Generierung von Verkehrsmeldungen auf Basis von

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Generierung von Verkehrsmeldungen auf Basis von
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Generierung von Verkehrsmeldungen auf Basis von
flächendeckenden Verkehrslagedaten mit Einbindung
in den Mobilitätsdaten-Marktplatz (MDM)
Uwe Plank-Wiedenbeck1, Jörg Pfister2, Matthias Klaffer2, Walter Aigner3
und Wolfgang Schildorfer3
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Bauhaus-Universität Weimar · [email protected]
pwp-systems GmbH, Halle (Saale)
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HiTec Marketing, Wien
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Short paper
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Ausgangssituation
Für die öffentliche Verwaltung und Straßenbetreiber stellt sich zunehmend die Frage, in
welcher Form sie Verkehrsdaten für Informationssysteme und Verkehrsmanagement-Anwendungen aufbereiten und anderen Institutionen sowie privaten Firmen zur Verfügung
stellen. Auf der einen Seite gibt es vonseiten der Europäischen Kommission oder des Bundes Richtlinien und Vorgaben zur Bereitstellung der Daten, dem gegenüber sind Fragen der
Umsetzbarkeit, Kosten, rechtliche Fragen oder Datenqualität zu berücksichtigen. Dies betrifft eine Vielzahl von Datenarten, insbesondere georeferenzierte Verkehrsmeldungen.
Die Frage nach der Bereitstellung solcher Daten ist in Bezug zur jeweiligen Anwendung zu
sehen. In Thüringen und Sachsen-Anhalt sind Projekte zum umweltorientierten Verkehrsmanagement und zum Aufbau eines intermodalen Mobilitätsportals erfolgreich realisiert
worden, die einen Datenaustausch mit Externen erforderlich machen. Für den jetzt folgenden Realbetrieb treten hierfür besondere Anforderungen hinsichtlich Technik, Organisation
und Wirtschaftlichkeit auf. Der Mobilitätsdaten-Marktplatz (MDM) der deutschen Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bietet für diese Anwendungen prinzipiell eine geeignete
Plattform. In einem Pilotprojekt konnte die technische und organisatorische Machbarkeit
bei entsprechender Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden. Für die einzelnen Prozessschritte liegen damit Erfahrungen vor, die für unterschiedliche Anwendungen eine Bewertung aus Sicht der öffentlichen Hand ermöglichen. Daraus können Handlungsempfehlungen
hinsichtlich einer möglichen Datenbereitstellung durch den MDM abgeleitet werden.
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Anwendungsbeispiele aus Mitteldeutschland
2.1
Umweltorientiertes Verkehrsmanagement Erfurt
Die Landeshauptstadt Erfurt des Freistaats Thüringen (ca. 210.000 Einwohner) hat sich die
Förderung der Elektromobilität und die Umsetzung eines umweltorientierten Verkehrsmanagements zum Ziel gesetzt. Hierfür ist unter anderem die Generierung einer flächendeckenden Verkehrslage erforderlich, auf deren Basis Steuerungsstrategien umgesetzt werden, die wiederum Grundlage für die Bereitstellung von Verkehrsmeldungen sind.
AGIT ‒ Journal für Angewandte Geoinformatik, 1-2015. © Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH,
Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-557-7, ISSN 2364-9283, doi:10.14627/537557027.
Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der
Creative Commons Attribution Lizenz verbreitet wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).
Generierung von Verkehrsmeldungen mit Einbindung in den MDM
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Die Stadtverwaltung sowie Einrichtungen des Bundes und des Freistaates Thüringen haben
bereits über eine Vielzahl von Daten zur kontinuierlichen Erfassung des Verkehrszustands,
des aktuellen Kleinklimas und der Schadstoffbelastung verfügt. Im Rahmen der Projekte
sMobility1 (KRAUS 2012) und umweltorientiertes Verkehrsmanagement Erfurt2 (KREHER &
KRAUS 2013, HARDER & KRAUS 2013) konnte die Datengenerierung umfassend ergänzt
werden (Abb. 1).
