Von der Bewusstlosigkeit zum Bewusstsein

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Von der Bewusstlosigkeit zum Bewusstsein
Von der Bewusstlosigkeit zum Bewusstsein
Die christliche Tradition hat in die Auseinandersetzung von Armut und Reichtum etwas
einzubringen. Sie geht nämlich nicht von der Annahme aus, alle Menschen seien
Kapitalisten. Solange wir die Armen unter dem allein herrschenden Gesichtspunkt, nämlich
als verhinderte Kapitalisten betrachten, haben wir nichts begriffen. Die Würde der Armen
liegt in ihrem „Sein“, nicht in ihrem „Haben“ oder „Nicht-Haben“.
Für den Christen gibt es keinen Weg um die kollektive und die individuelle
Verantwortlichkeit herum. Jeder Mensch ist verantwortlich für das, wovon und worin er, wie
und wofür er lebt. Doch zu oft „wird der Kopf in den Konsumsand gesteckt“ 1. Das
„Wirtschaftssystem“ fördert Konsumorientierung mit allen Mitteln. Anstelle der staatlichen
Macht ist die Wirtschaftsmacht getreten. Gerade im Umgang mit den Opfern der
Globalisierung und der neoliberalen Wirtschaftsorientierung haben die Institutionen
Aufgaben zu übernehmen. Ein gerechter Staat sollte ein Gemeinwesen sein, in welchem die
Interesse und Bedürfnisse der Schwächsten geschützt und gefördert werden. Die Aufgabe
der Kirche ist es, immer wieder auf das Gefälle hinzuweisen, sich mit den „Unterdrückten
und Armen“ zu solidarisieren und die stärkenden biblischen Visionen ins Zentrum zu stellen
und zu leben. Die biblische und kirchlich-soziale Verantwortung, welche sich in der Diakonie
als Praxisvollzug der Kirchen niederschlägt, hat die Ab- und Aussicht das „Schon“ des „Reich
Gottes“ als Verantwortung zu leben und das „Noch nicht“ im Hinblick auf Ungerechtigkeit
mit einer „biblisch-jesuanische Gerechtigkeit“ im Blick einzufordern.
Die Bausteine steigen mit dem Kurzfilm „El Empleo“ ein. Danach entwickeln die Jugendlichen
Bilder zu einzelnen Textauszügen des Songs „Vergissmeinnicht“. Der Song wird gehört,
analysiert und evtl. unter zu Hilfenahme des Interviews neu verstanden. Mit dem Kurzfilm
„La vita in scatola“ wird über die fremde Geschichte die eigene Lebensperspektive und
Zukunftshoffnung in Bezug gebracht und thematisiert. Die biblische Geschichte vom armen
Lazarus und dem reichen Mann soll mit der Textaufgabe die Jugendlichen ermächtigen,
Worte und Sprache zu finden im Hinblick einer offenen veränderbaren Zukunft.
Baustein
Aktivität
Ziele
1. El Empleo
verbinden:
Kurzfilm in Bezug zu eigener
Erfahrungen setzen
2. Graffiti
verarbeiten:
Text ins Bild setzen
Die Jugendlichen geben dem Kurzfilm nach
dem Ansehen einen deutschen Titel. Sie
erarbeiten eine mögliche Fortsetzung des
Filmes.
Die Jugendlichen bearbeiten einen
Textauszug aus dem Song
„Vergissmeinnicht“ und halten daraus eine
Szene als Bild fest. Die Zusammensetzung
der Bilder ergibt eine szenische
Bildergeschichte
Die Jugendlichen analysieren und verstehen
den Text von „Vergissmeinnicht“. Sie stellen
3.
Analysieren und verstehen:
Vergissmeinnicht Song „Vergissmeinnicht“ lesen,
1
Vgl. Dorothee Sölle, gesammelte Werke Bd. 10, Ein Volk ohne Vision geht zugrunde, S 27
analysieren und verstehen
4. Ein Leben in
der Schachtel
Ausblick:
Lebensperspektiven entwickeln
5. Gerechtigkeit
nach dem Tod?
Nachricht:
Botschaft an die Hinterbliebenen
in Form eines Briefes
die Anliegen von Tommy Vercetti im Plenum
vor.
Die Jugendlichen erarbeiten über den
Kurzfilm „La vita in scatola“ eigene
Lebensperspektiven. Sie tauschen
gemeinsam aus, was das Leben sinnvoll und
gerecht macht.
