 nahe, nicht von einem einheitlichen Trend
auszugehen. Es zeichnen sich verschiedenen Phase ab, an deren Beginn markante Volksabstimmungen stehen wie etwa die Entscheidung über die Zweiwohnungsinitiative (2012), über die Abzockerinitiative (2013) und über die Zuwanderungsinitiativen (2014). Die jüngste Entwicklung wurde Ende 2014 respektive Anfang 2015 eingeleitet.
Grafik 13
Wichtigstes Ereignis war die Aufhebung der Euro-Untergrenze. Sie rückte die
Bedeutung von Fragen wie die Standortattraktivität der Schweiz schlagartig ins
Zentrum. Die Rede ist seither auch von einem Wiederaufleben liberaler Werte23, die sich um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gruppieren einerseits,
anderseits Skepsis gegenüber Etatismus und Ökologie zum Ausdruck bringen.24 Zu den Neuerungen im Parteiensystem der Schweiz gehört auch, dass
namentlich rund um kantonale Exekutivwahlen seit Herbst 2014 bürgerliche
Schulterschlüsse entstanden sind, die Erfolge auf Regierungs-, teils auch auf
Parlamentsebene für beteiligte Parteien zeigen. Auch auf nationaler Ebene kam
es zu einem Schulterschluss zwischen SVP, FDP und CVP, wobei Differenzen
in Sachfragen blieben.25
Die Veränderungen, die sich kantonal ankündigen, bleiben insgesamt zurück.
Nur eine Bilanz, die der GPS, ist über 1 Prozentpunkt stark. Das ist deutlich
weniger als alles, was man seit 1995 gesehen hat. Den grössten Sprung machte die SVP 1999, als sie von 14.9 auf 22.5 hochschnellte.
23
D. Bochsler, P. Sciarini: "Rechte Akzente im Wahljahr", in: NZZ, 22. April 2015.
C. Longchamp, M. Imfeld: Das neue Gesicht des Schweizer Modernismus. VOX-Trendbericht
2014, gfs.bern, Bern 2015.
25
C. Forster: "Schulterschluss mit Zwischenräumen", in NZZ, 27.3.2015.
24
24
Tabelle 4
Parteistärken in den Kantonen
Partei
Kantone (2015)
Bund (2011)
Diff.: National
SVP
23.6
26.6
stärker
FDP/LP
19.5
15.1
schwächer
SP
18.3
18.7
gleich
CVP
12.9
12.3
schwächer
GPS
8.7
8.7
gleich
GLP
4.8
5.4
stärker
BDP
3.1
5.4
stärker
Quelle: ZdA
Die Trends in den Kantonen werden in der Schweiz regelmässig beigezogen,
um Veränderungen auf nationaler Ebene abschätzen zu können. Dafür gibt es
Gründe; es treten aber auch Probleme auf.26 Denn die Ausgangslagen sind bei
den meisten Parteien ungleich. So ist die SVP in den Kantonen schwächer;
Gewinne auf dieser Ebene müssen sich nicht zwingend auf nationale Wahlen
übertragen, wie das Beispiel von 2011 lehrt. Insbesondere ist die Polarisierung
in den Kantonen geringer, weshalb vor allem die FDP, etwas auch die CVP dort
stärker sind. Entsprechend liegt auch die durchschnittliche Wahlbeteiligung in
den Kanton über 10 Prozentpunkte tiefer. Zudem unterscheiden sich die verschiedenen Instrumente zur Messung kantonaler Parteistärken, vor allem in der
Zuordnung kantonaler Parteien zu nationalen Dachorganisationen.
Seit dem letzten Wahlbarometer haben insbesondere die Versuche zugenommen, Schätzungen zur Sitzverteilung im Nationalrat vorzunehmen. Unterstellt
wird dabei, dass es bei den Nationalratswahlen zu ähnlichen Entwicklungen
kommt wie bei den letzten Wahlen. Das ist, bezogen auf die jüngsten Urnengänge wahrscheinlich, auf die aus den Jahren 2012 und 2013 schon etwas
weniger plausibel.
Am weitesten fortgeschritten in der Formalisierung dieser Überlegungen sind
die Prognosen auf restmandat.ch. Berücksichtigt werden hier die Veränderungen in den Kantonen und die Listenverbindung bei den Nationalratswahlen.
Dabei wird für jeden der Kantone eine Wahrscheinlichkeitsrechnung erstellt,
wer seine Sitze hält, wer dazu gewinnen könnte, und bei wem Verluste drohen.
Die aktuellste Sitzprognose sieht wie folgt aus: Sitzgewinne werden bei der
FDP erwartet, aber auch bei der EDU, der EVP und der AL vereinzelt. Verluste
dürfte es namentlich bei der GPS geben, gefolgt von der GLP, BDP, SP und
SVP. Stabil bleiben dürften CVP, Lega und MCR.
26
Generell hierzu: A. Ladner, I. Tippolini: Wer gewinnt die Wahlen 2007?IDHEAP Working Paper,
3/2007.
25
Grafik 14
Sitzprognose
Quelle: www.watson.ch
2.3.2 Kurze Übersicht über den bisherigen
Wahlkampf
Die zweite Möglichkeit der Trendbestimmung ergibt sich aus Medienanalysen.
Sie zeichnen die veröffentlichte Meinung namentlich im Wahljahr noch etwas
genauer nach. Denn alle Trend-Untersuchungen mit kantonalen Wahlen enden
naturgemäss im Frühling des Wahljahres. Spezifische Wahlkampfeffekte werden damit unterschätzt.
Das Forschungsinstitut fög der Uni Zürich legte die bisher umfassendste Analyse vor. Demnach besteht medial eine Dominanz zugunsten von SVP und FDP.
51 Prozent der parteibezogenen Artikel 2015 behandeln mindestens eine der
beiden Parteien. Leicht überbewertet erscheinen auch die CVP und GPS, während BDP und SP zu wenig thematisiert werden. Einzig bei der GLP stimmen
Medienpräsenz 2015 und Stimmenstärke 2011 genau überein.
26
Grafik 15
Hauptsächliche Themen sind der Wahlkampf der Parteien, der noch vor den
Inhalten regierte. Beides ist häufiger als Skandalisierung und institutionelle respektive politkulturelle Einbettungen der Parteien. Die Bewertungen des Wahlkampfes sind ähnlich, wenn auch nicht gleich wie die Parteien. Schlechte Noten erhalten erneut die grünen und kleinen Parteien, mittlere die Polparteien.
Neutral bis positiv bewertet werden FDP und CVP.
Grafik 16
Ergänzend beigezogen werden kann eine Analyse von Annee politique suisse,
die die online-Medien beobachtet. Sie zeigt als Zeitreihe, dass die Thematisierung der Parteien während den Abstimmungskämpfen im ersten Halbjahr stärker war als im bisherigen Wahlkampf. Sie legt auch ein erhebliches Sommerloch nahe. Seither dominiert die SVP eindeutig, in der Regel liegt sie klar vor
FDP, SP und CVP.
27
Grafik 17
Medienpräsenz
Quelle: Chronik ON: http://www.eurospider.com/chronik-on.html
Legende: Die obenstehende Grafik liefert eine Übersicht über die Wahlberichterstattung in Online-Medien, wie sie von Chronik-ON analysiert wird.
Grundlage für die Analysen ist eine automatisierte Erfassung der Nennungen der im eidgenössischen Parlament vertretenen Parteien in den OnlineMedien seit dem 1. Januar 2015.
Im August betrug das Mittel der Zitierungen 45 Prozent bei der SVP, 28 bei der
FDP, 27 bei der SP, 24 bei der CVP. Die GPS wurde in 18 Prozent der Beiträge
behandelt, die GLP in 9, die BDP in 8 und die EVP in 4. Damit stimmt die Reihung mit der aus der fög Analyse überein. Prozentual kommen die grossen
Parteien aber vermehrt vor; die Summe ergibt jedoch mehr als 100 Prozent, vor
allem weil nicht alle Artikel nur eine Partei behandeln.
Schliesslich liegen auch erste Analysen zur häufig vernachlässigten Werbeintensität im Wahlkampf vor.27 Sie gehen davon aus, dass Wahlkämpfe in der
Schweiz stets teurer werden, und mit 10 Franken pro Wahlberechtigtem etwa
gleich viel ausgegeben wird wie in den USA. Was generell gilt, muss aber nicht
für jede Partei stimmen.28 So legen die vorläufigen Auswertungen eindeutigen
Überhang bei FDP und SVP dar, und zwar im Vergleich zu den anderen Parteien
wie auch zu den Vorwahlen. Beide Parteien haben eine intensive werberische
Vorkampagne hinter sich, bei der FDP eher auf die Partei gemünzt, bei der SVP
mehr auf den Ständeratskandidat im Kanton Zürich zugeschnitten.
27
Transparenz der Parteienfinanzierung, GRECO, Bern 2015.
https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/sicherheit/kriminalitaet/korruption/grecoberichte/ber-iii-20156f-d.pdf.
28
http://bazonline.ch/schweiz/standard/Der-wahrscheinlich-teuerste-Wahlkampf-derSchweiz/story/31310933.
28
Grafik 18
Insgesamt verdreifachten sie ihren frühen Werbeaufwand. Verglichen mit der
Vorwahl hat vor allem die CVP auf eine Vorkampagne verzichtet. Indes, die
genauen Zahlen können auch täuschen, denn CVP, GLP und SP bestritten im
Wahljahr je einen Abstimmungskampf zu einer ihrer Volksinitiativen; ihnen gemeinsam ist, dass sie dafür werberisch in Erscheinung traten, aber alle drei in
einem ihrer Kernbereiche ein eindeutige Abstimmungsniederlage hinnehmen
mussten.
2.4
Analyseschema des Wahlbarometers
2015
2.4.1 Konzept
Unter Berücksichtigung der Trends in der Beteiligungs- wie auch der Parteientscheidung haben wir hierfür nachstehende Modellierungen entwickelt.
Aggregierte Ebene: Wenn die Polparteien (SVP, SP, GPS) gleichzeitig zulegen,
sprechen wir von einer Polarisierung. Ist das nur auf einem Pol der Fall, gehen
wir von einem Trend nach rechts respektive nach links aus. Legt keiner der
beiden Pole zu, so sprechen wir von einer Zentrierung. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien der Mitte insgesamt zulegen.
Individuelle Ebene: Selbst wenn die Parteien auf aggregierter Ebene insgesamt gleich stark bleiben, heisst das nicht, dass es keine Verschiebungen bei
den Wählenden selber gegeben hat. Denn es gibt auch das Zirkulationsmodell,
wonach sich vor allem die Linke durch Neumobilisierungen verstärkt, während
sie WechselwählerInnen nach rechts verliert, die Rechte wiederum aber durch
Demobilisierungseffekte nicht zwingend stärker werden muss. Schliesslich
kennen wir ein viertes Modell, das im Wesentlichen dadurch bestimmt ist, dass
die Wahlbeteiligung sinkt, und zwar zulasten aller Parteien.
29
Analytischer gesprochen diente das nachstehende, aus der theoretischen
Wahlforschung entlehnte Schema29 dazu, das Konzept des Wahlbarometers zu
erstellen, aber auch die relevanten Fragestellungen zu eruieren. Namentlich
geht es darum, die Wahlentscheidung hinsichtlich Sachkompetenz, Personenprofile, taktischen Überlegungen und Medienimages der Parteien zu analysieren. Die sollen aufgrund dahinter liegender Parteibindungen mit weltanschaulichen Komponenten untersucht werden. Empirisch ist unsere Studie,
weil wir das nicht theoretisch beantworten, sondern aufgrund beobachtbarer
Zusammenhänge bei einem repräsentativen Querschnitt von befragten Wahlberechtigten respektive von teilnahmewilligen BürgerInnen.
Grafik 19
Neues Wahlmodell gfs.bern
Sozial-psychologische
Modelle
Rational Choice
Modelle
Kampagne
Links/Rechts-Position
Kandidaten-orientierung
Werthaltungen
Taktik, Macht-überlegungen
Themen-orientierung
Wahlkampf, Ereignisse,
Image
WahlVerhalten
Regierungs-vertrauen
© gfs.bern
Die Hypothesen, die mit dem Forschungsvorhaben überprüft werden sollen,
lauten: Die Wahlabsichten (Teilnahme- und Parteientscheid) können beeinflusst
sein

durch das Image der parteibezogenen Wahlkampagnen,

durch taktische Überlegung zur Machtverteilung, namentlich der Zusammensetzung des Bundesrates,

durch das Bild von den SpitzenpolitikerInnen der Parteien,

durch die Themenpriorität und -kompetenz in relevanten Fragen,

durch das Vertrauen in den Bundesrat

durch die Werthaltungen,

durch die Position auf der Links/rechts-Achse,

durch die soziokulturellen, sozioökonomischen, soziodemografischen und
räumlichen Mitgliedschaften und Merkmale der BürgerInnen.
29
R. J. Dalton: Democratic Challenges, Democratic Choices. The Erosion of Political Support in
Advanced Industrial Democracies, Oxford 2004.
30
Die vorläufigen Ergebnisse hierzu lassen sich auf dem Stand 2011 wie folgt
bilanzieren30: Das Image des Wahlkampfes und die gewünschte Zusammensetzung des Bundesrats sind bei allen Parteien massgebliche Gründe für die
Parteienwahl. Bei einer Mehrheit kommt der Personenaspekt, gemessen am
Parteipräsidenten hinzu, ebenso der Themenaspekt, operationalisiert durch die
Themenkompetenz der Partei in vorrangigen Themen. Eine beschränkt verbreitete Rolle spielen Gewinn-/Verlust-Erwartungen respektive Werthaltungen sowie die Positionierung auf der Links/rechts-Achse. Das Regierungsmisstrauen
ist nur für die Wahl der SVP von Belang.
Tabelle 5
2.4.2 Methodische Möglichkeiten und Grenzen
Theoretisch beträgt der statistische Stichprobenfehler bei gegebener Stichprobengrösse 2.2 Prozentpunkte. Damit ist gemeint, dass bei rund 2'000 Befragten und einem Ergebnis von 50:50 der effektive Wert auch zwischen 47.8 und
52.2 schwanken kann.
Die gebräuchliche Interpretation dieses Unsicherheitsintervalls besagt, dass
Veränderungen ausserhalb des Stichprobenfehlers hart sind, dass heisst interpretiert werden können, während solche im Stichprobenfehler nicht weiter
analysiert werden dürfen. Bei Parteien von 30, 20, 10 oder 5 Prozent Wähleranteil verringert sich der Stichprobenfehler, denn er kann bei einer 1-Prozentpartei
nicht im besagten Bereich sein.
Die nachstehende Grafik visualisiert den Unsicherheitsbereich am Beispiel des
üblichen, aber nicht zwingenden 95-Prozent-Konfindenzintervalls. Konkret bedeutet dies, die Wahrscheinlichkeit, dass der effektive Wert heute mit nur 5
Prozent Unsicherheit ausserhalb des bezeichneten Bereiches liegt.
Nun kann man diesen Gedanken weiter treiben, und sich fragen, wie gross die
Wahrscheinlichkeit ist, das bei einer gegebenen Partei eine Abweichung von
30
C. Longchamp: Angewandte Wahlforschung", in VSMS Jahrbuch 2012, Zürich 2012.
31
beispielsweise 1 Prozentpunkt zwischen Ergebnis bei der letzten Wahl und bei
der jüngsten Befragung auf eine reale Veränderung verweisen. Die nachstehende Grafik gibt die nötigen Informationen hierzu. Sie besagt, dass dies bei
einer 30 Prozent starken Partei mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit real ist,
bei einer 1 Prozent Partei mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit.
Grafik 20
Auf das jetzige Wahlbarometer und die gemessenen Parteistärken angewendet
heisst das:
Tabelle 6
Wahrscheinlichkeit der Gewinne und Verluste
Wählendenanteil
2011
Stand/Veränderung gemäss
Wahlbarometer 2015,
3. Welle
Wahrscheinlichkeit von Gewinnen
respektive Verlusten
FDP
15.1%
16.9%/+1.8%
94%
SVP
26.6%
28.0%/+1.4%
85%
18.7%
19.3%/+0.6%
69%
GPS
8.4%
7.4%/-1.0%
90%
GLP
5.4%
4.3%/-1.1%
96%
CVP
12.3%
11.1%/-1.2%
90%
BDP
5.4%
4.2%/-1.2%
96%
Partei
Gewinne
Stabilität
SP
Verluste
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
Das Kriterium der 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit erfüllen die aktuellen Verluste von BDP und GLP, derweil die Gewinne der FDP dem sehr nahe kommen. Auf dem 90-Prozent-Niveau Signifikant sind zudem die aktuell gemessenen Verluste der GPS und der CVP, derweil die Steigerung der SVP etwas weniger gesichert ist, jene der SP deutlich weniger.
32
In der Retrospektive bestätigt es sich, von einer differenzierten Betrachtungsweise der Unsicherheitsbereiche auszugehen. Die mittlere Abweichung betrug
in der letzten Befragung der Wahlbarometer von 2003-2011 zwischen 1,03 und
1,36 Prozentpunkte. Das gilt international gesehen als beachtlich, vor allem
wenn man bedenkt, dass Umfragen unmittelbar vor dem Wahltag nicht erlaubt
sind.
Tabelle 7
Abweichungen von Wahlergebnissen in den letzten Wahlbarometer-Wellen
2003 bis 2011 insgesamt und nach Parteien
Effektiv
letzte Wahlbefragung
Effektiv
letzte Wahlbefragung
Effektiv
22.09.2003
19.10.2003
29.09.2007
21.10.2007
06.10.2011
23.10.2011
SVP
25.3
26.7
-1.4
27.3
29.0
-1.7
29.3
26.6
2.7
SP
23.1
23.3
-0.2
21.7
19.5
2.2
19.9
18.7
1.2
FDP
19.5
17.3
2.2
15.5
15.6
-0.1
15.2
15.1
0.1
CVP
14.5
14.4
0.1
15.4
14.6
0.8
14.2
12.3
1.9
Grüne
6.1
7.4
-1.3
10.0
9.6
0.4
9.3
8.4
0.9
2.5
1.4
1.1
4.9
5.4
-0.5
3.6
5.4
-1.8
Partei
letzte Wahlbefragung
Abweichung
Wahlen 2011
Abweichung
Wahlen 2007
Abweichung
Wahlen 2003
GLP
BDP
mittlere
Abweichung
mittlere Abw.
mit neuer Mitte
Befragungs1
zeitraum
1
1.04
1.04
1.36
―
1.05
1.3
27 Tage
22 Tage
19 Tage
Distanz mittlerer Befragungstag – Wahlen, Alle Angaben in %
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
Generell gilt, dass die Abweichungen bei wählerstärkeren Parteien grösser sind
als bei wählerschwächeren. Bei der SVP liegt die mittlere Differenz bei 1,9 Prozentpunkten, bei der GPS jedoch bei 0.9. Am genauesten war das Wahlbarometer bisher bei der FDP, mit einer durchschnittlichen Abweichung von 0.8
Prozentpunkten.
Zu den Gründen hierfür zählt, dass AuslandschweizerInnen in Routinebefragungen kaum erfasst werden können. Zudem bemisst sich die amtliche Parteienstärke nicht an der Zahl der Wählenden, sondern der Stimmen, was man in
Befragungen kaum erfassen kann. Schliesslich besteht ein gewisses Problem,
die Stimmen der Kleinstparteien in Umfragen genau zu erfragten. Tendenziell
werden sie insgesamt unterschätzt.
33
3
Befunde
3.1
Beteiligungsabsichten
3.1.1 Wahlbeteiligung generell und in der Schweiz
Im internationalen Vergleich ist die Wahlbeteiligung in der Schweiz tief. Nur
gerade die USA kennen eine tiefere Beteiligung. Wichtigster Grund für diese
schweizerische Eigenheit dürfte die direkte Demokratie sein. Denn die Teilnahme alle 4 Jahre in der repräsentativen Demokratie lässt sich normativ einfacher begründen, als die regelmässig erwartete Willensäusserer in der direkten
Demokratie.
Die psychologische Partizipationsforschung kennt sechs Typen von NichtTeilnehmenden:

Am häufigsten beobachtet wird Desinteresse (zirka 25% der Abwesenden),

gefolgt von Überforderung (20%),

danach reihen sich soziale Isolation (18%) und

Verdrossenheit (16%) ein,

12 Prozent der Wahlabstinenzler nehmen aber an Abstimmungen teil,
und

9 Prozent partizipieren auf andere als institutionalisierte Weise an der
Politik. 31
Soziologisch gesprochen kennt die Schweiz, wie überall auf der Welt, eine von
der Schicht abhängige politische Partizipation. Besonders an der schweizerischen Situation ist aber, dass die auch das Alter die politische Beteiligung beeinflusst. Je älter die BürgerInnen (bis zirka 70 Jahre), desto wahrscheinlicher
ist ihre Teilnahme an Wahlen.
Auf der kollektiven Betrachtungsebene gilt, dass die Beteiligung mit der parteipolitischen Polarisierung zusammenhängt. Je geringer sie ausfällt, desto weniger unterscheiden sich die Parteien. Eine tiefe Wahlbeteiligung ist dann die
Regel. Je höher allerdings die Polarisierung ist, desto eher werden unterschiede herausgearbeitet, und umso wahrscheinlicher ist es, dass dabei die Wahlbeteiligung steigt. Das ist bei den Polparteien wahrscheinlicher als im Schnitt, bei
den Zentrumsparteien jedoch schwieriger.
Auf der individuellen Ebene ist die Beteiligung umso wahrscheinlich, als eine
eindeutige Nähe zu einer Partei besteht. Das Vorhandensein einer solchen
hängt im Wesentlichen vom Alter und der Bildung ab. Je jünger Menschen
sind, desto unwahrscheinlicher sind stabile Parteibindungen. Das gilt ganz generell auch für tiefe Bildungsschichten.
Allerdings bei weitem nicht alle Personen, die sich mit einer Partei identifizieren
oder sich vorstellen können, eine solche zu wählen, beteiligen sich. Entsprechend haben Potenzialbestimmung und Mobilisierungsgrade für die Bestimmung von Parteistärken an Bedeutung gewonnen.
31
Marc Bühlmann, Markus Freitag, Adrian Vatter: "Die schweigende Mehrheit. Eine Typologie der
Schweizer Nichtwählerschaft", in: Pascal Sciarini, Sibylle Hardmeier, Adrian Vatter (Hg.): Schweizer
Wahlen 1999, Bern 2003, ss. 27-58; für eine vorläufige Aktualisierung siehe Katharina Bracher:
Desinteressiert, hochzufrieden, inkompetent." In: NZZ am Sonntag, 14.9.2015
34
3.2
Potenziale der Parteien bei den
Wahlberechtigten
Die Potenziale der verschiedenen Parteien bestimmen sich am Anteil, der eine
bestimmte Partei unterstützen will, egal, ob er oder sie auch teilnimmt. Der
Bezug erfolgt dabei auf die Wahlberechtigten, genau genommen auf die Wahlberechtigten mit einer Parteipräferenz.
Grafik 21
Bemerkung: Das sind nicht Wahlabsichten der Teilnahmewilligen, sondern die Stärken der Parteien unter allen Wahlberechtigten mit einer
Parteipräferenz.
Demnach kommt die SVP auf gerundete 28 Prozent, die FDP auf knapp 20
Prozent, die SP auf genau 19 Prozent. Die CVP bleibt bei 11 Prozent stehen, die
GPS bei 7, die GLP bei 5 und die BDP bei 3 Prozent. Alle anderen Parteien erreichen 1 Prozent oder weniger.
Die Werte für das Potenzial sind nicht ganz konstant. So verbesserte sich die
FDP vor allem 2014, während die SP anfangs 2015 etwas zulegte und die SVP
seit neuestem ansteigt. Eine leichte Verbesserung zeigt sich auch bei der GPS.
Weitgehend stabil ist der Anteil der GLP, neuerdings sinken jene der CVP und
BDP.
Die hier gelieferten Verhältnisse und Trends müssen aber nicht mit den Parteistärken (siehe nächstes Kapitel) übereinstimmen. Denn der Mobilisierungsgrad
entscheidet, in welchem Masse ein Potenzial effektiv realisiert wird. So muss
die FDP nicht zwingend vor der SP sein, obwohl sie das Potenzial dazu hätte.
35
3.3
Beteiligungsabsichten 2015
Anfangs August hätte sich genau die Hälfte der Wahlberechtigten an der Neubestellung des Nationalrats beteiligt. Der Wert ist im Verlauf der letzten drei
Jahre erwartungsgemäss fast konstant gestiegen; von anfänglichen 44 auf die
besagten 50 Prozent.
Verglichen mit der effektiven Wahlbeteiligung 2011 wäre das eine leichte Steigerung gewesen. Der seit 1995 gültige Trend des Wiederanstiegs der (tiefen)
Wahlbeteiligung hätte sich damit bestätigt.
Grafik 22
Der Mobilisierungsgrad der Parteiwählerschaften ist in der Regel höher als der
Schnitt. Das gilt aktuell für die GPS, SP, SVP und die CVP. Bei den grösseren
Parteien ist es einzig bei der FDP nicht so. Im Schnitt liegt die Beteiligungsbereitschaft bei der GLP. Bei der BDP ist sie eindeutig darüber.
Die kleine Wählerschaft der jungen BDP ist am besten motiviert wählen zu
gehen. Das war sie anfangs Jahr nicht, hat sich aber mit der Wahlkampagne
der Partei eingestellt. Denn es wurde zwischenzeitlich klar, dass es bei dieser
Wahl um die Zukunft der BDP als Bundesratspartei geht. Erwähnt sei, dass
gleichzeitig auch das Potenzial geringer geworden ist, sprich, die Hoffnung,
dank der BDP eine neue Kraft in die Politik zu bringen, an Zugkraft verloren hat.
Ein vergleichbares Phänomen findet sich auch bei der viel traditionsreicheren,
aber konstant erodierenden CVP. Die Potenzialschätzung zeigt einen eher tiefen und sogar sinkenden Wert; die Realisierung des Potenzials ist aber steigend
und zwischenzeitlich für eine Zentrumspartei durchaus beachtlich.
Die FDP könnte noch mehr, würde sie ihr insgesamt schwer mobilisierbares
Potenzial besser mobilisieren können. Sie hat das zwar nach 2011 verbessert,
ist aber noch nicht auf dem Stand der anderen grösseren Parteien. Entsprechend verliert sie den zweiten Platz, den sie bei der Potenzialschätzung hatte,
an die SP, wie die nachstehenden Ausführungen zeigen werden.
36
Grafik 23
Etwas abstrakter formuliert, wiederholt sich die polarisierende Wirkung des
bisherigen Wahlkampfes, wenn man auf die weltanschaulichen Lager abstellt.
Personen, die sich entweder dem rechten oder linken weltanschaulichen Pol
zugehörig fühlen, wollen zu 61 Prozent wählen gehen, derweil das bei BürgerInnen aus der Mitte im Schnitt nur bei 39 Prozent der Fall ist. Personen ohne
Standort auf der Links/rechts-Achse wollen sich zu 31 Prozent beteiligen. Im
Verlauf des Wahljahres sind nur die Werte an den ideologischen Polen angestiegen.
Grafik 24
37
Von der bei Wahlen relevanten Grundhaltung zeigt das Institutionenvertrauen
einen interessanten Einfluss auf die Wahlbeteiligung. Bisher galt, dass sich
BürgerInnen mit Vertrauen in den Bundesrat stärker beteiligen wollten, als
misstrauische Personen. In der aktuellen Befragung hat sich namentlich letzteres verändert, wollen sich doch je 51 Prozent mit hohem respektive tiefem
Vertrauen in die Bundesregierung beteiligen. Geringer sind die Teilnahmeabsichten bei BürgerInnen mit einem mittleren Vertrauen.
Grafik 25
Klarer noch sind die Unterschiede in den Beteiligungsabsichten entlang gesellschaftlicher Merkmale. Speziell erwähnt seien die Schulbildung, Alter und Geschlecht.
Bezogen auf den höchsten Schulabschluss ist die Beteiligung bei hoher formaler Bildung am höchsten. Hier erreicht sie einen Wert von 63 Prozent. Bei tiefer
Bildung liegen die Teilnahmeabsichten bei 55 Prozent. Am tiefsten sind sie
AbgängerInnen einer Berufsausbildung mit Lehre. Hier liegt der momentane
Teilnahmewert bei 38 Prozent. Zeitlich gesehen ist speziell die Beteiligung der
unteren Bildungsschichten angestiegen.
Bezogen auf das Alter, liegen die Teilnahmeabsichten bei RentnerInnen am
höchsten. Unsere Erhebung ergibt hier einen Mittelwert von 72 Prozent. Bei
den Personen unter 40 Jahren kommen wir auf 32 Prozent. Über die Zeit gesehen hat vor allem die Beteiligung der jüngeren BürgerInnen und der RentnerInnen gesteigert werden können.
Knapp signifikant ist schliesslich der Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Männer wollen sich zu 53 Prozent beteiligen, Frauen zu 47 Prozent. Die Unterscheidung ist erst in den letzten Wochen von Belang geworden, denn in den
bisherigen Wahlbarometer-Befragungen blieb die Differenz stets nahe bei Null.
Unterhalb der Schwelle statistischer Bedeutsamkeit sind die Differenzen unterschiedlichen Siedlungsräumen. Dies gilt notabene auch für die Sprachregionen
insgesamt.
38
3.3.1 Beteiligungswanderungen seit 2011
Anders als Schätzungen zur Ausschöpfung wahrscheinlicher Potenziale sind
Beteiligungswanderungen gegenüber den letzten Wahlen. Sie stellen nicht auf
die aktuellen Möglichkeiten einer Partei ab, vielmehr auf das, was sie bei der
letzten Wahl erreichte.
Hauptproblem bei dieser Art von Analyse ist, dass die Rückerinnerung an das
Verhalten bei der zurückliegenden Wahl verringert ist. Das trifft die Beteiligung
mindestens so stark wie die Parteienwahl, denn letztere hat eine höhere Konstanz, derweil die Teilnahme nicht mehr sicher ist. Entsprechend ist Vorsicht
angezeigt, die sich darin äussert, dass wir auf harte Quantifizierungen verzichten.
Tabelle 8
Mobilisierungsbilanzen der Parteien
Wanderung
SP
GPS
GLP
BDP
CVP
FDP
SVP
Demobilisierung
tief
tief
hoch
tief
hoch
mittel
mittel
Mobilisierung
hoch
mittel
tief
mittel
tief
mittel
hoch
Bilanz
positiv
neutral
negativ
leicht
negativ
leicht
negativ
leicht
positiv
positiv
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
Die Quintessenz dieser Analyse findet sich in der nachstehenden Grafik. Sie
legt nahe, dass die SP und SVP positive Beteiligungswanderungen kennen, und
sie bei der FDP eher positiv sind. Im Schnitt fällt sie bei der GPS aus. Eher auf
der negativen Seite sind sie bei der BDP, CVP und GLP.
Grafik 26
Wählerstromanalyse aufgrund der aktuellen Parteistärken und der
Positionierung auf der Links-Rechts-Achse
In % Wahlberechtigte, die bestimmt teilnehmen wollen und eine Parteipräferenz haben
30
SVP
25
Parteistärke
20
SP
FDP. Die
Liberalen
15
10
CVP
GPS
5
GLP
BDP
0
Links
Rechts
Nicht-Wählende
 SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015 (n = 1094) Auszug 2 bis 8 aus Skala 0 bis 10
Bemerkung: abgebildet sind Bilanzen der Wanderung. Die Dicke symbolisiert die Stärke der Bilanzen.
Wenn die Übereinstimmung nicht ganz identisch ist mit der Bilanz bei der Potenzialanalyse, hat das meist mit Veränderungen des Potenzials zu tun. Dieses
ist namentlich bei neuen Parteien nicht stabil, wie wir das am Beispiel der BDP
besonders betont haben. Tendenziell gilt das aber auch für die GLP. Bei der
FDP fällt die Bilanz umgekehrt leicht positiv aus, weil sie sich gegenüber 2011
verbessert hat, aber auch noch mehr möglich wäre.
39
3.3.2 Zwischenbilanz
Wäre im August 2015 gewählt worden, hätten sich 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Das ist für die Schweiz und den Zeitpunkt für die Wahlen ein
eher hoher Wert. Es kann aber durchaus sein, dass er sich bei zum Wahltag in
die eine oder andere Richtung verändert, denn Ereignisse spielen insbesondere
in der Haupt- und Schlussphase eines Wahlkampfes eine besondere Rolle.
Die Polarisierung zeigt Wirkungen auf die Mobilisierung. Das gilt bezüglich der
Wanderungsbewegungen seit 2011, aber auch bezüglich der aktuellen Potenzialausschöpfungen. Begünstigt werden dadurch die SVP, die SP, teilweise auch
die FDP. Benachteiligt werden die GLP und BDP. Die BDP kann einen Teil davon durch eine gute innere Mobilisierung aufheben. Tendenziell gilt das auch
für die CVP, die an Potenzialschwund leidet, das bestehende Potenzial aber
wieder etwas verbessert ausschöpft. Neutral ist die Mobilisierung bei der GLP.
Die aktuelle Steigerung der Beteiligungsbereitschaft hat sich namentlich auf die
Beteiligung der misstrauischen Bürgerschaft ausgewirkt, die heute angibt, sich
am 18. Oktober in erhöhtem Masse äussern zu wollen. Mit anderen Worten:
Politikverdruss ist in den letzten Wochen verstärkt mobilisiert worden.
3.4
Entscheidungsabsichten
Parteistärken sind das Produkt aus Potenzialen einer Partei und deren Realisierung in einem Wahlkampf. Daraus entwickelt sich ihr Anteil an der effektiven
Wählerschaft. Was einfach tönt, ist in der Schweizer Praxis aber komplexer.
Denn die Parteistärken gemäss amtlicher Statistik entsprechen nicht dem Wählendenanteil, vielmehr dem Stimmenanteil. Effektiv wählt man in der Schweiz
in allen Wahlkreise mit mehr als einem Sitz nicht Parteien, sondern Personen.
Deren Parteizugehörigkeit entscheidet über die Stimmen, die an die Parteien
gehen. Solange man eine Parteiliste nimmt und keine parteifremden KandidatInnen aufführt, spielt das keine Rolle. Sobald aber panaschiert wird, sprich BewerberInnen mehrerer Parteien berücksichtigt werden, ist dies erheblich. Denn
die Stimmen gehen im Verhältnis der berücksichtigten ParteikandidatInnen an
die Parteien. Leere Linien zählen für die Partei, wenn mit einer Parteiliste gewählt wurden.
Nun sind die Phänomene bekannt und auf Ebene der KandidatInnen auch ausgewertet. Das gilt jedoch nicht auf Ebene der Parteien. So weiss man nicht
zuverlässig, wie viele Stimmen eine Partei gesamtschweizerische von unveränderten Parteilisten erhält und wie viele sie durch Panaschieren gewinnt oder
verliert. Die Vermutung besteht, dass rund die Hälfte der Wählenden panaschieren, in der Mitte mehr als an den Polen, wodurch Parteien im Zentrum
tendenziell an Stimmen verlieren.
Befragungen hierzu sind im weiteren Vorfeld einer Wahl nicht zuverlässig.
Denn das Panaschieren hängt nicht nur von der Parteinähe ab, es ist auch eine
Folge der konkreten Nominationen. Wir werden dies im letzten Wahlbarometer
untersuchen, haben hier jedoch darauf verzichtet. In der Folge sprechen wir
deshalb stets von Wählerstärken, nicht von Stimmenstärken.
3.4.1 Aktueller Stand Wahlabsichten
Wäre am 24. August 2015, dem mittleren Befragungstag der dritten Welle zum
Wahlbarometer 2015 gewählt worden, hätten sich jene 50 Prozent Wahlberechtigten mit Beteiligungsabsichten wie folgt auf die verschiedenen Parteien
verteilt:

Die SVP wäre auf 28.0 Prozent der Wählenden gekommen.

An zweiter Stelle wäre die SP mit 19.3 Prozent gelegen.
40

Dahinter eingereiht hätten sich die FDP mit 16.9 Prozent und

die CVP mit 11.1 Prozent.

Es wäre mit einem Wähleranteil von 7.4 Prozent die GPS gefolgt.