Abb. 1:
Systemarchitektur Erfurt
Auf Basis dieser integrierten IVS3-Architektur wurden die Daten vernetzt und dienen als
Grundlage für Verkehrsmanagementstrategien, die bei entsprechender Umweltbelastung in
den Verkehrsablauf eingreifen. Dadurch werden Emissionen (insbesondere Feinstaub und
Stickoxid) reduziert und Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten verhindert (DÜRING
et al. 2015).
Die Information der Verkehrsteilnehmer über standardisierte Verkehrsmeldungen ist ein
zentrales Element dieser Strategien. Um einen möglichst hohen Anteil der Verkehrsteilnehmer zu erreichen, ist eine weite Verbreitung der Verkehrsmeldungen und Steuerungsstrategien erforderlich. Umgekehrt ist für das städtische System die Einbindung von Floating-
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Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Gefördert durch das Thüringische Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft.
IVS: Intelligente Verkehrssysteme.
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U. Plank-Wiedenbeck, J. Pfister, M. Klaffer, W. Aigner und W. Schildorfer
Car-Daten (FCD) oder von Daten des Autobahnnetzes erforderlich. Der MDM ist hierfür
die geeignete Plattform.
2.2
Mobilitätsportal Sachsen-Anhalt
Das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt hat einen
IVS-Rahmenplan entwickelt, der die strategische, konzeptionelle und finanzielle Zielsetzung zum Aufbau einer intermodalen IVS-Architektur definiert (MLV 2013). Ziele sind vor
allem die umfassende Information der Verkehrsteilnehmer, die Reduzierung von Umweltauswirkungen, die Verbesserung der Verkehrssicherheit und die Vermeidung von Staus und
Behinderungen.
Ein zentrales Element dieser Strategie ist die Realisierung einer landesweiten Verkehrslage
und die Bereitstellung der Daten in einem intermodalen Mobilitätsportal. Bei der Umsetzung werden umfassende Verkehrsdaten verschiedener Institutionen zusammen geführt und
einheitlich georeferenziert. Die Daten werden kontinuierlich an das landeseigene intermodale Mobilitätsportal übermittelt. Um ein möglichst große Anzahl von Nutzern dieser Daten
zu ermöglichen, ist die Verbreitung an weitere Diensteanbieter notwendig. Damit können
die Zielsetzungen des IVS-Rahmenplans und die Vorgaben der Europäischen Kommission
umfassend erfüllt werden.
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Technische Realisierung
3.1
Gesamtansatz (Projekt eVeSA)
Im Projekt eVeSA (elektronische Detektor-, Baustellen- und Verkehrslagedaten aus Sachsen-Anhalt)4 wurden flächendeckende, hochwertige Verkehrsdaten eines ganzen Bundeslandes an den MDM angebunden (KLAFFER 2014). Durch das Pilotprojekt konnte der
Nachweis der Machbarkeit und der Praktikabilität erbracht werden.
Die einzelnen Verkehrsdaten betreffen sowohl Bundesautobahnen (BAB), Landstraßen und
städtische Bereiche und bilden somit eine flächendeckende Informationsgrundlage für ein
ganzes Bundesland. Neuartig ist die Schaffung der Voraussetzungen für Umsetzung und
Evaluierung von kooperativen Diensten, wobei Datenerzeugung und Nutzung in öffentlicher Hand liegen, während Datenvalidierung und -ergänzung sowie Nutzung und Verwertung in privater Hand liegen. Neben Netzabdeckung und Datenqualität ist für potenzielle
Datennutzer insbesondere der Aspekt der Georeferenzierung sämtlicher Verkehrsdaten von
großer Bedeutung.
3.2
Architektur
Grundlage des Systems sind die Detektordaten des Landes Sachsen-Anhalt (LSA-Detektoren, BAB-Detektoren im Zuge von Dauerzählstellen) sowie die Verkehrslagedaten des
landesweiten Verkehrslagesystems Sachsen-Anhalt, die mit Baustelleninformationen ergänzt werden:
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Gefördert durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt).
