Und wir glaubten, wir hätten noch so viel Zeit
Transcription
Und wir glaubten, wir hätten noch so viel Zeit
Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde, liebe Freunde, dass ich hier heute stehe und die erste Rede meines Lebens halte, war ganz sicher nicht mein Herzenswunsch. Ich bin weder ein Pastor noch ein Trauerredner, ich bin nur ein Freund von Stephan. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie vor etwas so gefürchtet wie vor diesem Augenblick. Deshalb möget ihr mir verzeihen, wenn mir die Worte nicht leicht fallen, wenn ich ablesen muss, was ich Ihm und Euch heute zu sagen habe. Es war der Wunsch von Doreen, dass ich hier heute stehe und meine Gefühle und Gedanken versuche in Worte zu fassen. Und bei aller Angst die ich vor dieser Rede habe, ist hier stehen zu dürfen, dennoch die größte Ehre die mir je zuteil wurde. Für dich, mein Freund. Und wir glaubten, wir hätten noch so viel Zeit... Während Du schliefst, verstummten die Vögel und erstarrte Dein Blick. Während Du schliefst, hast Du uns heimlich, still und leise verlassen. Während Du schliefst, ließest Du uns in großer Trauer zurück. Wohin Du auch gehst, werden Engel Dich behüten. Wohin Du auch gehst, wird Gott fest an Deiner Seite stehen. Wir werden Dich in unseren Herzen stets bewahren, bis wir uns - so hoffe ich - eines Tages wiedersehen. Am Sonntag, dem 18. Mai 2008, geschah das Unfassbare - mein Freund Stephan war tot. An diesem Tag verlor ich meinen Freund und Ihr euren Mann, Vater, Sohn, Bruder, Schwiegersohn, Schwager, Kollegen, Chef, Geschäftspartner, Kumpel und auch andere ihren Freund. Das Gespenst des Todes, das wir so gerne negieren in unserem Leben, war plötzlich so nah. Und ich konnte, kann es heute noch nicht, damit umgehen. Es war so unreal und abstrakt, dass es mich und auch viele der hier Anwesenden völlig überforderte. Diese Angst vor diesem übermächtigen Gegner und der daraus folgenden ohnmächtigen Trauer war und ist einfach zuviel um es letztendlich zu begreifen, was an diesem Tag geschehen ist. Aber allem Zweifel erhaben, allen Aussagen wie (das gibt es doch nicht, das kann doch nicht die Wahrheit sein) zum Trotz, war es doch wahr. Das von dem wir glaubten, dass es nicht geschieht oder besser nur anderen geschieht, ist für uns wahr geworden. Der Tod war da, mitten in unserem Leben. Und nun? Nun stehen wir da, völlig hilflos und fühlen uns allein. Was sagt man, wenn es nichts mehr zu sagen gibt? Wo ist Trost, wenn es keinen Trost gibt? Wo sind Antworten, wenn es keine Antworten gibt? Wer war er eigentlich, mein Freund der Stephan. Er war ein Mensch mit Stärken und Schwächen, mit Ängsten und Freuden, mit Siegen und Niederlagen. Er war ein Mensch, für mich ein wunderbarer Mensch - ein Freund. Einer von dem ich wirklich sagen kann, er war mein Freund. Er war ein Mann – jung an Jahren und doch schon mit Mitte 20 (so alt war er als ich ihn kennen lernte) ein erwachsener Mann. Wo es doch allgemein bekannt ist, dass Männer erst mit 30 langsam erwachsen werden.... Ich glaube, es war der frühe Tod seiner Mutter der Ihn so schnell erwachsen werden ließ. Das gute Verhältnis zu seinem Vater, den er oft liebevoll den „Alten Mann“ genannt hat, und das zu seiner Schwester, hat Ihn heranwachsen lassen zu einem Mann, der bereit war, schon mit jungen Jahren große Aufgaben zu übernehmen. So weit ich weiß, war er der jüngste Geschäftsstellenleiter bei Sport Scheck