Schweizerdeutsch – zu herzig für Gangster-Rap?

Transcription

Schweizerdeutsch – zu herzig für Gangster-Rap?
kenzeichen
Aktuell
Creation – Chorkonzert an der KEN
Berichte
Die fiesen Fälle des Deutschen
Fokus
Schweizerdeutsch –
zu herzig für Gangster-Rap?
kenatur
kenzeichen 03/08
Eine vergessene Weltsprache
Info-Magazin der Kantonsschule Enge Zürich
kenzeichen 03/08
I n h a lt
Editorial
Urs Bigler
Rek tor at
>> Generationenwechsel
4
Foto: Urs Bigler
2
Beat Wüthrich, Rektor
Aktuell
>> Creation 5
Rebecca Blum (W1c)
Berichte
>> Austauschschüler/innen an der KEN – oder die fiesen
Fälle des Deutschen
7
Leonie Hiller (N4d)
Fokus
>> Unsere Generation – unsere Sprache
8
Stefan Brader (W3c)
>> Schweizerdeutsch – zu herzig für Gangster-Rap?
9
Marco Büsch (W3b)
Gesichter
>> Jürg Dreifuss
10
hintergrund
>> «Debattieren und missionieren» – ein Interview mit
H. Spuhler und M. Zanoli
11
Fabian Lehner (W3b)
>> Politik am Mittag: Jositsch gegen Heer
12
Rebecca Blum (W1c)
k en at ur
>> Eine vergessene Weltsprache, die das Herz höher
bzw. besser schlagen lässt.
13
Andreas Haag
>> Paradoxien und Schnittstellen
14
René Bucher
Buchtipp
>> Die beiden Besten?
15
Stefan Brader (W3c)
Termine 2008
>> Juli–Oktober
16
Impressum:
Info-Magazin der
Kantonsschule Enge Zürich
www.ken.ch/kenzeichen
Nr.3, Juli 2008
Kantonsschule Enge
Redaktion kenzeichen
Steinentischstrasse 10, 8002 Zürich
Herausgeber: KEN-Media
([email protected])
Auflage: 1300 Exemplare
Redaktion: Urs Bigler, Jürg Dreifuss
Bildredaktion: Andreas Haag
Layout: Markus Kachel
Druck: Bader+Niederöst AG
Titelbild : Urs Bigler
3
Editorial
Das kenzeichen hat ein neues Kleid bekommen, das Handörgeli-Format hat ausgedient. Zu diesem Schritt bewogen hat uns vor allem der Wunsch, den starren Rahmen von acht Seiten aufzubrechen und Berichte und Fotos nicht mehr zuerst mit
der typografischen Presse herzurichten. Und gewiss ein bisschen Eitelkeit. Denn
spätestens nach der Lektüre von Gottfried Kellers Novelle Kleider machen Leute wissen wir, wie wichtig eine angemessene Aufmachung ist.
Dass wir Sie, liebe Leserin und lieber Leser, allerdings an der Nase herumführen wie
Wenzel Strapinski, befürchten wir jedoch nicht. Denn Texte – unsere Hauptcharaktere – sind ehrliche Naturen. Sie können Unwahrheiten vor einem kritischen Auge
nicht lange verbergen und sie sind schlechte Verstellungskünstler. Immer haftet ihnen etwas von unseren Gemütszuständen an, in denen sie entstanden sind. Etwas,
das sich mit keinem Werkzeug aus den Worten herausschälen lässt und grundehrlich
ist. Haben wir einen starken Mitteilungsdrang, so können die Sätze wie gemästete
Würgeschlangen auf dem Blatt liegen. Stecken wir in einem Tief, so pfeift die Logik gelegentlich verloren zwischen Verb und Subjekt hervor und stehen die Kommas, wenn sie nicht ganz vergessen gehen, wie Stolpersteine in der Textlandschaft.
Sprühen wir aber vor Lebensfreude, mögen die Metaphern Purzelbäume schlagen,
dass es dem Leser recht schwindlig werden kann.
Sollten die Auswüchse allerdings grassieren, schreitet der Redaktor ein. Er streicht
an, streicht durch und formuliert neu. Selbstverständlich stets bemüht, einem Text
die Natur nicht zu nehmen und ihn als das zu belassen, was er im Grunde ist: ein
Fingerabdruck der Seele in der Zeit. Das, was unter anderem den Reiz eines Textes
ausmacht, sprachlichen Reichtum beschert und uns in einsamen Stunden Gesellschaft leistet.
Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen erhält der Begriff «Sprachenvielfalt» –
das Leitthema dieser Ausgabe – eine zusätzliche Dimension. Vielfältig sind nicht
nur die Fremdsprachen, die an einer Schule wie der KEN täglich gebraucht werden,
vielfältig sind auch die unzähligen Produktionen innerhalb der Muttersprache – seien dies Reden, Vorträge, Aufsätze und andere Äusserungen. Sie alle atmen die Seele
ihrer Schöpfer und sind somit unverwechselbarer Ausdruck von Persönlichkeit.
Ich hoffe, Sie mit diesen Gedanken ein wenig gluschtig auf die «Hauptcharaktere»
dieser Nummer gemacht zu haben, und wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.
Urs Bigler
4
kenzeichen 03/08
R e k t o r at
Generationenwechsel
Nun ist es da, das neue kenzeichen! Die erste Generation
des Dreimonatejournals hat sich wacker geschlagen und
den Zweck, über Topaktuelles, Laufendes und Interessantes, manchmal auch Seltsames an der Kantonsschule Enge
zu berichten, ausgezeichnet erfüllt.
Die zweite Generation ist erwachsener, umfangreicher und
wohl noch professioneller geworden. Das neue praktische
A4-Format und die höhere Seitenzahl ermöglichen es,
nicht nur mehr Beiträge in die einzelnen Ausgaben einzubeziehen, sondern diese auch intensiver zu illustrieren
und zu einzelnen Themen mehr Hintergrundinformation
zu liefern. Das weiterentwickelte Layout der Informationsbroschüre korrespondiert in seiner Ästhetik mit der
Absicht der Schule und den Redaktoren, dem kulturellen
Anspruch der KEN in verstärktem Masse gerecht zu werden.