Generierung von Verkehrsmeldungen mit Einbindung in den MDM
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Die Detektordaten des Landes Sachsen-Anhalt bilden die Datengrundlage für das Verkehrslagesystem. Sie werden kontinuierlich – mehrheitlich in Minutenintervallen – von
den verschiedenen datenliefernden Verkehrsrechnern (VSR Merseburg, VSR DessauRoßlau, VSR Magdeburg etc.) über implementierte Schnittstellen (OCIT C) in einem
Datenkonzentrator zusammengeführt. Ein Konverter stellt die Daten über die offene
ORCA-Schnittstelle dem Verkehrslagesystem zur Verfügung. Parallel hierzu erfolgt
die kontinuierliche Bereitstellung von Detektordaten an den MDM. Hierfür sind die
Detektordaten in DATEX II abgebildet worden.
Mithilfe des Verkehrslagesystems werden modellbasiert und gestützt auf die Detektordaten und FCD-Meldungen in 15-Minuten-Intervallen aktuelle flächen-deckende Verkehrslageinformationen generiert. Basis sind stundenfeine Verkehrsnachfragematrizen
und das Verfahren der Messwertpropagierung. Die Berechnung erfolgt parallel für ein
Regionalmodell Sachsen-Anhalt sowie zwei Stadtmodelle Magdeburg und Halle (Saale). Die Ergebnisse der Einzelmodelle werden zur Gesamtverkehrslage Sachsen-Anhalt
fusioniert. Die resultierenden Informationen können aus dem Verkehrslagesystem
grundsätzlich über die ORCA-Schnittstelle abgerufen werden. Für die kontinuierliche
Bereitstellung der fusionierten Verkehrslagedaten an den MDM sind diese in DATEX
II abgebildet worden.
Die Baustelleninformationen des landesweiten Informationssystems SperrInfo bilden
eine weitere wichtige Datengrundlage für die Verkehrslage. Sie beschreiben zeitliche
und räumliche Einschränkungen der Streckenkapazität und sind elementare Grundlage
für die Verkehrsumlegung im Rahmen der Verkehrslageanalyse. Der o. g. Konverter
übermittelt auch diese Daten kontinuierlich an das Verkehrslagesystem und parallel an
den MDM. Hierfür wurden die Baustelleninformationen ebenfalls in DATEX II abgebildet.
Für alle genannten Datenquellen erfolgten in eVeSA Konzeption, Implementierung und
Praxistest der Konvertierung und der Datenübertragung.
Für die Übertragung der Daten und Informationen via Publisher Push SOAP bzw. via
Client Pull SOAP (DATEX II) an die MDM-Plattform wurden entsprechende Server- und
Client-Implementationen mithilfe des Apache-CXF-Frameworks erzeugt. Zur Referenzierung der netzgebundenen Verkehrslagedaten und der georeferenzierten Detektordaten wurden die Publikationen „measurement site table publication“ und „predefined locations publication“ verwendet.
Da die Ergebnisse der Verkehrslageberechnungen auf einem lizenzpflichtigen Straßennetzmodell basieren, wurden innerhalb der Publikation für vordefinierte Standorte die Angaben
zum Netztyp und der Versionsnummer und die Lokationen über deren Strecken- und Knotennummern (Start- und Zielknoten) definiert. Somit war es den Abnehmern der Daten
möglich, eine Referenzierung auf das Verkehrslagenetz durchzuführen. Daraus resultiert
jedoch der Nachteil, dass der Datenabnehmer ebenfalls die Lizenzkosten für die Beschaffung des lizenzpflichtigen Streckennetzes übernehmen muss.
3.3
OpenLR
Für die Generierung einer flächendeckenden Verkehrslage ist neben Detektordaten und
Baustelleninformationen die Übernahme und Integration von geplanten und tagesaktuellen
Verkehrsmeldungen und Streckenstörungen aus FCD sinnvoll. Diese Meldungen und In-
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U. Plank-Wiedenbeck, J. Pfister, M. Klaffer, W. Aigner und W. Schildorfer
formationen können als DATEX-II-Publikationen (SituationPublication) von einem Webservice abgerufen werden. Die zu jeder Meldung zugehörigen Lage- und Ortsinformationen
werden netzunabhängig auf Basis des Open, Compact and Royalty-free Dynamic Location
Referencing (OpenLR) binär codiert angegeben. Die Binärkodierung wird als Erweiterung
der Gruppenlokationen angegeben, die nicht im DATEX-II-Format Level A enthalten ist.