in Deutschland. Das muss Ihm erst einmal einer nach machen. Ich glaube, es war so eine Art Hassliebe, die Ihn verband mit dieser Firma, in der er groß geworden ist. Aber ich glaube, bei all dem berechtigten Frust den er hatte auf das Unternehmen, das den Druck immer mehr erhöht hat, den Umsatzdruck – viele von denen, die hier sind, wissen genau wovon ich rede – trotz des Druckes, fühlte er sich eben als ein echter Schecker - so wie einige Ihn auch nannten, der Schecker. Und an solchen Tagen möchte ich Sie bitten - und ich beziehe mich damit ein - darüber nachzudenken, wieviel Druck man einem Menschen zumuten kann, und daran zu denken, ob nicht andere Dinge im Leben wichtiger sind als Umsatz und Profit.... Ich kann mich noch gut daran erinnern als wir uns kennen gelernt haben, es ist ja noch nicht einmal so lange her - es war beim Essen – später nannten wir unsere Beziehung gerne ironisch eine lose Essensbekanntschaft. Aber wir beide wussten, es war mehr als das, es war eine echte Freundschaft die uns verband. Ich erzähle euch das, weil es für mich so typisch Stephan war. Er hat mich einfach angesprochen in seiner unbeschwerten, immer freundlichen Art und Weise und zwei Wochen später sind wir zusammen in den Skiurlaub gefahren. Es war für mich so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, wenn Ihr versteht was ich meine. Seine unbeschwerte, freundliche Art, mit der er viele begeisterte, für die Ihn so viele liebten. Ja, ich war nicht sein einziger Freund, er hatte viele, so unterschiedlich sie auch waren, Stephan mochte diese Vielfältigkeit in seinen Freundeskreisen. Wenn man von einem Menschen das jemals sagen konnte, dann wohl von Ihm: Er war beliebt! – ja das war er, und ich habe ihn so manches Mal beneidet um seine unbeschwerte, aber immer auch empathische Art, mit Menschen umzugehen. Ja auch das war er, ein mitfühlender Mensch, er hatte, wie nicht viele Menschen, die Gabe, sich in die Lage eines Anderen zu versetzen. Um ihm dann auch mit einem Rat oder einer Aufmunterung zur Seite zu stehen. Nein ein oberflächlicher Mensch war er nicht. Das schätzte ich so sehr an Ihm. Short oder Long – die Börse war seine heimliche Leidenschaft. Seine Passion war es zu traden. Oft hat er daran gedacht, es zu seinem Beruf zu machen. Aber der Sicherheitsmensch in Ihm, und in erster Linie der Ehemann und Vater, haben Ihn den vermeintlich sicheren Weg gehen lassen. Ich habe es genossen, mittags mit Ihm essen zu gehen. Es war eine feste Größe in unserem Tagesablauf – jeder mögliche Termin wurde dafür verschoben. Ich habe es geliebt, Ihm zuzuhören, wenn er mal wieder richtig aufgedreht hat. Der König der coolen Sprüche war er für mich und ich habe mich sooft gefragt, woher er sie wohl alle hatte, die coolen Sprüche. Er mochte, wie wohl viele Männer, schnelle Autos, vom Alpina oder vom Porsche war oft genug die Rede. Er liebte Italienisches Essen und Steaks, Paolo, sein erklärter Lieblingskoch. Er verstand sehr viel von guten Weinen – von einem eigenen Weinhandel war zuletzt immer wieder die Rede – von Ihm habe ich es gelernt, das Genießen eines guten Weines. Und er mochte seinen täglichen Cappuccino. Wie gerne haben wir bei Mirko und Allesandro gesessen und bei einem Cappuccino auch über Frauen philosophiert – ja er mochte sie, die schönen Frauen. Aber geliebt, geliebt hat er nur die eine – Doreen. Ole, hat er zu mir gesagt: Auf den Ringtrick, stehen sie