Ich wünsche unserem neuen Medienkind gutes Gelingen!
Generationenwechsel auch in der Redaktion der Haus­
postille! Nach Peter Tobler und Jürg Dreifuss, ohne die
der Erfolg der ersten kenzeichen-Generation nicht denkbar
wäre, bilden nun Urs Bigler und Andreas Haag die neue
Chefredaktion. Den ersteren danke ich ganz herzlich für
die intensive Aufbauarbeit und das Herzblut, das sie in das
Unternehmen haben fliessen lassen, den letzteren wünsche ich für die kommenden Ausgaben im neuen Kleid viel
Erfolg!
Auch andere Generationenwechsel prägen die aktuelle
Schuljahreszeit. Die dritten Handelsmittelschul- und Informatikmittelschulklassen sind mit den Abschlussprüfungen an der Ziellinie ihrer mittelschulischen Bildungsphase angelangt. Mit dem erworbenen Diplom treten HMSler
in das Berufsleben ein und wenden sich dem Erwerb der
Berufsmaturität zu. Die IMSler werden nach den Sommer­
ferien ebenfalls ihre erste berufliche Anstellung antreten
und gleichzeitig das letzte Lehrjahr als Informatiker/innen in Angriff nehmen.
Die Maturandinnen und Maturanden der vierten Gymnasial­
klassen stecken mittendrin in den Reifeprüfungen und
freuen sich auf den erfolgreichen Abschluss ihrer Kantizeit. Viele haben sich ihren Studienplatz schon gesichert,
andere wenden sich einem Zwischenjahr zu, je nach dem
mit oder ohne Rekrutenschule. Eine weitere Generation,
welche die KEN verlässt. Allen, welche unsere Schule erfolgreich absolviert haben, gratuliere ich schon jetzt ganz
herzlich zum erreichten Ziel!
Doch die neue Generation ist schon bezeichnet. Um die
300 Jugendliche, verteilt auf 13 erste Klassen, werden
nach den Sommerferien zur Probezeit antreten. Es ist mir
ein Anliegen, ihnen allen viel Kraft und Ausdauer in den
gewiss nicht einfachen Wochen zu wünschen. Und natürlich eine befriedigende Ausbildungszeit an der Kantonsschule Enge!
Auch eine Art neue Generation stellt unser Schulprogramm
dar, welches erstmals einen Akzentlehrgang «Enge global»
anbietet. Es geht dabei darum, während der ganzen vier
Jahre auf allen Stufen ein besonderes Gewicht auf internationale Beziehungen und Entwicklungszusammenarbeit
sowie auf Nachhaltigkeit zu legen.
Schliesslich kann auch in der Leitung des Gesamtkonvents
der Lehrerschaft von einem Generationenwechsel gesprochen werden. Ab nächstem Semester wird die Konventsleitung nicht mehr in den Händen des Rektors liegen.
Wie an anderen Kantonsschulen üblich, wird das Konventspräsidium von einem nicht der Schulleitung angehörigen
Mitglied des Konvents ausgeübt werden. Bei uns wurde
Frau Nicole Brockhaus ehrenvoll zur Konventspräsidentin
gewählt. Sie wird unterstützt werden vom neuen Konventsvizepräsidenten Herrn Stephan Giess.
Beiden wünsche ich bei der Leitung unseres Gesamtkonvents eine gute Hand!
Beat Wüthrich, Rektor
5
Aktuell
Creation
Am 16. Mai wurde in der Aula der Kantonsschule Enge Zürich das Chorkonzert Creation
aufgeführt. Rebecca Blum berichtet von ihren Erfahrungen als Sängerin. (Red.)
Erst kurz vor den Frühlingsferien erfuhren wir Erst- und Zweitklässler/innen, dass auch wir
am Creation-Konzert teilnehmen würden, an einem Konzert, für das die Dritt- und Viertklässler/innen schon Monate zuvor zu üben begonnen hatten.
Zuerst hatten wir riesigen Respekt vor dieser Herausforderung und dachten, dass wir in
der vorgesehenen Zeit nie das erforderliche Niveau erreichen würden. Doch Herr Jäger
und auch Herr Castellini versuchten uns immer wieder davon zu überzeugen, dass wir zum
gesteckten Ziel gelangen würden, und übten mit uns über Wochen hinweg unermüdlich.
Zu Beginn wollte es mit einzelnen Liedern nicht klappen, die Melodien schienen uns nicht
in den Kopf zu gehen. Doch je länger wir übten, desto sicherer wurden wir, und Lieder, die
einst nur mühsam zu singen waren, machten auf einmal richtig Spass. So verging die Zeit im
Nu, und plötzlich war der 16. Mai gekommen, der Tag des Konzerts. Nicht nur Schüler/innen
der KEN standen im Chor, sondern auch diverse Sänger/innen, die in den letzten 20 Jahren
schon an einem der Creation-Konzerte mitgewirkt hatten, darunter auch die ehemalige KENSchülerin Maya Boog.
Wir sangen und sangen und wurden bei jedem Lied sattelfester. Am Schluss war nur noch
tosender Applaus zu hören.
Rebecca Blum (W1c)
kenzeichen 03/08
Die Proben zum Chorkonzert Creation – einige Bilder
Fotos: Andreas Haag
6
7
Berichte
Austauschschüler/innen an der KEN
W
ir Schweizer sind pünktlich, verschlossen und haben ein grosses ÖV-Netz.
Man wird sich am besten
der eigenen Art bewusst, wenn man sich
mit anderen vergleicht. Oder wenn man
auf gewisse Eigenschaften hingewiesen
wird. Das widerfuhr mir in der Deutschstunde von Frau Soriani. Sie unterrichtet
gegenwärtig vier Austauschschüler aus aller Welt, und das zweimal in der Woche.
Als ich die Gruppe besuche, erlebe ich eine
unerwartet gesprächsfreudige und lustige
Runde. Rusti, ein Amerikaner aus Boston,
kann nicht mehr aufhören mit Erzählen.
