Im Spiegel der Zukunft: Wissenskultur und

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Im Spiegel der Zukunft: Wissenskultur und
Im Spiegel der Zukunft:
Wissenskultur und - ethik
in Star Trek: Voyager
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung der Doktorwürde
der Philologischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i. Br.
vorgelegt von
Katja Bay
aus Freiburg i. Br.
WS 2011/2012
Erstgutachterin: Prof. Dr. Barbara Korte
Zweitgutachter: Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck
Vorsitzende des Promotionsausschusses
der Gemeinsamen Kommission der
Philologischen, Philosophischen und Wirtschaftsund Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät: Prof. Dr. Hans-Helmuth Gander
Titel der eingereichten Dissertation: „Im Spiegel der Zukunft: Die amerikanische
Wissenskultur und ihre Verbreitung im populären Fernsehen am Beispiel von Star Trek:
Voyager“
Datum der Fachprüfung im Promotionsfach: 04.07.2012
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
iii
Einleitung
1
I. Theoretische und methodische Grundlagen
1. Wissen und seine Konstitution
11
11
1.1 Wissenskategorien nach Hans-Dieter Kübler
14
1.2 Reiner Kellers Wissenssoziologische Diskursanalyse
17
2. Wissen(schafts)popularisierung und populäres Wissen
21
2.1 Kategorisieurng und Zirkulation von populärem Wissen
25
3. Medien und Strategien der populären Wissensvermittlung
27
3.1 Charakteristika einer TV-Serie
28
3.2 berblich über die für die Analyse verwendeten populären Zeitschriften
32
3.3 Popularisierungsstrategien in fiktionalen Texten
36
3.4 ‚Echte‘ Wissenschaftler in den Massenmedien
38
3.5 Charakteristika der Wissenschaftsdarstellung im Science Fiction-Genre
40
4. Leitgedanken für die Analyse
45
II. „To Boldly Go“ – Wissen als Faszinosum und Gefahr
47
1. Eine kurze Einführung in Star Trek: Voyager
48
1.1 Das Stammpersonal des Raumschiff Voyager
49
1.2 „Is There Anything You Don’t Know?“ - ‚Allwissende‘ in Voyager
51
2. Ein Überblick über Wissenthemen und -diskurse in Star Trek: Voyager
53
3. „Boundaries That Shouldn’t Be Crossed“ – Von der Gefahr des
unbändigen Strebens nach neuem Wissen
60
III. Wissenschaftsethos und Grauzonen ethischen Handelns
1. Wissenschaftsethisches Verhalten in der öffentlichen Wahrnehmung
65
68
1.1 Grundgedanken der Wissenschaftsethik
71
1.2 Fiktionale Wissenschaftler-Stereotype – ein kurzer Überblick
73
1.3 Ethische Aspekte der Gentechnologie im Spezialdiskurs der Ethik und dem
öffentlichen Mediendiskurs
80
1.4 Künstliche Intelligenzen im Spezialdiskurs der Ethik und dem öffentlichen
Mediendiskurs
89
2. „We’ll Wrestle with the Morality of the Situation Later“ – Ethisches
Handeln in Star Trek: Voyager
100
2.1 Grauzonen ethischen Handelns in Voyager
100
2.2 „Modern Heirs of Frankenstein“? – Wissenschaftlerfiguren in Voyager
104
2.3 Die Darstellung von Klonen und „Designer Babies“ in Voyager
123
2.4 Korrelationen zwischen der Konstitution von Identität und ethischem
Verhalten bei künstlichen Intelligenzen in Voyager
128
3. Fazit
143
IV. Geschichtsrepräsentationen als Entertainment und ethische Lektion
145
1. Die Geschichts-/Erinnerungskonjunktur seit den 1990er Jahren
149
1.1 Die identitätsstiftende Bedeutung von Geschichte
149
1.2 Ausgewählte Ansätze der Gedächtnistheorie
152
1.3 Zeitzeugen und ihre mahnende Funktion
154
1.4 Mediale Zirkulation von Vergangenheitswissen in Massenmedien
156
2. Spezifische Geschichts- und Erinnerungskontexte der Voyager-Serie
159
2.1 Geschichte erinnern – erleben – entdecken: Modi der Geschichtskultur
163
2.2 Ausgewählte Erinnerungskontroversen in den USA der 1990er Jahre
169
3. „Nazis – The Borg of their Day“: Historische Repräsentationen in Star
Trek: Voyager
177
3.1 Das Spiel mit Fakt und Fiktion in Voyager
179
3.2 Geschichte als Szenerie in Voyager
192
3.3 „Not Just a Matter of History“ – Der Wert des (historischen) Erinnerns in
Voyager
198
4. Fazit
208
Schlussbemerkungen
211
Zitierte Werke
214
Anhang
232
Danksagung
Diese Studie ist eine von der Philologische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität im
Wintersemester 2011/2012 angenommene Inaugural-Dissertation, die im Umfang
gekürzt und leicht überarbeitet wurde. Ich möchte Frau Prof. Dr. Barbara Korte für ihre
Betreuung und Unterstützung sowie wertvollen Anregungen danken. Ein Dank geht
ebenfalls an die Teilnehmer des Doktoranden-Kolloquiums und Kollegen für einen regen
Gedankenaustausch. Meinen Eltern und Freunden möchte ich für die vielfältige
Unterstützung während der Promotionszeit danken. Ein besonderer Dank geht an die
Personen, die zur Fertigstellung des Manuskripts beigetragen haben: Kathrin Göb,
Christiane Hadamitzky, Doris Lechner, Thorsten Leiendecker, Dr. Stefanie Lethbridge,
Dr. Christina Spittel und Georg Zipp.
iii
Einleitung
Was wir über unsere Gesellschaft,
ja über die Welt, in der wir leben, wissen,
wissen wir durch die Massenmedien.
(Luhmann 1996, 9)
Der Begriff Wissen wird gemeinhin mit Bildung und Schule assoziiert, da Wissen in der
Regel in Institutionen wie Schulen, Universitäten oder aber auch Bibliotheken weitergegeben und gepflegt wird. Jedoch ist Wissen, wie das Eingangszitat von Niklas
Luhmann bereits verdeutlicht, mehr als nur ‚Schulbildung‘: es umgibt den Menschen
ganzheitlich und vermittelt dem Individuum wie die Welt und unsere Gesellschaft
‚funktioniert‘. Das meiste Wissen ist dabei routinisiert und wird deshalb größtenteils
unbewusst ausgeführt, wie zum Beispiel gehen, essen, Fahrrad fahren etc. Die
Tradierung von Bildungswissen findet mittlerweile nicht mehr ausschließlich in den
angestammten Institutionen statt: Vor allem Massenmedien fördern Bildung durch
Kommunikation von Wissensbeständen. So kann bspw. auch eine fiktionale TV-Serie
dazu beitragen, Wissen zu verbreiten. Die diversen Serien der Star Trek-Reihe eignen
sich für eine Analyse der Wissenskulturen, da Wissenserwerb und Umgang mit Wissen
innerhalb der jeweiligen Entstehungszeiten prominent im Konzept verankert sind. Die
Missionen der ‚Sternenflotte‘ waren seit Beginn auf die Erforschung des Weltalls und
den Erwerb von Wissen ausgerichtet. Dies zeigt sich bereits in der Eingangssequenz bei
Star Trek: The Original Series, welche die Konzepte Wissensdurst und Entdeckerdrang
prägnant hervorhebt:
Space. The final frontier. These are the voyages of the Starship Enterprise. Its five year
mission: to explore strange new worlds, to seek out new life and new civilizations, to
boldly go, where no man has gone before. (meine Hervorhebung)1
Ronald Moore, Mitglied des Produzententeams und Autor einiger Star Trek-Episoden,
sieht in diesem Episoden-Prolog eine „quest for knowledge“ eingeschrieben (in
Greenwald 1998, 135). Am Beispiel der Star Trek-Serie Voyager (1995-2001) geht die
vorliegende Studie dem Phänomen Wissenskultur und seiner Verbreitung im populären
1
Dieser Text wird zu Beginn jeder Episode der Original Series vor Einsetzen des Vorspanns von einer
Erzählerstimme gesprochen.
1
Fernsehen nach und untersucht, wie und warum hier spezielle Wissensthemen zu einer
bestimmten Zeit verhandelt werden.
Unter ‚Wissenskultur‘ wird dabei im Folgenden der Umgang mit Wissen in einer
Gesellschaft verstanden: Welches Wissen wird wie kommuniziert und verhandelt,
welches archiviert, welches vernachlässigt? Die zunehmende Technologisierung der
Lebenswelt sowie das ‚neue‘ Medium Internet eröffnen dabei vielfältige Möglichkeiten
der Wissensspeicherung und -verbreitung. Durch diese technische Modernisierung kam
es im 20. Jahrhundert zu einem explosionsartigen Anstieg der unmittelbar verfügbaren
Menge an Wissen, was mit großer Intensität auch im öffentlichen Diskurs thematisiert
wird. So ist es in der gegenwärtigen Gesellschaft von hoher Bedeutung, mit technischen
und auch naturwissenschaftlichen Themen zumindest oberflächlich vertraut zu sein, da
sie das Leben eines jeden Einzelnen tangieren – wer an der Gesellschaft teilhaben will,
kann sich ‚Nicht-Wissen‘ kaum leisten. Wissen ist zum kulturellen, wissenschaftlichen
und zunehmend auch politischen Kapital geworden.2
Allerdings ist manches Wissen für ein allgemeines Publikum schwerer zu
vermitteln als anderes. Nicht alle Wissensbestände, z.B. komplizierte Theoreme aus
Naturwissenschaft und Technik, sind problemlos zu popularisieren. Eine starke
Vereinfachung von Wissenskonzepten kann leicht zu Ungenauigkeiten in der
Darstellung führen und somit die Vermittlung negativ beeinflussen oder das Wissen
sogar verfälschen. Andererseits besteht in der Öffentlichkeit ein hohes Interesse an
wissenschaftlichen Inhalten. Die Aufgabe der Wissenschaftspopularisierung ist es
hierbei, Erkenntnisse der Wissenschaften durch die Verhandlung in öffentlichen Medien
und durch die Anwendung von Popularisierungsstrategien aufzubereiten und einer
breiten Rezipientenschaft zugänglich zu machen. Die Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen in der Öffentlichkeit findet nicht nur in den explizit für die Wissenschaftspopularisierung vorgesehenen Medienformen statt, sondern auch als Teil unterhaltender Formate, wie etwa Science Fiction-Serien im Fernsehen. Wissen, das auf diese
Weise zirkuliert, kann als ‚populäres Wissen‘ definiert werden: Es wird außerhalb des
Fachdiskurses in den Massenmedien verbreitet und zu diesem Zweck ‚übersetzt‘, um es
für ein breites Publikum zugänglich zu machen.3
2
3
Zum Begriff des Kapitals vgl. Bourdieu (1992).
Vgl. hierzu bspw. Lewenstein, der einen Übersetzungsprozess für die Darstellung von „popular
science“ konstituiert (1992, 45). Diese Aussage kann auf jegliche in den Massenmedien zirkulierenden
Wissensbestände ausgeweitet werden vgl. Kap. I.2.
2
In Bezug auf Star Trek: Voyager lässt sich feststellen, dass hier eine
ausgesprochene Vielfalt von Wissensthemen aufgegriffen wird, manche Themen aber in
auffallender Häufung auftreten. Dabei sind diese nicht nur genretypisch für Science
Fiction, sondern beziehen sich dezidiert auf aktuelle Entwicklungen in öffentlichen
Wissensdiskursen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es deshalb vor allem, darzustellen, wie Star Trek: Voyager in fiktionaler Darstellung bedeutende und gesellschaftsrelevante Debatten über Wissensbestände aus der eigenen Entstehungszeit aufgreift, d.h.
wie die Serie bestimmte Aspekte der Wissenskultur vor allem der USA im ausgehenden
20. Jahrhundert spiegelt.
Der Begriff Wissenskultur kann unterschiedlich weit gefasst werden: Carsten
Kretschmann versteht darunter jeglichen „lebensweltlichen Zusammenhang“ im Umgang mit Wissen, der dadurch auch „Ausdruck sozialen Wandels“ wird (2003, 8). Karin
Knorr-Cetina argumentiert, dass unsere heutige Gesellschaft aus verschiedenen
„Kulturen von Wissenskontexten (2002a, 19) zusammengesetzt ist, aufgrund „der
ganzen Bandbreite von Strukturen, Mechanismen und Arrangements, die der Erzeugung
von Wissen dienen und sich mit ihm artikulieren“ (ibid., 18). Fried/Kailer bieten zwei
mögliche Definitionsansätze an:
Zum einen ist [mit Wissenskultur] ein Aspekt von Kultur überhaupt gemeint, der des
Wissens nämlich: Betrachtet man Kultur als die Gesamtheit menschlicher
Hervorbringung auf allen Gebieten des Lebens, dann ist Wissen darin ein so zentraler
Gesichtspunkt, daß seine Untersuchung einen Blick auf alle kulturellen Leistungen
ermöglicht. Zum anderen hat der Begriff der Kultur innerhalb des Kompositums
„Wissenskultur“ einen historisch deskriptiven Sinn: Er bezeichnet je besondere Kulturen,
die er als dynamische Wissenssysteme beschreibt; er zielt auf das Wissen, das gerade
diese Kulturen konstituiert, auf das Wissen, das sie hervorbringen und weitergeben.
(2003, 9f)
Aus den verschiedenen Definitionsansätzen lassen sich zwei weitere Aspekte von
Wissenskultur ableiten: Zum einen die epistemische Kultur, in der es vor allem um die
„Validierung von Wissen“ geht, wobei Wissenskultur „sich auch auf Werthaltungen u.Ä.
gegenüber Wissen und Information beziehen kann“ (Knorr-Cetina 2002b, 710).
Wissenskultur beinhaltet somit
diejenigen Praktiken, Mechanismen und Prinzipien, die, gebunden durch Verwandtschaft,
Notwendigkeit und historische Koinzidenz, in einem Wissensgebiet bestimmen, wie wir
wissen, was wir wissen. Wissenskulturen generieren und validieren Wissen. (KnorrCetina 2002a, 11)
Zum anderen wird Wissenskultur auf Alltagspraktiken bezogen. So schließt zum
Beispiel Jens Lüning anhand archäologisch geborgener Sachkultur auf die jeweilige
3
zeitgenössische Wissenskultur: „Wissen realisiert sich im Gebrauch. Es setzt sich um in
die Sachkultur einer Gesellschaft; in Form von Herstellungs- wie von Gebrauchswissen
haftet es an den Gegenständen einer Zivilisation.“ (2003, 23) Wissen selbst kann nach
Fried/Kailer generell als „verfügbare Erfahrung“ definiert werden, welche sich in
manchen Feldern als sehr dynamisch erweist, so z.B. Wissen als „aktualisierte
Erinnerung“, „soziale Ressource“, „Medium des gesellschaftlichen Wandels“ oder
„Antwort auf eine Krise“ (2003, 10-12).
Eine solche ‚Dynamik‘ lässt sich für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
feststellen, in der Wissen zu einem zentralen Faktor der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung geworden ist: „Die moderne Gesellschaft wurde bisher in
erster Linie von den sozialen Merkmalen Arbeit und Eigentum (Kapital) geprägt. […]
Das Vordringen des wissenschaftlich-technischen Wissens ist Anlaß dafür, unsere
Gesellschaft unter der Perspektive ihrer Wissensstruktur zu sehen.“ (Stehr/Meja 1997,
739) Dies veranlasst einige Theoretiker, von der modernen Gesellschaft als Wissensgesellschaft zu sprechen.4 Allerdings wird von anderer Seite darauf hingewiesen, dass
Wissen bisher in jeder Gesellschaftsform von Bedeutung war und es auch immer schon
‚Experten‘ wie bspw. Heilkundige und Baumeister gab.5 Martin Heidenreich erweitert
das Konzept der Wissensgesellschaft durch Abheben auf die Bedeutung von
Organisationen und stellt dies in den Kontext der Globalisierung:
[Sie] ist nicht in erster Linie eine Gesellschaft von Wissenschaftlern, Akademikern,
Forschern und Entwicklern, sondern eine Gesellschaft lernender, vielfach grenzüberschreitend tätiger Organisationen, die ihre eigenen Strukturen permanent auf den
Prüfstand stellen, um ihren Bestand in einer turbulenten Umwelt sicherzustellen. (2003,
40f)
Wissen durchdringt also alle Bereiche der Lebenswelt. Die Art und Weise der
Wissenszirkulation, speziell bei neuem Wissen, hat sich im ausgehenden 20.
Jahrhundert gewandelt, wie etwa Soziologen beobachten: „Wir leben in einer Epoche
politischer und gesellschaftlicher Umbrüche, neuer Medien und technischer Innovationen, wir erleben eine Epoche der Wissensrevolution.“ (Fried/Süßmann 2001, 7) Der
4
5
Vgl. z.B. Franz (2001, 5), Knorr-Cetina (2002a, 15) oder Stehr/Ericson (1992, 3-7), siehe auch Stehr
(1994). In diesem Zusammenhang wird stets die Arbeit von Daniel Bell, The Coming of the PostIndustrial Society: A Venture in Social Forecasting (1973) angeführt. „Wissen, so argumentiert Bell,
ist zu einer Produktivkraft geworden, die die klassischen wert- und wohlstandserzeugenden Faktoren
wie Kapital, Arbeit und natürliche Ressourcen der Tendenz nach ersetzt“ (Knorr-Cetina 2002a, 17).
So argumentiert z.B. Giddens in The Consequences of Modernity (1990), dass die moderne Gesellschaft über Expertensysteme „organisiert“ ist (zitiert in Knorr-Cetina 2002a, 16f). Dem widerspricht
Jens Lünings (2003) Artikel über Sachkultur, der beschreibt, dass es in jeder Gesellschaft stets
Spezialisten gegeben hat. Diese Diskussion greift ebenfalls der UNESCO Welt-Report zur Wissensgesellschaft auf vgl. Bindé 2005, 17f.
4
Bericht der UNESCO Towards Knowledge Societies konstatiert ebenfalls eine
Revolution aufgrund der Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien und ihres Einsatzes durch „providers of information, educational and
cultural contents, among which the media play an increasingly important part“ (Bindé
2005, 21). Angesichts solcher Entwicklungen – die besonders das Internet vorangetrieben hat – plädieren Gibbons et al. für die Annahme zweier Modi des (wissenschaftlichen) Wissens und der Wissenszirkulation. Modus 1 bezieht sich auf Wissen,
wie es traditionell in bestimmten disziplinären Kontexten generiert und von da verbreitet wird: „generated within a disciplinary, primarily cognitive, context“ (1994, 1).
Im zweiten Modus dagegen wird Wissen auf breiterer Basis geschaffen und zirkuliert:
„Mode 2 knowledge is created in broader, transdisciplinary social and economic
contexts.“ (Ibid.) Wissenschaftliches Wissen wird demnach laut Gibbons et al. nicht
mehr vorrangig in den Forschungsdisziplinen und -institutionen generiert, sondern
durchaus auch in der öffentlichen Arena, im Sinne einer Erweiterung von bestehendem
Wissen durch Zirkulation, Akkumulation und Diskussion. Die öffentliche Meinung kann
so auch stärker Forschung beeinflussen, durch öffentliche Sanktionierung oder
Ablehnung von Forschungsprojekten. In diesem Zusammenhang wurde zum Beispiel
seit Mitte des 20. Jahrhunderts von öffentlicher Seite vermehrt die Reglementierung von
Forschung durch den Regierungsapparat gefordert: „Many segments of civil society
want governments to enact measures aimed at satisfying their ideas or demands for the
future use of knowledge.“ (Stehr 2004, x) Die geforderten Reglementierungen
beinhalten u.a. eine zunehmende Reflexion von Wissen unter ethischen Aspekten, wobei
nicht (nur) die Produktion von Wissen kritisch hinterfragt wird, sondern vor allem der
Gebrauch von Wissen:
The concern that we know too much […] has been replaced by concerns about the
accumulation of novel knowledge that appears to have questionable social consequences.
In that sense, current concerns directed towards science represent a return to vigorous
social conflicts science has experienced in the past. (Ibid., xi)
Auch im bereits erwähnten UNESCO-Bericht wird eine Zunahme ethischer und
politischer Debatten im Bezug auf Wissensproduktion prognostiziert und als Konsequenz die Implementierung von weltweiten Standards im Bereich Forschung und
Entwicklung wie auch eine verbesserte Informationspolitik hin zur Öffentlichkeit
gefordert. Die steigende Präsenz von Wissenschaft und Technik im Alltag „points up the
importance of ethics committees, science education and successful public awareness5
raising campaigns, which depend on effective science and technology media coverage“
(Bindé 2005, 25 und Kapitel 7).6 Durch die ‚neuen Medien‘, allen voran das Internet,
zirkuliert neues und ‚altes‘ Wissen weitläufig in der Lebenswelt; es wird breit diskutiert
und auch bewertet.
Angesichts dieser Entwicklungen sind Wissen und gesellschaftliche Wissensbestände im ausgehenden 20. Jahrhundert ein aktuelles und expandierendes Forschungsfeld. So beschäftigte sich das DFG-Forschungskolleg „Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel“ (1999-2004) an der Universität Frankfurt mit diesem Thema. Zu
den Veröffentlichungen des Kollegs zählen die teilweise bereits angeführten Bände von
Fried/Kailer, Wissenskulturen: Beiträge zu einem forschungsstrategischen Konzept
(2003), Claus Zittel, Wissen und Soziale Konstruktion (2002), Carsten Kretschmann,
Wissenspopularisierung: Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel (2003) sowie
Fried/Stolleis, Wissenskulturen: Über die Erzeugung und Weitergabe von Wissen (2009).
Den Einfluss des Internets auf die Wissenskultur untersucht Daniela Pscheida in Das
Wikipedia Universum: Wie das Internet unsere Wissenskultur verändert (2010). Einen
diachronen Abriss über die Wissensgesellschaft von der Renaissance bis ins frühe 19.
Jahrhundert bietet der 2004 von Richard van Dülmen herausgegebene Band Macht des
Wissens: Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft. Mit Wissensethik aus einer
philosophischen Perspektive beschäftigt sich die Dissertation von Sanjaadorj MolorErdene, Wissensethik als Kulturethik: Erkenntnistheoretische und ethische Untersuchungen zur Philosophie der Wissenskulturen (2007).
Auch die Literatur zur Popularisierung von Wissenschaft und Wissen hat in den
letzten Jahren zugenommen.7 Neuere Dissertationen hierzu sind bspw. Daniela
Eichholz‘ Popularisierung von Wissenschaft in der Wissensgesellschaft (2010) und
Henning Schweers Popularisierung und Zirkulation von Wissen, Wissenschaft und
Technik in visuellen Medien (2010). Eine Dissertation, die populärwissenschaftliche
Zeitschriften analysiert, wurde 2007 von Christian Salzmann vorgelegt, Populäre
Wissenschaft? Analyse der Wissenschaftskommunikation in populärwissenschaftlichen
6
7
Der Begriff, unter dem die Bemühungen, die Wissenschaften der Öffentlichkeit näher zu bringen, subsumieren, ist Public Understanding of Science (PUS). Dieser ist in Großbritannien seit der Veröffentlichung des sogenannten Bodmer-Reports im Auftrag der Royal Society im Jahr 1985 geläufig (vgl.
<http://royalsociety.org/policy/publications/1985/public-understanding-science/> Zugriff 17.02.2015).
In den USA setzte diese Bewegung bereits verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg ein (vgl. Lewenstein
1992, 45). Seit 2009 formiert sich in den USA ein von der National Academy of Science gefördertes
Netzwerk mit dem Namen COPUS (Coalition on the Public Understanding of Science), welches wissenschaftliche sowie nicht-wissenschaftliche Institutionen und Organisationen für die Verbreitung von
wissenschaftlichem Wissen nutzen wollen (vgl. <http://www.copusproject.org/> Zugriff 17.02.2015).
Vgl. S. 21f dieser Arbeit.
6
Zeitschriften. Eine Möglichkeit, massenmedial verbreitetes Wissen zu untersuchen,
zeigt Clare Birchall in Knowledge Goes Pop: From Conspiracy Theories to Gossip
(2006) auf. Sie verfolgt dabei auch Karrieren von verfälschtem und nicht-legitimiertem
Wissen, welches häufig in der Form von Verschwörungstheorien und Klatschnachrichten durch die Medien ‚geistert‘. Wie diese Übersicht andeutet sind Wissenskulturen
nicht mehr nur Gegenstand vor allem sozialwissenschaftlicher Forschung, sondern auch
geistes- bzw. kulturwissenschaftlichen Interesses. So beobachten auch Nowotny/
Scott/Gibbons:
[W]e saw the humanities as the most engaged of all disciplines, not only simply because
they flow through into the culture industry (for example, through novels and popular
history), but because they comfortably (and inevitably) embody notions of reflexivity
which the natural, and even the social, sciences distrust. (2003, 188)8
In dem Maße, in dem auch wissenschaftliches Wissen breit in der Gesellschaft zirkuliert
und in zahlreichen Formen und Medien dargestellt wird, rückt es in die Aufmerksamkeit
der Kulturwissenschaften, die vor allem die gesellschaftliche Bedeutung dieses Wissens
kritisch hinterfragen. Hier situiert sich auch die vorliegende Arbeit, die eine der
populärsten Science Fiction-Reihen des ausgehenden 20. Jahrhunderts in den Blick
nimmt.
Das Genre der Science Fiction zeichnet sich dadurch aus, dass es
zeitgenössische Tendenzen und Strömungen in den Wissenschaften und der Gesellschaft
nicht nur aufgreift, sondern sie in Hinblick auf ihre soziale und ethische Relevanz
diskutiert und bewertet. Science Fiction „[spekuliert] definitionsgemäß über künftige
Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie, [und fungiert] somit sowohl als
Produzent wie als Archiv populärer (narrativ umgesetzter und personifizierter) Vorstellungen von Wissenschaft und wissenschaftlicher Tätigkeit“ (Frizzoni 2004, 24).9 Auf
diese Weise hält auch die Serie Star Trek: Voyager der Öffentlichkeit einen Spiegel vor
hinsichtlich des Umgangs mit und des Einsatzes von Wissen. Dabei konzentriert sich
die Star Trek-Reihe allgemein primär auf den Bezug von Wissen zur und seinen Einfluss
auf die Gesellschaft:
[Star Trek’s] pursuits focus on human behavior, on our untapped potential and our
inherent limitations. These explorations tell us as much about ourselves and our
assumptions as about what we discover. […] [F]inding out where the series has been
prescient in its predictions and where it has gone widely off the mark gives us interesting
clues about the way we think, about our lingering desire to have the bitter cups of difficult
8
9
Vgl. hierzu auch Gibbons et al. (1994, Kapitel 4).
Vgl. Kap. I.3.5.
7
decisions taken from us. The mirror that the show holds up forces us to examine areas
that are slippery and dangerous for scientists and nonscientists alike – ethics, religion,
gender prejudices, and reproductive taboos. (Andreadis 1998, xiii)
Eine philosophische Folie sieht Klaus Sachs-Hombach in der Star Trek-Serie, welcher
„das Verhältnis von Moralität und Affektivität“ zugrunde liege (2000, 157). Er stellt
somit das Element der Reflexion und Wertung der in der Serie präsentierten Diskurse
prominent in den Vordergrund. Auch Ingrid Weber konstatiert, dass Star Trek sich mit
bestimmten Serienthemen aktueller Debatten annimmt: „Viele der sozialen und
politischen Probleme, die während der Entstehungszeiträume der jeweiligen Serienteile
aktuell waren und zum Teil immer noch sind, finden ihren Niederschlag in den
Episoden“ (2000, 145). Dabei adaptiert Star Trek nicht ausschließlich wissenschaftliche
Themen, sondern rekurriert auf alle Bereiche des öffentlichen Diskurses:
Star Trek lebt vor allem vom Facettenreichtum der Themen, die in der Serie behandelt
werden. Vor dem Hintergrund einer optimistischen Grundstimmung in Bezug auf die Entwicklung der Menschheit werden immer wieder einzelne Probleme aus den Bereichen
Kultur, Politik, Wirtschaft und Technologie der zum jeweiligen Produktionszeitraum
aktuellen Wirklichkeit aufgegriffen und in der für Science Fiction charakteristischen
explorierenden Weise umgesetzt. (Ibid., 152)
Die Forschung zu Star Trek hat sich bereits mit Wissensthemen beschäftigt,
allerdings fokussieren die Analysen meist naturwissenschaftliches Wissen, wie z.B. in
den Aufsätzen der von Nina Rogotzki et al. herausgegebenen Bände Faszinierend! Star
Trek und die Wissenschaften (2003, 2 Bde). Auch Naturwissenschaftler setzen sich mit
der Realitätsnähe der in der Serie dargestellten Wissenschaften auseinander, wie z.B.
Laurence Krauss in The Physics of Star Trek (1996) oder Anthena Andreadis in To Seek
Out New Life: The Biology of Star Trek (1998). Weitere Publikationen, die das
Phänomen Star Trek in seiner Gesamtheit untersuchen, sind u.a. Penny Baillie-de Byls
Artificial Life Possibilities: A Star Trek Perspective (2006) und Diana Relkes Drones,
Clones and Alpha Babes: Retrofitting Star Trek’s Humanism, post 9/11 (2006). Beispiele
für Publikationen, die kulturelle und soziale Themen in Star Trek fokussieren, sind
David Grevens Gender and Sexuality in Star Trek: Allegories of Desire in the Television
Series and Films (2009), eine 2008 herausgegebene Aufsatzsammlung von Lincoln
Geraghty mit dem Titel Influence of Star Trek on Television, Film and Culture sowie die
Monographie von James Broderick, The Literary Galaxy of Star Trek: An Analysis of
References and Themes in the Television Series and Films (2006). Zudem sind in den
letzten Jahren mehrere Dissertationen im deutschsprachigen Raum erschienen, die sich
8
mit Star Trek auseinandersetzen: Christian Wenger (2006) untersucht die Fankultur, der
sich auch Ulf Brüdigam (2001) widmet, dabei aber vornehmlich Bildungsprozesse
erörtert. Andrea zur Nieden (2003) und Marcus Recht (2006) beschäftigen sich mit
Androiden und Cyborgs, während die Arbeiten von Uta Scheer (2002) und Thomas
Herrig (2011) Geschlechterkonfigurationen analysieren. Katja Kanzler (2004) diskutiert
die Darstellung einer multikulturellen Gesellschaft, vornehmlich in The Next
Generation. Uwe Meyer (2008) betrachtet Star Trek: Enterprise hinsichtlich der politischen Bezüge zur Realwelt. Veröffentlichte Dissertationen aus dem englischsprachigen
Raum zu Star Trek sind bspw. Robert Kozinets’ To Boldly Go: A Hypermodern Ethnography of Star Trek’s Fan Culture and Communities of Consumption (2008) und Mia
Lynn Consalvos The Best of Both Worlds? Examining Bodies, Technologies, Gender
and the Borg of Star Trek (2008).
Eine Studie zu Verhandlungen von Wissenskulturen in Star Trek liegt bisher
noch nicht vor. Die vorliegende Arbeit wird sich dieser Frage vor allem über die Genese
von Episodenthemen in Star Trek: Voyager nähern und erörtern, welche in öffentlichen
Medien thematisierten, aktuellen und gesellschaftsrelevanten Diskurse über Wissen in
der Serie aufgegriffen und in eine futuristische Szenerie extrapoliert wurden. Obwohl
die Star Trek-Serie als US-amerikanische Produktion primär die US-amerikanische
Wissenskultur reflektiert, waren die meisten der verhandelten Diskurse auch weltweit
relevant, wodurch sich die für einen internationalen Markt wichtigen Bedeutungsanschlüsse für nicht-amerikanische Rezipienten ergeben. Anlehnend an den Medienwissenschaftler Douglas Kellner wird im Folgenden davon ausgegangen, dass Mediendiskurse verstärkt solche Themen aufgreifen, die für die intendierten Publika relevant
und aktuell sind: „Media culture aims at a large audience, thus it must resonate to
current themes and concerns, and is highly topical providing hieroglyphics of
contemporary social life.“ (1995, 1) Dass Star Trek: Voyager aktuelle Wissensdiskurse
aufgreift, lässt sich also dadurch absichern, dass die in der Serie identifizierten
Wissensthemen auch in anderen zeitgenössischen Medien prominent verhandelt werden.
Für die Zwecke dieser Arbeit sind dabei vor allem populäre Zeitschriften aussagekräftig.
Dabei kann natürlich keine Aussage getroffen werden hinsichtlich der tatsächlichen
Rezeption eines Themas durch einzelne Rezipienten, da „[d]as [in den Medien]
gespeicherte und vermittelte Wissen [...] ‚nur‘ die potenzielle Ausgangsbasis, nicht
jedoch das individuell vorhandene und verfügbare Wissen [ist].“ (Kübler 2009, 117) Die
9
breite Verhandlung eines Themas in den Medien suggeriert jedoch, dass zumindest Teile
daraus in kollektive Wissensbestände Einzug finden.
Die Arbeit strukturiert ihr Thema folgendermaßen: Teil I entwickelt begriffliche
und methodische Grundlagen. Teil II stellt die Serie Star Trek: Voyager genauer vor und
betrachtet ihren übergreifenden Zugang zum Thema Wissen und Wissenskultur. Die verschiedenen Episoden thematisieren Wissen dabei nicht nur als Wert, sondern auch als
Risiko, letzteres vor allem im Zusammenhang mit der Spezies der Borg, die reine und
rücksichtslose Wissensakkumulierung betreiben. Gerade hier werden Fragen ethischen
Verhaltens relevant: Welches Wissen darf trotz hoher Risiken für eine Gesellschaft erschlossen werden? Abschnitt III beschäftigt sich speziell mit der Relevanz von
ethischen Richtlinien in naturwissenschaftlichen Bereichen und deren Darstellung in der
Voyager-Serie – ein klassisches Science Fiction-Thema, das jedoch aktuelle Forschung
extrapoliert aufbereitet und kritisch diskutiert. In Abschnitt IV wird die Repräsentation
von historischem Wissen in Star Trek: Voyager untersucht, da eine auffällige Häufung
von Episoden, die sich mit Geschichte beschäftigen, festzustellen ist. Hier wird eine
Diskussion über kulturelle Erinnerung und das kulturelle Gedächtnis aufgegriffen,
welche die letzte Dekade des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Es wird zu zeigen sein, dass
die Darstellung nicht nur auf historische Persönlichkeiten, Kriege oder die
Thematisierung der (heutigen) Gegenwart als Geschichte beschränkt ist, sondern vor
allem die in den 1990er Jahren aufkommende Debatte über die Notwendigkeit des
historischen Erinnerns aufgreift sowie die Relevanz von Geschichte für die Gegenwart
als eine ethische Dimension ausleuchtet.
10
I. Theoretische und methodische Grundlagen
Für die Ziele dieser Arbeit ist es zunächst grundlegend, ‚Wissen‘ genauer zu bestimmen
und zu kategorisieren (1.1). Als leitende Methode wird Reiner Kellers Forschungsprogramm der Wissenssoziologischen Diskursanalyse eingeführt, welches Aspekte
wissenssoziologischer Untersuchungen mit der Diskursanalyse kombiniert (1.2). Die
Diskursanalyse ermöglicht hierbei „Spielräume der Kreativität“ in der Herangehensweise sowie der Datensammlung, da sie „multi-methodisch“ angelegt ist und
„unterschiedliche Daten und Zugänge […] in Beziehung setzt“ (Keller 2005, 263). Dies
ist für die vorliegende Untersuchung ein geeigneter Ansatz, da Diskurse durch
Korrelation von Aussageereignissen in verschiedenen Medien bestimmt und zu den
Serienthemen von Star Trek: Voyager in Bezug gesetzt werden. Auf die wissenssoziologischen Überlegungen folgt ein Abriss zu Aspekten der Popularisierung von
Wissen(schaft) in Kapitel 2. Die speziell für die Analyse relevanten Medien – TV-Serie
und populäre Zeitschriften – werden in Kapitel 3 diskutiert. Schließlich werden die
wichtigsten Aspekte des Science Fiction-Genres als eines einschlägigen fiktionalen
Mediums der Popularisierung von Wissen skizziert.
1. Wissen und seine Konstitution
Der Mensch erfährt die Welt durch „kollektiv erzeugte symbolische Sinnsysteme oder
Wissensordnungen“, die Realität manifestieren und Sinn stiften; die Wissenssoziologie
untersucht dabei die „soziale Genese, Zirkulation und [...] Effekte von Wissen“ (Keller
2005, 19).10 Generell kann Wissen hinsichtlich seiner Typisierungen, Sedimentierungen
und Routinisierungen untersucht werden. Kübler identifiziert dabei zwei Herangehensweisen: „Konstruktivistische Ansätze definieren Wissen über soziale Anerkennung
und Rekonstruktion, funktionalistische [Ansätze] über kontextuelle Korrelationen wie
z. B. Handeln.“ (Kübler 2009, 116) Weitere Untersuchungsgegenstände sind die
Wissensproduktion, sprich die Epistemik, sowie die Selektion von Wissen, d.h. die
10
Für eine detaillierte ‚Geschichte‘ der Wissenssoziologie vgl. bspw. Keller (2005, Kap. 2), Knoblauch
(2005) und Kübler (2009, 97-118).
11
Frage welches Wissen archiviert und welches als redundant angesehen wird. Tradiert
wird Wissen gemeinhin durch Kommunikation: „Gesellschaftliche Wissensvorräte
werden in Kommunikationsprozessen verschiedenster Art auf unterschiedlichen Ebenen
aufgebaut, aufrechterhalten, verändert und weitergegeben.“ (Keller 2005, 70) Dabei
lassen sich unter dem Begriff ‚Wissen‘ mehrere Einzelbereiche subsumieren:
elaborierte gesellschaftliche Ideensysteme wie Religion oder politische Weltanschauungen, naturwissenschaftliche Faktizitätsbestimmungen, implizites, inkorporiertes
Können, alltägliche Klassifikationsschemata […] Glaubensvorstellungen, Körperpraktiken, Routinen alltäglicher Lebensführung. (Ibid., 19)
Auch Kübler konstatiert: „Wissen [lässt sich] generell kaum mehr normativ fassen […]
vielmehr akzeptiert man verschiedene Formen, Qualitäten und Funktionalitäten von
Wissen.“ (2009, 115) In einer einflussreichen Studie im Bereich der Wissenssoziologie,
Berger und Luckmanns Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (1969), wird
Wissen im Bezug auf Wirklichkeitskonstruktion definiert „als die Gewißheit, daß
Phänomene wirklich sind und bestimmbare Eigenschaften haben“ ([1969] 2001, 1).
Ähnlich ist dies bei McCarthy formuliert: „knowledge refers to any and every set of
ideas accepted by one or another social group or society of people, ideas pertaining to
what they accept as real“ (1996, 2). Diese Definitionen von Wissen verdeutlichen, dass
die eingangs angeführten Behauptungen, erst die moderne Gesellschaft sei eine
Wissensgesellschaft, nicht haltbar sind. Wissen ist von grundsätzlicher anthropologischer Bedeutung, da es dem Individuum hilft, sich und seine Lebenswelt zu definieren
und dadurch Sinn zu stiften. Die Wissensformen, welche der Mensch im Alltag benötigt
und welche die Identität konstituieren sowie der Realitätsstiftung dienen, sind „Objektivationen subjektiv sinnvoller Vorgänge, aus denen die intersubjektive Welt entsteht“
(Berger/Luckmann 2001, 22). Diese Objektivationen werden durch – vornehmlich
sprachliche – Zeichen vermittelt (vgl. ibid., 24),11 in denen sich „[d]as menschliche
Ausdrucksvermögen […] in Erzeugnissen menschlicher Tätigkeiten [manifestiert]“ und
somit Realität stiftet (ibid., 36). Die Welt wird geordnet durch symbolische
Repräsentation von objektiviertem Wissen sowie die dadurch möglichen Lernprozesse.
Laut Fried/Süßmann wird in den durch Lernprozesse generierten ‚Erfahrungen‘ Wissen
„gesammelt und symbolisiert, weitergegeben und erinnert, verwertet, verfeinert und
11
Zur Legitmation, d.h. Sinnstiftung, durch Objektivation vgl. Berger/Luckmann (2001, 98f).
12
systematisiert“ (2001, 9).12 Ausgehend von vorhandenem Wissen bzw. Wissenslücken
kann neues Wissen generiert werden (vgl. ibid., 9f).
In Bezug auf Wissenserzeugung und -tradierung ist der Aspekt der Kommunikation, den auch Berger/Luckmann betonen, von zentraler Bedeutung. Denken und
Wissen wird durch die Intersubjektivität der Alltagswelt und der Interaktion mit
Anderen beeinflusst (vgl. Berger/Luckmann 2001, 26). Eine rege Kommunikation führt
zu einer (quantitativen) Zunahme von Wissensbeständen, welche durch das reziproke
Verhältnis von Wissen und Gesellschaft weiter befördert wird. Dies bedingt
gesellschaftlichen Wandel, der wiederum den Wissensbestand der Gesellschaft beeinflusst durch „Bevölkerungsverluste ebenso wie durch Bevölkerungswachstum, durch
Migration, Begegnung und Abgrenzung, durch technische Innovation oder politische
Katastrophen, vor allem durch das wechselnde Licht gesellschaftlicher Wertideen“
(Fried/Süßmann 2001, 10). Aufgrund des beschleunigten gesellschaftlichen Wandels im
ausgehenden 20. Jahrhundert ist Wissen teilweise nur noch von kurzer Relevanz und
steigt zudem noch exponentiell an (vgl. ibid., 7). Die Zunahme von Wissen kann aber
auch darin begründet liegen, dass Medien Wissen als Unterhaltungsgegenstand entdeckt
haben und somit Wissen verschiedenster Art in der Öffentlichkeit breit zirkuliert:
Eine besondere Art der Instrumentierung und Kommerzialisierung erfährt Wissen durch
die Medien, die es einerseits verbreiten, andererseits – etwa in den vielen Quiz- und
Wissensgenres – als Publikumsmagneten auf ihre Formate, Interessen und Niveaus hin
ausrichten. (Kübler 2009, 115)
Aus diesem Grund fordert Reiner Keller den systematischen Einbezug von Medien in
die Untersuchung von Wissenskontingenten:
Angesichts der enormen Bedeutung von audiovisuellen Medienformaten und -inhalten
(Fernsehen, Film, Fotografie, Comics, Werbung) werden sich wissenssoziologische
Diskursanalysen zukünftig stärker mit der Analyse und Interpretation solcher Daten
befassen müssen. (Keller 2005, 271; meine Hervorhebung)
Für die Analyse von Wissenskontingenten ist es zunächst notwendig Wissen zu
definieren, um somit Wissens-Kategorien zu bestimmen. Die für die vorliegende
Untersuchung als Grundlage dienenden Kategorien werden im Folgenden vorgestellt.
12
Vgl. dazu bspw. auch Fried/Kailer, die Erfahrung u.a. als „aktualisierte Erinnerung“ definieren (2003,
11).
13
1.1 Wissenskategorien nach Hans-Dieter Kübler
Die Kategorisierung von Wissen kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, wobei häufig
funktionalistische Ansätze gewählt werden. Zeitgenössische wissenssoziologische
Abhandlungen
beziehen
sich
dabei
stets
auf
die
ersten
Theoretiker
der
Wissenssoziologie – Max Scheler,13 Alfred Schütz sowie Peter Berger und Thomas
Luckmann – und übernehmen deren grundlegende Definitionen des Wissensbegriffs und
der Wissenskategorien.14 Zentral sind dabei die Ansätze von Schütz (Strukturen der
Lebenswelt, 1979) und Berger/Luckmann, welche zeigen, dass Wissen in Hinblick auf
seine Relevanz für die Lebenswelt und Alltagswelt kategorisiert werden kann. Die von
Berger/Luckmann fokussierten Eckpunkte der Wissenstheorie, Jedermanns- bzw.
Alltagswissen und Spezialwissen, dominieren auch in neueren Abhandlungen. Trotz
Berger/Luckmanns Einflusses auf nachfolgende Theorien wurde die Untersuchung von
Alltagswissen und dessen Bedeutung für die Lebenswelt jedoch nicht konsequent
weitergeführt, wie Hans-Dieter Kübler in seiner Monographie Mythos Wissensgesellschaft beschreibt (vgl. 2009, 105). Kübler kritisiert zudem, dass in der
Wissenssoziologie häufig der Standpunkt vertreten wird, dass Alltags- oder Jedermannswissen generell nützlich sei,15 da es der Lösung von Problemen dient, wohingegen
Kübler auch ‚unnützes‘ Wissen als bedeutende Kategorie ausmacht (vgl. 111f).16 Dieses
‚unnütze‘ Wissen wird aus Interesse angeeignet, es dient also nicht zur Problemlösung,
ist für die Identitätsbildung des Individuums jedoch äußerst relevant (vgl. 133). Ebenso
werden die Facetten zwischen Spezial- und Alltagswissen kaum beleuchtet und nur vage
definiert. Aufgrund dieses Desiderats stellt Kübler selbst differenziertere Wissenskategorien auf, die er mit Elementen der bisherigen Theoretiker unterfüttert. Des
Weiteren legt er seine Kategorien nach einem, wie er sagt, „neuen Relevanzfokus“ an,
der in den letzten Jahren durch „veränderte Konstitutions- und Kontextbedingungen“
forciert wurde, welche in der „verstärkten Aufmerksamkeit und Erwartung für
13
14
15
16
Max Scheler war der Erste, der sich dieser Forschungsdisziplin widmete und sich in Die Wissensformen und die Gesellschaft (1926) mit dem Wissensbegriff befasste.
Zur Kritik an der zu allgemeinen und diffusen Definition von Wissen in neueren Studien aus dem
Bereich der Wissenssoziologie vgl. Kübler (2009, 89 sowie 97). Diese neueren Abhandlungen sowie
der amerikanische Zweig der Wissenssoziologie werden in dieser Darstellung vernachlässigt, da
Wissen darin nicht explizit definiert wird, sondern primär Gesellschaftsanalysen vorgenommen
werden.
Dies beschreiben schon Schütz und Berger/Luckmann. Als neueres Beispiel führt Kübler Nico Stehr
und seine Kategorien (Deutungswissen, Produktivwissen, Handlungswissen) an, die auf die ökonomische Bedeutung von Wissen zielen (vgl. Kübler 2009, 112).
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich alle folgenden Seitenzahlen in diesem Unterkapitel auf
Kübler (2009).
14
Innovation und Bildung, aber auch [in] der medialen Popularisierung von Wissen“
begründet sind (130).
Die erste seiner Kategorien ist das Erkenntniswissen, das generiert wird, um die
Lebenswelt zu erforschen und zu erklären (vgl. 131). Als Beispiel für das „enzyklopädische Streben“ und dessen ‚Renaissance‘ führt er die Internetenzyklopädie
Wikipedia an, in der auch ‚Laien‘ ihr Wissen archivieren können (vgl. 132). Kübler
charakterisiert dieses „lexikalische Wissen“ als „demokratisiert, relativiert, arbeitsteilig
[…] beliebig, unvollständig, zeitabhängig, individuell“ (ibid.). Zu beachten ist, dass bei
dieser Form der Archivierung oder Dokumentation auch ‚unnützes‘ Wissen tradiert
wird. Dies ist in der fast nahtlos angeschlossenen Kategorie des professionellen,
fachlichen Wissens nicht der Fall, da es primär dazu befähigt, den Beruf auszuüben. Es
handelt sich also um „professionelle Kompetenz“, die im Laufe der Zeit durch
Erfahrung „großenteils in Routinen sedimentiert“ wird (vgl. 134f).
