Lass mich den Himmel sehen!
Transcription
Lass mich den Himmel sehen!
OKULI 2011 Materialien für Gemeinde und Schule „Lass mich den Himmel sehen!“ Foto: CBM Textauslegungen zu Lukas 5,17-26 und Markus 2,1-12 Jochen Bohl Nikolaus Schneider Clemens Bittlinger Die Heilung eines Gelähmten Lukas 5, 17-26 Markus 2, 1-12 17 Und es begab sich eines Tages, als er lehrte, dass auch Pharisäer und Schriftgelehrte dasaßen, die gekommen waren aus allen Orten in Galiläa und Judäa und aus Jerusalem. Und die Kraft des Herrn war mit ihm, dass er heilen konnte. 1 Nach einigen Tagen kehrte Jesus nach Kapernaum zurück. Es sprach sich schnell herum, dass er wieder im Haus des Simon war. 3 Da kamen vier Männer, die einen Gelähmten trugen. 19 Und weil sie wegen der Menge keinen Zugang fanden, ihn hineinzubringen, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn durch die Ziegel hinunter mit dem Bett mitten unter sie vor Jesus. 4 Weil sie wegen der vielen Menschen nicht bis zu Jesus kommen konnten, deckten sie über ihm das Dach ab. Durch diese Öffnung ließen sie den Gelähmten auf seiner Trage hinunter. 20 Und als er ihren Glauben sah, sprach er: „Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.“ 5 Als Jesus ihren festen Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“ 21 Und die Schriftgelehrten und Pharisäer fingen an zu überlegen und sprachen: „Wer ist der, dass er Gotteslästerungen redet? Wer kann Sünden vergeben als allein Gott?“ 22 Als aber Jesus ihre Gedanken merkte, antwortete er und sprach zu ihnen: „Was denkt ihr in euren Herzen? 23 Was ist leichter, zu sagen: ,Dir sind deine Sünden vergeben’, oder zu sagen: ,Steh auf und geh umher?‘“ 24 Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, auf Erden Sünden zu vergeben – sprach er zu dem Gelähmten: „Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!“ 25 Und sogleich stand er auf vor ihren Augen und nahm das Bett, auf dem er gelegen hatte, und ging heim und pries Gott. 26 Und sie entsetzten sich alle und priesen Gott und wurden von Furcht erfüllt und sprachen: „Wir haben heute seltsame Dinge gesehen.“ 6 Aber einige der anwesenden Schriftgelehrten dachten: 7 „Das ist Gotteslästerung! Was bildet der sich ein! Nur Gott allein kann Sünden vergeben.“ 8 Jesus durchschaute sie und fragte: „Wie könnt ihr nur so etwas denken! 9 Ist es leichter zu sagen: ,Dir sind deine Sünden vergeben’ oder diesen Gelähmten zu heilen? 10 Aber ich will euch zeigen, dass der Menschensohn die Macht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben.“ Und er forderte den Gelähmten auf: 11 „Steh auf, nimm deine Trage und geh nach Hause!“ 12 Da stand der Mann auf, nahm seine Trage und ging vor aller Augen hinaus. Fassungslos sahen ihm die Menschen nach und riefen: „So etwas haben wir noch nie erlebt!“ Und alle lobten Gott. © 2010 Christoffel-Blindenmission 18 Und siehe, einige Männer brachten einen Menschen auf einem Bett; der war gelähmt. Und sie versuchten, ihn hineinzubringen und vor ihn zu legen. 2 Viele Menschen strömten zusammen, so dass nicht einmal mehr vor der Tür Platz war. Ihnen allen verkündete Jesus Gottes Botschaft. Inhalt Vorwort – Dr. Rainer Brockhaus _____________ 3 Foto: CBM Grußwort – Jochen Bohl ____________________ 4 Blick auf den Text – Jan von Campenhausen __ 5 Bibelarbeit – Nikolaus Schneider _____________ 8 Vorwort Jugendgottesdienst – Rudi Saß _____________ 12 Liebe Freundinnen und Freunde der Christoffel-Blindenmission, Impressum ________________________________ 13 Kindergottesdienst – Maria Salzmann _______ 14 die Bibelstelle von der Heilung des Gelähmten wird oft zitiert – und doch hat sie für uns und unsere Projektpartner und Mitarbeiter vor Ort nichts an Aktualität verloren. Liedandacht – Clemens Bittlinger ___________ 18 Konfirmandenarbeit – Dr. Sönke von Stemm __________ 20 Genau wie die Männer, die den Gelähmten durch das Dach des Hauses zu Jesus hinablassen, versuchen wir, Freunde zu sein. Zuverlässige Freunde für Menschen mit Behinderungen in den ärmsten Regionen der Erde. Freunde, die den Weg zu Heilung oder Behandlung frei machen. Liturgische Texte – Rudi Saß ________________ 24 Partnerandacht aus Indien – Dinesh Rana ___ 25 Online-Shop ______________________________ 26 Auch wir müssen dafür oft Hindernisse aus dem Weg räumen, wenngleich es sich dabei nicht immer um Dächer handelt: Menschen mit Behinderungen müssen in abgelegenen Gegenden gefunden oder über unwegsames Gelände in die Krankenstationen und zu den Ärzten gebracht werden. Das hat Ihre Spende bewirkt! ______________ 27 Kollektenvorschlag ________________________ 28 © 2010 Christoffel-Blindenmission Noch schwieriger wird dies, wenn wir in Ländern unterwegs sind, die von Katastrophen heimgesucht wurden, wie z.B. beim Erdbeben von Haiti – damals musste man die Verletzten unter Trümmerbergen hervorholen. Manchmal gilt es auch ganz andere Hindernisse zu überwinden: Ängste der Patienten, Widerstände der Angehörigen oder Rückschläge beim Heilungsprozess. inden azins f er g a M s se ser lien die d-Bereich un ia r e t a Alle M im Downloa h Sie auc ge unter: a p Home .de/ok m b c . www Was auch immer uns in den Projekten erwartet: Wir tun alles, um die Betroffenen von ihrer Krankheit zu heilen oder zumindest den bestmöglichen Umgang mit einer Behinderung zu ermöglichen. Ich freue mich, wenn Sie uns mit einer Kollektenbitte dabei helfen und auch ein Freund werden. Herzliche Grüße und Gottes Segen, Ihr Dr. Rainer Brockhaus – Direktor – 3 uli diese Arbeitshilfe sehr ans Herz legen. Mit all ihren Materialien und Angeboten lädt sie auch in diesem Jahr wieder ein, einen Gottesdienst oder eine Gemeindeveranstaltung durchzuführen und damit in den Kirch(en)gemeinden ein Bewusstsein dafür zu wecken, welche Not es in unserer Welt nach wie vor gibt und wie dringend, aber auch wie notwendig und in einem christlichen Sinn geboten unsere Hilfe ist. Jochen Bohl Landesbischof der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und stellvertretender Ratsvorsitzender der EKD Grußwort Liebe Leser und Nutzer dieses Heftes, Im Jahr 2011 findet vom 1. bis zum 5. Juni der 33. Deutsche Evangelische Kirchentag bei uns in Dresden unter der Losung „…da wird auch dein Herz sein“ statt. Dieses Wort aus der Bergpredigt (Matthäus 6, 21) stellt uns die Frage nach den Prioritäten in unserem Leben. Die Christoffel-Blindenmission wird auf dem Markt der Möglichkeiten zu finden sein. Im Gespräch gibt es für die Kirchentagsgäste die Gelegenheit, mehr über die Arbeit zu erfahren und sich davon zu überzeugen, in welchem Geist die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit tun. Wer sich für Hilfsprojekte wie die der Christoffel-Blindenmission einsetzt, macht klar, woran sein Herz gebunden ist. „Was ihr getan habt einem dieser meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25, 40) – die Christoffel-Blindenmission gehört zu den kirchlichen Werken, die sich darum bemühen, dieses Wort Jesu in eine gelebte Praxis umzusetzen. Bei meinen Besuchen in Ländern der südlichen Hemisphäre war ich immer wieder erschüttert von dem menschlichen Elend und von der bedrückenden Not, die an so vielen Orten in der einen Welt das Leben bestimmen. In einem Land, in dem die meisten Menschen arm sind, befinden sich blinde oder auf andere Weise behinderte Menschen in einer für uns Mitteleuropäer unvorstellbar schwierigen Lage. Können sie sich nicht auf die Solidarität der Familien verlassen, wird ihre Lage gänzlich aussichtslos, denn ein dem unseren vergleichbares Sozial- und Gesundheitssystem gibt es nicht. Es ist einer der wichtigsten Dienste am Nächsten, den man sich denken kann, diesen Menschen zu helfen, ihnen den Weg in ein gesichertes Leben zu eröffnen und zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt selbst abzusichern. So hoffe ich, viele von Ihnen in unserer Stadt begrüßen zu können. Wir verbinden mit dem Kirchentag nicht nur die Hoffnung, ein fröhliches Fest mit Christen aus ganz Deutschland und aller Welt zu feiern. Unsere Hoffnungen zielen auch darauf, dass vielen Mitbürgern, die das Evangelium noch nicht kennengelernt haben, „die Augen geöffnet“ werden und sie erkennen, was eine Herzensbindung wert ist. Ihr Jochen Bohl Insofern bin ich der Bitte gern nachgekommen, dieses Grußwort zu schreiben und möchte Ihnen „Ihnen fehlt noch eine zündende Idee fürs Gemeindefest?“ Ausgerüstet mit Simulationsbrille und Taststock kann jeder Gemeindebesucher selbst nachempfinden, wie es ist, blind zu sein. Der Erlebnisgang informiert anschaulich über Blindheit und das Ziel der Christoffel-Blindenmission (CBM), weltweit Menschen mit Behinderungen zu helfen. Foto: CBM Weitere Informationen und Buchung unter Telefon (0 62 51) 1 31- 2 86 bei Ilona Karin, per Fax (0 62 51) 131-2 99 oder E-Mail: [email protected] 4 © 2010 Christoffel-Blindenmission Nutzen Sie unseren Erlebnisgang! mal …“ Schnell sehe ich über etwas hinweg. Manchmal sehe ich auch über Menschen hinweg. Die Gefahr, etwas Wichtiges dabei zu übersehen oder nur halb zu sehen, ist dabei groß. Und manchmal ist das Wichtige nicht auf den ersten Blick zu sehen. Gut sind dann solche Sehhilfen: „Und siehe!“ Jan von Campenhausen Pfarrer im Projektbüro Reformprozess der EKD Die Szene „Heilung des Gelähmten“ ist ein Richtung Streitgespräch erweiterter Wunderbericht. Sie eröffnet eine ganze Reihe von Streitgesprächen Jesu zu verschiedenen Themen. Diese streitbare Seite von Jesus übersehe ich gerne. Fast hat es den Anschein, als handele er nach dem Motto: Nur keinen Streit vermeiden! Dabei würde ich doch viel lieber den Friedensstifter in ihm wiedererkennen. Blick auf den Text Die Überschrift „Heilung eines Gelähmten“ kann in die Irre führen. Denn der Heilung des Gelähmten geht das Wesentliche: die Vergebung seiner Sünden, voraus. Erzählt wird die Begebenheit in allen drei synoptischen Evangelien. Sie ist also von besonderer Wichtigkeit und ist gut bezeugt. Lukas folgt in seinem Erzählen mit großem Respekt dem Evangelium nach Markus. Auch das ist zu sehen und ist anders als die Ordnung: Jesus Christus – wir wissen es ja – ist der Messias! Was macht er hier? Er lehrt und heilt. Das gehört eindeutig nicht zum Aufgabenspektrum des Messias. Die Aufgaben des Messias sind im Feld des Endes der Zeit. Die Botschaft der exemplarischen Szene ist damit zumindest angedeutet: Die Endzeit, die Zeit des Heils ist (hier und) jetzt. An drei Stellen innerhalb dieses Bibeltextes wird vom Sehen gesprochen. Über diese Stichworte bietet er sich als Predigttext des Passionssonntages Okuli – dessen Name sich von dem lateinischen Antiphon ableitet: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn“ (Psalm 25 Vers 15) – geradezu an: II Und als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben 1. Und siehe, einige Männer brachten einen Menschen auf einem Bett, der war gelähmt. (Vers 18) 2. Und als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch deine Sünden sind dir vergeben. (Vers 20) 3. Und sie entsetzten sich alle und priesen Gott und wurden von Furcht erfüllt und sprachen: Wir haben heute seltsame Dinge gesehen. (Vers 26) (Vers 20) Jesus sieht den Glauben. Was aber hat er eigentlich vor Augen? Lähmungen Die Wahrnehmungen im Blick auf den Text werden in Bezug auf dieses dreimalige Sehen entfaltet. Jesus sieht zunächst die Lähmung. Dass Menschen gelähmt sind, das kennen wir. Sie liegen im Bett, sie werden im Rollstuhl oder im Bett bewegt. Sie können nicht selbst dorthin gelangen, wohin sie wollen oder sollen. Wir wissen auch, dass das im Normalfall so bleibt: Ein Lahmer bleibt lahm, ein Blinder bleibt blind. Ist das dann anders, so ist es ein Wunder. I Und siehe, …. Die eigenen Lähmungen kenne ich auch. Die Form, die am verbreitetsten ist, ist die Lähmung aus Angst. Die Angst um das eigene Ich. Die Angst, durch Veränderung Vertrautes zu verlieren. Foto: CBM/Foto Backofen Mhm © 2010 Christoffel-Blindenmission „Und siehe …“ ist ein im Alten Testament und im Neuen Testament oft wiederholter Ruf zur Aufmerksamkeit, zum genauen Hinsehen. „Guck doch Ein sehbehinderter junger Mann liest im Mount SionZentrum in Papua-Neuguinea mithilfe einer Lupe. Die lähmenden mentalen Gefangenschaften der Kirche sind allzu bekannt. Menschen, die anders sind als die, die schon dazugehören, finden schwer Zugang. Formen, Sprache – eben Zweitrangiges oder Drittrangiges hält ab. Verbitterte Hartz-IVEmpfänger und Menschen aus den Zentren der Macht, die bleiben außen vor. Dafür ist Kirche zu kraftlos. Zu lahm. 5 Blick auf den Text Jan von Campenhausen Wie gelähmt ist auch die Zunge, wenn sie selbstverständlich vom Glauben an Jesus Christus sprechen soll. Über alles kann ich entspannt sprechen: Fußball, Wetter, Nachbarn. Aber wenn es um das Eigentliche geht, ist die Zunge ganz lahm. Werde ich etwa für zu fromm gehalten? Ist es mir zu intim? Irritiere ich den Anderen? Da halte ich doch lieber die Schnauze. Welchen Glauben sieht Jesus eigentlich? Jesus sieht hier Menschen, die eine Herausforderung erkannt haben. Sie hätten den Gelähmten auch einfach übersehen können, es nicht als ihre Aufgabe ansehen können. „Es gibt ja noch andere – warum gerade ich?