Frau Soriani gibt ihm genau zehn Minuten. Sonst komme gar niemand mehr
an die Reihe, meint sie lächelnd. Und so
schöpft Rusti seine zehn Minuten voll aus
und erzählt euphorisch von der Europa­
reise, die er mit dem Rotary-Club erlebt
hat. Dass er dabei munter über die fiesen
Fälle des Deutschen stolpert, stört Rusti
nicht im Geringsten. Man merkt, dass er
schon ein wenig mehr Sprecherfahrung
hat als die anderen drei – immerhin naht
schon bald das Ende seines Austauschjahres hier in der Schweiz. Es scheint ihm
sehr gut gefallen zu haben. Er meint zwar,
dass sich die Schweizer schon ein bisschen
zurückhaltend und streng verhielten und
im Vergleich mit den Südamerikanerinnen, die er auf der Europareise kennen
gelernt habe, nicht ganz so «lustig» seien. Trotz allem hat er eine Menge guter
Freunde gefunden und schätzt es, dass er
sich ihnen schnell und unkompliziert für
Foto: Jürg Dreifuss
– oder die fiesen Fälle des Deutschen
den Ausgang anschliessen kann. Was ihn
sehr erstaunt, ist das riesige ÖV-Netz. In
seinem Land sei das ganz und gar nicht
so gut ausgebaut. Dort, wo er herkomme,
gebe es einen Zug, der alle paar Stunden
in die Stadt fahre.
Linda, eine Taiwanesin, findet es auffällig,
dass es in der Schweiz – im Vergleich mit
Taiwan – so wenig Leute mit schwarzen
Haaren gebe. Und Erin, eine Kanadierin
aus British Columbia, mag den Ausgang
in Zürich. Sie findet es toll, dass man in
der Schweiz auch in den Ausgang kann,
wenn man noch nicht 19 ist. Auch diese
beiden unterhalten sich problemlos mit
mir auf Deutsch, obschon sie ihr Jahr hier
noch nicht beendet haben.
Masslos erstaunt mich Martín, ein Paraguayaner, der sich sehr gewandt auf
Deutsch ausdrückt – und das, obwohl er
erst drei Monate hier in der Schweiz verbracht hat und ausser einem selbst gekauften Deutschbuch noch nie etwas mit
unserer Sprache zu tun gehabt hat. Martín
schloss seine Schule in seiner Heimat ab
wie Linda und Rusti. Er hat vor, nach seinem Zwischenjahr in Zürich wieder in die
Schweiz zu kommen, um zu studieren. In
Paraguay habe er nicht so gute Zukunftsaussichten wie bei uns. Und das, obschon
er dort eine Privatschule besuchte und
daher bessere Voraussetzungen mit sich
bringt als jene Schüler, die an einer staatlichen Schule unterrichtet wurden. Auch
in Kanada, so weiss Erin zu berichten,
bestehe ein sehr grosser Unterschied zwischen staatlichen und privaten Schulen.
In British Columbia herrsche zwar keine
strikte Kleiderordnung, aber T-Shirts, die
zu viel Haut zeigten, seien auch an ihrer
Schule nicht erlaubt. Die für uns eventuell ein wenig konservative Haltung offenbart sich des Weiteren darin, dass jeden
Montag­morgen die kanadische Nationalhymne gesungen wird.
Trotz allen kleinen und grossen Unterschieden scheinen die vier sehr guten
Anschluss gefunden zu haben. Verteilt
auf dritte Klassen der KEN, besuchen sie
ganz normal den Unterricht und bleiben
nur den Fremdsprachenlektionen fern.
Wie man hört, hat der intensive Kontakt
mit den Schweizern auch Einfluss auf
das Deutsch der Austauschschüler/innen. Rusti zum Beispiel spricht schon fast
Schweizerdeutsch, und auch Martín versteht nach seinen drei Monaten Schweiz
ein wenig «Züridütsch».
Es ist erstaunlicherweise für alle vier keine Frage gewesen, Deutsch in der Schweiz
und nicht in Deutschland zu lernen. Nebst
der EM spielten der Bekanntheitsgrad und
die Schönheit des Landes eine Rolle für
ihren Entscheid.
Diese vier aufgestellten und interessanten
jungen Menschen werden in der Schweiz
mit Sicherheit noch eine Menge neuer
Dinge kennen lernen. Und so, wie sie von
uns und unserer Andersartigkeit profitieren, werden auch wir dazulernen. Von
ihnen. Und ihrer Mentalität.
Leonie Hiller (N4d)
8
kenzeichen 03/08
Fokus
Unsere Generation
– unsere Sprache
«Heb mal d’Fressi, du dumme Siech!»
Jede Generation versucht sich abzugrenzen. Dies geschieht mit verschiedensten Mitteln.
Doch meist ist das Instrument die Sprache der Jugend. Wie aber entsteht diese? Was für
Auswirkungen hat sie? Eine Bestandesaufnahme.
Es ist Freitagmittag. Die grosse Halle in der Kantonsschule ist voll, an einem Tisch haben
sich zwei Schüler und eine Schülerin niedergelassen. Sie diskutieren ihre Abendplanung.
Da kann es auch einmal so tönen:
«I de Scheissclub gat kein Sack meh, döt sind nume ungfickti Losers!»
«Alte, los doch mal, de Sebi het gseit, d’Bitches sind andersch spitz!»
Die anwesende Dame mischt sich vorsichtig ein:
«Hey, das Züg stimmt im Fall gar nöd, wo de Sebi usegschisse het, d’Marina isch au debi gsi
und hets arschlangwiilig gfunde.»
«Ah, chumm, d’Marina het kei Ahnig»
«Heb mal d’Fressi, du dumme Siech! »
«Jungs, nehmeds isi, wo ane gömer jez?»
«Mir ischs scheissegal…msn nachher?»
«Ok, cu!»
Fotos: Andreas Haag
Marco Büsch, Stefan Brader und
Jürg Dreifuss bei der Arbeit
In solchen Situationen wird man gezwungenermassen mit der Jugend und somit auch mit
ihrer Sprache konfrontiert. Nun kann man sich entweder hinter einer Mauer der Ignoranz, der
Verurteilung oder gar der Abscheu verstecken, was sicherlich die einfachere Variante ist.