Die dritte Kategorie ist kulturelles Wissen oder Bildung, welches im Laufe des
Lebens im sekundären Sozialisationsprozess und „insbesondere durch diverse Medien“
angeeignet wird:
Individuen [erwerben] unzählige Kenntnisse, Vorlieben und Urteilskriterien für und über
ihre – im weitesten Sinne – Kultur […]. Vorzugsweise ist es mittels Symbolen kodiert,
also abstraktes Wissen, aber es beinhaltet auch viele aktionale Komponenten, die
Menschen in ihrer Lebensgestaltung ausüben. (137)
Dieses Wissen enthält einerseits eine gesamtgesellschaftliche, ‚universelle‘ Komponente, die mit Begriffen „wie das kulturelle Erbe oder das kulturelle Gedächtnis
geschmückt“ wird (ibid.). Andererseits enthält es Komponenten, die dem Habitus bzw.
dem sozialen Milieu geschuldet sind. Laut Kübler hat sich der Rahmen des klassischen
„bildungsbürgerliche[n] Wissens“ verändert, es bezieht sich
weniger auf anerkannte Wissensbestände als auf hochgeschätzte, wertbezogene
Eigenschaften wie Toleranz, Mündigkeit, Neugier und auf allgemeine, auch als universell
erachtete Fähigkeiten wie kulturelle Teilhabe, Problemlösung, Teamfähigkeit, Empathie
und soziale Kompetenz. (138)
Aufgrund der „ökonomischen Nützlichkeit und Zweckrationalität“ (ibid.) kann der
Relevanzfaktor von Wissen durch einen hohen Verteilungsgrad zunehmen. Neben
diesem kollektiven Aspekt kulturellen Wissens lässt sich auch ein subjektiver darstellen,
denn jedes Individuum „verarbeitet und repräsentiert sein ganz persönliches kulturelles
Wissen, seine eigene Bildung, eben als Mitglied aber auch als Träger einer kulturellen
Entität“ (ibid.). Im subjektiven kulturellen Wissensvorrat eignet sich das Individuum
15
auch ‚unnützes‘ Wissen an, das, wie bereits erwähnt, zur Identitätsbildung jedoch
relevant ist. Geprägt wird der subjektive Wissensvorrat vor allem durch zeitliche und
soziale Umstände. Das kulturelle Wissen eines Individuums ist also eine Vermischung
aus kollektiv verbreiteten und subjektiv ausgewählten Wissensbeständen. Kübler räumt
allerdings ein, dass seine weit gefasste Definition von kulturellem Wissen eine scharfe
Abgrenzung zu anderen Typisierungen erschwert. Als eine mögliche Trennlinie schlägt
Kübler den Aspekt der Funktionalisierung vor, denn kulturelles Wissen ist „am
wenigsten funktionalisierbar […] oder [vereinigt] eben die meisten funktionalen
Optionen pluralistisch auf sich.“ (139)
Die vierte Kategorie, Alltagswissen, hat viele Überschneidungspunkte mit dem
kulturellen Wissen, was in Küblers Definition von ‚Alltag‘ begründet ist. Diesen
definiert er als „die umfassende kulturelle Praxis des Individuums“ (ibid.). Darunter
fallen Fähigkeiten, die hauptsächlich primär-sozialisiert und routinisiert sind sowie
geprägt durch sozio-kulturelle Kontexte; dies schließt auch operative Fähigkeiten,
sowohl physische ebenso wie kognitive, ein (vgl. 141).17 Dieses Wissen ist zudem
hochgradig medial geprägt:
Über die Medien selbst, ihre Genres und Formate, ihre Events und Stars, ihre Sensationen
und Histörchen besitzen die Menschen offensichtlich ein immenses Wissen, sicherlich
nebenbei erworben, auch flüchtig und assoziativ, aber gewiss nicht weniger prägend als
das schulische oder kulturell anerkannte Wissen. (Ibid.)
Kübler erwähnt hierbei aber auch die Leistung von Medien, „Formen des überkommenen, aber verstaubten Bildungs- und Faktenwissens durch ihre vielfältigen Quizund Rateangebote immer wieder zu neuem Leben [zu erwecken]“ (ibid.). Hier ergibt
sich eine Schnittstelle zum Bildungswissen, auch hinsichtlich des Erlangens von
Medienkompetenz während der sekundären Sozialisation (vgl. ibid.). Trotz seiner recht
hohen Funktionalität für das tägliche Leben, wird diese jedoch „kaum bewusst und
bleibt daher eher latent“ (ibid.).
Die fünfte Kategorie beinhaltet natürlich-intuitives Wissen und betrifft die
körperlichen und mentalen Bereiche des Individuums.18 Es wird zwar erlernt wie das
Alltagswissen, jedoch ist die Ausführung „noch unbewusster und noch intuitiver“ (142).
In einer finalen Kategorie listet Kübler darüber hinaus „[w]eitere erforderliche
Differenzierungen und Prägungen von Wissen“ (143) auf. Hierunter fallen bspw.
17
18
Alfred Schütz subsumiert dieses Wissen unter der Kategorie ‚Gebrauchswissen‘ (vgl. Schütz/
Luckmann 2003, 157f).
Bei Schütz zählt dieses Wissen des „gewohnheitsmäßigen Funktionierens des Körpers“ zur Wissenskategorie ‚Fertigkeiten‘ (vgl. Schütz/Luckmann 2003, 156).
16
dokumentiertes bzw. nicht-dokumentiertes Wissen, publiziertes bzw. nicht-publiziertes
Wissen oder auch wissenschaftliche Abhandlungen. Des Weiteren erwähnt er bildliche
Darstellungen, vor allem Film und Fernsehen. Diese Massenmedien bieten die größte
Wissenstradierung, wobei Wissen in popularisierter Form dargestellt wird (vgl. 145).
Laut Kübler ergäbe sich somit auch hier eine Schnittstelle mit dem Bildungswissen:
Unter einem möglichst weiten Bildungsbegriff lässt sich einem Großteil der Medien- und
Programminhalte Wissens- und Bildungspotenzial zuschreiben, eben weil die Medien,
ihre Formate bzw. Produkte, Themen und Figuren selbst zum kuranten Wissensreservoir
zählen, mindestens zum aktuellen, großenteils auch zum kulturellen und sozialen, und
weil Menschen eigentlich nie nicht lernen (können). (Ibid.)
Diese „populären Medien(wissens)inhalte“, so Kübler, werden in der Forschung
vernachlässigt, da ein empirischer Nachweis schwer möglich ist (146). Die vorliegende
Untersuchung will aber genau einen Aspekt dieser bisher noch wenig erforschten
populären Medien(wissens)inhalte untersuchen.
Diese von Kübler aufgestellten Wissenskategorien sind bei der Differenzierung
von Wissensthemen und -bereichen nützlich. Jedoch trägt die Identifikation eines
Wissensbestands in sich aber noch keine Aussage über Nutzung, Speicherung und
Weitergabe in einer Gesellschaft. Somit wird ein weiterer Zugang benötigt, der sich mit
Prozessen von Wissensbildung und -zirkulation auseinandersetzt.
1.2 Reiner Kellers Konzept der Wissenssoziologischen Diskursanalyse
In den 1980er Jahren erlebte die Wissenssoziologie eine Hinwendung zur Erforschung
von Prozessen, die gesellschaftliche Ordnung konstituieren, welche Reiner Keller in
Anlehnung an Hubert Knoblauch als „kommunikative Wende“ deklariert (vgl. Keller
2005, 58).19 Innerhalb dieser Wende wird ein cultural turn der Wissenssoziologie
konstatiert, der nun die „Frage nach der sozialen Determination des Wissens mit
Theorien der kulturellen Konstitution der menschlichen Erfahrung zusammenbringt“
(60). Dies geht einher mit einer Hinwendung zur Untersuchung der (sozialen) Akteure
und deren Deutungsprozesse. Keller verknüpft also den Akteursfokus aus der älteren
Wissenssoziologie mit der Untersuchung von Strukturzusammenhängen aus der
Diskursanalyse.
Keller weist explizit darauf hin, dass es sich bei der Wissenssoziologischen
Diskursanalyse „nicht um eine Methode [handelt], sondern um ein sozialwissen19
Sofern nicht anders angegeben beziehen sich alle folgenden Seitenangaben in diesem Unterkapitel auf
Keller (2005).
17
schaftliches Forschungsprogramm zu spezifisch fokussierten Untersuchungen der
‚Objektivität der Ordnungen und ihrer kommunikativen Konstruktion‘ in Diskursen“
(188). Ziel eines solchen Forschungsprogramms ist die Rekonstruktion von „Prozessen
der sozialen Konstruktion, Zirkulation und Vermittlung von Deutungs- und Handlungsweisen auf der Ebene von institutionellen Feldern, Organisationen, sozialen Kollektiven
und Akteuren“ (ibid.). Symbolische und soziale Ordnungen werden auf Konventionen
und Strukturen, den Bezug auf „institutionell stabilisierte Regeln der Deutungspraxis“
(ibid.) sowie den Einfluss der Akteure auf den Deutungsprozess hin analysiert. Weitere
Aspekte sind „Objektivierungen und Konsequenzen von Diskursen in Gestalt von Artefakten, sozialen Praktiken, Kommunikationsprozessen und Subjektpositionen“ (ibid.).
Generell gefasst untersucht die Wissenssoziologische Diskursanalyse
die Produktion und Transformation gesellschaftlicher Wissensverhältnisse durch Wissenspolitiken, d.h. diskursiv strukturierte Bestrebungen sozialer Akteure, die Legitimität und
Anerkennung ihrer Weltdeutungen als Faktizität durchzusetzen. Sie begreift damit
sozialen Wandel nicht nur als sozialstrukturellen Prozess, sondern als Verschiebung von
Wissensregimen. (Ibid.)
Reiner Keller will besonders der Prozesshaftigkeit näher kommen, vor allem im Bezug
auf die Mechanismen der Wissenszirkulation. Somit sieht Keller die Diskursanalyse u.a.
als Möglichkeit zur Erschließung der Tradierung von Spezialwissen, welches bisher in
Bezug auf die Konstitution von Wirklichkeit und den Einfluss auf kollektive
Wissensbestände noch nicht einbezogen worden ist (vgl. 178). Keller identifiziert des
Weiteren ein Desiderat bei Studien im populärmedialen Bereich. Er erkennt Potential
für die Untersuchung von „Formen und Folgen der modernen massenmedialen
Vergesellschaftung“ und inwieweit Wirklichkeit in den Massenmedien tradiert wird
(318). Ihn interessieren dabei sowohl die jeweiligen Produktionsbedingungen und
Vermittlungsressourcen als auch die Rolle der Akteure und ihr Rezeptionsverhalten. Die
Erforschung von Wissenszirkulation verläuft dabei auf mehreren Ebenen,20 wodurch
sich die ‚Karriere‘ eines Diskurses beschreiben lässt.
Der Begriff Diskurs wird von Keller in Anlehnung an Foucault definiert als ein
„Komplex von Aussageereignissen und darin eingelassenen Praktiken, die über einen
rekonstruierbaren Strukturzusammenhang miteinander verbunden sind und spezifische
Wissensordnungen der Realität prozessieren“ (230). Diskurse sind dabei durch ihre
20
Die Untersuchung beginnt in der Regel bei der Produktion eines Diskurses, danach werden dessen
Struktur, Akteure und Verhandlungsräume sowie eventuelle Veränderungen eines bestehenden
Diskurses aufgrund externer Ereignisse identifiziert.
18
relative Stabilität gekennzeichnet, so dass sich an ihnen Bedeutungsverhandlungen einer
Zeit und einer Gesellschaft ablesen lassen (vgl. 231).
Die Bausteine eines Diskurses – die Begriffe, Theorien, Deutungsmuster, Klassifikationen usw., die er transportiert – erhalten ihren Sinngehalt aus dem Relationsgefüge, das
durch ihren Gebrauch erzeugt und reproduziert wird, und in das sie unweigerlich
eingebunden sind. (191)
Ein Diskurs setzt sich also zusammen aus verschiedenen Aussageereignissen, wobei
diese wiederum selbst auf Diskurse angewiesen sind, da sie ohne diese „nicht
verstanden, typisiert und interpretiert“ werden können (201). Ein neuer Diskurs entsteht
analog zu neuem Wissen, d.h. durch ein Ereignis, welches bspw. das alltägliche Leben
und sein Gefüge stört, wodurch bestehendes Routinewissen und Typisierungen auf die
neue Situation nicht mehr anwendbar sind und somit ein neuer Deutungsansatz
gebraucht wird. Ein Diskurs bildet sich also aufgrund „Irritationserfahrungen auf der
Ebene kollektiver Wissensvorräte bzw. symbolischer Ordnungen“, wodurch neue
Deutungsmuster erschaffen werden, die „damit in Konkurrenz und Herausforderung zu
den etablierten Diskursformationen treten“ (285).
Den ‚Auslöser‘ für die Aktualisierung eines vorhandenen Diskurses bezeichnet
Keller als „diskursive[s] Ereignis“, welches eine Veränderung der „Diskursstruktur“ zur
Folge hat (ibid.). Strukturell ist ein Diskurs in zwei Bereiche teilbar: eine „Binnenstruktur“, jene Zeichen, die zur Deutung des Diskurses beitragen sowie den externen
Bezug, der den Diskurs von anderen Themen abgrenzt (vgl. 191). Dabei kann das
gleiche ‚Zeichen‘ in verschiedenen Diskursräumen unterschiedliche Auslegungen haben
(vgl. ibid.). Sprache erfährt dabei nur im Kontext des „sozialen Diskursuniversums“
Bedeutung, denn hier wird „Kodierung und Dekodierung reguliert“ (193). Die
Typisierungen der Zeichen finden ihren Weg in den kollektiven Wissensvorrat und
werden innerhalb des primären und sekundären Sozialisationsprozesses tradiert (vgl.
196). Die Tradierung findet dann mittels verschiedener Datenwege statt: als Beispiel
führt Keller „Diskussionsveranstaltungen, Massenmedien“ aber auch „Ratgeberliteratur,
Gesetzestexte und sonstige Regelwerke“ an (259). Der Prozess der Wissenskommunikation findet also „in mehr oder weniger regulierten und anonymisierten“ Kontexten statt (ibid.).
Die Definition für ‚diskursive Praktiken‘ leitet Keller ebenfalls von Foucault ab,
diese sind eine „Sonderform von Praktiken, welche der Produktion und Zirkulation von
Diskursen zugrunde liegen“ (219). Ausgehend von Positionen der Soziologie definiert
19
Keller diskursive Praktiken als „beobachtbare und beschreibbare typische Handlungsweisen der Kommunikation, deren Ausführung als konkrete Handlung […] der interpretativen Kompetenz sozialer Akteure bedarf und von letzteren aktiv gestaltet wird“
(223). Eine Ballung von Diskursen, „die nach denselben Formationsregeln gebildet
werden, bilden zusammen eine von anderen abgrenzbare diskursive Formation.“ (224)
Diese kann explizit definiert und wiederum in Subformationen untergliedert werden.
Mehrere diskursive Formationen bilden eine sogenannte Diskurskonfiguration, die für
einen spezifischen Zeitraum untersucht werden kann. Beispiele für Diskursformationen
einer Makroebene sind Diskurse über Politik, Ökologie oder Literatur, wobei sich etwa
der Diskurs ‚Politik‘ auf der Mikroebene in Subformationen wie ‚Parteien‘, ‚Politiker‘
und ‚Wahlrecht‘ einteilen ließe.
Die Makroebene kann weiterhin in Spezialdiskurse und öffentliche Diskurse
unterteilt werden. Ein Spezialdiskurs wird definiert als „Diskurs innerhalb von gesellschaftlichen Teilöffentlichkeiten, z.B. wissenschaftlichen Kontexten“ (230). Öffentlicher Diskurs wird von Keller definiert als ein „Diskurs mit allgemeiner Publikumsorientierung in der massenmedial vermittelten Öffentlichkeit“ (ibid.). Die Wissenssoziologische Diskursanalyse will beide Bereiche „im Hinblick auf ihre Träger, auf
übereinstimmende oder unterschiedliche Formationsregeln und inhaltliche Positionierungen sowie deren Effekte“ erforschen (225). Thematisch geht es in öffentlichen
Diskursen um „politisch-argumentative Auseinandersetzungen über gesellschaftliche
Problemfelder, an denen sich, vermittelt über die Massenmedien und diverse andere
öffentliche Arenen die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit beteiligt.“ (Ibid.) Bedingt
durch den öffentlichen Rahmen, haben diese Diskurse gegenüber institutionellorganisatorischen „eine diffusere Sprecherstruktur und andere Regeln der Formulierung
legitimer Inhalte, die den Funktionslogiken der Massenmedien folgen“ (259). Dennoch
lassen sich auch für den öffentlichen Diskurs Strukturen beschreiben, die bestimmten
Regeln unterliegen und sich bestimmter Ressourcen bedienen:
[Sie] bestehen […] aus unabhängigen Aussageereignissen, die an verschiedensten Orten
und zu unterschiedlichsten Zeiten erscheinen, typisierbare Regeln aufweisen und – wenn
auch nicht als unmittelbare Interaktion unter Bedingung der Kopräsenz – als Aushandlungsprozesse […] begriffen werden können. (227)
Diskurse mit globaler Relevanz wie Atomenergie und Nuklearwaffen sowie Gentechnologie oder Umweltverschmutzung werden weltweit in den Medien verhandelt, wobei
diese Verhandlungen nicht zwangsläufig gleichzeitig stattfinden, sondern sich meist am
20
Stand der Wissenschaften einer Nation orientieren. Eine gleichzeitige Verhandlung eines
globalen Themas ist daher meist mit einem Anlass, d.h. einem ‚diskursiven Ereignis‘,
verknüpft: bspw. einem Atomunfall, der Havarie eines Tankers oder der Erschaffung
eines Klonschafs. Ein solches Ereignis, welches weitreichende Folgen für die Lebenswelt hat, verändert entsprechend die Diskursstruktur. Die (sozialen) Akteure21 greifen
mittels Wissenspolitiken ein, um ihren jeweiligen Standpunkt im Diskurs durchzusetzen. Die Aktualisierung eines Diskurses durch öffentliche Aushandlungsprozesse
kann unter Umständen, aufgrund der Produktion neuer Deutungsanschlüsse, zur
Verschiebung von etablierten Wissensregimen – d.h. von dem, was als ‚wahr‘ erachtet
wird – führen.
Kellers Innovation in der Verbindung von wissenssoziologischen Aspekten mit
der Diskursanalyse liegt vor allem in dem Relationsgefüge von handelnden Akteuren in
diskursiven Strukturen, welches für die vorliegende Untersuchung ein fruchtbares
Modell ist. Im Prinzip beschreibt der Prozess der Einflussnahme von Akteuren auf eine
Diskursstruktur auch den Prozess der Popularisierung und somit die „Konstitution
populären Wissens“:
[Populäres Wissen] wird bestimmt durch Aushandlungsprozesse, in denen unterschiedlich
sozialisierte Akteure mit je konkreten Vorannahmen, Interessen und Geltungsansprüchen
agieren und bestimmte Aufzeichnungs- und Darstellungspraktiken nutzen, um Wissen in
differierenden Verwendungskontexten zu präsentieren bzw. an ein heterogenes Publikum
mit je eigenen Erwartungen zu kommunizieren. (Boden/Müller 2009, 14)
Da diese Ansicht nicht dem ‚klassischen‘ linearen Popularisierungsverlauf vom
Experten zum Laien entspricht, soll ein kurzer Abriss zu Entstehung und Gegenstand
der Wissen(schaft)spopularisierung diese „Aushandlungsprozesse“ von Akteuren eines
Diskurses näher beleuchten, die einhergeht mit der Zunahme des Medienangebots seit
Mitte des 20. Jahrhunderts.
2. Wissen(schaft)spopularisierung und populäres Wissen
Eine erste Blütezeit erlebte die Popularisierung von Wissenschaft im 19. Jahrhundert
mit dem Aufkommen des Bildungsbürgertums. Wissen(schaft)spopularisierung war eine
Reaktion auf die gestiegene Nachfrage an Wissen über revolutionäre neue Techno21
Akteure für die genannten Ereignisbeispiele sind Organisationen und Institutionen wie Greenpeace,
Regierungen, Forschungseinrichtungen oder die Atomlobby sowie allen voran die Medien.
21
logien, die plötzlich den Alltag eroberten, aber auch nach den Wissenschaften generell.
„Populärwissenschaft ist ein Phänomen des 19. Jahrhunderts, anders gesagt: ein Produkt
des bürgerlichen Zeitalters.“ (Brecht/Orland 1999, 5) Zwei Studien, die sich mit diesem
Phänomen im Europa des 19. Jahrhunderts dezidiert beschäftigen, sind Angela Schwarz’
Der Schlüssel zur modernen Welt (1999) sowie Andreas Daums Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert (1998).22 Schwarz begründet in ihrer Monographie den
Durst nach Wissen mit der veränderten Alltagssituation im 19. Jahrhundert: Aufgrund
neuer Gegebenheiten, die auch die Gesellschaft radikal veränderten, suchten die Menschen nach Informationen zur Alltagsbewältigung in für Laien geschriebenen wissenschaftlichen Darstellungen. Carsten Kretschmann verweist auf die jüngste Forschung, in
der die These aufgestellt wird, dass „gesellschaftliche Krisensituationen die Nachfrage
nach popularisiertem Wissen erhöhen“ (2003, 14). Eine gesellschaftliche ‚Krise‘ kann
im Sinne Kellers als diskursives Ereignis charakterisiert werden,23 welches zu einer
Veränderung der Diskursstruktur mittels Popularisierung führt und somit das im Diskurs
enthaltene Wissen tangiert:
In [Momenten des beschleunigten sozialen Wandels] erfüllt die Wissenspopularisierung
ein existentielles Bedürfnis, indem sie Lösungen auf ungeklärte Fragen, Expertisen für
komplexe Situationen, kurz: Routine in gesellschaftlichen Krisen verspricht. (Ibid.)
Ebenso ist der Anstieg von wissenschaftlichem Wissen selbst ein Faktor, der Wissensdurst beeinflusst, denn durch mehr Wissen wird deutlich, was nicht gewusst wird, d.h.
es wird versucht, Wissenslücken zu schließen.
Als weiteren Grund für das Bedürfnis nach popularisiertem Wissen nennt Angela
Schwarz das Motiv der Neugier, „jene[r] anthropologische[n] Grundkonstante, die unter
anderem der Popularisierung von Wissenschaft und Technik am Ende des 20. Jahrhunderts noch ein so reges Interesse beschert“ (1999, 94).24 Als Voraussetzungen zur
Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert nennt Schwarz des Weiteren die
Dezimierung des Analphabetismus und die dadurch stetig ansteigende Leserschaft,
welche den Aufstieg des Printmediums zu einem Massenmedium beförderte (vgl. ibid.,
91).25 Brecht/Orland erwähnen in diesem Zusammenhang zusätzlich die Popularität
22
23
24
25
Die Wissenschaftspopularisierung hat in den vergangen Jahren viel Aufmerksamkeit erlangt und ist zu
einem breiten Forschungsfeld avanciert, weshalb eine ausführliche Diskussion an dieser Stelle zu weit
führen würde. Zur weiterführenden Lektüre vgl. bspw. Ash (2002), Blaseio (2005), Hüppauf (2005),
Krysmanski (2001), Paletschek/Tanner (2008), Russell (2010) oder Wolfschmidt (2002).
Vgl. S. 19 dieser Arbeit.
Vgl. dazu auch Kretschmann (2003, 14).
Zur Popularisierung durch Publikationen in Printmedien vgl. bspw auch Wolfschmidt/Reich/
Hühnemörder (2002, 22-27).
22
öffentlicher Vorträge und Experimente26 wie auch den Besuch von Museen und
Ausstellungen als einem beliebtem Freizeitvergnügen (vgl. 1999, 6f). Dabei, so Brecht/
Orland, wollte „[d]as bürgerliche Publikum (und in seiner Folge das moderne
Massenpublikum) [...] jedoch nicht nur Belehrung und Nutzen, sondern ebenso
Erbauung, Genuß und Unterhaltung“ (ibid., 7).27 Kretschmann argumentiert, dass
Popularisierung besonders in unterhaltender Aufbereitung eine belehrende Wirkung hat
und dadurch eine „freiwillige Wissensaneignung“ erfolgt (2009, 29). Durch die Hervorhebung der Nützlichkeit des zirkulierenden Wissens wurde der Anreiz zur Wissensaneignung noch gesteigert:
Den ‚uninitiated‘ den Weg zu größerer Vertrautheit zu ebnen, unterlag als Endzweck all
diesen Vorstellungen, Vertrautheit mit den Tatsachen der Natur, den ‚Fakten der modernen
Wissenschaft‘ wie mit Neuerungen, etwa der Funktionsweise elektrischer Geräte,
schaffen zu wollen. (Schwarz 1999, 238)
Hierdurch sollte der Relevanzanschluss zur zeitgenössischen, modernen Lebenswelt
gewährleistet werden.
Der Popularisierungsprozess wurde dabei von der Forschung zunächst als lineare
Weitergabe von Wissen erachtet: „Popularisation has traditionally been considered as
the transmission of scientific knowledge from scientists to the lay public.“ (Whitley
1985, 3)28 Die neuere soziologische Forschung hat diese Interaktionsform zwischen
Experten und Laien revidiert und erkannt, dass beide Seiten an der Produktion und
Verteilung von Wissen beteiligt sind und sich gegenseitig beeinflussen (vgl.
Kretschmann 2003, 9).29 Mit Kretschmann lassen sich folgende Merkmale der Wissenspopularisierung definieren: 1) Es besteht ein „deutlich markiertes Wissensgefälle
zwischen Produzenten und Rezipienten“, 2) das Wissen liegt bei der kleineren Gruppe
der Produzenten, die es für eine Masse an Rezipienten aufbereiten, wobei aber 3) der
„erkennbare Bezug zum ‚populus‘“ hergestellt wird. 4) Die Art der Wissensaufbereitung
folgt einer bestimmten Intention der Produzenten/Populisatoren und findet 5) über die
Medien statt, „die zumindest potentiell breitenwirksam sind und einen multiplizierenden
Effekt haben“ (ibid., 14). Bei Popularisierung wird Wissen demnach nicht nur tradiert,
sondern bei der Aufbereitung unter Umständen auch verändert, d.h. im Populari26
27
28
29
Zur Popularisierung von Wissenschaft durch Vorträge vgl. Wolfschmidt/Reich/Hühnemörder (2002,
27-34).
So auch Carsten Kretschmann: „eine unterhaltsame Wissenspopularisierung [befriedigt] das Grundbedürfnis des Publikums nach Entspannung, Ablenkung und Zerstreuung“ (2009, 29).
Vgl. dazu bspw. auch Brecht/Orland (1999, 4).
Vgl. hierzu auch Whitley (1985, 5-7).
23
sierungsprozess kann neues Wissen generiert werden (vgl. ibid., 21), bzw.
Wissenselemente können verloren gehen:
Kein Wissenstransfer nämlich gelingt vollständig; jede Übersetzung verändert die
Botschaft; alle Popularisierungsleistung ist abhängig von den Möglichkeiten und Grenzen
der jeweils benutzten Medien. Popularisierung […] umschreibt vielmehr einen Zwischenraum, einen Raum des ‚Nicht mehr‘ und des ‚Noch nicht‘. (Kretschmann 2009, 19)
Popularisiertes Wissen ist demnach „nicht mehr“ nur im Spezialdiskurs, sondern auch in
den öffentlichen Medien vorhanden, wobei es „noch nicht“ vom Rezipienten aufgenommen wurde, es aber bei Bedarf oder Wunsch in dessen Lebenswelt integriert werden
kann. Zur Rolle der Medien bei der Popularisierung von Wissen ist festgestellt worden,
dass
unterschiedliche Medien (Texte, Fotografien und Film) in ein Wechselverhältnis treten
und Wissen in divergierenden Verwendungskontexten auf je spezifische Weise
arrangieren, mit traditionellen Wissensbeständen verknüpfen, inszenieren und neue
generieren. (Boden/Müller 2009, 10)
Dabei beinflussen die Medien, welches Wissen sie wann und wie verhandeln, wobei das
ökonomische
Interesse
diesen
Entscheidungen
vorangestellt
sein
kann
(vgl.
Kretschmann 2009, 29).
Bezüglich der Forschung zur Popularisierung bemängelt Kretschmann, dass die
Abhandlungen sich bisher stets auf Wissenschaftspopularisierung beschränkt haben
(vgl. ibid., 19). Diese Aussage kann dahingehend ergänzt werden, dass die Forschung
bislang auch Prozesse der Genese populären Wissens jenseits intentionaler Wissenspopularisierung weitgehend vernachlässigt hat. ‚Populäres Wissen‘ in einem weiteren
Sinn hat in den bisherigen Abhandlungen zur Wissenstheorie wenig Beachtung
gefunden. Populär heißt in diesem Zusammenhang, dass das Wissen breit und außerhalb
der Wissenschaften zirkuliert, vor allem in den Massenmedien, und dass es auf ‚verständliche‘ und möglichst attraktive Art präsentiert wird, d.h. mit wenig Fachterminologie durchsetzt, teilweise mit Bildern illustriert und prinzipiell für jeden
zugänglich ist. Populär kann in diesem Zusammenhang auch bedeuten, dass Wissen, wie
Kübler es bezeichnet, ‚unnütz‘ ist, also keine direkte praktische oder ökonomische
Verwertungmöglichkeit aufweist, aber zur Identitätskonstituierung des Individuums
einen substantiellen Beitrag leisten kann (vgl. S. 14f oben). Denn populäres Wissen ist
kollektiv vorhanden, und die kollektive Identität einer Gesellschaft kann auf gemeinsamem Wissen aufbauen. Der folgende Kategorisierungsversuch will populäres Wissen
24
an die aus der Wissenssoziologie geläufigen, oben angeführten Kategorien anschließen
sowie dessen Zirkulation in der Wissenskultur veranschaulichen.
2.1 Kategorisierung und Zirkulation von populärem Wissen
Generiert wird populäres Wissen aus den Kategorien Erkenntniswissen und/oder
Kulturwissen, wobei zwei Arten des populären Wissen unterschieden werden können.30
Populäres wissenschaftliches Wissen stellt eine Vermischung aus drei Wissenskategorien dar: es stammt aus dem Erkenntniswissen, wird mit Kulturwissen versetzt
und an Alltagswissen angeknüpft, wobei durch letzteres Relevanz für die Lebenswelt
etabliert wird. Populäres kulturelles Wissen entspricht einer im weiten Sinne
Aktualisierung des vorhandenen Kulturwissens: ‚altes‘ oder als ‚Hochkultur‘ markiertes
Kulturwissen wird medial ‚aktualisiert‘.31 Beispielsweise wird Geschichtswissen durch
stetige Wiederholung der legitimierten Interpretationen und Pflege der Deutungsanschlüsse ‚aktuell‘ gehalten, sprich durch die Erhaltung der Relevanz für die Lebenswelt
sowie der Konstitution von Identität für die Gemeinschaft. Eine gezielte Popularisierung
kann hier stattfinden, indem Wissen bspw. mit ‚modernen‘ Kulturaspekten verknüpft
wird. „Denn nur ein Wissen ohne Verfallsdatum [kann] das Bedürfnis nach Orientierung
in einer zunehmend haltlosen Welt befriedigen.“ (Kretschmann 2003, 17) Aber auch
außerhalb formaler Popularisierung wird ‚populäres‘ Geschichtswissen generiert, etwa
in Computerspielen, durch die nicht zuletzt neue Rezipientenschichten erschlossen
werden. Populäres Wissen speist sich somit aus dem kollektiven Wissensvorrat, und
zwar auch außerhalb klar definierter Prozesse der Wissenspopularisierung. Insofern ist
es sinnvoll, statt von ‚Popularisierung‘ von ‚Übersetzung‘ oder ‚Adaption‘ zu sprechen.
Bereits in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, welch wesentliche Rolle die
Medien bei Prozessen der Wissenszirkulation in heutigen Gesellschaften spielen.32 An
dieser Stelle sei noch einmal auf die von Gibbons et al. unterschiedenen Modi der
Wissenszirkulation verwiesen (s. S. 5 oben). Populäres Wissen, wie hier bestimmt, ist
mit dem von Gibbons et al. identifizierten zweiten Modus der Wissenszirkulation
30
31
32
Alltagswissen sollte keiner Popularisierung bedürfen, da es sich naturgemäß im ständigen
Aktualisierungsprozess bezüglich der Relevanz für die Lebenswelt befindet vgl. dazu S. 16f oben.
Auch hier kann die Motivation zur Popularisierung ökonomischer Natur sein, als Beispiel lassen sich Neuauflagen und Adaptionen literarischer oder filmischer ‚Klassiker‘ anführen.
Vgl. dazu bspw. auch Hickethier: „Medien sind heute Orte der kulturellen Identitätsbildung und
Sinnstiftung. […] der Teilnahme an der medialen Kommunikation [kommt] die Funktion zu, die
früher z.B. Gottesdienste mit ihren fest gefügten Liturgien ausübten: die Integration des Einzelnen in
die Gemeinschaft, das Kollektiv“ (2003, 223).
25
korrelierbar. In diesem Modus sind Spezial- und öffentliche Diskurse untereinander
verknüpft. Im öffentlichen Diskurs ist Wissen populär aufbereitet, wobei diese
Aufbereitung unterschiedliche Formen annehmen kann: von der intentionalen Wissenspopularisierung bis zur Darstellung in fiktionalen Erzählungen (wie etwa in Star Trek:
Voyager). Da in dieser Arbeit die Wissenspräsentation der Voyager-Serie in Relation
zum zeitgleichen Diskurs in Zeitschriften gesetzt werden soll, ist im folgenden Schema
der öffentliche Diskurs nach unterschiedlichen Arten der populären Darstellung
differenziert:
Schaubild zur Zirkulation des Wissens nach Modus 2
Wissenschaftliches Wissen wird, wie bereits erwähnt, meist zunächst in Spezialdiskursen verhandelt und aus diesen in ‚öffentliche‘ Diskurse übersetzt (P1a/P1b):
entweder populärwissenschaftlich (etwa in Zeitschriften) und/oder fiktional (wie etwa in
der Star Trek-Serie).33 Wie bereits gezeigt wurde, ist der ‚öffentliche‘ Diskurs jedoch
sehr vielfältig und medial ausdifferenziert, so dass es auch zwischen Formen des
öffentlichen Diskurses Beziehungen geben kann (P2).34 In den Analysekapiteln dieser
33
34
Vgl. z.B. Hans J. Wulff, der dies als eine „Wanderung des Spezialwissens“ charakterisiert (2003, 26).
Aus Darstellungsgründen sei hier nur kurz erwähnt, dass die Verhandlungen in Spezial- und
öffentlichen Diskursen auch auf die Forschung zurückwirken und dort die Generierung neuen Wissens
anregen können, z.B. die Schließung identifizierter ‚Lücken‘ oder Umsetzung von in fiktionalen
Texten erfundener Technologie (zu letzterem vgl. S. 47 dieser Arbeit).
26
Arbeit wird gezeigt, wie sowohl Zeitschriften als auch die fiktionale Darstellung der
TV-Serie Star Trek: Voyager an der Generierung und der Reflexion von populärem
Wissen beteiligt sind – wobei der Weg des Wissens in die Serie unterschiedlich sein
kann: entweder aus dem öffentlichen Diskurs (P2) heraus oder aus dem
wissenschaftlichen Spezialdiskurs (P1b).35 Die Medien und Darstellungsstrategien, mit
denen Wissen in öffentlichen Diskursen popularisiert wird, werden im Folgenden näher
beleuchtet. Dabei werden zunächst die für die Analyse herangezogenen Medien TVSerie und populäre Zeitschriften hinsichtlich formaler Aspekte und ihres Potenzials für
populäre Darstellung diskutiert.
3. Medien und Strategien der populären Wissensvermittlung
Ganz allgemein ist die Hauptaufgabe der Massenmedien die Bereitstellung von
Informationen, wobei auch das Fernsehen einen bedeutenden Anteil hat. Jörg verweist
in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage der National Science Foundation im Jahr
2002, die besagt, dass 44% der US-Bevölkerung ihre Informationen über
Wissenschaften und Technologie aus dem Fernsehen beziehen (2003, 303).36 Salzmann
betont die Funktion von Massenmedien als Verhandlungsort und definiert sie als eine
„öffentliche Arena, in der Akteure aus Wissenschaft, Politik, Recht etc. Argumente und
Lösungen sozialer, ethischer und rechtlicher Probleme austauschen können“ (2007, 35).
Audio-visuelle Informationsformate haben hier vermutlich einen höheren Anteil als
fiktionale Serien, dennoch sind auch TV-Serien geeignet, Wissen populär zu vermitteln,
wie am Beispiel Star Trek: Voyager gezeigt werden wird.37
Aufgrund der starken Bindung populären Wissens an die Massenmedien kann es
unter Umständen dazu kommen, dass – im Gegensatz zur traditionellen Wissenschaftspopularisierung – ein Rezipient aufgrund der breiten Verhandlung dem verhandelten
35
36
37
Ein aktuelles Beispiel für eine direkte Popularisierung aus dem Spezialdiskurs in den öffentlichen
Diskurs II sind fiktionale Texte zur Nanotechnologie. Diese wurde bereits Anfang der 1990er Jahre in
der Science Fiction verhandelt, noch bevor populäre Zeitschriften dieses Thema überhaupt aufgriffen.
(Scientific American stellt in diesem Zusammenhang eine Ausnahme dar vgl. S. 98 sowie Abb. 3 im
Anhang, S. 234). Beispiele hierfür sind die Technologie des Replikators und die Spezies der Borg aus
der Star Trek-Reihe sowie die Kurzgeschichtensammlung Nanodreams (1995), herausgegeben von
Elton Elliot.
Vgl. dazu bspw. auch Gerbner (1987).
Dass die Wissensdiskurse dieser Serie nicht in Bezug zu anderen Fernsehsendungen (Wissensmagazinen, TV-Nachrichten, TV-Magazinformaten oder TV-Dokumentationen) gesetzt werden, sondern
zu Wissensdiskursen in Zeitschriften, hat einen pragmatischen Grund, nämlich die erleichterte
Recherche mittels Stichwortsuche in Datenbanken und Online-Archiven.
27
Wissen ‚unfreiwillig‘ ausgesetzt ist und dieses nicht zwangsläufig bewusst aufnimmt.
Schütz/Luckmann sprechen in diesem Fall von einer „Unterlassung der Wissenserwerbsunterbrechung“ (2003, 202). Gemeint sind Situationen, in denen ein Individuum
in der Situation ‚gefangen‘ ist und dem Wissenserwerb nicht entkommen kann, welches
insbesondere durch die Weckung von Emotionen gefördert wird: Somit kann etwa eine
emotional aufgeladene Nachrichteninformation oder der Spannungsbogen eines Romans
oder einer TV-Serie dazu führen, dass der Zuschauer den Wissenserwerb ‚beiläufig‘ und
nicht intentional vollzieht, da dieser an die Aufnahme und Verarbeitung der Nachricht
bzw. des finalen erlösenden Moments des fiktionalen Textes gekoppelt ist.
Informationsformate setzen mittlerweile vermehrt Strategien des fiktionalen Erzählens
ein, um den Rezipienten besonders emotional an ein Thema anzubinden. Strategien
dieser Art sind vor allem Personalisierung und Visualisierung, welche sowohl in
audiovisuellen Medien als auch in Printmedien zum Einsatz kommen.
3.1 Charakteristika einer TV-Serie
Die Rezeption einer TV-Serie wird durch deren formelhafte Konstruktion erleichtert. So
macht die zeitliche Limitierung einer Serienepisode diese „leichter konsumierbar“ und
„steigert ihre Integrationsfähigkeit in den Zuschaueralltag“ (Hickethier 1991, 10).
Bezüglich des Serienformats trifft Knut Hickethier mehrere Unterscheidungen, wobei
für die folgende Untersuchung das Format der Serie mit abgeschlossenen Folgehandlungen relevant ist, welche meist folgende Struktur aufweist: harmonischer Ausgangszustand – Störung dieses Zustands – Wiederherstellung des harmonischen Zustands. Die
einzelnen Episoden werden verknüpft durch den Einsatz eines Stammpersonals (vgl.
Hickethier 2007, 196f). Die Lösung des Konflikts durch das Stammpersonal geht einher
mit der Wiederherstellung der vorherrschenden Ordnung und somit der Affirmation von
Sinn. Eine Möglichkeit der Episodengestaltung ist z.B. die Übernahme von Konventionen des Hollywood-Films:
(knappe) Exposition,38 rasche Steigerungen (Wendepunkte), Höhepunkt und Schluß. Der
Spannungsaufbau ist häufig am Prinzip des last minute rescue orientiert. Der Zuschauer
soll bis zum Schluß in Atem gehalten werden. Übersicht und Verständlichkeit bleiben auf
der Ebene des Erzählens immer gewahrt. (Hickethier 1997, 131)
38
Das Eingangssegment einer Episode, der sogenannte teaser, wird funktionalisiert als ‚knappe
Exposition‘, dabei soll die Neugier der Zuschauer geweckt werden und dient meist zur Einführung des
ordnungsstörenden Elements (vgl. Allrath/Gymnich/Surkamp 2005, 12).
28
Ein solcher Transfer von filmischen Konventionen auf die TV-Serie erleichtert es dem
Zuschauer, auch Wissen über Genrekonventionen intermedial zu übertragen und
erleichtert dadurch die Dekodierung des Themas. Zudem soll ‚atemlose‘ Spannung das
Interesse und die Neugier des Zuschauers, auch über Werbeunterbrechungen hinweg,
bis zum Ende halten.
Bezüglich der Figurenausarbeitung des Stammpersonals erfordert serielles
Erzählen keine detaillierte Exposition zu Beginn der Serie, sondern kann bruchstückhaft
über die Laufzeit erfolgen (vgl. Hickethier 1991, 44). Dies hat den Vorteil, dass der
Zuschauer das Gefühl bekommt, die Figuren über einen längeren Zeitraum hinweg
‚kennen zu lernen‘. Ebenso erlaubt dies eine gewisse Freiheit bezüglich der Gestaltung,
so kann bspw. ein bisher noch nicht etablierter Charakterzug einer Figur eine überraschende Wendung im Seriengeschehen herbeiführen. Der ‚Handlungsraum‘ der Serie
muss hingegen, so Hickethier, in der ersten Episode etabliert werden:
[F]ür die Zuschauer [ist dieser] mit bestimmten Konnotationen aufgeladen. Dadurch wird
ein Assoziationsfeld mobilisiert und die Zuschauer, in der Regel auch durch eine von
Folge zu Folge gleichbleibende Eröffnungsmusik emotional unterstützt, auf das in diesem
Handlungsraum stattfindende Geschehen eingestimmt. (Ibid.)
Aufgrund der zeitlichen Limitierung einer Episode ist es nicht möglich, stets neue
Charaktere zu integrieren. Aus diesem Grund wird in Serien ein Stammpersonal
fokussiert und Gast-Nebendarsteller sorgen für Abwechslung im Serienalltag (vgl.
Allrath/Gymnich/Surkamp 2005, 24). Ebenso hat es sich etabliert, mehrere Handlungsstränge auch über die Dauer von mehreren Episoden auszubreiten, und diese zu
unterschiedlichen Zeiten zu einem Ende kommen zu lassen (vgl. ibid.), um so eine
Bindung des Zuschauers an die Serie zu forcieren.
Die formalen Elemente einer fiktionalen TV-Serie sollen dem Zuschauer helfen,
sich in die Handlung hineinzuversetzen und sie ‚mitzuerleben‘. Dabei kann die
unterhaltende fiktionale Darstellung zur Vermittlung (kulturell) relevanter Themen
dienen: „almost any version of the television text functions as a forum in which
important cultural topics may be considered“ (Newcomb/Hirsch 2000, 565). Douglas
Kellner betont die Notwendigkeit eines soziohistorischen Anschlusses ohne den eine
Rezeption nicht möglich ist:
Indeed for media culture to work for its audiences it has to resonate to social experience,
to „fit in“ with the social horizon of audiences, and so popular media culture taps into
existing fears, hopes, fantasies, and other concerns of the day. (1995, 105)
29
Die kontextuelle Verortung einer Serie in ihrer Entstehungszeit trägt dazu bei, deren
Position als Akteur in und ihren Beitrag zu öffentlichen Diskursen zu verdeutlichen
(vgl. Hickethier 1991, 52). Hickethier sieht die TV-Serie daher nicht nur als Unterhaltungsformat, sondern auch als ein Medium zur ‚Informationsverbreitung‘:
Das zentrale Unterhaltungsversprechen der Serie reduziert mögliche Zugangsbarrieren,
die gerade in der Konfrontation mit fremden Verhaltensweisen und Werten liegen. Bei der
quer durch alle Zuschauerschichten gehenden Popularisierung von Serien können diese
divergierenden gesellschaftlichen Gruppen Verhaltensweisen zum Diskussionsstoff
anbieten und sie mit einem Spektrum gesellschaftlicher Themen und Verhaltensweisen
vertraut machen. (1991, 55)
Dabei ist eine realistische Darstellung des verhandelten Themas nicht zwingend.
„Entscheidender ist, was der Zuschauer aus dem, was ihm die Serie anbietet, für sich als
Wirklichkeit herausnimmt, was er als für sich wichtig zum Bestandteil seiner eigenen
Wirklichkeitssicht werden läßt.“ (Ibid., 40) Insofern kann eine Science Fiction-Serie,
trotz der überdeutlich markierten Fiktionalität durch den futuristischen Handlungsraum,
dem Zuschauer Deutungsangebote für seine Lebenswelt eröffnen.
Science Fiction ist ein Genre mit starken Konventionen, welche im Fall einer
TV-Serie Zuschauern den Zugang zum Thema einer Episode erleichtern: „For the
television viewer, genre plays a major role in how television texts are classified,
selected and understood.“ (Turner 2002, 5) Die Verknüpfung mit einem Genre impliziert
somit direkt die Art und Weise der Darstellung und Verhandlung eines Themas, „sie
organisier[t] das Wissen über Erzählmuster, Themen und Motive“ (Hickethier 2007,
203). Somit können sich die Zuschauer „ganz auf die Ausgestaltung [der] alternativen
Welt […] konzentrieren“, auch wenn, laut Hickethier, die Science Fiction ein „weniger
festes Schema“ bezüglich der filmischen Genrekonvention aufweist (1997, 130).
Innerhalb des Science Fiction-Genres gibt es allerdings „zahlreiche Verwandtschaften
[...] mit einer begrenzten Zahl von Strukturelementen und Motiven“ (ibid., 133).39 Dies
begünstigt das Einbauen von intertextuellen Referenzen – sowohl innerhalb des Genres
als auch zu anderen Texten –, welche direkt oder indirekt für eine Episode übernommen
werden können, was in den letzten Jahrzehnten zu einem beliebten Element des
seriellen Erzählens in allen Genres geworden ist:
It is part of the increasing playfulness and the postmodern tendencies one can observe in
recent TV series that they often make use of intramedial references, that is allusions to
39
Die Konventionen des Science Fiction-Genre allgemein werden in Kapitel 3.5 näher ausgeführt.
30
other TV programmes, and of intermediality, that is references to literary texts and to
films. (Allrath/Gymnich/Surkamp 2005, 35)40
Das Einbauen einer Referenz „zu Einzeltexten, Gattungen oder den gesamten medialen
Systemen von Fernsehen und Film, Literatur und Kunst, eigener Produktionen“ kann
auf unterschiedlichen Ebenen geschehen, als „Kurzzitate und Anspielungen, Strukturkopien und Hommagen, Genretransfers und Selbstzitation“ (Hahlbohm 2003, 165).
Halbohm sieht hierin, speziell bei versteckten Zitaten, einen „Trivial Pursuit-Effekt“,
der zum Mitdenken animieren und bei Erkennen der Referenz im Zuschauer eine
zusätzliche Befriedigung auslösen soll (vgl. ibid., 180). Dieses spielerische Einbauen
von intertextuellen Verweisen kann einerseits der Auflockerung des Episodenverlaufs
dienen, andererseits zur Aktivierung von Wahrnehmungsmustern eingesetzt werden. So
kann zum Beispiel eine Situation durch das Heranziehen einer analogen Situation aus
einem bekannten Film oder Roman beschrieben und sogar bewertet werden, oder eine
Figur kann durch das Heranziehen eines Stereotyps indirekt charakterisiert werden.41
Neben diesen ‚Dekodierungshilfen‘ muss das verhandelte Thema die bereits mehrfach
erwähnte Relevanz für die Lebenswelt des Zuschauers aufweisen. Die Serie, als Akteur
im öffentlichen Diskurs, offeriert Deutungsangebote für die Lebenswelt der Zuschauer,
die jeder für seine spezifischen Bedürfnisse zwecks Sinnstiftung heranziehen und
erschließen kann.
Massenmedien nehmen also zeitaktuelle Diskurse auf, um das Interesse der
Zuschauer zu wecken und somit möglichst breit rezipiert zu werden. Dies ist, wie
bereits erwähnt, ökonomisch motiviert und populäre TV-Serien unterliegen denselben
Marktbestimmungen wie populäre Zeitschriften: so wie Einschaltquoten den Erfolg und
somit das Fortbestehen einer Serie bestimmen, beeinflussen Absatzzahlen den Verbleib
von Printmedien am Zeitschriftenmarkt. Die Absatzorientierung wirkt sich bei
Printmedien neben der Themenauswahl auch auf die Art der Berichterstattung aus, wie
sich auch für die für diese Arbeit herangezogenen Zeitschriften zeigt. Da eine Science
Fiction-Serie eine gemischte Zuschauerschaft anspricht, die vom Wissenschaftler42 bis
zum ‚Durchschnittsbürger‘ reicht, wurden sowohl populärwissenschaftliche Zeitschriften als auch Nachrichtenmagazine ausgewählt, um ein größeres Spektrum der
Informationsverbreitung und der unterschiedlichen Rezipientenschichten abzudecken.
40
41
42
Vgl. dazu auch Hickethier (1997, 133).
Zum Einsatz von Wissenschafter-Stereotypen in Star Trek: Voyager vgl. III.1.2.