4.3 Prozent wären auf die GLP entfallen und

4.2 Prozent auf die BDP.
Einiges dahinter hätten sich die EVP mit 1.7 Prozent sowie die EDU und die
Lega mit je rund 1 Prozent eingereiht. Auf die übrigen Parteien wären 5.2 Prozent entfallen.
Deutlich gemacht sei hier, dass das nicht die Prognose der Parteistärken für
den 18. Oktober 2015 ist. Vielmehr ist es der aktuelle Stand der Dinge, wie er
sich Ende August präsentiert. Denn bei den obigen Angaben handelt es sich
um Messwerte, nicht um Projektionen. Letztere setzten entweder ein Wissen
über den Wahlkampf voraus oder aber es müsste aus vielen zurückliegenden
Wahlen ersichtlich sein, welches die wahrscheinlichste Entwicklung einer Partei bis zum Wahltag wäre. Beides ist in der Schweiz mit ihrem fragmentierten
und föderalistischen Parteiensystem nicht hinreichend gegeben.
Festhalten kann man für den Moment: Die Reihenfolge der Parteien wäre fast
die gleiche geblieben wie 2011. Einzig die BDP und die GLP hätten möglicherweise die Plätze getauscht. Die FDP wäre näher an die SP herangerückt, überholt hätte sie sie aber nicht, wie sie es als Wahlziel postuliert hat.
Grafik 27
Definiert man den Wahlsieg aufgrund der Parteistärke, wäre die SVP eindeutige
Siegerin gewesen.
3.4.2 Veränderung Parteistärken gegenüber 2011
Versteht man Wahlsieg als positive Veränderung der Wahlstärke, hätte die FDP
gewonnen, gefolgt von der SVP und SP. Verloren hätten die BDP, die CVP, die
GLP und die GPS.
41
Mit anderen Worten: Von der neuen Mitte, von der 2011 vielfach die Rede war,
geht heute weniger Strahlkraft aus. Das neue Muster entspricht vor allem jenem, das wir als Rechtsrutsch charakterisiert haben, denn FDP und SVP werden gestärkt. Es trifft aber nicht in reiner Form zu, solange eine Möglichkeit
besteht, dass auch die SP Stimmen gewinnt. Man kann deshalb ergänzend
auch von einer Polarisierung sprechen. Interessanterweise betrifft sie positiv
nur die grösseren Parteien, während die mittleren und kleineren Parteien verlieren dürften.
Grafik 28
Bezogen auf das Kriterium einer 95-prozentig zuverlässigen Aussage dürfte
man aber nur bei der BDP und der GLP von Verlusten sprechen, bei der FDP
hart am Limit von Gewinnen. Alles andere wäre stabil. Man kann das Sicherheitsmass aber auch andersherum gebrauchen, demnach wäre die FDP heute
mit einer 94-prozentigen Wahrscheinlichkeit stärker als 2011, während bei der
SVP die Probabilität 85 Prozent beträgt. Verluste der BDP und GLP sind Ende
August zu 96 Prozent wahrscheinlich, derweil solche bei der GPS und der CVP
mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent auftreten würden. Dass die SP
zulegt, ist beim aktuellen Messwert nur zu 69 Prozent wahrscheinlich.
Tabelle 9
Wahrscheinlichkeit der Gewinne und Verluste
Wählendenanteil
2011
Veränderung gemäss
aktuellem Wahlbarometer
Wahrscheinlichkeit von Gewinnen
respektive Verlusten
FDP
15.1%
+1.8
94%
SVP
26.6%
+1.4
85%
18.7%
+0.6
69%
GPS
8.4%
-1.0
90%
GLP
5.4%
-1.1
96%
CVP
12.3%
-1.2
90%
BDP
5.4%
-1.2
96%
Partei
Gewinne
Stabilität
SP
Verluste
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
42
Betrachtet man die Veränderungen seit der letzten Befragungswelle fällt vor
allem der Anstieg der SVP auf. Über den Sommer hat sie ihren Umfragewert
für den Wähleranteil um knapp 2 Prozentpunkte steigern können. An dieser
Stelle kann man nur mutmassen, was die Ursache ist. Ohne Zweifel wird man
aber die zentrale Debatte in diesem Sommer erwähnen können, ausgelöst an
der Delegiertenversammlung der SVP, an der Parteipräsident Toni Brunner zum
Wiederstand gegen neue Asylzentren aufrief. Innerhalb der problematischen
Migrationsfragen setzt die SVP damit auf die Asylpolitik. Im Kern beklagt die
Partei das "Asylchaos" in der Schweiz und nennt als Schuldige SP-Bundesrätin
Simonetta Sommaruga. Es handelte sich nicht nur um ein sommerliches Kampagnenelement, vielmehr steigen die Zahlen für Asylsuchende auch in der
Schweiz und eine schnelle Veränderung ist nicht in Sicht. Mit der Kritik an der
Funktionsweise des Dubliner-Abkommens innerhalb der EU ist zudem ein länderübergreifendes Gefühl des Politikversagens entstanden, dass nationalistischen und fremdfeindlichen Bewegungen in ganz Europa Auftrieb gegeben hat.
Seit längerem verliert die BDP im Wahlbarometer. Ihren Höhepunkt hatte sie
vor zwei Jahren, in der letzten Befragung vor der Volksabstimmung über die
Masseneinwanderungsinitiative. SP und GLP kannten die besten Umfragewerte vor einem Jahr, während die CVP seit dem Frühling 2015 etwas schwächer
wird. Bei diesen drei Parteien kann man davon ausgehen, dass exemplarisch
verlorene Volksabstimmungen zu eigenen Initiativeprojekten massgeblich waren.
Grafik 29
Es bleiben Mutmassungen, was die Ursachen sind. Klar ist, dass die innere
Demobilisierung bei der GLP erheblich ist. Dies als Folge der exemplarischen
Niederlage in der Volksabstimmung über die erste eigene Volksinitiative am 8.
März 2015. Ähnliches zeigt sich bei der GPS im Zusammenhang mit diversen
kantonalen Wahlen seit Ende 2013. Namentlich in den Medien wurde das mit
dem rückläufigen Fukushima-Effekt in Verbindung gebracht.32
32
"Der Fukushima-Effekt ist verpufft", in: SRF, 11.3.2014, Die Zustimmung zur Aussage, die Risiken
der Kernenergie seien nicht tragbar. Schnellt nach dem Reaktorunfall in Japan von 53 auf 69% der
Einwohner, sank in den Jahren danach wieder auf 64%.
43
3.4.3 Wählerwanderungen
Aktuell gibt es an zwei Stellen namhafte WählerInnen-Märkte. Auf der linken
Seite betrifft dies die Schnittstelle zwischen SP und GPS, auf der rechten jene
zwischen SVP und FDP.
Wir schätzen, dass der erste etwa 3 Prozent der Wählenden ausmacht, der
zweite 2 bis 3 Prozente. Aktuell legt die SP im ersten Wählermarkt zulasten der
GPS zu. Das entspricht der allgemeinen Einschätzung, wonach es eher zu einer
Neuformierung der grossen Parteien kommt. Auf dem rechten Wählermarkt
gibt es keinen Sieger, denn die Tauschbilanz ist für beide Parteien neutral. Im
Vergleich zu den Befunden in den beiden letzten Wahlbarometer-Befragungen
hat damit die SVP Punkte gut machen können, sodass man auch hier von einem Trend zur grösseren Partei sprechen kann.
Weitere, deutlich kleinere Wählermärkte gibt es zwischen der FDP und der
GLP, der FDP und der BDP und der SP gegenüber der GLP. In den beiden ersten Fällen wiederholt sich das Bild, denn Schwankende zwischen der neuen
Mitte von 2011 und der FDP neigen heute eher zum liberalen Original. Umgekehrtes findet sich – wenn auch gerade an der Grenze des Berichtenswerten –
zwischen der SP und der GLP, verliert doch die SP mehr an die GLP denn umgekehrt.
Tabelle 10
Grössere Wählermärkte im Wahlbarometer mit den aktuellen
Nutzniesserinnen
Wählermarkt
Umfang in % Wählende
aktuelle Gewinnerin
Charakteristik
SP/GPS
3%
SP
grosse Partei bevorzugt
SVP/FDP
2-3%
keine Partei
im Trend Verschiebung zur
grossen Partei
FDP/GLP
1%
FDP (schwach)
grosse Partei bevorzugt
FDP/BDP
1%
FDP (schwach)
grosse Partei bevorzugt
SP/GLP
1%
GLP (schwach)
kleine Partei bevorzugt
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
Im Vergleich zur bisherigen Analyse ist vor allem der linke Wählermarkt grösser
geworden. Wir werden bei der Links/rechts-Positionierung von SP Und GPS
darauf eingehen. Verschwunden sind die kleinen Märkte zwischen GPS und
GLP, aber auch zwischen FDP und CVP. Kombiniert man dies mit den Ergebnissen bei der Beteiligungswanderung im vorherigen Kapitel, entsteht die aktuelle Übersicht über die Wählerbewegung.
Demnach gewinnt die FDP gegenüber 2011 im aktuellen Wahlbarometer, weil
sie Stimmen bei der neuen Mitte von 2011 macht und ihre Mobilisierung verbessern konnte. Die SVP gewinnt vor allem weil sie besser mobilisiert als vor
knapp vier Jahren und Stimmen von der CVP holt. Sollte schliesslich die SP
zulegen, hat das ebenso mit der Beteiligungsbewegung zu tun, wie mit Gewinnen im rotgrünen Spektrum.
Die BDP schneidet etwas schwächer ab, weil sie ehemalige Wählende an die
Nicht-Wähler verliert. Hauptgrund ist hier, dass die in die Partei gesetzten Hoffnungen verflogen sind. Nebengrund ist, dass die FDP eine Konkurrenz für Wiederwählende geworden ist. Das genau Gleiche gilt auch für die GLP. Allenfalls
kann sie Verluste durch marginalen Gewinn von der SP verringern. Die CVP
schliesslich kennt gleich wie die anderen Mitte-Parteien ein geringeres Potenzial, sodass eine negative Bilanz bei der Remobilisierung entsteht, und sie verliert
im konservativen Spektrum an die SVP. Hauptproblem der GPS ist und bleibt
die Konkurrenz durch die SP.
44
Grafik 30
Wählerstromanalyse aufgrund der aktuellen Parteistärken und der
Positionierung auf der Links-Rechts-Achse
In % Wahlberechtigte, die bestimmt teilnehmen wollen und eine Parteipräferenz haben
30
SVP
25
Parteistärke
20
SP
FDP. Die
Liberalen
15
10
CVP
GPS
5
GLP
BDP
0
Links
Rechts
Nicht-Wählende
 SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015 (n = 1094) Auszug 2 bis 8 aus Skala 0 bis 10
Bemerkung: abgebildet sind Bilanzen der Wanderung. Die Dicke symbolisiert die Stärke der Bilanzen.
3.4.4 Typisierungen
Die wichtigste parteiübergreifende Veränderung seit 2011 betrifft die Verschiebung des Parteienspektrums nach rechts. Schwächer ist die Mitte, praktisch
stabil sind die linken Parteien.
In unserer Übersicht zur Typisierung nach Parteilagern ist aber die verschwundene Mehrheit für die Mitte/links-Parteien von grösster Bedeutung. Denn dies
ist insbesondere bei der Bundesratswahl mitentscheidend. Doch selbst wenn
SVP und FDP bei den kommenden Wahlen zulegen, bleiben sie weit von einer
gemeinsamen Mehrheit entfernt. Um diese zu erreichen, dürfte es rund die
Hälfte der CVP-Stimmen brauchen, oder ein vollständiges Kippen der GLP.
Sachpolitisch ist letzteres schon einige Male vorgekommen. Personalpolitisch
dürfte die Entscheidung für beide Parteien schwer werden, sollte es zur
Kampfwahl um den Sitz der BDP im Bundesrat kommen.
Tabelle 11
Parteienlager
Indikator
2011
3. Welle
Wahlbarometer 2015
Trend
Regierungslager
78.1
79.5
leichte Zunahme
Regierungslager (ohne BDP)
72.6
75.3
Zunahme
bürgerlich (SVP, FDP, CVP)
54.0
56.0
Zunahme
rechts (SVP, FDP)
41.7
44.9
Zunahme
Mitte (CVP, GLP, BDP, EVP)
25.1
21.3
Abnahme
rotgrün (SP/GPS/Linke)
28.0
27.6
stabil
Mitte/links (SP, GPS,GLP, BDP, CVP, EVP, Linke)
53.1
48.9
Abnahme
Bemerkung: Veränderungen von 1.0 Prozentpunkt und mehr gelten als Abnahme respektive Zunahme. Veränderungen darunter,
aber von minimal 0.5 Prozentpunkten werden als leichte Zu- oder Abnahme charakterisiert, derweil kleinere Veränderungen nicht
kommentiert werden.
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
45
3.4.5 Zwischenbilanz
Hauptergebnis zu den Entscheidungsabsichten ist die Stärkung der rechtsbürgerlichen Parteien. Neu profitieren sowohl die FDP wie auch die SVP vom
wichtigsten Trend vor den Wahlen 2015. Die Ursachen sind aber verschieden:
Die FDP konkurrenziert die neue Mitte von 2011 erfolgreich, derweil die SVP
vor allem bei konservativen Wählerschichten im Umfeld der CVP punkten kann.
Beide Parteien sind Nutzniesserinnen der verstärken Mobilisierung im rechten
politischen Spektrum. Zudem ist die Wechslerbilanz zwischen beiden Parteien
zwischenzeitlich ausgeglichen.
Am meisten verliert die politische Mitte. Das trifft letztlich CVP, GLP und BDP
in einem ähnlichen Masse, bei den beiden kleineren Parteien macht das aber
relativ mehr aus. Gebrochen ist damit ihr Aufstieg in der Wählergunst, denn die
Hoffnung auf ein geeintes und erstarktes Zentrum ist verschwunden und auch
die Erwartungen, der Alleingang helfe der eigenen Profilierung, dürfte sich nicht
erfüllen.
Weitgehend stabil ist die Linke. Wenn die SP etwas zulegen sollte und die GPS
etwas verlieren dürfte, hat das am ehesten mit Umschichtungen innerhalb des
rotgrünen Lager zu tun. Insgesamt ist dieses aber im aktuellen Wahlbarometer
praktisch gleich stark wie 2011.
3.5
Soziologisches Profil der Parteien
Wie setzen sich die Parteiwählerschaften soziologisch zusammen? In der
Schweiz vielfach untersucht wurden die Auswirkungen der konfessionellen
Spaltung auf die Parteien, aber auch die Auswirkungen der Schicht. Zu den
heute wichtigen Konfliktlinien wird insbesondere der Stadt/Land-Unterschied
mit seinen Folgen etwa auf die Individualisierung von Lebensentwürfen gezählt. Typisch schweizerisch ist, dass regelmässig nach Auswirkungen von
Generationen und Geschlechtern für die Parteienwahl gefragt wird.
Bevor wir auf die Details eingehen, präsentieren wir hier die Übersicht. Sie
zeigt, wo eine Partei generell vom Schnitt abweichend ein gesellschaftliches
Profil hat. Beispielsweise ist die SVP bei Männern übervertreten, die SP bei
Frauen, während die anderen Parteien nach Geschlecht ausgeglichen vertreten
sind.
46
Die nachstehenden Ausführungen beschränken sich auf die vier grössten Parteien. Denn die Fallzahlen der befragten Wählenden von GPS, GLP und BDP
sind für Merkmalsgruppenanalysen zu gering.
Tabelle 12
Signifikant über- und untervertretene Merkmalsgruppen nach Parteien
Geschlecht
SVP
SP
Männer (+)
Frauen (-)
Frauen (+)
Männer (-)
FDP
CVP
Alter
Siedlungsart
Schulbildung
grosse/kleine und
mittlere Agglomeration (+)
ländlich (-)
ländlich (+)
kleine und mittlere Agglomerationen (+)
grosse Agglomeration (-)
tief/mittel (+)
hoch (-)
Haushaltseinkommen
Konfession
protestantisch (+)
katholisch (-)
keine (-)
keine (+)
katholisch (-)
protestantisch (+)
keine (-)
katholisch (+)
protestantisch (-)
keine (-)
(+) übervertreten, (-) untervertreten
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
SVP: Die beabsichtigte Wahl der SVP wird aktuell durch die Schulbildung, das
Geschlecht und die Konfessionszugehörigkeit systematisch beeinflusst. Jetzige
Stärken finden sich namentlich in den unteren mittleren Bildungsschichten. Am
schwächsten ist die Partei bei einem Haushaltseinkommen, das der oberen
Mittelschicht entspricht und bei höheren Bildungsschichten.
Die SVP ist und bleibt die grösste Volkspartei der Schweiz. Im Kern ist sie unverändert die konservative, im reformierten Milieu verankerte Mittelstandspartei. Indes, sie hat sich massiv entwickelt durch die Ausdehnung in die Agglomerationen und auch in die oberen Einkommensklassen. Denn da ist sie die
Partei gegen den Mainstream, sprich gegen die vorherrschenden Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft.
47
Grafik 31
In der laufenden Legislatur hat sich das Profil in mehrfacher Hinsicht verändert.
Deutlich zugelegt hat die SVP bei den jüngeren Generationen, in Haushalten
mit einem Durchschnittseinkommen und bei einem obligatorischen Schulabschluss.
Grafik 32
48
FDP: Interessanterweise kennt die neue FDP-Wählerschaft kaum mehr gesellschaftliche Unterscheidungsmerkmale. Statistisch signifikant ist einzig die Konfessionszugehörigkeit: Konfessionslose sind die offensichtlichste Schwäche
der Partei.
Grafik 33
In der laufenden Legislatur hat sich das Profil der FDP-Wählerschaft gleich
mehrfach geändert. Stärker geworden ist sie in den unteren Einkommensklassen und auf dem Land. Beschränkt gilt das auch für die Bestverdienenden.
Etwas profilieren konnte sich die Partei auch bei Frauen.
Grafik 34
49
Das Profil der Profil ist heute viel ausgeglichener als in der vorherigen Legislatur. Die Popularisierung der Partei, die von oben initiiert wurde, trägt offensichtlich Früchte.
CVP: Raumbezüge sind entscheidend, ob man die CVP wählt oder nicht. Denn
die Konfessionszugehörigkeit und die Siedlungsart bestimmen die denkbare
Unterstützung der Partei in statistisch signifikanter Hinsicht. Klar über dem
Mittel gewählt wird sie von KatholikInnen, klar darunter ist der gegenwärtig
Wähleranteil bei Konfessionslosen und ProtestantInnen. Überdurchschnittlich
schneidet sie zudem auf dem Land ab, klar darunter in den grossen Agglomerationen.
Grafik 35
Massiv verloren hat die CVP in der laufenden Legislatur namentlich in den untersten Schichten. Das gilt sowohl für tiefe Bildungsschichten wie auch untersten Einkommensklassen.
Mit dieser Änderung verliert die CVP zunehmend ihren Charakter als Volkspartei. Sie wird immer mehr auf die Vertretung von Regionen und ihrer Kultur zurückgeworfen. Starke Veränderungen dank der Öffnung der Partei zu neuen
Schichten und Ballungsräumen lässt sich nicht ausmachen.
50
Grafik 36
SP: Die denkbare Wahl der SP hängt vom Geschlecht, der Konfession und der
Siedlungsart ab. Ihre Stärken hat die Partei bei Konfessionslosen und bei den
tiefsten Einkommensklassen. Schwächen finden sich auf dem Land und bei
KatholikInnen.
Die SP von heute ist im Kern keine Arbeiterpartei mehr. Vielmehr ist sie die
Vertretung der oberen Mittelschichten, die in den grossen Städten leben, gut
ausgebildet sind, und dank Mehrfacheinkommen auch über dem Mittel verdienen. Zudem zeigen ihre WählerInnen am stärksten individualisierte Lebensentwürfe. Neu ist, dass sie einen Teil der untersten EinkommensbezügerInnen mit
ihrer Ausrichtung auf Wirtschafts- und Sozialfragen wieder zurückgewinnen
konnte.
51
Grafik 37
Der generelle Charakter der SP-Wählerschaft hat sich in der laufenden Legislatur nicht wesentlich verändert. Verbessern konnte sie sich bei den tiefsten
Einkommen und Konfessionslosen. Zugelegt hat sie auch in Haushalten mit
den höchsten Einkommen.
Grafik 38
52
Das Bild würde sich nicht wesentlich ändern, wenn man auch GPS, BDP und
GLP miteinbeziehen würde. Das Profil der GPS ist dem der SP sehr ähnlich. Die
BDP kennt keine wirklichen Konturen in ihrer gesellschaftlichen Verankerung.
Sie ist in erster Linie ein regional unterschiedlich zusammengesetztes Phänomen. Die GLP zeigt stärker eine gesellschaftliche Prägung, verliert aber gerade
bei zwei ihrer Stärken: den jüngeren Menschen und den Bestverdienensten.
Mittelfristig gesehen, gibt es nicht nur einen Trend. Seit 2011 lassen sich mindestens 3 bestimmen:

Mit dem allgemeinen Trend nach rechts wandern vor allem die jüngeren
WählerInnen und Menschen mit einem vergleichsweise tiefen Schulabschluss.

Zwischen rechts und links polarisiert sind heute vor allem die mittleren
Einkommensklassen.

