Urteil vom 06.02.2008 - Landesarbeitsgericht - Sachsen

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Urteil vom 06.02.2008 - Landesarbeitsgericht - Sachsen
Aktenzeichen:
Verkündet am: 06.02.2008
5 Sa 366/07
3 Ca 61/07 E
ArbG Halberstadt
Schwabe, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT
SACHSEN-ANHALT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungskläger Prozessbevollmächtigter:
gegen
- Beklagte und Berufungsbeklagte Prozessbevollmächtigter:
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht
als Vorsitzenden, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter als Beisitzer für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt
vom 06.06.2007 – 3 Ca 61/07 – abgeändert.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.486,60 € brutto nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2007 sowie weitere 262,40 € brutto
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung nach dem Tarifvertrag
zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe.
Der Kläger war aufgrund eines mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrages
bei einer Fa. C
S
GmbH in Braunschweig vom 22. 5. bis einschließ-
lich 14. 11. 2006 beschäftigt. Kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung waren der
BRTV Bau sowie der Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe
vom 29. 7. 2005 anzuwenden. Die Beklagte hat den Kläger ausweislich der Abrechnungen für Mai bis November 2006 auf der Basis der Lohngruppe 1 für Tätigkeiten in den alten Bundesländern vergütet (Bl. 9 bis 14 d. A. und Bl. 23 d. A).
Der Kläger hat mit Schreiben vom 10. 11. 2006 erfolglos die Zahlung entsprechend der Lohngruppe 2 geltend gemacht.
Mit seiner am 18. 1. 2007 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger
nunmehr die Zahlung der Differenz zwischen Lohngruppe 1 und Lohngruppe 2 des
Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe.
Der Kläger hat behauptet, er sei mit der Arbeitsaufgabe Einschalen von der Beklagten eingestellt worden. Dies ergebe sich auch aus dem Einsatzplan für die
Firma C
S
GmbH in Braunschweig (Bl. 8 d. A.). Seine Arbeitaufgabe
sei „Einschalen“ gewesen. Auch der Arbeitnehmer T
B
habe Entgelt
nach Lohngruppe 2 erhalten. Er, der Kläger, habe dieselben Tätigkeiten ausgeführt wie T
B
.
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Konkret habe er während des streitbefangenen Zeitraumes zu 80 % Schalungstätigkeiten ausgeübt, nämlich Bandschalungen mit dem Doka-System, Randabschalungen, selbständiger Zuschnitt von Kanadaplatten zum Zwecke der Einschalung
sowie Ausschalungen von Wänden und Decken. Des Weiteren habe er zu ca. 20
% Einbringungs- und Verdichtungsarbeiten von Beton als auch Verlegen von Deckenplatten nach Plan vorgenommen. Dementsprechend habe er Anspruch auf
Vergütung nach Lohngruppe 2, da er die Regelqualifikation, nämlich die baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe, besitze und im Übrigen entsprechend den Tätigkeitsbeispielen Ziff. 12 als Schalungsbauer (Einschaler) beschäftigt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.486,60 € brutto nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 262,40 € brutto nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass der Kläger in überwiegendem Maße mit Einschalungstätigkeiten beschäftigt gewesen sei. Entsprechend einer Entscheidung des
Arbeitsgerichtes Magdeburg sei jedoch Voraussetzung für die Zahlung nach
Lohngruppe 2, dass der Kläger überwiegend Tätigkeiten der begehrten Lohngruppe ausgeübt habe. Der Anteil der Tätigkeiten der höheren Lohngruppe müsse zeitlich überwiegen. Aus dem bisherigen Vorbringen des Klägers sei nicht zu entnehmen, welche konkreten Leistungen er in welchen zeitlichen Abschnitten ausgeführt
haben will. Dementsprechend ergebe sich schon aus diesem Grund kein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Lohngruppe 2, da bisher nicht zu entnehmen
sei, dass tatsächlich die von ihm ausgeübte Tätigkeit zu einem überwiegenden
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Teil dieser Lohngruppe zuzuordnen sei, insbesondere, wie von ihm behauptet, er
Einschalungsarbeiten ausgeführt habe.
Mit Urteil vom 6. 6. 2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen mit der –
kurz zusammengefassten – Begründung, der Kläger habe keinen Anspruch auf
Zahlung der Vergütung nach Lohngruppe 2 des Tarifvertrages zur Regelung der
Mindestlöhne im Baugewerbe vom 29.07.2005, da dem Vorbringen des Klägers
nicht hinreichend zu entnehmen sei, dass er tatsächlich zu einem überwiegenden
Teil Tätigkeiten der Lohngruppe 2, das heißt wie von ihm behauptet, Tätigkeiten
als Schalungsbauer (Einschaler) wahrgenommen habe.
Gegen dieses ihm am 18. 6. 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. 7. 2007
Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
bis zum 20. 9. 2007 an diesem Tage begründet.
