Globalisierung vor der Haustür

Transcription

Globalisierung vor der Haustür
Newsletter der DGB-Jugend Ausgabe Februar 2007
A 8895
soli aktuell
Globalisierung
vor der Haustür
Die Auswirkungen der Weltwirtschaft waren deutlich zu
spüren: Die DGB-Jugend auf
dem WSF in Nairobi.
Von Dirk Neumann
er vom Flughafen Nairobi in das
Zentrum der kenianischen Hauptstadt fährt, dem fallen sofort die
zahllosen Werbeplakate für Mobiltelefone
und Coca-Cola ins Auge. Und in der Innenstadt angekommen, dominieren Nivea-Produkte und englische Cadbury-Schokolade
die Regale der – wenigen – Supermärkte.
Spätestens jetzt wird einem bewusst,
dass die Globalisierung auf dem afrikanischen Kontinent längst angekommen ist. Abseits der großen und von Autos verstopften
Straßen sieht man die vielen Verlierer der
Weltwirtschaft: Über eine Million Menschen
leben allein in den Slums von Nairobi, rund
ein Drittel der Einwohner. Ohne fließend
Wasser und sanitäre Einrichtungen hausen
sie in löchrigen Bretterverschlägen und suchen auf ständig wachsenden Müllbergen
nach Essensresten oder Verwertbarem.
s o c i a l s o u n d at tac k
Gib dir eine Stimme!
Das Finale des diesjährigen DGB-JugendBandwettbewerb »Gib dir eine Stimme!« findet am 23. Februar 2007, 21 Uhr, im BerlinKreuzberger Club Kato statt. Zu hören gibt’s
die Finalisten 3 im Sinn, Mitsnakker, Trümmerfeld, Proton und Die Weltt. Für den Gewinner sorgt eine Fachjury.
»Gib dir eine Stimme«-Finale. 23. Februar 2007, 21 Uhr,
Kato, Skalitzer Str., im U-Bahnhof Schlesisches Tor,
10999 Berlin. www.dgb-jugend.de,
www.kato-x-berg.de
3 ausbildung + beruf
Studium mit Praxisbezug:
Gewerkschaften und Studierende
gegen Gebühren
Technik-Freaks: Bundesregierung
gegen Schulabbrecher
Gerichte und Versicherungswesen: Große Unterschiede in
Sachen Ausbildung
Ein Prozent mehr: Tarifliche
Ausbildungsvergütungen 2006
Kein Schülerterror: Fazit nach
22 Jahren Rütli-Schule
5 thema
Prekariat in Zahlen: Erstmals Daten zur »Generation Praktikum«
W
In diesem Umfeld nun fand vom 20. bis
25. Januar 2007 das Weltsozialforum (WSF)
statt. Vor sechs Jahren in Porto Alegre/Bra-
inhalt
6 jav-ratgeber
Glotze an: Fernsehen und JAV
Studi-Status: Was tun bei Verlust?
7 landesbezirke +
gewerkschaften
Globale Gewerkschaft – Nairobi 2007
silien ins Leben gerufen, war das Forum damit erstmals auf dem afrikanischen Kontinent zu Gast. Das WSF versteht sich als zivilgesellschaftliche Alternative zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Mehrere zehntausend Menschen kamen in diesem Jahr
zusammen, um in rund 1.300 Veranstaltungen über ihre Vorstellung einer gerechten
Welt zu diskutieren – optimistisches Motto:
»Another world is possible!«
Auch die DGB-Jugend beteiligte sich gemeinsam mit rund 30 deutschen Organisationen am WSF, darunter Delegationen der
IG Metall- und der ver.di-Jugend.
Die Gewerkschaftsjugend wollte besonders die Probleme und Lebensverhältnisse
von jungen Menschen betrachten – und
herauskriegen, wie für die Arbeit der Gewerkschaften mobilisiert werden kann: Es
ist offensichtlich, dass sich die Kapitalseite
global vernetzt und internationalisiert hat.
Hier hat die Arbeitsseite, haben ArbeitnehmerInnen und Arbeitssuchende gleichermaßen enormen Aufholbedarf.
Auch wenn man von der Vielzahl der
Veranstaltungen mitunter etwas überfordert wurde und konkrete Ergebnisse nicht
immer ersichtlich waren – das WSF bietet
doch eine gute Möglichkeit, neue und alte
Gute Ausbildung für alle: Die 20.
Jugendkonferenz der IG Metall
Ampel rot: Bundestagsabgeordnete für Jugendarbeitsschutz
Partner zu treffen und gemeinsam über Ansätze für eine andere Welt zu diskutieren.
Gerade die Jugend wird sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen haben – da
stimmt die Beteiligung an dem DGB-JugendWorkshop »How to organise the Youth« äußerst optimistisch. Über 60 Jugendliche aus
fünf Kontinenten kamen zusammen, um
nach Gemeinsamkeiten zu suchen und über
die Arbeit der Herkunftsorganisationen zu
informieren – auch karitative Hilfsprojekte
und NGOs waren eingebunden.
Besonders erfreulich: Am nächsten Tag kamen spontan nochmals über 70 junge Menschen unter dem Banner der DGB-Jugend
zusammen. Mit ihnen wurde am Ende ein
kontinuierlicher Austausch via E-Mail und
längerfristig möglichst auch über eine
Internet-Plattform vereinbart. Denn es wartet viel
Arbeit auf die Jugend – als
nächstes beim G 8-Gipfel in
Heiligendamm. ∏
Dirk Neumann ist politischer
Referent der DGB-Jugend.
02.07 soli aktuell 1
kurz + bündig
Schlechtes Vorbild
Bund: Praktika lau n Unbezahlte Praktika
beim Bund: Das Titelthema der Soli aktuell
10-2006 wurde im Januar 2007 auch ganz
offiziell verhandelt: Für Praktika in Bundesministerien und im Bundeskanzleramt wird
»eine Vergütung grundsätzlich nicht gewährt«. Das schreibt die Bundesregierung
in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der
Linkspartei-Fraktion.
2006 Jahr wurden 22 junge Leute mit Hochschulabschluss bis zu sechs Monate lang unentgeltlich in den Bundesministerien beschäftigt. Spitzenreiter: das Auswärtige
Amt mit mehr als 300 Praktika pro Jahr!