Nach links gehen Wählerschaften mit einem sehr hohen Haushalteinkommen und Konfessionslose.
Tabelle 13
Wichtigste Änderungen der Parteiverankerung seit den
Nationalratswahlen 2011
Merkmal
SP
CVP
FDP
unter 40-Jährige
tiefe Schulbildung
-17%
5-7'000 CHF
HH-Einkommen
-14%
+6%
SVP
Trend
+16%
zu SVP
+9%
zu SVP
+13%
zu SVP
-5%
zu SP/FDP
bis 3000 CHF
HH-Einkommen
+11%
über 11'000 CHF
HH-Einkommen
+7%
zu SP
Konfessionslose
+7%
zu SP
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015
3.5.1 Zwischenbilanz
Nach gesellschaftlichen Gruppen differenziert, gibt es einen Rechtsrutsch bei
den jüngeren Menschen, in der unteren Mittelschicht und vor allem bei geringer schulischer Qualifizierung. Das Gegenteil zeigt sich in der oberen Mittelschicht, namentlich bei ganz hohen Einkommen durch Doppelverdienst. Hier
entwickelt sich das Spektrum eher nach links. Das gleiche gilt auch bei Konfessionslosen als typische VertreterInnen einer individualisierten Lebensweise.
Polarisiert sind schliesslich die untersten Einkommensklassen. Sie wenden sich
von konservativen Parteien ab, und gehen entweder zur SP oder zur FDP über.
Je nachdem, ob man ökonomisch besser oder schlechter gestellt ist, reagiert
man ganz anders auf die gegenwärtigen Herausforderungen, und entwickelt
man auch andere Wahlabsichten.
Grundlegender als diese mittelfristigen Entwicklungen sind die längerfristigen,
die sich vor allem am Beispiel des Stadt-Land-Unterschieds und seiner Auswirkungen auf die Parteienwahl zeigen. Typisch für die jüngste Zeit ist, dass es
SVP und FDP gelingt, diese denkbare Konfliktlinie zu überwinden. Denn der
SVP ist es gelungen, in grosse Agglomerationen vorzudringen und die FDP
wächst gegenwärtig auf dem Land.
Die wohl auffälligste Eigenheit der aktuellsten gesellschaftlichen Analyse ist die
weitgehend Abwesenheit des Alters als Bestimmungsgrösse für den voraussichtlichen Parteienentscheid. Die generationentypischen Profile der Parteilandschaft, die noch vor acht Jahren zentral waren, sind am Schwinden.
53
3.6
Weltanschauliche Positionierung der
Wählerschaft
Zu den Hintergrundfaktoren einer Wahl, die wir im Wahlbarometer untersuchen, gehören die Weltanschauungen. Sie kommen in den Positionen der Parteiwählerschaft auf der Links/rechts-Achse einerseits und den damit verbundenen Werthaltungen anderseits zum Ausdruck. Ferner zählt das Vertrauen in
politische Institutionen zur Weltanschauung.
Nicht befragt werden im Wahlbarometer dagegen Parteisympathien. Hauptgrund hierfür ist, dass sie anders als in der Theorie nicht stabil sind und deshalb
als Hintergrundvariable für die Parteienwahl nicht taugen. Vielmehr werden sie
selber durch den Wahlkampf und die Wahlabsichten beeinflusst, sodass Aussagen hierzu tautologisch sind.
3.6.1 Links/rechts-Achse
87 Prozent der Wahlberechtigten verorten sich inhaltlich auf der Links/rechtsAchse. Für 8 Prozent hat diese Achse keine Bedeutung; weitere 5 Prozent können oder wollen keine Angaben dazu machen. Unter jenen, die sich verorten
können, dominiert neu und zum zweiten Mal in Folge knapp die rechts-Position.
Interessant ist in dieser Verortung die dynamische Perspektive, denn sie zeigt
in groben Strömen, in welche Richtung sich das Schweizer Elektorat bewegt.
Dabei sind unterschiedliche Entwicklungen auszumachen: Bis zur Legislaturmitte war tendenziell ein Trend zur Mitte hin auszumachen, was auf Kosten beider
Polpositionen geschah. Die jüngsten Zahlen bestätigen jedoch eher wieder
mehr Polarisierung in der Schweizer Wählerschaft, und zwar mit Schlagseite
gegen rechts.
Grafik 39
Die Mobilisierung der Potenziale entspricht diesem Bild, denn auch unter den
bestimmt teilnahmewilligen WählerInnen bleibt die Rechte am stärksten. Gerade weil sich dynamisch betrachtet weitaus weniger Bewegung in der Selbst54
einstufung der teilnahmewilligen Wählerschaft findet, ist der Rechtsrutsch hier
noch deutlicher erkennbar. Der linke Pol erweist sich als relativ stabil, der rechte Pol hat auf Kosten der Mitte leicht zugelegt, insbesondere im Vergleich zu
den Werten aus dem Jahr 2014.
Grafik 40
Wird die Links/rechts-Positionierung nach Parteiwählerschaften getrennt ausgewertet, so ist das ein aufschlussreiches Portrait der Selbsteinschätzung der
Parteiwählerschaften. Letztlich hängt diese jedoch auch vom Kurs der Parteien
ab, die entweder klar links oder rechts oder dann moderat in der Mitte Wählende ansprechen können.
Bei den Polparteien ist die Sachlage klar; SVP-WählerInnen positionieren sich
eindeutig rechts, die Wählerschaften der SP und der GPS eindeutig links. SympathisantInnen der Mitte-Parteien sind allgemein relativ stabil in ihrer Selbstzuordnung. CVP-, FDP- und BDP-WählerInnen positionieren sich knapp rechts der
Mitte, Wählende der GLP dagegen knapp links davon.
Neu ist nicht mehr die BDP sondern die CVP die Partei, deren Wählerschaft
sich am nächsten an der Mitte positioniert. Die Wählerschaft der GLP positioniert sich tendenziell links der Mitte, steht dieser aber deutlich näher als dem
linken Lager. Gleiches gilt rechts für die BDP.
Am linken Ende der politischen Achse finden sich die SP und die GPS, wobei
der Abstand zur Mitte hier 2015 ähnlich gross ist wie beim Counterpart auf der
rechten Seite der SVP.
Aufschlussreich sind auch hier die zeitlichen Verschiebungen, wobei diese eindeutig zeigen, dass sich nicht nur das Elektorat als Ganzes, sondern spezifisch
die Wählerschaften der Polparteien SVP und SP bis zum Juni 2015 hin polarisierter zeigten. Mit den neusten Zahlen reisst diese Entwicklung an beiden
Polen ab, denn beide Wählergruppen haben sich in ihrer Selbsteinstufung
erstmals wieder weg von ihrem jeweiligen Pol bewegt.
Doch auch in der politischen Mitte ist es zu Verschiebungen gekommen, wenn
auch zu weniger drastischen. Die CVP-Wählerschaft hat sich mittelfristig leicht
weg von der Mitte Richtung rechts bewegt, diese Entwicklung setzte sich aber
ab März 2015 nicht mehr weiter fort. FDP-affine WählerInnen haben sich bis
55
zum März 2015 verstärkt der Mitte angenähert, bewegen sich jetzt aber wieder
auf dem Ausgangsniveau. Wählerschaften der beiden neueren Angebote aus
der politischen Mitte, BDP und GLP, erwiesen sich in ihren Selbsteinschätzungen bisher als relativ stabil. Umso bemerkenswerter sind die jüngsten Entwicklungen der kleinen Mitte-Parteien, die beide einen Rechtsdrall erfahren haben.
Grafik 41
3.6.2 Veränderungen Werthaltungen
Die neuere Wahlforschung zeigt, dass es zwischenzeitlich WählerInnen gibt,
die sich zwar auf der Links/rechts-Achse positionieren, aber keine eindeutige
Parteibindung mehr haben. Vielmehr identifizieren sie sich mit Werthaltungen,
die sie verwenden, um Kandidierende, mit denen sie diesbezüglich übereinstimmen, auszuwählen. Drei Wertpolaritäten haben deshalb Eingang in unsere
Analyse gefunden: Öffnen vs. Verschliessen, Einzel- vs. Gemeinschaftsverantwortung sowie Ökologie vs. Wohlstand.
Die stärkste Spaltung finden wir regelmässig, wenn es um die Frage der Öffnung oder Verschliessung der Schweiz geht und sie hat sich über die Zeit verschärft. Die Wählerschaft der SVP vertritt stabil die Position der Verschliessung
mit Abstand am stärksten und schert damit aus, denn alle übrigen Wählerschaften platzieren sich mehr oder weniger deutlich auf der Werteseite der Öffnung.
Am deutlichsten und auch klar verstärkt gegenüber 2013 gilt dies für die SPWählerschaft, gefolgt von jener der GPS. Auch die Wählerschaften der der
GLP, der BDP und der FDP haben sich stärker dem Pol "Öffnung" zugewandt,
während sich jene der CVP etwas davon entfernt hat. Der Wandel ist dabei bei
er BDP am stärksten ausgeprägt.
56
Grafik 42
Auf der Werteachse zwischen Umweltschutz und Wohlstand steht die Parteiwählerschaft der GPS eindeutig, jene der SP und der GLP tendenziell auf der
Seite des Umweltschutzes. WählerInnen der CVP, der BDP, der SVP und besonders deutlich jene der FDP verorten sich näher am Wohlstands-Pol. Interessant ist dabei, dass sich die GPS-Wählerschaft weg vom Pol zu einer gemässigteren Position hin bewegt hat, ebenso jene der GLP. Bewegung lässt sich auch
im bürgerlichen Lager feststellen: Die Wählerschaften von CVP und FDP haben
sich eher wieder Richtung Priorisierung von Wohlstand bewegt, jene von SVP
und BDP eher wieder etwas weg davon.
Grafik 43
57
3.6.3 Regierungsvertrauen
Grundsätzlich ist das Vertrauen der Wahlberechtigten in den Bundesrat intakt
(67% hohes Vertrauen), lautere oder leisere Kritik ist aber bei 32 Prozent auszumachen. Der Trend verläuft insgesamt einheitlich, aktuell aber zum zweiten
Mal in Folge zugunsten des Regierungsvertrauens.
Grafik 44
Nach Parteiwählerschaften getrennt betrachtet, fällt vor allem eines auf: Teilnahmewillige WählerInnen der SVP urteilen mit Abstand am kritischsten, geben
sich aktuell allerdings wieder weniger kritisch, als dies in den ersten beiden
Wellen des Wahlbarometers 2015 der Fall war. Die zweitkritischste Gruppe ist
jene der WählerInnen ohne feste Parteipräferenz und diese Gruppe bleibt kritischer als sie es noch 2014 war.
58
Grafik 45
Die GPS-Wählerschaft wurde von einem positiven Trend erfasst und bewegt
sich wieder näher an den Werten wie sie 2013 und 2014 festgehalten wurden.
Die leichte Vertrauenskrise vom Sommer 2015 scheint damit zumindest vorerst
überwunden.
Das höchste Vertrauen bringen neu die Wählerschaften der BDP und der GLP
dem Bundesrat entgegen. Allerdings muss an dieser Stelle angefügt werden,
dass just WählerInnen dieser beiden Parteien eher sprunghaft sind in ihren
Einschätzungen zum Regierungsvertrauen.
Dahinter folgen CVP- und FDP- und SP-WählerInnen. Für die Wählerschaft der
FDP ist dabei seit Sommer 2015 ein positiver Trend festzuhalten, jene der SP
ist relativ stabil in ihren Urteilen. Die CVP-wählerschaft vertraut der Regierung
wieder stärker als das noch im Frühling 2015 der Fall war, zum zweiten Mal in
Folge bestätigt sich ein Abreissen des zuvor negativ gerichteten Trends.
3.6.4 Zwischenbilanz
Die Links-rechts-Achse ist und bleibt die wichtigste Polarität in der Schweizer
Parteienlandschaft. Mit dem Verlauf des Vorwahlkampfes hat die Polarisierung
zwischen den Polparteien zugenommen. Die Plätze getauscht haben die GPS
und die SP, denn die GPS hat sich mit dem Wahlkampf klarer als linke Partei
positioniert. Auch in der politischen Mitte ist es zu Verschiebungen gekommen,
denn die Wählerschaften der BDP und der GLP wurden von einem leichten
Rechtsdrall erfasst.
War bis zur Legislaturmitte tendenziell ein Trend zur Mitte hin auszumachen,
weicht dieser insgesamt wieder mehr der Polarisierung der Schweizer Wählerschaft, und zwar mit Schlagseite gegen rechts.
Wertemässig fallen die Polarisierungen schwächer aus, einzig die Frage der
Öffnung oder Verschliessung der Schweiz spaltet das Elektorat wirklich. Die
stärksten Polarisierungen finden zwischen SVP und SP/GPS statt (Öffnung)
59
respektive zwischen FDP und GPS (Wohlstand vs. Ökologie und Staats-/Eigenverantwortung) oder bei der Verantwortungsthematik zwischen SP und BDP.
Das Regierungsvertrauen ist vergleichsweise hoch. Vor allem die SVP kann
misstrauische BürgerInnen binden, am zweithäufigsten sind diese unter Parteiungebundenen vertreten.
3.7
Dringendste Themen
3.7.1 Medien- und BürgerInnen-Themen
Kurz vor dem Erscheinen dieses Berichtes veröffentlichte das Forschungsinstitut fög die erste substanzielle Untersuchung über die Medieninhalten im Wahljahr 2015. Sie wertet Publikationen der Printmedien über die Parteien aus.
Demnach sind mit 44 Prozent aller Beiträge nicht die Themen der Parteien das
entscheidende, sondern die Strategien und ihre Umsetzung im Wahlkampf. Die
Inhalte liegen an zweiter Stelle, mit einem Anteil von 41 Prozent. Es folgen
institutionelle Frage zum Parteiensystem mit 8 und Skandal mit 7 Prozent.
Beschränkt man sich auf die Themen, stehen Migrationsfragen an der Spitze,
gefolgt von Sozialpolitik und Fragen der Infrastruktur. Danach werden Finanz-,
Bildungs- und Wirtschaftsfragen gelistet, die noch vor Themen der Sicherheits-,
Aussen- und Umweltpolitik rangieren.
Betrachtet man nur die Monate Juli und August, haben Migrationsfragen
nochmals an Bedeutung gewonnen, und sind aussen/europapolitische und
Sicherheitsthemen wichtiger geworden. Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik
zeigen genau Gegenteiliges.
Grafik 46
Unsere Analyse geht umgekehrt vor. Sie fragen nicht, was die veröffentlichen
Meinung publiziert, sondern wie sich die BürgerInnen-Meinungen, speziell der
wahlwilligen Personen entwickeln. Da ergeben sich neben Gemeinsamkeiten
auch einige auffällige Unterschiede.
60
3.7.2 Themenorientierung der Schweizer
Wählerschaft insgesamt und nach
Sprachregionen
Der Problemdruck im Bereich Migration bleibt ungebrochen hoch, die Migrationsthematik wird auch im August 2015 mit Abstand am häufigsten als dringendstes Problem, das die Schweizer Politik lösen soll, genannt. Zwar wurde
die Asylthematik von der SVP als Wahlkampfthema lanciert – personalisiert
über Bundesrätin Sommaruga – die Medien aber sind über die Sommermonate
aus realpolitischen Begebenheiten auf das Thema aufgesprungen und das dürfte den erneuten Anstieg erklären. Die Flüchtlingsdramen in und rund um Europa bewegen die Menschen und mögen die Themenwelt zu Beginn der Wahlkampfhauptphase dominieren, daneben existieren aber durchaus andere Themen, die in gewissen Untergruppen ähnliche Brisanz erlangen. Nennungen
rund um die EU, die Euro-Krise und die Bilateralen beispielsweise auf dem
zweiten Rang und Nennungen der AHV sowie der sozialen Sicherheit auf dem
dritten. Arbeitslosigkeit und die Umweltproblematik bereiten auf den Rängen
vier und fünf immerhin noch rund 10 Prozent der Wahlberechtigten Sorgen, das
Gesundheitswesen respektive die Krankenkassen 8 und die Energiewende 6
Prozent. Weiter finden sich die Themen Wirtschaftsentwicklung, Bildungswesen und Familie in den Top-Zehn-Problemen der Schweizer Wahlberechtigten.
Grafik 47
Die Top-Fünf der Themen oder die prioritären Themen sind damit erneut durch
Fragen der Zuwanderung, der Aussenpolitik, der Abfederung wirtschaftlicher
Effekte und der Umwelt geprägt. Das war bereits im Juni der Fall und mit einer
Einschränkung auch im April dieses Jahres: Im Vergleich zu den ersten beiden
Wellen des Wahlbarometer 2015 bestätigt sich zum zweiten Mal in Folge ein
rangmässig höherer Problemdruck rund um Arbeitslosigkeit, wogegen Nennungen des Gesundheitswesens und der Krankenkassen dadurch aus den TopFünf verdrängt wurden.
Besonders im Tessin ist dieser Problemdruck zu Arbeitslosigkeit greifbar, denn
dieses Problem belegt bei italienischsprachigen Wahlberechtigten bereits den
61
zweiten Rang der dringendsten Probleme. Neu ist dem auch in der Westschweiz so, wobei der Abstand zur erstplatzierten Migrationsthematik in der
Romandie klar grösser ist als im Tessin. In der Deutschschweiz dagegen ist
Arbeitslosigkeit erst auf dem fünften Rang der dringendsten Probleme zu finden, Umweltsorgen rangieren dort höher.
In der Westschweiz hat die Umweltthematik etwas weniger Dringlichkeit, dafür
stehen dort Familienfragen relativ weit oben auf der Prioritätenliste. Die Problemwahrnehmung der WestschweizerInnen ist auch wegen der hohen Priorisierung von Fragen sozialer Sicherheit stärker sozialpolitisch geprägt.
Das Tessin zeichnet sich auch durch einen höheren Problemdruck im Gesundheitsbereich und in EU-Fragen aus. Beide Probleme lasten im Tessin signifikant
häufiger als in der Deutsch- oder in der Westschweiz. Die Deutschschweiz
wiederum hebt sich durch eine übermässig starke Betonung der Migrationsthematik von den anderen beiden Sprachregionen ab.
Das Mittelfeld der dringendsten Probleme bleibt national von mittelfristig zu
lösenden Fragen der Politik bestimmt und erweist sich als relativ stabil: Problemdruck ist hier rund um Krankenkassen, die Energiewende, die Wirtschaftsentwicklung, das Schulwesen und die Familien wahrnehmbar.
Tabelle 14
Rangierung Probleme nach Sprachregion
Rang
National
Deutsche Schweiz
Französische Schweiz
Italienische Schweiz
1
Migration
Migration
Migration
Migration
2
EU & Europa/Bilaterale
EU & Europa/Bilaterale
Arbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit
3
AHV/soziale Sicherheit
AHV/soziale Sicherheit
AHV/soziale Sicherheit
EU & Europa/Bilaterale
4
Arbeitslosigkeit
Umwelt
EU & Europa/Bilaterale
Krankenkassen
5
Umwelt
Arbeitslosigkeit
Energiewende
Umwelt
6
Krankenkassen
Krankenkassen
Familien
AHV/soziale Sicherheit
7
Energiewende
Wirtschaftsentwicklung
Umwelt
Familien
8
Wirtschaftsentwicklung
Schulwesen
Wirtschaftsentwicklung
Wirtschaftsentwicklung
9
Schulwesen
Energiewende
Krankenkassen
Schulwesen
10
Familien
Familien
Schulwesen
Energiewende
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015 (N = 2013)
3.7.3 Dynamische Perspektive
Die dynamische Perspektive hilft zu erkennen, bei welchen Problemen es sich
um strukturelle Phänomene handelt und welche eher situativ zu lesen sind.
Die Sommermonate mit intensiver Berichterstattung über die Asylthematik in
den Medien haben der Migrations- und Asylthematik nochmals Schub verliehen, der Problemdruck hat sich weiter akzentuiert und bewegt sich mittlerweile
auf einem Niveau, wie wir es noch nie festgehalten haben. Unterstrichen wird
diese Aussage, wenn man sich die im Rahmen des Wahlbarometer 2011 erhobenen Werte vergegenwärtigt: Die Migrationsthematik rangierte während vier
von sechs Wellen des Wahlbarometers 2011 ebenfalls an oberster Stelle, wurde allerdings nie von mehr als 26 Prozent der Stimmberechtigten als dringendstes Problem genannt. 2013 bewegte sich der Wert noch auf diesem Niveau,
seither ist er aber deutlich angestiegen. So ist die Migrationsthematik klar als
strukturelles Problem der Schweizer Politik zu charakterisieren, sie erfährt allerdings aktuell eine situative Verschärfung aufgrund der Flüchtlingsthematik.
Nennungen zur EU als dringendstes Problem der Schweizer Politik sind eher
situativ zu lesen. Die EU-Thematik rangierte zwar bereits vor den Wahlen 2011
regelmässig im Mittelfeld dringender Probleme, der Problemdruck hat sich aber
seit der Annahme der Masseneinwanderung klar verschärft. Die EU-Thematik
62
bleibt im Wahlbarometer 2015 zum dritten Mal in Folge auf dem zweiten Rang
der dringendsten Probleme, das verleiht ihr ebenfalls Züge eines strukturellen
Problems. Allerdings ist der Problemdruck zum zweiten Mal in Folge rückläufig,
was wiederum eher für eine situative Prägung spricht.
Die im August 2015 drittplatzierte Arbeitslosigkeit lastet primär in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz schwer, eine Zunahme an Nennungen
ist jedoch nicht festzustellen. Der Rekordwert vom Herbst 2014 war einmalig,
Nennungen haben sich seither auf stabilem Niveau halbiert.
Stabil hält sich auch die viertplatzierte Umweltthematik, die seit dem Reaktorunfall in Fukushima und dem darauffolgenden politischen Bekenntnis des Landes zur Energiewende einen festen Platz in der Problemlösungshierarchie der
schweizerischen Politik einnimmt.
Die AHV und soziale Sicherheit sind ähnlich wie die Migrationsthematik als
strukturelle Sorge der Schweizer Wahlberechtigten zu beschreiben. Bereits im
Wahlbarometer 2011 rangierte das Thema immer in den Top-Fünf und auch
etwa im Credit Suisse Sorgenbarometer33 ist das Thema seit Jahren in den
Spitzenrängen vertreten.
Interessant ist im Vergleich zur Problemlage der Wählerschaft unmittelbar vor
den Wahlen 2011 zudem, dass sich Sorgen um die Wirtschaftsentwicklung und
Konjunktur deutlich verringert haben und nicht mehr in den Top-Fünf Sorgen
vorzufinden sind. Sie wurde von der Perzeption der EU als dringendes Problem
der Schweiz verdrängt.
Die Vergangenheit lehrt uns, dass die Problemlast eine fluktuative Grösse ist,
die von der Tagesaktualität stark mitgeprägt werden kann. Das war im Wahljahr
2011 gerade für die Umweltthematik der Fall, denn die Nennhäufigkeit dieses
Themas stieg im Nachgang zur Reaktorkatastrophe in Japan sprunghaft an. Im
Wahlbarometer 2015 fanden wir ähnliches rund um die EU-Thematik, wenn
auch in klar abgeschwächter Form.
Eindeutige Trends finden sich aktuell einzig für die EU-Thematik, wo der Trend
Richtung Abschwächung anhält, und die Zuwanderung, wo die jüngsten Zahlen
auf eine zusätzliche Verschärfung der Problemlage hinweisen.
Grafik 48
Die Problemlage im August 2015 präsentiert sich damit auf nationaler Ebene
fast schon Monothematisch durch die Asylfrage geprägt. Gerade auch im Vergleich zu den 2011 erhobenen Werten, verdeutlicht sich die Eindimensionalität
der aktuellen Problemwahrnehmung. Daneben bestätigt sie sich als stärker EUorientiert als vor den Wahlen 2011, versehen mit einer nachhallenden Sensibilisierung für Umweltfragen.
33
http://www.gfsbern.ch/de-ch/Detail/credit-suisse-sorgenbarometer-2014
63
Ein gewisser Respekt vor Nachwirkungen des Frankenschocks ist greifbar in
der Problemwahrnehmung der Schweizer Wahlberechtigten, beschränkt sich
jedoch bisher auf den Arbeitsmarkt und lastet im Tessin und in der Romandie
weitaus stärker als in der Deutschschweiz.
3.7.4
Zwischenbilanz
Klar dominantes Thema ist und bleibt die Migrationsfrage, und zwar bei allen
Parteiwählerschaften. Gerade im linken Wählerumfeld aber auch bei WählerInnen der Mitte-Parteien ist die Problemwahrnehmung in dieser Frage nochmals
angestiegen. Bei SVP und der BDP dagegen scheint der Zenit überschritten.
Die Asylthematik wurde von der SVP als Wahlkampfthema lanciert, personalisiert über Bundesrätin Sommaruga. Die Medien waren über die Sommermonate auf das Thema aufgesprungen, allerdings eindeutig realpolitisch bedingt: Die
Flüchtlingsdramen in und rund um Europa veranlassten zu Schlagzeilen und sie
bewegen die Menschen.
So mag die Asyl- und Flüchtlingsthematik die Themenwelt zu Beginn der Wahlkampfhauptphase dominieren, daneben existieren aber relevante andere Themen, die ähnliche Brisanz erlangen, nicht zuletzt, weil die Themenhierarchie
eine regional unterschiedliche Prägung kennt. Arbeitslosigkeit beispielsweise
bereitet, im Tessin aber auch in der Westschweiz, überdurchschnittlich viele
Sorgen. Das nationale Muster wird nämlich in den Sprachregionen durchbrochen; im Tessin und in der Westschweiz rangiert die Arbeitslosigkeit höher auf
der Problemskala als EU-Fragen. Im Tessin liegt sie gar nur unwesentlich hinter
der Migrationsthematik.
Zudem stehen weitreichende und umfassende politische Entscheidungen in
der Schweiz an, beispielsweise über die Altersvorsorge oder die Energiewende. Beiden Themen misst auch die Schweizer Wählerschaft bereits heute Relevanz bei, denn die prioritären Themen waren im August 2015 auch von solchen der Abfederung wirtschaftlicher Effekte und der Umwelt geprägt.
3.8
Wahrgenommene Themenkompetenzen
der Parteien
3.8.1 Profile in den vorrangigen Themen