Zum Interesse von Wissenschaftlern an den Star Trek-Serien vgl. S. 47.
31
3.2 Überblick über die für die Analyse verwendeten populäre Zeitschriften
Printmedien können unterschieden werden in Fachzeitschriften, die sich dezidiert an ein
Fachpublikum richten, Nachrichtenmagazine und Unterhaltungsmagazine sowie Tagesund Wochenzeitungen. Letztere richten sich an eine breite Öffentlichkeit und müssen
ihre Themen aufgrund gesellschaftlicher Relevanz wählen, da sie nur dann ihre
ökonomischen Interessen wahren können. Eine Zwischenstellung nehmen für Salzmann
populäre Wissenschaftszeitschriften ein:
Auf der einen Seite stehen sie der Wissenschaft nahe. Die Autoren sind häufig Wissenschaftler oder Wissenschaftsjournalisten mit einer naturwissenschaftlichen akademischen
Ausbildung. Die Artikel sind auf vergleichsweise hohem Niveau geschrieben. Sie richten
sich an wissenschaftsinteressierte Leser […]. Auf der anderen Seite gehören [sie] dem
System der Medien an. Sie sind auf den wirtschaftlichen Erfolg angewiesen und müssen
ihr Produkt verkaufen. Sie orientieren sich in der Themenauswahl an gesellschaftlichen
Entwicklungen. Dabei orientieren sie sich – wenn auch nicht äquivalent zu den Presseorganen – an Nachrichtenwerten und greifen so gesellschaftlich relevante Themen auf.
(2007, 46-48)43
Somit müssen auch Zeitschriften, die sich einer anspruchsvollen Berichterstattung
verpflichten, zeitaktuelle, für die Lebenswelt relevante Themen präsentieren. Salzmann
unterscheidet in seiner Studie hierbei zwischen einer rein „popularisierenden Darstellung“, bei der „vorwiegend Forschungsergebnisse dargestellt werden“, und „Medienkontroversen“, in denen „die Wissenschaft nach nichtwissenschaftlichen Kriterien bewertet [und] in moralische, ethische, soziale oder rechtliche Zusammenhänge gestellt
[wird]“ (ibid., 43).
Für die Analyse der Star Trek: Voyager-Episoden wurde mittels eines eigens
angelegten Stichwortkatalogs vor allem nach ‚Medienkontroversen‘ recherchiert, die
relativ zeitnah zu der jeweiligen Folge in populären Zeitschriften verhandelt wurden.
Für diesen Vergleich wurden zwei monatlich erscheinende Wissenschaftszeitschriften,
Scientific American und Popular Science, sowie zwei wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazine, Time Magazine und Newsweek, ausgewählt. Dabei war es von
Bedeutung, dass die ausgesuchten Zeitschriften eine breite Leserschaft erreichen, also
populär im Sinne der Reichweite von Massenmedien sind. Scientific American ist eines
der ältesten durchgehend publizierten Magazine der USA und erschien erstmals im Jahr
1845 (vgl. „About SciAm“). Aufgrund seines Bekanntheitsgrades wurde es in die
Untersuchung mit aufgenommen. Jedoch ist es mit einer durchschnittlichen Zirkulation
43
Siehe dazu auch die Tabelle in Salzmann (2007, 47).
32
von 616.721 Millionen Exemplaren pro Monat (Stand 2008)44 weniger verbreitet als die
Zeitschrift Popular Science. Des Weiteren wird Scientific American als Zeitschrift für
besser gebildete Schichten angesehen und kann dementsprechend näher an der Kategorie Fachzeitschrift angesiedelt werden.45 Wie bereits der Name der Zeitschrift
suggeriert, bereitet Popular Science seine Themen näher an der Lebenswelt der Leser
auf. Im Gegensatz zu Scientific American, das die Sichtweise aus den Wissenschaften
favorisiert, will Popular Science die Schnittstellen zwischen den Wissenschaften und
dem Alltag kommentieren (vgl. „About SciAm“ sowie „Popular Science“). Popular
Science wurde 1872 gegründet und ist die fünftälteste durchgehend publizierte
Zeitschrift in den USA (vgl. „Popular Science“). Im Jahr 2000 hatte das Magazin eine
durchschnittliche Auflage von ca. 1,5 Millionen Exemplaren pro Monat (vgl. „Circulation Magazines 2000“) und war somit in den Top 50 der Monatszeitschriften der USA.
Die beiden großen wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazine Time
Magazine (Auflage ca. 4 Millionen/Woche) und Newsweek (Auflage ca. 3,1 Millionen/
Woche)46 wurden nicht nur auf zeitpolitisches und kulturelles Wissen hin gesichtet und
ausgewertet, sondern auch hinsichtlich wissenschaftlicher Themen. Die gesellschaftliche Relevanz einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnis oder Technologie wird gerade
im Format des Nachrichtenmagazins meist prominenter hervorgehoben als bei wissenschaftlich ausgerichteten Zeitschriften. Das Time Magazine erschien erstmals am 3.
März 1923 mit dem Anspruch eines „newsmagazine which summarized and organized
the news so that ‚busy men‘ could stay informed“ („History of Time“). Anhand der Top
50-Liste der Magazine Publishers of America lässt sich ablesen, dass Time um den
Jahrtausendwechsel das meist verkaufte wöchentliche Nachrichtenmagazin war. Laut
der Selbstdarstellung des Magazins konnte dieser Status erreicht werden durch
„trustworthy reporting, authoritative news analysis, and best-in-class photojournalism“,
als auch mit dem Anspruch: „[to] set the news agenda by answering questions instead of
44
45
46
Scientific American befindet sich nicht unter den Top 50 der US-Publikumszeitschriften, weshalb hier
eine gesonderte Quelle für die Auflagenzahlen herangezogen werden musste. Ein direkter Link für die
Absatzzahlen kann nicht angegeben werden, da die Angaben und somit die entsprechenden Internetseiten regelmäßig erneuert werden, weshalb vorherige Auflagenzahlen nicht mehr zugänglich sind.
Auf der Internetseite <http://abcas3.auditedmedia.com/ecirc/index.html> (Zugriff 17.02.2015) können
unter dem Menüpunkt „Consumer Magazines“ die entsprechenden Auflagenzahlen direkt mit Angabe
des Magazintitels oder aber nach Kategorien abgefragt werden.
Die „Key Facts“ des Scientific American geben an, dass jeder dritte Leser einen „postgraduate degree“
inne hat (vgl. „About SciAm“). Es werden zudem viele von Wissenschaftlern, darunter zahlreiche
Nobelpreisträger, verfasste Artikel veröffentlicht. Das Magazin selbst positioniert sich in ihrer „Company History“ als Medienorgan für neue Trends und zukunftsorientierte Leser (vgl. „About SciAm“).
Angabe der durchschnittlichen monatlichen Zirkulation für das Jahr 2000 („Circulation Magazines
2000“), die Auflagenzahlen sind seither eher rückläufig (vgl. z.B. „Circulation Magazines Index“).
33
just asking them.“ („TIME Inc.“) Newsweek wurde zehn Jahre nach Time, im Jahr 1933,
gegründet; bereits damals versuchte sich Newsweek gegenüber Time abzugrenzen und
nahm aus diesem Grund eine politisch liberalere Haltung bei der Berichterstattung ein
(vgl. „Newsweek History“). Eine Studie ergab, dass Newsweek seit Ende der 1970er
Jahre seltener innen- und außenpolitische Themen behandelte: „‚Softer‘ news areas such
as health, science and entertainment, increased as cover subjects.“ (Ibid.)
Um die Bedeutung und Resonanz eines Themas abschätzen zu können, wurde
teilweise auch stichprobenhaft die Tageszeitung USA Today, die in den USA
auflagenstärkste Tageszeitung, durchsucht (Auflage ca. 1,7 Millionen/Tag im Jahr 2000;
vgl. Barringer 2000, n.pag.). Die Stichwortsuche wurde hier allerdings gezielter und mit
eingeschränktem Zeitrahmen, entsprechend der Funde in Time und Newsweek, vorgenommen. Vereinzelt wurden außerdem die Monatszeitschriften Smithsonian und
National Geographic herangezogen. Das Smithsonian wird von der Smithsonian Institution herausgegeben. Letztere wurde 1846 gegründet und ist der weltgrößte
Forschungskomplex mit 19 Museen und Galerien, einem nationalen zoologischen
Garten und neun Forschungseinrichtungen (vgl. „About Smithsonian“). Die Smithsonian Institution sieht in der Erweiterung (increase) und Verbreitung (diffusion) von
Wissen ihre zentrale Aufgabe (vgl. „Smithsonian Mission“). Das Smithsonian erschien
erstmals im Jahr 1970: „[A] monthly magazine created for modern, well-rounded
individuals with diverse interests. It chronicles the arts, history, sciences and popular
culture of the times.“ („Smithsonian Magazine“) Das Smithsonian positioniert sich als
Zeitschrift für den gebildeten Bürger („well-rounded“) und somit als anspruchsvolles
und nicht explizit populäres Printmedium.47 Im Jahr 2000 erreichte das Smithsonian eine
durchschnittliche Auflage von ca. 2 Millionen/Monat in den USA (vgl. „Circulation
Magazines 2000“). National Geographic dagegen, u.a. berühmt für spektakuläre Fotografien, ist eine der auflagenstärksten Zeitschriften in den USA, mit einer durchschnittlichen Auflage von ca. 7,89 Millionen/Monat im Jahr 2000 (vgl. ibid.). National
Geographic ist speziell in den Bereichen Geographie, Kultur, Anthropologie,
Geschichte und aktueller wissenschaftlicher Themen führend. Das Magazin ist der
National Geographic Society angebunden, erschien zum ersten Mal im Jahre 1888 und
wirbt auf seiner Internetseite mit dem Leitgedanken: „[I]nspiring people to care about
the planet since 1888“ („NG-About“). Es enthält viele Reportagen über Expeditionen
47
Die im Magazin veröffentlichten Artikel sind teilweise frei auf der dazugehörigen Internetseite einsehbar <http://www.smithsonianmag.com/> (Zugriff 17.02.2015).
34
und Ausgrabungen, die von der NGS gefördert wurden. Dabei hat sich das Magazin,
wie in der Selbstdarstellung hervorgehoben wird, im Laufe seiner Geschichte von der
Fachzeitschrift zum populären Massenmedium gewandelt:
When National Geographic magazine debuted […] it was a scholarly, scientific journal
that reflected the interests of its small, mostly professional, readership. Between its
conservative, dull brown covers, there were no photographs – only studious articles […].
One-hundred-and-twenty-three years later […] [w]ith comprehensive and timely articles
and legendary photographs and maps, the magazine documents and interprets the world’s
largest sweeping changes through the lens of personal experience. („Evolution of NGM“)
Hier wird dezidiert auf den Einsatz von Bildmaterial und Personalisierung als Strategie
zur Popularisierung hingewiesen, um dadurch ein größere Leserschaft anzusprechen.
Visualisierungs- und Personalisierungstrategien werden gemeinhin in allen
Massenmedien eingesetzt. Besonders durch Visualisierung können komplexe Sachverhalte vereinfacht dargestellt werden; außerdem nutzen Nachrichtenmagazine Bilder, um
Emotionen zu wecken. Die oben aufgeführten Intentionen bezüglich Darstellung und
Leserschaft der Zeitschriften zeigen, dass sich diese im Laufe der jeweiligen Publikationsgeschichte wandeln können und sogar müssen, um auf dem umkämpften Zeitschriftenmarkt zu bestehen. Populärwissenschaftliche Zeitschriften betonen in ihrer
Selbstdarstellung durch Adjektive wie „scholary“, „scientific“ oder „well-rounded“ das
Ansprechen einer spezifischen Leserschaft, die über entsprechende Bildung verfügt.
Scientific American und das Smithsonian weisen aus diesem Grund auch eine geringere
Leserschaft auf, als es bei den ‚populärer‘ aufbereiteten Zeitschriften der Fall ist. Aber
auch Time und Newsweek mussten im Laufe der Zeit ihre Berichterstattung den
veränderten Ansprüchen der Leserschaft anpassen, d.h. vor allem der sich verändernden
Medienlandschaft durch das Internet, der explosiven Zunahme an TV-Kanälen
(einschließlich der dadurch entstehenden 24-Stunden Nachrichtensender wie CNN), und
der sich im Zuge dessen verändernden Gewohnheiten und Bedürfnisse der Leserschaft.
Auch wurde deutlich, dass Time und Newsweek unterschiedliche Schwerpunkte in der
Themenauswahl setzen, um sich voneinander abzugrenzen und Leser nicht an den
‚Rivalen‘ zu verlieren.
Die verhandelten Themen müssen dabei für das entsprechende audio-visuelle
Format (i.e. Dauer und Aufbau der Episode) ‚adaptiert‘ werden, wie auch die Themen in
den Zeitschriften aufgrund der Seiten- oder Wortvorgabe durch die Redaktion verkürzt
dargestellt werden müssen. Allerdings befördert diese Restriktion (Platz bzw. Zeit) die
Rezeption, das Thema wird dadurch ‚verdaulicher‘, d.h. Wissen wird prägnant darge35
stellt und die Kondensierung des Texts erlaubt eine erleichterte Integration in den
Alltag. Für diese Zwecke setzen Informationsmedien und TV-Serien die im folgenden
Kapitel näher ausgeführten Strategien des fiktionalen Erzählens ein.
3.3 Popularisieurngsstrategien in fiktionalen Texten
Da fiktionale Texte48 Emotionen wecken, wird ihnen häufig nachgesagt, sie beeinflussen
die öffentliche Meinung gegenüber den Wissenschaften: „[S]everal empirical studies of
science in the media suggest that fictional representations of science on television can
have an influence on public attitudes toward science.“ (Kirby 2003, 262). Durch
Fiktionalisierung „ist es möglich, eine wissenschaftliche Theorie zu veranschaulichen
und einen Diskurs über potentielle Folgen in Gang zu setzen oder wenigstens zu einem
solchen Diskurs beizutragen“ (Schröder 1998, 38). Laut Christian Salzmann ist zudem
der Popularisierungsgrad bei fiktionalen Texten am höchsten (vgl. 2007, 39). Die
Einbindung stereotyper Elemente, wie man sie typischerweise in populärer GenreFiktion vorfindet, kann die Allgemeinverständlichkeit des wissenschaftlichen Themas
zusätzlich fördern (vgl. ibid.). Nancy Kress betont, dass gerade die fiktionale Erörterung
eines ethischen Dilemmas eine effektive Methode ist, durch Forschung neu
entstandenes Wissen sowie dessen Implementierung zu hinterfragen und die möglichen
Folgen für die Gesellschaft zu erörtern (vgl. 2007, 201). Die Repräsentation eines
ethischen Dilemmas in fiktionaler Form ermöglicht den Autoren, Auswirkungen
wissenschaftlicher und/oder technologischer Neuerungen an einem Charakter oder einer
Gruppe von Figuren beispielhaft aufzuzeigen und somit, durch Empathie des
Rezipienten mit dem oder den Protagonisten, Emotionen anzusprechen.
Die Strategien, die dazu in fiktionalen Texten eingesetzt werden können, sind
Personalisierung, negative Aufladung, Zeitbezug und Verzerrung:49 Die Personalisierungsstrategie baut eine emotionalisierte Verbindung zwischen fiktionalem Charakter
zum Rezipienten auf, indem Identifikationsangebote offeriert und zur Lenkung von
Sympathie eingesetzt werden. Dies macht das fiktionale Geschehen für den Rezipienten
‚persönlich‘ erfahrbar. Zudem wird die Botschaft eines Textes meist über das Verhalten
und die Interaktion der Akteure transportiert.50 Eine negative Aufladung der Thematik
eignet sich, so Kress, besonders als Rezeptionsanreiz, da eine drohende Katastrophe die
48
49
50
Der Begriff Text wird hier im weitesten Sinne verstanden und schließt somit auch audio-visuelle
Medientexte mit ein.
Die folgende Ausführung zu diesen Strategien sind Kress (2007, 201-205) entnommen.
Vgl. hierzu auch Weingart (2003, 14).
36
Emotionen der Rezipienten stärker involviert und durch Sympathielenkung die
Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte des Geschehens gerichtet werden kann.51 Der
Bezug der fiktionalen Thematik zur zeitgenössischen Gesellschaft ist bedeutend, da nur
durch die Verknüpfung mit der Lebenswelt der Rezipienten das verhandelte Thema an
Relevanz gewinnt. Durch die zeitliche Verzerrung – in Science Fiction meist in die
Zukunft – kann ein bestimmter Aspekt etwa einer Technologie hervorgehoben und
andere Elemente bewusst vernachlässigt werden. Dies intensiviert, laut Kress, die
eingenommene ethische Position und verdichtet den Text.
Eine weitere Strategie zur Popularisierung im Sinne von Vereinfachung ist das
Heranziehen von stereotypen Darstellungen. Laut Weingart sind die in den Medien zur
„Darstellung von Wissenschaft und Wissenschaftlern verwendeten Bilder, Clichés und
Metaphern [...] insofern Spiegel der populären Bilder von Wissenschaft, als ihre Filme
ein Spiegel der populären Kultur sind“ (2003, 12). Auch fiktionale Stereotype sind über
die Jahre ein fester Bestandteil der Wissenskultur geworden und werden zur Erleichterung des Verständnisses in Diskussionen um Forschung und Technik herangezogen,
um ethische Diskurse zu veranschaulichen. Diese Strategie wird häufig eingesetzt, wenn
von einem geringen Hintergrundwissen der Öffentlichkeit auszugehen ist. Dabei
werden, da die Ergebnisse und Folgen von Forschung ungewiss sind und die Öffentlichkeit sich tendenziell nur marginal mit diesen Themen beschäftigt, Bilder evoziert,
die dem allgemeinen kulturellen Repertoire inhärent sind.52 Das wohl bekannteste
Wissenschaftler-Stereotyp ist der Mad Scientist, vornehmlich repräsentiert durch den
fiktionalen Forscher Viktor Frankenstein aus Mary Shelleys Roman Frankenstein, or
the Modern Prometheus (1818),53 der für fragwürdige Erkenntnisgewinnung steht. Der
Roman wird in populären Medien häufig als intertextuelle Referenz herangezogen, um
eine unethische Position hervorzuheben. Allerdings kann der Gebrauch eines Stereotyps
problematisch sein, da es für die jeweilige intendierte Aussage des Textes angepasst
werden muss. Dies führt dazu, dass, wie zum Beispiel Peter Weingart bemerkt,
„Wissenschaftler sich und ihre Wissenschaft falsch dargestellt [sehen]“ (2003, 9). Im
Gegensatz zu Autoren früher Science Fiction-Texte, wie z. B. H.G. Wells, die zum Teil
ausgebildete Wissenschaftler waren und auf Fachwissen zurückgreifen konnten, ist dies
bei zeitgenössischen Autoren häufig nicht der Fall. Zudem ist in der zweiten Hälfte des
51
52
53
Vgl. hierzu auch Schnabel (2003, 258).
Vgl. Mulkay (1996, 158) sowie Junge/Ohlhoff (2004, 7).
Der Wissenschaftler Frankenstein wird bevorzugt im Zusammenhang mit Forschung genannt, bei der
der Forschungsverlauf an sich kritisch gesehen wird und deren (Aus-)Wirkungen noch nicht bekannt
sind, z. B. bei Debatten zur Gentechnologie vgl. S. 73f dieser Untersuchung.
37
20. Jahrhunderts wissenschaftliches Wissen und das wissenschaftlich sowie technisch
Mögliche exponentiell angestiegen.54 Aus diesem Grund ist eine ‚verfälschte‘ Darstellung des Wissenschaftsbetriebs und auch von Wissen in populären Medien scheinbar
unabwendbar. Daher werden von Produzenten populärer Medien zunehmend
Wissenschaftler in die Produktion von Medieninhalten einbezogen, um diesem Prozess
entgegenzuwirken.
3.4 ‚Echte‘ Wissenschaftler in den Massenmedien
Wie bereits angedeutet, kann die massenmediale Darstellung von Wissenschaften und
Wissenschaftlern Vorstellungen in der Bevölkerung beeinflussen:
Sicherlich ist die massenmediale Aufbereitung wissenschaftlicher Inhalte teilweise für
das Bild des Wissenschaftlers als überlegenes Wesen verantwortlich; überlegen an
Intelligenz und an moralischen Prämissen, denn ihre Motivationen sind anscheinend
ehrlich, uneigennützig, nicht gewinnorientiert und vernünftig. (Gonzalo 2004, 282)
Darstellungen, die breit in den Massenmedien zirkulieren, verfestigen sich im öffentlichen Diskurs und können dadurch ‚Allgemeingültigkeit‘ erlangen. Die permanente
Wiederholung bestätigt hierbei die ‚Wahrheit‘ der Darstellung, wodurch Wissensregime
entstehen können.55 So können etwa die soziale Stellung der Wissenschaftler und
wissenschaftlicher Institutionen in der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt
bspw. anhand des zum Vergleich herangezogen Stereotyps abgelesen werden (vgl.
Mulkay 1996, 159 und Haynes 1994, 2).
Ihr Auftreten, ihre Persönlichkeit und ihr Intellekt stehen in direktem Zusammenhang mit
der Wichtigkeit und den Konsequenzen ihrer Arbeit. Die Gleichsetzung von WissenschaftlerInnen mit Wissenschaft macht Wissenschaft leichter vermittelbar. Jede dieser
Beschreibungen – egal ob nun Realität oder Fiktion – ergänzt oder widerspricht den
allgemeinen Vorstellungen von typischer Wissenschaft bzw. WissenschaftlerInnen und
reflektiert so die kollektiven Ideen der Öffentlichkeit über Wissenschaft. (Felt/
Nowotny/Taschwer 1995, 256)
Da jedoch immer mehr (populäres) Hintergrundwissen in der Bevölkerung vorhanden
ist, bzw. sich manche populären ‚kollektiven Ideen‘ verfestigt haben, bewegen sich die
beiden Seiten – Wissenschaften und Massenmedien – aufeinander zu. In populären
Printmedien beispielsweise, die sich nicht dezidiert mit populärwissenschaftlichen
Themen auseinandersetzen, werden neben den etablierten Interviews und Kommentaren
54
55
Clute/Nicholls vermuten, dass der Wissenschaftler als Protagonist in Science Fiction-Texten in den
letzten Jahren seltener geworden ist, da es Autoren kaum mehr möglich sei, sich als Laie dieses
Spezialwissen anzueignen (vgl. 1995, „Scientists“).
Zu Wissensregimen vgl. S. 21.
38
vermehrt von Wissenschaftlern verfasste Artikel publiziert, um ein besseres Verständnis
für Forschung zu fördern. Somit stehen Massenmedien „in der Spannung zwischen dem
Selbstverständnis der Popularisierung und der Erwartung an eine moderne Wissenschaftskommunikation.“ (Salzmann 2007, 7) So kommen einerseits vermehrt ‚echte‘
Wissenschaftler in den Medien zu Wort, was mit der sich veränderten Wissensproduktion seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Verbindung stehen kann (s.o.). Andererseits
wollen die Massenmedien ‚authentische‘ Forschung und wissenschaftliche Arbeit
präsentieren. Dies führt dazu, dass immer mehr TV- und Film-Produzenten Wissenschaftsberater für ihre Projekte engagieren, um tatsächliche Abläufe und den Jargon des
Wissenschaftsbetriebs möglichst authentisch zu repräsentieren.56 Allerdings müssen die
beratenden Wissenschaftler (s.u.) in Kauf nehmen, dass möglicherweise die Realität der
Sensation weichen muss, denn der Regisseur und die Produzenten entscheiden,
„whether scientific accuracy or ‚dramatic licence‘ provides more box office appeal“
(Kirby 2003, 269). Dieses ‚Dilemma‘ von authentischer vs. reizvoller Darstellung wird
auch von Christopher Rose aufgegriffen:
The question of whether movie science should also be accurate so as not to misinform the
public is a contentious one. Filmmakers are obviously constrained more by the demands
of profitability and (one hopes) artistic expression than by principles, laws, and
limitations of real science. (2003, 290f)
Peter Weingart erachtet die bevorzugte Darstellung „von Resultaten statt von Methoden“ als problematisch. Dies „hat sicher etwas mit der Distanz des Mediums Film
zur Wissenschaft zu tun. Genau darin kann aber auch ein Problem der Darstellung von
Wissenschaft in der Öffentlichkeit überhaupt gesehen werden“ (2003, 16). So erscheint
es nicht erstaunlich, dass die „Hälfte der [von Weingart untersuchten] Filme (51%) […]
sich in offenem Widerspruch zu der in den entsprechenden Geschichten dargestellten
Wissenschaft [befinden]“ (ibid., 18). In Bezug auf die Repräsentation eines wissenschaftlichen Themas fordert Rose nicht zwangsläufig eine authentische, aber zumindest
eine plausible Darstellung. „Although some attention to scientific detail is obviously
necessary to root a plot in reality, I propose that plausible ideas have far greater
potential than accurate details to motivate the public toward a better understanding of
science.“ (2003, 291)
Die Verwendung von Laborszenen oder ähnlichem hat aber durchaus dramaturgisches Potential: „die Darstellung der tatsächlichen Arbeitsmethoden von Wissen56
Auch die Produzenten von Star Trek arbeiten in den verschiedenen TV-Serien und Filmen mit
Wissenschaftsberatern zusammen.
39
schaftlern [ist] nur dann interessant, wenn sie die problematische, vielleicht gar
kriminelle Natur dieser Methoden aufdeckt.“ (Weingart 2003, 16) Medien schaffen
demnach ein Umfeld, in dem bereits bestehende Meinungen und Einstellungen von
Rezipienten kultiviert und verstärkt werden können (vgl. Kirby 2003, 262f). Das
bedeutet, dass Verhandlungen in Medien somit Wissenspolitiken und/oder Wissensregime unterstützen oder auch unterwandern können. Diesbezüglich kann auch das
Science Fiction-Genre als ‚meinungsbildendes‘ Medium erachtet werden, in dem
sowohl wissenschaftliches als auch kulturelles Wissen populär dargestellt und in einem
futuristischen Szenario kritisch diskutiert werden.
3.5 Charakteristika der Wissenschaftsdarstellung im Science Fiction-Genre
Im Folgenden sollen vornehmlich die für die spätere Voyager-Analyse bedeutenden
Charakteristika des Science Fiction-Genres hinsichtlich der Darstellung von Wissenschaften aufgezeigt werden. Den Ursprung des Genres sieht der Schriftsteller und
Kritiker Brian Aldiss in der Verknüpfung von Darstellungen neuer wissenschaftlicher
Ideen mit Sozialkritik, wie Mary Shelley dies in Frankenstein präsentiert (vgl. 1973,
23).57 Mary Shelley beschreibt in dem von ihr verfassten Vorwort zur Ausgabe von
1831, wie die Idee zum Roman verbunden ist mit zeitgenössischen, wissenschaftlichen
Experimenten:
They [Percy B. Shelley and Lord Byron] talked of the experiments of Dr. Darwin, (I
speak not of what the Doctor really did, or said that he did, but, as more to my purpose, of
what was then spoken of as having been done by him,) who preserved a piece of
vermicelli in a glass case, till by some extraordinary means it began to move with
voluntary motion. (Shelley 1831, ix-x)
So zeigt sich bereits in diesem ‚Ur-Roman‘ des Genres die Aufarbeitung eines neuen
Wissens in fiktionaler Form, die zudem einen ethischen Kommentar beinhaltet. Aldiss
macht des Weiteren im Roman ein bis dato nicht vorhandenes Sujet aus: „touching not
only science but man’s dual nature, whose inherited ape curiosity has brought him both
success and misery“ (1973, 29). Allerdings wird in Frankenstein diese ‚Neugierde‘
kritisiert, denn „[k]nowledge brings no happiness“ (ibid.). Dieser Forschungsdrang wird
57
Der ‚tatsächliche‘ Ursprung des Genres ist in der Theorie umstritten und wird verschiedentlich
angelegt und begründet. Eine detaillierte Diskussion würde an dieser Stelle zu weit führen, deshalb sei
auf folgende Werke verwiesen: Roberts (2006a und 2006b), Luckhurst (2005), Slusser (2005),
Stableford (2003) sowie Suerbaum/Broich/Borgmeier (1981). Zum Science Fiction-Genre allgemein
siehe bspw. auch Bould et al. (2009), Erickson (2005, Kap. 7), Seed (2005), James/Mendlesohn
(2003), McCracken (1998, Kap. 4), Scholes/Rabkin (1977) sowie Amis (1961).
40
in der Science Fiction unablässig dargestellt. Wie auch Suerbaum/Broich/Borgmeier
anmerken, werden „Einsichten in das Wesen der Wissenschaft” sehr bewusst von den
Autoren beschrieben:
Diese Absicht steckt nicht nur hinter den vielen in die Geschichte eingebauten
Lehrvorträgen, in denen Teile des heutigen Wissens dargelegt werden. Sie zeigt sich
besonders darin, daß ein Aspekt von science immer wieder zum Gegenstand gemacht
wird: der Prozeß des Forschens. […] Die erzählten einfachen Aktionen – Reisen,
Überwindung von Hindernissen, Aufklärung von Rätseln – werden damit zu Metaphern
für komplexe Erkenntnisverfahren. (1981, 29f)
Ein hohes Maß an Vereinfachung ist bei der Vermittlung von technologischem Wissen
in der Science Fiction vonnöten. Hierbei wird auf einen technologischen Stand ‚zurückgegriffen‘, der in der Öffentlichkeit bereits bekannt und auch sprachlich (in Form einer
bekannten Terminologie) erfasst ist. Dabei muss die dargestellte Wissenschaft oder
Technologie nicht wissenschaftlich akkurat beschrieben sein, aber sie muss plausibel
erscheinen (vgl. Roberts 2006a, 5 und Suerbaum/Broich/Borgmeier 1981, 20). Ein
bedeutendes Konzept, das die Vereinfachung eines Themas theoretisch erfasst, wurde
von Darko Suvin mit dem Begriff cognitive estrangement geprägt (1979, 4).58 Das im
Text verarbeitete ‚Erkennbare‘ (cognition) stellt den Bezug zur Gegenwart des
Rezipienten dar und das Novum (s.u.) wird zur Verfremdung (estrangement) eingesetzt
(vgl. ibid., 6 und 10).59 Durch den thematischen und sprachlichen Anschluss an die
Gegenwart der Rezipienten wird ein Relevanzbezug zu deren Lebenswelt aufgebaut.60
Die SF spielt mit eben diesem Wissen und den Werten, stellt sie in einen veränderten
Zusammenhang, kehrt sie um, kritisiert oder verfremdet sie. Die SF ist gerade auf diese
Grundlagen und dieses Wissen beim Rezipienten angewiesen, ohne das sie als
Denkmodell versagen würde. (Schröder 1998, 49)
Von anderer Seite wurde dieses Konzept mit den Termini extrapolation und speculation
zu fassen versucht – d.h. eine Technologie wird auf spekulative Weise in ein futuristisches Setting extrapoliert:
[W]hatever scientific interests it has must be recast imaginatively [i.e. speculation], put to
use in some alternative realm [i.e. extrapolation], some place other than or adjacent to the
here-and-now. Science Fiction plays out the tension between scientific interest and
imaginative speculation. (Gelder 2004, 64)
58
59
60
Zu estrangement und cognition vgl. auch Parrinder (2000).
Vgl. dazu auch Schröder (1998, 41).
Vgl. Schröder (1998, 39f sowie 44) sowie Suerbaum/Broich/Borgmeier (1981, 20) und Roberts
(2006a, 28).
41
Die fiktive Darstellung der Erkenntnisgewinnung wird dabei jedoch, so Suerbaum/
Broich/Borgmeier, teilweise so sehr durch die Vereinfachung „deformiert“, dass die
Darstellung ein veraltetes Bild der Wissenschaft zeichnet und dadurch zur Verfälschung
von Forschung beiträgt (1981, 30). Dabei bleibt die ethische Hinterfragung oft auf das
forschende Individuum beschränkt, wodurch eine Charakterisierung vorgenommen
wird. Mit anderen Worten: wird die forschende Person positiv konnotiert, dann werden
auch die Forschung sowie die Forschungsabsichten als positiv dargestellt und vice versa
(vgl. ibid.). Dies verweist bereits auf die Nutzbarmachung der Science Fiction als
mahnende Instanz.
Wie bereits erwähnt, greifen Science Fiction-Autoren Tendenzen und Diskurse
ihrer Gegenwart auf und können dazu beitragen, „den notwendigen Diskurs anzuregen
und [...] gelegentlich sogar der Zukunftsforschung als eine Art Frühwarnsystem [zu]
dienen“ (Steinmüller 1992, 29). Torben Schröder verweist auf die Tendenz der Leser,
Science Fiction mit Zukunftsprognostik zu verknüpfen:
Im Falle der Zukunftsprognostik wird immer wieder auf Beispiele verwiesen, in denen
SF-Autoren Entwicklungen beschrieben haben, die später tatsächlich eingetreten sind. Es
wird implizit unterstellt, die Autoren hätten in wissenschaftlicher Weise den aktuellen
Stand der technologischen oder gesellschaftlichen Entwicklung analysiert und dann in
unterhaltender Form eine Prognose gestellt, wie diese Entwicklung sich fortsetzen und
welche Folgen sie haben kann. (1998, 32)
Jules Verne zum Beispiel wurde von seinen Zeitgenossen als ein solcher ‚Prophet‘
angesehen, jedoch hat dieser, wie Schröder erklärt, seine ‚fortschrittlichen Ideen‘ im
Pariser Patentamt recherchiert und hatte also lediglich einen Wissensvorsprung gegenüber der Öffentlichkeit (vgl. ibid.). Seine Fiktionen waren also keine ‚Prognosen‘,
sondern die Verarbeitung von vorhandenem Erkenntniswissen. Science Fiction-Autoren
wollen generell keine Zukunftsprognostik betreiben, sondern auf zukünftige Eventualitäten hinweisen, die sich aus zeitgenössischen Tendenzen ergeben könnten. Erik
Simon erklärt, die Science Fiction beschreibt – konträr zur allgemeinen Auffassung –
„eine Dimension der Gegenwart – nicht die eine Zukunft, die tatsächlich kommen wird,
sondern den Fächer von virtuellen Zukünften, in dem sich die (oder einige) Tendenzen,
Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen und Fragen der Gegenwart spiegeln.“ (1992,
145; vgl. dazu auch Steinmüller 1992, 28) Science Fiction-Darstellungen, so Torben
Schröder, wollen somit ein Bewusstsein schaffen für das Zustandekommen von Veränderungen und dabei aufzeigen, dass diese nicht unausweichlich sondern durchaus
beeinflussbar sind (vgl. 1998, 37). Als Beispiel kann hier die Mahnung vor einem
42
Atomkrieg angeführt werden, welcher Mitte des 20. Jahrhunderts eine reale Gefahr
darstellte: „Science fiction, a literature that privileges the promise and terrors of
technical and scientific development, gained a sudden deadly relevance after August
1945.” (Luckhurst 2005, 80) Somit kann also ein möglicher Ethik-Diskurs durch
Science Fiction entstehen und zirkulieren, „indem sie [mögliche zukünftige Probleme]
vor ihrem Eintreten thematisiert, konkretisiert und dadurch diskutierbar macht“
(Schröder 1998, 37).
Die ‚Gier nach Wissen‘, wie auch das Bedürfnis zu wissen, was die Zukunft
bringt, ist ein ausgesprochener Reiz des Genres: „Science fiction […] relies upon our
hunger for foreknowledge and our need to contemplate shadows of the future as part of
the process of self-discovery.“ (Parrinder 1995, 16f) Das zukünftig Neue, das ‚Novum‘,
wird von Darko Suvin wie folgt bestimmt:
Quantitatively, the postulated innovation can be of quite different degrees of magnitude,
running from the minimum of one discrete new „innovation“ (gadget, technique, phenomenon, relationship) to the maximum of a setting (spatiotemporal locus), agent (main
character to characters), and/or relations basically new and unknown in the author’s
environment. (1979, 64)
Schröder vereinfacht dies in folgender Aussage: „Der Begriff des Novum umfaßt also in
Bezug auf die SF all jene Aspekte einer Geschichte, die von der Nullwelt [d.h. der
Gegenwart] abweichen und im Sinne der Definition SF ausmachen.“ (1998, 16) Es ist
dieser Bereich, der die Science Fiction von fantastischen und eskapistischen Genres
unterscheidet: „Das Novum wird [...] in der SF wissenschaftlich, wissenschaftsähnlich
oder zumindest auf eine dem herrschenden Wissenschaftsverständnis nicht widersprechende Weise erklärt.“ (Ibid., 18)61 Das Novum muss dabei nicht zwingend aus dem
technologischen Bereich kommen, wie Roberts betont; allerdings sind Raumschiffe und
Roboter „key machines of SF“ (Roberts 2006a, 7 und 111). Vor allem letztere werden
häufig als Folie für menschliches Verhalten eingesetzt, da die Schnittstelle zwischen
Mensch und Maschine hier besonders evident wird: „The robot is the dramatisation of
the alterity of the machine, the paranoid sense of the inorganic come to life.“ (Ibid., 118)
Bezüglich der Analyse von Science Fiction-Texten plädiert Schröder dafür, „von dem
Novum als Prämisse auszugehen und dessen Folgen zu hinterfragen, anstatt das Novum
selbst zu hinterfragen und so der Science Fiction ihr spezifisches Potential zu nehmen“
(1998, 59). Denn gerade in der Thematisierung der gesellschaftlichen Entwicklung,
61
Zur Definition des Fantasy-Genre und seine Abgrenzung zur Science Fiction vgl. bspw. Roberts
(2006a, 5 sowie 2006b, xiv) oder Suerbaum/Broich/Borgmeier (1981, 9).
43
angestoßen durch den Einsatz des Novums, liegt die Wirkmacht der Science Fiction,
kritisch über zeitgenössische Tendenzen zu reflektieren. Die Rolle von Science FictionTexten als mahnende Instanz kommt nicht nur in der Kritik von rein wissenschaftlichen
und technischen Entwicklungen zum Ausdruck, sondern auch in der Auslotung
gesellschaftlicher Themen. In seiner Studie zeigt Schröder, dass Science Fiction es
ermöglicht, „den Rezipienten gesellschaftliche Strukturen, Probleme und Gesetzmäßigkeiten vor Augen zu führen und gesellschaftsrelevante Themen auf spezifische Art und
Weise darzustellen“ (ibid., 29). Klaus Steinmüller sieht die Science Fiction diesbezüglich als „soziale[n] Seismograph[en]“ (1992, 28). Somit wird den von der Science
Fiction behandelten Diskursen eine gesellschaftliche Rückkopplungsfunktion beigemessen, sofern ein entsprechender Kontext etabliert wird und die massenmediale
Verbreitung gegeben ist (vgl. Schröder 1998, 51).
Das Novum kann auf zwei Arten in den Text integriert werden, anhand dessen
sich nach Torben Schröder die Science Fiction in zwei Bereiche teilen lässt: erstens die
Abenteuer-Science Fiction, in der das Novum „Kulisse oder Handlungsanlaß“ ist, und
zweitens die erkenntnisorientierte Science Fiction, in der das Novum „das Thema stellt“
(ibid., 16). Ähnlich trifft Ken Gelder diese Unterscheidung und sieht Science Fiction
entweder als „entertainment/adventure“ oder andererseits als „cerebral literature of
scientific ideas“ (2004, 66). Die Kategorie erkenntnisorientierte Science Fiction kann
nochmals unterteilt werden in gadget und social Science Fiction. In der gadget Science
Fiction ist das Novum auf ein wissenschaftliches oder technologisches Thema fokussiert, in der social Science Fiction werden besonders gesellschaftliche Konsequenzen
des Novums thematisiert (vgl. Schröder 1998, 16). Diese Einteilung in gadget und
social Science Fiction entspricht den geläufigeren Termini hard und soft Science
Fiction, die allerdings nicht direkt das Novum charakterisieren, sondern die generelle
Thematik des Textes. In der hard Science Fiction stehen die Naturwissenschaften im
Vordergrund:62 „[A] work of sf is hard sf if a relationship to and knowledge of science
and technology is central to the work.“ (Cramer 2003, 187)63 Auf der anderen Seite steht
die soft Science Fiction, in der vorwiegend humanistische Themen, wie Identitätssuche,
Ethik und Geschichte, thematisiert, aufgearbeitet oder weitergedacht werden: „writing
62
63
Eine stark simplifizierte Etymologie des Terminus ‚hard sf‘ bietet David Samuelson: „All sf requires
some relationship to modern science and technology, including expectations of technological change.
Hard sf ties much of its credibility to scientific rules and probability, enough that some readers define
it simply as ‚hard‘ to read“ (2009, 494).
Kathryn Cramer stellt außerdem einen extensiven Kriterienkatalog auf, zu dem u.a. die Schlüsselbegriffe „scientifically true“, „plausible“ und „didactic“ zählen (2003, 188f).
44
that subordinates ‚real‘ science to the demands of fiction“ (Gelder 2004, 64). Ken
Gelder bezeichnet soft Science Fiction, ähnlich wie Schröder, hierbei als ‚soziales
Genre‘ (vgl. ibid., 64f). Bei der soft Science Fiction werden die technischen gadgets, so
Suerbaum/ Broich/Borgmeier, lediglich zu „thematische[n] Requisiten“ (1981, 109).
4. Leitgedanken für die Analyse
Star Trek wurde von seinem Erfinder, Gene Roddenberry, als „wagon train to the stars“
(Whitfield/Roddenberry 1991, 21) bezeichnet, in der die final frontier, d.h. die Grenze
des Weltraums, erobert wird. Star Trek kann demnach der Kategorie der AbenteuerScience Fiction zugeordnet werden und fällt zudem in das ‚soziale‘ Subgenre, in der
‚harte Wissenschaft‘ in den Hintergrund tritt und soziale Auswirkungen einer Technologie in den Vordergrund gerückt werden.64 Das Novum ist in den Episoden Handlungsanlass – also Auslöser der ‚Störung‘ der ‚harmonischen Ausgangssituation‘ – und
die Konsequenzen für die Gesellschaft werden stark fokussiert. Aufgrund der offenen
Genrekonventionen einer Science Fiction-Serie kann das Novum aus vielfältigen
Gebieten herangezogen werden. Dabei ist von Bedeutung, dass dem Zuschauer das
Novum nicht gänzlich ‚fremd‘ ist, d.h. sein Wissen ausreicht, um die Thematik zu
verstehen.
Nach Hickethier lassen sich, wie oben bereits angedeutet, durch die kontextuelle
Verortung einer Serie in ihrer Entstehungszeit Aussagen über bedeutende kulturelle und
gesellschaftliche Themen treffen: „Entscheidend ist [...], wie die jeweils allgemein
formulierbaren Werte und Verhaltensweisen auf konkrete Situationen und Verhaltensanforderungen der jeweiligen Zeit bezogen werden, welchen Verhaltensspielraum die
Figuren den Zuschauern in Fragen der Lebensweise anbieten.“ (1991, 49f) Unter dieser
Prämisse liegt das Hauptaugenmerk bei den Analysen der einzelnen Episoden auf den in
der Serie propagierten ethischen Werten und Verhaltensweisen. Dementsprechend
wurde die Serie Star Trek: Voyager in Hinblick auf die Aufnahme und Vermittlung von
Kontroversen über Wissensgebiete in den 1990er Jahren und zum Millenniumswechsel
untersucht, da eine Medienkontroverse auf eine hohe gesellschaftliche Relevanz des
Themas schließen lässt (vgl. S. 32 oben). So konnten zwei in der Serie vermehrt auftretende Diskurskonfigurationen herausgefiltert werden: Zum einen die Makroebene
‚Wissenschaftsethos‘ und zum anderen die Makroebene ‚Geschichtsrepräsentation‘, die
64
Schröder attestiert zahlreichen Star Trek-Episoden Social Fiction zu sein (vgl. 1998, 65).
45
in Teil III und IV respektive diskutiert werden. Diese werden in Bezug gesetzt zu
Diskursverwandtschaften in populären Zeitschriften. In der Diskurskonfiguration ‚Wissenschaftsethos‘ ist zu erwarten, dass ein starker Aushandlungsprozess – verschiedene
Akteure, die unterschiedliche Intentionen im Diskurs vertreten – die Vermittlungs- und
Popularisierungsstrategien prägt. In der Diskurskonfiguration ‚Geschichtsrepräsentationen‘ kann erwartet werden, dass hier Wissenspolitiken zum Einsatz kommen, und
auch, dass die Verschiebung von Wissensregimen möglich ist.
46
II. „To Boldly Go“ – Wissen als Faszinosum und Gefahr
Von Anbeginn hatte Star Trek-Erfinder Gene Roddenberry den Anspruch, in seiner Serie
aktuelle Forschung abzubilden, und pflegte aus diesem Grund regen Kontakt zur
scientific community. So ließ er z.B. sein Konzept für die medizinische Station von
Experten kommentieren: „The concept, as a logical extension of today’s medical
science, was verified by sources in the scientific community.“ (Whitfield/Roddenberry
1991, 154) Stephen Whitfield, Co-Autor des Buches Star Trek: The Making of the TV
Series ([1968] 1991), berichtet von einem Abendessen in Washington, bei dem
Ingenieure, Wissenschaftler und Vertreter verschiedener Firmen anwesend waren:
„They were most interested in the show as a vehicle through which they might promote
their theories in order to popularize them and thereby gain acceptance at the real
scientific level.“ (Ibid., 206) Somit war die Serie als Plattform für die Wissenschaften
von Interesse; umgekehrt scheint Star Trek Wissenschaftler und Ingenieure aber auch
inspiriert zu haben: „Star Trek is full of examples of things being invented for the show
and later cropping up again in real life in some form or another.“ (Ibid., 176)65 Die Serie
hat zudem einige junge Zuschauer in ihrer späteren Berufswahl inspiriert:
New Scientists ran a story discussing how important the series had been in the recruitment
and development of a new generation of American researchers and technicians: „MIT
students, NASA engineers and other technical people find the programme compelling.
Star Trek is confirmation that what they are doing is worthwhile [...]“. (Jenkins/Tulloch
1995, 4)
Wie diese Zusammenhänge von fiktionaler Serie, den Wissenschaften und den
Zuschauern bereits zeigen, trifft Star Trek den ‚Nerv der Zeit‘. Als ein populäres
Kulturprodukt beschäftigt sich die Reihe der Star Trek-Produkte mit der Kultur des
Alltagslebens seiner Zuschauer und partizipiert in „Praktiken und Strategien des
Handelns und der Erzeugung von ‚Sinn‘“ (Wulff 2003, 21).
65
Vgl. dazu auch Greenwald: „[T]ransdermal hyposprays and folding cellular ‚communicators‘ – are
already in common use. A Canadian firm has developed the first working tricorder, and Apple
Computers – directly inspired by Star Trek – has come up with a version of the PADD (Personal
Access Display Device); a palmtop computer used by Starfleet personnel“ (1998, 39).
47
Das Wissen, das in den jeweiligen Star Trek-Serien66 präsentiert und verhandelt
wird, ist stets eng verknüpft mit deren Entstehungszeit.67 Ähnlich wie Steinmüller (s. S.
44 oben) bezeichnet Wulff Star Trek deshalb als „Seismograph[en] zeitgenössischer
Diskurse“ (ibid., 23). In The Making of Star Trek wird explizit auf die Intention
Roddenberrys verwiesen, mit der Original Series Themen ansprechen zu wollen, die in
den 1960er Jahren noch der Zensur unterlagen.
By using science fiction yarns on far-off planets, he was certain he could disguise the fact
that he was actually talking about politics, sex, economics, the stupidity of war, and half a
hundred other vital subjects usually prohibited on television. (Whitfield/Roddenberry
1991, 19)
Das von Gene Roddenberry vorgegebene futuristische Gewand gegenwärtiger Inhalte
wurde über die Jahre beibehalten. Spezielle Themen der Zeit werden dabei in einzelnen,
abgeschlossenen Episoden verhandelt; Katja Kanzler bezeichnet diese als issueepisodes, die bewusst kritisch konzipiert sind (vgl. 2004, 99).68 Zunächst soll eine
kurzer Abriss der Serie vorgenommen und alle zentralen Charaktere auch in Hinblick
auf durch sie verkörperte Wissensgebiete vorgestellt werden (1). Dem folgend wird
aufgezeigt, wie vielfältig sich die Voyager-Serie in issue-episodes mit unterschiedlichen
Wissensdiskursen beschäftigt (2). Schließlich wird anhand zweier Episoden beispielhaft
die ethische Bewertung des unbändigen Strebens nach Wissen aufgezeigt (3).