Dringend rauf
BAföG-Vorstoß n Die Bildungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion haben eine
Erhöhung der BAFöG-Förderung für Studierende und
Auszubildende gefordert.
Frau Schavan
Unterstützung erhalten sie
von GEW, dem Deutschen Studentenwerk,
den Grünen und der Linkspartei. Die
BAföG-Fördersätze sind seit 2002 unverändert. Bildungsministerin Annette Schavan
(CDU) sieht aus haushaltspolitischen Gründen keinen Spielraum für Erhöhungen.
www.gew.de
Bundestagsdrucksache 16/3785
Behinderte behindert
Marquard beschwert sich n Behinderte
Menschen werden nach wie vor bei der Ausbildung und der Jobsuche benachteiligt. Betroffene Kinder würden in den Schulen häufig nicht angemessen gefördert, und viele
erwachsene Behinderte seien arbeitslos.
Darauf hat der Berliner Landesbeauftragte
für Menschen mit Behinderung, Martin
Marquard, hingewiesen.
Höchststand
Nazi-Gewalt n Rechtsextreme Gewalt in
Deutschland erreichte 2006 eine neue Qualität und steuert auf einen Höchststand zu.
Bis zum November haben die Behörden
bundesweit 11.254 rechte Straftaten registriert. Darunter seien 64 Gewalttaten und
781 Propagandadelikte gewesen, bei 180
Straftaten sei ein fremdenfeindlicher Hintergrund festgestellt worden.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de
www.berlin/behindertenbeauftragter
Wirtschaft steuern
Deutschland zahlt n Unternehmen in
Deutschland haben im Jahr 2006 20 Milliarden Euro staatliche Subventionen bekommen. Damit liege Deutschland im EU-Vergleich an der Spitze, teilte die EU-Kommission in einem aktuellen Überblick mit. Frankreich gab zehn, Italien sechs und Großbritannien fünf Milliarden Euro an Unternehmen. Insgesamt flossen in der EU im vergangenen Jahr 64 Milliarden Euro Unternehmenssubventionen – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Prozent.
Die ganze Bescherung im »EU-Beihilfeanzeiger«:
http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/
index_6776_de.htm
Null Promille
Junge Fahrer n Das Bundesverkehrsministerium will
Fahranfängern das Fahren
unter Alkoholeinfluss untersagen. Verkehrsminister
Wolfgang Tiefensee (SPD)
Herr Tiefensee
hat einen entsprechenden
Gesetzentwurf vorgelegt. Verstößt man gegen diese Regelung, dann wird ein Bußgeld
in Höhe von 125 Euro fällig. Zudem erhält
man zwei Punkte in Flensburg. Auf die Bestrafung durch ein Fahrverbot will der Minister offenbar verzichten. Die vorgesehene
Ahndung bewege sich im »untersten sanktionsrechtlichen Bereich«.
www.ace-online.de
2 soli aktuell 02.07
Jugend gefragt
Schüler müssen helfen n
Bundespräsident Horst Köhler (CDU) hat Schüler anlässlich eines Kinobesuchs im
brandenburgischen Schwedt
aufgefordert, Zivilcourage
Herr Köhler
gegen Rechtsextreme zu zeigen. Sie hätten zwar keine Schuld am Nationalsozialismus, jedoch Verantwortung, dass
sich der nicht wiederholt.
Hartz-Jobs I
Job-Killer n Die Ergebnisse einer anonymisierten Arbeitgeberbefragung, durchgeführt
vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), deuten darauf hin, dass EinEuro-Jobs reguläre Beschäftigung ersetzen.
In vier Prozent der Einrichtungen, die EinEuro-Jobber beschäftigen, waren nach Angaben der Befragten Personaleinsparungen die
Folge. Hochgerechnet handelt es sich bundesweit um mehr als 2.000 Einrichtungen.
www.iab.de
Hartz-Job II
Job-Programm n Wegen der der vielen Klagen zur Arbeitsmarktreform Hartz IV bildet
das Bundessozialgericht in Kassel einen
neuen Senat. Im März 2007 werden drei
neue Richter für ein Gremium bestimmt,
das sich mit Arbeitslosengeld II-Verfahren
befasst. An deutschen Sozialgerichten gibt
es mehr als 100.000 Klagen gegen Hartz IV.
Niedrige Jobs
DGB für Neuordnung n Der DGB ist offen
für die Pläne der SPD zur Einführung von
Steuergutschriften für Niedrigverdiener.
Nicht die Ausweitung sondern die Neuordnung des Niedriglohnsektors müsse oberste
Priorität haben, so DGB-Vorstandsmitglied
Annelie Buntenbach. Ziel müsse sein, die
Armut von Beschäftigten zu bekämpfen.
Wer arbeite, müsse auch davon leben können.
www.dgb.de
Wechselwille
IAB: Männeranstieg n Jeder Fünfte wechselt einer Studie zufolge bereits unmittelbar
nach der Ausbildung den Beruf. Bei den jungen Männern sei der Anteil der Berufswechsler seit 1977 von 18 auf 26 Prozent gestiegen. Bei den Frauen sank die Quote dagegen von 19 auf 16 Prozent.
www.iab.de
Dual verzweigt
Berufsausbildung neu n Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) will
die betriebliche Berufsausbildung neu organisieren. Einer ersten Grundbildungsphase,
die je nach Beruf ein bis zwei Jahre dauern
soll, folgt nach dem Modell die Spezialisierung.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock: »Der DGB hat diesen Weg
bereits bei der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes 2005 vorgeschlagen. Das
Ziel muss aber immer der Erwerb eines vollwertigen Berufs sein, der auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt wird. Dabei darf der
theoretische Teil der Berufsbildung nicht zu
Gunsten des praktischen Anteils zurückgefahren werden.«
Pferdewarnung
IG BAU: Praktikumsmist n
»Wir bieten zwei Praktikumsplätze für mindestens zwölf
Monate an, diese werden
nicht entlohnt, aber belohnt
mit vielen Pferden, toller Atmosphäre, Natur pur…«
Frau Feltrini
Vor Stellenanzeigen wie diesen – in Pferdefachzeitschriften keine Seltenheit – warnt
die IG BAU: »Das ist nichts anderes als die
zunehmende Praxis vieler Betriebe, eine billige Arbeitskraft zu finden«, sagt IG BAUAusbildungsexpertin Bärbel Feltrini. Ein
Praktikum in einem Pferdebetrieb sei ein
ganz reguläres steuer- und sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.