Er, der Kläger, habe Anspruch auf Vergütung gem. Lohngruppe 2, denn er sei als
„Bauarbeiter“, nicht als Bauhelfer, Hilfsarbeiter oder Werker eingestellt worden.
Auch habe er Tätigkeiten ausgeführt, die die Eingruppierung in die Lohngruppe 2
begründeten. Dort werde unter Ziff. 12 als Tätigkeitsbeispiel auch der „Schalungsbauer (Einschaler)“ benannt. Er habe zu 80 % seiner Tätigkeit Einschalertätigkeiten nach näherer Maßgabe seines Vortrags in seiner Berufungsbegründung (Bl.
99 bis 106 d. A.) erbracht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt (3 Ca 61/07 E) vom 06.06.2007
wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a) Euro 1.486,60 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit der Klage und
b) Euro 262,40 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit der Klageerweiterung
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zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 06.06.2007 – Az.: 3 Ca 61/07 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte begründet ihren Berufungszurückweisungsantrag mit dem Vortrag,
der Kläger habe im streitbefangenen Zeitraum keine Facharbeitertätigkeiten ausgeführt. Er sei als „Bauarbeiter“ eingestellt worden, was bedeute, er sei gerade
nicht als „Baufacharbeiter“ eingestellt worden.
Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Vergütung nach Lohngruppe 2 des
Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe vom 29. 7. 2005 in
unstreitiger Höhe wie vom Kläger geltend gemacht, weil die Beklagte ihn als „Baufacharbeiter“ eingestellt hat.
Zwar weist der Arbeitsvertrag die Bezeichnung „Bauarbeiter“ aus. Diese entspricht
aber keiner Bezeichnung des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im
Baugewerbe vom 29. 7. 2005 unmittelbar. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung
bedarf deshalb der Auslegung.
II. Dieser Tarifvertrag weist nur zwei Lohngruppen aus.
1. Nach Lohngruppe 1 werden beispielsweise vergütet
Werker/Maschinenwerker mit Tätigkeit „einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung; einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen und Geräten nach Anweisung; eine Regelqualifikation ist nicht erforderlich.
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2. Nach Lohngruppe 2 werden beispielsweise vergütet
fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung mit der Regelqualifikation baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe z. B. in dem Tätigkeitsbeispiel 12: Schalungsbauer (Einschaler)
- Zurichten von Schalungsmaterial und Bearbeiten durch Sägen und Hobeln
- Herstellen von Schalplatten
- Zusammenbauen und Aufstellen von Schalungen nach Schalungsplänen sowie
Ausschalen.
3. Der Kläger besitzt unstreitig die tarifliche Regelqualifikation.
Zudem ist auszulegen, welche der beiden – allein in Frage kommenden - Qualifikationsstufen der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag zuzuordnen ist. Dort ist der
Kläger als „Bauarbeiter“ eingestellt worden. Im Vergleich der Anforderungen der
Lohngruppen 1 bzw. 2 ist festzustellen, dass die Bezeichnung „Bauarbeiter“ eher
die Lohngruppe 2 als die Lohngruppe 1 umfasst. Wäre eine Beschäftigung nach
Lohngruppe 1 gewollt, hätte die Bezeichnung „Werker“ (entsprechend Tarifvertrag)
Oder „(Bau-) Helfer“ nahe gelegen, was nicht erfolgt ist.
Wenn die Beklagte darauf abstellen will, dass der Kläger nicht als „Baufacharbeiter“ eingestellt worden ist, so ist darauf hinzuweisen, dass die Lohngruppe 2 eben
keine Baufacharbeiterausbildung voraussetzt und auch keine Baufacharbeitertätigkeiten erfordert, sondern die Regelqualifikation „baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe“ sowie „fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines
Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung“. Deshalb entspricht die Bezeichnung „Bauarbeiter“ deutlich eher den Voraussetzungen der
Lohngruppe 2 als denjenigen der Lohngruppe 1, so dass schon die Auslegung des
Vertrages ergibt, dass die Parteien ein der Lohngruppe 2 entsprechendes Arbeitsverhältnis vereinbart haben.
4. Daraus folgt ein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Lohngruppe 2 und
ebensolcher Beschäftigung. Beschäftigt die Beklagte den Kläger mit geringerwertigen Arbeiten, wie sie vorliegend behauptet, so berührt dies den vertraglichen
Vergütungsanspruch des Klägers nicht. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Klä-
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ger tatsächlich Tätigkeiten nach Lohngruppe 2 erbracht hat oder nicht. Wäre dem
nicht so, wäre es Sache der Beklagten gewesen, dem Kläger entsprechende Tätigkeiten zuzuweisen.
5. Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs ist nicht streitig.
Deshalb ist der Klage in vollem Umfang stattzugeben, das arbeitsgerichtliche Urteil dementsprechend abzuändern.
III. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu
tragen.
Rechtsmittelbelehrung
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Gegen diese Entscheidung ist deshalb ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit,
gemäß § 72 a ArbGG Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, wird hingewiesen.

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