Mittelalter/ Notre- Dame- Epoche/ Renaissance

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Mittelalter/ Notre- Dame- Epoche/ Renaissance
Mittelalter/ Notre- Dame- Epoche/ Renaissance/
Vokalpolyphonie
(Vgl.: LB S. 10 -17 und S. 197-199)
Minnesang
M innesang nennt man die schriftlich überlieferte, hoch ritualisierte Form der gesungenen
Liebeslyrik, die der westeuropäische Adel im hohen M ittelalter pflegte, den Kaiser selbst
eingeschlossen.
Im deutschsprachigen Raum kann man ab etwa 1150 von einem M innesang auf
mittelhochdeutsch sprechen. Die im M innesang gepflegte Version des Hochdeutschen ist der
Versuch einer ersten gesamtdeutschen Literatursprache. (Erst 400 Jahre später erfolgt der
zweite Versuch durch M artin Luther.) Im Spätmittelalter (ab etwa 1350) lösen andere
Gattungen den höfisch-ritterlichen M innesang ab.
Die ersten bezeugten M innesänger sind die Trobadors in Südfrankreich. Die Sprache ihrer
Lieder wird in moderner Zeit oft als Provenzalisch bezeichnet, wobei darunter aber nicht der
okzitanische Dialekt der Provence, sondern eine Art okzitanische Koiné oder Literatursprache
zu verstehen ist, die Elemente aus verschiedenen okzitanischen Dialekten aufnimmt. Der
M innesang der südfranzösischen Trobadors, später auch der nordfranzösische der Trouvères
hat wesentlichen Einfluss auf die Anfänge des deutschen M innesangs.
Am klarsten nachweisbar ist dieser Einfluss anhand so genannter Kontrafakturen, also der
(deutschen) Neutextierung provenzalischer 'Töne' (unter einem 'Ton' ist die Einheit von Vers,
M etrum und Strophenform plus M elodie zu verstehen). Ebenso deutlich wie in derartigen
Kontrafakturen wird der französische Einfluss im erkennbaren Bemühen deutscher
M innesänger, mit raffinierten M etren und Reimtechniken ähnlich artifiziell zu glänzen wie
die französischen Sänger.
(Die Kontrafaktur (aus lat. contra „gegen“ und facere „machen“) ist die Umdichtung eines
weltlichen Gedichts für geistliche (kirchliche, religiöse) Zwecke – ein Verfahren, das
besonders häufig im Kirchenlied, meist unter Beibehaltung der M elodie, angewendet wurde.)
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Entwicklung der Notenschrift
Neumen
In der M itte des 9. Jahrhunderts entwickelte sich in europäischen Klöstern eine neue Art der
M usikschrift für die gregorianischen Choräle, die Neumen als Symbole benutzte, mit denen
ein M elodieverlauf über dem Text notiert werden konnte. Eine einzelne Neume stand dabei
für eine bestimmte melodische Floskel. In verschiedenen Ländern und Klöstern wurden
allerdings leicht unterschiedliche grafische Zeichen verwendet.
Guido von Arezzo
Der linienlosen Neumennotation
wurden allmählich Linien hinzugefügt, zunächst zwei farbige Notenlinien für die Töne f und
c, um die Halbtonschritte e-f und h-c zu markieren. Um auch die Tonschritte zwischen den
Linien genau zu erfassen, fügte Guido von Arezzo zu Beginn des 11. Jahrhundert zwischen
die f- und die c-Linie eine dritte Linie ein. Das Terzliniensystem, mit dem sich jeder
diatonische Schritt genau bezeichnen lässt, war erfunden. Guido empfahl auch – je nach
Gebrauch – über oder unter die drei Linien eine vierte Linie zu setzen. Statt der Farben
verwendete Guido nun Buchstaben (c oder f) am Beginn einer Notenzeile, um eine der
Halbtonpositionen zu markieren und so die absolute Tonhöhe zu bestimmen. Damit hatte
Guido auch den Notenschlüssel erfunden. Er verwendete vor allem ein kleines c, mit dem das
c’ gesetzt wurde. Das f kam seltener vor, hat aber als f- oder Bassschlüssel die Zeiten
überdauert.