Für Fragen gibt’s die »Pferdewirt-Hotline«:
Tel.: 018 01 /44 22 81
ausbildung + beruf
Studium mit Praxisbezug
Proteste: Gewerkschaften und
Studierende sind gemeinsam
gegen Studiengebühren.
Überlegungen angestellt, Gelder aus den
Gebühren für Heizkosten auszugeben. »Die
Hochschulen im Land werden systematisch
kaputt gespart«, so Boris Bartenstein, Spreostensenkung sofort: Die Bildungscher der Landes-ASten-Konferenz.
gewerkschaft GEW macht sich für
Dass Protest Folgen hat, haben Studieden Boykott von Studiengebühren
rende in Münster gezeigt. An der dortigen
stark und ruft alle Studierenden auf, das
Uni stürmten sie am 16. Januar 2007 eine SeGeld auf Treuhandkonnatssitzung, auf der die
An der Münsteraner Uni
ten zu überweisen. »In
Einführung von Gebühstürmten Studierende
Nordrhein-Westfalen
ren beschlossen werden
sind nach der Einfüh- erfolgreich die Senatssitzung… sollte. Das Treffen musste
heben. »Die chronische Unterfinanzierung
rung von Gebühren beergebnislos abgebrochen der Hochschulen wird sich perspektivisch
reits die Studierendenzahlen gesunken. Stuwerden. Katharina Binz vom freien zusam- sogar verschärfen«, kommentiert Fredrik
diengebühren werden dazu führen, dass viemenschluss der studierendenschaften (fzs): Dehnerdt, Geschäftsführer des Aktionsle Studierende länger für ihre Ausbildung
»Kein Senat muss wider besseren Wissens bündnisses gegen Studiengebühren (ABS)
brauchen – und mit Schulden ins BerufsleGebühren einführen! Wir
die Vorgänge.
…auf der die Einführung
ben starten«, sagt Rainer Dahlem, GEW-Lanwerden auch die kommenAuch Jugendverbände
von Gebühren beschlossen schalten sich nun in die
desvorsitzender in Baden-Württemberg.
den Senatssitzungen bewerden sollte.
Die GEW warnt die Hochschulleitungleiten. Wir fordern: Ein
Gebührendiskussion ein.
gen, auf Studierende Druck auszuüben und
angemessenes MitspraChristian Beyer, der Bemit Exmatrikulation zu drohen.
cherecht der Studierenden sowie das einzirksvorsitzende des Bayerischen JugendIn Baden-Württemberg haben Studiedeutige Votum der Senatsmitglieder, keine rotkreuzes, hat vor den negativen Folgen
rende an den meisten Hochschulen beGebühren einzuführen.« Münster bleibt dader künftigen Studiengebühren für das ehschlossen, die Zahlung von Studiengebühren
mit vorerst eine der wenigen gebührenfreien
renamtliche Engagement in Bayern gezu boykottieren und die 500 Euro pro Se- Hochschulen in Nordrhein-Westfalen.
warnt. Beyer: »Zwangsläufig wird weniger
mester auf Treuhandkonten einzuzahlen. Bei
Nicht nur zeigten alle bisher erhobenen
Zeit für die unbezahlte Arbeit in Vereinen
Studiengebühren von 500 Euro pro Semester
Daten, so Binz, dass Studiengebühren sozial
und Verbänden übrig bleiben.« ∏
drohen Schulden in Höhe von 19.000 Euro.
selektiv wirkten und viele Studierwillige vom
Infos: www.gew.de, www.abs-bund.de
Die Landeskonferenz der Allgemeinen
Hochschulzugang ausschlössen. Zusätzlich
stellten Gebühren keine Möglichkeit dar, die
Studierenden-Ausschüsse (ASten) kritisiert
urteil
Unterfinanzierung der Hochschulen zu beunterdessen, in Ulm und Freiburg würden
Foto: ABS
K
Erwerb und Beruf
Technik-Freaks
Die Bundesregierung will Zahl der Schulabbrecher bis 2012 halbieren.
ie Bundesregierung will die hohe
Zahl der Schulabbrecher mit einer
Bund-Länder-Offensive bis 2012
halbieren. Bildungsministerin Annette
Schavan (CDU) kündigte eine entsprechende Initiative für dieses Jahr an. Im Jahr 2004
wurden nach Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft rund 82.000 Hauptschulabbrecher gezählt. 246.000 Berufsschüler
blieben ohne Abschluss. Die Abbrecher kosteten den Staat rund 1,5 Milliarden Euro.
Die Quote der Schulentlassenen ohne
Hauptschulabschluss lag am Ende des
Schuljahres 2004/05 zwischen 6,9 Prozent
in Nordrhein-Westfalen und 11,8 Prozent in
Sachsen-Anhalt.
Vor allem will Schavan die Schüler für
technische Fächer begeistern. Das sei eine
zwingende Voraussetzung, um am Ende ge-
D
nügend junge Leute für die Bereiche ausbilden und hochqualifizieren zu können, »in
denen künftig die Musik spielt«.
Von Gewerkschaftsseite kommt Zustimmung und Kritik. Marianne Demmer,
stellvertretende Vorsitzende der GEW,
mahnt an, das grundsätzliche Problem der
Anerkennung von Hauptschulabschlüssen
nicht aus den Augen zu verlieren. Auch sei
sie »gespannt wie ein Flitzebogen«, wie die
Länder auf diesen Vorstoß von Bundesebene reagierten. Demmer: »Bekanntlich werden die Bundesländer ja nicht müde, auf ihre Zuständigkeit in schulischen Fragen zu
pochen.« Interessant sei auch, wie Bund
und Länder eine solche Initiative praktisch
gestalten und überprüfen wollen. Die Unterschiede in den Ländern seien »erheblich«. ∏
Wer keine abgeschlossene Berufsausbildung
hat, kann grundsätzlich keine Berufsunfähigkeits-, sondern nur eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung abschließen. Das hat das
Saarländische Oberlandesgericht (OLG) entschieden. Denn bei der Berufsunfähigkeitsversicherung werde die gesundheitliche Fähigkeit versichert, einen erlernten Beruf weiter ausüben und bewältigen zu können.