“ Die vier setzen sich aber ein Ziel, um die Situation des Gelähmten zu verändern, die Situation zu verbessern, ihm eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, gehen sie planvoll und koordiniert vor. Diese vier Männer arbeiten erfolgsorientiert in der Gruppe zusammen. Sie bringen den in Bewegung, der sich nicht selbst bewegen kann. Eigene Interessen werden dieser gemeinsamen Aufgabe untergeordnet. Die Entscheidung, etwas zu tun, ist auch die Entscheidung, anderes zu lassen. Wahrscheinlich hatten sie sich diesen Tag anders vorgestellt. Jetzt aber ist der eine dran. Ihn zu Jesus zu bringen, ist die gemeinsame Aufgabe. Alles andere zählt nicht. Aus Lahmheit bleiben Gewohnheiten und Strukturen erhalten, die schon lange überholt sind und nicht mehr zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags heute passen, geschweige denn zukunftsfähig sind. Der Strukturen sind viele. Und viele Gewohnheiten sind kleinkariert. Kirche ist also auch so ein Gelähmter. Die glorreichen Vier Der Gelähmte im Evangelium nach Lukas hat es gut. Er hat Menschen, die sich um ihn kümmern. Markus war es wichtig zu erwähnen, dass es genau vier Männer waren, die den Gelähmten trugen. Welch ein Reichtum! Wenn einer vier solche Menschen kennt, die das für einen tun, der ist reich. Reich gesegnet. Bei dem Plan gibt es ein großes Hindernis. Es sind die Menschen, die schon da sind, wo der Gelähmte noch hin soll: zu Jesus. Zunächst ist es ein Hinweis auf den Erfolg Jesu: Da sind schon viele, die ihm zuhören wollen, die sich ihm zuwenden. Das ist gut. Sie wollen Jesus sehen. Sie stehen aber mit dem Rücken nach außen. Sie sehen nicht die Dazukommenden. Jesus haben sie wohl im Blick, aber den Anderen nicht. Viel schlimmer noch: sie stehen Anderen, die zu ihm wollen, im Weg. Wie nötig habe ich Menschen, die mich tragen oder auch nur ertragen. Wenn ich nicht will oder wenn ich nicht kann. Vielleicht führen sie mich sogar, wohin ich nicht will. Auf diese vier, die den Gelähmten tragen, sieht Jesus. Offen bleibt, ob diese vier Männer ausschließlich gemeint sind, „Als er ihren Glauben sah“ oder ob der fünfte, der Getragene mit gemeint ist. Die vier meint er in jedem Fall auch! Foto: CBM/argum/Einberger Ermutigung, Anderen aufs Dach zu steigen Die kleine Gema leidet unter spastischen Lähmungen und übt jeden Tag mit ihrer Mutter, aufrecht zu sitzen. 6 08/15 scheidet aus. Zunächst ist es viel mehr Arbeit als gedacht. Der gerade Weg geht nicht. Da passiert etwas, was nur in verschwindend geringen Dosen vorkommt. Eine echte Regelverletzung um eines Anderen willen, um Gottes willen. Sie steigen da nicht nur jemandem ungefragt aufs Dach, sie decken es auch noch ab. Sie scheren sich nicht um Sachbeschädigung, mögliche anfallende Haftungsfragen und Verletzungsrisiken. © 2010 Christoffel-Blindenmission Der Plan der vier kann dieses Problem nicht ignorieren. Das gesetzte Ziel kann nicht so leicht wie gedacht erreicht werden. Die meisten guten Ansätze und richtigen Vorhaben bleiben genau hier stecken: bei den ersten Schwierigkeiten, die sich unvermeidlich in den Weg stellen. Dann wird über schwierige Mitmenschen und Bedingungen geklagt und das Vorhaben aufgegeben. „Ich wollte ja, aber …“ Die vier aber: Aufgeben? – Niemals! Blick auf den Text Jan von Campenhausen Foto: CBM sie getragen ist. Diese Beziehung wird durch das Wort von Jesus Christus – genau betrachtet durch ihn selbst – wieder hergestellt. Einfach so hört der Gelähmte: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Einfach so: Die freie Gnade des großen Gottes: „Ende gut – alles gut! – Alles!“ Wirklich? Fröhlich trotz Rollstuhl: Ein Junge, der am Klumpfuß operiert wurde, im Beit CURE Hospital in Sambia. Sie steigen Anderen aufs Dach, reißen ein, was von Jesus, was von der Hilfe trennt, um einem einzigen Menschen zu helfen. Vielleicht gehört das sogar zusammen: dass fest Ummauertes durchbrochen werden muss, um zu Jesus zu kommen. Die vier stören die Predigt. Jesus unterbricht sich selbst und wendet sich dem Wichtigsten dieses Moments zu: dem einen. Jetzt ist der eine dran. Heile, Heile Segen Wie immer finden sich Menschen, die überlegen, ob da nicht doch irgendwo was falsch ist. In der Regel gehört diese Sorte Mensch nicht zu den Handelnden. Sie hat ihren Platz eher bei den Zuschauern. So auch hier. Um diese – nur diese – nun auch zufrieden zu stellen, folgt das Wunder der Heilung. Die Heilung ist sozusagen Bestätigung dessen, dass der Gottessohn und Menschensohn tun durfte, was er tat. Er hat Vergebung der Sünden: das Heil zugesprochen, und die darauf folgende Heilung des Gelähmten bestätigte, dass er das kann und darf. Jesus zeigt sozusagen seinen Führerschein zur Sündenvergebung: „Damit ihr wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, auf Erden Sünden zu vergeben – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim.“ Der Erfolg der vier ist Ermutigung zum Dranbleiben und zur frommen Frechheit, dem Abweichen von bekannten Pfaden. Wege entstehen da, wo man sie geht. Seid hartnäckig und findig, wenn es darum geht, Menschen zu helfen, sie zu Jesus zu bringen. Wären die Männer ihres Weges gegangen – der Lahme läge heute noch irgendwo rum. III „Wir haben heute seltsame (wörtlich: paradoxe) Dinge gesehen.“ (Schlussvers 26) Sünden? Schwamm drüber! © 2010 Christoffel-Blindenmission Der Gelähmte sagt nichts: Kein Schuldbekenntnis, nicht mal ein Besserungsgelöbnis ist zu hören. Er bringt nichts mit. Er bringt nichts über die Lippen. Er wird gebracht. Es ist der Glaube der vier, der ihn vor Jesus bringt. So etwas gibt es also offensichtlich auch: Ein Für-den-Anderen-Glaube. Der reicht voll und ganz aus, wenn ich selber nicht kann. Und auch anders rum: Wenn Andere nicht können, kann ich für sie mit glauben. Dramatische Ereignisse. In gewisser Weise werden wir Leser und die umstehende Menge zunächst enttäuscht. Wir erwarten bei der Begegnung zwischen Jesus Christus und dem Gelähmten das Wunder der Heilung. Genau das, worauf wir warten, wird uns vorenthalten, um dem noch größeren und doch unspektakulären Wunder Raum zu geben: der Sündenvergebung. Da steht der Mensch auf und geht – nach Hause. Als neuer, gerechtfertigter und aufrecht gehender Mensch geht er in seine alten Zusammenhänge. So ein Augenzwinkern ist die Sache mit dem Bett. Schon im gewichtigen Heilungswort wird es erwähnt: „Nimm dein Bett.“ Diese Kleinigkeit angesichts der Heilung. Es gibt der Szene eine Leichtigkeit, einen Charme. Der vormals Gelähmte klemmt es sich dann auch unter den Am und geht heim. Da kann er das Krankenlager ja noch als Schlaflager gebrauchen. Was soll das hier weiter rumliegen? Die vergebenen Sünden werden nicht benannt. Ist es ein knackiger Ehebruch, eine klammheimliche, gut gemachte Veruntreuung oder das Gerücht über missliebige Kollegen? Dies bleibt der Fantasie des Lesers überlassen, die ihn in die falsche Richtung der moralischen Verfehlung weist. Es geht um die Beziehung, zwischen Menschen, zwischen diesem Menschen und Gott – ob sie überhaupt da ist. Ob KEIN Wunder, dass die Geschichte schließt mit den Worten der Menschen, die drum herumstanden: „Wir haben seltsame Dinge gesehen.“ Liedempfehlung EG 66, 1-6 „Jesus ist kommen“ 7 einen Satz gesprochen, der einen Menschen befreit hat. Danach kommt es zu einem Streitgespräch. Die Pharisäer stoßen sich an dem Machtanspruch Jesu. Sie meinen, Jesus verstoße gegen die Souveränität Gottes. Doch Jesus weist sie zurecht und schickt den Gelähmten geheilt nach Hause. Nikolaus Schneider Ratsvorsitzender der EKD und Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Wo finden wir uns wieder in dieser Geschichte? Auf der Seite der Freunde oder auf der Seite der Skeptiker? Oder in dem Gelähmten selbst? Bibelarbeit I. II. Ein Gelähmter wird geheilt. Das ist in Kürze die Geschichte, die Lukas im fünften Kapitel seines Evangeliums erzählt. Es ist eine besondere Geschichte – eine Wundererzählung. Etwas, das nicht für möglich galt, wurde wahr. Aber die Menschen, die diese Geschichte mit Jesus erfahren haben, waren entsetzt. Wir haben seltsame Dinge erlebt, so sagen sie. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen. Wie es mir ins Herz fuhr. Alles war plötzlich anders. Dabei hatte der Tag wie jeder andere begonnen. Ich lag auf meinem Bett und starrte an die Decke. Wie viele Jahre war ich schon an das Bett gefesselt? Keine Bewegung mehr möglich. Diese Enge und Beschränkung des Lebens. Jeder Tag brachte neue Ängste: Was wird heute wohl wieder schiefgehen? Wird sich jemand um mich kümmern? Es ist einfach schrecklich, als behinderter Mensch in dieser Welt leben zu müssen. Wenn doch nur ein Wunder geschähe… An jenem Morgen hörte ich plötzlich Geschrei auf der Straße. Die Menschen waren ganz außer sich. Ich konnte hören, wie zwei Menschen unter meinem Fenster sich unterhielten. „Warum sind denn die Menschen so aufgeregt?“ „Hast du es denn noch nicht gehört? Jesus ist in unserem Dorf! Am Ende der Straße im Haus des Simon ist er eingekehrt. Kommst du mit?“ Das Wunder – ein seltsam Ding? Betrachten wir zunächst die Szenerie: Die Situation ist dramatisch. Ein gelähmter Mensch will zu Jesus. Er selbst kann nicht laufen. Einen Rollstuhl hat er nicht. Er wird von einigen Männern auf einem Bett zu dem Haus gebracht, in dem sich Jesus aufhält. Doch die Menge, die sich bereits bei Jesus im Haus befindet, ist so groß, dass sie mit dem sperrigen Bett keinen Zutritt finden. In ihrer Not zerren sie das Bett auf das Dach des Hauses und lassen ihn mit einem Seil herab. Die Freunde setzen sich mit aller Kraft für den Gelähmten ein. Sie wollen, dass der Gelähmte geheilt wird. Sie handeln voller Hoffnung und sind mutig. Sie wünschen sich, dass Jesus ihrem Freund hilft. Und er tut es. Aber wie! Ein einfacher Satz: „Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.