Die Jugendlichen lesen den Bibeltext (Lk 16.
19-29) und schreiben einen Brief aus der
Perspektive des reichen Mannes, welcher
seine fünf Brüder warnen will
1. „El Empleo“
Der sechsminütige Animationsfilm „El Empleo“2 zeigt beispielhaft, wie Menschen Abläufen
und Systemen angepasst werden. Der Film zeigt den Beginn eines Arbeitstages eines
Mannes im mittleren Alter. Nach dem Aufstehen kann er die Unterstützung vieler helfender
Hände in Anspruch nehmen. Auch nach dem Verlassen des Hauses, in den Strassen einer
grossen Stadt, wird ihm das Vorankommen leicht gemacht. Im Bürogebäude und im richtigen
Stockwerk angekommen, geht der Mann durch einen langen Flur bis zu einer Bürotür. Doch
anstatt einzutreten, legt er sich vor der Tür auf den Boden. Wenig später erscheint ein
anderer Mann, der die Tür aufschliesst und ins Büro tritt. Vorher jedoch streift er auf dem
menschlichen Fussabtreter den Strassenstaub von seinen Schuhen. Erst im Abspann sieht
man, wie einer der vielen dienstbaren Geister im Film sich gegen seine Instrumentalisierung
auflehnt.
Die Jugendlichen schauen gemeinsam den Film „El Empleo“. Vor dem Abspann wird der Film
gestoppt. Die Jugendlichen geben dem Film in Einzelarbeit einen deutschen Titel. Die Titel
werden sichtbar aufgehängt. Gemeinsam wird entschieden, welcher Titel am besten zum
Kurzfilm passt. Als nächste Aufgabe entwickeln die Jugendlichen den weiteren Verlauf der
Geschichte:
 Was könnte im Film weiter geschehen? Was könnte am nächsten Tag geschehen?
 Wie würdest Du Dich verhalten?
 Welche Möglichkeiten gäbe es, auszusteigen? Was müsste konkret getan werden?
 Der Abspann des Filmes wird gezeigt. Entspricht der Abspann des Filmes einer
erarbeiteten Möglichkeit?
(Auf der DVD sind weitere Arbeitsmaterialien zum Film vorhanden.)
2. Graffiti
Die Jugendlichen erhalten einen Textauszug des Songs „Vergissmeinnicht“ 3 (M1 + M2). Sie
lesen für sich den Abschnitt durch, unterstreichen für sie zentrale Worte und Satzteile und
zeichnen dazu ein Bild/Graffiti auf ein Blatt. Die Blätter werden der Reihenfolge der
Textauszüge aufgehängt. Der/die jeweilige Jugendliche liest dazu den Text vor.
Alle Bilder zusammen ergeben eine szenische Bildergeschichte zu „Vergissmeinnicht“. Diese
könnte man durchaus als eine Art „Musikvideo“ bezeichnen. Der Raum wird verdunkelt, der
2
3
Der Film ist z. Bsp. beim Medienladen Zürich zu beziehen: http://www.medienladen.ch/
Der Songstext ist als M1 + M2 auf www.reli.ch herunterzuladen
Song von „Vergissmeinnicht“4 wird abgespielt. Die Lehrperson beleuchtet mit einer
Taschenlampe das entsprechende Einzelbild.
3. Vergissmeinnicht
Der ganze Songtext von Vergissmeinnicht und das Interview mit Tommy Vercetti werden
verteilt. Die Jugendlichen lesen Gruppenweise die Texte für sich durch. Sie haben die
Aufgabe, den Inhalt des Songs und das Interview über Fragen zu bearbeiten und ihre
Erkenntnisse nachträglich der Klasse zu präsentieren. Als Grundlage für das
Gruppengespräch dient das Materialblatt5 (M3).
4. Ein Leben in der Schachtel
Der siebenminütige Kurzfilm „Ein Leben in der Schachtel“ („La vita in Scatola“) 6 beschreibt in
humorvoller Überspitzung das Leben eines Mannes, welcher von Geburt bis zum Tod
zwischen verschiedenen „Schachteln“ hin- und herrennt. Einige wenige Höhepunkte im
Leben sind in Farbe gehalten. Ansonsten scheint das Leben des Mannes grau zu sein. Erst der
Friedhof führt wieder in die Farbe hinein. Der Kurzfilm soll den Jugendlichen die Gelegenheit
bieten, sich über ihre eigene Lebensperspektiven Gedanken zu machen.