Das Gericht wies mit seinem Urteil die
Klage eines Krankenpfleger-Helfers gegen
seine Versicherung ab. Der hatte nach seinem
Antrag eine Berufsunfähigkeitsversicherung
abgeschlossen. Als Beruf hatte er »Krankenpfleger-Gehilfe« angegeben. Die Versicherung teilte nach Prüfung der Unterlagen mit,
er könne lediglich seine Erwerbsunfähigkeit
versichern lassen. Der Kläger unterschrieb
daraufhin eine entsprechende Änderungsklausel. Gleichwohl verlangte er später von
der Versicherung eine Rente, weil er nicht
mehr in der Krankenpflege tätig sein könne.
Wie die Versicherung hielt auch das OLG
diese Forderung für unbegründet. Der Kläger
sei nicht erwerbsunfähig, denn er könne
durchaus noch andere Tätigkeiten ausüben. ∏
OLG Saarland, Az.: 5 U 720/05-105
02.07 soli aktuell 3
ausbildung + beruf
Ein Prozent mehr
Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2006: Nur sehr
geringer Anstieg.
n Westdeutschland verdienten die
Auszubildenden 2006 durchschnittlich 629 Euro brutto im Monat. Die
tariflichen Ausbildungsvergütungen erhöhten sich im Durchschnitt um ein Prozent und
damit ebenso viel wie im Vorjahr.
In Ostdeutschland stiegen die tariflichen
Ausbildungsvergütungen 2006 um 1,3 Prozent auf durchschnittlich 536 Euro im Monat
– eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um
0,6 Prozentpunkte. Der Abstand zum westlichen Tarifniveau blieb unverändert: Seit
2001 erreichen die Vergütungen im Osten
durchschnittlich 85 Prozent der westlichen
Höhe. Für das gesamte Bundesgebiet lag
der tarifliche Vergütungsdurchschnitt 2006
bei 613 Euro pro Monat und damit um 1,1 Prozent über dem Vorjahreswert (607 Euro).
Zu diesen Ergebnissen kommt das Bun-
I
desinstitut für Berufsbildung (BIBB) in seiner Auswertung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2006. Ermittelt wurden die durchschnittlichen Vergütungen für
186 Berufe in West- und 151 Berufe in Ostdeutschland. In diesen Berufen werden 87
Prozent der Auszubildenden in West und
Ost ausgebildet.
gaben sich 2006 folgende Beträge: In Westdeutschland betrugen die Vergütungen im
ersten Lehrjahr durchschnittlich 557 Euro,
im zweiten 625 Euro und im dritten Jahr 697
Euro. In Ostdeutschland beliefen sie sich im
ersten Ausbildungsjahr auf durchschnittlich
471 Euro, im zweiten auf 540 Euro und im
dritten auf 599 Euro pro Monat. ∏
Die mit Abstand höchsten Ausbildungsvergütungen wurden in West und Ost im
Beruf BinnenschifferIn mit jeweils 925 Euro
pro Monat erzielt. Hohe Vergütungen sind
auch in den Berufen des Bauhauptgewerbes
tariflich vereinbart: Sie betrugen 2006 im
Westen durchschnittlich 833 Euro und im
Osten 679 Euro im Monat.
Ebenfalls hoch waren die Vergütungen
in West- und Ostdeutschland mit durchschnittlich jeweils 813 Euro im Beruf Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen.
Niedrige Ausbildungsvergütungen wurden in den Berufen Friseur/Friseurin (West:
418 Euro, Ost: 266 Euro), Florist/Floristin
(West: 424 Euro, Ost: 312 Euro) und Bäcker/Bäckerin (West: 457 Euro, Ost: 351
Euro) gezahlt.
Häufig weichen auch im gleichen Beruf
die tariflichen Ausbildungsvergütungen je
nach Region und Wirtschaftszweig voneinander ab. Außerdem gelten die tariflichen
Ausbildungsvergütungen nur in der betrieblichen Ausbildung: In der aus öffentlichen
Mitteln finanzierten außerbetrieblichen
Ausbildung erhalten die Auszubildenden in
der Regel erheblich niedrigere Vergütungen,
die vom BIBB nicht berücksichtigt werden.
Für die einzelnen Ausbildungsjahre er-
ausbildungsvergütungen
Boys & Girls
Insgesamt verteilten sich die Ausbildungsvergütungen in den untersuchten Berufen im
Jahr 2006 wie folgt: In Westdeutschland bewegten sich die Vergütungen für 64 Prozent
der Auszubildenden zwischen 500 Euro und
750 Euro. Weniger als 500 Euro erhielten 15
Prozent der Auszubildenden, wobei Vergütungen unter 400 Euro eher Ausnahmen darstellten; mehr als 750 Euro gingen an 21 Prozent der Auszubildenden. In Ostdeutschland
waren für 52 Prozent der Auszubildenden Vergütungen von 500 Euro bis 750 Euro zu verzeichnen. Unter 500 Euro lagen die Vergütungen für 47 Prozent der Auszubildenden,
für 19 Prozent sogar unter 400 Euro. Nur ein
Prozent der Auszubildenden erreichte mehr
als 750 Euro.
Gender Mainstreaming steht nicht auf
der Überweisung: Im Westen kamen die
männlichen Auszubildenden auf durchschnittlich 643 Euro, die weiblichen auf 607
Euro. Im Osten betrug der Durchschnitt für die
männlichen Auszubildenden 548 Euro und für
die weiblichen 516 Euro. Der Grund für die Ungleichverteilung: Junge Frauen sind häufiger in
Berufen mit einer niedrigeren Ausbildungsvergütung anzutreffen als junge Männer. ∏
www.bibb.de/de/28692.htm
Kein Schülerterror
Die ehemalige Rektorin Brigitte Prick zieht Fazit nach 22 Jahren Rütli-Schule.
ie Rütli-Schule in Berlin-Neukölln
geriet im März 2006 bundesweit in
die Schlagzeilen, nachdem Lehrer
in einem Brandbrief an die Schulverwaltung angeblich die Auflösung der Schule
verlangt hatten, weil sie anders der Gewalt
durch die Schüler nicht mehr standhalten
könnten.