alle! Und bei Ihr hat er Ihn angewandt. Er hat sie geheiratet - ja, er hat dich geliebt, dessen kannst du dir ganz sicher sein, Doreen. Sie hat ihm seinen ganzen Stolz geschenkt - seine Tochter Ida. Meine kleine Ida, ich freue mich schon heute auf den Tag, an dem du alt genug bist, dass ich dir erzählen kann, was dein Vater für ein toller Kerl war und was er mir bedeutete.... Der eine oder andere wird sich jetzt sicher fragen, warum ich nur aus meiner kleinen, begrenzten Sicht über Stephan berichte. Das liegt einfach daran, dass ich nur über den Stephan reden kann und will, den ich kannte und nicht über den, den Ihr oder Sie vielleicht kannten. Für mich war er nur mein Freund, nicht mehr, aber auch ganz bestimmt nicht weniger... Ich möchte aber jetzt denen die Möglichkeit geben, die Ihn aus einem anderen Bereich oder aus einer anderen Zeit seines Lebens kannten, hier und jetzt, etwas zu Ihm oder über Ihn zu sagen.... Wer möchte, kann jetzt nach vorne kommen. Alles Wachsen ist ein Sterben, jedes Werden ein Vergehen. Alles Lassen ein Erleben, jeder Tod ein Auferstehn. Am Ende brennen mir aber immer noch die Fragen auf den Lippen: Was sagt man, wenn es nichts mehr zu sagen gibt? Wo ist Trost, wenn es keinen Trost gibt? Wo sind Antworten, wenn es keine Antworten gibt? Ich glaube nicht, dass diese Hülle die uns umgibt, das was wir unseren Körper nennen, das ist was wir sind. Dass es das ist, was unser ich ausmacht. Denn ein Mensch, den das Leben verlässt, sieht nicht mehr so aus wie der Mensch, der er einmal war. Ich glaube, dass das was wir sind, mehr ist als das was uns umgibt und dass der Tod unseres Körpers nicht zwangsläufig der Tod meines Ich`s für alle Zeiten ist. Ich möchte hier und heute meiner Hoffnung und meinem Glauben Ausdruck verleihen, dass wir mehr sind als ein Produkt des Zufalls. Dass diese Erde mit all dem wunderbaren Leben das sie beherbergt, eine von Gott gewollte und geschaffene Erde ist. Ich wünsche mir so sehr den kindlichen Glauben zurück, der ohne daran zu zweifeln geglaubt hat, an diesen Gott - der uns eine Chance gibt und eine Perspektive. Eine Perspektive, die uns Hoffnung schenkt, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod... Der Tod ist der größte Feind des Menschen. So unfassbar traurig und so hilflos wir Ihm heute gegenüberstehen, birgt der Tod eines geliebten Menschen auch immer eine Chance in sich. Eine Chance für die, die noch am Leben sind. Die Chance über ihr eigenes Leben nachzudenken und gegebenenfalls neu anzufangen so lange noch Zeit dafür ist.... Und deshalb möchte ich uns, die wir hier geblieben sind – uns, denen noch ein wenig Zeit geschenkt wurde auf dieser Erde, noch folgenden Bibeltext mit auf den Lebensweg geben... Freu dich am Leben! "Iß dein Brot und trink deinen Wein und sei fröhlich dabei! So hat es Gott für die Menschen vorgesehen, und so gefällt es ihm schon lange. Nimm das Leben als ein Fest: Trag immer schöne Kleider und salbe dein Gesicht mit duftenden Ölen! Genieße jeden Tag mit der Frau, die du liebst, solange dieses flüchtige Leben noch dauert, das Gott dir geschenkt hat. Denn das ist der Lohn für die Mühsal dieses Lebens. Alles was du tun kannst, wozu deine Kraft ausreicht, das tu! Denn im Totenreich, wohin auch du gehen wirst, gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit. Die Bibel, Prediger 9, 7-10 Machs gut mein Freund – ich bin mir sicher, wir werden uns wieder sehen!