Oder man kann zuhören und sich Gedanken über die Beweggründe der Jugendlichen für die
Formung einer eigenen Sprache machen.
Halten wir fest, wodurch sich dieser kurze Dialog auszeichnet: 1. Derbe Sexualisierung («ungfickti Losers», «d’Bitches»), 2. Fäkalausdrücke («Scheissclub», «usegschisse», «scheissegal»), 3. Aggressivierung («Heb mal d‘ Fressi, du dumme Siech!»).
Gewiss könnte man in Anbetracht dieses Sprachgebrauchs ratlos werden, wenn man ihn
isoliert betrachtet, ohne den Kontext. Und dieser ist wichtig. Denn im Grunde meinen es die
Jugendlichen nicht wirklich ernst, sie nehmen keinen Anstoss, wenn sie derb oder aggressiv
angesprochen werden. Der Reiz dieser Art von Sprache, so vermute ich, besteht darin, nicht
so miteinander zu verkehren, wie dies die braven Erwachsenen tun. Darüber hinaus darin,
«cool» zu sein. Und vielleicht den Kitzel zu spüren, bei diesem Sprachgebrauch erwischt und
von diesen so braven Erwachsenen gar zurechtgewiesen zu werden.
Jede Generation möchte wohl nicht so werden wie die vorhergehende. Und dafür muss sie
Mittel und Wege finden.
Stefan Brader (W3c)
9
Schweizerdeutsch
– zu herzig für
Gangster-Rap?
Der Schweizer Rap hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt.
Er hinkt zwar immer noch seinem grossen Bruder, dem deutschen
Rap, hinterher, geniesst aber immer mehr Aufmerksamkeit in den
hiesigen Medien. Thematisch schlägt er meist einen ganz anderen Weg ein als der deutsche Rap. In der Schweiz hat der Rap-Stil
Erfolg, der überall als Studenten-Rap verschrien ist. Sein Markenzeichen: Selbstironie. In Deutschland hingegen wird das RapBusiness zurzeit noch von Gangster-Rappern aus dem Ghetto und
unantastbaren Supermännern regiert.
20 Minuten schreibt, dass sich der deutsche Gangster-Rapper Bushido mit seinem Album «7» auf Platz 2 der Schweizer Musikcharts
habe platzieren können. Die Frage drängt sich auf, ob sein Stil auch
in der Schweiz Erfolg haben könnte. Dafür spricht, dass dies auch
ohne typischen Ghetto-Hintergrund möglich wäre, schliesslich sind
Ghettos in Deutschland auch nur in den Grossstädten zu finden und
auch dort sind sie in keiner Weise mit denen in den USA zu vergleichen. Dagegen spricht: der Sprachunterschied.
Der Laie wird hier wohl denken, dass es gar keinen grossen Unterschied gebe zwischen dem Texten auf Hochdeutsch und jenem auf
Schweizerdeutsch, aber aus eigener Erfahrung als Rapper kann ich
sagen, dass dieser Unterschied frappant ist. Der Klang des Hochdeutschen ist natürlich ganz anders, es gibt auch viel mehr Wörter
im deutschen Sprachgebrauch als im schweizerdeutschen. Als Rapper fällt einem auch schnell mal auf, dass das Schweizerdeutsche
mit seinen vielen «äs», «ös» und «üs» reimtechnisch viel geringeren
Variantenreichtum bietet . Auch werden die Wörter weicher ausgesprochen, mit weniger Ecken und Kanten. In diesem Fall kommt das
Zürichdeutsche dem Hochdeutschen noch am nächsten, die Berner
hingegen haben eine sehr weiche Sprache sowie auch die Bündner.
Diese weiche Sprache könnte man auch als «herzig» auffassen - und
welcher Gangster-Rapper will schon «herzig» oder süss sein. Dies
wirkt dann schnell einmal lächerlich, was auch nicht das Ziel eines
Gangster-Rappers sein kann. So beginnen sich die meisten Schweizer Rapper mit einer gewissen Selbstironie darzustellen, um darüber hinwegzutäuschen , dass man mit einer weichen Sprache schwer
über harte Dinge sprechen kann. Es verwundert daher nicht, dass die
Schweiz nur wenige Künstler kennt, die sich im Gangster-Rap einen
10
kenzeichen 03/08
Gesichter
Jürg Dreifuss
Foto: Andreas Haag
«…ob ich der Rektor sei?»
Rap auch an der KEN - Stephan Schönholzer ( W4a)
während der Präsentation seiner Maturitätsarbeit
Jürg Dreifuss verlässt die Redaktion des kenzeichens per
Ende Semester. Ein Abschiedsinterview.
Foto: Urs Bigler
24 Ausgaben unserer Schulzeitung hast du massgeblich
mitgestaltet. Kannst du dich an zwei besondere bzw.
lustige Erlebnisse erinnern?
Namen gemacht haben. Zu ihnen gehört der Basler Rapper Griot,
der schon früh auffiel mit seinen harten Texten, in denen er völlig frei von Ironie von seinem Dealer-Leben erzählt. Ein anderer
Rapper, der sich auch etwas gangstermässig gibt, ist Dezmond
Dez. Dieser bewegt sich aber stets auf schmalem Grad zwischen
Ironie und schonungslos hartem Realismus.
Schliesslich kann man sagen, dass sich der Gangster-Rap in der
Schweiz aus den erwähnten Gründen wahrscheinlich nicht durchsetzen wird. Das wird viele freuen, da doch die restlichen Sparten im Rap viel mehr zu bieten haben als der sich ewig selbstinszenierende Gangster-Rap.
Bushido: www.kingbushido.de
Griot: www.myspace.com/griotbrewzbana
Dezmond Dez: www.myspace.com/zoeboydez/
www.optikschweiz.ch
Marco Büsch (W3b)
www.myspace.com/voedijohnrecords
Zwei Erlebnisse kommen mir spontan in den Sinn: Da
ich jeweils die Leitartikel zum kenzeichen schrieb, erschien auf der Frontseite immer auch mein Konterfei.
So kam es, dass eine Austauschschülerin mich eines Tages fragte, ob ich der Rektor der Schule sei. Ich sorgte
umgehend dafür, dass in den folgenden Ausgaben
das Bild eines anderen Redaktors auf der ersten Seite
prangte...