Seit Mitte Oktober 2006 nun hat die
Schule einen neuen Rektor. Aleksander
Dzembritzki tritt in die Fußstapfen des Interim-Direktors Helmut Hochschild, der mit
D
4 soli aktuell 02.07
seinen Schülern und dem Ensemble Young
American die Schule aus den negativen
Schlagzeilen tanzte.
Jetzt gibt die Vor-Vorgängerin der beiden, die bis 2005 amtierende Schulleiterin
Brigitte Pick, zu bedenken: »Ein Schulleiter
leitet genauso wenig eine Schule, wie ein
Korinthenkacker Korinthen kackt.«
Die bekennende 68erin: »Ich versuchte
zu verbessern, zu ändern und im Elend zu
helfen, so gut es in meinen Kräften stand.«
So analysiert sie nicht nur den Notruf aus
Neukölln im März 2006, der die Schule
bundesweit bekannt werden ließ, sondern
auch die dadurch ausgelöste innenpolitische Debatte über das Schulsystem in
Deutschland und die immer wieder ausbrechende Gewalt an Schulen und die Integration von
Immigrantenkindern. Ein notwendiger Beitrag zur Bildungsdebatte. ∏
Brigitte Pick: Kopfschüsse. VSA-Verlag,
Hamburg 2007, 200 S., 14,80 Euro
thema
Prekariat in Zahlen
Erstmals Daten zur »Generation Praktikum« – Die Absolventenbefragung der DGB-Jugend.
it der Studie »Generation Praktikum« von Dieter Grühn und Heidemarie Hecht liegen erstmals
konkrete Zahlen für die Diskussion über
Praktika nach dem Ende des Studiums vor.
Die – mit Unterstützung von DGB-Jugend
und Hans-Böckler-Stiftung durchgeführte –
Untersuchung konzentriert sich auf die
quantitative Bedeutung von Praktika für die
Beschäftigungssituation junger Hochschulabsolventen in Köln und Berlin zwischen ihrem Studienabschluss im Wintersemester
2002/2003 bis zum Befragungszeitpunkt im
Herbst 2006, also etwa dreieinhalb Jahre
nach Studienabschluss.
Darüber hinaus gibt es aber auch einen
ersten Überblick über die »Einfädelung in
den Beruf«, d.h. über die Erwerbssituation
der Befragten zum Befragungszeitpunkt.
Daneben wurden die Absolventen zu Werten, Arbeitsplatzsicherheit, Einkommen,
Karriereaussichten, Freizeit und Familie befragt. Auch quere Themen kamen vor: Ob
sie noch mal studieren würden – und wenn
ja, welches Studienfach. 500 Fragebögen
kamen so zusammen.
M
Die wichtigsten Ergebnisse:
Von Praktika nach dem Studienabschluss
sind 37 Prozent aller Absolventen betroffen.
Die Differenzen nach Studienfachgebieten sind erheblich: Geistes-, Kultur- und So-
studienergebnisse
zialwissenschaftler machen
Praktika insgesamt und unbezahlte Praktika nach
besonders häufig Praktika
Branchen/Wirtschaftsbereichen in Prozent aller
nach dem Ende des StudiPraktika bzw. aller unbezahlten Praktika
ums.
Die Zahl der AbsolvenAnteile bei
ten, die ein Praktikum nach
Anteil aller unbezahlten
Wirtschaftsbereiche
Praktika
Praktika
dem Studium absolvieren,
ist in den letzten drei Jahren
Industrie, Handel, Banken,
Versicherung
8
1
deutlich angestiegen, und
Öffentl. Verwaltung, Bahn, Post
7
12
zwar vor allem bei AbsolvenKunst, Kultur, Medien
27
41
ten von Fächern, bei denen
das Phänomen bereits im
Hochschule, öffentl. Forschung
5
4
Jahre 2000 besonders ausGesundheitswesen
16
16
geprägt war.
Verbände, Kirchen, Parteien
10
10
Wer nach dem StudienSchulen, Jugend- und
Erwachsenenbildung
4
7
abschluss ein Praktikum
Sonstiges
24
25
oder mehrere Praktika absolviert, macht das nicht nebenbei: Die durchschnittli90 Prozent der Befragten, dass sie – wenn sie
che Verweildauer beträgt bei unbezahlten
rückblickend die freie Wahl hätten – noch
Praktika vier und bei bezahlten Praktika
einmal studieren würden. Allerdings würden
sechs Monate. Das war bei 60 Prozent der
im Durchschnitt nur etwa 60 Prozent noch
Studienteilnehmer der Fall.
einmal ihr ursprüngliches (Haupt-) StudienIn fast der Hälfte der Fälle handelt es sich
fach wählen.
um unbezahlte Praktika. Um diese Zeit zu fiDass sich Hochschulabsolventen mit ihnanzieren, greifen zwei Drittel der Absolrer Ausbildung identifizierten, solle aber
venten auf ihre Eltern zurück, 40 Prozent der
keinesfalls die Ausnutzung der ArbeitsAbsolventen haben noch einen Nebenjob.
marktsituation durch die Arbeitgeber beUnd: Frauen führen deutlich häufiger – 45
schönigen, so Hecht/Grühn. Wie eine Stuzu 23 Prozent – Praktika durch. Es sind ausdentin dies zusammenfasst: »Ich bin der
schließlich Frauen, die mehr als zwei PraktiMeinung, dass Praktika nach dem Studium
ka machen.
nur zu rechtfertigen sind, um persönlich/beAls allgemeiner Trend lässt sich erkennen,
ruflich ›in Bewegung‹ zu bleiben, auch wenn
dass im Studium immer noch Vorteile ge- man kein Glück bei der Jobsuche hatte, oder
genüber anderen Ausbildungsformen gese- um sich beruflich um zu orientieren. Anhen werden. Über alle Fächer hinweg sagen sonsten sollte die Ausbildung mit dem Ende
des Studiums abgeschlossen sein.«
Wenngleich die Zahl der Arbeitslosen
unter den Hochschulabsolventen nach wie
vor im Vergleich mit anderen Qualifikationsgruppen deutlich unterdurchschnittlich
sei, zeigten die Daten eine »gewisse Unzufriedenheit« und Verunsicherung, stellen
rung für das Alter geht, sind junge Akademikerinnen und Akademiker mit einer häufig unsiGrühn/Hecht fest. ∏
Junge Frauen im Nachteil!