Abb. 2:
Tabellenschema zu OpenLR (Quelle: www.openlr.org)
Zur Abbildung dieser binär codierten Georeferenzierungen auf das Streckennetz in einem
Verkehrslagesystem wird eine Software zur Dekodierung und Referenzierung implementiert, welche die Bibliotheken von OpenLR voraussetzt. Im ersten Schritt muss hierzu das
Streckennetz des Verkehrslagesystems in eine relationale Datenbank auf Basis von SQLite
konvertiert werden. Dabei sind die in Abbildung 2 festgelegten Schemata zu berücksichtigen.
Abb. 3:
Verkehrsmeldung im OpenLR-Format und Zuordnung auf das Streckennetz der
Verkehrslage
Auf Basis dieser Datenbank können die binär codierten Lage- und Ortsinformationen auf
das Streckennetz der Verkehrslage abgebildet werden (Abb. 3). In der linken Abbildung ist
die Verkehrsmeldung (blaue Linie) mit den Koordinaten abgebildet, die sich aus der
OpenLR -Meldung ableiten lassen (2 Koordinaten: Anfangs- und Endpunkt). In der rechten
Abbildung ist das identifizierte Streckenelement (magentafarbene Linie) über der OpenLRMeldung eingezeichnet. Es hat sich gezeigt, dass sich derzeit noch nicht alle Lage- und
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Ortsinformationen auf Basis der OpenLR-codierten Meldungen und Informationen georeferenzieren lassen. Es kann abgeschätzt werden, dass mehr als 85 % der Meldungen und
Informationen auf das Streckennetz der Verkehrslage Sachsen-Anhalt abgebildet werden
können.
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Fazit
Die Bereitstellung von Verkehrsmeldungen ist dann besonders wirksam, wenn das gesamte
Hauptverkehrsstraßennetz einer Kommune oder eines Bundeslandes abgedeckt wird und
die Verteilung der Informationen über eine möglichst große Anzahl von Diensten realisiert
wird. Bei der Umsetzung eines solches umfassenden Ansatzes ist die öffentliche Verwaltung von besonderer Bedeutung, weil hier zahlreiche Daten vorhanden sind und gleichzeitig
die Hoheit über die Verkehrssteuerung angesiedelt ist. Die Umsetzung erfordert ein hohes
Maß an technischem, finanziellem und organisatorischem Aufwand. Für alle Prozessschritte von der Datengenerierung über die Datenaufbereitung und die Bereitstellung der Daten
liegen aber mittlerweile belastbare Erfahrungen vor. Umfang und Art der Datenbereitstellung können hinsichtlich Aufwand und Nutzen bewertet werden, sodass je nach spezifischen Randbedingungen und Zielsetzungen Empfehlungen zur Realisierung abgeleitet
werden können. Der Mobilitätsdaten-Marktplatz bietet in den meisten Fällen sehr geeignete
Lösungsansätze.
Literatur
DÜRING, I. & HOFFMANN, T. & FLASSAK, T. & KRAUS, T. & PLANK-WIEDENBECK, U.
(2015), BASt-Kolloquium Luftqualität an Straßen, Konferenzbeitrag umweltsensitives
Verkehrsmanagement (UVM) – mehr als eine temporäre Grüne Welle. Bergisch Gladbach.
HARDER, R. & KRAUS, T. (2014), Schlussbericht Umweltsensitive Verkehrssteuerung Erfurt (UVE). UVE Pilotmaßnahme II Leipziger Straße, Weimar.
KLAFFER, M. (2014), Schlussbericht: eVeSA – elektronische Detektor-, Baustellen- und
Verkehrslagedaten aus Sachsen-Anhalt, Halle (Saale).
KRAUS, T. (2012), Teilprojektbeschreibung sMobiliTy, Aufbau von Teilsystemen der Verkehrsmanagementplattform der Landeshauptstadt Erfurt. Halle (Saale).
KREHER, N. & KRAUS, T. (2013), Schlussbericht Umweltsensitive Verkehrssteuerung Erfurt
(UVE), UVE Pilotmaßnahme Bergstraße/Talstraße Erfurt. Weimar.
MLV – MINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND VERKEHR SACHSEN-ANHALT (2013),
IVS Rahmenplan Sachsen-Anhalt. Magdeburg.