 Wo deckt sich die Aussage des Filmes mit der Aussage des Songs „Vergissmeinnicht“?
 Welche Ereignisse in meinem Leben geben meinem Leben Farbe?
 Was möchte ich in meinem Leben erreichen? Was macht das Leben sinnvoll?
 Was macht das Leben gerecht?
In einer weiterführenden Arbeitshilfe7 zu diesem Film werden weitere Bezüge und
Teilaspekte für den Unterricht vorgeschlagen.
5. Gerechtigkeit nach dem Tod?
Die Jugendlichen erhalten das Materialblatt8 (M4) Biblische Geschichte vom Reichen und von
Lazarus (Lk 16,19-29). Der Text wird bis zum Vers 29 gelesen. Die Jugendlichen werden mit
folgender Aufgabe konfrontiert:
 Stell Dir vor, der reiche Mann könnte Lazarus einen Brief mitgeben, was würde im
Brief stehen, welcher Lazarus den fünf Brüdern des Reichen überbringen würde?
 Die Jugendlichen schreiben den Brief in Einzelarbeit. Sie legen ihn ein Couvert.
 Die Briefe werden von der Lehrperson eingesammelt.
 Situation: Die fünf Brüder (oder Schwestern) des reichen Mannes (gespielt von den
Jugendlichen) sitzen zu Hause am Essenstisch. Ein möglicher Beginn des Dialogs ist im
Materialblatt9 (M5) beschrieben. Die Lehrperson spielt den Überbringer des Briefes.
Der Brief wird vorgelesen.
 Austausch über die Wirkung der einzelnen Briefe. Welcher Brief hätte am ehesten
Konsequenzen für das weitere Leben der fünf Brüder (oder Schwestern)?
Patrik Böhler
4
Der Song ist auf dem Album „Seiltänzer“ von Tommy Vercetti vorhanden. Dieses kann gekauft
werden oder das ganze Album bzw. der Song für einen Betrag zum Beispiel auf: www.exlibris.ch
heruntergeladen werden.
5
Die Fragen sind als Materialblatt M3 auf www.reli.ch herunterzuladen
6
Der Film ist z. Bsp.: beim Medienladen Zürich zu beziehen: http://www.medienladen.ch/
7
http://www.dioezese-linz.at/pastoralamt/medienverleih/arbeitshilfen/ah060178.pdf
8
Der Bibeltext ist als Materialblatt M4 auf www.reli.ch herunterzuladen
9
Der geschriebene Dialog ist als Materialblatt M5 auf www.reli.ch herunterzuladen
M 1 - Vergissmeinnicht © Tommy Vercetti, 2010
Ich habe heute keine Zeit für Vergissmeinnicht, fröhlich blau an der Strasse
ich kaufe Blumen mit meinem eigenen Geld für meine Mam
bald fehlt es mir nicht mehr an Papier, Geschenke für meinen Schatz um ihren
Hals
ich bin ein Mann heute – verdiene mein Brot mit meinem Schweiss jeden Tag
für genau fünfzig Jahre, das Glück winkt bekanntlich jedem, der sich anstrengt
so reden die Erwachsenen – die Regeln, die dich reich machen, ehrlich
angestrebt
und ich will kein Vermögen und keine Villa, nur wenn möglich chillen
mit Frau, zwei Kindern, Hund, und was mir sonst in den Sinn kommt
nur gesund sein, nur nicht verhungern, nicht unten ankommen
mit Alkohol, kein Dach über dem Kopf und die Geschichten
doch das ist machbar mit arbeiten, passiert doch nicht mir
weil wenn Gott jemanden liebt, dann liebt er auch mich
und denen das passiert, die verdienen das sicher
und ich integriere mich, es gibt immer eine Richtung zu laufen
mein Vater hat gesagt: folge, und wer nicht folgt, trägt die Folgen
Million vor den Augen, nasser Teller in der Hand
am Tellerrand eine Mauer, man sagt: Gesetze der Natur
so beruhige ich mich eine Weile, doch mein Blick geht auf die Uhr
weil mein Job ist für den Arsch und mein Chef ist eine Bitch
ich sage ihm: jetzt verdiene ich zu wenig, und er sagt immer: morgen
all das Blenden geht vorbei, ich verschwende meine Zeit
Und jetzt sind die Tage längst vergangen, in denen ich stolz war
erfolgreich etwas zu schaffen, das in Wahrheit niemand braucht
nutzlos und lächerlich, doch die Handflächen rauh
doch mein Sohn spürt sie nie, weil ich arbeite, wenn er mich braucht
und er schläft, wenn ich im Haus bin – ist es das alles wert?