Die Anforderungen an Berufseinsteiger sind in
den letzten Jahren immer höher geworden: Sie
mögen flexibel und leistungsfähig sein, sie sollten gute Fachkenntnisse und Berufserfahrung
vorweisen und mehrere Fremdsprachen fließend beherrschen. Und das alles möglichst billig und rund um die Uhr.
Besonders deutlich wird aber ein »Negativfaktor« auf dem Arbeitsmarkt: das Geschlecht. So haben Frauen deutlich größere
Probleme beim Berufseinstieg. Auch sind Frauen häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und
ihr späteres Einkommen liegt deutlich unter
dem ihrer männlichen Kollegen.
In einem Alter, in dem es neben dem Berufseinstieg auch noch um eine mögliche Familiengründung und um die finanzielle Absiche-
cheren Berufsperspektive konfrontiert.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen,
dass unter dem »Label Praktikum« Missbrauch betrieben wird. Praktika müssen – in
erster Linie – zum Lernen da sein. Praktikanten sind keine billigen Arbeitskräfte. Darum
führt kein Weg daran vorbei, dass der Status
Praktikant besser geschützt
wird und gesetzliche Regelungen gefunden werden,
die ein Praktikum als ein
Lernverhältnis klarer definieren. ∏
Dieter Grühn/Heidemarie Hecht: »Generation Praktikum«? Prekäre Beschäftigungsformen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Im Download auf
www.dgb-jugend.de
Jessica Heyser, politische
Referentin der DGB-Jugend
02.07 soli aktuell 5
jav-ratgeber
Glotze an!
Das Fernsehen ist schon überall: Ein Verbot der Nutzung
von TV-, Video-, DVD- und Radiogeräten geht nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats.
dien wie TV-, Video- oder DVD-Geräte überBetriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein
tragbar, auch wenn – wie z.B. das LandesarMitbestimmungsrecht in »Fragen der Ordbeitsgericht (LAG) Köln in seiner Entscheinung des Betriebs und des Verhaltens der
dung vom 12. April 2006 (Az.: 7 TaBV 68/05)
Arbeitnehmer im Betrieb« zusteht.
einräumt – »derartige Geräte die AufmerkUnter diesen leicht abstrakt formuliersamkeit der Arbeitnehmer stärker in Anten Tatbestand fallen nach der Rechtsprespruch nehmen als ein Radiogerät«.
In vielen Büros gehört Radio hören
chung der Arbeitsgerichte auch Verbote
Hier hatte ein Arbeitgeber
während der Arbeitszeit zum Allüber die Nutzung von Radioerfolglos argumentiert, dass
tag. Und nicht nur das: Es gibt sooder Fernsehgeräten.
das Verbot das Arbeitsverhalgar Betriebe, in denen Arbeitgeber den BeArbeitgeber, die gern den
ten deshalb betreffe, da er mit
schäftigten Fernsehen oder sogar VideoHerrn im Hause hervorkehren,
dem Verbot einen für die Arund DVD-Geräte zur Verfügung stellen – sei lehnen häufig die Mitbestimbeitnehmer bisher bestehenes zum dienstlichen Gebrauch oder zur primung des Betriebsrats mit dem
den Anreiz beseitigen wollte,
vaten Nutzung.
Argument ab, dass derartige
Der JAV-Ratgeber.
sich während der Arbeitszeit
Was passiert nun in den Fällen, in denen
Nutzungsverbote das mitbeMit Wolf-Dieter Rudolph
außerhalb des Arbeitsplatzes,
die Nutzung derartiger Geräte vom Arbeitstimmungsfreie so genannte
geber von einem Tag auf den anderen unArbeitsverhalten der Beschäftigten betrifft, z.B. in den Sozialräumen, aufzuhalten!
In diesem zugunsten des Betriebsrats
tersagt wird? Die Beschäftigten haben
nicht aber ein »der Mitbestimmung unterentschiedenen Fall ging es gerade nicht um
Glück, wenn’s in der
fallendes Ordnungsein Nutzungsverbot für derartige Geräte
Fernsehverbot: Arbeitgeber,
Firma einen Betriebsverhalten«.
unmittelbar am Arbeitsplatz und während
die gern den Herrn im Hause…
rat gibt – in diesem
der Arbeitszeit, sondern um ein pauschales
Dieser ArgumentatiFall kann die Arbeiton hat aber das Bundesarbeitsgericht (BAG) Verbot jedweder Nutzung zu jedweder Zeit
geberseite nicht einfach irgendetwas verbereits in den achtziger Jahren einen Riegel
einschließlich Pausen- und sonstiger freien
bieten.
vorgeschoben: Nach
Zeiten – in sämtlichen
Bevor ein derartiges Verbot ausgesproMeinung der höchsten
…hervorkehren, lehnen die MitRäumlichkeiten einchen werden kann, muss der Betriebsrat
deutschen Arbeits- bestimmung des Betriebsrats ab. schließlich Pausenerstmal mit einer derartigen Maßnahme
richter sind alle Anordbzw. Sozialräumen, in
einverstanden sein. Warum? Ganz einfach:
nungen des Arbeitgebers mitbestimmungsdenen sich die Arbeitnehmer außerhalb ihWeil dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1
pflichtig, wenn mittelbar oder direkt eine
rer Arbeitszeiten aufhalten.
Reglementierung des ArbeitnehmerverhalFür die Arbeitsgerichte ist auch nicht enttens bzw. ein einheitliches Verhalten der
urteil
scheidend, ob die entsprechenden Geräte
Arbeitnehmer erreicht werden soll.
vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt
Nicht der Mitbestimmung unterfallen
wurden oder ob sie von Arbeitnehmern in
sämtliche Anweisungen, Vorgaben oder AnDas Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entden Betrieb mitgebracht wurden.
ordnungen des Arbeitgebers, die er in Ausschieden, dass der Verlust der SozialversicheEin Mitbestimmungsrecht des Betriebstrifft.
übung
seines
Weisungsrechts
rungsfreiheit kein personenbedingter Kündirats
besteht auch dann, wenn der BetriebsGeht
es
also
um
eine
Konkretisierung
gungsgrund ist. Studierende, die aus verrat beim erstmaligen Einsatz bzw. bei erstder Arbeitspflicht, z.B. die Vorgabe, welche
schiedenen Gründen die Befreiung in der Somaliger Genehmigung derartiger Geräte
Arbeiten in welcher Weise auszuführen
zialversicherung verlieren, behalten weiternicht beteiligt wurde, z.B. weil es zu diesem
sind, handelt es sich um eine »nicht mitbehin ihren Studi-Job.