Guidonischen Hand schließlich bezieht Guido die „begreifende“ Hand in den Lernprozess ein.
Diese Bündelung verschiedener Reize ist so wirkungsvoll, dass M usikpädagogen Guidos
M ethode bis heute unverändert – zumindest in didaktischer Hinsicht – anwenden.
Sinn der Solmisation ist es nicht, die absolute Notation zu ersetzen, sondern bloß die relativen
Beziehungen der Töne dem Gedächtnis einzuprägen, ähnlich wie man arabische Ziffern
verwendet, um M elodien (1 = immer Grundton), oder römische Ziffern, um Harmonien zu
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bezeichnen (I = immer Tonika). Sinn und Notwendigkeit der absoluten Notation wird durch
diese didaktischen M aßnahmen keineswegs in Frage gestellt.
Zur Zeit Guidos und noch lange danach kam man insbesondere für den Gesang meist mit vier
Linien aus. Dies lag nicht bloß am geringen Tonumfang der Choräle, sondern auch an den
flexiblen Schlüsseln. Sie ermöglichten es, den Tonumfang einer Stimme oder einer M elodie
in das Liniensystem einzupassen. Das vierlinige Neumensystem mit C-Schlüssel ist in
Verbindung mit den Neumen der Quadratnotation
in der Kirchenmusik bis heute in Gebrauch. Für
besonders hohe oder tiefe Töne wurden und werden ebenso wie in der modernen Notation
Hilfslinien verwendet. Diese Art der Notation mit vier durchgehenden Notenlinien findet sich
auch heute noch in Choralbüchern.
Für andere Zwecke und unterschiedliche M usikinstrumente wurden bald auch Systeme mit
mehr oder weniger Linien verwendet. Das moderne System mit fünf Linien entstand im
Frankreich des 16. Jahrhunderts, doch waren bis ins 17. Jahrhundert hinein noch andere
Schreibweisen üblich. Der von Guido bevorzugte C-Schlüssel wurde in vielen Bereichen vom
F- und G-Schlüssel ersetzt, die praktisch nur noch in der Form als Violin- und Bassschlüssel
Verwendung finden.
Mensuralnotation
Da die Neumenschrift aus dem Festhalten von Gesängen entstand, die in ihrem Rhythmus
dem lateinischen Sprachfluss folgten, war die exakte Notation von Tondauern noch kein
wichtiges Anliegen. Vor allem für die Niederschrift rein instrumentaler M usik ergab sich aber
bald die Notwendigkeit einer Reform. M it der Einführung der (schwarzen) M ensuralnotation
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im 13. Jahrhundert wurde durch die Verwendung verschiedener Notenwerte auch der
Rhythmus notierbar. Die damaligen Notenwerte hießen M axima, Longa, Brevis, Semibrevis,
M inima und Semiminima, ihr genaues metrisches Verhältnis hing von der verwendeten
M ensur und dem Wert der Nachbarnote(n) ab.
Im 15. Jahrhundert wurde durch die Vergrößerung der Handschriften das Ausfüllen der
Notenköpfe zu aufwändig, es wurde zuviel kostbare Tinte gebraucht, außerdem war das
verwendete Papier dünner und konnte leichter reißen, wenn es zu feucht war: Es entstand die
so genannte weiße M ensuralnotation. Die Schwärzung erfolgte nur noch zur Kennzeichnung
besonders kleiner Notenwerte. Der abgebildete Beginn der „M issa Papae M arcelli“ von
Giovanni Pierluigi da Palestrina ist hierfür ein schönes Beispiel.
Notre-Dame-Epoche
Die Notre-Dame-Epoche (1160/80-1230/50) bildet den Höhepunkt des Organum; die
bedeutendsten Komponisten dieser Epoche waren Leoninus (Leonin) und Perotinus (Perotin).