meine Frau entscheidet: nein, und ich verstehe, dass sie weg ist
sie sagen: das Leben ist nicht gerecht, mir geht das Bild nicht aus dem Kopf
mit meiner kleinen Schwester auf der Wippe vor dem Block
bin ich unten, ist sie oben, bin ich oben, ist sie unten
und so funktioniert doch die Welt – nur verlogener und erzwungen
was mich wenig kostet, bezahlt irgendeiner für mich
mit seinem Verlust, bis sein Verderben zu meinem eigenen wird
so geht es vom Ausverkauf-Preis zu meinem Ausverkauf-Lohn
bis zu den Ausverkauf-Leuten in diesen Ausverkauf-Ecken dieser Welt
die man nicht so richtig kennt, und die nicht so richtig gelten
doch ich habe keine Wahl, mich zu erhalten
weil, wer nicht mitmacht, der vernichtet sich
obschon wer mitmacht, Komplize seiner eigenen Vernichtung wird
so brauche ich Essen auf dem Tisch, einen geheizten Ofen zum Schlafen
so viele kleine Probleme lassen mich die grossen nicht erkennen
und der Che ist mein Held, doch sein Buch bleibt im Gestell
meine Energie reicht gerade noch für den Fernbedienungsknopf
alles was ich liebe ist mir fremd –
doch das ändert sich nie, ich verschwende meine Zeit
Und ich weiss, ich bin nicht alleine, doch kann man sich an niemanden wenden
die Linke passt sich an, die Gewerkschaften sind am Ende
sie finden, Klassenkampfgeschichten seien langsam verstaubt
weil sie eine Mikrowelle haben und in der Garage ein Auto
doch wenn ich arbeiten gehe, bezahlt die Firma mir einen Lohn
welcher der Hälfte von dem entspricht, was ich für sie verdiene
und sag nicht: Infrastrukur – weil das schlagen sie auf den Preis
und am Schluss kaufen wir Zeugs, das wir gratis produzierten
deshalb bist du immer noch ein Sklave, auch wenn du die Sklaverei liebst
eine Diktatur ist anstrengend, doch zufriedene Leute arbeiten leicht
zu Konkurrenz gezwungen, bekämpfen wir uns selbst
und reden vom System, als käme es von Gott selbst
mit Wochenenden und Ferien ein bisschen Spass in Portionen
Quizshows und Lotto schöne Ersatzreligionen
du hast nur ein Mass, und das ist Geld
und die ganze Welt muss da reinpassen, auch wenn du selbst
die Liebe noch befragst nach dem Betrag, Freundschaften nach dem Ertrag
dann bist nicht du krank, sondern die ganze Denkweise
die Zweck verwechselt hat mit dem Mittel, Objekte setzt für Sinn, und
die Natur beherrschen will und von der Beherrschung beherrscht wird
doch der Erste bist du selbst, habe ich selber mir gesagt
und bin zum Chef mit den Worten: Bitch, ich trete in den Streik
du wirst heute pensioniert, sagt er, mach dir keine Mühe
ich sehe Vergissmeinnicht an der Strasse – längstens verblüht
M2 - Vergissmeinnicht
©Tommy Vercetti, 2010
Nr.
Text
1
Ich habe heute keine Zeit für Vergissmeinnicht, fröhlich blau an der
Strasse
ich kaufe Blumen mit meinem eigenen Geld für meine Mam
bald fehlt es mir nicht mehr an Papier, Geschenke für meinen Schatz um
ihren Hals
ich bin ein Mann heute – verdiene mein Brot mit meinem Schweiss
jeden Tag
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für genau fünfzig Jahre, das Glück winkt bekanntlich jedem, der sich
anstrengt
so reden die Erwachsenen – die Regeln, die dich reich machen, ehrlich
angestrebt
und ich will kein Vermögen und keine Villa, nur wenn möglich chillen
mit Frau, zwei Kindern, Hund, und was mir sonst in den Sinn kommt
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nur gesund sein, nur nicht verhungern, nicht unten ankommen
mit Alkohol, kein Dach über dem Kopf und die Geschichten
doch das ist machbar mit arbeiten, passiert doch nicht mir
weil wenn Gott jemanden liebt, dann liebt er auch mich
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und denen das passiert, die verdienen das sicher
und ich integriere mich, es gibt immer eine Richtung zu laufen
mein Vater hat gesagt: folge, und wer nicht folgt, trägt die Folgen
Million vor den Augen, nasser Teller in der Hand
am Tellerrand eine Mauer, man sagt: Gesetze der Natur
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so beruhige ich mich eine Weile, doch mein Blick geht auf die Uhr
weil mein Job ist für den Arsch und mein Chef ist eine Bitch
ich sage ihm: jetzt verdiene ich zu wenig, und er sagt immer: morgen
all das Blenden geht vorbei, ich verschwende meine Zeit
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Und jetzt sind die Tage längst vergangen, in denen ich stolz war
erfolgreich etwas zu schaffen, das in Wahrheit niemand braucht
nutzlos und lächerlich, doch die Handflächen rauh
doch mein Sohn spürt sie nie, weil ich arbeite, wenn er mich braucht
und er schläft, wenn ich im Haus bin – ist es das alles wert?