Wie gut sind die Parteien in den zentralen Themen der Wahlberechtigten profiliert? et.
Als prioritär werden dabei die ersten fünf von der Gesamtwählerschaft genannten dringendsten Probleme erachtet. Diese Betrachtungsweise erlaubt zunächst eine Zuspitzung des Themenprofils der Parteien und zeigt auf, dass bei
der SVP, der SP, der GPS und der FDP klar eines dieser fünf Top-Themen dominiert, während das Themenprofil der übrigen Parteien weniger geschärft ist.
Bewertet man die wahrgenommene Kompetenz in den prioritären Themen für
jede Partei einzeln, ergibt sich folgendes Bild:
SVP: Verfügt über eine Kernkompetenz im Bereich der Migrationspolitik. Es
finden sich weiter Kompetenzzuschreibungen bei EU-Themen und Fragen der
Arbeitslosigkeit. Nur sehr eingeschränkte Kompetenzzuschreibungen jedoch im
rund um soziale Sicherheit und gar keine wenn es Umweltfragen geht. Damit
wird die SVP in vier von fünf Top-Themen als mehr oder weniger kompetent
erachtet.
FDP: Höchste Kompetenzzuschreibung in EU-Fragen. Zudem attestiert man
den Liberalen Themenkompetenz, wenn es um soziale Sicherheit geht und
64
eingeschränkt auch rund um Migration und Arbeitslosigkeit. Ebenfalls In vier
von fünf Top-Themen vertreten.
BDP: Gemessen an den Top-Fünf-Themen wenig geschärftes Themenprofil,
am Rande Kompetenzzuschreibungen bei EU-Fragen, ansonsten keine in den
Top-Fünf-Themen.
CVP: Kompetenzzuschreibungen am ehesten rund um soziale Sicherheit, sehr
beschränkt auch zu Migrationsproblematik, EU-Fragen und Arbeitslosigkeit. In
vier der fünf Top-Themen vertreten.
GLP: Relevante Kompetenzzuschreibungen einzig Umweltfragen, ganz am
Rande auch in EU-Fragen und damit präsent in zwei der Top-Fünf-Themen.
SP: Kernkompetenzen bei AHV, sozialer Sicherheit und Arbeitslosigkeit, gewisse Kompetenz weiter bei Migration, Europa und am Rande Ökologie. In allen
Top-Fünf-Themen vertreten.
GPS: Kernkompetenz eindeutig in Umweltfragen, ansonsten geringfügige
Kompetenzzuschreibungen Migrationsthematik und damit in zwei der Top-FünfThemen vertreten.
Grafik 49
Bemerkung: 2014 wurde die Antwortkategorie "mehrere Parteien gleich" eingefügt, was zuvor auf "keine Partei/alle gleich" zusammengefasst erhoben wurde.
Änderungen der Werte bei dieser Kategorie (keine Partei) erklären sich mitunter
oder vorwiegend durch diese Änderung am Fragebogen.
3.8.2 Dynamische Perspektive
Die dynamischen Entwicklungen der wahrgenommenen Parteikompetenzen zu
den fünf prioritären Problemen helfen, die Trends der durchschnittlichen Themenkompetenz inhaltlich zu unterlegen.
Beim dringendsten Problem der Schweizer Politik, der Migrationsfrage, sind
zwei Umstände augenfällig; die SVP ist die Leaderin, wenn es um die Migrationsthematik geht, allerdings je länger je weniger. Die Themenkompetenz der
65
SVP ist von 2013 auf 2014 deutlich zurückgegangen, hielt sich zwischenzeitlich
auf diesem tieferen Niveau, brach jedoch mit der jüngsten Welle weiter ein
(-6%-punkte).
Die SP konnte sich seit 2013 kontinuierlich stärker profilieren, der Aufwärtstrend nahm jedoch bereits im Juni 2015 ein Ende, so dass sie nun den dritten
Rang belegt. Am ehesten könne also die Polparteien mit ihren je unterschiedlichen Lösungsansätzen die Migrationsthematik für sich beanspruchen – jedoch
beide je länger je weniger. Denn am zweithäufigsten geben Befragte an, dass
sie keiner Partei die Lösung der Problematik zuschreiben und diese Ansicht ist
zumindest kurzfristig im Steigen begriffen.
Grafik 50
Für Lösungsbeiträge zur EU-Problematik wird am ehesten auf die FDP gesetzt.
Der Trend für die FDP wies bereits 2014 auf eine erstarkte Position in EUFragen hin, die im Juni 2015 nochmals ausgebaut und seither konsolidiert werden konnte. Die FDP hat nicht nur der SVP die Themenführerschaft auf diesem
Gebiet, wie sie 2013 noch bestand, strittig gemacht, sie hat auch allen anderen
Parteien hinter sich gelassen. Konkurrenz droht ihr höchstens von Links, denn
die SP hat ihr Formtief von 2014 eindeutig überwunden und rückt der FDP mit
den jüngsten Werten auf die Fersen. Die SVP folgt auf dem dritten Rang.
Herrscht besonders im Frühjahr und Sommer noch bei relevanten Anteilen
Verunsicherung in dieser Frage (weiss nicht), wich diese mit der jüngsten Erhebung einer stärkeren Fokussierung auf die SP und einer Konsolidierung der
FDP als die relevanten Parteien, wenn es im weiteren Sinne um die EU geht.
66
Grafik 51
Wenn es um Fragen der sozialen Sicherheit geht, konnte die SP ihren Status
als kompetenteste Partei erstmals seit 2013 wieder einnehmen. Der Anstieg
im Vergleich zum Juni 2015 ist eindrücklich und verweist darauf, dass der
Wahlkampf und damit die thematische Profilierung in vollem Gange sind. Die
Zeit der Verunsicherung darüber, wer in AHV-Fragen und sozialer Sicherheit
denn nun kompetent sei, scheint fürs erste überwunden. Bemerkenswert ist,
dass auch die FDP sich auf diesem Gebiet kontinuierlich zu profilieren vermag.
War sie noch 2013 ein Schlusslicht, belegt sie zwischenzeitlich den zweiten
Rang, noch vor der überparteilichen Lösung, die im Grunde bei allen Problemen
das Mittelfeld bildet. Die Profilierungsbemühungen der SVP hingegen, wie sie
sich 2014/2015 bemerkbar machten, sind versandet.
Grafik 52
67
Eine Dynamik in der Kompetenzzuschreibung rund um Arbeitslosigkeit erweist
sich als nachhaltig – der Abwärtstrend der SVP auf diesem Gebiet. Sprunghaft
zeigen sich die Einschätzungen zur SP; aktuell gerade von einem Aufwind erfasst, der sie seit 2014 erstmals wieder an die Spitze katapultiert. Nur unwesentlich hinter der SP liegen allerdings Nennung von keiner Partei und von
weiss nicht, was von einer gewissen Verunsicherung in dieser Frage zeugt.
Grafik 53
Bilanzieren wir diese Einzelentwicklungen über alle Parteien und die fünf prioritären Themen hinweg, entsteht ein umfassendes Bild zur Themenkompetenz.
Angeführt wird diese Liste aktuell von der SP, die ihre verhalten bereits existierende Führung über die Sommermonate hinweg ausbauen konnte. Wie zuvor
gezeigt, konnte sie sich kurzfristig besonders in Fragen der sozialen Sicherheit
und der Arbeitslosigkeit, beschränkt auch rund um die EU-Problematik profilieren.
Auf dem zweiten Rang, gleichauf mit 'keine Partei' kommt die GPS zu liegen,
schlichtweg wegen ihrer durchschlagenden Kompetenzzuschreibungen beim
Thema Umwelt. Der Trend der Themenkompetenz der GPS steht und fällt allerdings mit der Priorisierung von Umweltfragen. Ist das Umweltthema nicht
unter den Top-Fünf-Themen, steht es schlecht um die Beurteilung der Themenkompetenz der GPS (siehe 2014). Ist das Thema Umwelt hingegen prioritär, ist es von der GPS besetzt.
Die Problemlösungskompetenz der gesamthaft drittplatzierten SVP wird in den
Top-Fünf-Themen mittel- und kurzfristig leicht rückläufig eingestuft. Zwar gehört ihr nach wie vor das Migrationsthema, doch selbst auf diesem Kerngebiet
hat sie Einbussen punkto Themenkompetenz zu verbuchen. Weitere Verluste
bei den Themen Arbeitslosigkeit und soziale Sicherheit konstituieren den Gesamtrückgang mit.
Stabil und verhalten stetig auf dem Weg nach oben findet sich auf dem vierten
Rang die FDP. Dieser Aufstieg erklärt sich durch ein breiteres Themenprofil als
noch 2013 und durch Gewinne, wenn es um EU-Fragen oder solche der sozialen Sicherheit geht.
68
Grafik 54
Das Mittelfeld wird von der SVP, der FDP und der GPS besetzt, die mit je unterschiedlichen perzipierten Kompetenzen punkten können, davon abgekoppelt
bestätigt sich zum zweiten Mal in Folge die CVP. Die GLP hält sich stabil knapp
vor der BDP. Unter dem Strich ist damit Bewegung in die Rangfolge der Parteien geraten: Die SP führt das Feld wieder mit Abstand an. Das Mittelfeld ist
bestimmt von der GPS zusammen mit den bürgerlichen Parteien, währen die
CVP und die neuen Angebote der politischen Mitte die Schlusslichter bilden
und somit als wenig thematisch profiliert beschrieben werden können.
3.8.3 Zwischenbilanz
Der einsetzende Wahlkampf hat das Parteienprofil verändert hat. Die Migrationsfrage "gehört" nicht mehr ausschliesslich der SVP. Vielmehr wird sie kontroverser beurteilt, mit relevanten Anteilen für ihr politisches Gegenüber, die SP.
Damit ist das Profil der SVP nicht mehr auf Migrationsfragen beschränkt, es
präsentiert sich breiter und umfasst auch EU-Fragen, soziale und individuelle
Sicherheit. Die Themenführerschaft in der Europa-Frage hat die Partei allerdings
abgegeben, FDP und SP haben sich an ihrer Stelle profiliert.
Generell macht sich langsam aber sicher Wahlkampfstimmung bemerkbar und
die Parteien scheinen sich in den Köpfen der Wählerschaft zu positionieren. So
deutlich wie nie zuvor wird etwa den Grünen Kompetenz in Umweltfragen zugeschrieben und auch die SP wird von der Wählerschaft wieder präsenter auf
ihren Kernthemen wahrgenommen. Die FDP vermag sich verstärkt und breiter
zu profilieren, einzig die CVP und die kleinen Mitte-Parteien scheinen davon
(noch) nicht erfasst zu sein.
69
3.9
Spezialthema: Energiepolitik
Im Rahmen des Wahlbarometers wird für jede Welle ein Spezialthema festgelegt, zu welchem ein paar Vertiefungsfragen gestellt werden. Die Themen ergeben sich aus der politischen Realität des Landes. Für die erste Welle 2015
wurde die Aufhebung der Euro-Untergrenze thematisiert, für die zweite Welle
war es antizipierend die Asylfrage und im Rahmen der vorliegenden dritten
Welle wird die Schweizer Energiepolitik thematisiert. Im Rahmen der Energiestrategie 2050 wollen Bundesrat und Nationalrat die Schweizer Energieversorgung total umbauen. Dazu gehören der langfristige Atomausstieg und die Reduzierung des CO2-Ausstosses durch Senkung des Verbrauchs von Heizöl,
Benzin und Diesel.
Grundsätzlich stehen die Schweizer Wahlberechtigen diesem Entscheid optimistisch gegenüber, denn nicht nur pflichten sie mehrheitlich der Aussage bei,
dass die Energiewende Jobs in zukunftsträchtigen Branchen schafft (70% eher/
voll einverstanden). Sie stützen ebenso mehrheitlich den Grundsatzentscheid,
dass die Schweiz langfristig ihren Strom ohne Atomkraft herstellen soll (69%
eher/voll einverstanden). Und sie geben sich mehrheitlich damit einverstanden,
die Laufzeit der bestehenden Atomkraftwerke zu beschränken (67% eher/voll
einverstanden). Relevante Anteile kritischer Stimmen finden sich allerdings,
wenn es um die wirtschaftliche Tragbarkeit dieses Entscheids geht. Gewichtige
43 Prozent der wahlberechtigten Schweizer und Schweizerinnen zweifeln mehr
oder weniger stark daran, dass die durch die Energiestrategie entstehende
Verteuerung von Strom, Heizöl und Benzin für die Wirtschaft tragbar sei. 50
Prozent und damit die Mehrheit wiedersprechen dem.
Wahlberechtigte mit Teilnahmeabsicht an den Wahlen sind allen vier Aussagen
gegenüber gleich eingestellt wie die Gesamtheit der Wahlberechtigten, sind
jedoch noch deutlicher in ihren Einschätzungen und bejahen den Atomausstieg
etwas stärker als die Aussage, die Energiewende schaffe neue Jobs.
Grafik 55
Eine zentrale Grösse bei der Beurteilung der vier getesteten Aussagen zur
Energiepolitik ist die Parteibindung und es zeigt sich deutlich, dass es sich bei
diesen Einschätzungen um hochpolitische Fragen handelt.
Kaum umstritten ist das grundsätzliche Bekenntnis zu einem langfristigen Ausstieg aus der Atomkraft. Von links bis rechts im Parteienspektrum erklärt man
sich mehrheitlich damit einverstanden, dass die Schweiz ihren Strom langfristig
ohne Atomkraft herstellen soll. Mit über 80 Prozent Unterstützung fast schon
unangefochten ist diese Ansicht innerhalb der Wählerschaften der GPS, der SP,
der GLP und der CVP vertreten. Bei BDP-, FDP- und besonders deutlich SVPaffinen Wählergruppen ist Widerstand zu verorten, er bleibt jedoch minderheitlich. Im Falle der SVP allerdings nur knapp.
70
Grafik 56
Ähnliches gilt für die Aussage, dass die Energiewende neue Jobs in zukunftsträchtigen Branche schaffe: Sie wird zwar von allen Parteiwählerschaften
mehrheitlich geteilt, im Umfeld der BDP, der FDP und der SVP bestehen allerdings relevante Zweifel.
Grafik 57
Umstrittener ist die Laufzeitbeschränkung bestehender Kraftwerke, denn sie
wird von WählerInnen der SVP mehrheitlich abgelehnt (51% eher/überhaupt
71
nicht einverstanden), während sie im linken Parteienspektrum bis hin zur CVP
breite Unterstützung geniesst. Im Umfeld der BDP und der FDP sprechen sich
zwar Mehrheiten für solche Laufzeitbeschränkungen aus, gegenteilige Stimmen sind aber gewichtig (BDP: 45%, FDP: 35% eher/überhaupt nicht einverstanden).
Grafik 58
Noch polarisierter präsentiert sich das Meinungsbild, wenn es um die Wirtschaftsverträglichkeit der Energiewende respektive der dadurch entstehenden
Verteuerung von Strom, Heizöl und Benzin geht.
Zweifel an der Wirtschaftsverträglichkeit der Energiewende bestehen zwar
auch in linken Wählersegmenten, sind aber eindeutig in der Minderheit. Im
Umfeld der GPS äussern 18 Prozent solche, im Umfeld der SP sind es immerhin 28 Prozent und bei der GLP 17 Prozent. Bereits im Umfeld der CVP erreichen sie mit 40 Prozent ein nicht vernachlässigbares Niveau und mutieren dann
im bürgerlichen Lager definitiv zur Mehrheitsmeinung. 52 Prozent der BDPWählerschaft, 53 Prozent jener der FDP und 57 Prozent der SVP sind einverstanden damit, dass die Verteuerungen von Strom, Heizöl und Benzin nicht
tragbar sind für die Schweizer Wirtschaft. Parteiungebundene stellen sich in
dieser Frage ebenfalls auf die Seite der bürgerlichen und rechten Parteien und
damit gegen die Mehrheitsmeinung.
72
Grafik 59
Kurz noch ein paar Worte zu anderen relevanten Spaltungen. Mit dem Ausstieg
an und für sich zeigt sich keine einzige Untergruppe nicht mehrheitlich einverstanden, in dieser Frage finden sich höchstens graduelle Unterschiede der Unterstützung. Dasselbe gilt für die zukunftsträchtigen Jobs und auch für die
Laufzeitbeschränkung.
Polarisiert ist lediglich die Frage der Wirtschaftsverträglichkeit und auch diese
nur beschränkt. Differenzen bestehen in den Sprachregionen: Die Mehrheitsmeinung wird durch die deutschsprachige Schweiz bestimmt, wo 56 Prozent
nicht an der Wirtschaftsverträglichkeit der Energiewenden zweifeln. Anders in
der französischsprachigen Schweiz und im Tessin, wo Mehrheiten angeben,
die Energiewende respektive die dadurch entstehenden Verteuerungen seien
nicht tragbar für die Wirtschaft (FCH: 46% (relative Mehrheit), ICH: 56% eher/
voll einverstanden).
3.9.1 Zwischenbilanz
Einiges spricht dafür, dass die Energiestrategie 2050 aus Sicht der Stimmberechtigten die richtige Stossrichtung hat. Klare Mehrheiten bekennen sich zum
langfristigen Atomausstieg der Schweiz und sehen gar Potenzial in Form von
zukunftsträchtigen Jobs, die durch die Energiewende geschaffen werden sollen. Geht es allerdings um die Laufzeitbeschränkung bestehender Kraftwerke,
erhalten die Meinungen eine klar politische Prägung: Gegen rechts nimmt der
Widerstand gegenüber dieser Massnahme zu, jedoch stellt sich einzig die BDPWählerschaft mehrheitlich gegen Laufzeitbeschränkungen. Auch die Frage der
Wirtschaftsverträglichkeit spaltet die politischen Lager: Links bis hin zum CVPund GLP-affinen Elektorat glaubt man klar daran, rechts dagegen finden sich
relevante und mehrheitliche Zweifel.
So sind Fragen der Energiepolitik in der Schweiz eindeutig parteipolitisch geprägt und sie werden im Falle der Wirtschaftsverträglichkeit der Energiewende
auch regional unterschiedlich gelesen: den optimistischen Mainstream bestimmt die Deutschschweiz, eher pessimistisch fallen Äusserungen der TessinerInnen und der französischsprachigen Wahlberechtigten aus.
73
3.10 Parteipräsidenten
3.10.1 Medienpräsenz und Glaubwürdigkeit
Fragen der Glaubwürdigkeit von PolitikerInnen spielen im Wahlkampf 2015 eine
besondere Rolle. Namentlich die Debatte über das Lobbying ist medial zu einem vorrangigen Thema geworden. Besondere Aufmerksamkeit geniessen
darüber hinaus ParteipräsidentInnen, werden sie medial doch gerne allein verantwortlich gemacht für das Auf und Ab einer Partei.
Systematische Untersuchungen zeigen, dass Parteipräsidenten nach den Bundesräten vorrangige Vertreter von Parteien sind. Dabei haben Vertreter des
Zentrums eine erhöhte Wahrscheinlichkeit genannt zu werden. Generell gilt,
wer häufiger kommt, wird auch mehr geschätzt. Eine Auswertung im laufenden
Wahlkampf zeigt, dass Christoph Darbellay und Philipp Müller die grössten
Medienliebling sind, gefolgt von Christian Levrat und Toni Brunner.34
Grafik 60
Quelle: www.20minuten.ch
Am häufigsten zitierte PolitikerInnen neben Mitgliedern des Bundesrates und
Parteipräsidenten sind solche, die ein auffälliges Eigenprofil haben. Oskar Freysinger von der SVP ist einer davon, aber auch Christoph Mörgeli und Thomas
Minder gehören dazu.
3.10.2 Glaubwürdigkeit der ParteipräsidentInnen
nach Aussen
Die höchste Glaubwürdigkeit bei den Wahlberechtigten insgesamt erlangt im
August 2015 der CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay (49%), gefolgt von
Christian Levrat (49%). Auf den Rängen drei und vier folgen Philipp Müller
(45%) und Toni Brunner (41%), wobei beim SVP-Parteipräsidenten am deutlichsten auch Misstrauensvoten im Raum stehen. Knapp mehr als ein Drittel
der Schweizer Wählerschaft attestiert Toni Brunner Unglaubwürdigkeit, den
nächsthöchsten Vergleichswert erreicht Christian Levrat. Mit 15 Prozent Un34
http://www.20min.ch/schweiz/news/story/10077938
74
glaubwürdigkeit bewegt er sich aber auf einem anderen Niveau. Auf dem letzten Rang der Glaubwürdigkeitsskala ist das Grüne Co-Präsidium zu finden. Bei
diesem wird die Glaubwürdigkeit zwar nicht grundlegend in Frage gestellt, es
mangelt vielmehr an Bekanntheit der beiden Präsidentinnen. Hauptgrund für
die Bekanntheit von ParteipräsidentInnen ist die Amtsdauer. Deshalb sind die
Werte für das Präsidium der GPS und der FDP tiefer. Dasselbe gilt augenscheinlich auch für die beiden Parteipräsidenten der neuen Mitte-Parteien GLP
und BDP. Martin Landolt und Martin Bäumle bewegen sich mit Anteilen 35
respektive 36 Prozent der Wahlberechtigten, die sie nicht kennen auf ähnlichem Niveau wie das GPS-Präsidium (39%). Punkto Glaubwürdigkeit schneiden
sie allerdings leicht besser ab, denn Martin Landolt und Martin Bäumle sind für
je 29 Prozent der Befragten glaubwürdig.
Grafik 61
Für die Trendbetrachtung verwenden wir Mittelwerte, was zu Folge hat, dass
nur noch Wertungen der Glaubwürdigkeit und nicht mehr Bekanntheitswerte
berücksichtigt werden. Dadurch verändert sich die Rangfolge leicht.
In der dynamischen Perspektive zeigt sich, dass für zwei Parteipräsidenten
klare Trends festgehalten werden können: Philipp Müller und Christian Levrat
gelang gegenüber den 2014 erhobenen Werten eine kontinuierliche Steigerung
ihrer Glaubwürdigkeit. Im Fall von Philipp Müller führte das dazu, dass er sich
von Christophe Darbellay abheben konnte, Christian Levrat dagegen hat sich
ihm angenähert. Erstmals liegen mit der aktuellen Welle des Wahlbarometers
Christian Levrat und der stabile Christophe Darbellay gleichauf auf dem zweiten
Rang. Beide Präsidenten neuen politischen Mitteparteien haben gegenüber der
zweiten Welle leicht an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Da wir jedoch für Martin
Landolt und Martin Bäumle lediglich über zwei Messpunkte verfügen, bleibt die
nächste Welle abzuwarten, um zu wissen, ob dieser Trend nachhaltig ist. So
oder so, halten sich Martin Bäumle und Martin Landolt auf den Rängen vier und
fünf und haben hierarchisch betrachtet nicht eingebüsst. Dicht dahinter folgt
das GPS-Co-Präsidium, das seit Anfang 2015 von einem Aufwärtstrend erfasst
wurde und sich zwischenzeitlich wieder auf dem Ausgangswert von 2014 landet. Das Schlusslicht bildet wie bisher Toni Brunner, der kurzfristig erstmals
wieder verliert und das am deutlichsten von allen Parteipräsidenten.
75
Grafik 62
Die erzielten Glaubwürdigkeitswerte der ParteipräsidentInnen ausserhalb ihrer
eigenen Wählerschaft, geben Aufschluss darüber, wie weit die Glaubwürdigkeit
der jeweiligen Person über das eigene Lager hinausreicht. Untenstehende Tabelle fasst die Kennzahlen hierzu zusammen.
Die höchste Glaubwürdigkeit erlangen alle ParteipräsidentInnen innerhalb der
Sympathisierenden ihrer jeweiligen Partei, was nicht überrascht. Am weitesten
über die eigene Wählerschaft hinaus verankert sind und bleiben Christophe
Darbellay und Christian Levrat, was ihr gutes Abschneiden insgesamt erklärt.
Immer mehr überzeugt auch Philipp Müller andere Wählergruppen als seine
eigene, allen übrigen Parteipräsidenten und Parteipräsidentinnen gelingt das
nicht.
Tabelle 15
Akzeptanz der Parteipräsidenten in Zielgruppen (in % glaubwürdig)
Präsident
Total
eigene Partei
gesicherte Mehrheit in anderen Parteien
C. Darbellay (CVP)
49
84
SP (62), GLP (52), BDP (63)
C. Levrat (SP)
49
80
GPS (64), GLP (62), CVP (63), BDP (59)
P. Müller (FDP)
45
70
GLP (50), CVP (56), BDP (57), SVP (54)
T. Brunner (SVP)
41
81
-
M. Landolt (BDP)
29
60
-
M. Bäumle (GLP)
29
65
-
A. Thorens/R. Rytz (GPS)
24
47
-
© SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015 (N = 2013)
Alle übrigen Parteipräsidien haben weniger Strahlkraft über das eigene Elektorat hinaus. Schwächen der Präsidien der neuen Mitte-Parteien BDP und GLP
aber auch bei jenem der GPS sind jedoch eher rund um den geringen Bekanntheitsgrad der PräsidentInnen zu verorten, denn ihre Glaubwürdigkeit ist grundsätzlich intakt.
76
3.10.3 Sprachregionale Eigenheiten
Nach Sprachregionen aufgeschlüsselt zeigt sich, dass die Parteipräsidenten
unterschiedlich beurteilt werden. Für die Romands sind die beiden Westschweizer Parteipräsidenten die glaubwürdigsten, gefolgt von Philipp Müller
und dem GPS-Präsidium. Toni Brunner belegt hier den letzten Rang.
Im Tessin führt Philipp Müller die Rangliste knapp vor Christophe Darbellay und
dem GPS-Präsidium an. Das GPS-Co-Präsidium schneidet im Tessin deutlich
besser ab als in den anderen beiden Sprachregionen und konnte sich dabei
auch steigern. Den letzten Platz belegt auch hier Toni Brunner.
In der Deutschschweiz führt Philipp Müller die Liste mit Abstand an. Hinter ihm
folgt neu Christian Levrat auf dem zweiten Rang. Er hat den drittplatzierten
Christophe Darbellay damit knapp überholt. Die Präsidenten der BDP und GLP
teilen sich den dritten Rang gefolgt von Regula Rytz auf dem vierten. Toni
Brunner folgt als letzter.
Grafik 63
Bemerkenswert ist, dass die TessinerInnen mit Ausnahme von Christian Levrat
bei allen ParteipräsidentInnen die besten Urteile abgeben.
77
3.10.4 Glaubwürdigkeit der ParteipräsidentInnen
nach Innen
Deutlich anders präsentiert sich das Bild, werden nur die Angaben der jeweiligen Parteiwählerschaften zu ihren Parteipräsidenten berücksichtigt: Zwar
schneidet auch so betrachtet, Christophe Darbellay mit 84 Prozent Glaubwürdigkeit am besten ab, direkt hinter ihm folgt jedoch auf dem zweiten Rang Toni