“ Das ist doch wirklich seltsam, man rechnet mit einer Zeichenhandlung, mit einem Gebet zu Gott oder etwas Ähnlichem. Stattdessen dieser eine lapidare Satz: „Mensch, dir sind deine Sünden vergeben.“ Ich erwarte ein Wunder und höre ein Wort über die Sündenvergebung. Foto: CBM Jesus spricht zu dem Gelähmten, ganz persönlich, als seien sie beide allein auf weiter Flur. Jesus holt diesen Gelähmten aus der Masse der Anwesenden heraus, er nimmt ihn beiseite und spricht ihm die Gnade Gottes zu. Und der Gelähmte steht auf, stellt sich auf die eigenen Füße, nimmt sein Bett und geht hinaus. Er verlässt das Haus. Unabhängig von Trägern und anderen Leuten. Selbstständig, mit einem Erlebnis im Herzen, das unauslöschlich ist und ihm ein neues Leben eröffnet. Die Menschen, die um ihn herumstehen, sind entsetzt. Was hat dieser Jesus da gemacht? Er hat Kleine Patienten mit ihren Ärzten in der Augenabteilung der Universität von Nairobi. wis- 8 © 2010 Christoffel-Blindenmission Plötzlich klopfte es an meiner Tür. Vier Freunde von mir stehen dort. Sie kommen ab und an vorbei. Sie Bibelarbeit Nikolaus Schneider sen scheinbar noch gar nicht, dass Jesus im Dorf ist. Ich rufe ihnen zu: „Habt ihr schon gehört: Jesus ist in unserem Dorf, unten am Ende der Straße im Haus des Simon.“ „Da müssen wir hin“, rufen meine Freunde ganz aufgeregt. „Aber wie bekommen wir dich dorthin?“ Sie zögern nicht lange, sondern fassen unter mein Bett, jeder an einer Seite. Sie heben das Bett hoch und tragen mich aus dem Haus, die Straße hinunter, zum Haus des Simon. Doch schon von Weitem sehe ich die Menschenmasse, die vor dem Gebäude steht. Da kommen wir nie rein, denke ich. Wie soll das gehen mit dem Bett? „Wir brauchen gar nicht weiterzugehen“, sage ich traurig und resigniert zu meinen Freunden. „Das hat doch gar keinen Sinn!“, wiederhole ich. „Wir versuchen es trotzdem“, sagt einer von ihnen. Und dann stehen wir vor dem Haus, die Menschen stehen dicht gedrängt davor. „Wie ich gesagt habe – kein Durchkommen.“ mich nicht, mich zu bewegen. Obwohl ich spüre, dass es wieder geht. Um Jesus herum stehen einige Schriftgelehrte, die mich und Jesus mit großen Augen ansehen. Sie beginnen zu protestieren. Ein langer Disput entspinnt sich. Wie Jesus das könne, einfach die Sünden zu vergeben, das sei doch Gotteslästerung und so weiter. Sünden vergeben, das dürfe nur Gott allein. Doch Jesus lässt sich nicht auf einen Streit ein. Am Ende sagt er: „Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, auf Erden Sünden zu vergeben“ – spricht er zu mir: „Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!“ Und wisst ihr was? Das habe ich dann auch getan. Habe mein Bett genommen, im Stillen Gott gedankt und bin hinausgegangen in ein neues Leben. Später haben meine Freunde erzählt, wie entsetzt alle gewesen seien und wie fassungslos die Schriftgelehrten dagestanden hätten. Sie konnten einfach nicht glauben, was für einen großen Gott wir haben. © 2010 Christoffel-Blindenmission Meine Freunde stehen nachdenkend vor mir. Plötzlich hat einer eine Idee: „Wir tragen das Bett auf das Dach und lassen es von oben in das Haus.“ „Ach, hör doch auf! Wie soll das denn gehen?“ „Lass uns mal machen!“ Und ehe ich mich versehe, haben sie mich auf das Dach des Hauses gehievt und fangen an, das Dach abzudecken. Ja, wirklich, sie decken einfach das Dach ab! Sie tun alles dafür, dass sich das Dach für mich öffnet. Zweige und Stroh kratzen sie aus dem Lehm, fangen an, sich durchs Lehmdach zu graben. Staub und Dreck rieseln bestimmt von der Decke. Was Jesus wohl denkt? Von Ferne höre ich schon seine Stimme. Ein kleines Loch gibt den Blick frei in die Mitte des Zimmers. Ich kann ihn schon sehen. Und dann haben meine Freunde das Dach so weit geöffnet, dass mein Bett durchpasst. Was für Freunde! Wie gut, dass sie sich nicht von mir haben abbringen lassen. Welche Ausdauer, Fantasie und welchen Mut haben sie. III. So ist es also diesem Gelähmten ergangen. Mich fasziniert die Geschichte von der Heilung des Gelähmten, insbesondere aufgrund eines bestimmten Satzes. Der Evangelist Lukas erzählt, dass Jesus ihren Glauben sah, es ist also nicht – anders als in vielen anderen Wundererzählungen – der individuelle Glaube des Kranken selbst, sondern der kollektive Glaube aller. Diese Geschichte stellt einen größeren Kontext her. Es geht nicht nur darum, dass ein Mensch erlöst werden soll, dass ein Leib von der Krankheit befreit und der Geist von der Sünde freigesprochen werden soll. Ulrich Bach hat das einmal sehr schön formuliert: „Jesus demonstrierte durch die Heilung des Gelähmten, dass die von ihm in göttlicher Vollmacht zugesprochene Sündenvergebung wirklich kein leeres Wort ist. Zugespitzt ausgedrückt: Der Geheilte … ist überhaupt nicht der eigentliche Nutznießer seiner Heilung; dass er sich über die Heilung gefreut hat, versteht sich von selbst; aber das ist eindeutig Nebenprodukt der hier berichteten Tätigkeit Jesu, seines Kampfes gegen den Unglauben der Schriftgelehrten. Es klingt komisch, aber der Text in seiner jetzigen Gestalt erzählt: nicht die Gottesbeziehung des Gelähmten …, sondern die Gottesbeziehung der Studierten … macht es nötig, dass Jesus diesen Mann heilt. Der Gelähmte war schon vorher mit Gott in Ordnung – seine Lähmung ist absolut kein Hindernis für die Beziehung Gottes zu ihm oder für seine Beziehung zu Gott.“ Und dann bin ich mitten drin. Ganz nah bei Jesus, der sich noch den Staub von den Schultern klopft, den wir aufgewirbelt haben. Meine Freunde haben mich mit Seilen an dem Bett heruntergelassen. Eine Weile kam es mir so vor, als schwebte ich zwischen Himmel und Erde. Und dann blickt uns Jesus an, erst mich, dann die Freunde. Was wird er sagen? Wird er böse reagieren? Nein, er schimpft nicht. Er schaut uns sanft an. Und dann geschieht der Augenblick, in dem sich für mich alles verändert. Jesus sieht mich an und spricht zu mir: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“ Im ersten Moment frage ich mich: „Was soll denn das jetzt?“ Doch dann durchfährt es mich, ich merke, dass er mich freigesprochen hat, frei von allen Lähmungen meines Lebens. Sanft durchströmt mich dieses Gefühl. Ich traue 9 Bibelarbeit Nikolaus Schneider Es wird ja auch von keiner Aktivität des Gelähmten berichtet, mit der er sich an Jesus wendet. Er lässt alles an sich geschehen. Aber Jesus handelt aufgrund des Glaubens der vier Anderen. Dieser Glaube, den der Gelähmte so unmittelbar erfahren hat: Wie sie ihn unter großen Mühen zum Haus gebracht haben, das Bett auf das Dach hochstemmten, das Dach abdeckten, die Seile am Bett befestigten und den Gelähmten dann hinunterließen vor die Füße Jesu. All diese Mühen, Ausdauer, Kraft und dieser Erfindungsreichtum werden hier zusammengefasst unter dem Wort: Glauben. genstand auf sich hatte. Die Gnade und Barmherzigkeit Gottes, die Jesus verkündete und an Menschen offenbar machte, blieb ihnen verschlossen. Sie hielten sich an das, was sie gelernt hatten. Sünde, so hatten sie gelernt, kann nur von Gott vergeben werden. Da bleibt keine Lücke zum Durchschauen. Das ist so und das bleibt so. „Ich sehe nicht, was du da siehst.“ In der Geschichte bleibt das Dach offen, die Schriftgelehrten schauen aber nur auf Jesus. Sie sehen den offenen Himmel nicht. Sie sehen nicht, wie Himmel und Erde zusammenfinden in diesem Jesus von Nazareth. Der Gelähmte sieht das und er hört die Worte „mein Sohn, dir sind deine Sünden vergeben“ ganz anders. Er hört sie vom Himmel herab, als von Gott gesprochene Worte, die ihm einen neuen Anfang ermöglichen. Da ist Vergebung kein dogmatischer Begriff, keine Formel, keine billige Gnade, sondern ein vollmächtiges Wort, das einen Menschen wieder auf die Beine bringt und ihm neue Beine macht. „Ich höre was, was du nicht hörst“, und das fährt mir in Mark und Bein, weil es mein Leben verändert. Darum ist diese Geschichte eine Hoffnungsgeschichte. Die vier Freunde bringen einen zu Jesus, der gesellschaftlich auf die passive Rolle des Hilfebedürftigen reduziert wird. Ihr eigentlicher Beitrag des Glaubens ist, dass sie ihn in eine räumliche Position versetzen, in der Jesus mit ihm in Kontakt kommen kann. Sie graben für ihn im wahrsten Sinne des Wortes das Dach auf. Sie bereiten den Weg für Jesu Begegnung mit dem Gelähmten. Und dann geschieht das eigentlich Besondere: Das Wort Gottes wird lebendig. Dem Gelähmten widerfährt Wunderbares, der Glaube der Freunde hat Berge versetzt und die Studierten stehen wütend daneben und protestieren. Sie sehen nicht, was der Gelähmte sieht, er sieht den Himmel und die Erde, die in der Person Jesu zusammenkommen. Wo stehen oder liegen wir also in dieser Geschichte? An der Seite der vier Freunde oder auf dem Bett des Gelähmten? Oder beim erstaunten Volk, das seinen Augen nicht traut, aber am Ende Gott lobt? Oder bei den empörten Schriftgelehrten? Die Antwort ist sicher nicht leicht. Jede und jeder muss diese im Hören auf diese Geschichte selbst geben. Ich weiß nur, dass es in der Gemeinde derer, die sich zu Jesus gehörig fühlen, solche gibt, die die Kraft zum Tragen haben und andere, die getragen werden müssen. Und das kann zu unterschiedlichen Antworten auch für ein und dieselbe Person führen. Heute fühle ich mich schwach und muss getragen werden. Morgen schon habe ich wieder Kraft und kann Andere tragen. So sind wir in der Kirche Gebende und Nehmende, aber stets auf dem Fundament, das uns die Kraft zum Leben überhaupt gibt: Jesus Christus. IV. Foto: CBM „Ich sehe was, was du nicht siehst“, ist bis heute ein beliebtes Kinderspiel. Der Gelähmte und mit ihm seine Freunde sahen etwas, was die Schriftgelehrten nicht sehen wollten. Sie wollten gar nicht erfahren, was es denn nun mit dem gesuchten Ge- Studenten in der Ausbildung am Universitätskrankenhaus von Nairobi. 