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meine Frau entscheidet: nein, und ich verstehe, dass sie weg ist
sie sagen: das Leben ist nicht gerecht, mir geht das Bild nicht aus dem
Kopf
mit meiner kleinen Schwester auf der Wippe vor dem Block
bin ich unten, ist sie oben, bin ich oben, ist sie unten
und so funktioniert doch die Welt – nur verlogener und erzwungen
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was mich wenig kostet, bezahlt irgendeiner für mich
mit seinem Verlust, bis sein Verderben zu meinem eigenen wird
so geht es vom Ausverkauf-Preis zu meinem Ausverkauf-Lohn
bis zu den Ausverkauf-Leuten in diesen Ausverkauf-Ecken dieser Welt
die man nicht so richtig kennt, und die nicht so richtig gelten
doch ich habe keine Wahl, mich zu erhalten
weil, wer nicht mitmacht, der vernichtet sich
obschon wer mitmacht, Komplize seiner eigenen Vernichtung wird
so brauche ich Essen auf dem Tisch, einen geheizten Ofen zum Schlafen
so viele kleine Probleme lassen mich die grossen nicht erkennen
und der Che ist mein Held, doch sein Buch bleibt im Gestell
meine Energie reicht gerade noch für den Fernbedienungsknopf
alles was ich liebe ist mir fremd –
doch das ändert sich nie, ich verschwende meine Zeit
Und ich weiss, ich bin nicht alleine, doch kann man sich an niemanden
wenden
die Linke passt sich an, die Gewerkschaften sind am Ende
sie finden, Klassenkampfgeschichten seien langsam verstaubt
weil sie eine Mikrowelle haben und in der Garage ein Auto
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doch wenn ich arbeiten gehe, bezahlt die Firma mir einen Lohn
welcher der Hälfte von dem entspricht, was ich für sie verdiene
und sag nicht: Infrastrukur – weil das schlagen sie auf den Preis
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und am Schluss kaufen wir Zeugs, das wir gratis produzierten
deshalb bist du immer noch ein Sklave, auch wenn du die Sklaverei
liebst
eine Diktatur ist anstrengend, doch zufriedene Leute arbeiten leicht
zu Konkurrenz gezwungen, bekämpfen wir uns selbst
und reden vom System, als käme es von Gott selbst
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mit Wochenenden und Ferien ein bisschen Spass in Portionen
Quizshows und Lotto schöne Ersatzreligionen
du hast nur ein Mass, und das ist Geld
und die ganze Welt muss da reinpassen, auch wenn du selbst
die Liebe noch befragst nach dem Betrag, Freundschaften nach dem
Ertrag
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dann bist nicht du krank, sondern die ganze Denkweise
die Zweck verwechselt hat mit dem Mittel, Objekte setzt für Sinn, und
die Natur beherrschen will und von der Beherrschung beherrscht wird
doch der Erste bist du selbst, habe ich selber mir gesagt
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und bin zum Chef mit den Worten: Bitch, ich trete in den Streik
du wirst heute pensioniert, sagt er, mach dir keine Mühe
ich sehe Vergissmeinnicht an der Strasse – längstens verblüht
M3 – Interview und Songtext Vergissmeinnicht
Zum Interview:
1. Was ist die zentrale Botschaft von Tommy Vercetti im Interview?
2. Was empfindet er als ungerecht?
3. Welche Lösungsvorschläge benennt er?
4. Was denkst Du persönlich über diese Aussagen?
5. Welche Fragen würdest Du Tommy Vercetti noch stellen?
6. Was würdest Du ihm sagen?
Zum Song Vergissmeinnicht:
1. Wie ist die erste Textzeile und die letzte Textzeile zum Vergissmeinnicht zu
verstehen?
