Referat Workshop Dr. K. Speck
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Referat Workshop Dr. K. Speck
Vortrag „Aktueller Stand der Diskussion und Wirkungsdebatte in der Schulsozialarbeit“ Dr. Karsten Speck zur Fachtagung Schulsozialarbeit am 18.03.2010 in der FH Jena Universität Potsdam/Institut für Erziehungswissenschaft Karl-Liebknechtstraße 24-25 - 14415 Potsdam Fon: 0331-977-2697 Fax: 0331-977-2067 Email: [email protected] Für die Einordnung des aktuellen Standes zur Schulsozialarbeit erscheint zunächst ein Blick auf vorliegende Statistiken zur Verbreitung von Schulsozialarbeit sinnvoll. Hierzu muss allerdings ein Forschungsdefizit konstatiert werden. Gewisse Anhaltspunkte liefert die bundesweite Kinder- und Jugendhilfestatistik, die Aussagen über Personen, die mit einer überwiegenden Tätigkeit im Bereich der schulbezogenen Jugendhilfe tätig sind, erfasst (BMFSFJ 2005, 417ff. und 640f.). Nach diesem sehr weiten Erfassungsverständnis waren 1998 insgesamt 755 Personen der Kinder- und Jugendhilfe hauptsächlich in Schulen tätig. Im Jahr 2002 erhöhte sich diese Zahl auf insgesamt 1385 sozialpädagogische MitarbeiterInnen. Zwischen 1998 und 2002 verdoppelte sich fast die Anzahl der sozialpädagogischen MitarbeiterInnen, die im Bereich der schulbezogenen Jugendhilfe tätig sind. Für die Ausweitung der Schulsozialarbeit in den 2010er Jahren sprechen auch die zahlreichen Landesprogramme zur Schulsozialarbeit (z.B. Berlin, Rheinland-Pfalz, Bayern, SachsenAnhalt) und der Ausbau und die Verstetigung der Schulsozialarbeit auf Kommunal-/Landesebene an unterschiedlichen Schultypen (z.B. Grundschule, BBS, Sonderschule). Die förderpolitische Situation ist allerdings weiterhin durch einen Flickenteppich (Förderer, Ebenen, Träger) sowie eine unzureichende Förderung (befristet, prekär, defizitorientiert und defizitär) geprägt. Auf der konzeptionellen Ebene befindet sich die Schulsozialarbeit – wie andere Handlungsfelder der Jugendhilfe auch – in einem ständigen Wandlungsprozess. Ausschlaggebend dafür sind politische, rechtlich, fachliche und institutionelle Veränderungen. Historisch gesehen wird die Schulsozialarbeit seit den 1970er Jahren durch jeweils sich verändernde bildungs- und sozialpolitische Überformung geprägt (zur Zeit Schulverweigerung, Schulabschlüsse, Betreuung Ganztag). Auf der rechtlichen Ebene verfügt die Schulsozialarbeit zwar weiterhin nicht über einen Leistungserwähnung im SGB VIII, allerdings hat eine deutliche Stärkung der Kooperation von Jugendhilfe und Schule und zum Teil sogar der Schulsozialarbeit in den Schulgesetzen und Ausführungsgesetzen zum SGB VIII stattgefunden. Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule ist durch eine gegenseitige konzeptionelle Annäherung sowie einen deutlichen Abbau von Distanz, Kritik und Vorwürfen gekennzeichnet, wenngleich – wie vorliegende Untersuchungen zeigen – weiterhin Infodefizite, Statusspiele, Vorbehalte und Ängste existieren. Folgende aktuelle Trends sind erkennbar: 1. Weg von individualisierten Hilfen hin zu sozialräumlichen Konzepten der Schulsozialarbeit, 2. Weg von einer fürsorglichen, sozialpädagogischen Unterstützung hin zur lokalen Bildung, 3. Weg von Verhaltensauffälligkeiten und Schulverweigerung hin zu einer sozialpädagogisch unterstützen Bildungsoffensive mit häufigeren Bildungsabschlüssen sowie 4. weg von der Jugendsozialarbeit in der Halbtagsschule hin zur sozialpädagogisch orientierten Ganztagsschule und 5. weg von Qualitätsstandards hin zur systematischen Qualitätsentwicklung und Wirkungsdokumentation in der Schulsozialarbeit. Die relativ abstrakt erscheinende Wirkungsdebatte in der Schulsozialarbeit hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Praxis. So ist in der Praxis der Schulsozialarbeit heutzutage eine Auseinandersetzung mit den Themen Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation unerlässlich. Der Bedeutungszuwachs der Themen Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation für die Praxis seit etwa Mitte der 1990er Jahre lässt sich sehr gut erkennen an a) den zahlreichen Fachbeiträgen und -publikationen zu den Themen Qualität und Selbstevaluation, b) den Stellungnahmen und Empfehlungen der Fachpolitik und der landesweiten Zusammenschlüsse der SchulsozialarbeiterInnen sowie c) den gestiegenen förderpolitischen Anforderungen in der Schulsozialarbeit. Die Fachbeiträge und -publikationen zu den Themen Qualität und Selbstevaluation in der Schulsozialarbeit haben, besonders seit Anfang der 2000er Jahre, deutlich zugenommen und sich von bloßen Forderungskatalogen mit Qualitätskriterien bzw. -standards sowie abstrakten Hinweisen auf eine notwendige Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation zu differenzierten Darstellungen mit empfehlenswerten und erforderlichen Verfahren und Instrumente der Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in der Schulsozialarbeit entwickelt. In Stellungnahmen und Empfehlungen der Fachpolitik wird zunehmend ebenfalls eine ständige Qualitätsprüfung, -dokumentation und -verbesserung sowie der Einsatz von Evaluationsmethoden in der Schulsozialarbeit gefordert (vgl. GEW 2003, BAG KJS 2002). Ähnliche Forderungen gibt es in fachpolitischen Empfehlungen und Förderrichtlinien der Länder zur Schulsozialarbeit (z.B. in Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen). Zumindest die fachpolitischen Empfehlungen der Länder haben jedoch häufig aufgrund des Empfehlungscharakters und der dann ebenfalls bereitzustellenden Finanzierungen und Qualitätsstandards lediglich eine anregende Wirkung für die Praxis. Parallel dazu haben sich die zahlreichen Zusammenschlüsse der SchulsozialarbeiterInnen auf Landesebene mit den Themen Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation beschäftigt sowie entsprechende Empfehlungen und Positionspapiere für ihre Fachkräfte erarbeitet (z.B. in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, SachsenAnhalt; vgl. www.schulsozialarbeit.net). Bei der Qualitätsentwicklung geht es um die erarbeitung und Anwendung schriftlich fixierter Leitfäden, komplexer Abläufe und aufeinander aufbauender Arbeitsschritte zur Analyse und Verbesserung der Qualität. Beispiele hierfür sind dokumentierte Handbüchern, Ablaufpläne, Checklisten etc. Bei der Selbstevaluation geht es um eine freiwillige, durch die SchulsozialarbeiterInnen selbstgesteuerte, zielgerichtete und datengestützte Dokumentation, Analyse und Bewertung des eigenen Handelns und der erzielten Ergebnisse anhand selbst festgelegter Kriterien. Angenommen werden kann, dass die durch die Qualitäts- und Selbstevaluationsdebatte a) eine größere Klarheit und Transparenz über das Arbeitsfeld Schulsozialarbeit gewonnen, b) die Etablierung und Institutionalisierung der Schulsozialarbeit beschleunigt, c) eine bessere Qualität, Effektivität und Effizienz der Schulsozialarbeit erreicht sowie d) ein leichterer Legitimationsnachweis der Notwendigkeit und des Erfolgs von Schulsozialarbeit gegenüber der Politik und den Zuwendungsgebern ermöglicht wird. Die Risiken können vor allem in einer Übernahme ungeeigneter Qualitätsmodelle aus der Wirtschaft, einer Trennung zwischen Fachdebatte und Qualitätsdebatte sowie Qualitätsmaßstäben ohne gleichzeitige Gewährleistung von Mindeststandards gesehen werden. Vor diesem Hintergrund dürfte die Auseinandersetzung mit den Themen Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation inzwischen zum professionellen Selbstverständnis der meisten Fachkräfte in der Schulsozialarbeit gehören. Die konkrete Ausgestaltung der Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation ist in der Praxis jedoch sehr heterogen Literatur: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) 2005: Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Berlin. Speck, K. 2006: Qualität und Evaluation in der Schulsozialarbeit. Konzepte, Rahmenbedingungen und Wirkungen, Opladen. Speck, K. 2009: Schulsozialarbeit. Eine Einführung, 2. Auflage, München.