10 Ich lese diese Geschichte daher auch als Mutmachgeschichte, dass Gottes Gnade Menschen verwandelt. Zuerst die Freunde, dann den Gelähmten und am Ende das Volk. Die Gnade Gottes macht Wandel möglich. Wo einer sich von dieser Gnade ansprechen lässt, bekommt unsere gnadenlose Welt eine Dachluke zu einer anderen Dimension. Wo ein einziger Mensch aufsteht und einen neuen Anfang wagt, da weitet sich der Horizont. Da eröffnen sich zugleich neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten. © 2010 Christoffel-Blindenmission V. Bibelarbeit Nikolaus Schneider Da erwachen neue Pläne, Träume und Visionen. Die Freunde des Gelähmten haben etwas gewagt, mit Lothar Zenetti gesprochen: Diese Gnade und Vergebung ist nicht immer leicht zu verstehen. Auferstehung ahne ich, wo mein Alltag ein Loch bekommt und ein neuer Horizont zu sehen ist. Die Kirche lebt von den vielen Auferstehungen, die Gottes Geist in ihrem Leben immer neu bewirkt, so sagt es Calvin. Alles Andere, was wir tun können, ist Wegbereitung: Die Kraft der Vergebung verändert das Leben. Das ist die frohe Botschaft dieser Geschichte. Gott ist den Menschen ganz nahe. Was keiner wagt, das sollt Ihr wagen Was keiner sagt, das sagt heraus, was keiner denkt, das wagt zu denken, was keiner ausführt, das führt aus. Wenn keiner ja sagt, sollt Ihr´s sagen, wenn keiner nein sagt, sagt doch nein, wenn alle zweifeln, wagt zu glauben, wenn alle mittun, steht allein. Wo alle loben, habt Bedenken, wo alle spotten, spottet nicht, wo alle geizen, wagt zu schenken, wo alles dunkel ist, macht Licht! Die Geschichte reißt uns aus der realistisch zu erwartenden Zukunft heraus. Gott nimmt sich des Menschen an. Und schenkt uns damit die Hoffnung auf Leben über den Tod hinaus. Wo die Botschaft von der Vergebung gehört wird, dort ist die Lebenshoffnung größer als alle Ängste dieser Welt. Wo die Vergebung Gottes angenommen wird, bekommt jeder und jede neuen Lebensmut. Durch Gottes Vergebung bin ich, was ich bin. Und durch Gottes Gnade ist diese Welt so, wie sie ist. Gottes gute Schöpfung und von Gott erhalten – trotz allem. Von Gott geliebt bis dorthin, dass er seinen Sohn sandte und in den Tod gab, diese Welt mit sich selbst zu versöhnen. Dem Gelähmten ist es ergangen wie den Frauen am Ostermorgen: Der Stein war weggewälzt. Die Welt hat eine Luke bekommen. Der Auferstandene wird sichtbar, wo Wandel möglich ist und etwas neu wird. Nichts bleibt beim Alten. Das ist Freude über Gottes Tat, die in der Tat fassungslos macht und gerade nicht vollmundig daherkommt. Hört, nichts ist von Gottes neuer Welt ausgeschlossen. Alles wird wichtig, es kommt Bewegung in die versteinerte Welt. Unser großer Gott kommt nicht zu uns und bleibt stehen, sondern geht mit uns weiter. Und wir gehen weiter in unsere Welt hinein, in fassungsloser Freude. Gottes rettendes Handeln geht weiter. Was keiner wagt, das sollt Ihr wagen! Jetzt neu bei Okuli: Ideen für Ihre Gemeindearbeit, liturgische Texte, Fürbitten, Vorlagen für Gemeindebriefe und Gottesdienstprogramme, Bilder und aktuelle Infos kommen direkt zu Ihnen – im elektronischen Okuli-Brief per E-Mail – viermal im Jahr. Foto: CBM/Grossmann © 2010 Christoffel-Blindenmission Der Okuli-Brief Melden Sie sich gleich an: [email protected] Schon Samsta g, und noch keinen Schlag für die Predigt geta n? n he ich morge c a m s a W ! Hilfe ndlichen? e g Ju n e d it nur m 11 Gebet Rudi Saß Seemannsdiakon Deutsche Seemannsmission Kiel e.V. Herr, wir kommen zu dir, wie wir sind, mit dem, was uns freut, mit dem, was uns Angst macht und uns oft lähmt, das zu tun, was wir als das „Gute“ und „Richtige“ erkennen. Du weißt, wir brauchen dein Wort, das uns befreit zum Reden und zum Handeln. Segne uns diesen Gottesdienst, Amen. Bausteine für einen Jugendgottesdienst Einleitung Psalm 18 Die Traditionen, die Mitarbeiterteams, die Voraussetzungen für Jugendgottesdienste in Gemeinden sind so unterschiedlich, dass ich hier nur Ideen und Bausteine für die Durchführung eines solchen Gottesdienstes zum Thema anbieten möchte. Inhaltlich möchte ich mich vor allem mit den Lähmungen befassen, die Menschen daran hindern, aufzustehen und es den Männern nachzutun, die dem Gelähmten, über alle Hindernisse hinweg, ideenreich, konsequent und mutig Heilungschancen eröffnete und so Heilung möglich macht. Lesung Die Heilung eines Gelähmten (Markus 2,1-12) Nach einigen Tagen kehrte Jesus nach Kapernaum zurück. Es sprach sich schnell herum, dass er in einem Haus war. Viele Menschen strömten zusammen, so dass nicht einmal mehr vor der Tür Platz war. Ihnen allen verkündete Jesus Gottes Botschaft. Da kamen vier Männer, die einen Gelähmten trugen. Wir feiern diesen Gottesdienst wie alle unsere Gottesdienste als Fest des Lebens – im Namen Gottes, Quelle unseres Lebens – im Namen Jesu Christi, Grund unserer Hoffnung – im Namen des Heiligen Geistes, Kraft, die uns belebt und begeistert. Und er forderte den Gelähmten auf: „Steh auf, nimm deine Trage und geh nach Hause!“ Da stand der Mann auf, nahm seine Trage und ging vor aller Augen hinaus. Fassungslos sahen ihm die Menschen nach und riefen: „So etwas haben wir noch nie erlebt!“ Und alle lobten Gott. Foto: CBM Hinführung zu den anschließenden Murmelgruppen Physiotherapie mit einfachen Mitteln im Beit CURE Hospital in Sambia. „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ (Paulus im Römerbrief Kapitel 7, Vers 19) Murmelgruppen in Kirche oder Gemeindehaus (15 Minuten) 12 © 2010 Christoffel-Blindenmission Weil sie wegen der vielen Menschen nicht bis zu Jesus kommen konnten, deckten sie über ihm das Dach ab. Durch diese Öffnung ließen sie den Gelähmten auf seiner Trage hinunter. Als Jesus ihren festen Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“ Aber einige der anwesenden Schriftgelehrten dachten: „Das ist Gotteslästerung! Was bildet der sich ein! Nur Gott allein kann Sünden vergeben.“ Jesus durchschaute sie und fragte: „Wie könnt ihr nur so etwas denken! Ist es leichter zu sagen: ‚Dir sind deine Sünden vergeben‘ oder diesen Gelähmten zu heilen? Aber ich will euch zeigen, dass der Menschensohn die Macht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben.“ Eingang Jugendgottesdienst Rudi Saß Fünfer-Gruppen drehen sich in den Bank- oder Stuhlreihen zueinander, erhalten eines der unten beschriebenen Bilder und sprechen zu den Fragen, die unter dem jeweiligen Bild geschrieben stehen: Gehe hin, lass dich vom Leiden erschüttern! Gehe hin und folge dem Weg des Guten, denn das ist der Weg unseres Bruders und Herrn Jesus Christus! a. Bilder von Menschen in schwierigen Situationen ➣ Blinder vor der Straßenüberquerung ➣ Außenseiter in der Schulklasse ➣ Hungernde Menschen ➣ Hartz IV Armut ➣ Körperbehindert in einem Entwicklungsland ➣ Blind in einem Entwicklungsland ➣ Menschen im Krieg ➣ Menschen auf der Flucht ➣ Piraterie am Horn von Afrika ➣ … Segen b. Was ist das „Gute“, das Jesus uns vorgelebt hat, was würde er tun? Lieder Gott öffne dir die Augen und segne alles, was du siehst, Gott schenke dir Liebe und Kraft, Gott schenke dir Ideen, Kreativität und Mut in allem, was du anpackst, um die Welt zu verändern. Und, wenn das Gute dein Weg ist, dann ist der Herr bei dir, an jedem Tag deines Lebens. Amen. Gott gab uns Atem, damit wir leben (EG 432) Freunde, dass der Mandelzweig (EG 659)* Komm, Herr, segne uns (EG 170) Wo ein Mensch Vertrauen gibt (EG 648)* Nun danket alle Gott, mit Herzen… (EG 321) Nun danket all und bringet Ehr (EG 322) Ins Wasser fällt ein Stein (EG 659)* Ich möcht', dass einer mit mir geht (EG 209) Singet dem Herrn ein neues Lied (EG 599)* Suchet zuerst Gottes Reich. Halleluja (EG182) Liebe ist nicht nur ein Wort (EG 665)* Wir haben Gottes Spuren festgestellt (EG 648)* c. Nennt konkrete Schritte, um das Notwendige, das was die Not wendet, zu tun. d. Wie kannst du heute schon beginnen, die Situation zu verändern? e. Was hindert (lähmt) mich eigentlich, das „Gute“ zu tun? Kurze Vorstellung der Gesprächsergebnisse Aus jeder Gruppe wird mit drei Sätzen berichtet, was festzuhalten ist. (10 Minuten) * die Nummern dieser Lieder können in den regionalen Gesangbuchausgaben abweichen. „Krieger des Lichts“ von Silbermond Aus dem Album „Nichts passiert“ 2009 (Columbia) Impressum Das Lied wird eingespielt, der Text per Beamer gezeigt oder (besser) auf den Liedblättern abgedruckt, jedem am Ende mitgegeben. CBM Deutschland e.V. Nibelungenstraße 124, 64625 Bensheim Paul-Neumann-Straße 55, 14482 Potsdam www.cbm.de © 2010 Christoffel-Blindenmission Ansprache (Wenn Pfarrer oder Pfarrerin es für nötig hält) Spendenkonto 2020 Verbindung der Gesprächsergebnisse, des Paulustextes und des Liedes von Silbermond. Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00 Sendung Ansprechpartnerin: Regina Karasch Telefon: (0 6251) 131- 2 97 Fax: (0 6251) 131- 2 99 E-Mail: [email protected] Gehe hin, zurück in deine Alltagswelt! Gehe hin, lerne mit den Augen Gottes sehen! V.i.S.d.P.: Reinhold Behr, Dr. Rainer Brockhaus Redaktion: Regina Karasch, Ilona Karin, Rudi Saß Fürbittengebet (siehe liturgische Texte) 13 ➣ Steh auf, nimm deine Trage und geh nach Hause: Aufforderung an mein Innenleben, bei Gott und in mir anzukommen. Aufforderung an die Gestaltung meines Lebens, ein eigenständiger, selbstständiger Mensch zu werden. Maria Salzmann Studienleiterin für Kindergottesdienst und Familienarbeit in Sachsen ➣ Schuldvergebung: (Sünde = Zielverfehlung; Schuld = gelebte Gottesferne) Die Kraft Gottes in Jesus ist auf innere und äußere Heilung gerichtet. Beides steht in einem Zusammenhang. Die heilende Gotteskraft in Jesus kann sich nur durch das Gegenüber zeigen. D.h. Heiler und Kranker brauchen sich. Kindergottesdienst Gedanken zum Text Frei nach dem Buch „Vielleicht sogar Wunder – Heilungsgeschichten im Bibliodrama“ von Heidemarie Langer, ISBN 3-83111947-3, 2. Auflage 2001, Seite 15-36. ➣ Er geht: verdichteter Prozess … der lange dauert! ➣ Menschen staunen über Jesu Vollmacht, aber sie preisen Gott. ➣ Die Rolle der Pharisäer und Schriftgelehrten birgt die Gefahr von antijudaistischen Gedanken, wenn man nicht achtsam damit umgeht! Wo der Text die Kinder berührt: ➣ Vers 17,b Die Kraft Gottes in Jesus ist darauf gerichtet, zu heilen. (an diesem Tag oder immer?) Heiler und Kranker brauchen sich. ➣ Getragene und abgeschobene Kinder – beide Erfahrungen werden Kinder kennen. ➣ Zusammen tragen – ein schönes Gefühl, und manchmal geht es nur so, wenn die Last schwer ist. In jedem Kind steckt der Wunsch, einem Anderen etwas Gutes zu tun, zu helfen, wo es nötig ist. ➣ Menschen/Männer/Freunde tragen zusammen; eine Last verteilt sich; sie sind zielgerichtet; sie wissen, wo sie ihre „Last“ ablegen können. (Verantwortung abgeben an einen, der mehr kann.) Sie kennen ihre Grenzen. Stellvertretend für den Gelähmten handeln, das ist thoragemäße Pflicht für gottesfürchtige Menschen. ➣ Lähmung: eine Lebensaufgabe nicht bewältigen können. Manchmal sollen Kinder etwas tun, was sie gar nicht wollen. Dabei treten lähmende Kräfte auf. ➣ Lähmung: Sich nicht getragen wissen, das ist Lähmung. Keine Freundinnen und Freunde kennen, mit denen man etwas trägt, das ist Lähmung. Nicht wissen, wohin mit dem Gelähmten, das ist Lähmung. ➣ Getragen sein: Wo haben wir das erlebt? (als Kinder; auf der Krankentrage,…) Wer trägt mich heute? Wo/wer sind Freundinnen und Freunde, die mich durchtragen und nicht fallenlassen? ➣ Schuldverhalten: suchen der Schuld bei dem anderen…aber eigentlich die „Lähmung“ bei mir spüren. Schuld und Sünde lähmt/bindet. Gebundene Kräfte fehlen mir dann bei der Lebensbewältigung. Ein Gespür entwickeln für Befreiung von Schuld. Damit ist der aufrechte Gang wieder möglich. ➣ Auf das Dach steigen: Aggressiv – sie tun etwas, was man normalerweise nicht tut. Durch das Dachöffnen entsteht Dreck. Staub und Steine (?) fallen; Lärm, Licht und Wärme – ein neuer Schauplatz entwickelt sich. Wie reagiert der Hausherr? ➣ In die Mitte – vor Jesus: Jesus ist zwischen der Erde und dem offenen Himmel ausgerichtet. Was ist die Mitte unseres Hauses? Wo ist meine Mitte? Wo in meiner Mitte erlebe ich die Kraft Gottes? Wo ist der Ort der Mitte, wo ich das mich Lähmende hinbringen kann? ➣ Kinder ermuntern, wenn etwas wirklich wichtig ist, darf/muss man „jemandem aufs Dach steigen“, obwohl das Unannehmlichkeiten bringt. ➣ Gott loben tut gut – besonders mit einem Lied! 14 © 2010 Christoffel-Blindenmission ➣ Nicht in (m)ein Haus reinkommen – Kinder, die keinen Schlüssel für die Wohnung haben - äußerlich. Ebenso die andere Erfahrung: Von zu vielen Außenaktivitäten getrieben kommt ein Kind manchmal nicht mehr bei sich selber an – innerlich. Kindergottesdienst Maria Salzmann Gottesdienstentwurf Jesus ist in ein Haus gegangen. Viele Menschen kommen. Sie wollen ihn sehen und hören, was er sagt. Sie passen nicht alle in das Haus. Keiner kommt mehr zur Tür hinein. Vier Männer bringen einen Kranken. Sie tragen ihn in einer Decke. Sie wollen mit ihm zu Jesus. Der Kranke kann nicht allein gehen. Er ist gelähmt. … die Kinder kommen aus der Kirche … Namensrunde oder übliches Anfangsritual. Gebet: Gott, wir bitten dich, komm in unsere Runde. Amen. Die Männer kommen nicht bis zu Jesus durch. Darum steigen sie auf das Dach. Sie brechen das Dach auf und machen ein Loch, genau über Jesus. Dann lassen sie den Gelähmten in der Decke hinunter. Jetzt sieht Jesus den Gelähmten. Jesus merkt, dass die Männer Vertrauen haben. Er sagt zu dem Gelähmten: Gott hat dich lieb. Deine Schuld ist dir vergeben. Ich summe euch zwei Melodien vor. Hört auf ihren Klang: Aus der Tiefe rufe ich zu dir (aus dem Buch „Singt von Hoffnung“. Neue Lieder für die Gemeinde, Ev. Verlagsanstalt, 2008/2010) Kehrvers: Ehre sei Gott auf der Erde (aus dem Lied „Ich lobe meinen Gott“, EG 611*) Welche Stimmungs-Unterschiede könnt ihr hören? (Bei ganz Kleinen weglassen.) *regionale Gesangbuchausgaben können abweichen Ein paar besonders fromme Männer stehen dabei. Sie hören, was Jesus sagt und denken: Jesus darf das nicht sagen. Nur Gott kann Schuld vergeben. Jesus weiß, was sie denken und fragt sie: Was ist leichter – diesem Gelähmten zu sagen: Deine Schuld ist dir vergeben oder: Steh auf und geh? Jesus sagt: Ich will euch zeigen, dass ich Schuld vergeben kann. Jesus sagt zu dem Gelähmten: Steh auf! Nimm deine Decke und geh nach Hause! Sofort steht der Mann auf. Er kann wieder laufen. Er nimmt seine Decke auf die Schulter und geht hinaus. Die Menschen staunen. Sie loben Gott und sagen: So etwas haben wir noch nie gesehen! Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. In der Geschichte gibt es Menschen, die in Not sind. Ihr werdet es merken. Aus: „Ein neues Leben beginnen“, ausgewählte Geschichten von Kees de Kort, Ev. Hauptbibelgesellschaft, Berlin/Altenburg. Bilder zur Geschichte Lk. 5,17-27 Für Ältere: von Kees de Kort „Jesus und der Gelähmte“ (hier wird die Markusfassung erzählt). Für ganz Kleine würde ich den Text aus dem Buch nehmen. Ich möchte euch eine alte Geschichte erzählen. Sie ist 2000 Jahre alt. Sie erzählt von Menschen in Not. Ich möchte mit euch singen. Aus der Tiefe rufe ich Herr (bei Kleinen nur 1. Vers) Es ist ein Gebetslied, ein Klagelied. Da lebt jemand in großer Not. Kennt ihr Menschen, die in großer Not leben? Kinderbeispiele (ohne Kommentar und Wertung!), dazwischen jeweils Vers 1. Psalm lesen Kennt ihr die kleinen Lehmhäuser am See Genezareth? In den Häusern sucht man Schutz vor der stechenden Sonne. Die Häuser haben winzige Fenster und schmale Türen. Meistens ist im Haus nur ein Raum. Auf dem Fußboden liegen Matten. Möbel gibt es nicht. Von außen geht eine schmale Treppe auf das Dach. Dort werden Sachen getrocknet und gelagert. Foto: Deutsche Bibelgesellschaft © 2010 Christoffel-Blindenmission Oder/und: Gemeinsam den (nach Psalm 139), aus EG 770* In so ein Haus kommt eines Tages Jesus. Wer hat ihm die Tür geöffnet? Wer hat ihn eingeladen? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass noch viel mehr Leute im Haus sind, Pharisäer, Schriftgelehrte, Leute aus den Dörfern am See. Es sind sogar welche aus der Hauptstadt Jerusalem da. Das Haus ist ganz voll. Alle sind gekommen, um Jesus zu hören. Text von Hellmut Haug, aus: Kees de Kort: Jesus und der Gelähmte, (c)Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 15 Kindergottesdienst Maria Salzmann Aber die Leute wissen nicht, welche Kraft Gottes heute in Jesus ist. Diese Gotteskraft will jemand heilen. Ob Jesus das selbst weiß? Wenn sich Pharisäer und Schriftgelehrte treffen, reden sie über Gott und die Welt. Das tun sie auch jetzt. Was sagt Jesus dazu? Da sehen die Männer die Treppe am Haus. Sie steigen aufs Dach. Sie nehmen den Gelähmten mit. „Wir wollen dich dort hinbringen, wo du Hilfe bekommst?“ Sie legen ihn aufs Dach. Sie knien sich in die Mitte. Mit einem spitzen Gegenstand ritzen sie in den Lehmboden. Endlich bekommen sie mit den Fingern einen Ziegel zu fassen. Den heben sie heraus. Lehm und Staub bröckelt nach unten. Sie nehmen noch mehr Ziegel heraus. Es ist ein Loch im Boden entstanden. Sie können in das Haus hineinsehen. In der Mitte steht Jesus. Die Leute können nach oben in den Himmel sehen. Niemand merkt, was draußen vor der Tür passiert. Männer tragen eine Last. Sie tragen gemeinsam, jeder ein bisschen. So verteilt sich das Gewicht. Wer sind diese Männer? Sind es Freunde oder gottesgläubige Juden? Und wen tragen sie? Es ist ein kranker Mensch. Er kann seine Hände und Arme nicht bewegen. Sie sind gelähmt. Er kann auch seine Füße und Beine nicht bewegen. Sie sind gelähmt. Dieser Kranke kann sich gar nicht bewegen. Wer sich nicht bewegen kann, kann sein Leben nicht selbst gestalten. Er ist immer auf Hilfe angewiesen. Daran hat er sich gewöhnt. Was wird der Hausherr zu dem Loch sagen? Wie viel Dreck fällt den Leuten da unten auf die Köpfe? Lassen sich die Leute in ihrem Gespräch stören? Sie machen das Loch immer größer. Die Männer binden lange Seile an die Decke des Gelähmten. Sie halten die Seile fest. Sie balancieren die Decke über das Loch. Ganz langsam lassen sie den Kranken hinunter, bis er vor Jesus liegt. Aber an diesem Tag ist etwas anders – eben die Kraft Gottes. Diese Kraft ist jetzt auch in den Händen und Beinen der Männer. „Komm, wir tragen dich.“ „Wohin?“ Sie schleppen ihn bis zu dem vollen Haus. Sie wollen in das Haus. Niemand macht Platz. Was nun? Im Haus ist Jesus mit der heilenden Gotteskraft. Vor dem Haus stehen die Männer mit dem Gelähmten. Und? In der Mitte des Hauses ist für Jesus und den Kranken Platz. Jesus sieht nach oben. Er sieht das große Vertrauen der Männer auf dem Dach. Und nun kann sich Gottes Kraft zeigen. Jesus sagt: „Dir sind deine Sünden vergeben, überprüfe dein Lebensziel. Das passt nicht zu dir. Gott hat dich anders gedacht. Lebe so. Bleibe in der Verbindung mit Gott.“ Da wird es unruhig unter den Leuten. „Was bildet sich Jesus ein? Niemand außer Gott kann Sünden vergeben.“ So denken die Leute. Foto: CBM Ich will euch zeigen, dass ich Schuld vergeben kann.“ Jesus sagt zu dem Gelähmten: „Steh auf! Nimm deine Decke und geh nach Hause!“ Alle können es sehen. Der Gelähmte steht auf. Er nimmt seine Decke. Er kann selbst laufen und geht nach Hause. Alle können hören, wie er für Gott ein Danklied singt. Die Menschen staunen. Sie loben Gott und sagen: „So etwas haben wir noch nie gesehen.“ Und Furcht erfüllt sie. Begeisterter Fußballfan: Der gehbehinderte Owen Mutale spielt Vuvuzela. 16 © 2010 Christoffel-Blindenmission Jesus weiß, was sie denken. Er fragt sie: „Was ist leichter – diesem Gelähmten zu sagen: Deine Schuld ist dir vergeben, oder: Steh auf, nimm deine Decke und geh nach Hause? Kindergottesdienst Maria Salzmann Fragen: Oder ➣ Erfahrungsübung: Gelähmt sein. Die Hälfte der Kinder liegen auf dem Boden. Die anderen Kinder gehen langsamer und schneller um und durch die Liegenden. Wechsel. Auswertung: Wie ging es mir beim Liegen? Wie ging es mir beim Gehen? ➣ Welche Leute in der Geschichte sind in Not? Warum? (Viele verschiedene Antworten herausfordern und zulassen: z.B.: „Freunde“, weil sie sich um den Gelähmten sorgen müssen; ein Pharisäer, der in dem engen Haus Platzangst bekommt; …) Vertiefungen suche man sich individuell nach der Gruppe aus. Wer viel Zeit hat, kann auch eine Erfahrungsübung vor der Geschichte anleiten. ➣ Wer ist an der Heilung beteiligt? (Gottes Heilkraft, Jesus, Freunde,…?) ➣ Wer hat Grund zu danken? Wem? (Gelähmter: Gott, Jesus, Freunden; Jesus: Gott, …; Leute: …?; Freunde: …?) Fürbittengebet: Gott, wir bitten dich um Zuversicht für alle Gelähmten, die keine Kraft für ihre Wege haben. Lied üben und singen: Ich lobe meinen Gott Gott, wir bitten dich für alle Tragenden, dass sie den guten Ort finden, ihre Last abzulegen. © 2010 Christoffel-Blindenmission Vertiefen: ➣ Die Geschichte bietet sich zum Nachspielen an: Rollen festlegen/Spielorte festlegen. „Verkleidung“ nur mit farbigen Tüchern: Jesus=gelb; Gelähmter=rot; Männer=grün; Pharisäer/Schriftgelehrte/Volk=blau. Bei einem ersten Spiel würde ich den Kindern, falls sie keine Worte haben, zu kurzen einfachen Sätzen helfen... Dann noch zwei Mal spielen. Das wird immer „besser/verinnerlichter“. Mit Rollenwechsel) Gott, wir bitten für alle, die schuldig an sich und Anderen geworden sind, vergib ihnen ihre Schuld. Oder ➣ Erfahrungsübung: Tragen/getragen werden – eine Decke liegt auf dem Boden. Ein Kind darf sich darauf legen. Die anderen Kinder tragen. Die Leiterin/der Leiter sollte dort anfassen, wo der Kopf ist. Bitte auf ein sanftes Ablegen achten und kurzes Nachspüren. Jedes Kind, was getragen wurde, darf einen Reflexionssatz sagen. Wichtig! Am Ende reflektieren: Wie war das Tragen? Segen einander zusprechen: Gott, wir bitten für Aufmerksamkeit, dass wir deine Kraft spüren. Amen. Vaterunser Wir stehen im Kreis. Die Leiterin/der Leiter legt beide Hände auf die ausgestreckten Hände des linken Kindes neben sich und sagt: Der Herr segne dich. Die Leiterin/der Leiter dreht nun die Hände um, das Kind legt nun die Hände auf seine/ihre Hände und antwortet: Sein Friede begleite dich. Oder ➣ Was erscheint euch an der Geschichte am wichtigsten? Seht ihr das Bild in euch? Malt es. 10 min – Dann die Geschichte noch einmal in Stichpunkten erzählen und die Kinder legen die Bilder der Reihe nach hin. (Die individuelle Wichtigkeit hat etwas mit der Biografie der Kinder zu tun. Es gibt keine Hauptwichtigkeit!) Das Kind wendet sich nun zu seinem linken Nachbarn und legt seine Hände auf die ausgestreckten Hände des Nachbarn: Der Herr segne dich. Handwechsel, das neue Kind antwortet: Sein Friede begleite dich. usw. (am schwierigsten ist die 1. Erklärung) Oder ➣ Erfahrungsübung: Wie ist das, wenn ich in der Mitte stehe? Alle stehen im Kreis. Ein Kind geht in die Mitte, atmet dort drei Mal tief durch und geht wieder auf seinen Platz. Das nächste Kind … Am Schluss: Wie ging es euch in der Mitte? So wird der Segen von Hand zu Hand weitergegeben. (Aus „Bei dir bin ich zu Hause“ von Lutz Geiger und Gottfried Moor, Verlag Junge Gemeinde, 2001). 17 In solchen Momenten sind Einfühlungsvermögen und Improvisation gefragt. Als ich vor einiger Zeit die Hilfsprojekte der CBM in Indien und Brasilien besuchen durfte, war es u.a. genau das, was mich besonders beeindruckt hat: Störungen hatten Vorrang. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind geschult darin, Störungen zu erkennen und ihnen vorrangig nachzugehen; z.B. erst, nachdem die Vorbehalte der Eltern und Angehörigen eines Kindes gegenüber der modernen Medizin beseitigt waren, konnte dieses Kind am Grauen Star operiert werden. Denn erst, wenn eine Störung beseitigt ist oder ernst genommen wurde, kann das Ganze erfolgreich weitergehen. Clemens Bittlinger Liedermacher & Pfarrer Liedandacht Manchmal sitzen wir im Gottesdienst und ein Kind schreit unaufhörlich – es stört, es stört den Pfarrer, es stört die Gemeinde und es stört den Gottesdienst – nur die Eltern des Kindes stört es scheinbar nicht. Wie reagiere ich nun als Pfarrer? Sage ich etwas, dann sind die Eltern beleidigt und ich gelte als kinderfeindlich, sage ich nichts, muss sich der weitere Verlauf des Gottesdienstes der Störung anpassen – dann ist Improvisation gefragt – vielleicht singen wir einfach den Rest des Gottesdienstes und beten gemeinsam das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser … Hätte Jesus den Kranken, der da vom Himmel schwebte, ignoriert und einfach weitergeredet, dann hätten ihm viele Leute nicht mehr folgen können, denn der Mann auf der Trage hätte sie viel zu stark abgelenkt. So aber konnte er vor aller Augen klar machen: „Gesund werden an Leib und Seele beinhaltet viel mehr als wieder gehen oder wieder sehen können! Gesund und heil im Ganzen kann nur werden, wer eine Brücke über die Kluft (den Sund/Sünde) zwischen sich und seinem Ursprung (Gott) gefunden hat!