1. Eine kurze Einführung in Star Trek: Voyager
Die Handlung der Voyager-Serie ist im 24. Jahrhundert angesiedelt. Der übergeordnete
Handlungsrahmen ist die Rückkehr des Raumschiffs Voyager zur Erde, nachdem es im
Delta-Quadranten, einem unerforschten Bereich der Galaxis, gestrandet ist. Dorthin
gelangt die Voyager durch ein Wurmloch während der Verfolgung eines Schiffes der
‚Maquis‘-Rebellen. Durch einen Vorfall wird das Rebellenschiff zerstört und die beiden
Crews müssen auf der Voyager eine Allianz bilden, mit dem Ziel, zur Erde zurückzukehren. Die Heimreise quer durch den Delta-Quadranten wird auf eine Dauer von
über 70 Jahren geschätzt. Auf dieser ‚Odyssee‘ muss die Crew Abenteuer bestehen,
66
67
68
Star Trek: The Original Series (1966-1969), Star Trek: The Next Generation (1987-1994), Star Trek:
Deep Space Nine (1993-1999), Star Trek: Voyager (1995-2001) und Star Trek: Enterprise (20012005); die Jahresangaben beziehen sich auf die Erstausstrahlung im US-amerikanischen Fernsehen.
Vgl. z.B. Dewi (1997, 14f), Greenwald (1998, 137), Kanzler (2004, 15), Meyer (2008, 14f).
Kanzler beschränkt diesen Begriff allerdings in ihrer Studie auf Episoden, die sich mit Rassismus und
anderen sozialen Ungerechtigkeiten befassen.
48
kommt aber gleichzeitig dem in der Sternenflotten-Charta implementierten Forschungsauftrag nach und kartographiert neues Territorium und registriert bisher unbekannte
Spezies. Bei dieser Erforschung steht der Crew über den Bordcomputer das gesamte
gespeicherte Wissen ihrer Kultur zu Verfügung. Der unbekannte Weltraumquadrant
führt sie aber immer wieder auch an die Grenzen dieses Wissens und löst so
Forscherdrang aus.
1.1 Das Stammpersonal des Raumschiff Voyager
Die Crew der Voyager besteht serientypisch aus einer Kerngruppe, die sich über die
Serienlaufzeit kaum verändert: Diese Gruppe bilden Captain Kathryn Janeway (gespielt
von Kate Mulgrew),69 der Erste Offizier Commander Chakotay (gespielt von Robert
Beltran), Sicherheitsoffizier Lt. Tuvok (gespielt von Tim Russ), Operations- und Kommunikationsoffizier Ensign Harry Kim (gespielt von Garrett Wang), Chefingenieurin Lt.
B’Elanna Torres, die halb Klingonin und halb Erdenmensch ist (gespielt von Roxann
Dawson), Pilot Lt. Tom Paris (gespielt von Robert Duncan McNeill), das medizinische
Hologramm (gespielt von Robert Picardo) sowie zwei Zivilisten aus dem DeltaQuadranten, Neelix (gespielt von Ethan Phillips) und Kes (gespielt von Jennifer Lien).
Die Borgdrohne Seven of Nine (gespielt von Jeri Ryan) wird in der letzten Folge der
dritten Staffel als Charakter eingeführt.
Als Captain kommt es Janeway zu, eine Wissensgeneralistin zu sein. Ihr Spezialgebiet liegt jedoch in den Naturwissenschaften. Aufgrund dieses Hintergrunds ihrer
Ausbildung ist Janeway sehr vertraut mit Technik und Wissenschaft und dies in
höherem Maße als die anderen Captains.70 Eine Art Mutter/Tochter Beziehung etabliert
sich zwischen Janeway und Kes und später zwischen Janeway und Seven. Allerdings,
wo Janeway sich bei ihren Entscheidungen bei aller Wissenschaftlichkeit auch noch von
Gefühlen leiten lässt, stellt Seven stets das umfassende Wissen, das sie als Borg akkumuliert hat, und die daraus gefolgerten rationalen Entscheidungen in den Vordergrund.
Affinitäten zu Wissenschaft und bestimmten Wissensbereichen sind bei den
Führungsoffizieren der Voyager unterschiedlich ausgeprägt. Tuvok ist als Vulkanier
69
70
Die Figur der Captain Janeway ist der erste weibliche Sternenflotten-Captain in einer Serienhauptrolle. Eine feministische Perspektive auf das Raumfahrtprogramm der NASA mit Verbindung zu Star
Trek eröffnet Penley (1997).
Captain Kirk (Original Series) sticht vor allem durch seinen Pragmatismus hervor, wohingegen
Captain Picard (Next Generation) eher als Philosoph dargestellt wird. Captain Sisko (Deep Space
Nine) muss hauptsächlich diplomatisches Geschick einsetzen.
49
aufgrund seiner Herkunft der Logik und Rationalität verschrieben. Wie auch in anderen
Serien des Star Trek-Franchise wird für Vulkanier die Abspaltung der Gefühle
thematisiert (z.B. in „Meld“, 2/16; „Flashback“, 3/02 und „Riddles“, 6/06).71 Somit
bildet auch er eine rationale Vergleichsfolie zu Janeways emotionalen Entscheidungen.
Für die anderen Charaktere ist er eine Mentorfigur, die Themen jeglicher Art sachlich
begegnet. Chakotay ist indianischer Abstammung und seiner Herkunft sehr verbunden:
Seine speziellen Wissensgebiete liegen im Bereich des philosophischen und spirituellen
Wissens sowie der Anthropologie (s. bes. die Episoden „Basics, Part II“, 3/01; „Distant
Origin“, 3/2372 sowie „Blink of an Eye“, 6/12).
Die Charaktere B’Elanna Torres und Tom Paris repräsentieren vornehmlich
technisches Wissen. Für B’Elanna wird dieses Wissen vor allem in den Episoden
„Prototype“ (2/13) und „Dreadnought“ (2/17) diskutiert, wobei diese Episoden auch
explizit die Verantwortung des Ingenieurs für seine ‚Kreation‘ thematisieren (vgl. S.
139-140). Tom Paris ist als erfahrener Pilot ähnlich wie ein Ingenieur mit der Technologie von Raumschiffen vertraut. Bei ihm werden aber vor allem auch Freizeitinteressen und -aktivitäten beleuchtet, etwa seine Geschichtsbegeisterung; er wird
besonders als aficionado des 20. Jahrhunderts ausgewiesen. In diesem Zusammenhang
betreibt er zum Beispiel ‚Kulturstudien‘ mit dem Holoprogamm „The Adventures of
Captain Proton“, wobei ihn hierbei interessiert, wie sich vergangene Generationen die
Zukunft ausgemalt haben (vgl. „Bride of Chaotica!“, 5/12). Der junge Fähnrich Harry
Kim zeichnet sich auch durch technisches und naturwissenschaftliches Wissen aus.
Aufgrund seiner Unerfahrenheit bedeutet dieses Wissen für ihn eine Form der Sicherheit
während der ungewissen Reise zurück zur Erde.
Die Figur der Kes ist zunächst sehr kindlich in ihrer Weltwahrnehmung und
verfügt über einen entsprechenden Wissensstand. Vor allem ihre Beziehung zu Janeway
fungiert als Motivation zur Erforschung ihrer Umwelt. Neelix hingegen kann als
‚weltgewandt‘ bezeichnet werden. Sein Wissen ist nicht akademischer Natur, sondern
lebensnah und adaptiv. Seine Hauptaufgabe besteht anfangs in der Versorgung und
Unterhaltung der Crew.
In Hinblick auf das Thema Wissen sind von Seiten der Voyager-Crew besonders
Seven sowie der holografische Doktor hervorzuheben. Beide Figuren haben eine stark
71
72
Die Angaben in Klammern nach dem Episodentitel beziehen sich auf Staffel/Episode, sprich 2/16
entspricht Staffel 2, Episode 16. Dies wird bei der ersten Nennung der Episode angegeben. Aus
Gründen der Darstellung wird das Datum der Erstausstrahlung nur bei ausführlich besprochenen
Episoden zusätzlich genannt.
Die Episode wird auf den Seiten 112-115 ausführlicher besprochen.
50
ausgeprägte nicht-menschliche Dimension: Seven als Mensch, der in einen Cyborg
verwandelt wurde, und der Doktor als Hologramm. Aufgrund der technologischen Seite
ihrer Existenz haben beide Figuren einen fast unbegrenzten Zugang zu Wissen und
damit eine individuelle ‚Wissenskultur‘, die ständig zu denen der ‚nur‘ biologischen
Figuren in Bezug gesetzt wird.
1.2 „Is There Anything You Don’t Know?“ – ‚Allwissende‘ in Voyager
Die Borg,73 als halb organische, halb technologische Lebensform, können durch ihre
technologischen Implantate und ihre Vernetzung zu einem übergeordneten Bewusstsein
ebenfalls Unmengen an Wissen speichern und synchron im Kollektiv Wissen in Echtzeit
erneuern und erweitern. Zudem können die Borg als ‚Wissensjäger‘ charakterisiert
werden; die forcierte Wissensakkumulation ist begründet in ihrem Streben nach Perfektion, nach ‚Allwissen‘. Dies verdeutlicht, dass die Borg nicht einfach auf der Suche
nach technologischem Know-How sind, welches sie bereits in hohem Maße besitzen.
Auf ihrer ‚Jagd‘ nach Wissen akkumulieren sie vielmehr einen unvergleichlichen
Wissensschatz: Die unethische Komponente dieser Wissenssammlung liegt in der
Zerstörung anderer Völker, die bei der Integration in das Borg-Kollektiv ausgelöscht
werden. Gemäß dem Streben nach Perfektion, werden die zu assimilierenden Völker
aufgrund ihres Wissensstandes ausgewählt, d.h. unterentwickelte Zivilisationen werden
stringent ignoriert. Das einmal von den Borg assimilierte Wissen ist sicher ‚gespeichert‘
und kann nicht zerstört werden, so lange noch ein Borg am Leben ist. In der Serie
fungieren die Borg hinsichtlich der Wissensakkumulation und -verwendung als Vergleichsfolie zur Sternenflotte. Dabei haben sie einen technologischen Vorsprung durch
ihre kollektive Wissensvernetzung: „Das ist auch verständlich, wenn man bedenkt, daß
technologische Weiterentwicklung auf der Grundlage von Wissenszuwachs der Gemeinschaft geschieht, der durch den kollektiven Charakter des Bewußtseins der Borg als
rasant zu bezeichnen ist.“ (Berreth/Witte 1997, 73) Der Widerstand der Menschen gegen
eine Assimilierung in ihr Kollektiv löst bei den Borg Unverständnis aus, denn bei der
Assimilierung „bringt jeder Neuankömmling sein ganzes Wissen ins Kollektiv mit ein
und erfährt das Wissen aller anderen Kollektivmitglieder“ (Bausch 2003, 32).74 Nach
Bausch ist die Assimilierung eine „faszinierende wie erschreckende Dimension der Idee
73
74
Der Name ‚Borg‘ ist offensichtlich abgeleitet von dem Wort Cyborg.
Durch diesen kollektiven Charakter der Nutzung des Wissens des Einzelnen sehen Berreth/Witte eine
Abwandlung des Begriffs „Allgemeinwissen“ (vgl. 1997, 73).
51
einer Nivellierung aller Unterschiede: de[r] Januskopf einer starken Verbesserung der
kognitiven, kommunikativen und interaktiven Fähigkeiten – auf Kosten der Individualität“ (ibid., 32).75 Durch diese Form der Akkumulation und Speicherung von Wissen
können die Borg als Datenbank charakterisiert werden (vgl. ibid.).
Seven of Nines perfektes Gedächtnis ist durch ihre Zeit im Borgkollektiv
geprägt. Nachdem sie vom Kollektiv getrennt ist, bleibt sowohl der Wissensschatz, den
sie als Borg angesammelt hat, erhalten als auch ihr Vermögen, viel (neues) Wissen zu
erinnern. In der Episode „The Omega Directive“ (4/21) wird Sevens extensives Wissen
explizit von Harry angesprochen:
Harry: Is there anything you don’t know? […] You have the knowledge of 10,000
species in your head?
Seven: Not exactly. Each drone’s experiences are processed by the collective. Only useful
information is retained.
Harry: Still, that probably makes you the most intelligent being alive. (02:02)76
In Voyager erscheint Seven erstmals am Ende der dritten Staffel. Janeway geht mit den
Borg einen Pakt ein, um sich gegen die Bedrohung durch eine andere Spezies zu
verbünden („Scorpion, Part I“, 3/26).77 In diesem Zusammenhang kommt Seven of Nine
an Bord der Voyager, um für das Kollektiv zu sprechen. Als die Borg das Bündnis mit
Voyager für nichtig erklären und die Voyager-Crew assimilieren wollen, flieht diese und
nimmt Seven mit. Nach einiger Zeit werden Sevens Borgimplantate weitgehend entfernt
und sie erhält wieder ein menschliches Aussehen. Ihr Wissen bleibt jedoch erhalten und
ist von hohem Wert für die Voyager-Crew. Ihre zentrale Funktion als Figur ist das
ständige Hinterfragen von Entscheidungen und Handlungsmotiven der Crew. Im Zuge
ihrer Rückentwicklung zum menschlichen Wesen muss Seven u.a. lernen, dass Wissenserwerb ethischen Richtlinien unterliegt und nicht jedes Wissen einfach angeeignet
werden kann, wie unten bei der Besprechung der Episode „The Omega Directive“
gezeigt werden wird.
Neben diesen ‚halb-organischen Datenbanken‘ gibt es in Voyager die computerbasierten Wissensspeicher, zu denen auch das medizinische Hologramm gehört.78
75
76
77
78
Die Borg assimilieren nicht nur das Wissen einer Bevölkerung, sondern auch deren Aussehen; Körperteile sowie Organe können durch technologische Implantate ersetzt werden.
Alle Zitate aus der Serie wurden unter Zuhilfenahme der Untertitelfunktion transkribiert. Aus
Darstellungsgründen wird bei Zitaten aus den Episoden stets nur die Anfangszeit genannt.
Der Episodentitel verweist auf die Parabel vom Skorpion. Mit diesem vergleicht Chakotay die Borg:
es liegt nicht in ihrer Natur, nicht zu assimilieren.
Ähnlich wie die Gedächtnis-Speicherkarte des Androiden Data aus der Next Generation-Serie, die
jegliche Informationen speichert.
52
Anfangs ist das Programm des Doktors nur mit medizinischem Wissen ausgestattet; er
entwickelt im Laufe der Serie allerdings den Wunsch, ‚menschlicher‘ zu werden.79 Da
es sich um ein adaptives Computerprogramm handelt, können weitere Programme
implementiert werden. Das Wissen, das der Doktor zur Ausbildung einer Persönlichkeit
und Konstitution von Identität anhäuft, verursacht allerdings gelegentlich Probleme in
seiner Matrix und er muss so, ähnlich wie Seven, den verantwortungsvollen Umgang
mit Wissen erlernen. Im Prinzip ist er jedoch mit den anderen Computern an Bord der
Voyager gleichzusetzen, da er unendlich viel Wissen speichern kann, zusätzlich ist es
ihm aber möglich, ähnlich wie einem Menschen, mit vorhandenem Wissen neues
Wissen zu generieren.
Die Charaktereigenschaften der zentralen Serienfiguren bieten zusammen mit
dem Motiv der Reise viel Spielraum für die Thematisierung von Wissen und
Wissensdiskursen. Da sich die spätere Analyse auf die Themengebiete Wissenschaftsethos und Geschichtsrepräsentationen konzentrieren wird, soll hier im Folgenden ein
Überblick über das in Star Trek: Voyager verhandelte Wissen vorangestellt werden.
2. Ein Überblick über Wissensthemen und -diskurse in Voyager
Die Form der Aufnahme und Verarbeitung von Themen aus den modernen
Wissenschaften in allen Star Trek-Produkten lässt Wulff die These aufstellen, dass Star
Trek „als ein Laboratorium zeitgenössischen Denkens“ genutzt wird (2003, 22). Die
behandelten Wissenschaftsthemen werden in der Serie „spielerisch erprobt“, wobei die
Episoden anhand von „Konzepte[n] und Modellvorstellungen diverser Wissenschaften
[...] fundamentale Annahmen oder Problemstellungen dieser Disziplinen durchspielen
und reflektieren“ (ibid.). Wie Wulff bemerkt, setzt dies bereits einen gewissen Wissensstand des Zuschauer voraus, allerdings wird der Zuschauer ebenso „informiert“, was
Wulff mit dem Konzept Star Trek als „Diskursivierungsagentur“ fasst, die „in beständigem Austausch mit den ‚äußeren‘ Wissenschaften steht und deren Fragen reflektiert
und exemplifiziert“ (ibid., 23). Die Reflexion zeitgenössischer Wissensthemen, wie sie
für die Science Fiction generell üblich ist, lässt sich bei Star Trek:Voyager an
verschieden Episoden festmachen. Es handelt sich durchweg um Themen, die in den
79
Diese Bemühungen sowie die Unterschiede zum Verhalten von anderen künstlichen Intelligenzen
werden in III.2.2 sowie III.2.4 besprochen.
53
1990er Jahren breit diskutiert wurden. Neben den Bereichen die in den Abschnitten III
und IV diskutiert werden, waren dies ‚zeitaktuelle‘ Themen aus den Bereichen Soziologie, Ökologie und Literatur.
Ein Aspekt, der aus dem Bereich des Gesellschaftswissens aufgegriffen wird, ist
die Veränderung traditioneller Familienzusammenschlüsse in den 1990er Jahren und
dem damit aufkommenden „myth of the family as happy unit“ (Hartigan 2002, 140). In
der Episode „Real Life“ (3/22) wird das amerikanische Familienideal der 1960er und
1970er Jahre dem der modernen Familie gegenübergestellt. Der Doktor hat sich auf dem
Holodeck zur Erweiterung seiner Persönlichkeit durch soziales Wissen eine Bilderbuchfamilie programmiert. B’Elanna ist der Meinung, dass dies nicht der Realität entspricht
und nimmt Veränderungen an dem Programm vor: die ‚adrette‘ Hausfrau wird zur
Karrierefrau, der Sohn zum Rebellen, der klingonischen Heavy Metal hört. Auch eine
Katastrophe wird programmiert: Die Tochter stirbt in einer Szene, die an in den 1990er
Jahren populäre Krankenhausserien erinnert. Es wird hier hervorgehoben – und dies
wird als Lektion für das medizinische Hologramm präsentiert –, dass man innerhalb
einer Familie Verantwortung füreinander übernimmt, und dass Krisensituationen den
Zusammenhalt einer Familie stärken können.
Auch soziopolitisches Wissen wird in Voyager verhandelt. Auffallend häufig
wird etwa die ethische Vertretbarkeit der Todesstrafe thematisiert. In den 1990er Jahren
war die Debatte um die Todesstrafe aufgrund der angestiegenen Anzahl durchgeführter
Hinrichtungen vermehrt in den Medien präsent:80 „In many states, executions – there
have been 34 of them since the beginning of 1996 – have become workday affairs, so
routine they barely make the papers or draw protesters to the prisons.“ (Pooley 1997,
n.pag.) Die Ausgabe des Time Magazine vom 16. Juni 1997 beschäftigt sich sowohl im
Leitartikel als auch in weiteren Artikeln mit dem Für und Wider der Todesstrafe. Eine
von Pooley angeführte Umfrage zeigt, dass eine Zweidrittel-Mehrheit der US-Bürger
für die Ausübung der Todesstrafe ist, jedoch die Effektivität des Strafmaßes bezweifelt:
A 52% majority don’t think the death penalty deters people from committing crimes, and
60% don’t think vengeance is a legitimate reason to execute someone. Then what is
America’s honest rationale for putting this man, or any other human being, to death?
(Ibid.)
Voyager zeigt in den entsprechenden Folgen, wie andere Spezies mit der Bestrafung von
Kapitalverbrechen umgehen: In „Ex Post Facto“ (1/7) werden einem Mörder die letzten
80
Vgl. <http://www.deathpenaltyinfo.org/executions-year> (Zugriff 17.02.2015).
54
Sekunden des Lebens seines Opfers ins Gehirn eingepflanzt und in einer Art Wiederholungsschleife alle 14 Stunden ‚gesendet‘.81 In der Episode „Random Thoughts“ (4/10)
sind in einer Gesellschaft von Telepathen gewalttätige Gedanken verboten. Wer hier
aufgrund eines ‚bösen‘ Gedankens schuldig gesprochen wird, wird einer Lobotomie
unterzogen. Eine höchst fragwürdige Strafmaßnahme, die der Verbreitung bösen
Gedankenguts allerdings keinen Einhalt gebietet, denn es hat sich ein florierender
Schwarzmarkt für diese Art von Gedanken etabliert. In „Repentance“ (7/13) begegnet
die Voyager einem Gefangenentransport; die Häftlinge sind auf dem Weg zu ihrer
Exekution. Bei einem der Häftlinge wird festgestellt, dass er unter einer Störung des
Gehirns leidet, die verhindert, dass er Schuldgefühle und Mitleid empfindet. Mit Hilfe
von Sevens Nanosonden wird die entsprechende Stelle im Gehirn geheilt, woraufhin der
Täter nun unter seiner Tat leidet. Aber auch diese Reue rettet ihn letztlich nicht vor der
Todesstrafe. Eine indirekte Todesstrafe ist die Inhaftierung in einem Gefängnis im
Weltall, das in der Episode „The Chute“ (3/03) gezeigt wird, die zudem einen Kommentar zu unmenschlichen Haftsituationen enthält. Nahrung und andere Güter werden
durch eine Andockstation geliefert; es gibt keine Wärter. Die Häftlinge tragen ein
Implantat, das sie langsam wahnsinnig werden lässt und dazu führt, dass die Insassen
untereinander Kämpfe austragen, bei denen sie sich gegenseitig töten. Es wird erwähnt,
dass diese Art von Gefängnis kostengünstig ist, die Häftlinge jedoch schnell an Hunger
oder durch Gewalt sterben. Diesen Episoden ist gemein, dass das jeweilige Strafmaß
von der Voyager-Crew als ethisch nicht vertretbar angesehen wird. Die Frage, wie mit
einem Mörder aus den eigenen Reihen umzugehen ist, thematisiert die Episode „Meld“
(2/16). Ein Crewmitglied hat einen Mord begangen. Die Optionen für das angemessene
Strafmaß sind: ihn ins All zu schießen oder lebenslange Haft in einer Arrestzelle des
Raumschiffes. Letztlich wird beschlossen, ihn für den Rest der Reise in seinem Quartier
unter Arrest zu setzen sowie sein Aggressionsverhalten mit Meditationsübungen zu
therapieren.
Ein weiteres Thema, das in mehreren Episoden angesprochen wird, ist das
Wissen über die Umwelt und die Notwendigkeit ökologischer Verantwortlichkeit,
welches seit den späten 1990er Jahren breit in den Medien verhandelt wird. Vor allem
das im Jahre 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz ist in diesem Zusammenhang bedeutend, denn die USA unterzeichneten das Protokoll zwar 1998, haben es
81
Vor der Einführung dieser Strafmaßnahme wurden Mörder mittels tödlicher Injektion hingerichtet.
Auch was die Beweisführung und Urteilsfindung angeht, werden diese letzten Minuten aus dem
Leben des Opfers herangezogen.
55
aber bis heute nicht ratifiziert. In diesem Zusammenhang wird die mahnende Funktion
von Science Fiction evident, indem sie ökologisches Fehlverhalten anprangert. Zwar
gab es bereits seit den 1970er Jahren eine ökologische Bewegung in den USA, aber erst
die liberale Clinton-Regierung brachte ökologisch verantwortliches Handeln erneut auf
die Tagesordnung.82 In Voyager wird der Bereich Ökologie anhand zweier Themen
verhandelt: Umweltverschmutzung und die Vernichtung des Regenwaldes. Die
Verschmutzung durch illegale Giftmüllentsorgung wird in den Episoden „Night“ (5/01)
und „Juggernaut“ (5/21) angesprochen. In beiden Episoden ist es die Spezies der Malon,
die ihren radioaktiven Müll über ein Wurmloch in einem anderen Bereich des
Weltraums entsorgen.83 Die Voyager-Crew will den Malon eine Technologie zur
Verfügung stellen, mit der sie den Müll reinigen können. Diese lehnen jedoch aus
Profitgründen ab, woraufhin die Voyager eingreift und das Wurmloch verschließt. Die
Vernichtung von Regenwald und das damit verbundene Problem des Erhalts indigener
Kulturen, wie sie bspw. im Amazonasgebiet noch vorhanden sind, wird in „Natural
Law“ (7/22) thematisiert. Hier stößt die Voyager auf einen Planeten, auf dem eine durch
ein Kraftfeld geschützte Urbevölkerung ihre Lebensweise isoliert von ‚fortschrittlicheren‘ Bewohnern bewahrt hat. Die Voyager kann dazu beitragen, dass diese
Lebensweise auch weiterhin von einem zu schnellen Vordringen einer technologisierten
Welt geschützt sein wird. Neben ökologischem Wissen wird in dieser Folge auch
anthropologisches Wissen aufgerufen, das in der Voyager-Serie generell mit der Figur
des indianischstämmigen Chakotay verbunden wird. Das Schicksal ‚seiner‘ Vorfahren
auf der Erde und Chakotays persönlichen Entdeckung des Wertes indianischer
Traditionen sind Thema der Episode „Tattoo“ (2/09). Aber auch in anderen Kontexten
ist es besonders Chakotay, der die Bedeutung des Wissens über andere Kulturen
vermittelt und Respekt vor den Bräuchen anderer Kulturen einfordert. Brandt/
Schindel/Wellhöner heben hervor, wie Chakotay in der Folge „Emanations“ (1/9) bei
einem archäologischen Fund für einen „pietätvolle[n] Umgang mit den Leichnamen und
gegen eine wissenschaftliche Untersuchung plädiert“ (2003, 155). Ebenso kommentieren Brandt/Schindel/Wellhöner die prägnante Thematisierung von „Missbrauch
archäologischen Materials“ zu politischen Zwecken in „Distant Origin“ (3/23) oder die
82
83
Vgl. „Clinton Presidency“. Clintons damaliger Vizepräsident Al Gore erhielt im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis für sein Engagement im Bereich des Klimaschutzes (vgl. „Nobel Peace Price 2007“).
Wie die Föderation mit der Beseitigung von radioaktivem Müll umgeht – und zwar ebenfalls in
ethisch nicht einwandfreier Form – wird in der Episode „Life Line“ (6/24) angesprochen. Hier werden
veraltete Modelle des medizinischen Hologramms (d.h. das Programm des holografischen Doktors der
Voyager) zur Beseitigung von radioaktiven Müll ausgebeutet.
56
Manipulation von Geschichte in „Living Witness“ (4/23) auf (ibid., 155f).84 Dies zeugt
von einer in der Serie propagierten Sensibilisierung für den respektvollen Umgang mit
historischem Wissen und Artefakten.85 Zudem deutet dies auch auf einen Wandel in der
Wissenskultur hin, die zunehmend mit ethischen Reflektionen angereichert wird.
Eine weitere Wissenskategorie, die thematisch besonders vielfältig in Star Trek:
Voyager verarbeitet wird, ist literarisches Wissen. Halbohm bemerkt, dass die Produzenten von Star Trek generell vielfach auf andere populäre Medienprodukte zurückgreifen, so das kulturelle Wissen der Zuschauer abrufen und intertextuelle Referenzen
zu Unterhaltungszwecken einsetzen.86 Mit seinen Anleihen an Mary Shelleys
Frankenstein zitiert Voyager nicht nur den Ursprung des Science Fiction-Genres (vgl. S.
40), sondern spricht mit diesem Genre-Prototyp vor allem auch das ‚ethische Dilemma‘
in den Wissenschaften an (vgl. III.2.4).87 Ein weiterer ‚Klassiker‘, dessen Autor als
Mitbegründer des Science Fiction-Genres angesehen wird, ist Jules Vernes Roman
20.000 Meilen unter dem Meer (Vingt mille lieues sous les mers, 1869). Der Roman
wird in der Doppelfolge „Year of Hell“ (4/08, 09, s. S. 105-107) und ein weiteres Mal in
der Folge „Thirty Days“ (5/9) erwähnt. Hier trifft die Voyager auf einen
Wasserplaneten, auf dem sich alles Leben unter Wasser abspielt. Im Gespräch mit
Janeway erzählt Tom Paris von seiner Liebe zur Abenteuerliteratur 88 und erinnert sich,
wie er als Junge Vernes 20.000 Meilen unter dem Meer gelesen hat. Bei einer Außenmission unter Wasser ruft der von Harry ausgegebene Statusbericht – „20,000
kilometers to the surface“ (15:54) – Vernes Roman nochmals als Zitation in Erinnerung.
Ein Topos der Science Fiction ist auch die in gut und böse gespaltene
Persönlichkeit, wie sie Robert Louis Stevenson in dem Klassiker Dr. Jekyll and Mr.
Hyde (1886) darstellt.89 Lediglich angedeutet wird die literarische Verbindung in der
Episode „Darkling“ (3/18). Der holografische Doktor hat eine Bewusstseinstörung, die
bei ihm unter bestimmten Umständen ein böses Alter Ego zum Vorschein bringt. Die
Referenz zu Stevenson wird hier nicht explizit erwähnt, die Parallele ist jedoch
84
85
86
87
88
89
Vgl. zur Besprechung von „Distant Origin“ S. 112-115 und „Living Witness“ S. 205-208.
Dieser Aspekt wird in Abschnitt IV, Kapitel 3.3 noch weiter ausgelotet.
Halbohm (2003) analysiert in seinem Aufsatz, wie Star Trek mit Zitaten und Anspielungen aus
anderen populären Kulturprodukten umgeht und welchen Zweck die jeweilige Darstellungsform für
die entsprechenden Episoden erfüllt, vgl dazu auch S. 31.
Zur Verarbeitung von Shelley in der Original Series vgl. Kreitzer (1996, 17), zu Voyager liegen
hierfür keine Studien vor.
Außer Verne werden hier Moby Dick und der Comic-Superheld Captain Courageous aus den 1940er
Jahren (der von Rudyard Kiplings Captains Courageous (1897) inspiriert ist) genannt.
Bereits in der Episode „The Enemy Within“ (Original Series, 1/04; 06.10.1966; Regie: Leo Penn)
wurde Jekylls Roman adaptiert (vgl. Kreitzer 1996, 17).
57
eindeutig. Anders verhält sich dies in der Folge „Equinox, Part II“ (6/01), in der der
Doktor beunruhigt feststellt, dass man ihn durch das Umlegen eines Schalters, d.h.
durch das Ausschalten seines ethischen Unterprogramms, in den bösen Mr. Hyde
‚verwandeln‘ kann. Um dies in Zukunft zu verhindern, wird ein Sicherheitsprotokoll
eingespeist.90 Auch in einer frühen Episode der Serie, „Faces“ (1/14), wird der Topos
zweier Persönlichkeiten einer Figur thematisiert. Ein außerirdischer Wissenschaftler
trennt B’Elannas Erbgut, d.h. er erschafft aus einer Person zwei, einen Erdenmenschen
und eine Klingonin. Somit sind auch ihre Temperamente getrennt: der Erdenmensch ist
scheu und zurückhaltend, die Klingonin hat die Charakterzüge einer Kriegerin. Als
Hommage an das Genre der Science Fiction kann Tom Paris’ Holo-Serie „The
Adventures of Captain Proton“ angesehen werden, die in mehreren Episoden gespielt
wird (vgl. bes. „Bride of Chaotica!“). Der Superheld Captain Proton ist an die frühen
Comic-Helden der 1930er bis 1950er Jahre, wie Buck Rogers, Captain Courageous und
Flash Gordon, angelehnt. Die Captain Proton-Episoden werden dabei auch genutzt, um
eine Geschichte des Science Fiction-Genres zu evozieren, in die sich Voyager einreiht.
Abgesehen von solchen für das Science Fiction-Genre bedeutenden Texten
werden weitere literarische ‚Klassiker‘ der englischsprachigen Literatur für einzelne
Episoden herangezogen. Eine vielleicht ungewöhnliche Wahl ist die Verarbeitung des
altenglischen Heldenepos Beowulf, das in der Episode „Heroes and Demons“ (1/12) auf
dem Holodeck nachgespielt wird. Harry ‚spielt‘, in historischer, skandinavisch anmutender Kleidung, Beowulf. Tuvok und Chakotay diskutieren aus diesem Anlass den
Epos als Beispiel für das Bedürfnis nach Mythologien.91 Ein speziell für die
amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte bedeutender Text ist Hermann Melvilles
Moby Dick (1851). In der Folge „Bliss“ (5/14) trifft die Crew auf eine Lebensform, die
näherkommenden Raumschiffen suggeriert, ein Wurmloch zu sein, das sie direkt an den
Ort ihrer Wünsche bringt – im Fall von Voyager ist dies die Rückkehr zur Erde.
Tatsächlich aber verschlingt das Alien seine Beute. Dabei trifft die Crew auf Qatai,
einen alten ‚Haudegen‘, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebensform
unschädlich zu machen. Qatai ist ähnlich wie Ahab besessen von der Lebensform und
hat sein Leben deren Vernichtung verschrieben.92 Die Analogie zu Melville wird explizit
90
91
92
Das ethische Verhalten des Doktors wird auf den S. 152-160 näher beleuchtet.
Weitere Episoden, die sich mit Mythologie beschäftigen sind „Dragon’s Teeth“ (6/07) und „Endgame“
(7/25,26), beide beziehen Elemente der griechischen Sagenwelt mit ein.
Halbohm merkt an, dass Moby Dick in Star Trek mehrfach als Symbol der Rache verwendet wird, so
z.B. auch in den beiden Spielfilmen Star Trek II: The Wrath of Khan (1982, Regie: Nichoals Meyer)
und Star Trek VIII: First Contact (1996, Regie: Jonathan Frakes) vgl. Halbohm (2003, 168). Zu
58
ausgesprochen in einer Unterhaltung zwischen Qatai und dem Doktor, der ‚immun‘
gegen die Suggestionen ist und den Qatai deshalb anheuern möchte. Der Doktor jedoch
erwidert: „An Ishmael to your Ahab? I’m a doctor not a dragon slayer.“ (37:07) Eine
Vermischung von zwei Romanen aus dem 19. Jahrhundert findet sich schließlich in
einem Holo-Roman, den Captain Janeway zur Unterhaltung spielt (in „Cathexis“, 1/13;
„Learning Curve“, 1/16 und „Persistence of Vision“, 2/08). Hier werden Elemente aus
den Romanen Jane Eyre (1847) von Charlotte Brontë und The Turn of the Screw (1898)
von Henry James eingebaut. In diesem Holo-Roman spielt Janeway eine Gouvernante,
die zwei Kinder beaufsichtigt und unterrichtet. Der Hausherr hütet ein dunkles
Geheimnis, sie darf z.B. das oberste Stockwerk des Hauses nicht betreten. Die
Atmosphäre ist dem Genre der gothic romance angepasst: Unter anderem werden
Räume nur mit Kerzen beleuchtet und bei dramatischen Sentenzen blitzt es, und ein
Donnergrollen ist zu hören. Solche literarischen Anspielungen geben den entsprechenden Episoden einen ‚Trivial-Pursuit-Effekt‘ (vgl. S. 31 oben) und bringen zudem
Abwechslung in die Serien-Routine. Hierbei wird mit Bildungs- und Kulturwissen
gespielt und es wird herangezogen, um Situationen oder Figuren indirekt zu charakterisieren. Dabei wird nicht nur auf das Science Fiction-Genre als Fundus zurückgegriffen, sondern auch als Hochkultur etablierte Texte (wie Beowulf oder Moby Dick)
werden verarbeitet und ‚popularisiert‘.
Werden also, wie diese Beispiele zeigen, in Voyager diverse Wissensbereiche
und -diskurse angesprochen, so dominiert doch der Bereich des naturwissenschaftlichen
Wissens (s. Teil III),93 wie bei einer Science Fiction-Serie auch zu erwarten ist. Vor
allem Themen aus dem Bereich des biologischen Wissens werden in der Voyager-Serie
häufig aufgegriffen, denn sie werfen offensichtlich Fragen auf, die die Lebenswelt der
Zuschauer tangieren. Zudem sind Ängste angesichts sich global verbreitender Infektionen in Betracht zu ziehen. Tödliche Vireninfektionen und Pandemien sind aufgrund
von Globalisierung und Migrationsbewegungen eine präsente Gefahr, wie auch der
mögliche Einsatz von Viren als Waffe bei Terrorakten.94 In der Serie bergen jeglicher
93
94
Analogien von Moby Dick und The Wrath of Kahn vgl. auch Kreitzer (1996, 23).
Zu naturwissenschaftlichem Wissen in Star Trek vgl. bspw. Athena Andreadis To Seek Out New Life:
The Biology of Star Trek (1999), Robert und Susan Jenkins’ The Biology of Star Trek (1999), Laurence
Krauss, The Physics of Star Trek (1995, Vorwort von Stephen Hawking) sowie Tolan (2003); zum
Warpantrieb vgl. Müller (2003) und zu Wissenschaft allgemein vgl. Stefan Thiesens Trek Science: Mit
Warp-Geschwindigkeit in die Zukunft? (2001).
Diese Thematik wurde auch in einigen populären Kinofilmen der späten 1990er Jahre behandelt:
bspw. in Outbreak (1995, Regie: Wolfgang Petersen), 12 Monkeys (1995, Regie: Terry Gilliam), The
Patriot (1998, Regie: Dean Semler), X-Files (1998, Regie: Rob Bowman) oder Virus (1999, Regie:
John Bruno).
59
Kontakt mit fremden Spezies und Außenmissionen auf unbekannten Planeten
biologische Risiken, wobei vor allem Vireninfektionen ein beliebtes Sujet sind. In der
Episode „Macrocosm“ (3/12) zum Beispiel haben mutierte Makroviren ‒ visualisiert als
riesige Quallen, die durch die Korridore der Voyager schweben ‒ die Crew außer
Gefecht gesetzt. Der holografische Doktor kann in letzter Minute ein Gegenmittel
entwickeln. In „Prophecy“ (7/14) wird ein Retrovirus mittels Stammzellen-Therapie
bekämpft. Wissen aus dem Bereich der Biologie wird in den Episoden zudem oft mit
medizinischem Wissen verknüpft. In „Phage“ (1/05) trifft die Voyager auf eine Spezies,
die Vidiianer, die aufgrund einer Krankheit gezwungen sind, Organraub zu begehen. Die
‚Fresszellen‘, die für die Krankheit der Vidiianer verantwortlich sind, erinnern an das
Ebola-Virus, das Mitte der 1990er Jahre für Schlagzeilen sorgte. Neelix wird das Opfer
eines solchen Organraubs – ihm werden seine Lungen aus dem Körper herausgebeamt.
Das medizinische Novum, das die Vidiianer errungen haben, ist die Manipulation ihres
Immunsystems, damit die fremden Organe nicht von ihren Körpern abgestoßen werden.
Dieses Novum hat bei ihnen dazu geführt, alle ethischen Bedenken gegen Organraub
abzubauen.
Wie dieser Überblick über die Breite der in Voyager verhandelten Wissensthemen zeigt, wird Wissen nicht nur aufgerufen sondern fast immer auch bewertet bzw.
mit Wertfragen verknüpft. Wissen bedeutet für die Voyager-Crew Überleben in einem
fremden Territorium und stellt zudem ein Gut dar, mit dem gehandelt werden kann, zum
Beispiel im Tausch für benötigte Vorräte. Gleichzeitig bedeutet ein umfangreiches
Wissen aber auch ein Risiko. Thematisiert wird dies in der Serie immer wieder anhand
der Darstellung eines verantwortungslosen Umgangs mit Wissen.
3. „Boundaries That Shouldn’t Be Crossed“ ‒ Von der Gefahr des
unbändigen Strebens nach neuem Wissen
Fortschritt ist mit Wissensgenerierung und Neugier des Forschens verbunden: Dies wird
im Star Trek-Universum verdeutlicht durch den Ausspruch „to boldly go“. Bei der
Einweihung eines neuen astrometrischen Labors der Voyager greift Janeway in ihrer
Rede den Beginn des Prologs aus der Original Series verändert auf: „Space, the great
unknown. Only now we’re going to know it a little better.“ („Year of Hell“, Teil I,
03:05). Die Überquerung der final frontier und die Erforschung des Unbekannten sind
60
prominente Motive der Star Trek-Philosophie, und hier deckt sich die Serie mit
Aussagen von Wissenschaftlern, die die Suche nach dem Unbekannten als Antrieb für
ihre eigene Forschertätigkeit benennen, wie etwa der Meeresbiologe Robert D. Ballard
in einem Artikel im National Geographic: „Exploration is still the epic journey […]. To
pass the test, be given the truth, and then come back and share the new wisdom.“ (in
Vesilind 1998, 41) Diese Aussage lässt sich auf alle Bestrebungen zur Wissenserweiterung anwenden, denn stets sind Wissenschaftler ‚auf der Suche‘ – nicht zwingend
auf der Suche nach Wahrheit – aber nach Lösungen für die Probleme der Gegenwart
sowie die antizipierten Probleme der Zukunft. Wissenserzeugung kann aber auch
Risiken bergen, wobei sich dabei nicht nur der Wissenschaftler selbst in Gefahr bringt,
sondern unter Umständen die ganze Menschheit. In Star Trek wird Wissen nicht nur als
Faszinosum und Wissenserweitung als Herausforderung dargestellt. Unverantwortliches
Verhalten von Seiten der Forscher wie auch rücksichtsloser Einsatz von Technologie
werden immer auch ethisch bewertet und moralisch hinterfragt.
Ein Gesetz, das in allen Star Trek-Serien ethischen Grenzüberschreitungen
hinsichtlich der Weitergabe von Wissen entgegenwirken soll, ist die Oberste Direktive
der Sternenflotte: „The Prime Directive prohibits Starfleet personnel and spacecraft
from interfering in the normal development of any society.“ (Okuda/Okuda 1999, 385)
Ein Beispiel für die Folgen unbedachter Weitergabe von Wissen wird in „Friendship
One“ (7/21, Erstausstrahlung 25.04.2001) aufgezeigt. Hier stößt die Voyager auf eine
Sonde, die im 21. Jahrhundert von der Menschheit mit viel Information über
menschliches Wissen und Kultur („[…] information, translation matrixes, scientific and
cultural databases. […] Computer chip designs, constructions to build receivers. It’s
practically a how-to manual“, 03:44) ins All geschossen wurde und die um Freundschaft
bei Außerirdischen werben sollte: „We, the people of Earth, greet you in a spirit of
peace and humility. As we venture out of our solar system, we hope to earn the trust and
friendship of other worlds.“ (00:05)95 Der Kontakt zu dieser Sonde war vor mehr als 130
Jahren abgebrochen. Janeway ist über die Möglichkeit der Bergung begeistert: „we’ll be
retrieving a little piece of history“ (04:23). Jedoch wird diese Freude getrübt als die
Crew einen Planeten erreicht, auf dem das in ‚Friendship One‘ enthaltene Wissen eine
95
Die Entsendung der Kapsel scheint an die zwei Voyager-Sonden der NASA angelehnt zu sein (vgl.
<http://voyager.jpl.nasa.gov/>,Zugriff 17.02.2015), die seit 1977 im Weltraum auf Mission unterwegs
sind. Beide Sonden transportieren eine sogenannte Golden Record mit vielfältigen Informationen zur
Erde (vgl. <http://voyager.jpl.nasa.gov/spacecraft/goldenrec.html>; Zugriff 17.02.2015).
61
nukleare Katastrophe ausgelöst hat, weil die Sonde u.a. Informationen über die
Verwendung von Antimaterie enthielt.
Der Crew der Voyager wird von Überlebenden der Katastrophe vorgeworfen, die
Menschheit habe die Sonde absichtlich gesendet, um die Bevölkerung zu töten: „Your
people sent us technology that they knew would destroy us.“ (17:24) Die Schlussfolgerung, die Voyager-Crew sei nun gekommen, um den Planeten einzunehmen, wird
dadurch unterstützt, dass die Crew die Ausrüstung besitzt, um sich vor der radioaktiven
Strahlung zu schützen. Auch nachdem Janeway beteuert, dass sie nichts zerstören
würden, was sie erobern wollten, bleiben die Bewohner des Planeten skeptisch. Die
Wende setzt ein, als zwei der Einwohner, der Wissenschaftler Otrin und ein Neugeborenes, von der Verstrahlung geheilt werden können, die Technologie der Voyager also
humanitär eingesetzt wird. Letztlich gelingt es Otrin mit Hilfe der Voyager-Crew, eine
Technologie zu entwickeln, die die Atmosphäre auf dem Planeten reinigt. Nach diesen
Erfahrungen wird unter den Figuren der Voyager explizit über die Bedeutung und die
Risiken von Forschung reflektiert:
Janeway: You can’t blame [our ancestors] for wanting to reach out. [...]
Chakotay: The urge to explore is pretty powerful.
Janeway: But it can’t justify the loss of lives, whether it’s millions ... or just one. (40:52)
In der Episode wird erwähnt, dass die Kapsel zu einem Zeitpunkt abgeschickt wurde, zu
dem die Sternenflotte noch nicht existierte und es somit auch noch keine Oberste
Direktive gab, deren Einhaltung oberstes Gebot während Außenmissionen ist. Die
Oberste Direktive verbietet den Eingriff in jegliche Angelegenheiten einer Kultur,
besonderes deren natürlichen Ordnung und Fortschritt. In diesem Sinne darf kein
Kontakt mit Kulturen zustande kommen, die auf einem technologisch niedrigeren Stand
sind als die Sternenflotte. In der Episode „Friendship One“ wird verdeutlicht, wie
wichtig diese Direktive ist. Der nukleare Winter wurde durch Wissen über eine
Technologie ausgelöst, die den Bewohnern fremd war und die sie deshalb nicht
beherrschen konnten.
Mit neuem Wissen zu experimentieren liegt jedoch in der Natur des Menschen.
Die Begriffe, mit denen wissenschaftlicher Fortschritt diskutiert wird, sind Wissensdurst, Forschungsdrang und Neugier. In der gegenwärtigen Zeit erscheint nichts mehr
unerreichbar, nichts mehr unmöglich. Dies ist auch ein Grund für die Wissenschaften,
Forschung stets weiter voran zu treiben. Dennoch gibt es (öffentliche) Stimmen, die
62
fordern, dass einige Wissensbereiche verschlossen bleiben sollten. Star Trek: Voyager
nimmt diese Dilemmas auf und diskutiert prominent auch ein dezidiertes Forschungsverbot aufgrund möglicher unkalkulierbarer Risiken in der Folge „The Omega
Directive“ (4/21, Erstausstrahlung 15.04.1998). Das Element Omega steht hier für ein
unerreichbares Ziel von Wissensdrang, welches selbst die Borg noch nicht erreicht
haben. Für sie, und damit auch für Seven an Bord der Voyager, steht Omega für absolute
Perfektion. Allerdings ist das Omega-Molekül extrem gefährlich, weshalb das Wissen
um dieses Molekül in der Sternenflotte streng reglementiert ist. Zudem gibt es einen
Befehl, nämlich die Omega Direktive, dem jeder Raumschiffcaptain zu folgen hat: die
sofortige Vernichtung des Moleküls, wenn die Scanner es ausfindig gemacht haben.
Ausgehend von dieser Situation kommt es zu einer Konfrontation zwischen Janeway
und Seven, als die Voyager auf das Element stößt. Die Gefährlichkeit von Omega wird
in der Folge ausdrücklich erklärt:
[Omega, t]he most powerful substance known to exist. A single Omega molecule contains
the same energy as a warp core. In theory, a small chain of them could sustain a
civilization. The molecule was first synthesized over 100 years ago by a Starfleet
physicist named Ketteract. I think he was hoping to develop an inexhaustible power
source […] Ketteract managed to synthesize a single molecule particle of Omega. But it
only existed for a fraction of a second before it destabilized. (17:12)
Aufgrund seiner Instabilität ist Omega unberechenbar, bei der erwähnten Explosion
starben die Wissenschaftler und weitere 126 Menschen. Allein der Verlust von Leben ist
ein Grund, die Relationsfrage von Risiko und Nutzen zu stellen. Jedoch gefährdet eine
Gesellschaft, die mit Omega experimentiert, nicht nur die eigene Existenz, sondern auch
alle umliegenden Regionen in der Galaxis, denn eine weitere Auswirkung der verheerenden Explosion waren Subraumrisse, die sich auf mehrere Lichtjahre hin ausdehnten.
Dies bedeutet, dass in dieser Region Warpgeschwindigkeit nicht mehr möglich ist.
Somit bestünde bei einer größeren Explosion die Gefahr, dass in der gesamten Galaxis
die Raumfahrt um Jahrhunderte zurückgeworfen würde, quasi auf den Stand des
ausgehenden 20. Jahrhunderts.
Als die Voyager-Crew einen Planeten entdeckt, auf dem mit Omega experimentiert wird, trifft Captain Janeway, stellvertretend für die gesamte Galaxis, die
weitreichende Entscheidung, das von der fremden Spezies synthetisierte Omega zu
zerstören: „Omega is too dangerous. I won’t risk half the quadrant to satisfy our
curiosity. It’s arrogant and it’s irresponsible. [Pause] The final frontier has some
boundaries that shouldn’t be crossed.” (31:23) Das Raumschiff Voyager übernimmt
63
damit die Rolle der Weltraumpolizei, der sich die fremde Spezies in diesem Fall zu
fügen hat. Das wissenschaftlich unethische Verhalten der Aliens wird mit der Zerstörung
ihrer zivilen Forschungsarbeit bestraft, sie dürfen ihre Forschung nicht verteidigen oder
rechtfertigen. Parallelen zu Situationen, in denen die USA immer wieder versucht haben
Schwellenländer an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern, sind offensichtlich.