In den Gesängen der Notre- Dame-Epoche liegt die M elodie meist in einer der unteren
Stimmen. Zugleich entstand hier auch die M odalnotation, mit der Rhythmen aufgezeichnet
werden können. Um 1240 wurde das Organum praktisch völlig von der M otette verdrängt
Leoninus(gest. 1201), Perotinus (gest. 1238),
Organum: (griechisch organon: Werkzeug, Instrument), Spiel- und Kompositionsweise
mehrstimmiger liturgischer Gesänge von 870 bis um 1240; zugleich mittelalterliche
Bezeichnung für M usikinstrumente, besonders Orgeln
Einer M elodie (Vox principalis) wurde eine tiefere Begleitstimme (Vox organalis)
hinzugefügt. Beide Stimmen bewegten sich im Bereich einer Sexte.
Kompositionsweisen:
Organaler Stil:
Gregor. cantus firmus (c.f.) wird in lange orgelpunktartige Haltenoten aufgelöst über dem 3
Oberstimmen in raschen Rhythmen auf- und abschwingen
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Discantus Stil:
melismatische Abschnitte des cantus firmus (c.f.) werden der Rhythmik der Oberstimmen
angepasst
Organum
Organum: (griechisch organon: Werkzeug, Instrument), Spiel- und Kompositionsweise
mehrstimmiger liturgischer Gesänge von 870 bis um 1240; zugleich mittelalterliche
Bezeichnung für M usikinstrumente, besonders Orgeln.
Organum nennt man die erstmals in der anonymen Schrift M usica Enchiriadis (um 870)
gelehrte früheste Form abendländischer M ehrstimmigkeit:
In dieser karolingischen Zeit (Zeit des „alten” Organum, 9. bis 11. Jahrhundert) wurde die
M ehrstimmigkeit liturgischer Gesänge durch parallele Stimmen im Oktav-, Quint- oder
Quartabstand (Diaphonia) bewirkt.
Einer M elodie (Vox principalis) wurde eine tiefere Begleitstimme (Vox organalis)
hinzugefügt.
Beide Stimmen bewegten sich im Bereich einer Sexte.
Bei Guido von Arezzo (M icrologus, um 1025) wurde diese alte Ordnung durch eine neue
Orientierung am Quint-Oktav-System abgelöst.
Das „neue” Organum (11. bis 13. Jahrhundert) kennt bereits gegenläufige und gekreuzte
Stimmen, unterscheidet zwischen konjunkten Klängen (Prim und Oktav) und disjunkten
Klängen (Quart und Quint), erlaubt melismatische Verzierungen der M elodie (Cantus firmus)
und weitet die Anzahl der Stimmen bis auf vier (Quadrupla) aus.
Die Notre-Dame-Epoche (1160/80-1230/50) bildet den Höhepunkt des Organum; die
bedeutendsten Komponisten dieser Epoche waren Leoninus (Leonin) und Perotinus (Perotin).
In den Gesängen der Notre-Dame-Epoche liegt die M elodie meist in einer der unteren
Stimmen. Zugleich entstand hier auch die M odalnotation, mit der Rhythmen aufgezeichnet
werden können. Um 1240 wurde das Organum praktisch völlig von der M otette verdrängt.
Das Wort Organum bezeichnete im M ittelalter auch Instrumente, vorzugsweise Orgeln.
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Isometrie
maßstabsgerechte, dreidimensionale Architekturzeichnung.
Die Isometrie ist als geometrische Darstellung eines Bauwerks ein Spezialfall der
Axonometrie. Sie gibt die Seitenverhältnisse des Baukörpers im gleichen M aßstab und so
auch in gleichwertiger Betonung wieder. Die Tiefenlinien schließen mit der Horizontalen
jeweils einen Winkel von 30 Grad ein. Kreisrunde Bauformen erscheinen in allen drei
Koordinatenebenen als Ellipsen.
Ars nova
(lateinisch neue Kunst), Epoche der M usikgeschichte etwa zwischen 1315 und 1377 (dem
Todesjahr Guillaume de M achauts), die vor allem durch seine Innovationen auf dem Gebiet
der Notation und der M ehrstimmigkeit charakterisiert ist. Der Begriff geht auf eine
gleichnamige Schrift Philipe de Vitrys zurück und wurde in Abgrenzung zur musikalischen
Praxis der Ars antiqua verwendet.
Zentrum dieser M ehrstimmigkeit war Frankreich, ab M itte des Jahrhunderts auch Italien.