“ Deshalb sagt Jesus den für uns zunächst erstaunlichen Satz: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“ Mitten hinein in eine völlig überfüllte Veranstaltung schwebt plötzlich vom Himmel eine Trage, auf der ein schwer kranker Mensch liegt. Die Freunde des Mannes haben einfach das Dach aufgedeckt und den Kranken an Seilen zu Jesus hinuntergelassen. Und Jesus unterbricht seine Rede, er sieht und er staunt über den Glauben, über die Fantasie und über den Einsatz derer, die diesen Gelähmten begleiten. Manch einer der versammelten Menschen hat sich vielleicht geärgert, sicher auch der Hausbesitzer, dessen Dach ja durch diese dreiste Aktion geöffnet und vielleicht sogar beschädigt wurde: Aber wie würde Jesus wohl reagieren? Würde er sich ärgern über die Störung? Würde er aus dem Konzept kommen und nicht mehr das sagen können, was er eigentlich sagen wollte? Störungen haben Vorrang! Störungen haben Vorrang, drängen sich einfach auf, nehmen manchen Missklang billigend in Kauf. In der kommunikativen Psychologie gibt es den Satz „Störungen haben Vorrang!“ und genau danach verfährt Jesus, er hört und sieht die Störung und lässt sich unterbrechen, ja er greift die Störung auf und wendet sie zum Positiven. Er benutzt die Störung, um vor Augen zu führen, worum es ihm eigentlich geht. Störungen, sie stören, sind schwer zu übergehn, drum lern hinzuhören und Störungen zu verstehn. Störungen irritieren, sind kaum zu übersehn, Mienen, die gefrieren, und Augen, die sich verdrehn. Davon kann man einiges lernen, denn wir reagieren ja oft auf Störungen eher negativ. Wir werden nicht gerne unterbrochen und sind wütend, wenn uns jemand dazwischenfunkt und wir unser ursprüngliches Konzept über den Haufen werfen müssen. An vielen Stellen im Neuen Testament kann man jedoch genau dies beobachten, dass Jesus sich bewusst den Störungen zuwendet und ihnen den Vorrang gibt. Wo Menschen und Sachverhalte sich Störungen, sie gären, gebären einen üblen Duft. Störungen, sie klären, sorgen für reine Luft. Text u. Musik: Clemens Bittlinger 18 © 2010 Christoffel-Blindenmission Foto: Clemens Bittlinger so aufdrängen, dass sie keinen Aufschub mehr dulden, da ist Jesus da und lässt sich darauf ein. © 2010 Christoffel-Blindenmission Liedandacht Clemens Bittlinger 19 Hinweise zum Text: Jesus sieht ihren Glauben Im Markusevangelium ist die kurze Erzählung eingebettet in den Bericht vom ersten Auftreten Jesu nach seiner Taufe am Jordan (Mk 1,9-15). Auf die Taufe folgen kurze Erzählungen, die in Gäliläa bzw. direkt in Kapernaum, dem Heimatort des Petrus, verortet sind. Die Einzelepisoden geben Antwort auf die explizit im Markusevangelium gestellte Frage nach Identität und Vollmacht Jesu: „Wer ist dieser?“ So wie die Heilung des Gelähmten berichtet wird, liegt auch hier der erzählerische Schwerpunkt des Abschnittes in der Beschreibung Jesu. Dr. Sönke von Stemm Religionspädagogisches Institut Loccum Konfirmandenarbeit Die Heilung des Gelähmten Ein bibliodramatischer Baustein zum Thema Diakonie „Zusammen. Da bin ich mir sicher – dann können wir das schaffen!“ Lisa stützt ihre Hände in die Hüften und spornt die Mitkonfirmandinnen und Konfirmanden auf der kleinen Bühne an. Dann fügt sie noch hinzu: „Wenn wir ihm nicht helfen, kann Jesus ihm auch nicht helfen. Kommt, wir bringen ihn dahin, wo es ihm besser geht!“ Die kleine Szene hat sich mir eingebrannt. Sie stammt aus einer bibliodramatischen Erarbeitung der Geschichte von der Heilung des Gelähmten (Mk 2,1-12) mit Konfirmandinnen und Konfirmanden im Rahmen einer Einheit „Stark sein für andere: Diakonie“. Im Folgenden sollen dieser Unterrichtsbaustein kurz skizziert und die zugrunde liegenden didaktischen Entscheidungen erläutert werden. Zugleich steht die Wirkung des Handelns Jesu im Mittelpunkt. Denn der abschließende Ausruf: „Wir haben so etwas noch nie gesehen“ (V. 12) markiert ebenso wie das Verhalten der vier Männer eine Reaktion auf Jesus und seine Taten. Die vier bringen den Gelähmten zu Jesus, bahnen sich einen Weg durch die große Menge, decken ein Dach auf, um den Gelähmten zu Jesus hinabzulassen. Denn – so lässt es sich aus V. 5 schließen – sie vertrauen darauf, dass Jesus ihrem Freund helfen kann und wird. Hier wird also berichtet, wie Menschen als Reaktion auf Jesu Verhalten gemeinsam einem anderen helfen, weil sie diesem Jesus „Glauben“ entgegenbringen (vgl. Eibisch 2009, 40ff.). Der Text in der Konfirmandenarbeit Kooperatives Handeln und Vertrauen als inhaltliche Schwerpunkte in der Einheit „Diakonie“ Für den Einsatz der Geschichte in der Konfirmandenarbeit sollte ein inhaltlicher Schwerpunkt herausgegriffen und der Fokus auf die Motivation der vier Personen gerichtet werden, die den Gelähmten zu Jesus bringen. Dabei lässt sich auch von dem Erzählduktus des markinischen Textes her argumentieren, denn in den ersten Episoden des Markusevangeliums durchziehen die Reaktion der Menschen und das Vertrauen bzw. der Unglaube gegenüber Jesus wie ein zweiter roter Faden die Erzähleinheiten. Der Fokus „Motivation“ ergibt sich aber gerade auch aufgrund der Überlegungen zu den Jugendlichen selbst, die sich mit dem Thema Diakonie beschäftigen (s.u.). Schließlich ist eine Elementarisierung und Vereinfachung des Textes in der inklusiven Konfirmandenarbeit ohnehin geboten. Ich empfehle daher, eine Nacherzählung des Textes zu verwenden, die aus der Sicht der helfenden Personen erzählt ist und die Thematiken der Vollmacht Jesu und der Sündenvergebung nur streift. Hier ein Beispiel: Diakonie, das bedeutet biblisch-theologisch gesprochen, so zu handeln wie der Samariter. Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter ist zum Grundtext christlichen Glaubens bzw. christlich-diakonischen Handelns geworden. Die Nächstenliebe als zentrales Merkmal der christlichen Nachfolge Jesu findet in der Erzählung vom Samariter ihr Urbild. Zur Vorbereitung auf die Konfirmation gehört es daher für die meisten Konfirmandinnen und Konfirmanden, sich mit der Aufforderung Jesu, ebenso zu handeln wie der Samariter, auseinanderzusetzen. Meine Erfahrung mit Jugendlichen ist darüber hinaus, dass es sich lohnt, gerade der Motivation für diakonisches Handeln stärker nachzuspüren. Diese Möglichkeit bietet die Geschichte von der Heilung des Gelähmten in Mk 2,1-12. Zudem kommt hier das gemeinsame und kooperative Helfen als zentrale Dimension von Diakonie mehr als in anderen Erzählungen zur Geltung (vgl. aus der Menge an neuerer Literatur zum Markusevangelium zum Beispiel Eibisch 2009). 20 © 2010 Christoffel-Blindenmission Ein Erzähltext aus der Perspektive der Freunde Konfirmandenarbeit Dr. Sönke von Stemm ➣ Hallo, ich bin Jonas. Ich komme aus einem Dorf in Israel. Das heißt Kapernaum und liegt direkt am See Genezareth. Ich will euch eine Geschichte erzählen. Die ist wirklich passiert! ➣ Schließlich waren wir zu viert. Wir trugen Simon auf einer Trage und drängelten uns durch die vielen Menschen. Aber die wollten uns nicht in das Haus lassen, wo Jesus war. Da war es zu eng. Also stiegen wir auf das Dach des Hauses und nahmen Simon auf der Trage mit nach oben. Ihr müsst wissen, dass wir flache Dächer auf unseren Häusern haben. Da kann man sogar sitzen wie auf einer Terrasse. Unten im Haus hörten wir Jesus mit den Menschen sprechen. Wir schlugen ein Loch mitten in das Dach und ließen unseren Freund mit seiner Trage vorsichtig hinunter. So lag er direkt vor Jesus. Der hat gestaunt und die Leute im Haus auch! ➣ Eines Tages kam Jesus in unser Dorf. Viele Menschen wollten Jesus sehen und hören. Denn Jesus hat viel Gutes getan, das wussten die Leute. Ich wusste das auch. Jesus hat Kranke wieder gesund gemacht. Darum kamen viele, viele Menschen in das Haus, in dem Jesus war. Es passten gar nicht alle Leute in das Haus. Einige saßen und standen draußen und versuchten, durch die offenen Fenster und Türen etwas von Jesus zu hören. ➣ Mein Freund Simon, der konnte damals nicht laufen. Er konnte seine Beine nicht bewegen. Das war schon so, als er noch ein Baby war. Ich habe trotzdem mit ihm gespielt. Simon war ja mein Freund. Aber unser größter Wunsch war, dass er auch laufen könnte und rennen. ➣ Jesus schaute uns durch das Loch im Dach an: „Ihr habt aber großes Vertrauen zu mir!“ sagte er. Dann nahm er seine Hand und gab sie unserem Freund. Er sprach ganz ernst: „Simon, jetzt wirst du heil! Steh auf, nimm deine Trage und geh zu deinen Freunden!“ Und tatsächlich. Simon stellte sich langsam auf und konnte gehen. Er nahm die Trage, auf der wir ihn gerade noch hinuntergelassen hatten, und ging vor allen Leuten aus dem Haus. Er konnte wirklich laufen. Ihr könnt euch vorstellen, wie froh wir waren! Diakonie und oder diakonisches Lernen Aus Sicht von Konfirmandinnen und Konfirmanden In vielen Gemeinden gehört zum Thema Diakonie in der Konfirmandenarbeit die Erarbeitung von Wissen über verschiedene diakonische Aufgaben von Kirche und Gemeinde. Viele Gemeinden bieten darüber hinaus den Konfirmandinnen und Konfirmanden die Möglichkeit, selbst Erfahrungen mit diakonischen Tätigkeiten der Gemeinde bzw. des Kirchenkreises zu machen – von der Mithilfe bei der Tafel der Gemeinde bis hin zum Praktikum im Kindergarten. Foto: CBM/argum/Einberger © 2010 Christoffel-Blindenmission ➣ „Los!“ sagte ich zu Simon, „Da gehen wir auch hin. Wir müssen auch zu Jesus. Jesus kann helfen! Das weiß ich ganz bestimmt!“ – „Aber wie sollen wir zu Jesus kommen? Da sind viel zu viele Menschen!“ rief Simon. „Die lassen uns bestimmt nicht durch. Und ich kann doch nicht laufen.“ Er wollte schon aufgeben. Da hatte ich eine Idee. Allein konnte ich nicht helfen. Darum rief ich unsere anderen Freunde. Ich erklärte ihnen meinen Plan, wie wir Simon zu Jesus bringen wollten. „Das soll funktionieren?“ fragten sie. „Na klar!“ antwortete ich „Zusammen schaffen wir das. Zusammen sind wir stark und können helfen!“ Praktizierte Inklusion in Tansania: Der kleine Huseni, der an offenem Rücken leidet, wird zusammen mit seinen nicht behinderten Klassenkameraden unterrichtet. 