Eine Verteidigung der Erforschung von Omega kommt allerdings von Seven, die
der Meinung ist, dass der Befehl zur Zerstörung nur das Resultat der Angst und
Ignoranz der Sternenflotte sei. Der Einschätzung des Risikos wird Wissensdrang
gegenübergestellt und zwar in einer Weise, bei der die sonst immer rationale Seven
stark emotional wird.96 Die Borg haben bereits mit Omega experimentiert und sind trotz
der Opfer – „29 vessels, 600.000 drones. But that is irrelevant.“ (09:08) – nicht gewillt,
die Erforschung des Omega-Moleküls aufzugeben, weil es für sie ein Ideal darstellt.
Durch Sevens Trauer über den Verlust von Omega am Schluss der Episode wird auch
Sympathie für Wissensdrang geweckt. Dies wird durch den Einsatz filmischer
Strategien erreicht, die beim Zuschauer Empathie auslösen sollen: Zum einen zoomt die
Kamera auf Sevens Gesicht und endet in einem close-up, und zum anderen wird die
Szene durch Streichmusik musikalisch untermalt. Damit wird zumindest indirekt
deutlich, dass der Position der Sternenflotte andere Sehweisen gegenübergestellt werden
können. Es wird allerdings nicht thematisiert, welche Auswirkungen die Vernichtung
des Forschungsmaterials einer anderen Spezies auf deren Gesellschaft hat. Auch von
einer Kompensation für diese Spezies wird nicht gesprochen. Die dadurch entstehende
Ambivalenz über die Diskussion von Forschungsethik wird in dieser Episode nicht
aufgelöst.
In „Friendship One“ und „The Omega Directive“ wird ethisches Verhalten
explizit in Verbindung mit Wissenserzeugung, -verwendung und -weitergabe gesetzt.
Wissen wird dabei aber auch als Faszinosum dargestellt, dem sich die menschliche
Neugier nicht entziehen kann. Das ‚ethische Dilemma‘ beim verantwortungsvollem
Umgang mit potentiell gefährlichem Wissen ist ein dominanter Topos in der Science
Fiction und wird auch in Star Trek: Voyager häufig aufgegriffen. Aufgrund der zentralen
Position dieses Themas wird es im folgenden Teil im Detail analysiert.
96
In dieser Episode ist das Verhalten von Janeway und Seven ins Gegenteil zum üblichen Verhalten verkehrt, denn Janeway entscheidet hier rational und nach Protokoll, wohingegen Seven aufgrund ihrer
Emotionen eine andere Vorgehensweise favorisiert.
64
III. Wissenschaftsethos und Grauzonen ethischen Handelns
Wissenschaft und Technik hatten versagt.
Die Natur hat die Menschheit gerettet!97
Der Fortschrittsgedanke ist seit der Aufklärung und der industriellen Revolution stark in
den Vordergrund getreten.98 Über die Zeit haben Forschung und Entwicklung einen
prominenten Status in jeder modernen Gesellschaft errungen und sind aus wirtschaftlicher Sicht unabdingbar, wie z.B. Nida-Rümelin feststellt: „Da moderne
Industriegesellschaften eine wissenschaftlich-technisch gestützte Zivilisation aufgebaut
haben, ist der Wirkungskreis wissenschaftlicher Forschung und ihrer Anwendung heute
immens.“ (2005c, 843) Die Abstände zwischen Berichten über bahnbrechende Erkenntnisse und Erfindungen werden stetig geringer. Jedoch liegt dies nicht allein an der
Verbesserung der Forschungsbedingungen durch technologischen Fortschritt, sondern
ist auch der veränderten Wissenskultur (vgl. S. 5f) sowie der Präsenz der Medien in der
Lebenswelt geschuldet. Im 20. Jahrhundert wurden weitreichende Errungenschaften
erzielt: bspw. die erste Mondlandung und folgende Forschungsmissionen ins All;
immense Fortschritte in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz; die Entwicklung
des Internets sowie dessen rapides Wachstum und auch die rasante Entwicklung im
Bereich der Computerhersteller. Eine große Medienaufmerksamkeit erhält auch die
Gentechnik, durch den Start des Human Genome Project im Jahr 1990 und das erste
erfolgreiche Klonen eines Säugetiers, des Schafes Dolly, im Jahr 1997.99
Als zeitliche Zäsur wurde der Millenniumswechsel von den Medien als Anlass
genutzt, um über wissenschaftliche und technologische Themen zu reflektieren sowie
Fortschritt und dessen Nutzen zu diskutieren. „The great discoveries of the century are
justly celebrated in the mass media – in a host of popular books, TV documentaries and
magazine and newspaper articles.“ (Turney 1998, 2) Das Time Magazine veröffentlichte
97
98
99
Voice-over Zitat am Ende der deutsch-synchronisierten Fassung von Byron Haskins Verfilmung von
H.G. Wells’ War of the Worlds aus dem Jahre 1953; das englische Original lautet: „After all that man
could do had failed, the Martians were destroyed and humanity was saved by the littlest things which
God, in his wisdom, had put upon this earth.“ (1:24:49) Der religiöse Kontext der Rettung wird durch
Läuten der Kirchenglocken und das Singen eines Kirchenlieds unterstrichen – die englische Version
endet mit einem gesungenem „Amen“.
„The period of ascendency of scientific materialism – an ideology justifying scientific research as
intrinsic to the meaning and purpose of human existence – began with the technological triumphs of
erosion of traditional religious beliefs caused by the Industrial Revolution“ (Parrinder 1995, 128).
Das Schaf wurde zwar bereits 1996 geboren, die Öffentlichkeit wurde aber erst im Februar 1997
darüber informiert vgl. S. 86.
65
fünf Spezialausgaben mit einer Sektion „Visions 21“, die sich mit dem Fortschritt in
mehreren Bereichen auseinandersetzte: darunter bspw. eine Spezialausgabe zu „The
Future of Technology“ (19. Juni 2000), in der mehrere Zukunftstechnologien kritisch
diskutiert wurden (vgl. 1.4 unten), sowie eine Spezialausgabe zum Thema „Science and
Space“ (10. April 2000), in der es primär um Fragen über die Zukunft von Forschung
ging.100 Einige Artikel des letztgenannten Extrateils beschäftigten sich mit möglichen
Entdeckungen, die im 21. Jahrhundert bevorstehen könnten: Werden wir auf dem Mars
leben? Werden wir E.T. treffen? Werden wir einen Dinosaurier klonen? Werden wir das
Wetter kontrollieren? Werden wir durch die Zeit reisen können – vorwärts oder rückwärts? Ebenso veröffentlichte Scientific American im Dezember 1999 eine Spezialausgabe, ein End of the Millennium Special, die der Frage gewidmet war, welches
Wissen im Jahr 2050 erschlossen sein wird. Die Artikel beschäftigen sich mit den
Themen „The Human Impact on Climate“, „Deciphering the Code of Life“ (über den
Stand des Human Genome Project), oder – ähnlich wie in Time – mit populär-wissenschaftlicheren Fragestellungen wie „Can Human Aging Be Postponed“ oder „Is there
Life Elsewhere in the Universe“. Diese Auflistung verdeutlicht bereits, dass im öffentlichen Diskurs Entstehung, Umgang und Verwendung von Wissen und Technologie
erörtert, diskutiert und bewertet werden.
Dabei erhalten mögliche ethische und moralische Grenzüberschreitungen
innerhalb der Forschung viel Beachtung; das aktuellste Beispiel ist auch hierfür u.a. die
Gentechnik. Die Aktualität dieses Themas lässt sich anhand des Anstiegs seiner Verarbeitung in der Science Fiction-Literatur des ausgehenden 20. Jahrhunderts festmachen.
Eine kurze statistische Auswertung von Science Fiction-Romanen, die Gentechnologie
als Thema diskutieren zeigt, dass für das Jahr 1997 ein kleiner Anstieg zu den Vorjahren
an Erscheinungen zu verzeichnen war (42 Titel).101 Eine signifikant höhere Anzahl an
Science Fiction-Romanen mit Fokus auf Gentechnologie lässt sich im Jahr 1999 (58
Titel) beobachten. In den folgenden Jahren verstärkte sich der Trend noch: 2000 – 67
Titel; 2001 – 74 Titel; 2002 – 81 Titel.102 Auch in populären Kinofilmen werden die
Manipulation von DNA und die dadurch entstehenden, meist negativen Folgen verstärkt
100
101
102
Die anderen Themengebiete waren „Our Health, Our Planet“ (8. November 1999), „How We’ll Live
in the Future“ (21. Februar 2000) und „Our Work, Our World“ (22. Mai 2000).
Durchgeführt wurde die Stichprobe auf der Intenetseite www.scifan.com mit dem Schlagwort ‚genetic
engineering‘ – 1994 waren es noch 33 Titel, 1995 waren es 32 Titel und im Jahr 1996 27 Titel.
Insgesamt listet die Seite 1.055 Bücher unter diesem Stichwort (Stand 2011).
1998 war sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen mit nur 34 Titeln. Im Jahr 2009 war die
Titelmenge mit 32 Titeln wieder etwas niedriger.
66
aufgegriffen.103 Ein Film, der stets im Zusammenhang mit Gentechnologie und
Selektion genannt wird, ist Gattaca (1997). In diesem Film wird Eugenik praktiziert:
Mittels Prä-Implantations-Diagnostik werden Eizellen vor der Einpflanzung in den
Uterus selektiert, um zu gewährleisten, dass die Kinder, sogenannte ‚valids‘, nur die
besten Anlagen der Eltern erben. Diejenigen, die auf natürlichem Wege gezeugt werden,
sind sogenannte ‚in-valids‘.104 Entsprechend der Erbanlagen wird die Gesellschaft
hierarchisiert, ‚in-valids‘ werden diskriminiert. Die Diskriminierung des durch Klonen,
Genmanipulation oder natürliche Mutation ‚Anderen‘ wird in diesen populären
Aufbereitungen von Gentechnologie als ethischer Kommentar herangezogen.105
Das Science Fiction-Genre bietet gerade für Überlegungen zur Verantwortung
von Forschung ein breites Feld an Möglichkeiten, wie bereits die Besprechung der Star
Trek: Voyager-Episode „The Omega Directive“ im vorangegangenen Kapitel verdeutlicht. Im Prinzip ist fast jeder Episode von Star Trek ein ethischer Unterton inhärent und
somit ständig präsent, wie auch Andrea zur Nieden festgestellt hat: „Jede Folge liefert
eine kleine Unterrichtseinheit in praktischer Ethik.“ (2003, 8)106 Im Folgenden werden
zumeist grundlegende Kategorien aus dem Spezialdiskurs der Angewandten Ethik und
deren Korrelation mit Darstellungen von Wissenschaft und Technologie im öffentlichen
Diskurs (anhand der ausgewerteten Zeitschriften) vorgestellt. Dabei wird ein Fokus auf
drei Themenbereiche gelegt: die Person des Wissenschaftlers, die Gentechnologie sowie
die Rechte von künstlichen Intelligenzen, auf die sich anschließend ebenfalls die
Analyse der Voyager-Episoden konzentriert.
103
104
105
106
So z.B. in Jurassic Park (1993, Regie: Steven Spielberg; Roman 1990), der Komödie Multiplicity
(1996, Regie: Harold Ramis) oder den Science Fiction-Thrillern Species (1995, Regie: Roger
Donaldson) und Species II (1998, Regie: Peter Medak).
Ein doppeltes Wortspiel, da ‚in-valids‘ nicht nur ‚ungültig‘ durch die Art und Weise ihrer Zeugung
sind, sondern auch als Invalide im Sinne einer Behinderung angesehen werden können. Der ethische
Kommentar zu dieser Haltung ist in der Umkehrung des Wortspiels enthalten – der genetisch ‚valide‘
Eugene Morrow ist seit einem Unfall behindert – also ein Invalide –, steht im hierarchischen System
aber über dem ‚invalid‘ Vincent Freeman, der die DNA von Eugene mit dessen Einverständnis nutzt,
um Astronaut zu werden. Mit seiner wahren genetischen Identität wäre es Vincent unmöglich, in der
Gesellschaft anerkannt zu werden.
Helden wider Willen, die durch Veränderung ihrer DNA Superkräfte erlangen und gezwungen sind,
anonym zu bleiben, sind bspw. die Comichelden Spider-Man und Hulk. Die Helden der Comicserie XMen sind Menschen mit natürlicher Mutation, hervorgerufen durch einen Evolutionssprung, die
getrennt von den ‚normalen‘ Menschen leben und von diesen nur als ‚Freaks‘ angesehen werden, die
dringend Heilung benötigen.
Zur Nieden untersucht in ihrer Studie primär Episoden aus TNG, die Aussage trifft jedoch auch auf
die Voyager-Episoden zu.
67
1. Wissenschaftsethisches Verhalten in der öffentlichen Wahrnehmung
Ethics is the systematic and analytic treatment
of human actions and their consequences, including
considerations of character and motive.
(Easterbrook 2009, 382)
Die Wissenskultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts zeichnet sich u.a. durch die breite
Verhandlung von ethischen Debatten in der Öffentlichkeit aus. Die Medien bilden dabei
ein Kommunikationsforum für die Parteien der Wissenserzeuger ebenso wie für die
Bevölkerung. Aufgrund der stetigen Zunahme von Wissen ist ein Aushandlungsprozess
unabdingbar:
Aufgrund der Komplexität und Unsicherheit des Handelns in technischen Zivilisationen
kommt es zu einem Anwachsen der vermittelten Informationen und des Wissens, zu einer
anwachsenden Laieninkompetenz und zu einem größeren Bedarf an Expertenkompetenz
als spezifischer Form der Komplexitäts- und Unsicherheitsbewältigung. (Irrgang 2005,
664)
Die hier erwähnte „Laieninkompetenz“ kann zu einer generellen Skepsis gegenüber
Wissenschaft und Forschung führen, die auf die Forscherinnen und Forscher zurückwirken kann (vgl. Nida-Rümelin 2005c, 843). Um dieser Skepsis entgegenzuwirken,
öffnen sich die Wissenschaften nach außen und informieren die Öffentlichkeit über
laufende und geplante Forschungsprojekte. Nida-Rümelin fordert aufgrund des wechselseitigen Einflusses von Wissenschaft und Gesellschaft eine „Stützung durch Ethosnormen“, zu denen er die Informationspflicht zählt, um eine Basis für Aushandlungsprozesse zu schaffen (ibid., 846). Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information
und auch auf Mitsprache, welches ebenfalls in der monetären Abhängigkeit der Wissenschaft begründet liegt,107 somit müssen Forschungsvorhaben und -ergebnisse öffentlich mitgeteilt werden:
Da sich Wissenschaft nur zu einem geringen Teil über den Markt finanziert und im
übrigen den Charakter eines kollektiven, d.h. unteilbaren und öffentlichen Gutes hat, ist
sie ein Produkt, das von der Gesamtheit der Bürgerschaft finanziert und produziert wird
und daher legitimer Gegenstand öffentlicher Beurteilung ist. (Ibid.)
Nida-Rümelin erachtet den öffentlichen Diskurs, vor allem aufgrund der rasanten
Weiterentwickelung der Technologien, als ein bedeutendes Forum der Wissenschaftskommunikation.
107
„‚Gute‘ Ethik muss […] die ökonomische und ebenso naturwissenschaftliche Dimension in die
Argumentation mit einbeziehen“ (Nida-Rümelin 2005d, 180).
68
In einer aufgeklärten Gesellschaft werden diese Veränderungsprozesse durch einen
öffentlichen Diskurs begleitet, der nicht nur von reflektierten Argumenten, sondern auch
von Interessensstandpunkten – der Politik, der Ökonomie etwa – durchzogen ist. (2005d,
182)
Als eine Form des öffentlichen Diskurses führt Ott bspw. die Bemühungen der Arbeiterbewegungen an. Diese etablierten sich bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
als mahnende Fraktion der Öffentlichkeit, die angesichts des großen sowie schnellen
technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts ihre Arbeitsplätze gefährdet sah
(vgl. Ott 2005, 574). Dennoch war die Mehrheit der Bevölkerung vom positiven Wert
des technischen Fortschritts überzeugt. So brachten neue Technologien und Errungenschaften den Fortschrittsoptimismus in Schwung, wie bspw. die Erfindung des
Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder der Einzug des Fernsehens in private
Haushalte in den 1940er und 1950er Jahren.
Diese Einstellung veränderte sich, so Ott, mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs
und dem erstmaligen Einsatz von Giftgas, das zwar nach dem Krieg verboten, aber
dennoch, getarnt als Schädlingsmittelbekämpfung, weiterentwickelt und später in den
Konzentrationslagern der Nazis und im Vietnamkrieg erneut verwendet wurde (vgl.
ibid., 576). Die Häufung negativer Auswirkungen von wissenschaftlichem und technologischem Fortschritt, zu denen auch die Entwicklung der Atombombe und deren
Abwurf auf Hiroshima und Nagasaki zählt, brachte den Fortschrittsoptimismus in der
öffentlichen Meinung immer wieder zum Stocken. So lässt sich ab 1945 eine Zäsur
hinsichtlich des Empfindens über verantwortungsvollen Umgang mit wissenschaftlichem Wissen feststellen. Roslynn Haynes beschreibt stellvertretend dafür z.B. die
Bemühungen von Albert Einstein und J. Robert Oppenheimer, die Öffentlichkeit über
die Gefahren von nicht kontrollierter Forschung, vor allem der Atomforschung,
aufzuklären.108 Diese Warnungen wurden zunächst jedoch nicht ernst genommen, erst
mit Beginn des Kalten Krieges wurde das Thema wieder aktuell:
To the popular mind [international control of atomic energy] seemed either naïve or, in
the face of growing fears about the spread of communism, irresponsible and dangerous.
When, in 1949, the Soviet Union exploded its first nuclear weapon, the American reaction
was one of panic. Having ignored the scientists’ warnings that the knowledge gap was not
fixed but an ever-diminishing variable, the public immediately assumed that scientists
108
Vgl. dazu auch Resnik (1998, 146) und Schweidler (2006b, 307). Parrinder kommentiert den Einfluss
auf das Science Fiction-Genre folgendermaßen: „Disillusionment spread very swiftly after the atomic
bombs were dropped on Hiroshima and Nagasaki in 1945. Not only did scientists in the early Cold
War years respond to the growth of the military-industrial complex with a campaign to enlighten the
public about dangers of nuclear energy, but so many ‚atomic doom‘ stories appeared in the science
fiction magazines that by 1948 John W. Campbell felt obliged to tell his writers that such stories were
no longer wanted“ (1995, 145).
69
were not to be trusted with their own discovery, since they might be harboring
treacherous internationalist thoughts. (Haynes 1994, 256)
Infolgedessen stellte sich eine neue Herausforderung für die Gesellschaft nicht nur
hinsichtlich des Umgangs mit sondern auch der Überwachung von Wissen.109 In diesem
Zusammenhang ist die Disziplin der Wissenschaftsethik als eine Aufforderung zur
„wissenschaftlichen Reflexion“, vor allem in Reaktion auf die Geschehnisse im Zweiten
Weltkrieg, zu deuten; weiter spezifiziert wurde das Gebiet in den 1970er Jahren
(Schweidler 2006b, 307). Die Wissenschaftsethik beschäftigt sich mit Fragen 1)
hinsichtlich der moralischen Verantwortung von Forschung und 2) Fragen in Bezug auf
Besitz, Kontrolle und Nutzung von Wissen, sowie 3) über Konsequenzen wissenschaftlicher Schnittstellen von Politik und Militär als auch 4) Fragen bezüglich der Angst vor
Degeneration der Spezies Mensch durch Mutationen (vgl. Haynes 2003, 252).
Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Bereich der Angewandten Ethik eingeführt, der den komplexeren Fragestellungen zu ethischem Verhalten und dem Bedürfnis
nach mehr Forschungsnähe Rechnung tragen sollte (vgl. Nida-Rümelin 2005b, 66 sowie
Thurnherr 2000, 16f). Der Bereich der Angewandten Ethik ist aufgeteilt in spezielle
Bereichsethiken für die verschiedenen Wissenschaftsgebiete wie z.B. Tierethik, Umweltethik, Medizinethik, Wissenschaftsethik, Genethik und Technikethik.110 Letztere
erörtert „[d]ie apokalyptischen Potentiale der atomaren Hochrüstung und die groteske
Allokation von Ressourcen in den militärisch-industriellen Komplexen der sog.
Supermächte“ (Ott 2005, 588). Dabei wird vor allem das Paradoxon diskurtiert, „daß
die Menschheit mit den atomaren Waffen über technische Machtmittel verfügt, deren
Einsatz das Überleben des Spezies ernsthaft bedrohen würde“ (ibid., 589). Im
Folgenden sollen Grundlagen aus dem Bereich der Wissenschaftsethik angesprochen
werden, die für die spätere Analyse der Voyager-Episoden von Bedeutung sind.
109
110
„Es entspricht dem Ethos der Aufklärung, Wissen allgemein zugänglich zu machen und die Verantwortung für den richtigen Umgang mit diesem Wissen nicht in toto bei denen zu belassen, die dieses
Wissen erarbeitet und zur Verfügung gestellt haben“ (Nida-Rümelin 2005c, 850).
Vgl. Höffe (2008, 19), Nutzinger (2006, 9) und Vieth (2006, 55). Generelle Einführungen zum Thema
Angewandte Ethik bieten z.B. Knoepffler/Schipanski/Sorgner (2005), Nida-Rümelin (2005a),
Thurnherr (2000) sowie Vieth (2006). Zur Begriffserklärung Technikkritik und Technikethik vgl.
bspw. Kunzmann (2006, 249).
70
1.1 Grundgedanken der Wissenschaftsethik
Die Wissenschaftsethik gewinnt im Zuge der immer weiter zunehmenden Technisierung
der Lebenswelt stetig an Bedeutung.111 Die zentrale Frage wissenschaftsethischer Diskussion ist die Nutzen-Risiko-Abwägung: In welchem Maße sind Risiken bei der
Verfolgung einer vielversprechenden, neuen Technologie gerechtfertigt? Der Bereich
der Wissenschaftsethik thematisiert
die spezifische ethische Verantwortung der Forschung, und zwar sowohl unter dem
Blickwinkel der Forschenden und der Forschergemeinschaften wie auch unter dem der
gesamten Bedingungen, unter denen in modernen gesellschaftlichen Systeme wissenschaftliche Forschung handlungsleitende Bedeutung gewinnt. (Schweidler 2006b, 307)
Dabei kann die Wissenschaftsethik aber nicht direkt auf Gesetze o.ä. einwirken, sondern
Theoretiker des Bereiches können lediglich durch Mitwirkung in Ethik-Kommissionen
und anderen Gremien beratend tätig sein oder in den Medien auf Sachverhalte
aufmerksam machen. Das in diesem Bereich propagierte Ethos der Wissenschaften
„ergibt sich aus der Natur des wissenschaftlichen Denkens und Handelns als der
methodischen Suche nach allgemein verbindlicher, allgemein überprüfbarer und daher
notwendigerweise auch allgemein zugänglicher Wahrheit“ (ibid., 311). Dabei wird nicht
nur der Weg zur Erlangung von neuem Wissen ethischen Normen unterworfen, sondern
auch die Anwendung des neuen Wissens. Wer trägt für die Anwendung und Verbreitung
von Forschungsergebnissen die Verantwortung: der Wissenserzeuger, der Distributor
des Wissens oder der Endverbraucher? Die Gründe dafür, dass „das gesellschaftliche
Subsystem Wissenschaft“ nicht die Alleinverantwortung übernehmen kann, sieht NidaRümelin in der zunehmenden Spezialisierung der einzelnen Fachbereiche und der
Komplexität der vorhandenen Methoden und Technologien, so dass ein Wissenschaftler
allein kaum noch Forschung betreiben und noch weniger die Verbreitung und Nutzung
der Forschungsergebnisse überprüfen kann (2005c, 843).112
Einen anderen Standpunkt vertritt Schweidler, der die Verantwortung deutlich
auf Seiten der Wissenserzeuger sieht:
Trotzdem gehört es zu den strukturellen Rationalitätsbedingungen wissenschaftsethischer
Reflexion, dass die wissenschaftlich tätige Person der unrelativierbare Träger der Verantwortung für die Gewinnung und Verwendung der Forschungsergebnisse ist und bleibt.
(2006b, 308)113
111
112
Gotthard Bechmann verweist allerdings darauf, dass bereits seit der Erfindung des Buchdrucks ein
nahender Jahrhundertwechsel stets eine „Ethikwelle“ ausgelöst hat (1993, 213).
Vgl. dazu auch Nutzinger (2006, 8). Für Patzig begründet sich hierin ein Dilemma für die Bewertung
von Forschungsergebnissen (vgl. 1993, 35).
71
Schweidler setzt auf das Gewissen der „wissenschaftlich tätigen Person“ als restriktives
‚Instrument‘ wissenschaftlichen Handelns und betont, dass diesbezüglich nicht nur auf
die Gesetzgebung und soziale Konventionen vertraut werden sollte:
Gerade die Betonung des Gewissens als letzter Instanz der wissenschaftlichen
Verantwortung begrenzt nicht nur mögliche Ansprüche des soziokulturellen Umfeldes an
die wissenschaftlich tätige Person, sondern auch umgekehrt den Umfang, in dem diese
aufgrund der Ergebnisse ihrer Forschung legitimer Weise Orientierungs- und Gestaltungsmacht gegenüber den Lebensformen ihrer Mitmenschen beanspruchen können.
(Ibid., 309)
Die Wissenschaft kann nur dann auf ihre Autonomie pochen, wenn sie auch bereit ist,
die Gesamtverantwortung für die Verwendung der Forschungsergebnisse zu übernehmen. Dies nennt Nida-Rümelin das „Ethos wissenschaftlicher Verantwortung“, d.h.
der Forscher ist nicht mehr nur für seine Forschung direkt ethisch verantwortlich
(„Ethos epistemischer Rationalität“), sondern auch für die Folgen (2005c, 845).114 Dem
stimmt Schweidler zu und sieht ein ‚Ethos wissenschaftlicher Verantwortung‘ im Sinne
Nida-Rümelins „als Basis des vernünftigen Zusammenlebens und der Berechenbarkeit
der Lebensverhältnisse“ (Schweidler 2006b, 305). Die Folgenabschätzung von neuen
Forschungsergebnissen und technischen Neuerungen wird allerdings durch das
Zusammenspiel mehrerer Faktoren erschwert.
Die Umsetzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in technische, ökonomische und
gesellschaftliche Praxis ist Ergebnis kollektiven, korporativen und institutionellen
Handelns, zu dem die einzelne Wissenschaftlerin und der einzelne Wissenschaftler einen
minimalen, in vielen Fällen kausal irrelevanten, jedenfalls in der Regel in keiner Weise
abschätzbaren Beitrag leisten. (Nida-Rümelin 2005c, 855)
Die kollektive Verantwortung wird zum größten Teil durch Gesetze und Gebote gewahrt
(z.B. Unantastbarkeit der Menschenwürde oder das Tierschutzgesetz);115 ein weiterer
Teil wird abgedeckt durch Ethikkommissionen, die bestenfalls „nicht nur prohibitiv,
sondern auch initiativ wirken können“ (ibid., 855f).
Ethikkommissionen sind in der westlichen Welt heute etabliert und weitestgehend institutionalisiert.116 Deren Gründung trifft laut Schöne-Seifert zeitlich
113
114
115
116
Auch Nutzinger sieht die Notwendigkeit einer „Sensibilisierung“ der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Hinblick auf die mögliche Verwendung ihrer Forschungsergebnisse (2006, 9). Zur
Verantwortung des Wissenschaftlers vgl. auch Spinner (1985, vor allem Kapitel V).
Nida-Rümelin fordert diese erweiterte Ethik aufgrund der Involvierung von Wissenschaftlern in der
Herstellung von Massenvernichtungswaffen als auch deren Beteiligung an der Zerstörung des
ökologischen Gleichgewichts, das den menschlichen Lebensraum bedroht (vgl. 2005c, 844f, ebenso
Kunzmann 2006, 253).
Vgl. hierzu auch Schweidler (2006b, 312f).
Bechmann deutet dies als Zeichen, dass die „ethische Reflexion nicht ganz brotlos bleibt“ (1993, 213).
Die erste Ethikkommission wurde in den USA im Zuge der Modernisierung der Medizinethik
72
zusammen mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sowie einer Häufung von
Medienberichten zu unethischen Humanexperimenten, auf die die Öffentlichkeit
schockiert reagierte (vgl. 2005, 694). Die Aufgabe von Ethikkommissionen ist u.a. die
„Vorabbeurteilung von Humanexperimenten“, wobei sie
die „objektiv“ akzeptable Nutzen-Risiko-Bilanz der von ihnen befürworteten Forschungsvorhaben gewährleisten und andererseits begutachten, ob eine hinreichende Aufklärung
des Probanden über Zweck und Methode, Chancen, Risiken und Versicherungsschutz
vorgesehen ist. (Ibid., 747)
Des Weiteren haben Ethikkommissionen Standards für die medizinische Versorgung
aufgestellt und an der Stärkung der Patientenautonomie mitgewirkt. Ebenso hat die
Medizinethik – deren Tradition die bis in die Antike zurückreicht – im Zuge der Modernisierung eine Erweiterung erfahren: Es ist mittlerweile üblich, von biomedizinischer,
bzw. Bioethik zu sprechen, „die überhaupt mit menschlichen Eingriffen oder Eingriffsmöglichkeiten in Zeugungs-, Lebens- und Sterbeprozesse zu tun ha[t].“ (Ibid., 692) Die
Bioethik deckt somit diejenigen Forschungs- und Therapiebereiche ab, die bspw. mit
Gentechnologie, Sterbehilfe und der Bestimmung des Todeszeitpunkts zu tun haben.
1.2 Fiktionale Wissenschaftler-Stereotype – ein kurzer Überblick
In der Debatte um ethische Verantwortung steht, wie auch die oben angeführten Zitate
zeigen, die Figur des Wissenschaftlers im Vordergrund – ohne den Erfinder/Entdecker
gibt es keine Neuerungen, ohne Forschung und Fortschritt keine neuen potentiellen
Risiken. Dabei wird sowohl in den wissenschaftlichen als auch in den öffentlichen Verhandlungen häufig auf Wissenschaftlertypen verwiesen. Zur Genese solcher ‚typischen‘
Bilder haben fiktionale Darstellungen in Literatur und Film wesentlich beigetragen.
Diese fiktionalen Wissenschaftler haben sich zu stereotypen Charakteren verdichtet, auf
die häufig zurückgegriffen wird, um Positionen gegenüber der Forschung zu verdeutlichen.117 So wird, wie oben bereits erwähnt, der Frankenstein-Mythos oft bemüht,
um mögliche Gefahren von Forschung und vor allem ungebremsten Forscherdrang
prägnant hervorzuheben.118 Das Gefährliche in der Figur des Viktor Frankenstein sehen
117
118
gegründet. Weitere Fortschritte daraus waren die Einführung der Medizinethik als Unterrichtsfach
sowie die Gründung des Hastings Centers im Jahr 1969 und des Kennedy Institute of Ethics im Jahr
1971, der „beiden bis heute einflußreichsten Institutionen auf diesem Gebiet“ (Schöne-Seifert 2005,
696).
Vgl. Kapitel I.3.3.
Die Gier nach neuem Wissen wird allerdings bereits in weitaus älteren Mythen illustriert, wie bspw.
dem Mythos über die Büchse der Pandora, dem Prometheus-Mythos oder der Legende des Dr. Faust
(vgl. Haynes 1994, 93).
73
Junge/Ohlhoff vor allem in seinem Idealismus, der ihn antreibt, das Unmögliche zu
schaffen (vgl. 2004, 12). Frankenstein will aber nicht nur sein Wissen erweitern,
sondern er will, ähnlich wie Faust, durch das neue Wissen Macht erlangen (vgl. Haynes
1994, 96).
Viktor Frankenstein befindet sich nach der Erschaffung seiner Kreatur in einem
ethischen Dilemma, wobei schon die Erschaffung selbst ethisch und moralisch fragwürdig ist. Dementsprechend wird das Stereotyp meist in Zusammenhang mit naturwissenschaftlicher Forschung gebracht, sobald eine neue Entdeckung das soziale Gleichgewicht zu bedrohen scheint:
Just when scientists were beginning to redeem their image by reinventing themselves as
‚green,‘ delivering the planet from the poisons developed by industrial chemistry,
biologists have fallen into the moral depths – again. According to the media, Victor
Frankenstein is alive and well, preparing polio viruses for germ warfare, delivering
genetically engineered vegetables, cloning sheep, cows, human babies, and anything you
care to nominate. (Haynes 2003, 243)
Durch die Verbindung der ‚realen‘ Wissenschaftler mit dem ‚fiktiven‘ Wissenschaftler
Viktor Frankenstein soll vor allem der „blasphemische Eingriff in die Schöpfungsgeschichte“ („Wissenschaft als Metapher“) hervorgehoben werden.119 Seine Einmischung
in göttliche Gesetze, sprich die Erschaffung von Leben, ist letztlich der Grund für Viktor
Frankensteins Unglück und Untergang.
Science, in this Gothic melodrama, stands accused of perverting the awesome power of
natural forces to ungodly ends. Frankenstein’s researches do irreparable damage to
himself and his family, and his last words are a warning against the ambition of
distinguishing oneself in science and discoveries. (Parrinder 1995, 129)
Seine Hybris lässt Frankenstein zum Außenseiter werden, er vernachlässigt Freunde und
Familie, und seine Isolation von der Gesellschaft lässt Haynes zu der Schlussfolgerung
kommen, dass Frankenstein und seiner Kreatur moralisches Wertgefühl fehlen, weil sie
eben nicht in die Gesellschaft integriert sind (vgl. 1994, 97f). Die Analogie zum
Frankenstein-Stereotyp wird also herangezogen, wenn die Hingabe zum Forschen auf
Kosten von humanistischen Werten erfolgt (vgl. Tudor 1989a, 137).
Die andauernde Konjunktur des Frankenstein-Stereotyps liegt darin begründet,
dass Wissenschaftler sich immer noch weitestgehend ‚isolieren‘ und die heutige
Gesellschaft dem Streben nach neuem Wissen eher ambivalent gegenübersteht. Die
generelle Charakterisierung des Wissenschaftlers als ‚Sonderling‘ wird begünstigt durch
119
Dies zeigt sich auch bei den Zeitschriftenartikeln, die für diese Untersuchung analysiert worden sind
vgl. dazu S. 86.
74
den Ort des (naturwissenschaftlichen) Forschens, das Laboratorium. Es schottet den
Wissenschaftler von der Außenwelt ab, damit dieser einerseits in Ruhe forschen, aber
andererseits auch seine Ergebnisse unter Verschluss halten kann. Diese ‚Geheimniskrämerei‘ und eine für Laien oft schwer verständliche Fachsprache tragen dazu bei, die
(angebliche) Andersartigkeit von Wissenschaftlern hervorzuheben. Dabei ist die Präsentation von Wissenschaft nicht zwangsläufig auf die negative Sichtweise beschränkt:
„Die Reflexion der Populärkultur über Wissenschaft und ihre Akteure umfassen die
gesamte Spannbreite von radikaler Ablehnung bis zur verbeugenden Affirmation.“
(Junge/Ohlhoff 2004, 17) Vor allem in populären Kulturprodukten wird das Stereotyp
des Mad Scientist herangezogen, um Unbehagen und/oder Ängste vor einer
Wissenschaft hervorzuheben, die sich dem allgemeinen Verständnis entzieht.120
Wie bereits angemerkt, spiegelt die Figur des Wissenschaftlers in populären
Fiktionen die in der Öffentlichkeit gegenüber den Wissenschaften allgemein vorherrschende ambivalente Wahrnehmung wider (vgl. Tudor 1989a, 155-157 sowie Mulkay
1996, 159; vgl. auch Kap. I.3.4 oben). Vor allem Befürchtungen, dass Forscher und
Forscherinnen durch ungezügelten Forschungsdrang und Neugier ethische Grenzen
überschreiten, sind weit verbreitet (vgl. Mulkay 1996, 159). Speziell die Darstellung der
Wissensgenerierung, d.h. „wie Wissenschaftler zu ihrem Wissen gelangen, kann Aufschluss darüber geben, wo das Laienpublikum Grenzüberschreitungen, Wertverletzungen oder gar Verbrechen sieht“ (Weingart 2003, 15). Dass das Wissenschaftlerbild als
Indikator für gesellschaftliche Ängste einer bestimmten Zeit stehen kann, zeigt eine
Studie der Universität Bielefeld, die Wissenschaftlertypen in Hollywoodfilmen untersucht: „Sieht man sich an, welche Filmthemen zu welchen Zeiten dominierten, so kann
man unzweifelhaft einen Zusammenhang mit den angstbesetzten Themen der jeweiligen
Zeit ausmachen.“ („Wissenschaft als Metapher“) So wird der Mad Scientist „[n]ach
dem 2. Weltkrieg [zum] Dämon der Urbanisierung und Modernisierung“ und tritt in den
120
Wie beliebt die Figur des unethischen oder gar bösen Wissenschaftlers in populären Filmgenres ist,
verdeutlicht eine Recherche in der International Movie Database (IMDB) mit dem Stichwort ‚mad
scientist‘, die insgesamt 540 Treffer für die Jahre von 1916-2013 auflistet (durchgeführt am
08.09.2010). Aufgeschlüsselt in einzelne Medienarten ergibt sich folgende Aufteilung: 334 Treffer für
Kinofilme, 111 Treffer für Fernsehen, 51 Kurzfilme und 15 Videospiele. Aufgeschlüsselt nach Genres
– die allerdings überlappen können – bedeutet dies 257 Treffer für Science Fiction, 159 Treffer für
Comedy und 261 Treffer für Horror. Somit ergibt sich ein Durchschnitt von drei Kinofilmen pro Jahr
mit einem Mad Scientist-Sujet, von denen die Mehrheit zum Mischgenre Science Fiction/Horror
gehört. Hierzu hat Andrew Tudor die Studie Monsters and Mad Scientists (1989) vorgelegt, die zeigt,
dass in knapp einem Viertel der Horrorfilme – 264 von insgesamt 990 untersuchten – die Bedrohung
von der Wissenschaft ausgeht, und dass davon wiederum bei 169 Filmen der Mad Scientist die
Ursache der Katastrophe ist. In den verbleibenden 95 Filmen resultiert die Katastrophe direkt aus der
Forschung bzw. einem Forschungsergebnis (vgl. Tudor 1989a, 133).
75
1980er Jahren in den Bereichen der Computerkriminalität und Erschaffung von
künstlichen Intelligenzen erneut prominent in Erscheinung (ibid.).
Dabei haben reale Wissenschaftler das populäre Wissenschaftlerbild nur geringfügig beeinflusst, wie Haynes in ihrer grundlegenden Studie zu Wissenschaftlerfiguren,
From Faust to Strangelove: Representations of the Scientist in Western Literature
(1994), darlegt. Wie bereits erwähnt, sind es vor allem die fiktionalen Repräsentationen,
wie Dr. Faust, Dr. Moreau, Dr. Jekyll, Dr. Strangelove, Rotwang und allen voran Dr.
Frankenstein, die noch immer zur negativen Konnotierung heutiger, moderner Wissenschaften beitragen (vgl. Haynes 1994, 1 sowie Millhauser 1973, 287f.). Die Darstellungen von Wissenschaftlern in populären Kulturprodukten ist jedoch nicht auf die
Extrempole ‚Gut‘ und ‚Böse‘ beschränkt, sondern es stehen eine Reihe von Stereotypen
zur Auswahl, um verschiedene Aspekte der Forschung und Anwendung von
Forschungsergebnissen zu illustrieren. Roslynn Haynes macht sieben solcher Stereotype
aus: auf der positiv konnotierten Seite den ‚noble scientist‘, der die Gesellschaft
heldenhaft vor einer Bedrohung rettet, den ‚helpless scientist‘, der seine Schöpfung
nicht kontrollieren kann und den ‚scientist as adventurer‘, der auf Forschungsreisen
Abenteuer besteht. Eine Art Zwischentyp ist der ‚foolish scientist‘ – er ist kein ausgebildeter Wissenschaftler, sondern ein Laie –, der aufgrund seiner karikaturhaften
Darstellung nicht ernst genommen werden kann. Die deutlich negativ konnotierten
Typen sind der ‚evil alchemist‘, der ‚inhuman researcher‘ und der ‚mad, bad, dangerous
scientist‘ (Haynes 2003, 244). Vor allem der letztere Typ wird oft als Größenwahnsinniger dargestellt, der prototypisch folgende Attribute aufweist: „paranoia, delusions
of grandeur, obsessive behavior resulting from failure to understand what is happening
in the real world, and belief that he is the instrument of God.“ (Haynes 1994, 200) 121
Anhand dieser kurzen Skizze lässt sich bereits die Vielfältigkeit des Themas erahnen,
daher wird aus Darstellungsgründen eine Beschränkung auf die für die Analyse
relevanten Stereotypen vorgenommen.
‚Böse‘ Wissenschaftler zeichnen sich durch ihr kompromissloses Streben nach
neuem Wissen aus. Der ‚wahrhaft böse‘ Wissenschaftler (mad, bad and dangerous) hingegen strebt nicht nur nach dem Möglichen, sondern versetzt seine Umgebung mit
seinen Erfindungen in Angst und Schrecken.122 „Not surprisingly, the rise of evil
121
122
Zu fiktionalen Stereotypen von Wissenschaftlern vgl. auch „Wissenschaftler Typen“. Zum Bild des
Wissenschaftlers wie Kinder ihn darstellen vgl. Frayling (2005, 14) und Haynes (1994, 1f).
Eine ausführliche Definition des ‚wahrhaft bösen‘ Wissenschaftler-Typus findet sich bei Brigitte
Frizzoni: „Er hat einen totalitären Anspruch auf (wissenschaftliche) Macht und Anerkennung und
hütet seine Erfindung eifersüchtig; sein Forschungsinteresse richtet sich auf dubiose, eigennützige
76
scientists in fiction is directly contingent on some new technology, usually a source of
physical power, over which they hold a monopoly.“ (Haynes 1994, 189) Dieser Typus
steht dezidiert im Zusammenhang mit den im 20. Jahrhundert entwickelten Massenvernichtungswaffen. „Hier findet man […] die Warnung vor der Apokalypse wissenschaftlichen Forschungsdrangs.“ (Junge/Ohlhoff 2004, 13) Auffällig ist, dass negativ konnotierte Wissenschaftler-Typen die Folgen von und Verantwortung für Forschung als
unbedeutend erachten. Für sie ist allein die Erweiterung des Wissens Grund und Antrieb
zur Forschung, sowie die Annahme, dass Neuentdeckungen und -entwicklungen
unausweichlich sind (vgl. Haynes 1994, 237).
Für den Typus des ‚unmoralischen‘ Wissenschaftlers ist Ruhm und Macht erstrebenswert, für ihn heiligt der Zweck die Mittel und er vertritt die Einstellung, dass
Wissenschaft per se wertfrei sei (vgl. ibid., 240).123 In der Literatur wird dieser Wissenschaftler bewusst zur Reflexion von Forschungshaltungen eingesetzt, sein Verhalten
wird dabei durch einen anderen, positiv belegten Charakter bzw. Erzähler kommentiert
und kritisiert (vgl. ibid., 267). Wiederkehrende Fragen, die mit Hilfe des ‚unmoralischen‘ Wissenschaftlers in fiktionaler Darstellung erörtert werden sollen, sind:
ethical considerations of particular research projects and whether they are appropriate,
given the traditional belief that science is value-free; questions about the degree to which
scientists can be held responsible for the use to which their discoveries are put by others;
the control they can hope to assume; and the certainty with which possible harmful
ramifications can be predicted. (Ibid., 240f)
Dennoch zieht Haynes eine Grenze zwischen den Wissenschaftlern, die nur das
Gelingen des Experiments im Sinn haben und jenen Wissenschaftlern, die mit hohen
moralischen Ansprüchen an ihre Arbeit gehen und dann die Kontrolle über ihre
Forschung verlieren (vgl. Haynes 1994, Kapitel 15 sowie Weingart 2003, 14). Diese
‚ambivalenten‘ Typen werden allerdings eher zur Gruppe der positiv konnotierten
Wissenschaftler gezählt.
Andrew Tudor kontextualisiert das Aufkommen des Wissenschaftlertyps, der
Gutes im Sinn hat und schließlich Opfer seiner Forschung wird, mit Entwicklungen in
der Realwelt der 1950er Jahre – dem erneuten Erwachen des Fortschrittsdenkens. Der
123
Projekte ohne erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen […] Fortschritt und wissenschaftlicher Erfolg
sind ihm oberstes Gebot, und er setzt dabei ganz bewusst das Leben anderer aufs Spiel“ (2004, 27).
In der Realwelt sind speziell beim Typus des unmoralischen Wissenschaftlers, so Haynes, Konzessionen der Gesellschaft gegenüber dessen Forschungstreiben erkennbar. Da er seine Forschung hochmotiviert betreibt und seine Forschungsergebnisse der Bevölkerung zugute kommen, wird er unter
Kollegen und auch in den Medien nicht diskreditiert (vgl. 1994, 236). Durch den Einsatz von
Ethikkommissionen und die Durchsetzung von Forschungsrichtlinien wird versucht, unethisches
Forschungsverhalten zu unterbinden (vgl. ibid., 237).
77
Typus des ‚hilflosen‘ Wissenschaftlers betreibt „Forschung nach bestem Wissen und
Gewissen“ und stellt sich in den „(vermeintlichen) Dienst der Menschheit“. Diese
Wissenschaftler „setzen sich selbst als Versuchskaninchen ein, um andere Menschen
nicht zu gefährden. […] sie [werden] unwillentlich zu Tätern und gehen letztlich als
Opfer ihres eigenen Experiments zugrunde“124 (Frizzoni 2004, 28, meine Hervorhebung). Die Öffentlichkeit in den 1950er Jahren akzeptierte, dass Wissenschaftler Teil
des Fortschritts waren und es Fortschritt ohne Forschung nicht geben konnte. Trotzdem
herrschte eine generelle Angst, dass der Fortschritt zu schnell zu viele Veränderungen
mit sich bringen und somit außer Kontrolle geraten könnte (vgl. Tudor 1989a, 143).
Ebenfalls thematisiert wird, inwiefern Wissenschaftler für das Ergebnis als auch den
anschließenden Einsatz ihrer Forschung verantwortlich gemacht werden können. So
werden Wissenschaftler nicht mehr nur als mad, bad and dangerous karikiert, sondern
auch als Opfer des modernen Zeitalters stilisiert (vgl. Tudor 1989b, 591). Auch Haynes
verortet diesen Typus im 20. Jahrhundert, zu einer Zeit in der Militär und Regierungen
Forschungsergebnisse zunehmend für ihre eigenen Zwecke nutzten,125 wobei gerade
diese Situation, so Haynes, den Wissenschaftler dazu zwingt, seine Ethik zu vertreten
und sich ‚unpatriotisch‘ zu verhalten:
His own moral imperative may even drive him to subvert government authorities, thereby
risking the label of traitor. This theme of what could be called „ethical treason“ emerged
during the Second World War, when scientists in defense work suddenly found
themselves involved in escalated research on atomic weapons. (Haynes 1994, 269)126
Der hilflose Wissenschaftler kann somit auch ambivalent gesehen werden, einerseits
kann ihm vorgeworfen werden, dass er die Konsequenzen seiner Forschungen hätte
vorhersehen müssen, andererseits versucht er, seinen Fehltritt wieder gut zu machen und
kann dadurch zum Helden aufsteigen, der gegen das Militär oder die Regierung und
deren unlauteren Absichten ankämpft (vgl. ibid., 292). Hier wird die Debatte um die
Verantwortung der Forschung wieder aufgegriffen. Wer ist letztlich haftbar für den
Missbrauch des gewonnenen Wissens: der Wissenserzeuger oder der Endnutzer?
124
125
126
Tudor erwähnt in diesem Zusammenhang den Film The Fly (1958, Regie: Kurt Neumann), in dem der
Wissenschaftler zwar als obsessiv dargestellt, dann aber Opfer eines Unfalls wird, d.h. die Fliege sich
durch Zufall in der Transformationsmaschine befindet.
Clute/Nicholls kommentieren, dass Science Fiction-Autoren die vorherrschende populäre öffentliche
Meinung aufgriffen, „claiming that it was not mad scientists but mad generals and mad politicians
who were the problem; nuclear scientists were often represented as isolated paragons of sanity locked
into a political and military matrix that threatened the destruction of the world“ (1995, „Scientists“).