Ein zweites Erlebnis liegt noch nicht so lange zurück,
ziemlich genau ein Jahr. Und zwar las ich den Abschiedsartikel von Peter Tobler, mit welchem zusammen ich das Schulblatt vor sechs Jahren gegründet
hatte. Darin erklärte er ausführlich, warum er den Namen kenzeichen gewählt und was er damit beabsichtigt
habe. Ich las den Text nochmals. Nicht ohne Staunen.
Denn ich glaube mich noch recht genau daran zu erinnern, dass ich es war, der vor sechs Jahren eine Liste
mit möglichen Namen für die Zeitung angefertigt und
den Gründungsmitgliedern zur Auswahl unterbreitet
hatte. So rangierten auch die Bezeichnungen KENtauer
und ErKENtnis auf der der Liste. Besonders der Name
KENtower bot die Möglichkeit, sowohl auf die Architektur als auch auf die Mythologie anzuspielen. Wessen
Gedächtnis auch immer sich täuschen mag: Die trügerische Erinnerung ist der beste Beweis dafür, dass sich
der Name kenzeichen bewährt hat – nomen est omen
– und die Schulzeitung heute wirklich zu einem der
Kennzeichen der Schule geworden ist.
11
hintergrund
Mit deinem Abschied von der Redaktion fällt der Wechsel des Formats
zusammen. Findest du es schade, dass das alte Kleid ausgedient hat?
Eine gewisse Ironie des Schicksals ist, dass sich das Acht-Seiten-Format
ebenso lange gehalten hat wie meine Mitarbeit am kenzeichen. Dies
besonders deshalb, weil ich nie ein Freund der unhandlichen und fixen Umfangrösse gewesen bin. Für jede Ausgabe ist mir entweder zu
viel oder zu wenig Material zur Verfügung gestanden. Immer bin ich
gezwungen gewesen, die Artikel dem Umfang künstlich anzupassen.
Aber dies wird ja nun endlich besser. Neu ist nicht nur der Umfang veränderbar. Auch die Druckqualität ist mit vier Farben deutlich besser.
«Debattieren und
missionieren»
– ein Gespräch mit Hans Spuhler
und Marco Zanoli
Fabian Lehner (W3b) befragte Hans Spuhler und Marco
Zanoli zu ihrem Engagement für Politik am Mittag.
Apropos Farben und Gestaltung. Was war für dich der Reiz beim
Gestalten des kenzeichens?
Erklären Sie uns doch ganz kurz, was Politik am Mittag
genau ist.
Eine gewisse Herausforderung bestand darin, eine für alle Leser interessante Zeitung zu kreieren. Diese musste sowohl der Schülerschaft,
den Eltern, den Lehrern/Lehrerinnen, aber auch den Ehemaligen entsprechen. Mit dem vierteljährlichen Erscheinen ist es auch nicht immer
ganz einfach, aktuell zu bleiben (die Tageszeitungen haben es da viel
einfacher...).
Sp: Ein offenes Forum, das Schüler und Lehrer dazu
bringen soll, in einer lockeren Atmosphäre Freude und
Interesse an der Politik zu entwickeln.
Z: Das Ziel ist vor allem, den Leuten die Angst vor politischen Themen zu nehmen.
Höhen und Tiefen gibt es in jeder Tätigkeit. Was empfandest du als
bemühend?
Gewünscht hätte ich mir, dass sowohl die Lehrer/innen als auch die
Schüler/innen fleissiger Beiträge geliefert hätten. Und erst noch termingerecht. Aber in Anbetracht aller Aktivitäten, Prüfungen und
Pflichten höherer Priorität hat die Schulzeitung eben häufig das Nachsehen... Dazu kommt noch, dass die Beiträge nicht entschädigt werden.
Mit Aussicht auf Bezahlung hätten wohl manche etwas motivierter und
zuverlässiger gearbeitet.
Was waren deine Anliegen als Redaktor der Schulzeitung?
Die Wichtigkeit der Zeitung besteht wohl vor allem darin, dass sie zur
Identitätsbildung beiträgt. Entscheidend scheint mir in diesem Zusammenhang, dass sich möglichst viele in der Zeitung wiederfinden, sei es
in persönlichen Fotos oder Erwähnungen. Ich bemühte mich auch darum, Schüler/innen als Redaktoren und Redaktorinnen zu gewinnen.
Die Schwierigkeit dabei war nur, dass die sprachlichen Fertigkeiten
meistens auf die Matura hin das nötige Niveau erreichten. Und gerade
dann verliessen sie – zu meiner nicht eben grossen Freude – die Schule
wieder. Stets gab es aber zuverlässige, begabte und schreibbegeisterte
Schüler/innen, denen ich bei dieser Gelegenheit ganz besonders danken
möchte.
Das klingt nun so, als wäre das kenzeichen nur innerhalb der KEN von
Bedeutung…
Das ist natürlich nicht der Fall. Die Zeitung wirkt nicht nur nach innen,
sondern auch auf eine Öffentlichkeit, deren Konturen sich aber nicht
genau umreissen lassen. Dies wurde mir jeweils bewusst, wenn mich
Redaktoren ausserhalb des Kantons anfragten, ob sie gewisse Artikel
übernehmen dürften. Die Wirkung der Zeitung lässt sich nur schwer
abschätzen.
Das kenzeichen ist auch ein Organ, das es ermöglicht, gewisse schulische
Neuerungen und Entwicklungen klar und korrekt zu kommunizieren.
Ich hoffe, dass die Ausgaben auch ohne mich noch lange weitergeführt
werden und wünsche meinen Nachfolgern Urs Bigler und Andreas
Haag viel Erfolg, Geduld und Durchhaltewille.
Wie lange existiert dieses Projekt und seit wann sind
Sie dabei?
Sp: (Schaut kurz nach.) Es existiert seit dem FS 2005.
Z: Ich betreue es erst seit dem HS 2006.
Was ist Ihre Motivation, sich immer wieder für dieses
Projekt einzusetzen?