Der Fall: Der Kläger war seit 1990 bei eiZeitpunkt gar keinen gab.
stimmungspflichtige Regelung über das Arnem Großflughafen als teilzeitbeschäftigte
Hier kann sich ein Arbeitgeber nicht der
beitsverhalten«.
studentische Aushilfe im Bereich BodenMitbestimmung mit dem Argument der BeDer Mitbestimmung unterliegen demdienste tätig. In seinem Arbeitsvertrag war
seitigung eines »mitbestimmungswidrigen
nach sämtliche Vorgaben der Arbeitgeber,
vereinbart, das Arbeitsverhältnis sei unter
die nicht unmittelbar der Ausführung der im Zustands« entziehen.
Beachtung der Sozialversicherungsfreiheit an
Arbeitsvertrag bzw. Berufsausbildungsverden Nachweis eines ordentlichen Studiums
Für die Jugend- und Auszubildendenvertrag niedergelegten Pflichten unterfallen.
gebunden und ende ohne Kündigung in dem
tretung (JAV) ist wichtig: Ordnet der AusMonat, in dem der Kläger exmatrikuliert werbildungsbetrieb ein Verbot z.B. des RadioIn
seiner
Grundsatzentscheidung
vom
de. Der Kläger verlor aufgrund einer Ändehörens nur in der Ausbildungswerkstatt an
14. Januar 1986 (Az.: 1 ABR 75/83) hat das
rung der Vorschriften zur Sozialversicheoder sind von dieser Maßnahmen ausBAG klargestellt, dass selbst dann, wenn
rungsfreiheit von Studierenden im Jahr 2004
die Befreiung.
schließlich die Auszubildenden betroffen,
ein entsprechendes Gerät unmittelbar am
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsso steht der JAV bei der Entscheidung des
Arbeitsplatz aufgestellt und während der
verhältnis. Gegen diese Kündigung wurde BeArbeitszeit genutzt wird, der Inhalt der arBetriebsrats natürlich nicht nur das so gerufung eingelegt, der Arbeitgeber verlor nun
beitsvertraglich geschuldeten Leistung
nannte besondere Teilnahmerecht (d.h. die
in letzter Instanz vor dem BAG.
nicht berührt ist.
komplette JAV nimmt an der BetriebsratsBAG, Az.: 2 AZR 731/05; Hessisches Landesarbeitsist
selbstverRechtssprechung
sitzung teil), sondern auch ein Stimmrecht
Diese
gericht, Az.: 17/6 Sa 907/04
zu. ∏
ständlich auch auf den Einsatz anderer Me-
E
Status weg, Job nicht
6 soli aktuell 02.07
landesbezirke + gewerkschaften
Gute Ausbildung für alle
Ausbildung, Tarifpolitik,
Rente mit 67 – das waren
die großen Themen der 20.
Jugendkonferenz der IG Metall
in Sprockhövel.
ir bleiben dabei: Wer nicht ausbildet, soll wenigstens zahlen« – der
Erste Vorsitzende der IG Metall,
Jürgen Peters, machte in seiner Rede vor
den Delegierten der 20. Jugendkonferenz
seiner Gewerkschaft keine Kompromisse.
Ausbildungsberufe ließen sich nicht in
einzelne Module zerlegen, so dass junge
Menschen nur noch angelernt würden und
keine Qualifikation auf Facharbeiterniveau
mehr erreichen könnten, so Peters.
Bildung und Ausbildung lag auch den
224 Delegierten der IG Metall-Jugendkonferenz vom 24. bis 27. Januar 2007 in
Sprockhövel sehr am Herzen. »Die Politik
muss das Recht auf eine qualifizierte Ausbildung endlich durchsetzen«, betonte Michael Faißt, der Bundesjugendsekretär der
IG Metall.
W
Mit der Forderung nach einer gesetzlichen Ausbildungsumlage wurde auch der
Einstieg in eine Diskussion darüber beschlossen, welchen Beitrag die Tarifpolitik
zwischenzeitlich zur Schaffung zusätzlicher
Ausbildungsplätze leisten kann.
Nicht weniger, sondern mehr Geld während der Ausbildung – so lautet die Position
der IG Metall-Jugend beim Thema Tarifpolitik. Junge Menschen sollen von ihrer Vergütung leben können, unabhängig von Eltern
oder staatlichen Transferleistungen.
Ein weiteres tarifpolitisches Ziel der Metaller: die unbefristete Übernahme nach der
Ausbildung. Und: Die jungen Gewerkschafter sprachen sich deutlich gegen die Rente
mit 67 aus. Wenn die Menschen immer später aus dem Berufsleben ausstiegen, werde
der Einstieg für die Jungen immer schwerer:
»Wir als junge Menschen müssen uns an die
Spitze der Bewegung gegen die Rente mit
67 setzen«, so Faißt. Die Generationen sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. »Es geht nicht um Alt gegen Jung. Es
geht um uns hier unten und die dort oben«.
Das Treffen in Sprockhövel wandte sich
stark den Kernthemen der Gewerkschaftsbewegung zu. Dazu gehörte auch, dass die
IG Metall-Jugend ihre Aktivitäten gegen
Rechts verstärken und für eine gerechte
und menschliche Globalisierung eintreten
will. ∏
nase gestrichen voll
Wir machen
uns strafbar!