Haynes verweist in diesem Zusammenhang auf Einstein und Rutherford, die in aller Unschuld an
scheinbar obskuren Theorien arbeiteten und glaubten, dass diese kein bedrohliches Potential darstellten (vgl. 1994, 283).
78
Der ‚Wissenschaftler als Held‘ ist seit den großen Erfindungen in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts etabliert:127
The US public made a hero of Thomas Alva Edison (1847-1931), and this admiration for
the clever inventor is reflected in much popular fiction. […] Other scientists who
attracted hero-worship included Louis Pasteur (1822-1895) and Albert Einstein (18791955). (Clute/Nicholls 1993, „Scientists“)
Dieser Typus zeichnet sich, laut Frizzoni, besonders durch ein „starkes moralischethisch-religiöses Empfinden, Empathie und Altruismus“ aus (2004, 31). Die Protagonisten mit wissenschaftlichem Hintergrund werden heroisiert, romantisiert und
idealisiert: „[T]he successors of Verne’s heroes, voyaging through the galaxy, where no
man had gone before, doing battle with the forces of evil therein and breaking through
spatial, temporal, and psychological barriers.“ (Haynes 1994, 167) Diese positiv
belegten Charaktere werden in der Science Fiction speziell im Format der space opera
dargestellt und „gefeiert“ (Frizzoni 2004, 32).
Their latter-day equivalents are Dr. Who and his assistants and the crew of the Starship
Enterprise, among whom the scientists are indistinguishable from the rest. In theses
stories, science is both the metaphor and the rationale for adventure. (Haynes 1994, 167f)
Der Forscher wird quasi als Personifizierung der Wissenschaften eingesetzt. Auch in
nicht-fiktionalen Medien werden oft fiktionale Wissenschaftlerfiguren herangezogen,
um Haltungen gegenüber Forschung prägnant zu illustrieren. Wie aber bereits
angedeutet wurde, ist nicht nur das Forschen an sich problematisch, sondern auch die
Nutzung bzw. der Einsatz der Forschungsergebnisse und Technologien. In der Verhandlung von ethischen Aspekten zu Forschung und Forschungsanwendung beeinflussen sich der Spezial- und der populäre Mediendiskurs gegenseitig, wie im
Folgenden exemplarisch für die Diskursformationen Gentechnologie und Forschung zu
künstlichen Intelligenzen der 1990er Jahre gezeigt wird.
127
Dieser Typus kann, nach Haynes, in die Subkategorien Erfinder, Weltenretter, Detektiv und Herrscher
einer utopischen Welt unterteilt werden (vgl. 1994, 162-186).
79
1.3 Ethische Aspekte der Gentechnologie im Spezialdiskurs der Ethik und dem
öffentlichen Mediendiskurs
The progress has been steady – both
in science and in science fiction.
(Begley 1997a, n.pag.)
Zum Bereich der Gentechnologie besteht ein ausführlicher Ethik-Diskurs, weshalb im
folgenden Abschnitt lediglich für die Voyager-Analyse relevante Diskussionen zur
Technik der Genmanipulation und des Klonens sowie deren ethische Dimensionen
skizziert werden. Der Schwerpunkt wird daher vornehmlich auf der Diskussion um
Manipulationen menschlicher DNA liegen. Die Befürworter des Einsatzes von
Gentechnologie am Menschen erhoffen sich Verbesserungen für die Lebensumstände
und Heilungsmöglichkeiten von Schwerkranken. Letzteres würde eine medizinische
Indikation darstellen und die Untersuchung des Genoms rechtfertigen. Besonders die
Hoffnung, lebensbedrohende Erbkrankheiten zu eliminieren wird stets betont, wenn es
um die Rechtfertigung der Forschung geht (vgl. Nida-Rümelin 2005d, 181). Die Gentechnik wird zugleich als faszinierend wie auch als beängstigend dargestellt; Zukunftsvisionen werden geäußert und eine neue technologische Ära antizipiert: „[W]e will
fashion other living things, and ultimately ourselves, to suit our own designs.“ (Turney
1998, 1) Neben den Möglichkeiten des Machbaren steht aber auch der verantwortungsvolle Umgang mit dem Wissen um das menschliche Genom im Fokus der
Diskussionen:
The rapid advancement of molecular genetics in the last quarter of the twentieth century
introduced a new acuity to ethical questions connected with the human reproductive
process, requiring the establishment of legal principles specifically geared to deal with
the exploitation of new technological opportunities. (Stableford 2006, „Ethics“)
Es wird befürchtet, dass bei Kenntnis von etwaigen Gendefekten bzw. potentiellen
Risiken durch genetische Veranlagung Nachteile auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Yesley
2002) oder Benachteiligungen durch Versicherer (vgl. Sorrel 2002) entstehen. Aus
diesem Grund gibt es „ein Recht auf Nichtwissen um das eigene Genom gerade zur
Erhaltung des Selbstbestimmungsrechtes im Hinblick auf die Gestaltung des eigenen
Lebens“ (Irrgang 2005, 670). Trotz dieser Befürchtungen sind Gentests heute weitgehend etabliert und vor allem hinsichtlich der Vermarktung von Gendatenbanken und
Patenten zu einem Wirtschaftsfaktor geworden.128 Dabei muss allerdings bedacht
128
In den USA werden Gentests bereits seit fast 30 Jahren eingesetzt vgl. Annas (2002, 131). Zu Gentests
und -datenbanken als Wirtschaftszweig vgl. z.B. Chadwick/Hedgecoe (2002).
80
werden, dass die Ergebnisse eines Gentests kein medizinisches Faktenwissen darstellen,
sondern Wahrscheinlichkeiten und Veranlagungen abbilden, die einer anschließenden
fachlichen Interpretation bedürfen.129
Prominent diskutiert wird der Eingriff in das ‚göttliche Handwerk‘130 – die DNA
– im Bereich der Reproduktionsmedizin:
Creating life by cloning and other assisted reproduction technologies still seems to many
to usurp and mock the role of God, devalue and diminish our essential humanity, and
produce opportunities for totalitarian mischief. (Klotzko 2004, xxxii)
Die bekannteste Option in der Reproduktionsmedizin ist die seit Jahrzehnten etablierte
Methode der Invitro-Befruchtung. Hier wurde vor allem die Möglichkeit, sich in
Befruchtungskliniken einen Samenspender nach Kriterien wie Aussehen und IQ aus
einem Katalog auszusuchen, kritisch hinterfragt: „In America […] people choose eggs
and sperm from ‚prize‘ donors advertising on the Internet, and surrogate wombs are
offered for rent.“ (Gosden 1999, 6) Bei einer Bestimmung des Genoms einer IVbefruchteten Eizelle, oder auch eines Fötus im Mutterleib, kann die Information über
Leben und Tod entscheiden, was als ethisch problematisch eingestuft wird. Selektive
Abtreibung bzw. selektive Einpflanzung von IV-befruchteten Embryonen, welche den
Beigeschmack der Eugenik tragen, sind damit ein hochsensibles Thema.131 Die
Technologien, die hier im Verdacht stehen, eugenische Selektion zu befördern, sind die
Prä-Implantations-Diagnostik (PID, engl. PGD [Premimplanataion Genetic Diagnosis])
und die Prä-Natal-Diagnostik (PND).132
[D]iese Methode [könnte] aus der Perspektive von Eltern mit schweren Erbkrankheiten
ethisch auch positiv bewertet werden. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit für die Eltern
werden aus sozialen wie aus genetischen Gründen Ausnahmen von der Respektierung des
Lebensrechts des Embryos bzw. Fötus geduldet. (Irrgang 2005, 678)133
Generell wird die Feststellung des Genoms eines Fötus negativ bewertet, da die
Kenntnis der genetischen Veranlagung eventuell zu einer Abtreibung führen kann und
129
130
131
132
133
Zur Notwendigkeit der Interpretation von Gentests vgl. Irrgang (2005, 670).
Dorothy Nelkin und M. Susan Lindee untersuchten die kulturelle Wahrnehmung des Genoms und
fanden heraus, dass die DNA oft mit dem göttlichen Funken assoziiert wird: „DNA appears to be
immortal, sacred, soul-like, and even at times divine itself“ (2004, xix).
Vgl. dazu Irrgang (2005, 671) sowie Schöne-Seifert (2005, 742f).
Zu ethischen Implikationen von Selektion vgl. Irrgang (2005, 677) sowie Stableford (2006, „Ethics“).
In Deutschland ist die PID bei medizinischer Indikation erlaubt (vgl. „Entscheidung über PID“ 2011,
n.pag.). In den USA wird die PID landesrechtlich reguliert. Die meisten US-Staaten erlauben bspw.
das Geschlecht durch PID bestimmen zu lassen (vgl. „PGD: Legal Aspects“). Zu weiteren Ausführungen und Erklärung der Technik von Prä-Natal- und Prä-Implantations-Diagnostik vgl. z.B. Irrgang
(2005, 676-681), Schöne-Seifert (2005, 779-782), Steinbock (2002) sowie Zude (2006, 119-122).
Vgl. dazu auch Schöne-Seifert (2005, 782).
81
somit das Recht auf Leben wie auch das Selbstbestimmungsrecht des ungeborenen
Kindes verletzt (vgl. ibid., 676).
Der Wunsch nach Perfektion, ein Ideal, das auch in den Medien als
erstrebenswert propagiert wird, scheint mittels Genmanipulation erfüllbar, „research
will switch to producing a baby that is free of defects and attractive and arrives with
perfect timing“ (Gosden 1999, 5).134 Dabei sind die Implikationen für das Kind und sein
späteres Leben durchaus „bedenklich, wenn die Perfektion des geborenen Kindes
Vorraussetzung dafür wäre, dass es geliebt wird“ (Irrgang 2005, 679). Die Debatte um
‚manipulierte Wunschkinder‘ machte in den öffentlichen Medien unter dem Schlagwort
„Designer Babies“ von sich reden.135 Irrgang mahnt, dass „[h]inter der Vorstellung,
Wunschkinder zu fabrizieren, Fortpflanzung zu managen und auch das Sterben souverän
beherrschen zu können, sich Extremvisionen persönlicher Autonomie [verbergen]“
(ibid., 683).
Die scheinbare Unantastbarkeit des Genoms wird in den Debatten zum Klonen
fortgeführt.136 Damit verbunden sind Diskussionen um Individualität und Identität eines
jeden Lebewesens. Das ‚reproduktive‘ Klonen stellt dabei eine weitere Möglichkeit dar,
ein ‚Wunschkind‘ zu gebären. Dabei muss es nicht zwingend um gewünschte genetische
Eigenschaften gehen, die das Kind haben soll, sondern die Technik kann als Hilfestellung für unfruchtbare Paare angewandt werden, die ein biologisch verwandtes Kind
aufziehen möchten. Dies wird jedoch als ethisch fragwürdig erachtet, da auch dies einen
Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung und auf Individualität darstellt.137 Als
gänzlich inakzeptabel wird das Klonen eines verstorbenen Kindes angesehen, wenn
Eltern sich durch eine Kopie über den Schmerz des Verlustes hinweg trösten wollen.
Das ‚therapeutische‘ Klonen hingegen wird weniger vehement diskutiert. Ein Beispiel
hierfür wäre das Klonen eines Organs aus Stammzellen, um ein krankes Organ ersetzen
zu können.138
Einen Zusammenhang zwischen Genom und Charakter versuchten klinische Studien zu Charaktereigenschaften von identischen Zwillingen herzustellen (vgl. Klotzko
134
135
136
137
138
Diese Tendenz erinnert stark an die Thematik des oben erwähnten Films Gattaca.
Vgl. dazu 1.3 unten sowie Kap. III.2.2.
Zur Technik des Klonens allgemein vgl. Wilmut (2002, 33f).
Vgl. dazu bspw. Klotzko (2004, 116), Macklin (2002, 213f), Wachbroit/Wassermann (2003, 147) und
Wilmut (2002, 36). Siehe auch die Zusammenfassung der Diskussion in den öffentlichen Medien
weiter unten.
Allerdings würde hierunter auch gezählt, wenn ein Klon eines kranken Kindes diesem eine Organoder Knochenmarkspende ermöglichen soll. Dies wird in den Zeitschriftenartikeln negativer bewertet
als der Wunsch von unfruchtbaren Paaren, durch Klonen ein leibliches Kind zu bekommen.
82
2004, 137). Das Wissen um das Genom und dessen jeweils spezifische Kodierung entfachte somit erneut die sogenannte Anlage-Umwelt-Debatte (nature vs. nurture
debate),139 die von den öffentlichen Medien auch in diesem Zusammenhang häufig
aufgegriffen wird. Wissenschaftler betonen, dass die Technik des Klonens in der
Zukunft vielfältig einsetzbar und aus diesem Grund von Bedeutung sei, wie auch Ian
Wilmut, der Erschaffer des Klonschafs Dolly, propagiert: „Cloning technology is in its
infancy, and it would be naive to pretend that future approaches can all be envisaged
already or that it is possible to predict when more effective procedures will become
established.“ (2002, 35) Dennoch haben viele Regierungen nach dem Bekanntwerden
von Dollys Existenz Maßnahmen ergriffen, das Klonen von Menschen zu verbieten
(vgl. Macklin 2002, 206-208).140 Als Grundlage für das Verbot diente das Recht auf
Individualität und damit auf einen individuellen genetischen Code: „But it is not at all
clear why the deliberate creation of an individual who is genetically identical to another
living being (but separated in time) would violate anyone’s rights.“ (Ibid., 213) Wenn
ein Mensch der Klonung seiner DNA zustimmt, so Macklin, hat er wissentlich auf das
Recht genetischer Einzigartigkeit verzichtet (vgl. ibid.). Die Diskussion um ethische
Normen und Grenzen in der Gentechnologie findet nicht nur in ethischen und
wissenschaftlichen Abhandlungen statt, sondern wird auch breit in den öffentlichen
Medien verhandelt, als eine Zukunftstechnologie, welche die Menschen direkt betrifft.
In den untersuchten Zeitschriften Scientific American, Time Magazine, Popular
Science und Newsweek ist eine Häufung von Artikeln zum Thema Gentechnologie für
die Jahre 1997 bis 2000 zu verzeichnen.141 Die Diskussion um das Thema setzte aber
bereits Anfang der 1990er Jahre ein. Im Jahr 1990 wurde das Human Genome Project
(HGP) zur Entschlüsselung der menschlichen DNA gestartet. Die Artikel vor 1997
erörtern meist, welche Möglichkeiten die Entschlüsselung des Genoms bietet und
welche Gefahren dadurch entstehen könnten. In Popular Science schreibt Fred
139
140
141
Die Anlage-Umwelt-Debatte thematisiert, ob die Entwicklung eines Menschen bereits in seinen Genen
vorgegeben ist oder ob die Umwelt auf seine soziale und psychische Verfassung als Erwachsener
Einfluss hat vgl. hierzu z.B. Steven Pinker, The Bland Slate: The Modern Denial of Human Nature
(2002) und Matt Ridley, Nature via Nurture: Genes, Experiences and What Makes Us Human (2003).
Eine weltweit gültige Richtlinie und legale Grundlage zur Forschung am Genom stellt die
Declaration on the Human Genome and Human Rights dar, ein von der UNESCO im Jahre 1998
ratifiziertes Dokument (vgl. Schweidler 2006a, 42), einzusehen unter <http://unesdoc.unesco.org/
images/0010/001096/109687eb.pdf> (Zugriff 17.02.2015). In den USA steht dem Präsidenten in
Fragen zur Bioethik eine beratende Kommission zur Seite, die National Bioethics Advisory Commission, die Vorschläge zur Gesetzgebung unterbreiten kann (vgl. <http://www.bioethics.gov>, Zugriff 17.02.2015).
Aus Darstellungsgründen kann hier nur ein kurzer Überblick über Themen und Kontroversen der
Gentechnik gegeben werden. Zur Vervollständigung und Veranschaulichung wurde eine quantitative
Artikelanalyse vorgenommen und grafisch aufbereitet vgl. Abb. 1, S. 232.
83
Abetemarco in der Ausgabe vom Juli 1991 in der Sektion „From the Editor“ über das
HGP:
Its aim: to produce an encyclopedia of life – a data base of the human genetic code in its
billions of sequences. Its promise: a greater understanding of the genetic underpinnings of
chronic diseases, including diabetes, heart disease, cancer, arthritis, cystic fibrosis,
muscular dystrophy, and more. Its scope: $3 billion over a decade and a half, involving
hundreds of scientists from dozens of countries. (1991, 4)
In Scientific American wird der Beginn des HGP in einer kurzen Meldung im Jahr 1991
erwähnt und ein Sonderbericht im Jahr 1992 mit dem Titel „Hacking the Genes“ befasst
sich mit der Speicherung und Aufbereitung der im Projekt gesammelten Daten (vgl. D.
Erickson 1991 und 1992).142 Der Artikel „Hacking the Genes“ reflektiert zudem die
mögliche Problematik, wie das entschlüsselte Genom letztlich ‚zu lesen‘ sei (vgl. D.
Erickson 1992, 128). Das Time Magazine publizierte im Jahr 1994 eine ReportageReihe zum Thema: „Genetics: The Future is Now“, in dem sich der Leitartikel von
Philip Elmer-DeWitt, „The Genetic Revolution“, mit dem HGP befasst (vgl. 1994,
n.pag.). Elmer-DeWitt erklärt die möglichen Ausmaße der DNA-Entschlüsselung:
„[T]he ability to manipulate genes – in animals and plants, as well as humans – could
eventually change everything: what we eat, what we wear, how we live, how we die and
how we see ourselves in relation to our fate.“ (Ibid.) Elmer-DeWitt bewertet das
genetische Screening als eine positive Möglichkeit der Anwendung der aus dem HGP
gewonnenen Erkenntnisse. Diese Technologie durchsucht die DNA nach bestimmten,
bspw. fehlerhaften, Genen, um aufgrund dieser Informationen entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Es wird aber noch längere Zeit dauern, bis solche
Gene gezielt ausgeschaltet werden können (vgl. ibid.). Eine Umfrage, die im Artikel
„The Genetic Revolution“ erwähnt wird, verdeutlicht die ambivalente Haltung der USBevölkerung: „Most people strongly oppose human genetic engineering for any purpose
except to cure disease or grow more food. A substantial majority (58%) think altering
human genes is against the will of God.“ (Ibid.) Nur drei Jahre später dreht sich die
Diskussion nicht mehr um das ‚Ob‘ sondern das ‚Wann‘: Kurz nach der Bekanntgabe
des erfolgreichen Klonens eines Schafes im Jahr 1997, ergab eine Umfrage von
CNN/Time, dass 69% der Befragten Angst vor der Möglichkeit Menschen zu klonen
haben, 89% Klonen als moralisch inakzeptabel empfinden und lediglich 7% sich selbst
142
Zu Forschungsmöglichkeiten, die durch die Entschlüsselung der DNA ermöglicht werden vgl.
Collins/Jegalian (1999). Das HGP wurde 2003, zwei Jahre früher als erwartet, erfolgreich abgeschlossen (vgl. <http://www.ornl.gov/sci/techresources/Human_Genome/home.shtml>, Zugriff 17.02.2015).
84
klonen lassen würden.143 Wiederum drei Jahre später haben sich die Ängste der
Menschen nicht verflüchtigt, wie eine Umfrage, veröffentlicht in Popular Science im
Januar 2000, zeigt: 63% der US-Bevölkerung glauben, dass ein Mensch innerhalb der
nächsten 25 Jahre geklont werden wird. 71% der Befragten finden Klonen unethisch,
allerdings meinen 40%, dass Klonen zur Fortpflanzung bei unfruchtbaren Paaren
vertretbar sei (vgl. „Popular Science Poll Flash“). Dies verdeutlicht die Vorbehalte, die
in der Öffentlichkeit gegenüber dem Klonen gehegt werden.
Der Hauptforschungszweck des HGP wie erwähnt liegt in der Möglichkeit zur
Erstellung eines genetischen Fingerabdrucks für jeden Menschen. In Diskussionen um
genetische Screenings werden Befürchtungen laut, dass aufgrund der Testresultate
Eugenik betrieben werden könnte und zwar rein aus Kostengründen.144 Zudem wird
gemutmaßt, dass das Wissen um das Genom Benachteiligungen im Arbeitsleben oder
auch erhöhte Abgaben für die Krankenversicherung nach sich zieht,145 die allein auf
einer an den Genen abgelesenen Wahrscheinlichkeit beruhen.146 Die Forschergruppe des
HGP ist sich offenbar dieser Implikationen bewusst. Edward Edelson berichtet in
seinem Popular Science-Artikel „Genome“, dass Teile der Fördergelder genutzt werden,
um soziale Konsequenzen der Forschungsergebnisse auszuloten: „[T]he genome project
is allocating two percent of its budget for studies of ethical, legal, and social considerations. An advisory committee already has laid out a coordinated program of study
and education to deal with those problems.“ (1991, 83)147 Ängste vor Eugenik und
Selektion kommen auch in den Artikeln zum Thema Klonen zur Sprache.
143
144
145
146
147
Befragt wurden insgesamt 1.500 US-Amerikaner. Weitere Resultate waren, dass fast die Hälfte der
Befragten geklonte Früchte und Gemüse essen würde, 56% allerdings kein Fleisch von geklonten
Tieren verzehren würde (vgl. „CNN/Time Poll“; auch erwähnt bei Rollin (2002)).
„Those who doubt that a eugenics movement reminiscent of the Nazi era could get started in this day
and age have only to look at the example in China, which last month announced a program of
abortions, forced sterilization and marriage bans to avoid new births of inferior quality and heighten
the standards of the country“ (Elmer-DeWitt 1994, n.pag.).
Elmer-DeWitt (1994, n.pag.) führt ein Beispiel an, bei dem bei einem ungeborenen Kind mittels
Screening das Gen für Mukoviszidose nachgewiesen wurde, woraufhin die HMO (Health Maintenance Organization) der Mutter eine Abtreibung nahegelegt hatte und die Kosten dafür sogar übernommen hätte. Die Frau entschied sich aber, das Kind auszutragen. Weil die HMO das Kind aufgrund
des Mukoviszidose-Risikos nicht versichern wollte, ging der Fall vor Gericht; die Mutter gewann den
Rechtsstreit.
Diese Befürchtungen werden in mehreren Zeitschriftenartikeln gleichermaßen geäußert vgl. z.B.
Bjerklie/Park (1999), Elmer-DeWitt (1994) und Rennie (1994). Auch im Spezialdiskurs werden diese
Befürchtungen verhandelt (s.o.).
In späteren Artikeln des untersuchten Zeitraums wird das Komitee allerdings nicht mehr erwähnt,
noch wird auf Richtlinien o.ä. hingewiesen, die in diesem Zusammenhang eventuell erarbeitet wurden.
85
Der Forschungsbericht über das erste erfolgreiche Klonen eines Säugetieres 148
aus einer nicht-embryonalen Zelle,149 wurde im Februar 1997 in der renommierten
Fachzeitschrift Nature publiziert. Die untersuchten Zeitschriften reagierten hier zügig
auf die Nachricht über die Existenz des Klonschafs Dolly und verschärften in ihren
Leitartikeln die Diskussionen um das Für und Wider von Gentechnologie. Der Bericht
von Tim Beardsley, „The Start of Something Big? Dolly Has Become a New Icon for
Science“ (Scientific American Mai, 1997) definiert – wie der Untertitel schon andeutet –
die Errungenschaft von Wilmut als Meilenstein der Wissenschaft,150 erkennt aber auch
die ethischen Bedenken an: „Dolly’s birth […] represents an ethical and scientific
watershed“ (1997, 15). Die Technologie des Klonens sowie die ‚heimliche‘ Vorgehensweise – wie sich herausstellte arbeiteten Dollys ‚Erzeuger‘ seit Jahren im Stillen und
mit mehreren Fehlversuchen an dem Projekt151 – rückten auch die Figur des Wissenschaftlers verstärkt in den Fokus. Entsprechend wurde Wilmut mit dem FrankensteinStereotyp in Verbindung gebracht: „One doesn’t expect Dr. Frankenstein to show up in
wool sweater, baggy parka, soft British accent and the face of a bank clerk. […] Dr. Ian
Wilmut, the first man to create fully formed life from adult body parts since Mary
Shelley’s mad scientist.“ (Krauthammer 1997, n.pag.) Die Artikel schüren zum Teil
Ängste über das Klonen von Menschen und die Frage welcher Fluch (oder Segen)
daraus folgen könnte. Nash, zum Beispiel, evoziert Missbrauchsszenarien wie: „the
possibilty of virgin births, resurrecting the dead and women giving birth to themselves“
(1997, n.pag.).
Ein bedeutender Aspekt, den Nash in ihrem Time-Leitartikel „The Age of
Cloning“ (10. März 1997, n.pag.) zur Sprache bringt, sind Fragen bezüglich der Lebenserwartung eines Klons. Dolly wurde aus einer Zelle eines sechs Jahre alten Schafs ge148
149
150
151
Das Time Magazine (Nash, „The Age of Cloning“) und Newsweek (Begley, „Little Lamb, Who Made
Thee?“) veröffentlichten zwei Wochen später entsprechende Spezialausgaben. Die populärwissenschaftlichen Zeitschriften Scientific American (Beardsley, „The Start of Something Big?“) und
Popular Science (Uehling, „Couting 6LL3: Ian Wilmut Clones a Sheep, But He Isn’t Losing Any
Sleep“) hingegen veröffentlichten entsprechende Artikel erst im Mai.
Das Klonen mit embryonalen Zellen (undifferentiated cells) war vorher bereits mehrfach geglückt,
wie z.B. bei Fröschen und Affen. Dolly aber ist mit einer ‚erwachsenen‘ Zelle (genauer: 6 Jahre alt),
einer sogenannten differentiated cell, geklont, d.h. die Zelle hat sich bereits mehrfach geteilt und eine
‚Funktion‘ (Haut, Muskeln oder Haare) übernommen (vgl. Nash 1997, n.pag. und Uehling 1997, 74).
Allerdings dauerte es nicht lange, bis Wissenschaftler die Technik des schottischen Teams um Ian
Wilmut kopierten und Tiere, wie Mäuse und Schweine, aus ‚erwachsenen‘ Einzelzellen erfolgreich
klonten (vgl. z.B. Begley 1997b, Lemonick 1998 und Rogers 1998).
Sharon Begley berichtet in ihrem Artikel, dass Keith Campbell bereits 1995 die entscheidende Idee
gekommen sei, wie man eine ‚erwachsene‘ Zelle nutzen kann (vgl. 1997a, n.pag.). Das Team um
Campbell und Wilmut benötigte 277 Anläufe, bis schließlich Dolly geboren wurde vgl. z.B. Nash
(1997, n.pag.).
86
schaffen: Sind ihre Zellen und somit ihr Körper auch bereits sechs Jahre alt? 152
Beardsleys Artikel in Scientific American geht ebenfalls darauf ein, jedoch ist der Ton
weniger kritisch als bei Nash, sondern zeugt vielmehr von wissenschaftlicher Neugier:
„It will be scientifically fascinating if Dolly develops strange and fatal afflictions in
midlife. It will be even more fascinating if she does not.“ (1997, 16) Sharon Begley
formuliert in ihrem Newsweek Leitartikel „Little Lamb, Who Made Thee?“ (10. März)
folgende Schlüsse, die aus der Erschaffung von Dolly gezogen werden können:
First, that which is not absolutely prohibited by the laws of nature is possible. Second,
science, for better or worse, almost always wins; ethical qualms may throw some
roadblocks in its path, or affect how widespread a technique becomes, but rarely is moral
queasiness a match for the onslaught of science. (1997a, n.pag.)
Hier wird die Erschaffung von Dolly auf einer abgelegenen, schottischen Farm betont
und verdeutlicht, dass die Befürchtungen der Öffentlichkeit bezüglich heimlich betriebener Forschung begründet sind und Forschungsdrang ethische Grenzen scheinbar
verwischen lässt.153 Zudem greift Begley in ihrer Wortwahl auf stark emotionalisierende
Topoi zurück: ethische Bedenken werden als ledigliche ‚Hürden‘ (roadblocks) auf dem
Weg zum fast unaufhaltsamen ‚Siegeszug‘ (almost always wins) der Wissenschaften
beschrieben, der ‚Forschungsdrang‘ (onslaught of science) ist unaufhaltsam. So werden
beispielsweise von einigen Hoffnungen gehegt, dass es bald möglich sei, durch
Klonen einen Verstorbenen wiedererwecken zu können, oder durch Klonen ein
‚Wunschkind‘ in Hinblick auf Äußerlichkeiten und Charakter zu bekommen.154 Eine
Frage – die sich in den meisten Artikeln über das Klonen von Menschen findet –, ist, ob
der geklonte Mensch in Hinblick auf seine Persönlichkeit exakt dem Original entspricht
(vgl. bspw. Wright 1999 oder Gibbs 2001).
152
153
154
Dolly wurde 2003 im Alter von sieben Jahre eingeschläfert. Die übliche Lebenserwartung bei Schafen
liegt bei 12 Jahren. Dolly litt an einer für Schafe nicht unüblichen Lungenkrankheit und zudem an
fortgeschrittener Arthritis. Dies fachte die Befürchtungen bezüglich der vorzeitigen Zellalterung bei
Klonen erneut an (vgl. dazu „Dolly the Sheep“ und auch „Cloning Dolly“).
Jeffrey Kluger vermutet in seinem Time-Artikel „Will We Follow the Sheep?“, dass aufgrund der
Ablehnungshaltung der Bevölkerung gegenüber dem Klonen weitere Forschung wohl nur heimlich
stattfinden wird (vgl. 1997, n.pag.).
Zu diesem Thema äußert sich auch Ian Wilmut, Dollys Erschaffer, in kritischer Weise in zwei von ihm
verfassten Artikeln: „Cloning for Medicine“, Scientific American (1998) und „Cloning: Dolly’s False
Legacy“, Time (1999). Besonders der Idee, ein Kind zu bekommen, das ein Klon eines berühmten
Fimstars oder Sportlers ist, erteilt Wilmut eine Absage: „Every child should be wanted for itself, as an
individual. In making a copy of oneself or some famous person, a parent is deliberately specifying the
way he or she wishes that child to develop. In recent years, particularly in the U.S., much importance
has been placed on the right of individuals to reproduce in ways that they wish. I suggest that there is
a greater need to consider the interests of the child and to reject these proposed uses of cloning“
(1999, n.pag.).
87
‚Wunschkinder‘ oder ‚Designer Babies‘ können Eltern bereits mittels Auswahlverfahren von potentiellen Samenspendern bei einer IV-Befruchtung bekommen:
„Sperm bank customers can flip through catalogs listing the height, hair color, eye color,
ancestry – sometimes even the IQ – of potential donors.“ (Hagar et al. 1994, n.pag.) Die
Technologie entwickelt sich rasant weiter und bereits fünf Jahre später stehen weitere
Optionen zur Verfügung: „Novel approaches to babymaking seem to be coming at us so
fast we hardly have time to digest one before the next one hits – test-tube babies, egg
donation, surrogacy, cloning, and now sex selection.“ (Silver 1998, n.pag.)155 Sharon
Begley mutmaßt in ihrem Newsweek-Artikel „Designer Babies“, dass Paare nicht wegen
Kinderlosigkeit zur künstlichen Befruchtung gehen, sondern um bestimmte genetische
Defekte mittels PID von vorneherein ausschalten zu lassen. Der befruchteten Eizelle
könnte in so einem Fall ein künstliches, menschliches Chromosom beigefügt werden,
das den ‚bösen‘ Zellen befiehlt sich selbst zu eliminieren (vgl. 1998, n.pag.). Fraglich
hierbei bleibt, ob die Technologie lediglich zur Bekämpfung von Erbkrankheiten eingesetzt wird: „Presumably few people would object to being spared a fatal disease. But
what about genes for personality traits, like risk-taking or being neurotic?“ (Ibid.)156
Begley weist zudem auf die Problematik hin, dass eine Genveränderung an weitere
Generationen vererbt werden könnte (vgl. ibid.). Lee Silver, Professor für Genetik an
der Princeton University, evoziert das zukünftige Szenario einer gespaltenen Gesellschaft in „gen-rich [and] gen-poor […] those with and those without a designer
genome“ (in Lemonick 1999, n.pag.).157 Wer es sich leisten kann, wird in einigen Jahren
die Möglichkeit haben, sich ein Kind ‚zusammenzustellen‘:
Before the new millennium is many years old, parents may be going to fertility clinics
and picking from a list of options the way car buyers order air conditioning and chromealloy wheels. „It’s the ultimate shopping experience: designing your baby,“ says
biotechnology critic Jeremy Rifkin, who is appalled by the prospect. „In a society used to
cosmetic surgery and psychopharmacology, this is not a big step.“ (Ibid.)
Lemonick schreibt, dass die Technologie durchaus hilfreich ist, um Krankheiten zu
eliminieren, die Entscheidung für genetische Manipulation aber nicht immer aus rein
155
156
157
In Scientific American und Popular Science finden sich für den Zeitraum keine Artikel, die das Thema
„Designer Babies“ oder germline engineering aufgreifen. Lediglich John Rennies (1994) Scientific
American-Artikel, der Gentests diskutiert, geht kurz auf PID ein.
Isaacson propagiert die Nutzung der Gentechnologie zur Heilung schwerer Erbkrankeiten, wie
Mukoviszidose und Muskeldystrophie, aber nicht zur Manipulation von Charaktereigenschaften oder
Persönlichkeitsmerkmalen (vgl. 1999, n.pag.).
Begley verweist diesbezüglich auf den bereits erwähnten Film Gattaca: „[W]ith germline engineering
only society’s ‚haves‘ will control their genetic traits. […] only the wealthy can afford to genetically
engineer their children with such ‚killer applications‘ as intelligence, beauty, long life or health“
(1998, n.pag.).
88
medizinischen Gründen gefällt wird (vgl. ibid.). Robert Wright stellt in seinem TimeArtikel „Who Gets the Good Genes?“ die Frage, ob Regierungen regulieren müssen,
welche Eingriffe durchgeführt werden dürfen, oder ob sich der Einsatz der Technologie
über den Nachfragemarkt selbst regelt (vgl. 1999, n.pag.). Die Wissenschaftler selbst
führen als Motor für die Forschung den Wunsch der Eltern an: „none of us, says USC’s
Anderson, wants to pass on to our children lethal genes if we can prevent it – that’s
what’s going to drive this“ (Begley 1998, n.pag.).158
Der öffentliche Mediendiskurs greift, wie sich gezeigt hat, die Debatten des
wissenschaftlichen Spezialdiskurses auf, allerdings zeichnet sich der Medien-Diskurs, in
dieser Arbeit limitiert auf bestimmte Zeitschriften, dadurch aus, dass er die Gentechnologie prägnant mit der Lebenswelt verknüpft. Es kommen Personen zu Wort, die
direkt mit der Technologie arbeiten oder sich von der Technologie Heilung erhoffen,
d.h. es werden Popularisierungsstrategien wie Personalisierung und Narrativierung
eingesetzt, um die Relevanz für die Lebenswelt eines jeden Lesers herauszustellen.
Auch findet in den Zeitschriften eine starke Wertung der Gentechnologie hinsichtlich
der ethischen Vertretbarkeit in den einzelnen Anwendungsgebieten statt. Die ethischen
Grenzen werden in den wissenschaftlichen und den gesellschaftspolitischen Zeitschriften gleich stark herausgearbeitet und vertreten, wobei die Autoren des Scientific
American einen ‚nüchternen‘ und wissenschaftlicheren Ton anschlagen als bspw. die
Autoren von Time. Daraus resultiert, dass die Diskussion um die Genforschung nicht
nur auf spekulativer Ebene geführt wird, d.h. als Science Fiction, sondern realitätsnah
und als bereits genutzte Technologie.
1.4 Künstliche Intelligenzen im Spezialdiskurs der Ethik und dem öffentlichen
Mediendiskurs
Machines making machines?
How perverse!159
Menschen schaffen Maschinen u.a. zur Arbeitserleichterung. Damit der Mensch noch
mehr entlastet werden kann, sollte die Maschine idealerweise auch selbstständig denken
158
159
Begley zitiert hier Dr. W. French Anderson von der University of Southern California, einen der
führenden Forscher im Bereich der Gentherapie.
C-3POs Ausruf, als er die vollautomatische Herstellung einer Armee von Kampfdroiden sieht (vgl.
Star Wars II (2002), 1:32:31).
89
und Entscheidungen treffen können.160 Der Begriff ‚Roboter‘ wurde von Karel Čapek
geprägt. In seinem Theaterstück R.U.R. (1921)161 treiben Stolz und Materialismus den
technologischen Fortschritt voran, jedoch führt dies letztlich zur Katastrophe (vgl.
Haynes 1994, 243 und 272).
As presented in fiction, robots are essentially hybrids, combining the intelligence of
human beings with the unquestioning functionality and programmed pragmatism of
machines. They epitomize the criteria of efficiency, rationality, amorality, objectivity, and
the pursuit of a predetermined end regardless of the consequences. (Ibid., 242)
In den Roboter-Fiktionen kann auch der Frankenstein-Mythos effektvoll eingesetzt
werden:
Die Kontinuität und die Modernisierung des Mythos, die auf die Ersetzung der Angst vor
den bedauernswerten, monströsen Kreaturen des Dr. Frankenstein durch eine ambivalente
Sorge um die menschliche Identität verweist, kann jedoch in den verschiedenen Darstellungen von Robotern, Androiden und Cyborgs gesehen werden. (Weingart 2003, 11)
Aufgrund der Faszination, die vom Sujet der künstlichen Intelligenz ausgeht, gibt es
eine Vielzahl an Science Fiction-Literatur und Filmen, die sich damit beschäftigen.
Roslynn Haynes konstatiert, dass Roboter in populären Fiktionen mit den ethischen
Einstellungen ausgestattet sind, die die Autoren mit Wissenschaftlern, Ingenieuren oder
generell der technologisierten Gesellschaft assoziieren (vgl. 1994, 242).162 Somit
bestätigt sich auch hier, dass die Science Fiction die zeitgenössischen Tendenzen der
Wissenschaften widerspiegelt.
Zwanzig Jahre nach Čapek entwarf Isaac Asimov in seinen Roboter-Fiktionen,
erschienen in der Kurzgeschichtensammlung I, Robot (1950), drei Gesetze, die Roboter
hindern sollen, Menschen zu verletzen oder sogar zu töten. Seine „Drei Gesetze der
Robotik‟ werden erstmals vollständig in der Kurzgeschichte „Runaround“ (1942)
aufgezählt.
One, a robot may not injure a human being, or, through inaction, allow a human being to
come to harm. […] Two, […] a robot must obey the orders given it by human beings
except where such orders would conflict with the First Law. […] And three, a robot must
160
161
162
Bereits die Alchimisten träumten von der Erschaffung eines künstlichen Menschen und auch Leonardo
da Vinci hat laut seinen Notizbüchern 1495 und 1497 einen mechanischen Ritter entworfen – es ist
allerdings nicht bekannt, ob dieser je gebaut worden ist (vgl. Fisher 1997, 85).
Die Abkürzung steht für: Rossumovi univerzální robotoí, auf deutsch Rossums Universale Roboter.
Das Wort ist abgeleitet aus dem tschechischen ‚robota‘ und bedeutet ‚Fronarbeit‘ (vgl. Haynes 1994,
243).
In Star Trek: The Next Generation bspw. wird dies in der Figur des Androiden Data deutlich, der
Situationen ‚emotionslos‘ und rational bewertet, aber gleichzeitig einem strengen Ethikprogramm
unterworfen ist.
90
protect its own existence as long as such protection does not conflict with the First or
Second Law. (Asimov 1950, 51)
In I, Robot sind Asimovs erste Roboter-Fiktionen derart angeordnet, dass sie sich als
fiktive Historie der Entwicklung positronischer Roboter lesen lassen. In allen Kurzgeschichten wird stets das ethische Verhalten der Roboter kommentiert und beschrieben,
und meist sind es die menschlichen Charaktere, die Fehler begehen: „The robots are the
real heroes of these stories; where problems in their functioning occur, it is nearly
always because of a failure in perception or logic on the part of the humans.“ (Haynes
1994, 230) Die tatsächliche Roboterentwicklung war in den 1940er Jahren, als Asimovs
Kurzgeschichten zum ersten Mal publiziert wurden, allerdings noch in den Anfängen.163
Ein für das Genre bedeutender Film, in dem eine künstliche Intelligenz, der
Computer HAL, sich gegen den Menschen wendet, ist Stanley Kubricks 2001: A Space
Odyssey (1968).164 Die Handlung erörtert die Gefahren einer Maschine, die beginnt
selbstständig zu denken und die Argumente ihres ‚Erschaffers/Programmierers‘ in Frage
zu stellen. HALs Motivation, die Kontrolle des Raumschiffs zu übernehmen und die
Crew zu töten, wird in der Romanversion als erwachendes Bewusstsein beschrieben:
Since consciousness had first dawned, in that laboratory so many millions of miles sunward, all Hal’s powers and skills had been directed towards one end. The fulfilment of his
assigned programme was more than an obsession; it was the only reason for existence.
Undistracted by the lusts and passions of organic life, he had pursued that goal with
absolute single-mindedness of purpose. […] For like his makers, Hal had been created
innocent; but all too soon, the snake had entered his electronic Eden. (Clarke 1983, 149)
Die Bedrohung wird hier mit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies
gleichgesetzt. Jedoch ist dies eine doppeldeutige Analogie, da sie nicht nur den Gewinn
von Erkenntnis durch das erwachende Bewusstsein verdeutlicht, sondern auch den
Verlust von Unschuld. Es wird die starre Verhaftung eines Computergehirns in seiner
Programmierung dargestellt, in der kein Ethikprogramm implementiert wurde. Insofern
könnte ein Ethikprogramm als ‚Bewahrer der Unschuld‘ charakterisiert werden. HAL ist
– ähnlich dem auf sein Forschungsziel fixierten ‚unmoralischen‘ Wissenschaftler (s.u.) –
auf sein programmiertes Endziel fokussiert; Konsequenzen aus diesem Verhalten kann
163
164
Die Entwicklung der ersten realen Roboter fand in den 1930er und 1940er Jahren statt. Diese waren
für Ausstellungen konzipiert und wurden als Wunderwerke angepriesen, vom wirklichen Gebrauch zur
Alltagserleichterung, wie Asimov seine Roboter beschreibt, war die Technologie noch zwei Jahrzehnte
entfernt (vgl. Stableford, 2006, „Robot“).
Der Roman erschien im gleichen Jahr wie der Film und wurde verfasst von Arthur C. Clarke, der
zuvor auch am Drehbuch des Films mitgearbeitet hatte. Eine Variante der ins Böse verkehrten
Technologie sind intelligente Waffen, die programmiert sind, ihr Ziel unter allen Umständen zu
erreichen.
91
die künstliche Intelligenz nicht ziehen. Das ethische Dilemma künstlicher Intelligenzen,
denen ein moralisches Bewusstsein fehlt, ist in der Science Fiction immer wieder dort
behandelt worden, wo Maschinen wie Menschen sein wollen oder Menschen und
Maschinen zu einem Wesen verschmelzen.165 Sie streben danach, wie Menschen zu
fühlen und handeln ethisch oder lernen, nach ethischen Maßstäben zu handeln. Die
Schnittstelle Mensch-Maschine ist dabei nicht nur ein prominentes Thema der Science
Fiction, sondern wird sowohl in der Technikkritik als auch im Mediendiskurs zum
technologischen Fortschritt verhandelt.
Die Technikkritik beschäftigt sich dabei nicht nur mit künstlichen Intelligenzen,
sondern mit allen Aspekten der technologischen Durchdringung der Lebenswelt. Die
Bedeutung von Technologie gegenüber den Naturwissenschaften betonen Collins/Pinch:
„Technologien [verbinden sich] direkter als die Naturwissenschaften mit der Welt der
politischen, militärischen und wirtschaftlichen Macht.“ (2000, 12) Somit ist
Technologie ein globaler Faktor, dessen Vor- und Nachteile entsprechend globale Ausmaße erlangen können. Die Ambivalenz der Öffentlichkeit darüber spiegelt sich, wie
bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, im Stereotyp des ‚hilflosen Wissenschaftlers‘,
dessen Aufkommen in den 1950er und 1960er Jahren verortet wird (s.o.). Die
öffentliche Diskussion über Nutzen versus Risiko von Technologie wurde erneut
entfacht anlässlich des Störfalls von Harrisburg im Jahre 1979 und der Katastrophe in
Tschernobyl im Jahre 1986:
Zwar wurde die Bevölkerung in dieser Zeit keineswegs technikfeindlich, aber die
Technisierung sollte einer bewußten Steuerung bzw. Gestaltung auf wünschenswerte
Ziele hin unterliegen. Risiken sollten verhindert oder wenigstens minimiert werden.
Hieraus entsprangen die Ideen einer diskursiven Technikbewertung und einer
demokratischen Technologiepolitik. (Ott 2005, 590)166
Dabei wird Technologie, die den Alltag erleichtert und angenehmer macht, gemeinhin
als unschädlich empfunden.167 „Technik erscheint zunächst als wert-neutral, eigentlich
165
166
167
Maschinen in menschlicher Gestalt, Androiden und Cyborgs, gehören zum Personal vieler populärer
Science Fiction-Produkte, so auch in Star Wars (C-3PO und R2D2) und Star Trek (der Androide Data
in TNG oder in Voyager die (Cy)Borg 7of9 und das medizinische Hologramm), wo sie positiv konnotierte Figuren sind. Zu 7of9 und dem medizinischen Hologramm der Voyager vgl. Kap. II.1.2.
Gemeint sind hier Richtlinien, die u.a. Ingenieure bei ihrer Arbeit beachten müssen. Der Schlüsselbegriff in diesem Bereich ist „Technikfolgenabschätzung“. Hierunter fällt eine Bewertung der Technik
in Hinblick auf Wert und Ziel einer neuen Technologie. In diesem Zusammenhang gibt es auch den
Begriff der „Technikfolgenforschung“, die neue Entwicklungen genauestens verfolgt und bewertet
(vgl. Ott 2005, 624f).
Dabei kann man dies als subjektives Empfinden bewerten, man denke hierbei an die Warnungen über
die Strahlungen von Telefonen, die krebserregend sein sollen: „People have long been concerned
about the cancer-causing potential of microwaves, which at a distance are harmless, but when close to
the head could be more worrisome. That’s why the FCC regulates the amount that phones are allowed
92
als ambivalent, denn was mit ihren Produkten geschieht, liegt in der Hand des
Benutzers.“ (Kunzmann 2006, 250) Es scheint, dass die Öffentlichkeit eine Erwartungshaltung bezüglich des Endzwecks von Forschung aufgebaut hat:
Die Verbesserung der Lebensqualität oder sogar der leiblichen oder seelischen Konstitution „der Menschheit“ ist keine positive ethische Vorgabe an die Wissenschaft, sondern
kann sich allenfalls als in die Forschung zurückwirkender abstrakter Reflex konkret hilfsund heilungsbezogener Anwendungen ihrer Erkenntnisse ergeben. (Schweidler 2006b,
310)
Hier wird im Prinzip analog zu den Wissenschaftler-Stereotypen die Dichotomie von
guter vs. böser Technologie aufgebaut. Dies wird auch evident hinsichtlich der allgegenwärtigen technologischen Hilfsmittel (vgl. Russell/Norvig 2003, 961f). Jedoch bringt
[j]eder neue wissenschaftliche Schub [...] auch einen Angstschub in der populären Kultur
mit sich. Nachdem der Computer zum unerläßlichen wissenschaftlichen Instrument geworden war, eroberten sich Computerkriminelle und künstliche Intelligenz rasch wieder
die vakante Stellung des Mad scientist (Seeßlen 1993, 47f).168
Auch zur Heilung des menschlichen Körpers wird Technologie prominent
eingesetzt. Die Transplantation von künstlichen Herzen und Gelenken ist zur Routine
geworden. Ängste, die sich daraus wie auch durch die zunehmende Computerisierung
der Gesellschaft ergaben, finden sich amalgamiert in den Darstellungen von Cyborgs.
Andrea zur Nieden konstatiert, dass heute eine „zunehmende Biotechnologisierung des
Menschen“ vorherrscht, durch „[d]ie Entwicklung von künstlicher Reproduktion, von
technischen und ‚Fremd‘-Implantaten, die zunehmende Informatisierung des Körpers
(im genetischen Code) und des Denkens (in der Gehirnforschung)“ (2003, 13). Die
fiktive Föderation des 24. Jahrunderts in Star Trek bezeichnet zur Nieden dementsprechend als Gesellschaft mit „fortgeschrittene[r] Cyborgisierung“ (ibid., 14). Damit
werden Überlegungen dazu, wie sehr der Mensch schon Maschine ist und wie viel
Mensch bereits in modernen Robotern steckt, akut.