(Beide überlegen.) Z: Ich sehe mich als Missionar (Sp.
schmunzelt), der das Interesse für etwas weckt, das ungezwungen und freiwilig ist. Klar ist man enttäuscht,
wenn das Thema die Schüler nicht anspricht, aber falls
nur schon vier bis fünf kommen und eben dieses Interesse zeigen, bin ich zufrieden.
«
Das Ziel ist vor allem, den Leuten
die Angst vor politischen Themen
zu nehmen.
Wenn wir schon bei der Anzahl Schüler sind, welches
ist die durchschnittliche Teilnehmerzahl?
Sp: Ca. 10-12, aber es kann auch Spitzenzahlen geben
wie bei der Veranstaltung mit Jositsch und Heer, da waren es 60. Was meine Motivation betrifft: Das Ganze
entstand aus dem Freifach Weltpolitik. Mein Bedürfnis
war es, das aktuelle Weltgeschehen zu vermitteln und
auch mal einen offenen Meinungsaustausch zu fördern.
In der Diskussionsrunde erscheinen immer wieder
politische Schwergewichte. Wie leicht kriegt man diese
und inwiefern hilft das politische Beziehungsnetz?
Sp: Das Herankommen an die Politiker ist nicht so
schwer. Wir könnten viel häufiger welche einladen,
aber es muss dann auch ein genügend grosses Publikum da sein, sonst kommen diese nicht mehr zu uns.
12
kenzeichen 03/08
Ein Beispiel für einen Flop war Filippo Leutenegger (ca.
ein Dutzend Besucher). Der war ziemlich enttäuscht.
Z: Ein anderes Beispiel war Elisabeth Kopp. Diese Veranstaltung war zwar interessant, aber wahrscheinlich
für die Schülerschaft nicht mehr so aktuell. Meine Enttäuschung war aber grösser als jene von Frau Kopp.
Sp: Wegen solcher Fälle wollen wir die Promis nur sehr
dosiert einsetzen. Bei Christoph Mörgeli weiss man
zwar, dass Publikum anwesend ist, aber wir möchten ja
auch nicht wie Tele Züri nur immer die gleichen Köpfe
Woche für Woche zeigen.
Was war Ihr persönliches Highlight?
(Beide überlegen lange) Sp: Ein Highlight war für mich,
als Herr Heinzelmann (SVP) zum Regierungsratskandidaten nominiert wurde und bei uns wenige Tage später sein Debut hatte. An dieser Veranstaltung merkte
man, dass der Auftritt vor Publikum noch ziemlich ungewohnt für ihn war. Ein Highlight ist für mich auch,
wenn sich ein Schüler über längere Zeit für dieses Forum einsetzt, wie dies Davide Loss tat.
Z: Eine optimale Veranstaltung war das Duell zwischen
Jositsch und Heer. Das war ausgewogen, es gab inte­
ressante Schülerfragen und ein grosses Publikum war
zugegen. Persönlich freue ich mich am meisten, wenn
sich 10-15 Schüler beteiligen und eine interessante Diskussion entsteht.
Was sind denn die kommenden Highlights?
Sp: Das Ziel ist es, das Programm laufend zusammen
mit den Schülern und Kollegen aus der Fachgruppe zu
bestimmen. Was aber schon feststeht, ist, dass Adolf
Ogi zum Thema Politik und Sport zu uns kommt, und
auch die US-Präsidentschaftswahlen sind traktandiert.
Z: Zu diesem Thema wird es dann sicher mehrere Veranstaltungen geben. Die Planung ist fliessend, damit
man auf Aktualitäten eingehen kann. Sonst wäre Politik am Mittag mehr wie eine Vorlesung, in der man
Krisenherde anschauen würde, und das entspricht nicht
unseren Vorstellungen. Ich würde mir wünschen, dass
die Schülerschaft häufiger ihre Bedürfnisse anmelden
würde. Zum Beispiel, ob sie lieber über China oder die
EM sprechen möchte.
Politik am Mittag:
Jositsch gegen Heer
Gespannt wartete ich auf den Beginn der Diskussion über die Bürgerrechtsinitiative. Eingeladen waren die Nationalräte Daniel Jositsch und Alfred Heer. Dass die Initiative, mit der die SVP die
Lösung der Ausländerkriminalität anpries, die Gemüter bewegte,
war am Ansturm der Zuhörer/innen zu erkennen, denn von Minute
zu Minute wurde das Zimmer voller. Nicht nur zahlreiche Schüler/
innen, sondern auch etliche Lehrer/innen wollten sich die Diskussion nicht entgehen lassen.
Erst stellten die beiden
Nationalräte ihre Position zu dem Thema dar,
und dann begann das
Duell. Alfred Heer war,
wie das seine Parteizugehörigkeit erwarten liess, sehr angriffslustig, wobei Daniel Jositsch mit viel Witz konterte. Beispielsweise als er auf das Argument,
dass das Wissen um die Anzahl der Bundesräte nicht mehr in den
Bildungsrucksack eines Einbürgerungswilligen gehöre, antwortete,
dass dies gar nicht verlangt werden könne, in Anbetracht dessen,
dass sich nach der Meinung der SVP gelegentlich nur halbe Bundesräte in der Regierung befänden.
Solche Bemerkungen machten Daniel Jositsch auf Anhieb sympathisch, doch auch Alfred Heer überzeugte durch seine direkte, unverblümte Art. Wirklich interessant und unterhaltsam wurde die
Veranstaltung, als die beiden Politiker anfingen, auf die Fragen des
Publikums einzugehen. Alfred Heer geriet dabei ziemlich unter Beschuss, vor allem von denjenigen, welche der Ansicht waren, diese
Damit sind wir auch bei meiner letzten Frage
angekommen: Wenn Sie einen Wunsch von einer guten
Fee für das Forum freihätten: Welcher wäre das?
Initiative verletze die Menschenrechte und verstosse auch gegen die
Z: In meiner Traumvorstellung gibt es 10-15 Schüler,
die regelmässig kommen, alle paar Wochen einen Vorschlag fürs Programm machen oder sogar selbst mal
jemanden einladen. Dann gäbe es wahrscheinlich auch
seltener Veranstaltungen, die wenig besucht werden.