21 Meine Erfahrung ist, dass aus der Sicht von Konfirmandinnen und Konfirmanden das Thema Diakonie vor allem dann eine Relevanz für das eigene Leben erhält, wenn sie in diakonischen Handlungen nicht nur ein entscheidendes Merkmal christlichen Glaubens und kirchlichen Lebens entdecken. Ich teile vielmehr die Beobachtungen, dass die Jugendlichen eine Antwort auf die Frage brauchen: Was bringt mir das (vgl. Noormann 2009)? Daher liegt mir daran, dass die Jugendlichen im diakonischen Lernen die soziale Tragweite von Mitgefühl und zugleich die Anerkennung nachvollziehen, die helfendem Handeln geschenkt wird. Es „lohnt sich“ für Jugendliche, sich die Grundzüge von diakonischem Handeln angeeignet zu haben; das entspricht ei- Konfirmandenarbeit Dr. Sönke von Stemm nem christlichen Selbstverständnis (so kann ich als Christ leben) und verschafft die Erfahrung: Ich werde gebraucht! – In manchen Konfirmandengruppen mag diese lebensweltliche Verortung keinerlei Rolle spielen. Doch gerade in der Inklusiven Konfirmandenarbeit zeigt sich, wie gut es Jugendlichen tut, als Assistentin oder Assistent gebraucht zu werden. Harry Noormann fasst die aktuellen gesellschaftlichen Beobachtungen so zusammen: „Jugendliche möchten in der Tat wissen, welchen ,Gewinn’ soziales Engagement auf Zeit für sie bringt. Opfer- und Gönnerhaltungen liegen ihnen fern, auch religiöse Motive spielen kaum eine Rolle. Egoistische und altruistische Motive schließen sich nicht aus, sondern verstärken sich gegenseitig: Je mehr ,Spaß’ und eigene Bereicherung erfahren werden kann, je mehr es sich ,lohnt’, desto höher die Bereitschaft, aktiv zu werden“ (Noormann 2009, 54). ten gemacht. Denn Bibliodrama ist eine Herangehensweise, die Erlebnisse ermöglicht und deren Reflexion vorantreibt. Hier kann in einem Gruppenprozess die biblische Geschichte als eigene Lebensgeschichte entdeckt werden (vgl. Weidner 2009, 32). Gerade auch in der Inklusiven Konfirmandenarbeit empfehlen sich biblisches Rollenspiel und Bibliodrama, weil der biblische Text langsam wahrgenommen wird und zudem nicht nur auf der kognitiven Ebene. Das Rollenspiel, in dem die eigene Rolle selbst gewählt und definiert wird, erlaubt gleichzeitig auch, sich in Distanz zu setzen. Niemand wird vereinnahmt. Schließlich regen die Interviews innerhalb des Rollenspiels scheinbar spielerisch zum Nachdenken über das Erlebte an und motivieren, die eigene Position zum Ausdruck zu bringen (vgl. zum Bibeltheater auch Langbein/Hübner 2005). Für die Durchführung ist es nicht unerheblich, dass die Konfirmandinnen und Konfirmanden sich in einer vertrauensvollen Atmosphäre wissen. Daher sollte der Ablauf des Rollenspiels und der Interviews vorher erläutert sein. Möglicher Verlauf des Rollenspiels Muianaidi Kineazi blickt erwartungsfroh ihrer zweiten Augenoperation am Grauen Star entgegen. Bald wird sie wieder auf beiden Augen sehen können. ➣ Alle verteilen sich im Raum. Aus Stühlen und Tischen etc. sind Hindernisse aufgebaut. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden werden gebeten, sich zu dritt oder zu viert gegenseitig zu helfen, um die Hindernisse möglichst gut (und schnell) zu überwinden. Das Rollenspiel wird erläutert und beginnt mit der Nacherzählung der Geschichte. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden sitzen möglichst im Kreis. Es folgt die Rollenfindung für das Rollenspiel. Die Jugendlichen werden gebeten, sich in die erzählte Szene hineinzuversetzen (mit geschlossenen Augen, evtl. mit Hintergrundmusik oder mit einer Trage als zentralem Gegenstand aus der Geschichte in der Mitte). Für das eigene Rollenspiel werden die Konfirmandinnen und Konfirmanden befragt, welche Rollen mit dabei sein sollen. Es empfiehlt sich, mit Personen zu beginnen, die tatsächlich in der nacherzählten Geschichte vorkamen. Es können aber auch Personen hinzukommen, die nicht in der Erzählung explizit genannt wurden (z.B. das Kind, das aus der Nähe die Szene beobachtet, der Mann, der nur vorbei will etc.). Alle Rollen werden auf Insgesamt sollte daher in der Konfirmandenarbeit die Möglichkeit bestehen, in konkreten Situationen Mitgefühl passiv und aktiv zu erleben, um die Auswirkungen dieses Mitgefühls für Hilfsbedürftige und auch für die eigene helfende Person erleben und anschließend reflektieren zu können (vgl. auch Naurath 2007). Identifikation und Distanzierungsmöglichkeit Arbeiten mit Methoden des Bibliodramas Widerspricht eine Textarbeit bzw. eine Bibelarbeit diesen Ansprüchen? Ich habe gute Erfahrungen mit der bibliodramatischen Erschließung von Bibeltex- 22 © 2010 Christoffel-Blindenmission Foto: CBM/argum/Einberger Vor dem Rollenspiel kann gut ein Gruppenspiel oder ein „warming up“ stehen, in dem schon durch Symbole oder Körperübungen auf das Thema „Helfen“ oder „Vertrauen“ hingearbeitet wird. Konfirmandenarbeit Dr. Sönke von Stemm ➣ (Die Szene hält an, nachdem der Gelähmte aufgestanden ist und seine Trage zusammengelegt hat.) Die Spielleiterin tritt an eine der Zuhörinnen im Haus. „Du, Schriftgelehrte! Darf ich dich einmal etwas fragen? Was ist hier gerade passiert? Hast du so etwas schon einmal erlebt? Wie findest du das? – Zuletzt fragt die Spielleiterin einen der Freunde des Gelähmten: „Wie heißt du?“ – „Ich bin Maria.“ – „Hast du auch mit geholfen?“ – „Ja, ich wusste, dass wir Simon helfen können. Zusammen. Da war ich mir sicher. Zusammen können wir helfen! Gemeinsam sind wir stark!“ – „Du bist dir sicher?“ – „Ja, ich glaube, dass Jesus zu uns Menschen gekommen ist, damit er uns hilft!“ Foto: CBM/Foto Backofen Mhm Moderationskarten geschrieben und in die Mitte gelegt. Für Jugendliche, die nicht lesen oder nicht sehen können, eignen sich auch Spielsteine oder unterschiedliche Handpuppen. Monica (7 Monate) aus Malawi wurde mit einem Klumpfuß und sechs Zehen an jedem Fuß geboren. Durch die Behandlung der Fuß-Fehlstellung und die Entfernung der sechsten Zehen wird sie normal laufen lernen. Vorsichtig können die Fragen das Geschehene aufgreifen. Zugleich können die Jugendlichen gebeten werden, aus der Rolle heraus ihre Einstellungen zu formulieren und auch ihre spontanen Gefühle. Nach meiner Erfahrung sind diese Interviews sehr kostbare und stets konzentrierte Momente in der Gruppe. Ich habe nie erlebt, dass zum gegenseitigen Zuhören ermahnt werden musste. Ergebnissicherung © 2010 Christoffel-Blindenmission Die Rollenidentifikation erfolgt dadurch, dass die Jugendlichen (nach einer Pause) gebeten werden, sich für eine Person zu entscheiden. Jede und jeder nimmt sich eine Rollenkarte/einen Spielstein. Die Jugendlichen sollen sich überlegen, wer genau sie sind, wie sie heißen, wie alt sie sind, welche äußeren (ggf. Kleidung) und anderen Eigenschaften sie haben. Diese können ggf. auf der Rückseite der Rollenkarte notiert werden. Zur Vertiefung dieser Phase können die Rollen präsentiert werden, in dem die Spielleitung einen kleinen Spaziergang vor der Gruppe im Raum mit jeweils einer Person macht und sie mit knappen Fragen nach der Identität der Rolle interviewt: Wer bist du? Wie alt bist du? Wohnst du auch hier in Kapernaum? Hast du schon einmal etwas von Jesus gehört …? Zum Abschluss des Rollenspiels sollten alle wieder aus ihren Rollen entlassen werden („Du bist jetzt wieder Kevin …“). Zudem kann in einer Schlussrunde versucht werden, die wichtigsten Aussagen zu rekonstruieren und für die weitere Arbeit zum Thema Diakonie zu sichern. Literatur Frank Eibisch, „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Heilungsgeschichten des Markusevangeliums als paradigmatische Erzählungen und ihre Bedeutung für diakonisches Handeln. Reutlinger Theologische Studien 4, Göttingen. (2009) Ekkehard Langbein/Reinhard Hübner, Bibeltheater. Ansatz und Möglichkeiten, KU-praxis 49, 9295, Gütersloh. (2005) Elisabeth Naurath, Mit Gefühl gegen Gewalt. Mitgefühl als Schlüssel ethischer Bildung in der Religionspädagogik, Neukirchen-Vluyn. (2007) Harry Noormann, Diakonische Bildung. Lernen am Ernstfall in Schule und Konfirmandenarbeit, Loccumer Pelikan 2/2009, 5359. (2009) Lissy Weidner, „Gut, dass der Hirte eine Schulter hat“. Bibliodrama mit Kindern, TPS 7/2009, 30-33. (2009) Dann beginnt das eigentliche Rollenspiel – je nach Möglichkeiten der Jugendlichen pantomimisch oder mit Unterstützung von Geräuschen und Sprache. Die Spielleitung erzählt dabei die Geschichte und die Jugendlichen spielen die entsprechenden Rollen. Die Reflexion des Erlebten und der eigenen Rolle geschieht durch Interviews. Die Szene wird an einer oder zwei Stellen eingefroren. Alle werden gebeten, sich nicht mehr zu bewegen. Dann tritt die Spielleitung hinter jeweils eine der Rollen und befragt sie nach dem eigenen Erleben. Ein Beispiel: 23 Liturgische Texte Rudi Saß Eingangsgebet Lieber Herr Jesus Christus, wieder liegt eine Woche unseres Lebens hinter uns. Wir geben sie in deine Hände zurück mit all den guten Erfahrungen und Begegnungen, aber auch mit dem Unheil, das wir erfahren oder verursacht haben, mit aller Unruhe und allen Brüchen in unserem Leben. Du allein rechnest unsere Schuld nicht auf, sondern machst uns frei davon, damit wir uns immer wieder neu für das Gute und Heilsame entscheiden können. Mit dir beginnen wir die vor uns liegende Woche. Öffne unsere Augen und Ohren für dein Wort heute Morgen und hilf uns, deinem Vorbild in Wort und Tat näher zu kommen. Psalm 18 Ich liebe Dich, HERR, Du meine Stärke, HERR, Du mein Fels, meine Burg und mein Erretter. Mein Gott, Du, mein Fels, an dem ich mich geborgen weiß, mein Schild, Berg meines Heiles und mein Schutz! „Gepriesen sei der HERR,“ rufe ich, und schon bin ich sicher vor meinen Feinden. Des Todes Stricke umfingen mich, unheilvoll stürzende Bäche erschreckten mich, Stricke der Unterwelt umschlangen mich, des Todes Schlingen überraschten mich. In meiner Angst rief ich zum HERRN, zu meinem Gotte schrie ich auf; aus seinem Tempel hörte er meine Stimme, mein Schrei drang zu ihm ins Ohr. Ja, Du machst ein bedrängtes Volk wieder frei, doch stolze Augen erniedrigst Du. Ja, Du gibst Licht meiner Leuchte. Der HERR, mein Gott, erhellt meine Dunkelheit. Ja, mit Dir renne ich gegen Mauern an, mit meinem Gott überspringe ich alle Hürden. Ja, Gottes Weg ist ohne Tadel, geläutert ist des HERRN Wort; allen ist er ein Schild, die Zuflucht zu Ihm nehmen. Denn, wer ist Gott, wenn nicht Er, der HERR, und wer ein Fels, wenn nicht unser Gott! Segen Fürbittengebet Gott segne dich mit seiner Zuwendung und seiner Liebe und er öffne dir die Augen für deinen Nächsten, den du mit deiner Zuwendung und deiner Liebe segnest. Wir möchten dir danken, Herr unser Gott, für die Worte, die wir heute Morgen hören und aufnehmen durften. Du löst uns aus der Lähmung, die unsere Schuld verursacht. Du löst uns aus der Lähmung, die uns aus Entsetzen über unsere eigenen Gedanken und unser eigenes Verhalten oft befällt. Gott spricht: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!“ Amen! 24 © 2010 Christoffel-Blindenmission Du löst uns aus der Gedanken- und Tatenlosigkeit und machst uns lebendig und frei für ein Leben, das unserem Bruder, Jesus Christus, folgt. Lass uns offen und hilfreich für alle Menschen werden, die deiner Liebe und Zuwendung in ihrer Not bedürfen. Denen, die nach Leben hungern, den Einsamen, den von Depressionen und Verzweiflung Gequälten, denen, die in ihrer Schuld verstrickt sind, hilf aus ihrer Dunkelheit mit einem erlösenden Wort – auch durch unseren Mund gesprochen. Denen, die krank, alt und schwach sind, hilf mit deinem Trost und mit unserem Besuch, unserer Zuwendung und unserer Liebe, damit sie ein würdiges Leben führen können. Denen, die nach Brot hungern, die sich nach einem Leben in Frieden und Sicherheit sehnen, denen, die nach einem Ort zum Leben suchen, hilf mit deinem himmlischen Brot und deinem Trost, aber vor allem mit unserer Tat, die die Welt endlich in einen Ort zum Leben verwandelt. Denen, die in der Wirtschaft, in der Politik, im Finanz- und Sozialwesen etwas zu sagen haben, hilf mit einem Wort der Weisung. Lass sie endlich ihre Verantwortung für das Chaos, in das unsere Welt immer mehr hineinstolpert, wahrnehmen. Hilf auch uns, in dem Bereich, den wir verantworten, mit deiner Schöpfung und deinen Geschöpfen verantwortungsvoll umzugehen und das Notwendige zu tun. Du hast uns versprochen, bei uns zu sein. Wir spüren an Tagen wie an diesem Sonntag ganz deutlich deine Nähe und die Liebe, die von dir ausstrahlt. Hilf uns, auch in den Stunden unseres Alltages durchatmen zu können. Lass uns deine Nähe spüren, damit wir tragen können, was du uns schenkst: Die Vergebung, die Liebe und die Tatkraft, die alle Hindernisse aus dem Weg räumt und deiner Liebe in unserem Leben Raum verschafft. Amen! Andacht Ich wurde in Khochwan, einem traditionellen kleinen Dorf in der Nähe von Varnasi in Uttar Pradesh, geboren. Ich war gesund und erlebte eine frohe Kindheit im Haus meiner Familie. Meine Eltern hatten zu Hause eine Teppichweberei. Mit einem Jahr begann ich zu stehen und machte die ersten Gehversuche. Im Alter von anderthalb Jahren litt ich unter einem schweren Fieber mit starken Schmerzen am ganzen Körper. Örtliche Ärzte untersuchten und behandelten mich zwei Wochen lang. Bei einer Nachuntersuchung diagnostizierte ein anderer Arzt Polio und sagte, dass ich nie wieder laufen können würde. Ich war zu klein, um zu verstehen, was das bedeutete, meine Eltern aber nicht. Ich wurde behindert durch die Nachlässigkeit meiner Eltern und sie können sich das immer noch nicht vergeben. Das Familieneinkommen war nicht groß und für meine Behandlung wurden alle Ersparnisse ausgegeben. Später bekamen meine Eltern noch ein Kind, meine Schwester, und sorgten dann für eine rechtzeitige Impfung. Dinesh Rana Mitarbeiter im Bereich Programme, CBM-Regionalbüro Nord-Indien Andacht Vom Wir zum „Ich hab´s geschafft!