Jüngere technische Entwicklungen wie Nanotechnologie, Transplantationsmedizin oder
Computertechnologie stellen nicht nur die Fragen nach der „Natürlichkeit‟ der Körper
bzw. nach deren Veränderbarkeit in ein neues Licht. Zusätzlich wird die Grenze zwischen
„normalen‟ und „anormalen‟ Körpern durch diese Entwicklung auch in der Populärkultur
thematisiert. Selbstverständlich kann man diese Plots als Warnung vor einem skrupellosen, desaströsen wissenschaftlichen Fanatismus auffassen, auf der anderen Seite ist der
168
to emit, and why some exceeding those standards have been recalled.“ (Smith 1999, n.pag.)
Ein Beispiel für eine populäre Verhandlung dieses Themas ist der Film The Net (1995, Regie: Irwin
Winkler), in dem die Existenz einer Person dadurch ‚gelöscht‘ wird, dass ihre Daten (Sozialversicherungsnummer, Geburtsurkunde etc.) in diversen Computerarchiven entfernt werden. Des
Weiteren lassen sich als Beispiele zu Ängsten über die Maschinenherrschaft die Endzeitvisionen der
Matrix-Reihe und der Terminator-Filme anführen.
93
Mensch durch die medizintechnische Entwicklung längst schon zum „Bausatzkasten‟
geworden. (Junge/Ohlhoff 2004, 15)
Eine Technolgie, die hierbei verstärkt zum Einsatz kommen könnte, ist die Nanotechnolgie: „In nanotechnology, we find an entire range of speculative possibilites, from
limitless life to the end of day.“ (Allhoff/Lin/Moore 2010, viii) Ängste bezüglich der
Nanotechnologie können in der Wissenslücke begründet liegen, die im Frühstadium
einer jeden neuen Technologie vorhanden ist: „We may cause our own undoing by unleashing a powerful technology that we do not yet fully understand and thus may not be
able to control.“ (Ibid.) Allhoff/Lin/Moore nutzen statt des bedrohlich klingenden Begriffs ‚Cyborgisierung‘ die euphemistischere Bezeichnung human enhancement und
evozieren eine Welt ähnlich der fiktiven Borg: „[W]e can expect neural implants […]
that effectively put computer chips into our brains or allow devices to be plugged
directly into our heads, giving us always-on access to information as well as
unprecedented information-processing powers.“ (Ibid., 241)169 Dies verdeutlicht erneut
den scheinbaren Widerspruch Natur vs. Künstlichkeit, wobei letztere sich schleichend in
der modernen Gesellschaft verbreitet hat.
Bei Diskussionen über diese zunehmende Technologisierung ist stets von
Bedeutung, bei welchem Akteur die Verantwortung liegt, beim Entwickler oder beim
Nutzer.170 Russell/Norvig rufen die Forscher dazu auf, Verantwortung für ihre
‚Kreaturen‘ zu übernehmen und ethische Implikationen in ihre Überlegungen
einzubeziehen:
Most AI researchers take the weak AI hypothesis [machines could possibly act
intelligently] for granted, and don’t care about the strong AI hypothesis [intelligently
acting machines are actually thinking] – as long as their program works, they don’t care
whether you call it a simulation of intelligence or real intelligence. All AI researchers
should be concerned with the ethical implications of their work. (2003, 947)
Ebenso weisen Russell/Norvig darauf hin, dass Technologie in den falschen Händen
generell gefährlich ist. Allerdings geht durch die Implementierung selbstdenkender,
adaptiver Systeme die Gefahr nicht mehr zwangsläufig von den Anwendern aus,
sondern auch von der Technologie selbst (vgl. ibid., 962). Deshalb sollten künstliche
Intelligenzen lernen, selbst moralisch zu handeln: „[W]e would need to program them
with a theory of what is right and wrong.“ (Ibid., 964) Dies ist ein komplexes
Unterfangen, das bisher nur in der Science Fiction ‚realisiert‘ wurde und die realen
169
170
Donna Haraway macht dies in ihrem einflussreichen Essay „A Cyborg Manifesto“ bspw. an der
Dichotomie Bewusstsein vs. künstliche Intelligenz fest (vgl. 1991, 161).
Vgl. hierzu bspw. Bechmann (1993, 218-220).
94
Entwickler vor große Herausforderungen stellt. Der Blick in die Zukunft hinsichtlich
der Bewertung des zukünftig technisch Möglichen ist ein Schwerpunkt im Spezialdiskurs der Ethik, weitere Schwerpunkte sind die Nutzen-Risiko-Analyse sowie die
Klärung der Frage, wer für künstliche Intelligenzen die Verantwortung trägt. Dieser
Fragenkatalog wird aufgrund der Präsenz von Technologie in der Lebenswelt auch im
Mediendiskurs breit verhandelt.
Für die 1990er Jahre ist festzustellen, dass es in den untersuchten Zeitschriften
keine auffallende Häufung von Artikeln zu einem bestimmten Zeitpunkt gab.171 Die
Themen Roboter und künstliche Intelligenzen werden aber immer wieder in den Zeitschriften aufgegriffen. Der Medien-Diskurs beschäftigt sich ähnlich wie der Spezialdiskurs der Ethik mit der Nutzen-Risiko-Analyse, besonders bei neuen und als
‚unsicher‘ erachteten Technologien, wie bspw. der Nanotechnologie. Die Verhandlung
dieser Diskurse weist in den Zeitschriften unterschiedliche Schwerpunkte auf. Bei der
Nanotechnologie zum Beispiel wird in den populärwissenschaftlichen Zeitschriften der
Forschungsstand erläutert und erwartbare Entwicklungen aufgezeigt, während Artikel in
den Nachrichtenmagazinen teilweise Schreckensvisionen einer ‚Cyborg-Gesellschaft‘
entwerfen. Technische Neuerungen bei Gebrauchsgegenständen sowie gadgets, über die
in Kurzmeldungen in beiden Formaten berichtet wird, werden hingegen positiv
besprochen und konnotiert.
Zur letzten Kategorie zählen Roboter, die als Haushaltshelfer einsetzbar oder als
Spielzeug ‚nützlich‘ sind, welche in der Öffentlichkeit großen Anklang finden. So
wurde in Japan einer der ersten Helfer-Roboter (human helper) vorgestellt, der der Idee
von Asimov sehr nahe kommt (vgl. „When Robots Lend a Hand“ 2000, n.pag.). Um den
Millenniumswechsel wurden auch Roboter für den praktischen Hausgebrauch (Staubsaugen, Rasenmähen) z.B. im Time Magazine präsentiert (vgl. „Sucking Up”, 1999,
n.pag., sowie „Sooner: The End of Chores”, 2000, n.pag.). In diesen Berichten wird vor
allem deutlich, dass Technologie weithin ein Faszinosum für viele Menschen ist und
diese mit neuen technischen Geräten zu beeindrucken sind, wie Nana Naisbitt in ihrem
Time-Artikel „Will Low Tech Replace High Tech?“ darstellt: „We are intoxicated by
technology. We are seduced by its power, its speed, its gadgetry and its promise to solve
the problems of human suffering.“ (2000, n.pag.)
Im Diskurs zu künstlichen Intelligenzen ist ebenfalls ein Unterschied in der
Verhandlung zu verzeichnen. Die populärwissenschaftlichen Zeitschriften fokussieren
171
Vgl. dazu die Grafik zur quantitativen Artikelauswertung im Anhang, Abb. 2, S. 233.
95
hier die Technik an sich, d.h. Aspekte der Programmierung sowie Beschreibungen von
Testläufen. Die Nachrichtenmagazine hingegen setzen sich dezidiert mit ethischen
Aspekten, wie der Verantwortung für und den Rechten von künstlichen Intelligenzen
auseinander. Zu Beginn der 1990er Jahre waren die Möglichkeiten künstlicher
Intelligenzen noch begrenzt (vgl. Yeaple 1992, 97). Der technologische Forschungsstand sowie das zukünftig Mögliche wurden anlässlich des Jahrtausendwechsels
vermehrt in Spezialausgaben thematisiert.
In der „End of the Millennium“-Ausgabe des Scientific American im Dezember
1999 zieht Hans Moravec, Forscher am Robotics Institute der Carnegie Mellon
University in Pittsburgh, in seinem Artikel „Rise of the Robots“ Bilanz über den
Forschungsstand der Robotik. Er konstatiert, dass die Entwicklung nicht in dem Maße
stattgefunden hat, wie noch Mitte des 20. Jahrhunderts erwartet worden war: „[T]he
entire endeavour of robotics has failed rather completely to live up to the predictions of
the 1950s. […] waves of researchers have grown disheartened and scores of start-up
companies have gone out of business.“ (1999, 124)172 Eine „Visions 21“-Spezialausgabe
des Time Magazine zum Thema „The Future of Technology” erschien im Juni 2000. In
dieser Spezialsektion finden sich Artikel wie: „Will Cyber Criminals Run the World?“,
„Will Everything be Digital?“, „Will My PC Be Smarter Than I Am?“ oder „Will
Frankenfood Feed the World?“ Rodney Brooks, Professor am renommierten MIT,
diskutiert in seinem Artikel „Will Robots Rise Up and Demand Their Rights?“ der
Spezialausgabe, ob Robotern auch Rechte zustehen. Dies bedeutet, dass von künstlichen
Intelligenzen nicht nur ethisches Verhalten erwartet wird, sondern es sollen ihnen auch
ethische Standards gewährt werden, wobei die Frage aufkommt, wie weitreichend
solche ethischen Rechte sein sollten:
[R]obots are becoming more humanlike. Barring a complete failure of the mechanistic
view of life, these endeavors will eventually lead to robots to which we will want to
extend the same inalienable rights that humans enjoy. We should not forget, however, that
we will also want robots to man the factories and do our chores. We do not have ethical
concerns about our refrigerators working seven days a week without a break or even a
kind word. As we develop robots for the home, hospitals and just about everywhere else,
we will want them to be similarly free of ethical issues. (2000, n.pag.)173
172
173
Vor allem das Jahr 2001 war für Forscher der Robotik aufgrund von Kubricks 2001: A Space Odyssey
mit großen Erwartungen verbunden gewesen, da es Ende der 1960er Jahre möglich erschien, bis zum
Jahrtausendwechsel einen echten HAL zu kreieren. Doch die tatsächliche Forschung war im Jahr 2001
noch weit von dieser Form der künstlichen Intelligenz entfernt (vgl. Brooks 2000 und Stix 2001).
Moravec geht davon aus, dass künstliche Intelligenzen, wie sie in Science Fiction dargestellt werden,
im Jahr 2040 realisiert sein werden (vgl. 1999, 126 und 135).
Ähnlich sehen das auch Russell/Norvig in ihrem Fachbuch zur künstlichen Intelligenz, das an
Universitäten zu Lehrzwecken eingesetzt wird: „If robots become conscious, then to treat them as
96
Eine baldige Realisierung dieser Forderungen nach eigenen Rechten für hochentwickelte künstliche Intelligenzen, wie in der Science Fiction oft suggeriert, wird in den
Zeitschriften als noch unwahrscheinlich dargestellt, denn „the biggest challenge is
giving machines common sense“ (Wright 1996, n.pag.).174 Von der Intelligenz abgesehen gehen die Bestrebungen der Entwickler vorerst dahin, Robotern ein menschenähnlicheres Aussehen und Mimik zu geben und somit zu einem „appealing social actor“
zu machen (Cohen 2000, n.pag.).175 Der bereits erwähnte Artikel von Moravec hingegen
thematisiert weder Bestrebungen, den Robotern ein menschenähnliches Äußeres zu
geben, noch geht er darauf ein, ob den Robotern Rechte zustehen (vgl. 1999, 126f).
Dabei führt gerade das Thema der ‚Androidisierung‘ dazu, dass Grenzen zwischen
Mensch und Maschine weiter verwischen und sich auch die Frage ethischer Rechte für
‚Maschinenmenschen‘ noch prägnanter stellt.
Die Befürchtungen um menschenähnliche Roboter sind in einigen Argumentationen der Befürchtung um roboterähnliche Menschen, einer ‚Cyborgisierung‘ gewichen. Ray Kurzweil zum Beispiel imaginiert in seinem Time-Artikel „The Virtual
Thomas Edison“ die Menschheit als real gewordene ‚Borg‘. Er spielt dabei nicht
zwangsläufig auf die äußerliche Erscheinung an – Menschen in Kurzweils Vision
würden im Jahr 2030 keine künstlichen Schläuche etc. tragen wie die fiktionale Spezies
–, sondern in der Form von durch den Körper schwirrenden Nanobots (noninvasive
implants), die direkt alles ‚reparieren‘ was im menschlichen Körper nicht mehr funktioniert, und nebenbei die Intelligenz steigern: „These prospects will bring enormous
benefits, such as vastly expanded wealth, longevity and knowledge. We will have the
ability to overcome most diseases, clean up the environment and alleviate illiteracy and
poverty.“ (Kurzweil 2000, n.pag.) Jedoch sieht Kurzweil auch die darin verborgene
Problematik der Kontrolle: wie und mit wem kommunzieren die Nanobots? Ist es
möglich, dass Nanobots von außen programmiert werden oder von sich aus die
Gedanken und Taten von Menschen kontrollieren und diesen ihre Autonomie nehmen
174
175
mere ‚machines‘ (e.g., to take them apart) might be immoral.“ (2003, 964)
Dabei erweist sich als das größere Problem die Messbarkeit von Intelligenz sowie ‚natürlichem‘ Verhalten einer künstlichen Intelligenz. Hierfür gibt es z.B. den sogenannten Turing Test, der 1950 von
Alan Turing entwickelt worden ist. Mittels einer Konversation, durchgeführt in Echtzeit am Computerbildschirm soll die Testperson entscheiden, ob sie sich mit einem Menschen oder einer
künstlichen Intelligenz unterhält. Mehr über den Test und auch seine Problematik z.B. bei Yeaple
(1992), Wright (1996) und Ford/Hayes (1998).
Dabei ist auch ein Ziel, dass Roboter die Mimik des menschlichen Gegenüber lesen und interpretieren
können, um dann entsprechend darauf zu reagieren (vgl. Cohen 2000, n.pag. sowie Langreth 1995,
88).
97
(vgl. ibid.)? „Technology has always been a double-edged sword“, und ihr Fortschritt
kann nicht aufgehalten werden – auch aus ökonomischen Gründen:
[W]e will have no choice but to address the threats emerging from technology through a
combination of ethical standards, technological „immune systems‟ and law enforcement.
[…] The merger of humanity and its technology is the inevitable next step in the
evolutionary progress of intelligence on our planet. (Ibid.)
Die Dynamik des Fortschritts von Biotech und Nanotech diskutiert auch Stewart Brand
in seinem Time-„Visions 21“-Artikel „Is Technology Moving Too Fast?“ Brand bezeichnet diese Technologien als „self-accelerating“, da die neue Technologie direkt eingesetzt wird, um wiederum neue Technologie zu entwickeln (2000, n.pag.). Dies – quasi
der im Motto zitierte Alptraum C-3POs – gelang erstmals im Jahr 2000, als die Brandeis
University berichtet, dass einer ihrer Roboter einen neuen, kleinen Roboter kreiert habe
(vgl. Golden 2000, n.pag). Die Kurzmeldung im Scientific American zu diesem Ereignis
formulierte eine Zukunftsvision mit einem humoristischen Unterton: „So will humans
soon share the world with cyborgs? If that sounds silly, consider that the researchers felt
compelled to say in their paper that ‚robotic lifeforms‘ are not dangerous, yet.“ (Musser
2000, 26) Im Gegensatz dazu imaginiert ein Artikel in Newsweek, versehen mit dem
Hinweis: „This isn’t science fiction“, ein Schreckensszenario: „That leads to the possibility of true horror, that an organism accidentally created could simply obliterate all
other life on the planet.“ („After Sheep and Pigs, Goo“ 2000, n.pag.)
Generell ist in den Artikeln über Möglichkeiten und Gefahren der Nanotechnologie ein Unterschied zwischen Scientific American und den Nachrichtenmagazinen
zu verzeichnen. Ein Artikel aus dem Jahr 1996, veröffentlicht im Scientific American
mit dem Titel „Waiting for Breakthroughs“, beschreibt die Anwendungsmöglichkeiten
der Nanotechnologie in überwiegend positiven Zukunftsvisionen: „[N]anotechnology
could alleviate world hunger, clean the environment, cure cancer, guarantee biblical life
spans or concoct superweapons of untold horror.“ (Stix 1996, 94) Die Forscher der
Nanotechnologie werden in diesem Artikel auch nicht mit dem Mad Scientist-Stereotyp
behaftet sondern als Helden deklariert: „Computer mavens and molecular biologists
have replaced rocket scientists as the heroes that will help transcend the limits imposed
by economics and mortality.“ (Ibid.) Im Gegensatz dazu werden GNR-Technologien
(Genetik, Nanotechnologie und Robotik) im Newsweek-Artikel „After Sheep and Pigs,
Goo“ als Ursprung allen Übels identifiziert, diese seien „so powerful that they can
spawn whole new classes of accidents and abuses“ (2000, n.pag.). Allerdings wird in
98
den verschiedenen Artikel auch deutlich, dass die Entwickler von neuen GNRTechnologien offensichtlich Zeit und Geld in die Folgenabschätzung investieren.
***
Ethisches Verhalten in der Forschung und in der Forschungsanwendung wird nicht nur
in den Spezialdiskursen der Ethik propagiert, sondern auch deutlich in den Mediendiskursen hervorgehoben. Dies kann nach Keller als eine Diskursformation zum Thema
Wissenschaftsethos identifiziert werden. Innerhalb dieser Diskursformation wird sowohl
in den wissenschaftlichen Abhandlungen als auch in den Zeitschriftenartikeln
wiederholt der Wunsch der Bevölkerung nach Kontrollen hervorgehoben: einerseits
wird die Selbstregulierung von Seiten der Wissenschaftler gefordert, andererseits wird
erwartet, dass der Staat regulierend eingreift durch Festsetzung allgemein gültiger
Richtlinien, bspw. durch den Einsatz von Ethikkommissionen. Dennoch ist vieles, das in
den öffentlichen Medien im Bezug auf Gentechnologie und künstliche Intelligenzen
diskutiert wird, noch ‚Science Fiction‘.
Human cloning and designer babies are probably not imminent. Even assuming that the
procedures are judged safe and efficient in farm animals, still a long way off, they will be
heavily discouraged, if not banned, by many governments for human beings. (Ridley
1999, n.pag.)
In den Zeitschriftenartikeln zur Gentechnologie zeigt sich außerdem, dass die
Erwartungen bzw. Hoffnungen an die Technologie als ethisch problematisch aufgezeigt
werden, wie bspw. das Klonen eines verstorbenen Kindes. Fragestellungen, die sich
hieraus für die folgende Analyse ergeben, sind: Wie wird der verantwortliche Umgang
mit Wissen dargestellt und wie wird bspw. Forschungsdrang gewertet? Die genannten
Themenbereiche sind den Konzepten der hard Science Fiction (vgl. S. 44) zuzuordnen,
d.h. dass hier meist nicht die Auswirkungen auf die Gesellschaft im Vordergrund stehen,
sondern die Forschung bzw. Technologie in den Fokus der Episode gerückt wird.
Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen zu Star Trek: Voyager liegt auf
der ethischen Bewertung von Wissenschaftlern und den prominent verhandelten
Wissenschaftsthemen: Gentechnologie und künstliche Intelligenzen. Bei den Wissenschaftlerfiguren werden die Haltungen von Forschern, die nicht der Sternenflotte
angehören, sowie das medizinische Hologramm der Voyager fokussiert. Der Abschnitt
zur Gentechnologie bezieht sich vor allem auf die Darstellung von Klonen und auf die
Diskussion um ‚Designer Babies‘. Bei den Episoden, die künstliche Intelligenzen
99
thematisieren, konzentriert sich die Betrachtung auf die Darstellung ‚zerstörerischer‘
Technologie, da in diesem Zusammenhang die ethische Wertung besonders deutlich
ausfällt. Außerdem wird untersucht, inwiefern künstlichen Intelligenzen Individualität
und Identität zugesprochen wird und inwiefern hierbei Rechte für sie eingefordert
werden.
2. „We’ll Wrestle with the Morality of the Situation Later“ – Ethisches
Handeln in Star Trek: Voyager
Ethisches Verhalten ist im Star Trek-Universum, wie bereits erwähnt, prominent in der
Obersten Direktive der Sternenflotte manifestiert. In der Voyager-Serie ist das
Festhalten an den ethischen Grundsätzen der Sternenflotte aufgrund der isolierten
Situation der Crew im Delta-Quadranten von identitätsstiftender Bedeutung. Gerade zu
Beginn der Serie wird wiederholt die zwingende Einhaltung der Obersten Direktive
diskutiert und die Notwendigkeit betont, an humanitären Grundsätzen festzuhalten, um
nicht in diesem fremden Territorium des Delta-Quadranten zu ‚verrohen‘. So sagt
Janeway: „I told the crew when we started this journey that we’d be a Starfleet crew,
behaving as Starfleet would expect us to. That means there’s a certain standard […]
Principles, principles.“ (26:13 „Prime Factors“, 1/19). Zudem sieht sich die VoyagerCrew als Botschafter der Föderation der Planeten, die für ethische Prinzipien im
Umgang mit anderen Nationen steht. Allerdings wird in der Serie deutlich, dass es nicht
immer möglich ist, den höchsten ethischen Ansprüchen gerecht zu werden.
2.1 Grauzonen ethischen Handelns in Voyager
In Debatten um ethisches Verhalten wird suggeriert, dass es stets eine dezidiert ethische
und eine dezidiert unethische Haltung gibt. Jedoch sind ethische Handlungen nicht
immer reduzierbar auf richtig und falsch. Es gibt eine ‚Grauzone‘, in der verschiedene
Grade ethischen Verhaltens möglich sind, und solche Grauzonen werden in der VoyagerSerie häufig pointiert ausgelotet. Eine Episode mit einem komplexen ethischen
Dilemma ist „Tuvix“ (2/24; Erstausstrahlung 06.05.1996). Ein Unfall beim ‚Beamen‘ ist
hier der Auslöser des Problems, das in einem ethischen Dilemma resultiert. Tuvok und
Neelix sind auf einem Planeten gelandet, um Pflanzenproben zu sammeln, vornehmlich
100
von Orchideenarten. Als die beiden zurück auf die Voyager gebeamt werden, kommt nur
ein Lebewesen dort an – eine genetische Mischung aus Tuvok und Neelix. Die Crew
denkt zuerst, dass Tuvix – diesen Namen sucht er sich später selbst aus – ein Betrüger
ist, der versucht, sich auf der Voyager einzuschleichen. Nachdem Tuvix jedoch alle
Anwesenden namentlich benennen kann und offensichtlich wird, dass er das Wissen und
auch die Erinnerungen von Tuvok und Neelix besitzt, ist die Bestürzung groß. Der
Doktor bestätigt, dass Tuvix die DNA von Tuvok und Neelix sowie pflanzliche DNA in
sich trägt. Letztere gibt schließlich den Hinweis auf des Rätsels Lösung.
In einer Sitzung der Führungsoffiziere – auch Tuvix ist anwesend – wird
versucht, dem Transporterunfall auf die Spur zu kommen. Die Treffen der Senioroffiziere im Besprechungszimmer stellen ein dramaturgisches Grundmuster der Serie
dar: Hier werden in der Gruppe Probleme dialogisch aufgearbeitet und verschiedene
Lösungswege ausgelotet. Des Weiteren dienen diese Treffen dazu, den Zuschauern
Hintergrundinformationen zum Thema zu geben. Bei diesen Besprechungen werden, je
nach diskutiertem Thema, aber auch unterschiedliche Haltungen der Charaktere
deutlich, d.h. hier können auch verschiedene ethische Positionen artikuliert werden. Im
vorliegenden Fall ist es Tuvix, der die Lösung findet, da er auf Tuvoks Wissen zugreifen
kann. Tuvok züchtet Orchideen und ist vertraut mit dem Vorgang der Symbiogenese.
Genau dieses Symbiogenese fördernde Enzym wurde in Tuvix’ Scans gefunden.
Während des Beamens wird die molekulare Struktur eines Objekts zerlegt und auf der
empfangenden Plattform wieder zusammengesetzt. Während dieses Vorgangs verschmolzen die Moleküle der Orchideenproben mit denen von Tuvok und Neelix und
schufen dabei Tuvix, einen Hybriden. Allerdings ist die DNA von Tuvix eine sehr
komplexe Verschmelzung der ‚Originale‘, so dass die Auseinanderdifferenzierung unmöglich erscheint. Tuvix kommentiert dies mit Tuvok’scher Logik und Neelix’schem
Humor: „I suppose it would be like trying to extract the flour, eggs and water after
you’ve baked the cake.“ (19:37) Dies scheint bereits das Todesurteil für Tuvok und
Neelix zu sein. Sowohl die Crew als auch Tuvix müssen mit dieser Situation zurecht
kommen, wobei Tuvix das Wissen der beiden ‚Originale‘ hilft, sich schnell einzugewöhnen und zu einem, wie Janeway findet, wertvollen Crewmitglied zu werden:
I find him to be an able advisor, who skilfully uses humor to make his points. And
although I feel guilty saying it, his cooking is better than Neelix’s. My taste buds are
definitely happy to have him around. (27:58)
101
Auch auf der zwischenmenschlichen Ebene wird er akzeptiert. Dies ist ihm vor allem
wichtig bei Kes, die eine Liebesbeziehung mit Neelix hatte. Diese Liebe von Neelix zu
Kes wurde ebenso in Tuvix übertragen. Kes hat zuerst Schwierigkeiten mit der
Situation, da sie nicht akzeptieren möchte, dass Neelix ‚tot‘ ist. Da Tuvix viele von
Neelix’ liebenswerten Charaktereigenschaften ‚geerbt‘ hat, wird sie durch ihn
schmerzhaft an das ‚Original‘ erinnert. Jedoch sind diese Eigenschaften auch der Grund,
warum sie eine Freundschaft aufbauen möchte und letztlich nicht ausschließt, Tuvix
lieben zu lernen.
Während dieser Geschehnisse hat das medizinische Hologramm weiter an einer
Lösung geforscht, um Tuvok und Neelix als separate Individuen wiederherzustellen.
Fündig wurde er in der Voyager-Datenbank: Er hat die Idee, die DNA mit Barium zu
markieren, um sie somit sichtbar zu machen und dann herausbeamen zu können. Eine
Technik, die, wie er erklärt, im 21. Jahrhundert praktiziert wurde – in der Gegenwart der
Zuschauer also – und bei der mittels eines radioaktiven Kontrastmittels ein Organ
sichtbar gemacht werden kann, mit einer „primitive imaging technology called X-rays“
(31:17). Janeway, Harry und Kes sind begeistert von der Neuigkeit, nur Tuvix ist
betroffen. Der Doktor schreibt dies Ängsten bezüglich des Eingriffs zu: „There’s
nothing to worry about. We’ve accounted for every variable.“ (31:57) Tuvix antwortet:
„Except one. I don’t want to die.“ (32:02) Auf diese Aussage hin wird Janeways Gesicht
eingeblendet, es ist erkennbar, dass ihr die Implikation des Verfahrens schlagartig
bewusst wird. Sie sucht daraufhin das Gespräch mit ihrem ersten Offizier, um herauszufinden, was die richtige Entscheidung ist. Wie die Besprechung aller Senioroffiziere
werden auch solche Dialogszenen in Voyager häufig eingesetzt, um gegensätzliche
Positionen in präkeren Situationen für die Zuschauer besonders deutlich zu machen. In
diesem Fall stellt Janeway zunächst fest, dass Tuvix durchaus Rechte beanspruchen
kann, weiter existieren zu dürfen: „[I]n the past few weeks, he’s begun to make a life for
himself on this ship. He’s taken on responsibilities, made friends. […] So at what point
did he become an individual and not a transporter accident?“ (32:40) Sie deutet hier an,
dass direkt nach dem ‚Unfall‘ keiner gezögert hätte, Tuvix zu opfern, um Tuvok und
Neelix zurückzubringen. Janeway sucht auch das Gespräch mit Tuvix, bei dem das
ethische Dilemma auf beiden Seiten hervorbricht. Tuvix ist nicht der Meinung, dass die
Entscheidung über Leben und Tod bei Janeway liegen sollte: „It’s my life, isn’t it my
decision?“ (33:35) Daraufhin argumentiert Janeway, dass sie als Captain für Tuvok und
Neelix sprechen müsse, die nicht selbst gehört werden könnten. Sie glaubt, dass die
102
beiden leben möchten. Auch wenn die ‚Originale‘ in einer hybriden Form in Tuvix
weiter leben, so Janeway, ist das nicht gleichzusetzen mit der tatsächlichen Lebenserfahrung. Tuvix hält dagegen:
But restoring their lives means sacrificing mine. Captain, what you’re considering is an
execution. An execution, like they used to do to murderers centuries ago. And I’ve committed no crime at all. (34:12)
Tuvix plädiert weiter, dass er Tuvok und Neelix als eine Art Eltern betrachtet und ihnen
dankbar ist, woraufhin Janeway erwidert, dass die beiden nicht gezögert hätten, sich für
ihn zu opfern, wenn es sein Leben retten würde. Tuvix ist sich dessen bewusst: „That’s
the Starfleet way.“ (35:07) Ebenso weiß er, dass manche ihn als Feigling bezeichnen
werden, da er nicht Willens ist, dieses Opfer zu bringen, denn „I have the will to live of
two men” (35:22). Er appelliert an Janeway:
When I’m happy, I laugh. When I’m sad, I cry. When I stub my toe, I yell out in pain. I’m
flesh and blood, and I have the right to live. (35:30)
Diese Worte sind eine intertextuelle Referenz an die berühmte Rede Shylocks aus
Shakespeares The Merchant of Venice. Auch dieser appelliert an die Menschlichkeit der
Bewohner von Venedig und betont seine Gleichwertigkeit in der Gesellschaft:
Hath not a Jew eyes? hath not a Jew hands, organs, dimensions, senses, affections,
passions? […] if you prick us do we not bleed? if you tickle us do we not laugh? if you
poison us do we not die? (III.i.52-60)
Diese sprachliche Verknüpfung von Shylock und Tuvix unterstreicht, dass Tuvix eine
Ungerechtigkeit widerfahren soll und lädt die Situation zusätzlich emotional auf. Nach
dieser Unterhaltung mit Tuvix findet sich Janeway somit noch stärker im Zwiespalt. Als
jedoch Kes bei ihr erscheint und berichtet, Tuvix hätte sie gebeten, ihm beizustehen,
was sie sichtlich verstört hat, plädiert sie gegenüber Janeway: „Tuvix doesn’t deserve to
die [Pause] but I want Neelix back.“ (37:18) Dies bestärkt Janeway offensichtlich in
ihrer Entscheidung. Als sie Tuvix über ihren Entschluss informiert, ist er der Verzweiflung nahe – die umstehenden Crewmitglieder schweigen betreten, weil sie sich offensichtlich der bevorstehenden ‚Opferung‘ von Tuvix bewusst sind. Dann versucht er von
der Brücke zu fliehen, wird jedoch aufgehalten. Bevor er abgeführt wird spricht er versöhnliche Worte:
Each of you is going to have to live with this and I’m sorry for that, for you are all good
… good people. My colleagues, my friends. I forgive you. (39:52)
103
Diese Abschiedsworte wie auch der mit Trommelmusik hinterlegte Gang zur Krankenstation evozieren die Situation einer Exekution. Dort angekommen verweigert der
Doktor jedoch den Eingriff mit Berufung auf den hippokratischen Eid – Tuvix stimmt
der Prozedur nicht zu. Mit versteinertem Gesicht nimmt Janeway daraufhin den Eingriff
selbst vor. Als Tuvok und Neelix wieder hergestellt sind, sagt Janeway lediglich: „It’s
good to have you back” (42:47) und verlässt sofort die Krankenstation mit Tränen in
den Augen. Draußen bleibt sie kurz stehen, fasst sich und läuft aus dem Bild. Es fallen
keine weiteren Worte, die die Auslöschung von Tuvix im Nachhinein noch rechtfertigen
könnten.
Hier wird der Zuschauer mit dem ethischen Dilemma also allein gelassen: War
es ethisch richtig, Tuvix zu töten? Da der Doktor den Eingriff verweigert, ist die
Antwort aus medizinisch-ethischer Sicht recht eindeutig: der Patient stimmt dem
Eingriff nicht zu, somit wir dieser nicht durchgeführt. Janeway, als Captain, übernimmt
die Entscheidungshoheit und legt fest, wer leben darf und wer sterben muss. Bei
Episoden dieser Art wird die Wahrnehmung der Zuschauer für ethische Fragestellungen
geschärft. Es wird verdeutlicht, dass Handeln nicht immer eindeutig als ethisch oder
unethisch kategorisiert werden kann, sondern es eine ‚Grauzone‘ gibt. Diese ‚Grauzone‘
der ethischen Dilemmas wird auch in den anderen Episoden zum Thema Wissenschaft
und
Ethik
evident,
nicht
zuletzt
in
Hinblick
auf
die
Darstellung
von
Wissenschaftlerfiguren in der Serie.
2.2 „Modern Heirs of Frankenstein“? – Wissenschaftlerfiguren in Voyager
Wiederholt wird in der Serie das Verhalten von Wissenschaftlerfiguren, die nicht der
Sternenflotte angehören, den moralischen Standards der Voyager-Crew und ihrem
Moralkodex gegenübergestellt. Die in Star Trek: Voyager gezeigten ‚fremden‘ Wissenschaftler bilden dabei das gesamte Spektrum der Wissenschaftlerstereotypen ab und
bleiben nicht einer eindimensionalen Darstellungsweise verhaftet. In Star Trek: Voyager
gibt es zwei Wissenschaftler, die eindeutig der mad, bad and dangerous-Kategorie
zugeordnet werden können. Henry Starling, ein Computer-Mogul in der Doppelfolge
„Future’s End“ (3/08; 3/09), entspricht dem Stereotyp des gefährlichen und wahnsinnigen Wissenschaftlers, bei dem der Doktor eine bipolare Störung diagnostiziert.176
Aufgrund eines Zeitunfalls kommt er in Besitz futuristischer Technologie, die er
176
„A paranoid response indicative of a bipolar personality disorder“ (Teil II, 10:02).
104
rücksichtslos für seinen eigenen Profit einsetzt. Aus egoistischen Motiven würde er
sogar die Auslöschung der Erde in Kauf nehmen.177
Weitaus komplexer angelegt ist der ebenfalls gefährliche Kommandant Annorax
aus der der Doppelfolge „Year of Hell, Teil I/II“ (4/08 4/09; Erstausstrahlung
05./12.11.1997). In dieser Folge befindet sich die Voyager in einer Auseinandersetzung
mit den Krenim und ihrem Kommandanten Annorax. Hier erschließt sich Kennern von
Vernes Roman 20.000 Meilen unter dem Meeresspiegel über ihr literarisches Wissen
eine über die Episodenhandlung hinausgehende Interpretationsebene.178 Kommandant
Annorax trägt zwar den Namen der Erzählerfigur aus Vernes Roman, jedoch ist er eine
Variation der Kapitän Nemo-Figur. Die Funktion von Annorax aus Vernes Roman –
Bewunderung des Kapitäns, die beim Leser Kritik weckt – wird in der Voyager-Folge
von Chakotay erfüllt (s.u.). Kommandant Annorax, von der Spezies der Krenim, hat ein
Zeitschiff entwickelt. Dieses Zeitschiff kann Zeitlinien – auch zu Kriegszwecken –
manipulieren: Durch die Veränderung einzelner Ereignisse werden alternative Zeitlinien
geschaffen. Die Technologie kann sogar berechnen, welche Folgen das Resultat auf die
verschiedenen Zeitlinien und die davon betroffenen Völker hat. Annorax erklärt
Chakotay die Technologie anhand des Beispiels eines Kometen. Wenn der Komet mit
den Torpedos des Zeitschiffes (‚Chronotontorpedos‘) zerstört würde, wäre es, als hätte
es ihn nie gegeben, wodurch das Leben von 8000 Spezies ausgelöscht wäre. Der Komet
hat nämlich vor Milliarden von Jahren durch seinen Aufprall auf einem Planeten
Kohlenwasserstoff freigesetzt, der die Entstehung all dieser Spezies und deren Umwelt
erst ermöglichte; durch die Auslöschung des Kometen ist dieses Leben nicht möglich.
Das Zeitschiff wurde ursprünglich gebaut, um das Imperium von Annorax’ Volk
wiederherzustellen, genauer, eine Zeitlinie zu schaffen, in der sie über das Gebiet, in
dem sie leben, herrschen. Dabei hat Annorax in seiner Kalkulation allerdings ein
wichtiges Detail übersehen: Als die größten Feinde der Krenim, die Rilnar, aus der
Zeitlinie gelöscht wurden, wurde damit auch eine bedeutende biologische Verbindung
zwischen den beiden Völkern vernichtet. Die Rilnar setzten durch Kontakt mit den
Krenim einen Antikörper frei, der die Krenim gegen eine tödliche Krankheit schützte.
Nach dem Auslöschen der Rilnar verschwand der Antikörper aus der genetischen
Struktur der Krenim, woraufhin mehr als 50 Millionen Krenim in dieser alternativen
177
178
Die Doppelfolge „Future’s End“ wird in einem anderen Zusammenhang auf den Seiten 180-182 näher
besprochen.
Zum Einsatz von literarischen Klassikern als Dekodierungshilfe vgl. S. 31 und S. 57f dieser Untersuchung.
105
Zeitlinie an der Seuche starben. Auch Annorax’ Frau wurde ausgelöscht, und damit
seine Zukunft: „My wife. And with her my future. My children, grandchildren. All
erased because of me.“ (Teil II, 28:51). Seither ist Annorax verzweifelt auf der Suche
nach der richtigen Zeitlinie, in der seine Familie wieder existiert: „Time itself is trying
to punish me for my arrogance.“ (Teil II, 29:41) Diese Suche unternimmt er verbissen
und ohne Rücksicht auf andere Völker, die er dabei auslöscht. Die Schuld, die er durch
seine wissenschaftliche Tätigkeit auf sich geladen hat, einschließlich der unvorhergesehenen Folgen für Generationen und ganze Zivilisationen, haben ihn an den Rand
des Wahnsinns gebracht. Annorax wird einerseits als Wissenschaftler von hoher
Genialität dargestellt und andererseits als Mann, der seine Handlungen nicht mehr
abschätzen kann und größenwahnsinnig agiert.
Die Bewertung seiner Handlungen wird durch das dialogische Prinzip der Serie
dramatisch umgesetzt: Chakotay und Tom Paris, die beide Gefangene auf Annorax’
Zeitschiff sind, beurteilen sein Verhalten zunächst unterschiedlich.179 Während Chakotay
sich die Technologie erklären lässt und in gewissem Maße auch Verständnis für die
Situation von Annorax zeigt, will Tom Pariseine Meuterei anstiften („Does the Name
‚Captain Bligh‘ mean anything to you?“,180 Teil II, 24:39) und charakterisiert Annorax
als Wahnsinnigen („paranoia […] with a hint of megalomania“, Teil II, 30:58). Er ist
entsetzt, als Chakotay von Annorax als ‚aufgeklärt‘ spricht:
Chakotay: Annorax is an enlightened man. Misguided. But I think he wants this to end as
much as anyone.
Tom: I guess I don’t have the instinct for Time or whatever it is Captain Nemo181 out
there calls it. Chakotay, he’s been flattering you and it’s gone to your head. (Teil II,
25:27)
Als Annorax jedoch wieder ein ganzes Volk auslöschen will, weil es ihn seinem Ziel
näher zu bringen scheint, wenden sich neben Paris auch Chakotay und Obrist, Annorax’
Erster Offizier, gegen ihn. Annorax’ Wahn kommt letztlich ganz zum Vorschein: „I’m
altering history on a massive scale. The destinies of countless star systems are in my
hands. The fate of one species is insignificant.“ (Teil II, 27:48) Chakotay antwortet
hierauf: „You’re trying to rationalize genocide. One species is significant, a single life is
significant.“ (Teil II, 27:57) Dennoch will Chakotay immer noch nicht einsehen, dass
Annorax längst den Bezug zur Realität verloren hat:
179
180
181
Tom Paris nimmt die Position von Ned Land aus Vernes Roman ein.
Eine Anspielung auf die berühmte Meuterei auf der Bounty.
Ein weiterer expliziter Verweis auf Vernes Roman, der Annorax indirekt charakterisiert.
106
Tom: He’s insane
Chakotay: No he’s not. Wounded maybe. Even tortured. (II, 30:44)
Die ‚richtige‘ Zeitlinie wird letztlich hergestellt, indem Janeway die schwer beschädigte
Voyager auf das Zeitschiff der Krenim zusteuert und eine Kollision verursacht. Die
Vernichtung des Zeitschiffs macht alle Zeitmanipulationen rückgängig. Am Ende der
Episode sieht man Annorax am Schreibtisch sitzen und Berechnungen über Zeitmanipulationen vornehmen. Seine Frau fordert ihn auf, den Tag mit ihr zu verbringen und er
folgt ihrem Anliegen und lässt die Arbeit liegen. Somit wird suggeriert, dass dieser
Annorax nicht die Fehler des Annorax der alternativen Zeitlinie begehen wird, da er
nicht verbissen an seiner Forschung arbeitet.
Die Episode enthält einige ambivalente Aspekte. Die Technologie zur
Zeitmanipulation ist, für sich genommen, nicht unethisch. Jedoch der rücksichtslose
Einsatz der Technik, zuerst durch das Militär der Krenim zur Auslöschung der Rilnar,
wie auch der anschließende Gebrauch durch Annorax, sind klar unethisch. Die beiden
Seiten dieser Argumentation werden auch durch die literarische Anspielung an Vernes
Roman verdeutlicht. Professor Pierre Annorax ist in Vernes Roman der ‚gute‘
Wissenschaftler, somit suggeriert die Namensgleichheit, dass Kommandant Annorax in
der Voyager-Folge nicht von Grund auf böse ist. Dies wird durch die finale Szene von
Annorax mit seiner Frau gestützt. Jedoch hat sich Kommandant Annorax durch die
Geschehnisse hin zum wahnsinnigen Kapitän Nemo gewandelt. Zusätzlich wird durch
Chakotays Interesse an Annorax’ faszinierender Technologie und seiner Empathie für
Annorax eine Ambivalenz aufgebaut. Ambivalent ist auch Janeways Entscheidung, das
Zeitschiff zu zerstören, da sie nicht weiß, welche Konsequenzen folgen. Zudem tötet sie
unschuldiges Leben, sowohl an Bord des Zeitschiffes als auch in den durch Annorax’
Manipulation neu entstandenen Zeitlinien.
Eine klarere ethische Grenze wird in der Episode „Scientific Method“ (4/07;
Erstausstrahlung 29.10.1997) aufgezeigt. Hier geht die gesamte Crew vehement gegen
das Vorgehen von unmoralischen Wissenschaftlern vor. Ein Team fremder Wissenschaftler von der Spezies der Srivani hat die Voyager heimlich infiltriert und führt, für
die Crew unsichtbar, medizinische Experimente an der Besatzung durch, die Schmerzen
verursachen und sogar deren Genmaterial manipulieren. So hat Captain Janeway bereits
seit geraumer Zeit unerträgliche Kopfschmerzen: „They’re like hot needles driving into
my skull.“ (06:12) Es wird erst deutlich, dass jemand der Crew Schaden zufügt, als
107
offensichtlichere Anzeichen zu Tage treten: Chakotay beginnt um Dekaden zu altern
und Neelix’ Äußeres verändert sich auf eine evolutionäre Vorstufe seines Volkes.
Nachdem die Wissenschaftler der Srivani und ihre Praktiken enttarnt sind, müssen sie
sich für ihre Forschungsmethoden rechtfertigen. Die Leiterin der Forschergruppe
erklärt, dass sie die heimlichen Experimente durchführen, um Krankheiten auf ihrem
Heimatplaneten heilen zu können: „Please understand that there is a purpose to our
actions. The data we gather from you may help us to cure physical and psychological
disorders that afflict millions. Isn’t that worth some discomfort?“ (32:33) Janeway setzt
dem entgegen: „It’s the exploitation of another species for your own benefit. My people
decided a long time ago that that was unacceptable. Even in the name of scientific
progress.“ (33:26) Hierauf drohen die Forscher, die Crew zu töten, wenn sie ihre
Experimente nicht ordentlich beenden können. Janeway jedoch will dieses ethisch
verwerfliche Verhalten der Srivani nicht kampflos hinnehmen: „Sorry, these lab rats are
fighting back.“ (34:15) Das Verhalten der Srivani wird durch solche Verweise auf
Tierexperimente für die Zuschauer extrem negativ konnotiert.
Mit einem noch drastischeren Bezug auf Experimente ‚am lebenden Objekt‘
argumentiert die Folge „Nothing Human“ (5/08; Erstausstrahlung 02.12.1998). Hier
erfolgt ein klarer Bezug zum Missbrauch von KZ-Insassen für grausame Experimente.
Die Voyager reagiert auf den Hilferuf einer fremden nicht-humanoiden Lebensform. Da
deren Raumschiff schwer beschädigt ist, wird diese auf die Krankenstation der Voyager
gebeamt. Als man sie behandeln will, greift die Lebensform B’Elanna Torres an und
geht mit ihr eine Symbiose ein. Dies bedeutet, dass sie sich mit den lebenswichtigen
Organen der humanoiden Frau verbunden hat, welche eine Trennung nicht überleben
würde. Da der holografische Doktor nicht über das nötige Wissen verfügt, entsteht die
Idee, ein ebenfalls holografisches ‚Medical Consultant‘-Programm einzurichten und die
Informationen aus der Voyager-Datenbank bezüglich der Exobiologie dorthin zu transferieren. Als Berater wählt der Doktor den kardassianischen Spezialisten Crell Moset.182
Die virtuelle ‚Wiedererweckung‘ dieses Wissenschaftlers führt allerdings zu Spannungen in der Crew, speziell unter dem Teil der Besatzung, die im kardassianischen
Krieg gekämpft haben. Sie beschuldigen Moset, Gefangene in den kardassianischen
Todeslagern misshandelt zu haben. Er wird als unmoralischer Wissenschaftler
dargestellt, der anderen Leid zufügt, um Medikamente und Behandlungsmethoden zu
182
Die Kardassianer sind in mehreren Star Trek-Serien als Feinde der Föderation etabliert und speziell als
rücksichtslose Besatzer des Planeten Bajor eingeführt.
108
testen. Der Doktor ist daraufhin erschüttert, weil er Moset stets als genialen
Wissenschaftler angesehen hatte und Moset in der Datenbank der Föderation als
Koryphäe gelistet ist. Nach diesen Anschuldigungen wird die Person Crell Moset
genauer durchleuchtet und es bestätigt sich, dass Moset während des kardassianischen
Krieges tatsächlich in Todeslagern Impfstoffe an Insassen getestet hat.
In für die Serie typischen Besprechungsszenen wird die problematische Situation
dialogisch erörtert. Die Crew äußert Bedenken, die durch unethische Forschung erlangten Ergebnisse zu nutzen: „Crell Moset killed thousands of people at his hospitals.
As long as we’re willing to benefit from his research, we’re not better than he is.“
(31:29) Janeway hingegen sieht nur die Gefahr für ihr Besatzungsmitglied: „The only
issue I’m concerned about is the well-being of that crew member lying in sickbay. We’ll
wrestle with the morality of the situation later, after B’Elanna is back on her feet.“
(32:44) Letzendlich nutzt Janeway ihre Stellung als Captain und trifft die finale
Entscheidung, dass B’Elanna gerettet werden muss. Janeway widersetzt sich dabei mit
ihrem Machtwort nicht nur dem Bedenken ihrer Offiziersriege, sondern auch dem
ausdrücklichen Willen der Patientin.
Nach der erfolgreichen Trennung von Alien und Besatzungsmitglied überlässt
Janeway dem Doktor die Entscheidung über das Löschen oder Beibehalten sowohl des
Programms als auch aller Erkenntnisse aus Mosets Forschung. Sein ‚Urteil‘ lautet: „In
light of recent evidence, I cannot in good conscience utilise research that was derived
from such inhuman practices.“ (41:48) Dennoch bleibt letztlich unbeantwortet, was
geschieht, wenn wieder die Frage eintritt, ob ethische Grenzen eingehalten oder überschritten werden sollten. Crell Moset kommentiert seine Abschaltung mit Zynismus:
„Ethics, morality, conscience? Funny how they all go out the airlock when we need
something.“ (42:40) Die Crew steckt wiederum in einem ethischen Dilemma, das sich
nicht einfach mit der Deaktivierung des Hologramms in Luft auflöst, sondern für sie
und das Publikum bestehen bleibt.
Die Verwerflichkeit der Experimente Mosets werden in der Episode keineswegs
in Frage gestellt. Durch die Analogie zum KZ-Arzt Josef Mengele wird Mosets
Forschungsweise als eindeutig unethisch markiert. Crell Moset lässt sich in den Typus
des unmoralischen Wissenschaftlers einordnen, da er seiner Umwelt unemotional
gegenübersteht.