Sp: Meine Traumvorstellung wäre ein Debattierclub
nach angelsächsischem Vorbild. Dies bedarf einer
Gruppe von ein bis zwei Dutzend Schülern, die Freude
am Diskutieren haben.
Alfred Heer wehrte jeweils ab, indem er betonte, dass es kein Men-
Vielen Dank für das Gespräch.
wenig überraschte.
Beide: Wir danken Ihnen.
Verfassung.
schenrecht sei, das Schweizer Bürgerrecht zu erhalten. Jositsch
wurde ebenfalls nicht verschont, wenn er auch nicht so sehr im Kreuz­
feuer der Kritik stand.
Da und dort fiel zwar ein kritisches Wort gegen die SP, es wurde aber
deutlich, dass die Stimmung im Raum eher gegen die Bürgerrechts­
initiative war, weshalb mich dann auch das Abstimmungsergebnis
Text und Bild: Rebecca Blum (W1c)
Fotos: Andreas Haag
13
k e n at u r
Eine vergessene Weltsprache,
die das Herz höher bzw. besser schlagen lässt.
W
enn an der KEN von Sprachenvielfalt die Rede ist,
so denken wir meist an
Deutsch,
Französisch,
Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch,
Lateinisch und Japanisch. Vielleicht auch
an die Fächer Arabisch und Chinesisch,
die bald unterrichtet werden. Doch eine
Weltsprache fehlt in dieser Liste noch.
Jene nämlich, die für die Annehmlichkeiten unseres Lebens unverzichtbar ist.
Die Immersionsklasse W3i hat in der
Sternwoche Ende Mai 2008 dank dieser
Sprache die Fächergrenzen besser überwinden und die Gemeinsamkeit von Glet-
schern, Strom und Blut erkennen können.
Schülerinnen und Schüler, die sich auf die
Formelsprache der Naturwissenschaften
und Mathematik einlassen, können nicht
nur gut nachvollziehen, wie die unter-
schiedliche Dicke der rechten und linken
Kammerwand eines sezierten Schweine­
herzens zustandekommt und welche konkreten Folgen beispielsweise ein ungesunder Lebenswandel auf unser Herz hat,
sondern sie blicken auch hinter die Kulissen all derjenigen Errungenschaften, die
unser Leben so viel angenehmer und auch
länger machen. Zudem lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse weltweit mit wenigen Symbolen kommunizieren.
Als Höhepunkt der interdisziplinären Unterrichtseinheit von Physik und Biologie
besuchte die Klasse W3i die Firma Biotronik in Bülach, welche medizinische Instru-
kenzeichen 03/08
Fotos: Andreas Haag
14
mente zum Aufdehnen und Stabilisieren verstopfter
Blutgefässe – Ballonkatheter und Stents – herstellt.
Von insgesamt sieben Mitarbeitern betreut, lernten
wir, wie sich ein kleineres Unternehmen durch stetes Weiterentwickeln seiner Produkte gegen grosse
amerikanische Firmen behaupten kann. Dass diese
Innovationsfreudigkeit ein interdisziplinäres Team
von gut ausgebildeten und motivierten Ärzten, Maschineningenieuren, Materialwissenschafterinnen,
Juristen und Ökonomen erfordert, liessen interessante Präsentationen und Diskussionen erkennen.
Ohne Schmuck und Schminke und in einen speziellen Anzug gesteckt, erhielten wir über eine Schleuse
Zugang zur Industriehalle, die frei von Staubpartikeln ist. Erstaunt hat uns, durch wie viele mit Präzision und Sorgfalt arbeitende Hände die bei Herzoperationen eingesetzten Produkte während ihrer
Herstellung gehen müssen.
Alles in allem: ein eindrückliches Erlebnis für die
Schüler/innen der W3i. Vielleicht wurde die eine
oder der andere dazu angeregt, sich einmal auch
mit weniger bekannten und formelsprachintensiveren Studiengängen und Berufsfeldern zu befassen.
Wenn Schüler/innen der KEN wie jene der Klasse
W3i während Firmenbesichtigungen den Zeitplan
mit ihren vielen intelligenten Fragen durcheinanderbringen, fragen wir naturwissenschaftlichen
Lehrkräfte uns schon, ob wir ihren Interessen in
der knappen zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit gerecht werden können.
Andreas Haag
Paradoxien und
Schnittstellen
Anlass zu Irritationen in der Organisation ‹Schule›
«Sei spontan!» Bei dieser Aufforderung gerät der Fluss
unserer Gedanken sogleich ins Stocken. Denn eine paradoxe Situation ist entstanden: Die Bedingung der Möglichkeit dieser Handlung ist zugleich die Bedingung ihrer
Unmöglichkeit.
Ähnliche Situationen treten auch im Schulalltag auf, beispielsweise
wenn einerseits mit guter Absicht unterstützend und fördernd unterrichtet wird, andererseits aufgrund der gesellschaftlichen Anforderung
die gleichen Schülerinnen und Schüler selektioniert werden. Oder wenn
die Lehrperson auf eine spontaneitätsfördernde Lernatmosphäre wert
legt, Störungen aber sanktionieren muss. Wer möchte die Jugendlichen
nicht individuell fördern, kommt aber dabei in den Konflikt mit dem Anspruch, alle gerecht zu behandeln? Und wer mag den Schüler/innen nicht
ihren eigenen Lernrhythmus gönnen, obwohl er stets die Lernziele im
Auge behalten muss?
Die wichtige Aufgabe der Erziehung könnte widersprüchlicher nicht sein:
Freiheit wird beschränkt, damit Freiheit und Selbstständigkeit erlangt
werden.
Wie die Schule mit diesen und anderen Irritationen umgehen könnte
– damit befasse ich mich ausführlich in einem Artikel, der als pdf-File
unter www.ken.ch/kenzeichen heruntergeladen werden kann.
René Bucher
15
Buchtipp
Die beiden Besten?
Wieso verkaufen sie sich derart gut? Ein Vergleich
D
ie Orell-Füssli-Bestsellerliste
der Sparte Belletristik vom
3.Juni führt Charlotte Roches
Feuchtgebiete an erster Stelle
an, dann folgt Martin Suters Der letzte
Weynfeldt.