Brunner (81%) knapp vor Christian Levrat (80%). Somit ist das SVP-Elektorat
dem eigenen Parteipräsidenten weitaus wohlwollender gesinnt als die Gesamtheit der Wahlberechtigten. Christian Levrat und Christophe Darbellay
schneiden in beiden Betrachtungsweisen gut ab, denn sie gelten für klare
Mehrheiten ihrer Wählerschaft als glaubwürdig und für das weitere Elektorat
zumindest relativmehrheitlich.
Die Bekanntheitsschwächen der Parteispitzen von FDP und BDP sind weniger
verbreitet als jene der ökologischen Parteien, denn innerhalb des eigenen Elektorates sind Philipp Müller und Martin Landolt bekannt und werden auch weitgehend als glaubwürdig wahrgenommen (70% resp. 60%). Die Bekanntheitsschwächen der Parteispitzen der GLP und der GPS bestätigen sich allerdings
selbst innerhalb der eigenen Wählerschaft bei Anteilen plus minus einem Viertel, die Glaubwürdigkeit ist aber für beide Parteispitzen in den Augen ihrer WählerInnen intakt. Relativierend muss festgehalten werden, dass die Anteile 'kenne Person nicht' bei allen amtsjüngeren Parteipräsidien im abnehmen begriffen
sind.
Grafik 64
Die Glaubwürdigkeitswerte unterliegen innerhalb der eigenen Parteiwählerschaft stärkeren Fluktuationen als in der Gesamtheit der Schweizer Wählerschaft. Sieht man von der Bekanntheit ab, schneidet Martin Landolt innerhalb
der eignen Wählerschaft am besten ab. Er hat im Vergleich zum Juni 2015
mächtig zugelegt, und zwar in demselben Ausmass (+0.7) wie Martin Bäumle,
der aktuell zusammen mit Toni Brunner den dritten Rang der innerparteilichen
Glaubwürdigkeit belegt. Der zweite Rang gehört dem stabilen Präsidenten der
SP.
78
Grafik 65
Eindrücklich war die bisherige Entwicklung der Glaubwürdigkeitseinschätzungen des Parteipräsidenten der FDP: Innerhalb seiner eigenen Wählerschaft
konnte er diese klar ausbauen. Der bisherige, steile Aufwärtstrend riss mit den
jüngsten Zahlen allerdings erstmals ab. Die Beurteilungen von Christophe Darbellay dagegen erholen sich nach einem kurzfristigen Tief im Juni 2015 wieder.
Er landet gleichauf mit Philipp Müller auf dem vierten Rang. Davor führte er das
Feld allerdings zwischenzeitlich an und muss daher eher zu den Verlierern gezählt werden. Dasselbe muss für das Grüne Co-Präsidium festgehalten werden.
Seit dem Frühjahr 2015 folgen die Glaubwürdigkeitswerte der beiden Frauen
einem deutlichen Abwärtstrend, davor führten sie das Feld zweimal in Folge an.
3.10.5 Zwischenbilanz
ParteipräsidentInnen sind vor allem nach innen wichtig. Bei Polparteien ist das
noch verstärkt der Fall, in der Mitte etwas erschwert. Dennoch gilt: Alle drei
Parteipräsidenten, die bis 2008 in ihr Amt gewählt wurden, kennen innerparteilich eine breite Abstützung. Bei ParteipräsidentInnen, die erst kurze Zeit im Amt
sind, liegen die Werte für die Unterstützung in der Partei tiefer. Das hat seinen
Grund weniger in einer grösseren Opposition als in einer geringeren Bekanntheit.
Nach innen konnten sich jene Parteipräsidenten am besten profilieren, die nach
aussen verloren haben. Das gilt zumindest für Martin Bäumle und Martin Landolt. Toni Brunner nämlich verliert nach innen und nach aussen an Glaubwürdigkeit. Das GPS-Präsidium steigert sich nach aussen, verliert aber gegen Innen. Der SP-Präsident konnte seine Glaubwürdigkeit nach Aussen festigen, bei
der eigenen Wählerschaft hält er sich stabil. Philipp Müller gelang die Profilierung punkto Glaubwürdigkeit nach innen und nach aussen. Christoph Darbellay
hält sich nach aussen stabil, bei der eigenen Wählerschaft aber schwanken die
Werte.
Ein überparteiliches Glaubwürdigkeitsprofil haben Christophe Darbellay, Christian Levrat und zwischenzeitlich auch Philipp Müller. Toni Brunner polarisiert bei
den meisten anderen Wählerschaften zu stark. Die Co-Präsidentinnen der GPS
sowie die Präsidenten der GLP und der BDP sind nach aussen wenig bekannt.
79
3.11 Bester Wahlkampf
Medieninhaltsanalysen bestätigen es regelmässig: Massenmedien berichten
kritisch über Wahlkämpfe. Das gilt auch diesmal. Nur über die Strategien und
die Kampagne der FDP wird mehrheitlich Positives geschrieben. Aussagen zu
den Kampagnen der SP und CVP sind insgesamt neutral. Derweil sind Darstellungen zur GPS, GLP, BDP und SVP mehrheitlich negativ.
Grafik 66
3.11.1 Bewertungen der Wahlwilligen
Das Ende der Sommerferien in der Schweiz kann als Startschuss für die eigentliche Hauptwahlkampfphase angesehen werden. Die Parteien sind zwischenzeitlich personell, thematisch und organisatorisch aufgestellt und damit in den
Startlöchern für die Endphase. Wer macht aus Sicht der Wahlberechtigten den
besten und wer den zweitbesten Wahlkampf? Diese Frage stellt sich am Ende
der Analysen zum Stand der Meinungsbildung.
Trotz sich langsam breitmachender Wahlkampfstimmung antworten nach wie
vor die meisten Befragten mit "weiss nicht" auf die Frage nach dem besten
Wahlkampf. Erst dahinter folgt die SVP, die aus Sicht von 23 Prozent der Wahlberechtigten den besten Wahlkampf betreibt. Dahinter folgt die FDP gleichauf
mit Nennungen keiner Partei (13%). Die SP macht für sieben Prozent den besten Wahlkampf, die CVP für 3 Prozent und die GPS für zwei Prozent. Die GLP
und die BDP scheinen neben den grösseren Parteien etwas unterzugehen und
werden nur selten bis gar nicht genannt (BDP: 0%, GLP: 1%).
In der dynamischen Perspektive zeigt sich, dass die SVP gegenüber den 2014
erhobenen Werten etwas eingebüsst hat, die FDP dagegen eher gewonnen
und die CVP kurzfristig leicht verloren hat. Alle anderen Parteien werden stabil
eingeschätzt.
80
Grafik 67
In zweiter Linie wird häufigsten die FDP genannt, gefolgt von der SVP und SP.
Während aber die FDP auch in der Frage nach dem zweitbesten Wahlkampf
tendenziell Boden gutmacht und der SVP gleiches gelingt, verliert die SP tendenziell. Das gilt auch für die viertplatzierte CVP. Die kleineren Parteien halten
sich auf den hinteren Rängen stabil.
Grafik 68
81
3.11.2 Sprachregionale Eigenheiten
Die Bewertungen der Wahlkämpfe fallen in den Sprachregionen weiterhin signifikant unterschiedlich aus, die Verhältnisse gleichen sich aber immer mehr an.
In der Deutschschweiz wird der Wahlkampf der SVP mit Abstand als bester
bewertet, gefolgt von jenem der FDP und der SP.
Französischsprachige Wahlberechtigte mit fester Teilnahmeabsicht votieren
ebenfalls am häufigsten zugunsten des SVP-Wahlkampfes, Rang zwei gehört
neu auch dort der FDP, die damit die SP hinter sich gelassen hat.
Im Tessin punktet primär die Lega mit ihrem Wahlkampf, denn als besten
Wahlkampf beschreiben TessinerInnen jenen der "anderen Parteien", gefolgt
von jenem der SVP und der FDP. Teilte sich die FDP diesen dritten Rang noch
im Juni mit der CVP, hat die FDP diese zwischenzeitlich hinter sich gelassen
und ist damit in allen drei Sprachregionen mit ihrem Wahlkampf angekommen.
Grafik 69
82
3.11.3 Wirkungen auf die Parteiwählerschaften
Selbstredend ist, dass die meisten Parteiwählerschaften den Wahlkampf ihrer
eigenen Partei als besten oder aber wenigstens zweitbesten bezeichnen. Das
ist bei 61 Prozent der SVP-Wählenden so, bei 44 Prozent der FDP-Wählenden,
bei 22 Prozent der CVP-Wählenden, bei 30 Prozent der SP-Wählenden und bei
22 Prozent der GPS-Wählenden. Einzig bei den BDP- und GLP-Wählenden liegt
der Wahlkampf der eignen Partei nicht zuvorderst. Bei der BDP finden 14 Prozent die FDP sei Spitze und 9 Prozent geben die eigene Partei an. GLPWählende befinden die Wahlkämpfe der SVP (28%) und der FDP (11%) für
besser als den eigenen (8%).
Grafik 70
Die Trendbetrachtung der addierten Nennungen des besten und des zweitbesten Wahlkampfes legt nahe, dass die Wählerschaften der SVP und der FDP
bereits früh von den Wahlkampfaktivitäten ihrer jeweiligen Partei überzeugt
gewesen sind, denn es findet sich nur wenig Bewegung in deren Einschätzungen.
Die SVP hat sich aus Sicht ihrer WählerInnen mit den jüngsten erhobenen Werten leicht gesteigert, die FPD hat verglichen mit März 2015 minim an Schwung
eingebüsst. Das gilt auch für die SP, während die Werte der CVP schwanken.
Nach einem Hoch im Juni 2015 überzeugt der CVP-Wahlkampf die eigene Wählerschaft aktuell weniger. Ganz ähnlich sieht die Situation bei der GPS aus, wobei hier noch nie eine Mehrheit gefunden werden konnte, die den eigenen
Wahlkampf als den besten beschreibt. Der jüngste gemessene Wert entspricht
jedoch dem tiefsten, der seit Anfang 2015 gemessenen Werte. Imposant ist
die Entwicklung der BDP, die aus Sicht ihrer Wählerschaft eindeutig in Fahrt
gekommen ist und sich vom Schlussrang ins Mittelfeld entwickelt hat. Die
Werte der GLP schwanken stark. Im Juni 2016 schien sie aus Sicht ihrer WählerInnen von einem Formtief erfasst gewesen zu sein, das sie aber überwunden zu haben scheint.
83
Grafik 71
3.11.4 Zwischenbilanz
Für die Wahlberechtigten macht die SVP den besten Wahlkampf, gefolgt von
FDP und SP. Während kurzfristig alle Parteien ausser der BDP kleinere Einbussen zu verzeichnen haben, gilt gerade das Gegenteil für die FDP. Die Wahlberechtigten SchweizerInnen schätzen den FDP-Wahlkampf als einzigen besser
ein, als noch im Juni 2015. Diese Partei scheint damit definitiv vom Wahlkampf
erfasst und konnte diesen Eindruck auch wirksam transportieren. Sie bleibt
aber trotz Aufwind hinter der SVP zurück.
Selbstredend beurteilen alle Parteiwählerschaften den eigenen Wahlkampf
besser als den anderer Parteien. Nur bei der BDP und der GLP ist das nicht der
Fall. BDP-Wählende orientieren sich eher am Wahlkampf der FDP-, GLPWählende an jenem der SVP. Aus Sicht der eigenen Wählerschaft allerdings
macht die BDP mit ihrem Wahlkampf eindeutig Boden gut und er wird häufig
als der zweitbeste genannt. Das ist bei der GLP weniger der Fall.
84
4
Was sich auf die Wahlabsichten auswirkt
4.1
Übersicht über die Wirkungsfaktoren
Ausgangspunkt des letzten Analysekapitels ist kein Ergebnis, sondern ein Modell. Dieses wurde in der Wahlforschung entwickelt, um die Hintergründe von
Parteien systematisch untersuchen zu können. Bekannt ist es als Trichtermodell von Russell J. Dalton, das verschiedene theoretische Zugänge kombiniert.
Empirische Studien hierzu kann man in zwei Kategorien teilen: solche, die explizit mit der Parteibindung arbeiten und solche, die das nur implizit machen.
Wenn man Wahlabsichten unter anderem mit der Parteibindung erklären will,
rangiert diese stets an erster Stelle. Das hat entsprechenden Studien auch den
Vorwurf eingetragen, tautologisch zu sein. Denn Parteibindungen beeinflussen
Wahlabsichten und Wahlabsichten beeinflussen Parteibindungen. Entsprechend verzichten wir im Wahlbarometer darauf, und messen Parteibindungen
nur implizit mit Grundhaltungen zu Parteien.
Für die Analyse von Schweizer Wahlen haben wir das allgemeine Modell weiter
adaptiert. Untenstehende Grafik gibt die Übersicht. Unser Bericht wurde entsprechend aufgebaut. Zuerst haben wir das beabsichtigte Wahlverhalten als
Teilnahme- und Entscheidungsabsicht beschrieben, dann das soziologische
Profil der Parteien, die relevanten Prädispositionen, die Themen- und Personenorientierung und zu guter Letzt den bisherigen Wahlkampf.
Grafik 72
Neues Wahlmodell gfs.bern
Sozial-psychologische
Modelle
Rational Choice
Modelle
Kampagne
Links/Rechts-Position
Kandidaten-orientierung
Werthaltungen
Taktik, Macht-überlegungen
Themen-orientierung
Wahlkampf, Ereignisse,
Image
WahlVerhalten
Regierungs-vertrauen
© gfs.bern
Statistisch gesehen lassen sich die Zusammenhänge formalisieren. Eingesetzt
wird hierfür die multivariate Regressionsanalyse, welche die Zusammenhänge
zwischen einer abhängigen Variable (Parteistärke) und einer Reihe unabhängiger gleichzeitig bestimmt. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass die
85
Einflüsse gleichzeitig geschätzt werden, das heisst denkbare Mehrfacheinflüsse gegeneinander abgegrenzt werden.
Die Übersicht der Befunde findet sich in der nachfolgenden Tabelle, die sich
wie folgt liest: In der ersten Spalte sind die Indikatoren, die in die Analyse miteinbezogen worden sind, in den Spalten danach folgen die Angaben zur Wichtigkeit für die Parteien. Wenn in einer Parteispalte nichts steht, heisst das, der
Indikator trägt nichts Eigenständiges zur Klärung der Parteiwahl bei. Um nicht
missverstanden zu werden: Das heisst nicht, dass es keinen Zusammenhang
gibt, sondern nur, dass der Zusammenhang durch einen der anderen Indikatoren gleich gut oder besser erklärt wird. Wenn also etwas steht, handelt es sich
um Einflussgrössen, die bei der Partei wirken, und zwar in der Reihenfolge wie
sie mit Nummern aufgeführt sind.
Die finale Information findet sich in der untersten Zeile. Demnach können wir
die Wahl der SVP am besten erklären. 66 Prozent der Entscheidungen lassen
sich mit einem der 17 aufgeführten Indikatoren statistisch signifikant herleiten.
Das Modell funktioniert auch bei der SP recht gut. Hier können wir 49 Prozent
der Wahlentscheidungen erklären. Bei der GPS kommen wir auf 48 Prozent.
Geringer sind die Effekte bei den anderen Parteien. Die FDP liegt dabei mit 29
Prozent noch vorne, die GLP und die BDP mit 18 Prozent ganz hinten. Modifikationen am Modell speziell für kleine Parteien im Zentrum helfen zwar, die Güte
zu verbessern; die Erklärungskraft bleibt aber klar unterdurchschnittlich.
Wenn unser Modell nicht vollständig ist, hat das mit weiteren parteispezifischen Faktoren zu tun, die wir in der Übersicht nicht untersuchen können. Dazu
zählen kantonale Eigenheiten, aber auch die Bindung an KandidatInnen, die wir
hier nicht untersuchen können. Immerhin, alles was über 0.3 ist, gilt bei Repräsentativ-Befragungen mit über 1000 Teilnehmenden als gut.
4.2
Ergebnisse zu den Wirkungsfaktoren
nach Parteien
SVP-Wahl: Wer SVP wählen will, macht das am wahrscheinlichsten wegen des
Programms. Das überrascht so weit nicht, denn die Partei beherrscht wie keine
andere, die kommenden Probleme zu thematisieren und entsprechende Forderungen zu stellen. Allerdings, die SVP darf aufgrund der Wählerpräferenzen
nicht auf ein Thema reduziert werden. Migrationsfragen sind ihr Kerngebiet mit
Ausstrahlung, zeigen aber verschiedenste Schattierungen. In unserer jüngsten
Erhebung kommt die etwas umfassendere Sicht auf die Partei darin zum Ausdruck, dass die zugeschriebenen Themenkompetenzen in der Sozialpolitik, zur
Wirtschaftsentwicklung sowie in der Europa- und der Migrationsfrage für Teile
der aktuell denkbaren Wählerschaft entscheidend sind.
Zweiter Faktor, der zur Wahl der SVP beiträgt, ist der Wahlkampf. Dieser zeichnet sich in aller Regel dadurch aus, dass er nicht trennscharf beginnt und endet,
vielmehr ein langgezogenes Campaigning bevorzugt wird, das sich je nach Umständen einem neuen Thema annimmt. Dieses wirkt, weil es positive Meinungen zur Partei langfristig aufzubauen hilft, bei bestimmten Zielgruppen im Umfeld von Wahlen punktuelle Bezüge zur Partei zu einer Wahlabsicht formiert
und Abwanderungen an andere Parteien meist nur gering vorkommen. Das gilt
auch diesmal, wie die Potenzialschätzungen und die Mobilisierungsfähigkeit
beweisen, denn die Partei kennt in beiderlei Hinsicht Spitzenwerte. Im Vorfeld
dieser Befragung spitzte die Partei das geschickt auf zwei Fragen zu, nämlich
auf Fragen des Asylwesens und der Bundesratsvertretung. Möglich wurde das
nur, weil sich die Partei langfristig neu ausgerichtet und positioniert hat. Unsere
Analyse zeigt, dass sich die SVP mit ihrer klaren Position im rechten politischen
Spektrum empfehlen kann. Die Frage nach der Abkapselung ist diesmal nicht
signifikant; sie kommt aber im starken Misstrauen gegenüber dem Bundesrat
indirekt zum Ausdruck. In diesem Kontext sind auch Personenfragen von Be86
lang, speziell am Beispiel der Identifikation mit dem Parteipräsidenten. Angesichts dieses geschärften Profils kann die SVP 2015 mit Stimmengewinnen
rechnen.
FDP-Wahl: Auch bei der FDP ist das Programm von Bedeutung. Dabei geht es
weniger um eine umfassende liberale Sicht, vielmehr um einige Positionen. Die
Kritik an der Energiewende zählt hierzu, aber auch die Sorge um die Wirtschaftsentwicklung und Positionen in der Migrationsfrage. Werte spielen bei
der FDP eine beschränkte Rolle. Sie kann am klarsten materialistische Präferenz in der Wählerschaft abholen und sich damit als Partei des klassischen Erfolgsmodells der Schweiz profilieren. Gleich bedeutsam wie die Themen und
Werte ist bei der FDP, dass die gute Stimmung nach Innen zurückgekehrt ist.
Weltanschaulich kann sich die FDP mit ihrer rechtsliberalen Position empfehlen, aber auch mit ihrer grundsätzlich positiven Auffassung des Staates. Anders
als in vielen journalistischen Artikeln zeigte unsere Untersuchung diesmal keinen spezifischen Effekt durch den neuen Parteipräsidenten. Im Vergleich zu
früheren Analysen dieser Art fällt auf, dass die Themenprofilierung der Partei
genützt hat und dass sie gelernt hat, nach Innen positiv zu wirken. Beides hat
die Ausgangslage für die Wahlen 2015 verbessert. Wie wir bei der Mobilisierungsfähigkeit betont haben, wäre sogar einiges mehr möglich.
SP-Wahl: Bei der SP entscheidet zunächst ebenso das Programm. Im aktuellen
Kontext kann sich die Partei mit wirtschafts- und sozialpolitischen Aussagen
von den anderen Parteien abgrenzen. Steuerfragen, welche die SP mit ihrer
jüngsten Initiative thematisieren wollte, spielen aber keine eigenständige Rolle.
Vielmehr kann sie am Rand mit ihren Positionen in der Migrationspolitik punkten. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen kommt diesmal das "Sozialdemokratische" im Programm wieder besser zum Ausdruck. Denn die Umwelt
und Energiepolitik der SP ist für den Wahlentscheid nicht entscheidend. Es
folgen der Wahlkampf, die weltanschauliche Positionierung und der Parteipräsident als weitere Determinanten der Wahlentscheidung. Speziell erwähnt sei,
dass hier die Öffnung gegenüber dem Ausland als Wert von Bedeutung bleibt,
während spezifische Aussagen in EU-Fragen keine Wirkungen mehr erzielen.
Mit diesem Profil kann die SP nicht mit Sicherheit auf WählerInnen-Gewinne
zählen; sie kann aber ihre Position im Parteienspektrum halten.
CVP-Wahl: Die Struktur der Bestimmungsgründe bei der CVP geht ebenfalls
vom Programm aus. Nach Innen wirken die Positionen in Fragen der Bilateralen, der Arbeitsbeschaffung, der Migration und der Familie. Die verlorene
Volksabstimmung im Frühling des Wahljahres tut dem bei der eigenen Wählerschaft keinen Abbruch. Es folgen die Stimmung im Wahlkampf, die gut ist, und
das Image des Parteipräsidenten. Neu ist, dass sich die CVP nicht nur aufgrund
ihrer Mitte-Position empfehlen kann, sondern auch mit einem bürgerlichen
Profil. Anders als in der Parlamentsarbeit ist die vermittelnde Rolle, etwa bei
der Energiewende, in der Wählerschaft nicht von entscheidender Bedeutung.
Mit dem so gefestigten Profil kann die Partei aber nicht neue WählerInnen gewinnen, im besten Fall die bestehenden halten.
GPS-Wahl: Die GPS wird gewählt, weil sie Ökologie und Soziales verbindet.
Geschätzt wird ihre Sozial-, Energie- und Umweltpolitik. Dabei sind heute die
konkreten Aussagen wichtiger als die damit verbundenen Werte. Hinzu kommen der Wahlkampf, die linke Position und das Parteipräsidium. Anders als bei
der SP sind Wirtschaftsfragen weniger wichtig, und auch die Öffnungspolitik
zieht hier nicht im gleichen Masse. Hier gilt, wie bei der CVP: Halten der bisherigen Wählerschaft ist das Ziel, das es anzustreben gilt.
GLP-Wahl: Die Wahl der GLP leitet sich aus deren Umwelt- und Bildungspolitik
ab. Wirtschaftsfragen sind kein eigenständiger Faktor, der wirkt. Die Energiewende, Gegenstand der eigenen Volksinitiative, die im Frühling abgelehnt wurde, ist kaum mehr ein Profilierungsthema für die Partei. Es folgen der eigene
Wahlkampf und der Parteipräsident. Letzterer ist eher wichtiger als bei den
meisten anderen Parteien. Vor allem die Vermittlungsfähigkeit zwischen den
Lagern wird intern geschätzt. Wertfragen sind dagegen irrelevant.
87
BDP-Wahl: Als einzige der Parteien erscheinen bei der BDP keine programmatischen Aussagen bei den relevanten Wahlgründen. Das ist wohl das Schicksal
einer jeden Mitte-Partei, namentlich einer jungen. Gewählt wird sie, weil sie
einen gefälligen Wahlkampf macht, der nach innen wirkt und, weil der Parteipräsident ihr Dreh- und Angelpunkt ist. Geschätzt wird darüber hinaus eine
vermittelnde Position auf bürgerlicher Basis.
Tabelle 16
Regression Parteiwahl nach Indikatoren
Indikatoren
GPS
SP
GLP
CVP
BDP
FDP
SVP
4
5
Themenkompetenzen
6
Migration
4
1
EU & Europa
AHV/soziale Sicherheit
1
Umwelt
4
1
5
Arbeitslosigkeit
3
3
2
2
Krankenkasse/Gesundheitswesen
Energiewende/Kernenergie
2
1
1
Wirtschaftsentwicklung
3
2
2
4
1
Schulen, Bildung, Forschung
2
Familie
5
Wahlkampf
bester Wahlkampf
4
3
3
3
1
6
9
4
6
2
Personenidentifikation
ParteipräsidentIn
7
Prädispositionen
8
(Öffnen)
Werthaltung:
Öffnen/Verschliessen
7
(Ökonomie)
Werthaltung:
Ökologie/Ökonomie
Werthaltung:
Eigenverantwortung/
Gemeinschaftsverantwortung
links/rechts
5
(links)
7
(links)
7
3
(rechts) (rechts)
6
(rechts)
5
8
(Vertrauen) (Misstrauen)
Regierungsvertrauen/-misstrauen
Gesamterklärung (R2)
6
(rechts)
0.48
0.49
0.18
0.27
0.18
0.29
0.66
Lesebeispiel: Die obenstehende Tabelle zeigt auf, welche Erklärungsansätze für die Wahl einer Partei signifikant sind, und zwar in
der multivariaten Analyse. Diese schätzt die Wirkungen eines Ansatzes unter Berücksichtigung aller anderen.
 SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015 (n = 1316)
Was bleibt? In der Regel sind die erkennbaren programmatischen Aussagen
der wichtigste Grund, warum man eine Partei wählt. Anders als bei den Ausführungen zum Kompetenzprofil, das stark am Parteiimage ausgerichtet ist, ist
die Breite der programmatischen Aussagen mindestens bei den grösseren
Parteien höher und sie wirkt differenzierter. Generell wichtig ist zudem, dass
der eigene Wahlkampf gut ankommt. Bei BDP und FDP ist das gar entscheidend, bei den anderen ähnlich wichtig wie das Programm. Dahinter folgen
meist Grundhaltungen und das Parteipräsidium.
Bestätigt wird damit, dass es nicht einfach eine Determinante der Wahlentscheidungen gibt. Dies gilt insbesondere, wenn man auf das Konzept der Parteibindung verzichtet. Vielmehr wirkt, wie die Wahlforschung betont, eine
88
Kombination aus Orientierungen an Themen, Kampagnen, Personen und Werten, wobei der Mix von Partei zu Partei, aber auch über die Zeit variieren kann.
4.3
Zwischenbilanz
Antworten in Befragungen zu Wahlabsichten fallen insgesamt nicht beliebig
aus; vielmehr haben sie eine Systematik. Prädispositionen gegenüber Werten,
Themen und Personen, die sich im Wahlkampf konkretisieren lassen, sind entscheidend. Entsprechend macht es Sinn, Parteipräferenzen vor Wahlen auch
modellartig zu untersuchen. Unsere Ergebnisse hierzu zeigen wiederholt vergleichbare Effekte. Dazu gehören:

Polparteien lassen sich mit dem Trichtermodell besser erklären als Zentrumsparteien.

Grosse Parteien lassen sich besser erklären als kleine.

Am besten erklärbar ist die SVP, am schlechtesten sind es kleine Parteien in der Mitte.
Dies lässt vermuten, dass die Wahl einer Partei, insbesondere einer grossen
und profilierten Partei auch in der Schweiz zuerst programmatisch erklärt werden kann. Parteikampagnen bleiben aber wichtig, denn sie sind für eine gute
Stimmung an der Basis notwendig, und dies ist Voraussetzung für die Mobilisierung. Nach Innen wirken die Parteikampagnen mittels Stimmungslage und
Personenidentifikation durchaus. Nach Aussen ist die Wirkung unterschiedlich
zu beurteilen. Da sind die thematischen Positionierungen das Entscheidende.
Bisher gelungen ist dies der SVP, SP und FDP, im Grenzbereich befinden sich
die GPS, CVP und GLP. Dagegen sehen wir keinen Anlass, auch bei der BDP
ein Alleinstellungsmerkmal zu identifizieren.
89
5
Synthese
Für die Suche nach einer übergeordneten Antwort haben wir aufgrund der Theorien der Wahlforschung, sofern für die Schweiz von Belang, drei Szenarien
formuliert:

die Fortsetzung des Trends von 2011,

die erneute Polarisierung des Parteienspektrums und

der Rechtsrutsch.
Nimmt man die Hauptaussage aus der aktuellen Wahlbarometer-Befragung ist
das erste Szenario unwahrscheinlich. Namentlich BDP und GLP werden elektoral nicht im bisherigen Masse wachsen können. Halten ist das oberste Ziel,
das nicht einmal gesichert werden kann. Gleichzeitig machte das Wahlbarometer seit Herbst 2014 klar, dass die grösseren Parteien nicht, wie dies 2011 der
Fall war, allesamt WählerInnen verlieren werden. Heute erscheint das bei der
CVP möglich, bei der FDP unwahrscheinlich, wie bei der SVP neuerdings auch.
Halten dürfte sich die SP, bei allfällig leichten Gewinnen, wahrscheinlich kompensiert durch entsprechende Verluste bei der GPS.
Der Titel zum vorliegenden Bericht lautet denn auch "Rechtsrutsch, bei schwächelnder Mitte". Etwas differenzierter könnte man sagen, es finde eine weitere
Polarisierung der Wählerschaft statt, wobei die rechten Parteien mehr davon
haben als die linken. Wenn dem so bleibt, gilt das dritte Szenario, allenfalls
durchmischt mit dem zweiten.
Grafik 73
Vor allem in der langfristigen Perspektive beeindruckend ist die Polarisierung
der Wählerschaft. Die SVP bewegte sich auf der 10er Skala rund einen Punkt
nach rechts, die SP und die GPS je einen halben nach links. Vergleichsweise
wenig geändert hat sich bei CVP und FDP, wobei die FDP dauerhafter etwas
rechts der CVP stand, und dies auch heute knapp so ist. Indes, die Differenz zur
SVP ist elektoral grösser denn je.
90
Theoretisch gesprochen orientieren sich Schweizer Wahlen nicht an den zentripetalen Kräften, die auf die Mitte zielen, sondern an den zentrifugalen, die von
den Rändern ausgehen. Was den Klassikern der Wahlforschung unwahrscheinlich erschien, ist für das 21. Jahrhundert manchenorts typisch geworden. Ausgangspunkt bildeten die amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Jahre
2000, als die Republikaner erstmals nicht den Medianwähler ansprachen, sondern die Opposition rechts mobilisierten. Geändert wurde damit die zentrale
Logik, nach der grosse Gewinne nicht im politischen Zentrum zu machen sind,
wenn die Wahlbeteiligung tief ist, sondern via Remobilisierung der verlorenen
Wählerschaften an den Rändern. Natürliche Folge dieser Entwicklung ist, dass
die Wählerschaft polarisiert wird, und die Wahlsiege auch mit klar abgegrenzten
politischen Positionen möglich werden. Für die Frage der Gewichtung politischer Pole ist es allerdings von entscheidender Bedeutung, ob die mobilisierbaren Potenziale links und rechts der Mitte gleich gross sind. Genau das interessiert uns in dieser Synthese der Befunde, die wir erarbeitet haben. Diese rekapitulieren wir kurz anhand der drei konstant gehaltenen Forschungsfragen für
das Wahlbarometer.
1. Wer will wen wählen?
Gemäss Wahlbarometer bleibt 2015 die SVP die stärkste Partei. Auch sonst
wird sich aller Voraussicht nach nichts Entscheidendes an der Reihenfolge in
der Wählergunst ändern. Zunehmend variabel erscheinen in unserer Befragungsreihe die Parteistärken. Zulegen dürfte die FDP, und neuerdings sind
auch Gewinne für die SVP möglich. Stabil bleiben oder leicht stärker werden
dürfte die SP, während sich kleinere Wählerverluste für BDP, CVP, GLP und
GPS anzeichnen.
Direkte Wählerbewegungen sind von bisherigen NichtwählerInnen zu SVP, SP
und FDP zu verzeichnen.
Attraktivste Partei für WechselwählerInnen ist die FDP, sie gewinnt ehemalige
WählerInnen der BDP und der GLP. Links gewinnt die SP auf Kosten der GPS,
verliert allerdings schwach an die GLP. Allen Zentrumsparteien fällt es schwer
die bisherige Wählerschaft zu halten.
Die wichtigste Polarisierung der Wahlabsichten findet im Stadt/Land-Spektrum
statt. Wichtigste Wählerbasis des linken Pols bleiben die grossen Agglomerationen, während der rechte Pol nirgends so stark ist wie auf dem Land. Zwar
konnte sich die SVP konnte sich nach der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative auch in den grossen Agglomerationen empfehlen. Sie
sieht sich aber auf dem Land namentlich von der FDP konkurrenziert.
Damit teilweise verbunden ist die schichtmässige Herkunft der Wählerschaften. Je tiefer diese ist, desto eher gehen sie nach rechts, je höher, desto eher
verändern sie sich nach links. In beide Richtungen stark polarisiert sind mittleren Einkommensklassen. Bei den tiefsten Einkommen stellen wir keinen ausgeprägten Trend zur SVP mehr fest, eher hin zur FDP und SP.
91
2. Wer will sich an den Wahlen beteiligen?
Beteiligungsbereit sind heute 50 von 100 Wahlberechtigten. In höheren Bildungsschichten und Altersklassen ergeben sich höhere Werte. Vor allem bei
einer mittleren Bildung und jüngerem Alter sind die Teilnahmeabsichten aber
geringer.
Zeitlich gesehen stieg die Teilnahmebereitschaft in der laufenden Legislatur
stets ein bisschen an. Hauptgrund hierfür ist die Polarisierung in den Debatten,
die sich auf die Positionen der Wählenden und der Parteien auswirken. Kurzfristig besser mobilisiert wurden vor allem misstrauische BürgerInnen.
Ihre kurzfristig denkbaren Potenziale können SVP, SP und CVP gleich gut mobilisieren. Würde es der FDP gelingen, ihre vergleichsweise mittlere Mobilisierungskraft zu verbessern, könnte sie noch besser abschneiden. Die Möglichkeiten der Mitte-Parteien bleiben aber beschränkt, weil ihre Potenziale nicht
wachsen, eher schrumpfen. Das gilt speziell für CVP und BDP. Letztere kann
drohende Verluste in der Wählerstärke durch eine gute innere Mobilisierung
etwas kompensieren. Das ist bei beiden grünen Parteien hingegen nicht der
Fall, so dass sich deren Mobilisierung im Wahljahr insgesamt verschlechtert
hat.
3. Was sind die zentralen Wahlgründe?
Thematische Profilierung ist für die Ansprache von Wählenden von wachsender
Bedeutung. Das gelingt Parteien mit klarer Ausrichtung besser als solchen im
Zentrum und es gelingt grösseren besser als für kleineren.
Profilierte Parteien haben in aller Regel ein Leadthema. Bei der SVP ist es die
Migrationsfrage, bei der SP die soziale Sicherheit, bei der GPS die Umweltthematik und bei FDP und CVP sind dies am ehesten die Bilateralen.
Bürgerseitig haben sich Migrationsfragen dauerhaft an der Spitze der zu lösenden Probleme etabliert. Das gilt auch für 2015 mit der Aktualität der Asylfrage.
Erste Partei für ThemenwählerInnen ist in dieser Frage die SVP. Allerdings steiget gerade in der Migrationsfrage der Wunsch nach überparteilichen Lösungsvorschlägen.
Generell gilt, dass Parteien, die mit Themen gewinnen wollen, mehrere Angebote brauchen. Die SVP gewinnt ThemenwählerInnen auch mit ihrer Position
zur Sozial- und Wirtschaftspolitik, die SP kann sich ebenso mit Wirtschaftsfragen empfehlen. Für die FDP entscheidend ist, dass sich die Wahrerin des ökonomisch ausgerichteten Erfolgsmodells der Schweiz. Mittlere und kleinere
Parteien kennen diese Mehrspurigkeit meist nicht.
Themen als Wahlgründe sind im heutigen Umfeld meist wichtiger als Kampagnen und herausgehobene Personen. Hauptgrund hierfür ist, das letztlich alle
Parteiwählerschaften ihre ParteipräsidentInnen positiv beurteilen, ebenso die
eigene Kampagne schätzen.
Die besten Noten gibt die Parteiwählerschaft der SVP für ihren Wahlkampf
gefolgt von der FDP. Einiges dahinter folgen die Beurteilungen der Wahlkämpfe
von SP und GPS, deren WählerInnen zu wenig von der Wahlkamgane ihrer
Mutterpartei erfasst sind respektive nicht durchwegs überzeugt sind davon.
Auffällig ist, dass die positive Wahrnehmung und Bewertung von Parteikampagne vor allem dort gut ausfällt, wo es eine werberisch aufwendige Vorkampagne gab.
92
5.1
Die bisherige Rahmung der Wahl 2015
An der Einschätzung, dass das Parteiensystem Schweiz längerfristig von einem
gemässigten zum polarisierten Pluralismus mutiert, dürfte sich auch mit dem
aktuellen Wahlbarometer nicht ändern. Es bleibt jedoch die in der Einleitung
skizzierte Ambivalenz, die Adrian Vatter wie folgt umschreibt:
"Das Schweizer Parteiensystem kann mindestens für den kurzen Zeitraum des
Jahres 2008 nach dem Austritt der SVP aus dem Bundesrat und der von ihr
angekündigten Fundamentalopposition vorübergehend dem Typ eines polarisierten Pluralismus zugeteilt werden. Nach dem Wiedereintritt der SVP in die
Regierung entspricht die Schweiz heute wohl am ehesten einem Mischtyp mit
starken Zügen eines polarisierten Pluralismus, allerdings ohne dessen Haupteigenschaft eine eindeutigen antisystemischen Fundamentalopposition, dafür
einer grossen Regierungskoalition und zwei starken Polparteien.".
In Kenntnis des vorliegenden Wahlbarometers kann festgehalten werden, dass
die Polarisierung vor allem aufgrund der zentralen Herausforderung hoch ist
und nicht abgenommen hat. Die regierenden Parteien sind sich namentlich im
Verhältnis von Bilateralen und Masseneinwanderungsinitiative nicht einig. Etwas moderater fällt die Bilanz zur SVP beim politischen Stil aus. Zwar hat sie
ihre Kommunikation schrittweise Richtung Rechtspopulismus verändert, in
ihrer Programmatik bleibt sie aber eher eine national-konservative Partei, denn
eine rechtspolitische. Schliesslich sei auf die Regierungsbeteiligung verwiesen.
Das spricht gegen eine Fundamentalopposition der SVP und verlangt nur randständig einen Systemwechsel mit dem Übergang zur Volkswahl des Bundesrats oder einer klaren Unterscheidung zwischen Regierung und Opposition.
Vielmehr ist die SVP bestrebt, ihre Stärke in den Regierungen zu erhöhen, wobei auf Bundesebene die BDP die zentrale Zielscheibe darstellt.
Aus der Sicht der politikwissenschaftlichen Theorie ist entscheidend, in welchem Masse die verschiedenen relevanten Parteien gewillt sind, zusammenzuarbeiten respektive Allianzen für die Regierungsbildung einzugeben. Das hängt
mitunter vom Wahlergebnis ab, aber auch von seiner Interpretation.
Beim Wahlergebnis zeichnet sich ein Rechtsrutsch ab, indes nicht alleine zugunsten der SVP, sondern auch der FDP. Treffend ist, dass die Mitte die Rechnung bezahlen könnte, und zwar nicht nur die neue, sondern auch die alte Mitte. Aktuell kennen Mitte-Parteien Schwierigkeiten ihre Wählerschaften zu halten. Diese neigen teilweise zu Wahlabstinenz, teilweise zu anderen Parteien als
noch 2011.
Die Interpretation des Wahlergebnisses dürfte zunächst die Wiederkandidatur
der von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf beeinflussen. Sollte sie zurücktreten, wäre der Kampf um ihren Regierungssitz eröffnet. Sollte sie erneut kandidieren, ist mit einer Kampfsituation zu rechnen, an der sich vor allem die SVP
beteiligen würde.
Es ist gut denkbar, dass in diesem Zusammenhang nicht nur die Partei- und
Personenfrage von Belang sein wird, sondern auch Sachfragen. Denn bei einem Wechsel zu je 2 SVP respektive FDP steht die Fortführung der Energiewende zur Debatte, und die Europa-Politik dürfte nicht unwesentlich beeinflusst werden. Beides sind Kernthemen der kommenden Legislatur; das Abwägen zwischen Bilateralen und Masseneinwanderung wohl schon schnell nach
den Wahlen. Unmittelbar denkbar sind mindestens zwei Szenarien:

Eine Fortsetzung der bisherigen Regierungszusammensetzung auf der
Basis der inhaltlichen Konkordanz, wobei es zu einer sozialliberalen Absicherung der Europa-Politik mit der SVP in der sachpolitischen Opposition
kommen dürfte;

ein bürgerlicher Schulterschluss unter den grösseren Parteien, die sich
nicht nur in der neuen Zusammensetzung des Bundesrates zeigen müsste, sondern auch eine bürgerliche Sicherung der Europa-Politik beinhalten
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müsste; in diesem Fall ist mit der sachpolitischen Opposition namentlich
der SP und der Gewerkschaften zu rechnen.
Allenfalls sind die Mehrheitsverhältnisse sehr knapp, sodass nicht die Parteien
und Fraktionen, sondern die einzelnen Gewählten den Ausschlag geben, in
welche Richtung sich die Bundesratszusammensetzung und programmatische
Politik weiterentwickelt.
Aufgrund der aktuellen Befragungsergebnisse sind die Mehrheiten nicht eindeutig: Mitte/links stellt im Nationalrat selbst bei breitester Aufstellung aller
Voraussicht nach keine Mehrheit mehr. Auf der anderen Seite wird es, selbst
bei Gewinnen für SVP und FDP, nicht für eine Mehrheit reichen, wenn nicht die
CVP oder GLP ihre Positionen wechseln. Sollte das der Fall sein, dürften sie
mindesten die Energiewende gefährden, einem der zentralen Politikbereiche, in
denen sie in der letzten Legislatur gestaltend wirkten.
Immerhin, es ist zu erwarten, dass sich nebst der Polarisierung der Parteienlandschaft 2015 auch ein Rechtsdruck ergeben wird. Die kantonalen Wahlen namentlich seit der Entscheidung über die Masseneinwanderungsinitiative sprechen genauso dafür wie die jüngsten Umfrageergebnisse. Anders als bei
früheren Wahlen dürfte allerdings nicht die SVP alleinige Siegerin sein.
Kurzfristige Gründe hierfür sind wie immer im Wahlkampf zu suchen, den
Ereignissen, die diesen prägen, und den (Re)Aktionen der Parteien darauf. Ohne Zweifel muss man hier die Asylpolitik erwähnen. Deren Aktualität und Krise
zugleich hat in ganz Europa eine Welle der Betroffenheit ausgelöst, aber auch
zu heftigen Kontroversen geführt, was die richtige Antwort sei. In der Schweiz
hat sich die SVP als erste Partei des Themas angenommen und an ihrer Delegiertenversammlung vor der Sommerpause zum Widerstand gegen Asylzentren aufgerufen. Konkretisiert wurde die Debatte durch die Kontroverse um
eritreische Flüchtlinge, einer der grossen Gruppen Asylsuchender in der
Schweiz. Die Wahlkampfoffensive der SVP blieb aber nicht ohne Gegenreaktion, denn ihr wird zunehmend Fremdenfeindlichkeit und Rassismus vorgeworfen. Medienanalysen zeigen, dass die SVP den ganzen Sommer hindurch die
höchste Präsenz kannte, gerade auch wegen ihren Positionen in der Asylpolitik.
Wenn ihr also das Agenda Setting gut gelang, konnte sie nicht verhindern, dass
sie gerade in den Medien teils hart kritisiert wurde. In unserer Untersuchung
bestätigt sich, dass die Migrationsfrage bevölkerungsseitig das Thema Nummer 1 ist. Wenn es nicht immer einfach ist, zwischen den verschiedenen Aspekten der Zuwanderung und Integration trennscharf zu unterscheiden, besteht
doch kein Zweifel, dass auch hier die Asylthematik den Kern der aktuellen Beschäftigung ausmacht. Den Themenwählenden erscheint die SVP dabei als
kompetenteste Partei, wenn auch mit schwindendem Vorsprung. Vermehrt
wünscht man sich gerade in diesem Bereich überparteiliche Lösungen.
Auch werberisch führt die rechte Seite im Wahlkampf 2015. Die Ausgaben für
Partei und Personenwerbung erscheinen höher denn je, und sie sind stark auf
SVP und FDP konzentriert. Hauptgrund hierfür ist, dass beide politischen Parteien einen eigentlichen Vorwahlkampf mit Inseraten und Plakaten geführt haben. Die SVP hat zudem ein eigentliches Politmarketing mit Gadgets und Videos aufgezogen. In unserer Untersuchung zeigt sich das daran, dass die
Wahlkämpfe beider Parteien am häufigsten wahrgenommen werden. Von den
denkbaren WählerInnen beider Parteien werden sie ebenso am meisten als die
besten taxiert. Das blieb nicht ohne Folgen für die Potenziale und die Mobilisierung. Bei ersterem führt die SVP mit wachsendem Vorsprung auf die FDP, die
noch vor der SP liegt. Bei der Mobilisierung zeigt sich bei der SVP ebenso ein
Spitzenwert, derweil die FDP hier zwar Fortschritte macht, aber immer noch
eine Schwäche hat.
Mittelfristige Gründe für denkbare Veränderungen in den Parteistärken sehen
wir in den zentralen Entwicklungen der Legislatur. Diese war durch die Annahme mehrerer Volksinitiativen gekennzeichnet. Namentlich ökologische und
migrationskritische Initiativen haben Erfolgschancen; neu zeichnen sich auch
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offene Fenster für Verschärfungen des Strafrechts oder Wirtschaftskritik ab.
Allerdings gelingt dies nicht immer; vielmehr braucht es eine breite, bisweilen
überparteiliche Trägerschaft oder eine Opposition die gezielt auf bestehende
und tabuisierte Missstände zielt. Die erste Hälfte der Legislatur geprägt haben
das Ja zu Zweitwohnungsinitiative und zur Minderinitiative, derweil die Zustimmung zur Minder- aber auch Pädophileninitiative das Klima danach bestimmt haben. Seitens der Regierung und des Parlaments haben die Finanzmarktpolitik und die Energiewende markante Zeichen gesetzt. Dabei kamen
trotzt formal bürgerlicher Mehrheit im Bundes-, Stände- und Nationalrat die
neuen Mehrheitsverhältnisse zum Tragen. Auswertung zur Fraktionswirkung
bestätigen diese Einschätzung. Namentlich der Ständerat ist zur Chambre de
Coalition avanciert, wo sich vermehrt SP, CVP und FDP gegen die SVP durchsetzen. Gewachsen ist damit auch die Kritik an der Funktionsweise der Behörden, denen vor allem von rechts pauschalisierend eine eigentliche Mitte/linksPolitik vorgeworfen wird. Abstimmungsniederlagen insbesondere der SP, der
GPS und der GLP haben den Eindruck verstärkt, die Stossrichtungen zwischen
behördlicher und direktdemokratisch bestimmter Politik stimmten nicht mehr
überein. Speziell die jüngsten kantonalen Wahlen zeigten, dass die grosse Konkordanz kein Tabu mehr ist, und man auch mit Regierungen ohne SP oder ohne
Frauen regieren will. Namentlich bürgerliche Schulterschlüsse haben dies ermöglicht, sodass eine Neuausrichtung auch der Bundespolitik ohne BDP, dafür
mit zwei SVP-Vertretern im Bundesrat schon vor der Parlamentswahl zum
Thema avanciert ist.
Langfristige Gründe legen den Schluss nahe, dass die Wahlen von 2011 stark
durch den Fukushima-Effekt geprägt waren. Dieser hat zwar den Grünen im
Parlament kaum Vorteile gebracht, aber Hoffnungen bezogen auf neue Parteien
Mitte/links und Mitte/rechts geweckt. Vor allem aber haben sie die anhaltende
Dominanz der Migrationsfrage gestoppt, welche die SVP über mehrere Wahlen
hinweg begünstigt hatte. Denkt man sich diese Effekte wieder weg, werden
die Polarisierung einerseits, die Rechtsentwicklung anderseits die zentralen
Trends, deren Ursachen in der starken Anti-EU-Haltung der Schweizer Politik
begründet ist, die sich am Beispiel der Personenfreizügigkeit ausdrückt. Wirtschaftlichen Vorteilen stehen gesellschaftliche Folgen gegenüber, die teils zu
einer neugestellten Identitätsdebatte führten, teils die national ausgerichtete
Politik beförderten.
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6
Anhang
6.1
gfs.bern-Team
CLAUDE LONGCHAMP
Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung gfs.bern, Verwaltungsrat gfs-bd, Politikwissenschafter und Historiker, Lehrbeauftragter der
Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen, Dozent an der Zürcher Hochschule
Winterthur, am MAZ Luzern und am VMI der Universität Fribourg und am KPM
der Universität Bern.
Schwerpunkte:
Abstimmungen, Wahlen, Parteien, politische Kultur, politische Kommunikation,
Lobbying, öffentliche Meinung, Rassismus, Gesundheits- und Finanzpolitik
Zahlreiche Publikationen in Buchform, in Sammelbänden, wissenschaftlichen
Zeitschriften
MARTINA MOUSSON
Projektleiterin, Politikwissenschafterin
Schwerpunkte:
Analyse politischer Themen und Issues, nationale Abstimmungen und Wahlen
(SRG-Trend, VOX-Analysen, Wahlbarometer), Image- und Reputationsanalysen,
Integrierte Kommunikationsanalysen, Medieninhaltsanalysen, Qualitative Methoden, Gesellschaftsthemen (Jugendforschung, Rassismus, Familien, Mittelschicht)
STEPHAN TSCHÖPE
Leiter Analyse und Dienste, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Koordination Dienstleistungen, komplexe statistische Datenanalytik, EDV- und
Befragungs-Programmierungen, Hochrechnungen, Parteien- und Strukturanalysen mit Aggregatdaten, Integrierte Kommunikationsanalysen, Visualisierung
AARON VENETZ
Datenanalytiker, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenmodellierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Datenanalyse, Programmierungen, Medienanalysen, Visualisierungen
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MARCEL HAGEMANN
Datenanalytiker, Sozialwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenanalyse und Datenbanken, Programmierungen, Integrierte Kommunikationsanalysen, Medienanalysen, Recherchen, Visualisierungen, Hochrechnungen
JOHANNA LEA SCHWAB
Sekretariat und Administration, Kauffrau EFZ
Schwerpunkte:
Desktop-Publishing, Visualisierungen, Projektadministration, Vortragsadministration
97
gfs.bern ag
Hirschengraben 5
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Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied des Verbands
Schweizer Markt- und Sozialforschung und garantiert, dass
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