Leistenbruch: Wird durch Zuwarten alles schlimmer?

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Leistenbruch: Wird durch Zuwarten alles schlimmer?
Leistenbruch: Wird durch Zuwarten alles schlimmer?
LEISTE Ich (m, 62) habe einen Leistenbruch, der aber anscheinend nicht dringend operiert
werden muss. Trotzdem ist mir etwas bange. Gibt es andere Möglichkeiten als eine Operation?
Was passiert, wenn man lange nicht operiert? Und wie sind die Risiken und die Prognosen einer
Operation? E. H. in E.
DR. MED. WALTER GANTERT
Facharzt Chirurgie FMH, spez. Viszeralchirurgie, Belegarzt der Klinik St. Anna
Ein Leistenbruch entsteht dadurch, dass der vorbestehende Leistenkanal sich ausgeweitet hat und
der Darm durch die Lücke nach aussen drückt. Der Leistenbruch, dem man nicht vorbeugen kann,
stellt somit ein mechanisches Problem der Bauchdecke dar, welches nur mit einer Operation
behandelt werden kann, Medikamente können nichts bewirken.
Notfallsituation bei Einklemmung
Ein Leistenbruch kann keine, leichte oder starke Beschwerden verursachen, dies ist von Patient zu
Patient sehr unterschiedlich, und es ist auch nicht direkt abhängig von der Grösse des Bruches. In
seltenen Fällen kann es zu einer akuten Einklemmung des durchtretenden Darmes kommen, dies
führt dann zu einer Notfallsituation mit einer sehr dringenden Operation. Ob und wann eine
Operation des Leistenbruches durchgeführt werden soll, wird vom Arzt mit jedem Patienten individuell besprochen. Der Zeitpunkt ist abhängig von den Beschwerden und vom jeweiligen Einklemmungsrisiko.
Keine Spontanheilung
Ein Leistenbruch kann sich von selber nicht mehr zurückbilden, es gibt also keine Spontanheilung.
Der Bruch wird meist langsam grösser, wobei Beschwerden jederzeit neu auftreten können. Wie
erwähnt gibt es aber keinen direkten Zusammenhang zwischen der Grösse des Bruches und den
Beschwerden. Ein grösser werdender Bruch kann zwar die Operation etwas aufwendiger machen,
für einen erfahrenen Chirurgen ist das aber kein Problem, und es ist auch kein Faktor für den
Operationszeitpunkt. Entgegen der landläufigen Vorstellung gibt es aus wissenschaftlicher Sicht
keinen Grund, bei einem bestehenden Leistenbruch auf körperliche Belastungen oder
Lastenheben zu verzichten, solange diese Tätigkeiten keine Beschwerden verursachen.
Zwei Operationsvarianten
Heutzutage empfehlen wir, dass bei Erwachsenen standardmässig eine Operation mit einem
feinen Kunststoffnetz durchgeführt wird. Diese Operation kann sogenannt offen (Schnitt in der
Leiste) oder sogenannt endoskopisch (mit drei sehr kleinen Schnitten, einer Videokamera und
langen dünnen Instrumenten) durchgeführt werden. Das Komplikationsrisiko einer solchen
Operation ist sehr gering. Dank Einsatz eines Kunststoffnetzes hat sich die Erholungszeit
nach einer Operation stark verkürzt und liegt nun im Bereich von Tagen bis wenigen Wochen.
Nach einer endoskopischen Operation ist die Belastbarkeit schneller wieder möglich (volle
Belastbarkeit nach sieben bis zehn Tagen) als nach einer offenen Operation (volle Belastbarkeit
nach zwei bis drei Wochen). Langfristig kann man nach einer solchen Operation ganz normal
weiterleben und hat keinerlei Einschränkungen.
Ein Wort zum Risiko eines erneuten Bruches: Nach einer korrekt durchgeführten Operation mit
einem Kunststoffnetz ist das Risiko, dass sich in der Folge ein neuer Leistenbruch am gleichen
Ort entwickelt, ausserordentlich klein, in Langzeitstudien unter 2 Prozent.
Quelle: Neue Luzerner Zeitung, 24. November 2014

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