Die Unterschiede offenbaren sich schon
bei den Autoren. Charlotte Roche, geboren 1978, bisher Fernsehmoderatorin,
verheiratet, ein Kind, lebt in Köln. Martin
Suter, geboren 1948, verheiratet, mehrfacher Vater, lebt in Spanien und Guatemala. Feuchtgebiete ist Roches erster Roman,
Suter verfasst seit Jahren Bücher und Kolumnen.
Ihre Bücher sind grundverschieden.
Die 18-jährige Helen Memel liegt wegen
einer Verletzung aufgrund einer Intimrasur im Krankenhaus, wobei der Leser bis
zum Schluss den Verdacht nicht loswird,
dass es sich hierbei nicht um einen Unfall
handelt. Sie versucht verzweifelt, ihre geschiedenen Eltern wieder zusammenzubringen.
Adrian Weynfeldt, Mitte fünfzig, Kunstexperte bei einem Auktionshaus hat mit
dem Leben und der Liebe abgeschlossen.
Da tritt eine suizidgefährdete Frau in sein
geordnetes Leben, welche ihr Überleben
von Weynfeldt abhängig macht und dafür sorgt, dass sein Leben aus den Fugen
gerät.
Nun stellt sich die Frage, weshalb sich genau diese beiden Bücher derart gut verkaufen. In der Sparte Belletristik ist ein
Grund für den Kaufentscheid wohl unter
anderem der Unterhaltungswert. Dieser
ist bei beiden Büchern gegeben. Roche fesselt durch ihre direkte und unverblümte
Sprache und provoziert durch das absichtliche Überschreiten von gesellschaftlichen
Grenzen. Suter ist ein geübter Spannungserzeuger, welcher das Sprachhandwerk
perfekt beherrscht.
Doch für einen Spitzenplatz auf der Bestsellerliste genügt wohl der Unterhaltungs-
wert einer Lektüre alleine nicht. Massgeblich in diesem Zusammenhang ist wohl
auch die Vermarktung. Die funktioniert
für beide Bücher. Roche tritt in allen
möglichen Fernsehsendungen auf, wodurch sie ein breites Publikum anspricht,
oft Gelegenheitsleser, welche sich leicht
für ein derart provokatives Buch begeistern lassen. In Deutschland ist es sehr
wahrscheinlich, dass man beim Smalltalk
irgendwann auf Roches Buch zu sprechen
kommt, und dann will man den Roman
gelesen oder zumindest gekauft haben.
Suter hingegen setzt auf eine bewährte
Methode: Die Lesereise. Er wendet sich
damit an ein bereits interessiertes Publikum, welches durch die direkte Begegnung mit dem Autor seine Beziehung zu
den Büchern verstärken will. Bei dieser
Gelegenheit wird der neue Roman erstanden und am besten noch signiert. Nun beginnt die Mund-zu-Mund-Propaganda zu
laufen, denn man will ja erzählen, wie gut
das Buch des Autors ist, an dessen Lesung
man war, wodurch die Bekannten wiederum zur Käuferschaft werden.
Es mag gewiss weitere Gründe für den Erfolg geben – gönnen wir ihn der Autorin
und dem Autor – ein gutes Marketing ist
gewiss keine Schmälerung ihrer schriftstellerischen Leistung.
Stefan Brader (W3c)
Foto: Andreas Haag
kenzeichen 03/08
Termine 2008
Juli–Oktober
Juli
Fr. 4.7.
Notenkonvent ( Unterricht eingestellt)
Mo. 7.– Fr. 11.7.
Schriftliche Maturitätsprüfungen
( Das Sekretariat bleibt jeweils am Nachmittag ( Montag bis Mittwoch) geschlossen.)
Do. 10.7.
Abschlussfeier (Abschlussfeiern der Klassen H3a, H3b, I3a und der Berufsmaturanden IMS 15.30 Uhr)
Mo. 14.7.– Fr. 15.8.
Sommerferien
August
Mo. 18.8.
Schulbeginn nach den Sommerferien (1. Klassen Spezialprogramm)
Mo. 25.– Fr. 29.8.
Mündliche Maturitätsprüfungen
Montag und Freitag Unterricht für alle nach Stundenplan
Programm Dienstag bis Donnerstag:
> > 1. Klassen: Dienstag «Arbeitstechnik», Mittwoch «Erstklässlertag», Donnerstag frei
> > 2. Klassen: Dienstag «Soziale Beziehungen im Alltag», Mittwoch «Musischer Tag», Donnerstag frei
> > 3. Klassen: Dienstag «Sporttag», Mittwoch frei, Donnerstag «Schulreise»
> > 4. Klassen: Dienstag frei, Mittwoch «Studien- und Berufstag»,
Donnerstag Kolloquien zur Maturitätsarbeit
September
Do. 4.9.
16.00 Uhr
Mo. 15.9.
Mi. 17.9.
Maturitätsfeier mit anschliessendem Abendprogramm
Knabenschiessen ( Unterricht ab 12.25 Uhr eingestellt)
07.50 Uhr
Tag der offenen Tür IMS
Mi. 24.– Fr. 26.9.
175 Jahre Mittelschule
Mittwoch, 13.15 bis ca. 22.00 Uhr «Spiegle deine Welt». Die KEN feiert das Jubiläum.
Mittwoch bis Freitag: Bildungsmeile in der Stadt Zürich ( Limmatquai und Bürkliplatz),
11.00 bis 19.00 Uhr: Die Mittelschulfächer präsentieren sich und regen zum Mitmachen an.
Bildungstram mit Unterrichtsstunden.
Freitag ab 16.00 Uhr: Openair Konzert für Schüler/innen und Lehrer/innen mit Schulbands und
einem Überraschungsgast
Di. 30.9.
Gesamtkonvent, Unterricht am Nachmittag eingestellt
Oktober
Mo. 6.– Fr. 17.10.
Herbstferien
Mo. 20.10.
Schulbeginn nach den Herbstferien
Achtung: T ermine können im Laufe des Semesters ändern. Massgebend ist der Terminkalender auf der KEN-Homepage: www.ken.ch