Die Verfeinerung der Notation erlaubte auch die Komposition komplizierterer Werke.
Höhepunkt dieser Entwicklung war die
Isoperiodik
 gleiche Periodenteilung in den Stimmen
 nimmt z.T. keine Rücksicht auf den Text
 nimmt keine Rücksicht auf das melodische M aterial
 eine absolut musikalische Gestaltungsweise
Isorythmie
 geht über Isoperiodik hinaus
 sogar Notenwerte der Perioden sind gleich
 absolut rationale Strukturierung von M usik
die in ihrem aufwärts gerichteten Aufbau und der konsequenten Proportionalität auf allen
Ebenen eine Entsprechung zur architektonischen Vertikalität der gotischen Kathedrale
darstellt.
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Neben der führenden Gattung, der
Motette
 eine der wichtigsten Gattungen mehrstimmiger Vokalmusik in der europäischen
M usikgeschichte
 ursprünglich im weltlichen und geistlichen Bereich, später überwiegend in der
Kirchenmusik mit geistlichen Texten.
 Der Ursprung der M otette liegt im frühen 13. Jahrhundert, als die Oberstimmen von
Discantuspartien nachträglich mit rhythmischen lateinischen Texten versehen wurden,
bzw. einzelne Wörter (französisch mots) zu den Oberstimmen hinzugefügt wurden.
gehörten das Diskantlied und der Kantilenensatz (Oberstimmensatz) in Ballade, Rondeau und
Virelai zu den wichtigsten Gattungen.
Darüber hinaus wurden in der Ars nova auch die Ordinariumsteile mehrstimmig gesetzt.
Bekannteste Ordinariumszyklen dieser Epoche sind die so genannte M esse von Tournai und
die M esse von Guillaume de M achaut.
Neben M achaut zählt Philipe de Vitry zu den führenden Komponisten dieser Epoche.
Tridentinum
Tridentiner Konzil (Trient 1545-63)
 kirchenmusikalische Forderungen der Gegenreformation formuliert
 Konzil ließ mehrstimmige M usik (Figuralmusik) trotz Verbotsanträgen in der Kirche
zu verlangte aber:
1. Textverständlichkeit
 wurde erreicht durch homophone deklamierende (Text kunstvoll, ausdrucksvoll
vortragen; (mus.) auf Wortverständlichkeit bedacht singen; überbetont, pathetisch
sprechen ) Partien bei dichtem Text, während man den polyphonen Stil bei wenig Text
(wie Sanctus oder Amen) beibehielt
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2. Würde im Ausdruck
 richtet sich gegen die affektgeladene (Affekt: heftige Erregung, Gemütsbewegung
unter Ausschaltung von Hemmungen) madrigaleske (M adrigal: mehrstimmiges
Vokalstück des 16. Jhdts. ) Kompositionsweise
3. Ausschluss von weltl. c.f. und Parodie
 (Ersetzen des Originaltextes einer Komposition) in den M essen; dieser Punkt hat sich
nur anfangs durchgesetzt ( zahlreiche Parodiemessen bei Palestrina und Lasso)
Der Palestrinastil
Das Werk Palestrinas galt als Höhepunkt der Vokalpolyphonie
Kennzeichen:
1. Selbständigkeit der Stimmen im polyphonen Gewebe, in ausgewogenem Wechsel mit
homophonen Partien
2. sangliche M elodik, Sekundbewegung überwiegt, auf Sprünge folgt Richtungsänderung
mit Sekunden
3. ruhige Bewegung, wobei die unterschiedlichen Rhythmen der Einzelstimmen sich zu
einem gleichmäßigen Ablauf ergänzen
4. ausgewogene Harmonik bei Vorherrschen des konsonanten Dreiklanges, dessen
Grundton meist im Bass liegt (konsonante Intervalle Prime, Terz, (Quarte), Quinte,
Sexte, Oktave)
5. behutsame Verwendung von Dissonanzen (Sekunde, (Quarte), Septe, alle
übermäßigen und verminderten Intervalle)
6. überwiegend 5-und 6 stimmiger Satz, voller Klang mit Gruppierung der Stimmen zu
Klangwechseln
7. oft gregor. Choral als cantus firmus (im Tenor)
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