2. Was meint Tommy Vercetti mit Vergissmeinnicht?
3. Welches ist die Grundaussage des Songs? Fasse diese in einem Satz
zusammen!
4. Was verändert sich in den Strophen mit der Person, welche hier von sich
erzählt?
5. Kennst Du solche Leute, die so sprechen und denken?
6. Was denkst Du selbst über die Arbeit? Für was ist sie da? Ist sie anstrengend,
krampf, sinnvoll, erfüllend?
7. Was ist ein gerechter Lohn? Wie tief müsste er mindestens und wie hoch
dürfte er höchstens sein?
8. Was erhoffst Du für Dich im Hinblick auf die Zukunft? Was willst Du unbedingt
erreichen?
9. Was macht ein sinnvolles Leben aus?
M4 – Vom Reichen und von Lazarus (Lk 16,19 – 29)
19 Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen
kleidete und Tag für Tag prächtige Feste feierte.20 Vor seiner Tür aber
lag ein Armer mit Namen Lazarus, der war über und über bedeckt mit
Geschwüren.21 Und er wäre zufrieden gewesen, sich den Bauch zu
füllen mit den Brosamen vom Tisch des Reichen; stattdessen kamen die
Hunde und leckten an seinen Geschwüren.
22 Es geschah aber, dass der Arme starb und von den Engeln in
Abrahams Schoss getragen wurde. Aber auch der Reiche starb und
wurde begraben.23 Und wie er im Totenreich, von Qualen gepeinigt,
seine Augen aufhebt, sieht er von ferne Abraham und Lazarus in seinem
Schoss.24 Und er schrie: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und
schicke Lazarus, damit er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und
meine Zunge kühle, denn ich leide Pein in dieser Glut.25 Aber Abraham
sagte: Kind, denk daran, dass du dein Gutes zu deinen Lebzeiten
empfangen hast und Lazarus in gleicher Weise das Schlechte. Doch jetzt
wird er hier getröstet, du aber leidest Pein.26 Und zu alledem besteht
zwischen uns und euch eine so tiefe Kluft, dass die, die von hier zu euch
hinübergehen wollen, es nicht können und dass die von dort nicht zu uns
herübergelangen.27 Er aber sagte: So bitte ich dich denn, Vater, ihn in
das Haus meines Vaters zu schicken.28 Ich habe nämlich fünf Brüder;
die soll er warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen.
M4 – Dialog zwischen den fünf Brüdern von Lazarus
Die fünf Brüder von Lazarus sind einen Monat nach dem Tod zusammen gekommen,
um das Erbe zu verteilen. Sie sitzen zusammen. B5 blättert in der Agenda, B1
eröffnet das Gespräch.
B1:
Seit einem Monat ist Lazarus schon gestorben! Heute sind wir
zusammengekommen, um das Erbe zu verteilen
B2:
Er hat es gut gehabt! Und uns auch vieles Hinterlassen.
B3:
Ja, weisst du noch, wie er in Purpur und Leinen gekleidet durch die Stadt
gegangen ist.
B2:
Alle wussten, wer er war! Reichtum führt zu Anerkennung!
B4:
Aber heute nützt es ihm nichts mehr. Nichts konnte er mitnehmen!
B5:
Kommen wir endlich zum geschäftlichen? Ich habe noch einen Termin!
B4:
Im Tod sind alle gleich!
B3:
Doch Lazarus war ein stolzer Mann. Er wurde geachtet. Man spricht über ihn
auch über den Tod hinaus! Weisst du noch, wie er als Ehrengast an vielen
Anlässen eingeladen war.
B1:
Ja, er war ein gern gesehener Gast.
B5:
So, lassen wir das philosophieren. Verteilen wir das Erbe!
B2:
Ich hätte gerne das Silberbesteck!
B4:
so eines habe ich schon – da habe ich kein Problem damit!
B3:
Wie hat er doch mit diesem Besteck hohen Besuch bewirtet. Diese Festessen
haben geschmeckt. Weisst Du noch an seinem Geburtstag.
B5:
Was gibt es sonst noch zum Verteilen?
B1:
mehrere Rollen Stoff, reinste Seide, Leder…usw.
Der Briefträger klopft, kommt hinein und übergibt den Brüder den Brief. Der Brief
wird ausgepackt und vorgelesen