Nach einem Urteil des Stuttgarter Landgerichts machen sich Menschen strafbar, wenn
sie ein durchgestrichenes Hakenkreuz tragen. Die IG Metall-Jugend ließ sich durch das
Urteil nicht auf eine Stufe mit Nazis stellen
und zeigte »Gesicht(er)«. Die Teilnehmer der
IG Metall konnten sich an einem Stand mit dem verbotenen Symbol fotografieren
lassen – und machten davon
ausgiebig Gebrauch. ∏
Ampel rot
Bundestagsabgeordnete bekennen Farbe für das Jugendarbeitsschutzgesetz
undestagsabgeordnete setzen sich
für den Erhalt des gesetzlichen Jugendarbeitsschutzes ein: Die DGBJugend kämpft seit Sommer 2006 gegen die
Verschlechterung des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Unterstützt wird sie dabei von
zahlreichen Bundestagsabgeordneten sowie dem Regierenden Bürgermeister von
B
Berlin, Klaus Wowereit (SPD), und dem Ministerpräsidenten von Brandenburg, Matthias Platzeck (auch SPD). Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock:
»Das Jugendarbeitsschutzgesetz ist kein
Ausbildungshemmnis. Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeits- und Ausbildungsplatz müssen auch im Interesse der
Red Button: Vor dem Reichstag angetreten (v.l.): Die Abgeordneten Andreas Steppuhn (SPD), Diana
Golze (Linkspartei), Gabriele Hiller-Ohm (SPD), Werner Dreibus (Linkspartei), Wolfgang Grotthaus (SPD),
Andrea Nahles (SPD) und Clemens Bollen (SPD) sind solidarisch und begrüßen die Gewerkschaftsjugend.
Ausbildungsbetriebe sein. Noch immer ist
die Zahl der Unfälle hoch.«
Arbeitnehmer unter 24 Jahren sind zu 50
Prozent häufiger von Arbeitsunfällen betroffen als andere Arbeitnehmer. Und: Das
Gesetz sei auch so schon flexibel genug: In
Bäckereien zum Beispiel dürften Jugendliche
schon heute ab fünf Uhr morgens arbeiten.
Am 18. Januar 2007 debattierte der Bundestag über die Zukunft des Jugendarbeitsschutzgesetzes. RednerInnen fast aller Parteien bekannten sich zum Fortbestand des
Jugendarbeitsschutzes. Nur die FDP setzte
sich für einen umfassenden Abbau der
Schutzrechte von Jugendlichen ein.
Im Plenum setzten Abgeordnete der
SPD, der Linkspartei und der Grünen mit roten Buttons ein Zeichen und erklärten sich
solidarisch mit den Protesten der Gewerkschaftsjugend gegen alle Aushöhlungspläne. Auch am Rednerpult waren die roten
Buttons zu sehen. Diana Golze (Linkspartei), Andrea Nahles (SPD), Brigitte Pothmer
(Bündnis 90/Grüne) und Willi Brase (SPD)
trugen sie während ihrer Statements. ∏
www.haendeweg.net.ms
02.07 soli aktuell 7
tipps + termine
Entgelt bezahlt, Postvertriebsstück A 8895
Absender: DGB-Bundesvorstand, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
w e b t i p p d e s m o n at s
Killerpilz-Aktivitäten: Die Jugendseite der
Stiftung »Ich will Gerechtigkeit« ruft gemeinsam mit der Band Killerpilze (»Ich kann auch
ohne Dich«) Jugendliche auf, aktiv zu werden
und gemeinsam im Auftrag von Karl-Heinz
Böhm (»Sissi«) und seiner Menschenrechtsstiftung für den Bau einer
Grundschule in Äthiopien
Geld zu sammeln.
Die kreativste und die erfolgreichste Aktion wird
von den Killerpilzen mit
einem Live-Konzert im Ort
der Gewinner belohnt!
www.ichwillgerechtigkeit.de
Social Justice: Das »Freechild«-Projekt ist
ein weltweit vernetztes Trainings- und Ratgeberportal rund um die Interessen junger Leute. Tenor: Gesellschaftlicher Wandel? Ja. Aber
nur mit der Jugend!
+
www.freechild.org
Zitat des Monats:
»Die Schwerpunkte
der Arbeit setzt der Alltag, nicht die Herkunft.«
!
Adewale Adekoyeni,
Otto-Betriebsrat
Was ist eigentlich Neoliberalismus? Dieser guten Frage geht das »ABC zum Neoliberalismus« in 103 Stichworten von fachkundigen
Autorinnen und Autoren nach. Kein neutrales
Kompendium der neoliberalen Strategien – es
geht vielmehr um eine kritische Auseinandersetzung mit dem liberalen Wirtschaftsmist.
+
»Dissen – nö«: Beleidigen geht
nicht. Zum Thema Respekt ist ein
Ratgeber für Jugendliche erschienen, die
in der Schule, im Praktikum, bei der Lehrstellensuche, in der Ausbildung und bei
Vorstellungsgesprächen ungleich behandelt und/oder benachteiligt werden.
+
»Dissen – mit mir nicht«. Im Download:
www.jubim.de/dissen/dmmn04.pdf
Hans-Jürgen Urban (Hg.): ABC zum Neoliberalismus. Von
»Agenda 2010« bis »Zumutbarkeit«. VSA-Verlag, Hamburg
2006, 248 S., 14,80 Euro
impressum
Kalender 2007/2008 für junge Verbraucher: Mit
dem Motto »Gut informiert, clever entscheiden«
bieten der Verbraucherzentralen-Bundesverband und die
Stiftung Warentest einen übersichtlichen und vor allem:
kostenlosen Jahresplaner für das Schuljahr 2007/2008.
Der Kalender informiert junge Leute über sicheres Internet-Shoppen, Strategien zur wirkungsvollen Reklamation
– und vor allem darüber, wie das Handy nicht zur Schuldenfalle wird.
Namentlich gekennzeichnete Artikel
geben nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder.
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Gefördert aus Mitteln des Kinder- und
Jugendplans des Bundes (BMFSFJ)
+
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seminare
Konferenz »Zukunft der Arbeit«: Brauchen wir unbedingt Vollbeschäftigung – oder vielmehr eine
ganz neue Verteilung von Arbeit? Wie sieht unser
(Arbeits-)Alltag in zehn oder gar 20 Jahren aus? Zusammen mit ExpertInnen aus Politik und Wirtschaft
werden Antworten gesucht. Dabei wird es um Modelle wie Grundeinkommen, Kombilohn und die dazu passenden gewerkschaftlichen Positionen gehen.
20. bis 22. April 2007. DGB-Jugendbildungszentrum Hattingen,
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Soziale Kompetenz I – gilt als Schlüsselqualifikation auf dem heutigen Arbeitsmarkt. Aber wie kann
man sie trainieren? Welche Methoden gibt es, um
soziale Kompetenz nachhaltig zu fördern? In dieser
zweiteiligen Fortbildung werden Formen der sozialen Kompetenz vorgestellt und ihre Vermittlung
trainiert.
27. bis 29. April 2007. DGB-Jugendbildungszentrum Hattingen,
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