“ Für uns von Mobility India, dessen Programm-Officer ich bin, war es eine wunderbare Erfahrung zu sehen, was für eine Veränderung wir im Leben von Manorma bewirken konnten. Durch einen Freund der Familie wurden wir auf sie aufmerksam. Manorma aus ihrem Versteck zu befreien und ihr eine helfende Hand zu reichen hat ihr Leben für immer verändert! Sie nennt es ein „Wunder“. Ich habe sie gebeten, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben: Auf der Suche nach besserer Behandlung und Verdienstmöglichkeiten kamen wir nach Kalkutta. Mein Vater arbeitete für eine Firma als Tagelöhner, um die Familie durchzubringen. Überleben war ein Kampf und jeder neue Tag war schwieriger als der vergangene. Im harten Leben in der Stadt wurde ich in ein kleines Zimmer eingesperrt. Ich wurde immer abhängiger von meinen Eltern, für die alltäglichsten Dinge. „Wenn ich mit meinen Freunden und meiner Schwester zur Schule gehe, erinnert mich jeder Schritt an meine Behinderung. Die Strecke ist für mich genauso weit wie für meine Freunde, aber trotzdem bin ich immer zu spät. Das frustriert mich an meiner Behinderung, aber der nächste Gedanke erinnert mich an die Jahre, in denen es gar keine Schule für mich gab. Ich dachte, es würde nie eine Schule für mich geben. Nach ungefähr vier Jahren in Kalkutta machte uns ein Freund meines Vaters auf das Rehabilitationszentrum für Kinder von Mobility India aufmerksam. Meine Eltern hatten mich immer vor Anderen versteckt, denn das Stigma, das mit meiner Behinderung verbunden war, hätte die Situation für meine Schwester schwieriger gemacht. Foto: CBM © 2010 Christoffel-Blindenmission Ich verlor kostbare Jahre meines Lebens – wer ist schuld daran? Meine Eltern oder die Gesellschaft, in der ich lebe? Tatsache ist, dass sich die Zeit nicht zurückdrehen lässt. Dank ihrer Orthese kann Manorma heute sogar Karate betreiben (siehe auch Seite 28). Sobald wir mit Mobility India in Kontakt kamen, besuchte ein Team uns zu Hause, um uns zu unterstützen. Dies war das erste Mal, dass jemand zu uns kam, nur um mich zu sehen. Sie redeten mit mir, machten mir Hoffnung und sagten, dass sich mein Leben ändern würde. In meinem ganzen Leben hatte, außer meinen Eltern, niemand meine Beschwernisse geteilt. Die Unterstützung gab mir die Hoffnung, dass ich wieder laufen und ein unabhängiges Leben führen könnte. Sie stellten mir Fragen über Fragen und informierten mich, was nun 25 Andacht Dinesh Rana denn ich bin nicht nur gut in der Schule, sondern ich zeichne, male und trainiere Karate. zu tun sei – und meine Eltern konnten nicht aufhören zu weinen. Ich war sprachlos! Tagelang diskutierten wir über die Möglichkeiten der Hilfe und stellten dann einen Rehabilitationsplan für mich auf. Mein erstes Ziel ist, meine Ausbildung zu beenden. Dann möchte ich Mobility India beitreten und mit Kindern mit Behinderungen arbeiten. Ich würde gerne Orthopädietechnikerin oder Rehabilitationstherapie-Assistentin werden oder Teil eines Außenteams sein, um der Gesellschaft zu dienen.“ Sobald ich die Beinschienen (Orthesen) bekommen hatte, wurde ich von Tag zu Tag mobiler und unabhängiger. Dies war nur der Anfang und es lagen noch viele Meilen vor mir, bevor ich zufrieden war. Ein Mitarbeiter von Mobility India motivierte mich, in die Schule zu gehen und versprach mir jede mögliche Unterstützung. Durch seine Anregungen entwickelte ich ein Interesse daran, meine schulischen Leistungen zu verbessern und meine Stellung unter den fünf Klassenbesten zu halten. In dem Bericht aus der Bibel hören wir, wie „vier Freunde“ dem Gelähmten helfen, zu Jesus zu kommen. Manorma benötigte den Freund des Vaters und unsere Mitarbeitenden, um aus ihrer schwierigen Situation herauszukommen. Der Gelähmte nahm sein Bett und ging nach Hause. Manorma ist mit ihrer Orthese wieder in der Lage zu laufen. Ich wünsche mir, gemeinsam mit Ihnen, den Unterstützern der CBM, diese „vier Freunde“ zu sein – für viele andere Kinder mit Behinderungen in diesem Slumgebiet Kalkuttas. In der Schule bin ich von meinen Freunden und Lehrern gut akzeptiert. Im Moment bin ich in der zehnten Klasse und sowohl in den verschiedenen Fächern wie auch in anderen Aktivitäten komme ich gut voran. Ich habe auch mehr Selbstvertrauen, Online-Shop: Die CBM bietet Ihnen auf www.cbm.de eine Fülle hilfreicher Informationsschriften und Verleihmaterialien kostenlos zur Bestellung an. Unter anderem finden Sie das abgebildete Material. Darüber hinaus können DVDs, Videos oder Unterrichtsmaterialien ausgeliehen werden. Aktueller Jahresbericht Die Broschüre gibt einen umfassenden Überblick über die Arbeit der CBM mit Jahresrechnung und Arbeitsstatistik. Sie planen eine Benefiz-Aktion zugunsten der CBM? BlindenschriftAlphabet Buchstaben und Zahlen zum Selbstertasten. Ideal für Schulunterricht und Gemeindegruppen. Wir beraten Sie gerne und können Ihnen noch weitere Materialien zur Verfügung stellen. Bitte rufen Sie uns an: Marzena Helbig Telefon (0 62 51) 131- 294. 26 © 2010 Christoffel-Blindenmission Materialkoffer „Blindheit erfahrbar machen“ Wie finden sich blinde Menschen im Alltag zurecht? Wie hängen Armut und Blindheit zusammen? Der Materialkoffer ermöglicht eine spielerische Annäherung an diese Themen. Für Gruppen bis 30 Personen, ab sechs Jahren, auch für Jugendliche geeignet. Inhalt: Taststock, Klingelball, Blindenschrift-Alphabete, Blindenschreibtafeln, Augenbinden, Film, methodische Anleitung u.v.a. Zum Verleih, bitte acht Wochen vorher telefonisch bestellen: (0 62 51) 131- 294. Das hat Ihre Spende bewirkt! Stipendien für Augenärzte Im Jahre 2010 wurde durch die CBM die Ausbildung von 21 jungen Medizinern an vier Krankenhäusern in Kenia, Tansania und Uganda mit Stipendien unterstützt. Mithilfe Ihrer Spenden konnten 13 von ihnen ihre Fachqualifikation als Augenarzt abschließen, die anderen acht jungen Ärzte stehen jetzt kurz vor ihrem Examen. Foto: CBM Damit stehen weitere – dringend benötigte – Augenärzte für die Versorgung und Behandlung von etwa 6,8 Millionen augenkranken und blinden Menschen in Afrika bereit. Etwa jedem zweiten blinden Menschen kann durch eine Graue-StarOperation das Augenlicht geschenkt werden. Der deutsche CBM-Mitarbeiter Dr. Martin Kollmann bildet am Universitätsklinikum in Nairobi Augenärzte aus. Herzlichen Dank für Ihre Hilfe! Haiti-Kollekten erbrachten über 8.000 Euro Foto: CBM Mit Ihrer Unterstützung konnten sechs Kindertageszentren, die beim Erdbeben zerstört worden waren, mit dem lokalen Partner der CBM wieder betrieben werden. Hier entstanden Oasen für Kinder mit und ohne Behinderung, in denen sie u.a. spielerisch lernen, das Erlebte zu verarbeiten. (Bild und Text entnommen aus der Pressemeldung vom 12. Juli 2010 und dem englischen Text: Helping Haiti Rebuild) Für Menschen mit Behinderungen wurden neun „Antennas“ eingerichtet, Anlaufstellen, in denen im Laufe des Jahres 2010 etwa 7.200 Menschen durch mehr als 27.000 Behandlungen geholfen wurde. Herzlichen Dank für Ihre Hilfe! Ideen für Ihre Gemeindearbeit, liturgische Texte, Fürbitten, Vorlagen für Gemeindebriefe und Gottesdienstprogramme, Bilder und aktuelle Infos kommen direkt zu Ihnen – im elektronischen Okuli-Brief per E-Mail – viermal im Jahr. Melden Sie sich gleich an: [email protected] Wir wollten im Frauenkre is doch scho immer mal ü n ber „Gesund heit“ reden. 27 Foto: CBM/Foto Backofen Mhm © 2010 Christoffel-Blindenmission Jetzt neu bei Okuli: e zündende in e h c o n lt h Uns fe meindefest! Idee fürs Ge Kollektenvorschlag Manorma besucht die zehnte Klasse in Kalkutta (Indien) und gehört zu den Klassenbesten. Vier Jahre lang lebte Manorma (16) in einem kleinen Raum in einem der schlimmsten Slums von Kalkutta. Ihre Eltern hielten sie versteckt, denn sie schämten sich, dass ihre Tochter nicht laufen konnte. Manorma war mit anderthalb Jahren an Polio erkrankt – und weder Eltern noch Ärzte hatten das schwere Fieber der Kleinen richtig gedeutet. Doch selbst wenn: Ihnen hätte das Geld gefehlt, um die Medikamente zu bezahlen. Manormas Schicksal ist kein Einzelfall. Unwissenheit und Armut sind vielfach der Grund dafür, dass aus Krankheiten Behinderungen werden. Zusammen mit Scham und Angst vor Zurückweisung bewirken sie oft, dass Kinder und Erwachsene ein Leben im Schatten führen müssen. Manorma erfuhr keine Förderung durch ihre Eltern. Das änderte sich erst, als die Familie auf das Rehabilitationszentrum für Kinder von „Mobility India“ in Kalkutta aufmerksam gemacht wurde. Der Rehabilitationsplan und die praktischen Hilfen erschlossen Manorma eine neue Welt: Sie wurde mobiler, entwickelte Selbstvertrauen und begann, die Schule zu besuchen. Das Zentrum von Mobility India im Garden Reach Slum in Kalkutta wird von der Christoffel-Blindenmission gefördert und leistet auch Aufklärungsarbeit über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Eltern-Selbsthilfegruppen werden unterstützt, um diese Rechte für ihre Kinder einzufordern, sodass diese zur Schule gehen und eine Berufsausbildung machen können. Manorma sog alles neue Wissen auf wie ein Schwamm. Sie lernte so gut, dass sie ein Stipendium bekam. Heute zeichnet sie und trainiert Karate – und sie will beruflich mit Kindern mit Behinderungen arbeiten. Für ihre Eltern jeden Tag ein Grund zum Staunen und zur Freude – für viele andere Menschen in ihrem Umfeld ein eindrückliches Beispiel dafür, dass auch Kinder mit Behinderungen viele Talente haben, die es zu entdecken und zu fördern gilt. Und die Kraft und die Fähigkeit, ihr Leben eigenständig und unabhängig zu führen. Viele Kinder und Erwachsene mit Behinderungen führen ein Leben im Schatten – aus Scham und Angst vor Zurückweisung. Die CBM hilft z.B. im Rehabilitationszentrum für Kinder in den Slums von Kalkutta, den Kreislauf aus Armut, Krankheit und Behinderung zu durchbrechen. Kennwort: Manorma Bitte helfen Sie mit Ihrem Kollektenbeitrag, damit Kinder mit Behinderungen Selbstvertrauen entwickeln, mobil werden, zur Schule gehen und ihre Talente entfalten können. Sie können das Leben dieser Kinder für immer verändern! Herzlichen Dank! Fotos (2): CBM Kollektenbitte – Abkündigungstext GZD · 1181 · © 2010 Christoffel-Blindenmission Auf eigenen Füßen zur Schule gehen!