Such a character looks back to the Romantic stereotype of the scientist as emotionally
deficient and prefigures one of the most common twentieth-century images of the
109
scientist, as arrogant, unfeeling, and indifferent to the sufferings that may result from his
research. (Haynes 1994, 127)
Dabei ist er aber nicht auf Weltherrschaft und Reichtum aus, ihm geht es vor allem um
professionelles Prestige. So möchte er über den an B’Elanna und der Lebensform
durchgeführten Eingriff zusammen mit dem Doktor einen Artikel verfassen und diesen
bei einer medizinischen Zeitschrift einreichen. In der Episode geht es aber auch um die
weitreichendere Frage, inwiefern unethisch erworbenes Wissen genutzt werden darf.
Die Episode bietet hierbei Denkanstöße im Hinblick auf die Bereitschaft zur
Überschreitung bzw. Nichtbeachtung von ethischen und moralischen Grenzen, wenn das
Leben eines nahestehenden Menschen in Gefahr ist. Allerdings hält Moset der VoyagerCrew hier den Spiegel vor, denn Janeway dehnt ethische Grenzen, indem sie das Leben
eines Crewmitglieds als höchste Priorität setzt und sich der wie eine Ethikkommission
agierenden Crew widersetzt. Janeway betritt damit die Grauzone ethischen Handelns,
sie erkennt die Problematik der Verwertung von unethisch erlangtem Wissen. Ein
Crewmitglied aber wissentlich sterben zu lassen, empfindet sie in diesem Fall als die
‚unethischere‘ Handlung. Somit entschwinden Moral und Gewissen nicht wirklich
durch die Luftschleuse, wie Moset dies zynisch kommentiert, sondern Janeway handelt
begründet und würde in einer ähnlichen Situation vermutlich erneut so handeln.
Ein Beispiel für den Wissenschaftler, der wie Moset unmoralisch handelt, aber
durch die Folgen seiner Erfindung geläutert wird, findet sich in der Episode „Jetrel“
(1/15; Erstausstrahlung 15.05.1995). Der Wissenschaftler Dr. Jetrel hat vor Jahren eine
Metreonkaskade – ähnlich einer atomaren Explosion – entwickelt, die auf Neelix’
Heimatplaneten während des Krieges ‚getestet‘ wurde. Reminiszenzen an die Entwickler der Atombomben sowie die Ausmaße der Katastrophe werden in dieser Episode
überdeutlich hervorgehoben.183 Diejenigen, die nicht durch die Explosion starben,
wurden lebensgefährlich verstrahlt. Unter den mehr als 300.000 Opfern war auch die
Familie von Neelix. Jetrel kommt unter dem Vorwand auf die Voyager, dass Neelix
verstrahlt sein könnte, da er an der Evakuierung Überlebender beteiligt war. Jetrel
behauptet, dass die Heilung von Metrimia – so der Name der Strahlenkrankheit – sein
neues Anliegen sei. Neelix reagiert mit Skepsis und Widerwillen: „Captain, please tell
doctor Jetrel that I am touched by his tender concern for my state of health but that I’d
rather be immersed in a pit of Krallinian eels than be examined by him.“ (09:25) Neelix
183
Die Episode greift diesbezüglich einen zeitaktuellen Erinnerungsdiskurs der 1990er Jahre auf (vgl.
IV.3.1).
110
stellt die Absichten von Jetrel in Frage: „Don’t either of you find it the slightest bit
strange that a man who has made it his life’s work to make a weapon to destroy as many
Talaxians as possible should suddenly be concerned for this Talaxian’s health?“ (09:51)
Janeway jedoch hält es für möglich, dass Jetrel seinen Fehler wiedergutmachen will:
„Maybe he’s trying to undo some of the damage his weapon caused.“ (10:10) Beim
ersten Gespräch befragt Neelix Jetrel direkt über seine Absichten:
Neelix: Why are you doing this. […] Is it all just scientific curiosity […] or do you feel
guilty about what you did?
Jetrel: Guilty? I do not regret it. I did what had to be done.
Neelix: Really? It was necessary to vaporise more than a quarter of a million people and
to leave thousands of others to be eaten away by metrion poisoning?
Jetrel: Would it make any difference if I told you we never thought there would be any
radiation poisoning, that anyone close enough would be killed by the initial blast? It was
unfortunate we were wrong. (11:17)
Jetrel rechtfertigt sein Verhalten, indem er die Verantwortung auf andere abwälzt, denn
nicht er hat die Kaskade ausgelöst, sondern die Regierung und das Militär, sprich die
Nutzer seiner Forschung, waren verantwortlich für die Zerstörung. Somit weist er der
Gruppe der Technologieanwender die Schuld zu und negiert den Bezug zwischen Forschungsanwendung und Wissenserzeugung:
Jetrels: I’m simply a scientist. Yes, I developed the weapon. But it was the government
and the military leaders who decided to use it, not I.
Neelix: That must be a very convenient distinction for you. (12:15)
Bei einem späteren Gespräch der beiden erklärt Jetrel, dass Neelix’ Heimatplanet
ausgesucht wurde, weil die Militärstrategen die Massenvernichtungswaffen in all ihrer
Schrecklichkeit demonstrieren wollten. Neelix wirft Jetrel vor, dass er sie nicht
aufgehalten hat. Auf die Frage, ob er nachts noch schlafen könne, antwortet Jetrel, dass
er die letzte Nacht so schlecht wie in den letzten 15 Jahren geschlafen habe – „I must
live with my conscience“ – und entgegnet Neelix, der im Krieg Soldat war: „As you
must live with yours. How many did you kill during the war?“ (12:44) Neelix
verweigert sich dennoch der Untersuchung: „I would rather die than help you ease your
conscience.“ (13:16) Darauf erwidert Jetrel, dass es aber durchaus von Wert sei, anderen
Talaxianern mit der Krankheit zu helfen, was Vorrang vor Jetrels Abstrafung haben
sollte. Am Ende stellt sich heraus, dass er nicht beabsichtigt, ein Heilmittel zu finden,
sondern versuchen wollte, die Moleküle in der Giftwolke wieder zusammenzusetzen,
111
d.h. die biomolekulare Desintegration umzukehren und die Körper aller getöteten
Talaxianer wieder herzustellen. Er fühlt sich im Stich gelassen, da auch seine Regierung
diese Forschung nicht unterstützen will und selbst Janeway denkt, dass eine solche
Wiederherstellung unmöglich ist. Dabei will Jetrel in erster Linie verdeutlichen, dass er
nicht unmoralisch ist und ihm die Opfer nicht egal sind, „because I wanted the world to
know, I’m not a monster“ (38:21).
Dr. Jetrel ist eine ambivalente Figur. Er trägt die Charakteristika eines Wissenschaftlers, der sich nicht um die Konsequenzen seiner Forschungsergebnisse kümmert.
Jetrel erklärt, dass es keinen Unterschied gemacht hätte, wer die Entdeckung machte,
wenn nicht er, dann wäre sie einem anderen Forscher gelungen – eine „scientific inevitability“ (20:37).
Jetrel: Something so enormous as science will not stop for something as small as man
[…].
Neelix: So you did it for science?
Jetrel: For my planet. And, yes, for science. To know whether or not it could be done. It’s
good to know how the world works. It is not possible to be a scientist unless you believe
that all the knowledge of the universe and all the power that it bestows is of intrinsic
value to everyone. And one must share that knowledge and allow it to be applied. And
then be willing to live with the consequences. (21:13)
Jedoch lebt Jetrel als Konsequenz seiner Wissenschaft mit großer Schuld. Seine
Forschung hatte auch einschneidende persönliche Konsequenzen, denn seine Frau hat
sich von ihm abgewandt, weil sie ihn für ein Monster hielt, und ihn zusammen mit den
gemeinsamen Kindern verlassen. Als Neelix ergreifend von den Opfern erzählt, die er
bei der Suche nach Überlebenden gesehen hat, fließen Jetrel Tränen über die Wangen. 184
Jetrel gesteht, dass er sich seit dem Tag der Metreonenkaskade sehr wohl als Monster
gefühlt hat und sich in dem Moment auch über seine Verantwortung daran bewusst
wurde. Janeway sympathisiert mit Jetrels Versuch, seine Erfindung rückgängig zu
machen. Der Versuch glückt jedoch nicht. Trotzdem sieht Neelix Jetrel nun mit anderen
Augen und er vergibt ihm auf dessen Totenbett. Jetrel stirbt an der von ihm verursachten
Strahlenkrankheit und wird dadurch selbst zum Opfer seiner Forschung.
Ebenfalls zum ‚Opfer‘ seiner Forschung wird der Wissenschaftler Forra Gegen
von der Spezies der Voth aus der Episode „Distant Origin“ (3/23; Erstausstrahlung
30.04.1997). Er ist ein ‚hilfloser‘ Wissenschaftler, allerdings nicht weil seine Regierung
184
Die Beschreibung ähnelt den Bildern, die es von den verbrannten und entstellten Körpern der Opfer
der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki gibt.
112
seine Forschung ausnutzt, wie das bei Jetrel der Fall ist, sondern weil sie Gegens
Forschungsergebnisse nicht anerkennen will, da diese das Weltbild der Voth verkehren
würde. Gegen muss sich schließlich den Vorstellungen seiner Regierung beugen und
seine Ergebnisse widerrufen, womit die Figur Assoziationen an den berühmten Fall des
Galileo Galilei (1564-1642) weckt. So wie dieser für seine Behauptung, die Erde drehe
sich um die Sonne, wegen Ketzerei angeklagt wurde, so unterliegt auch Gegen letztlich
den Machthabern seiner Gesellschaft.185
Der Anthropologe Gegen findet Beweise, dass seine Spezies nicht in der Region
entstanden ist, in der sie lebt, sondern ursprünglich von der Erde stammt. Diese Theorie
widerspricht allerdings der Doktrin seines Volkes. Gegen hat bereits mehrere Knochenteile eines Skeletts gesammelt (es handelt sich um ein verstorbenes Mitglied der
Voyager-Crew) und auch Fragmente von Kleidung, die seine Theorie stützen. Er nimmt
den Schädel in seine Hände und spricht zu ihm: „Did your eyes see the planet of our
origin, the true home of our race? Was it beautiful? Was it covered by oceans, by sand?
Were there nine moons above your head? Were there none?“ (04:30) Das Skelett ist der
Schlüssel zu seiner Beweisführung auf der Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit.
Gegens gewagte ‚Distant Origin‘-Theorie propagiert, dass die Voth – eine
Saurierspezies – von einem anderen Planeten stammen, sich auch dort entwickelt haben
und später zu ihrem heutigen Planeten gereist sind:
For millions of years, our people have believed that we were the first intelligent beings to
evolve in this region of space. The first race. This assumption underlies everything that
we hold dear. But that belief has been questioned in recent years, not only by the circles
of science and philosophy, but by common people as well. Lying before you is proof of
the Distant Origin Theory. These remains demonstrate beyond doubt that we arose
elsewhere in this galaxy, that we evolved on a far away planet and traveled to this space
millions of years ago, our true history lost. (05:52)
Gegens Fund weist 47 gemeinsame genetische Marker des menschlichen Skeletts mit
den Voth auf, was für eine Herkunft von der Erde und eine entfernte Verwandtschaft mit
den Menschen spricht. Damit macht er sich Feinde in seiner Regierung:
Professor Gegen, have you considered the wider implications of your theory? […]
Because, by challenging Doctrine, you’re suggesting that everything we believe about
ourselves, our history, our ancient and rightful claim over this region of space, the
authority of this Ministry itself, is a lie. (07:53)
Gegen räumt ein, dass seine Theorie das Weltverständnis der Voth verändern würde: „In
the light of my discovery, some beliefs might have to be re-evaluated.“ (08:21) Gegen
185
Galilei wurde im Jahr 1992 von Papst Johannes Paul II rehabilitiert (vgl. Ostling 1992).
113
versucht auch, seiner Tochter die Konsequenzen zu erklären, wenn er seine Forschung
aufgeben müsste: „To your children, to all of Voth? You’ll continue to live in ignorance,
progress held back by ancient myth. The truth must be known.“ (10:11) Da Gegen seine
Theorie nicht widerruft, soll er wegen Ketzerei verhaftet werden, er flieht aber und
macht sich auf die Suche nach den entfernten ‚Verwandten‘, die er auf der Voyager
findet. Er wird letztlich eingeholt, und die Voth nehmen die Voyager gefangen und
zwingen Gegen somit, zu ihnen zurückzukehren, um sich der Anklage zu stellen,
ansonsten würden sie seine Beweisstücke vernichten und die Voyager-Crew töten. Bei
der Anhörung zeigt sich noch einmal, warum die Regierung sich so vehement gegen die
‚Distant Origin‘-Theorie wehrt – es geht um die Aufrechterhaltung ihrer Identität als
intelligente und hochentwickelte Kultur:
We are not immigrants. I will not deny 20 million years of history and Doctrine just
because one insignificant saurian has a theory. (36:03)
[...]
[W]hat I see appalls me. I see my race fleeing your wretched planet, a group of pathetic
refugees, crawling and scratching their way across the galaxy, stumbling into this domain.
I see a race with no birthright, no legacy. That is unacceptable. (37:37)
Chakotay versucht sich als Anwalt für Gegens Theorie, indem er die Bewertungskategorie der Regierung hinterfragt. Statt eines Herrschaftsanspruchs über Abstammung
verweist Chakotay auf die Leistungen der Spezies, aus denen sich ihr Machtanspruch
legitimiere.186 Er argumentiert außerdem, dass nur Veränderung Fortschritt ermöglichen
könne, auch wenn Veränderung schwierig sei: „I know from the history of my own
planet that change is difficult.“ (37:12) Er stellt die Leistung der Voth, dem Desaster auf
der Erde zu entfliehen und an einem fremden Ort diese hoch entwickelte Kultur
aufzubauen, in ein positives Licht: „Deny that past, and you deny the struggles and
achievements of your ancestors. Deny your origins on Earth and you deny your true
heritage.“ (38:41) Das Ministerium will von dieser Sicht aber nichts wissen. Gegen wird
letztlich zum Opfer seines Idealismus, denn er hat nicht mit dem extremen Festhalten an
der Doktrin gerechnet:
This inquiry isn’t about truth. It’s about keeping you in that chair. It’s about maintaining a
myth that keeps the Ministry in power. You’d do anything to silence me. Well, it won’t
work. I’ll never retract my claims, I’d rather go to prison than help you perpetuate
ignorance. (35:30)
186
Dieses Legitimationsmodell, Herrschaftsanspruch aufgrund von Leistung statt eines Geburtsrechts,
entspricht auch dem ‚American dream‘: durch harte Arbeit vom Tellerwäscher zum Millionär.
114
Um seine Freunde auf der Voyager zu retten, willigt Gegen schließlich ein, seine
Theorie öffentlich zu widerrufen. Gegen wird außerdem von der ideologisch
‚gefährlichen‘ Wissenschaftssparte Paläontologie in die Metallurgie strafversetzt. Wie
auch Galilei im Nachhinein als Vorreiter der wissenschaftlichen Revolution angesehen
wurde, so könnte auch Gegen bei den Voth zu einer solchen Figur aufsteigen. Jedenfalls
äußert er am Ende der Episode die Hoffnung, dass irgendwann in der Zukunft die Erde
als der Abstammungsplanet der Voth anerkannt wird. Die Entscheidungen, die aufgrund
des Festhaltens an der Doktrin gefällt werden, – die Bestrafung des Forschers Gegen
sowie diesen zur Widerrufung seiner Theorie durch Erpressung zu zwingen –, werden in
der Folge als unethisch dargestellt. Gegen selbst verhält sich ethisch, sowohl in seiner
Forschung als auch der Entscheidung, seine Theorie zu widerrufen, da er dadurch die
Crew der Voyager rettet.
Mit dem Thema ‚Herkunft‘ ist die Episode natürlich in sehr offensichtlicher
Weise auch an die Evolutionstheorie angeschlossen, die in den USA noch immer
Kontroversen auslösen kann. Im Jahr 1996, ein Jahr vor Erstausstrahlung der Episode,
gab es Meldungen in den Massenmedien, dass der Vatikan die wissenschaftliche
Evolutionsgeschichte für möglich halte. Im Kommentar des Papstes, über den in Time
berichtet wird, heißt es: „Today … new knowledge leads us to recognize that the theory
of evolution is more than a hypothesis.“ (Collins 1996, n.pag.) Diese Äußerung des
Vatikans beinhaltete außerdem die Aussage, dass es grundsätzlich keinen Konflikt
zwischen wissenschaftlicher Theorie und religiöser Auslegung gebe (vgl. ibid. und
Marklein 1996, 03.A). Aus Sicht der gerade in den USA sehr aktiven Gruppe der
Kreationisten ist dies jedoch keine vertretbare Position. Sie lehnen die Evolutionslehre
weiterhin ab und wollen durchsetzen, dass an US-amerikanischen Schulen die biblische
Schöpfungsgeschichte gelehrt wird. Wie die Voth empfinden es auch die Kreationisten
als ‚unwürdig‘, von einer primitiven Rasse abzustammen. Erste Erfolge in ihrem Kampf
gegen die Evolutionstheorie konnten die Kreationisten im Jahr 1996 verzeichnen, wie
im März in USA Today berichtet wurde (vgl. Curley 1996, 03.A): Im US-Bundesstaat
Alabama wurde erreicht, dass neue Schulbücher für den Biologieunterricht eingeführt
wurden, in denen die Evolutionstheorie als reine Theorie ausgewiesen wird und nicht
als belegte Tatsache. Im Staat Tennessee wurde überlegt, ein Gesetz einzuführen, das es
erlaubt, Biologielehrer aus dem Schuldienst zu entlassen, wenn sie die Evolutionslehre
als Fakt darstellen. Dass die Nation in dieser Ansicht gespalten ist, verdeutlicht eine
Umfrage des National Science Board der US-Regierung, die feststellte, dass nur 44
115
Prozent der US-Amerikaner die Evolutionstheorie anerkennen (SEI 1996, Kapitel 7, S.
8). Es liegt nahe, die Episode „Distant Origin“ auch als Kommentar auf diese Vorgänge
in den USA zu lesen.
Neben ‚fremden‘ Wissenschaftlerfiguren werden Fragen der Wissenschaftsethik
in Voyager immer wieder auch in Bezug auf das medizinische Hologramm thematisiert.
Da es sich hier um ein Computerprogramm handelt, kann mit der Darstellung eines
Wissenschaftlers ‚gespielt‘ werden, d.h. durch die Implementierung einer neuen Subroutine kann das medizinische Hologramm bspw. eine neue Charaktereigenschaft annehmen und dadurch verschiedene Aspekte der Wissenschaftlerfigur ausloten. Zudem
ist in seinem Programm eine ethische Subroutine (einschließlich des hippokratischen
Eids) integriert, die es ihm verbietet, unethisch zu handeln: Dieses Programm wird
jedoch wiederholt herausgefordert oder gar manipuliert und bietet dann ebenfalls
Anlass, wissenschaftsethische Fragen zu überdenken.
Eine Darstellungsvariante ist der holografische Doktor als Held. Seine extensive
Datenbank sowie das Vermögen, neues Wissen leicht einzuspeichern, helfen in einer
Vielzahl gefährlicher Situationen. So ist er z.B. der entscheidende Faktor, um die
Hirogen in „The Killing Game“ zu besiegen (vgl. S. 195-197). Der Doktor kann in
diesem Handlungsgeschehen als heldenhafter Wissenschaftler im Sinne von Frizzoni
klassifiziert werden:
Mit ihrem profunden Wissen fungieren die Wissenschaftler als Retter in der Not.
Wissenschaftliche und technologische Errungenschaften werden also nicht per se
dämonisiert, sondern durchaus gefeiert, nicht zuletzt auch in den sogenannten Space
Operas mit ihren grandiosen Inszenierungen von künftigem Leben im All und ihren mit
allen erdenklichen Technologien ausgestatten Raumschiffen (Star Trek). (Frizzoni 2004,
32)
Allerdings birgt genau die Technologie eine große Gefahr. Da der Doktor eine
künstliche Intelligenz ist, sollte er sich gemäß seiner Programmierung verhalten. Aber
diese Programmierung kann von Dritten manipuliert werden, wie in „Equinox“ (s.u.)
oder in „Lineage“ (s.u.) gezeigt wird. Auch das Bedürfnis des Doktors zur Persönlichkeitserweiterung sorgt immer wieder für Konflikte in seiner Matrix. Durch das
Einspeisen weiterer Subroutinen und Persönlichkeitsprogramme, d.h. Persönlichkeitsstrukturen berühmter Menschen, denen der Doktor gerne nacheifern möchte, werden
andere Subroutinen gelöscht oder angegriffen. In solchen Fällen wird auch er zum Mad
Scientist.
116
In „Darkling“ (3/18; Erstausstrahlung 19.02.1997) hat der Doktor sein Programm ‚verbessert‘ und weitere Subroutinen aufgespielt. Jedoch weisen die Charakterzüge und Temperamente der Persönlichkeiten, die der Doktor seinem Programm
hinzugefügt hat, alle einen ‚dunklen‘ Aspekt in ihrer Psyche auf. In ihrer Kumulation
verursachen diese nun beim Doktor eine Persönlichkeitsstörung, die er selbst nicht
wahrnimmt. Auch dem Zuschauer wird das Problem erst bewusst, als ein Aufflackern
seiner Matrix den anderen, bösen Charakter dezidiert ankündigt und dieses böse Alter
Ego sogar einen Mord begehen will. Am Ende der Folge sagt der geheilte und geläuterte
Doktor den für Mediziner verpflichtenden Eid des Hippokrates auf. Wie bereits erwähnt
(vgl. S. 57f), wird hier die Analogie zu Stevensons Dr. Jekyll and Mr. Hyde evoziert,
welche in der Doppelfolge „Equinox“ (5/26, 6/01; Erstausstrahlung 26.05./22.09.1999)
explizit geäußert wird. Hier stößt die Voyager auf ein anderes Sternenflottenraumschiff,
das es in den Delta-Quadranten verschlagen hat. Im Gegensatz zur Voyager-Crew, die
an den Richtlinien der Sternenflotte während ihrer Zeit im Delta-Quadranten festhält,
hat die Equinox-Crew diese Richtlinien über Bord geworfen, um dadurch schneller
zurück zur Erde zu gelangen. Für dieses Ziel sind sie auch bereit, unethisch zu handeln
und eine fremde Spezies zu missbrauchen und zu quälen. Die Crew der Equinox hat zu
diesem Zweck ihr medizinisches Hologramm manipuliert und dessen ethische
Subroutine gelöscht. Auf diese Weise konnte ihr Doktor dazu gebracht werden,
unethische Experimente an einer außerirdischen Lebensform durchzuführen.187 Als der
Voyager-Doktor dies entdeckt, fragt er seinen ‚Zwilling‘ entsetzt: „You? That’s a
violation of your programming.“ Der Equinox-Doktor entgegnet: „They deleted my
ethical subroutines.“ (Teil I, 37:41)188 Daraufhin schaltet der Equinox-Doktor den
Voyager-Doktor aus und begibt sich auf die Voyager, um dort Crewmitglieder der
Equinox zu befreien, die nach Entdeckung ihres ethischen Fehlverhaltens inhaftiert
wurden. Am Ende der Doppelfolge schlussfolgert der Voyager-Doktor: „It is
disconcerting to know that all someone has to do is flick a switch to turn me into Mr.
Hyde.“ (Teil II, 37:52) Seven schlägt daraufhin vor, ein Sicherheitsprotokoll zu
installieren, um zukünftige Manipulation zu vermeiden. Ähnlich wie Dr. Jekyll in
Stevensons Roman keine Kontrolle über sein böses Alter-Ego Mr. Hyde ausüben kann,
wird auch der holografische Doktor nicht verantwortlich gemacht für die Taten seiner
187
188
Deren Körper enthält eine hohe Konzentration an Antimaterie, die von der Equinox-Crew genutzt
wird, um den Warpantrieb zu verbessern.
Die ethische Subroutine des Doktors entspricht den „Drei Gesetzen der Robotik“ von Asimov (vgl. S.
90).
117
Hyde-Persona. Das Verhalten des Doktors wird durch einen Fehler in der Programmierung seiner Matrix begründet: im ersten Fall (in „Darkling“) kann sie die neuen
Einspielungen nicht ordentlich verarbeiten und im zweiten Fall (in „Equinox“) wird ein
Programm schlicht ausgeschaltet.
In der Episode „Critical Care“ (7/05; Erstausstrahlung 01.11.2000) dagegen
handelt das medizinische Hologramm eigenständig, und es liegt kein Fehler der Programmierung vor. Dabei werden zwei ethische Aspekte in der Episode angesprochen:
zum einen der Ethik-Code des Arztes und zum anderen sozial ungerechte Behandlungsmethoden. Des Weiteren beinhaltet die Episode Anleihen an die Diskussion um das
amerikanische Gesundheitswesen und kommentiert somit die öffentlichen Debatten um
dessen Reform, die in den 1990 Jahren von Bill Clinton angestoßen wurde, ebenso wie
die Praktiken der HMOs (Health Maintenance Organisation). In der Folge wird der
Doktor von der Voyager gestohlen und auf dem Planeten der Dinaal an ein Krankenhaus
verkauft. Die Eingangsszene ist eine generische Darstellung bekannt aus Krankenhausserien – wenn nicht aus der eigenen Lebenswelt – und zeigt eine völlig überfüllte
Notaufnahme mit wartenden Patienten, einige werden auf Rollbetten transportiert. In
einer späteren Szene wird die Situation noch drastischer dargestellt: Der Eindruck eines
Kriegslazaretts wird evoziert, im Hintergrund ist unablässiges Stöhnen zu hören. Das
Krankenhaus ist in verschiedene Klassen bzw. Ebenen aufgeteilt, wobei sich die
gezeigten Patienten alle auf der niedrigsten Ebene befinden, wo sie nur geringfügig
versorgt werden. Der Allocator, ein Computer der die Patienten verwaltet, ist das
Novum in diesem Krankenhaus. Mittels Scanner erkennt dieser Computer die Patienten
anhand ihres Blutes und bestimmt deren ‚Behandlungs-Koeffizienten‘. Er legt fest, auf
welche Ebene der Patient stationiert und wie er behandelt wird. Die Methode wird vom
Doktor der Voyager sofort hinterfragt:
Doktor: How is this coefficient derived?
Chellick: Through a complex formula that involves profession, skills, accomplishments.
Doktor: How is any of that relevant to medical treatment?
Chellick: An agricultural engineer is obviously more important than a waste processor.
Doktor: Important to whom?
Chellick: Society. When your resources are limited, then you have to prioritise. The
Allocator assesses the entire individual.
Doktor: And reduces his life to a number. (10:36)
118
Es wird deutlich, dass der Patient nach seiner Bedeutung für die Gesellschaft und deren
Fortschritt eingestuft wird. Chellick ist der administrative Leiter des Krankenhauses und
soll dessen Effizienz steigern und gleichzeitig Ausgaben mindern. Der Allocator, von
Chellick programmiert, legt nicht nur den Behandlungsstatus fest, sondern verwaltet alle
Patienten und überwacht die gesamte Behandlung. Er kann z.B. die Verabreichung eines
Medikaments verweigern, wenn die gesellschaftliche Nützlichkeit eines Patienten nicht
der zugeordneten Behandlungsweise entspricht. So werden einfachen Arbeitern teilweise lebenserhaltende Maßnahmen verweigert, während die Patienten auf einer hohen
Ebene sogar präventiv Medikamente erhalten – eine tägliche Injektion, welche die
Alterung der Arterien verzögert und die Lebenserwartung somit um 40 Prozent erhöht.
Der Doktor findet diese ungerechten Behandlungsmethoden inakzeptabel, besonders
hinsichtlich der Situation auf der untersten Ebene: „Are we here to help these people or
kill them?“ (15:52). Auch ein Arzt, Dr. Voje, ist mit dem Allocator unzufrieden, hat sich
aber mit dem System abgefunden. Der holografische Doktor erinnert ihn an seine
ethische Verpflichtung als Arzt, bei der er sich immer fragen muss, was er tun kann, um
dem Individuum zu helfen.
Als der Junge Tebbis, infiziert mit einem tödlichen Virus, eingeliefert wird,
versucht der Doktor zuerst, dessen Behandlungs-Koeffizienten zu erhöhen, indem er
weitere Daten eingibt, um die Statistik zu Tebbis’ Gunsten zu manipulieren. Der
Computer verweigert jedoch den Zugang zur Akte. Daraufhin stiehlt der Doktor eine
Spritze und verabreicht sie Tebbis. Hier wird mit der Kameraführung die Erleichterung
und Zufriedenheit über seine Handlung eingefangen: Eine Nahaufnahme des Gesichts
zeigt das Lächeln des Doktors, und ein Aufatmen ist zu hören. Tebbis’ Zustand
verbessert sich rapide; mit mehreren Injektionen könnte er ganz vom Virus geheilt
werden. Nach diesem ersten Erfolg stiehlt der Doktor, er nennt es ‚Umverteilung‘,
weitere Spritzen. Als Dr. Voje Bedenken äußert, das Medikament ohne Autorisierung zu
verabreichen, antwortet der Doktor ihm: „I certainly wouldn’t want you to do anything
to compromise your ethics.“ (22:14) Als der behandelnde Arzt der höchsten Ebene, Dr.
Dysek, den Diebstahl bemerkt, stellt der den Doktor zur Rede, dieser erklärt ihm das
System:
Doktor: I was simply trying to increase our allocation of resources.
Dysek: What are you talking about?
Doktor: […] Last month, level blue’s total medication requests were down by 6 per cent.
119
Dysek: Because our cure rate was higher.
Doktor: Exactly. Because you performed so efficiently last month, the Allocator will
determine you’re able to do with less next month. If we don’t order more medication now,
we may not get it when we need it. (23:12)
Danach ist auch Dr. Dysek mit dieser Form der ‚Umverteilung‘ einverstanden. Der
Krankenhausverwalter Chellick jedoch durchschaut die Situation. Kurz darauf stirbt
Tebbis, laut Chellick, an einer zweiten Infektion, die rasch zum Tod führe. Es wird hier
impliziert, dass diese zweite Infektion nicht auf natürlichem Weg entstanden und
Chellick verantwortlich ist.
Doktor: Don’t you have any ethical standards?
Chellick: You are hardly in a position to speak to me of ethics. Lying. Stealing. Any other
crimes you wish to confess?
Doktor: I was trying to save lives.
Chellick: And I am trying to save a society. Do you really think Patient R12 was going to
help me do that?
Doktor: His name was Tebbis.
Chellick: He wasn’t contributing. He was a drain on resources.
Doktor: You’re not just rationing health care here, you’re getting rid of the sick and the
weak.
Chellick: If the boy had been fit, he would’ve survived.
Doktor: Why don’t you just put a phaser to their heads?
Chellick: We’re healers, not killers. (28:16)
Als Reaktion darauf infiziert der Doktor Chellick mit dem Virus und manipuliert seine
Blutwerte dahingehend, dass der Allocator ihn als Tebbis registriert und ihm die
lebensrettende Injektion verwehrt. Er handelt damit gegen den hippokratischen Eid.
Dadurch will er erreichen, dass Chellick den Allocator umprogrammiert und somit alle
Patienten behandelt werden können. Dr. Voje findet dieses Verhalten des Doktors
unethisch: „We don’t make people sick“ (36:20), selbst wenn dies einem höheren
Endzweck diente. Besonders diese Aussage von Voje lässt den Doktor später, als er
wieder auf der Voyager ist, über sein Verhalten nachdenken. Er bittet Seven seine
Matrix zu untersuchen, besonders das Ethikprotokoll. Er hat Gewissensbisse, weil er
Chellicks Leben bewusst in Gefahr gebracht hat. Seven fasst zusammen: „You were
prepared to sacrifice an individual to benefit a collective. […] You were hoping your
behavior was the result of a malfunction.“ (40:41) Die Folge endet mit einer
120
Nahaufnahme des Doktors, dessen Gesicht Ernüchterung und Enttäuschung zeigt.
Dieses finale Bild kontrastiert die Zufriedenheit, gezeigt in der Nahaufnahme nachdem
er Tebbis die Injektion verabreicht hatte. Hier ist es nicht die Voyager-Crew, die durch
dialogische Diskussion eine Lösung findet, sondern der Doktor ist auf sich allein
gestellt. Er muss selbst die Entscheidung treffen und hat nur zwei Personen, die ihm
behilflich sein können: Dr. Dysek, der durchaus bereit ist, das System für sich arbeiten
zu lassen, und Dr. Voje, der das System annimmt, aber zu einem gewissen Grad auch
gewillt ist, es zu umgehen. Ein Leben aber bewusst in Gefahr zu bringen, lehnt Voje
dezidiert ab. Es wird hinterfragt, ob unethisches Verhalten gerechtfertigt ist, um das
Gemeinwohl zu fördern, vor allem wenn Ressourcenknappheit herrscht, bzw. auch, ob
unethisches Verhalten gerechtfertigt ist, um anderes unethisches Verhalten zu
unterbinden.
Wie bereits erwähnt, kann das Thema der Episode als Kommentar zu öffentlichen Debatten der 1990er Jahr zum US-Krankenversicherungssystem interpretiert
werden, so kann sie als Anspielung auf die fehlende Grundversorgung von US-Bürgern
gelesen werden.189 Jedoch wird in der Episode nicht nur eine Reform des gesamten
Gesundheitswesens als notwendig empfunden, auch die gängigen Praktiken des
existierenden Systems werden in Frage gestellt. In dem Time-Artikel „Playing the HMO
Game“ wird erwähnt, dass die Mehrheit der US-Bevölkerung mit dem Versicherungssystem zufrieden ist, jedoch Befürchtungen hat, falls ein medizinischer Ernstfall
eintreten sollte, denn allem voran sind die HMOs an Kostenreduzierung interessiert
(vgl. Gorman 1998, n.pag).190 In der Episode bestimmt der Allocator nach dem KostenNutzen-Prinzip, welche Behandlung ein Patient erhält. Wie bereits oben erwähnt, ist die
Befürchtung groß, dass Gentests in Zukunft dazu genutzt werden, Risikopatienten von
der Versorgung auszuschließen.191 In diesem Sinne kann die in der Episode „Critical
Care“ dargestellte Auswahl der Behandlung anhand der Bedeutung des Individuums für
die Gesellschaft als Extrapolation der Ängsten über den Einsatz von Gentests gelesen
werden. Des Weiteren verdeutlicht die Episode den Sinn von Ethikkommissionen in
Krankenhäusern.
Generell wird der Doktor jedoch, abgesehen von vereinzelt auftretendem Fehlverhalten, stets positiv konnotiert. Fehler werden ihm verziehen und auf seine Program189
190
191
Eine detaillierte Analyse des US-Krankenversicherungssystems findet sich in Kruse (1997).
Howley (2006) berichtet über Menschen, die durch Krankheitsfälle in finanzielle Not gerieten.
Gorman (1998) nennt einige Beispielfälle, in denen eine HMO aus Kostengründen Behandlungen
verweigerten, vgl. dazu auch S. 85 dieser Studie.
Vgl. Hallowel (1999) sowie S. 80.
121
mierung, den Einfluss anderer, oder aber seinen eigenen Lernprozess zurückgeführt. Da
er auch daran arbeitet, menschlicher zu werden, wird es ihm zugestanden, Fehler zu
begehen, da dies zum Lernprozess eines Individuums dazugehört. Ein solcher Prozess
wird in der Episode „Latent Image“ (5/11) gezeigt. Hier werden zwei Crewmitglieder,
darunter Harry, schwerverletzt auf die Krankenstation gebracht und der Doktor
entscheidet sich, zuerst Harry zu helfen. Das andere Crewmitglied stirbt, woraufhin der
Doktor in eine Art gedankliche Wiederholungsschleife gerät, in der er nicht aufhören
kann sich zu fragen, ob er Harry in der Behandlung bevorzugt hat, weil er ihn besser
kannte und das andere Crewmitglied aufgrund dieser Favorisierung sterben musste. Die
Erinnerung an dieses Ereignis wird aus seinem Programm gelöscht, da sie ihn
dienstuntauglich macht. Der Doktor bemerkt diese Manipulierung und verlangt nach
Aufklärung. Am Ende wird ihm erlaubt, diesen inneren Konflikt selbst zu verarbeiten.
Am medizinischen Hologramm der Voyager wird somit auch die AnlageUmwelt-Debatte illustriert. Dem Hologramm ist es gestattet, seine Anlagen zu
‚bearbeiten‘, wie auch seine Umwelt, die Crew, sozialisierend auf seine Persönlichkeit
einwirkt. Andrea Andreadis merkt an, dass die Anlage-Umwelt-Debatte in Star Trek oft
ausgelotet wird, die Aussage allerdings häufig ambivalent bleibt: „Star Trek has played
it safe, in the manner of people who cannot decide which god to appease.“ (1998, 120)
Ambivalenz zeichnet fast alle Episoden, die Wissenschaftlerfiguren thematisieren, aus.
Star Trek: Voyager bemüht sich dabei, die Motivationen der Wissenschaftler auszuleuchten: was treibt sie an, was wollen sie erreichen und warum? Die Voyager-Crew
muss dabei feststellen, dass es verschiedene Grade ethischen Handelns gibt. Das NichtAuflösen ethischer Dilemmas bewährt sich dabei als eine geeignete Strategie, da sich
dadurch vielfach Denkanstöße für die Zuschauer ergeben. Eine tatsächliche Auflösung
des ethischen Dilemmas durch eine Katharsis am Ende der Episode würde dem
Zuschauer kaum Anreize geben, weiter über das Problem zu reflektieren. Denkanstöße
erhält der Zuschauer auch in der Verhandlung des Themas Genmanipulation. In den
entsprechenden Episoden steht prominent die Anlage-Umwelt-Debatte im Vordergrund,
die hinterfragt, ob die Ausgestaltung der Persönlichkeit eines Individuums in dessen
Anlagen liegt oder von der Umwelt beeinflusst wird, in der das Individuum aufwächst
und lebt. Dabei wird Sinn und Zweck der DNA-Manipulation, i.e. der Anlagen eines
Individuums, ethisch hinterfragt.
122
2.3 Die Darstellung von Klonen und ‚Designer Babies‘ in Voyager
In der Star Trek-Lebenswelt des 24. Jahrhunderts ist die Gentechnologie eine anerkannte, vielfach eingesetzte und beherrschte Wissenschaft. Dies wird durch die fast
beiläufige Erwähnung des Einsatzes von Gentechnologie in verschiedenen Episoden
suggeriert. Dabei erfährt die Technik der Genmanipulation selbst keine ethische
Bewertung, aber die Zwecke, für die sie eingesetzt wird, werden ethisch hinterfragt. In
der Folge „Maneuvers“ (2/11) erfährt Chakotay, dass er angeblich Vater wird. Seine
DNA wurde gestohlen und die Diebin hat sich damit selbst befruchtet. In der Episode
„Lifesigns“ (2/19) wird klingonische DNA genutzt, um die vidiianische Krankheit
‚Phage‘ zu heilen. In beiden Episoden wird die DNA auf unethische Weise extrahiert,
nämlich gegen den Willen der ‚Spender‘. Episoden, in denen sowohl der Effekt als auch
der genetische Eingriff positiv konnotiert werden, sind dagegen „The Fight“ (5/19) –
hier erfährt der Zuschauer, dass bei Chakotay noch vor der Geburt ein Gen
ausgeschaltet wurde, das Halluzinationen begünstigt, an denen bereits sein Großvater
gelitten hatte – und „Prophecy“ (7/14) – hier stellt der holographische Doktor einen
heilenden Antivirus aus embryonalen Stammzellen her. Gentechnologie ist in den
Voyager-Episoden also keine ‚verteufelte‘ Technologie; ihr Einsatz unterliegt allerdings
ethischen Richtlinien. Somit werden in der Extrapolation heutiger Möglichkeiten in der
Serie bereits Anwendungsmöglichkeiten und mögliche Restriktionen für Gentechnologie angedacht. Die folgende Analyse wird sich auf einige issue-episodes
konzentrieren, in denen Gentechnologie als Hauptthema eingesetzt wird. Dabei wird das
Thema ähnlich wie im öffentlichen Diskurs zur Entstehungszeit der Serie an zwei
Schwerpunkten verdeutlicht: dem Klonen und der Manipulation von Erbgut am ungeborenen Leben. In den Episoden werden vor allem Gefahren hinsichtlich des
unbedachten Umgangs mit der Technologie erörtert.
Im Bezug auf die Technik des Klonens greift Star Trek: Voyager die öffentliche
Diskussion um vorzeitige Zellalterung und die dadurch womöglich zu erwartende
reduzierte Lebenserwartung von Klonen auf (vgl. S. 86f).192 In der Episode „Demon“
(4/24) landet die Voyager auf einem Planeten, auf dem aufgrund seiner toxischen
Atmosphäre und der extremen Hitze auf der Oberfläche kein Leben existieren kann.193
Die Crew will dort eine Flüssigkeit untersuchen, die als Energiequelle genutzt werden
192
193
Ein Thema das der Star Trek-Film Nemesis (2002, Regie: Stuart Baird) ebenfalls aufgreift.
Diese Planeten werden aufgrund ihrer atmosphärischen Analogie zur Hölle im Star Trek-Universum
der „demon-class“ zugeordnet.
123
könnte. Wie sich herausstellt, kann die Flüssigkeit bei Kontakt DNA duplizieren. Diese
Episode begründet die Vorgeschichte für das Geschehen in der späteren Episode
„Course: Oblivion“ (5/18; Erstausstrahlung 03.03.1999). Der Zuschauer, wie auch die
Charaktere in der Episode, wissen anfangs nicht, dass es sich bei ihnen um Duplikate
aus der Folge „Demon“ handelt und nicht um die ‚Originale‘. Die Duplikate handeln
und denken jedoch wie ihre Originale, zudem sind die Erinnerungen der Originale
dupliziert worden. Die Crew stellt fest, dass alle an Bord unter Verstrahlung leiden und
eine akute Zelldegenerierung aufweisen. Bei den Nachforschungen zu dieser
Zelldegenerierung stößt die Crew auf das Vorkommnis auf dem Demon-Planeten und
erkennt so, dass sie Klone sind und deswegen ihre Zellstruktur der Strahlung des
Warpkerns nicht standhalten kann. Aufgrund ihrer prekären Situation fragen sich die
duplizierten Janeway und Chakotay, inwiefern sie die Sternenflotten-Direktiven
aufrechterhalten können. Sind sie als Kopien überhaupt dazu verpflichtet? Für Janeway
ist dies klar, Chakotay jedoch deutet an, dass eine Meuterei bevorstehen könnte, denn
Janeways Autorität wird in Frage gestellt, da sie nur eine Kopie des Voyager-Captains
ist. Janeway erinnert an ihr Versprechen gegenüber der Crew und ihr Ziel: „I promised
the crew I’d get them home.“ (31:42) Chakotay hält dagegen, dass ihr zu Hause eben
nicht die Erde, sondern der Demon-Planet sei. Bevor sich die Situation klären kann,
zerfällt die Voyager-Kopie samt duplizierter Mannschaft. Die ‚originale‘ Voyager-Crew
sieht die Explosion, nachdem sie, auf ein Notrufsignal hin, zu Hilfe eilen wollten. Es
bleiben weder Hinweise auf die Existenz noch auf das Schicksal der Duplikate zurück.
In diesem Fall von Klonen wurden Erinnerungen und Erlebnisse der ‚Originale‘
mitkopiert. Die Voyager-Folge greift also die Frage auf, inwieweit Klone sich
tatsächlich wie ihre ‚Originale‘ verhalten können und müssen und ob sie das Recht auf
eine eigenständige Identität haben. Diese Fragen können rückgekoppelt werden an die
Diskussion um die Rechte von Klonen, die einen verstorbenen Menschen ‚ersetzen‘
sollen. Denn diese hätten durchaus das Recht, sich eigenständig zu entwickeln und eine
eigene Persönlichkeit zu formen, wie auch in den Zeitschriftenartikeln argumentiert
wird (vgl. S. 87). Eine Lösung des Problems bietet die Episode nicht an, die Fragen
werden nur angerissen und stellen ein Angebot an den Zuschauer zur Reflexion dar.
Während das Klonen ganzer Menschen noch eine Zukunftsvision ist, sind andere
Möglichkeiten der Genmanipulation bereits heute Wirklichkeit. Voyager greift eine
dieser Möglichkeiten, nämlich die Schaffung von ‚Designer-Babies‘, in der Episode
„Lineage“ (7/12; Erstausstrahlung 24.01.2001) auf. Der Eingriff in die DNA eines
124
Kindes ohne medizinische Indikation wird hier deutlich als unethisch markiert.
B’Elanna Torres ist schwanger und der Doktor stellt mittels einer fortgeschrittenen PräNatal-Diagnostik fest, dass das Kind eine Wirbelsäulendeformierung hat, welche er aber
mittels genetischer Modifikation beheben kann. Dieser Eingriff wird nicht ethisch
hinterfragt, sondern stellt im 24. Jahrhundert einen sanktionierten Routineeingriff dar.
Bei dieser Gelegenheit lassen sich die zukünftigen Eltern das Kind in einer extrapolierten, holografischen Darstellung im Alter von etwa zehn Monaten zeigen. B’Elanna
stellt erschrocken fest, dass das Kind die prägnante klingonische Stirn haben wird und
sie erinnert sich an ihre eigene Kindheit und daran, wie ihre Klingonenstirn sie stets zur
Außenseiterin machte. Auf dem Holodeck lässt sie den Computer für ihr ungeborenes
Kind verschiedene DNA-Kombinationen durchspielen, bis letztlich ein blondes Kind
mit glatter Stirn vor ihr steht. Danach will B’Elanna unbedingt das Erbgut ihres Kindes
modifizieren lassen. Der holografische Doktor ist dazu aber nicht bereit, da er den
Einriff für medizinisch nicht indiziert hält und er weitreichende Folgen befürchtet: „If I
make these changes, it’ll affect her appearance. […] Are you also aware that some of
these genes influence behavior, personality?“ (19:50) B’Elannas Sorge, dass ihre
Tochter wegen ihrer gemischten Herkunft ausgegrenzt werden könnte, lässt sie die
Gefahren eine solchen Eingriffs nicht erkennen, obwohl der Doktor erklärt: „Those
redundancies are there for a reason.“ (19:00) Die Erinnerung an ihre eigene Situation als
Kind führt sie auch in der Diskussion mit ihrem Ehemann Tom Paris an:
Tom: You wanna change who she is. Her individuality [Pause] You don’t want her to be
Klingon. […]
B’Elanna: I was treated like a monster. [...] Gene resequencing isn’t a weapon. It’s a tool.
Like a hyperspanner.
Tom: She’s not a machine. She’s our daughter (20:35).
Nach dieser Diskussion spricht B’Elanna bei Captain Janeway vor und verlangt: „I want
you to order the Doctor to genetically alter my child.“ (22:00) Janeway jedoch erwidert:
„What you’re asking for is ethically questionable. The Doctor has reservations. Your
husband is against it.“ (22:04) B’Elanna argumentiert, dass Janeway selbst mit Seven
nichts anderes gemacht habe, denn auch bei ihr waren ‚Veränderungen‘ nötig, nachdem
sie vom Borg-Kollektiv getrennt worden war. Nachdem B’Elanna für ihren Wunsch
keine Unterstützung erhält, handelt sie selbst unethisch: Sie manipuliert das Programm
des Doktors, damit er die von ihr gewünschten genetischen Veränderungen durchführt.
Der Eingriff wird jedoch in letzter Minute von Tom und Janeway gestoppt. Am Ende
125
der Folge wird B’Elanna vom Doktor von ihrer Schuld freigesprochen, indem er ihr
Verhalten mit Hormonschwankungen erklärt: „Not guilty by reason of biochemistry.“
(39:24) B’Elanna jedoch will Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen: „But
biochemistry isn’t an excuse. I knew exactly what I was doing.“ (39:32) Die Episode
endet mit ihrer Bitte, die holografische Projektion nochmals zu sehen, und dieses Mal
ist B’Elanna glücklich: „She is cute, isn’t she?“ (41:08)
Trotz des Happy Ends, das den Konventionen der Serie entspricht, werden hier
die ethischen Implikationen von Genmanipulation zur Veränderung der äußeren Erscheinung deutlich angesprochen und abgelehnt. Ein Eingriff in das genetische Material
zur Behebung der Wirbelsäulendeformierung hingegen stellt eine medizinische Indikation dar und erfährt deswegen keine ethische Wertung. Dies entspricht der Haltung,
die in den ausgewerteten Zeitschriften vertreten wird: Bei medizinischer Indikation ist
die Manipulation der DNA gerechtfertigt, jedoch nicht aufgrund egoistischer Motive,
wie zum Beispiel der Veränderung der Augenfarbe.
Wie drastisch Eltern durch Genmanipulation gegen das Interesse ihres Kindes
handeln können wird in „Child’s Play“ (6/19; Erstausstrahlung 08.03.2000) erörtert.
Hier wird ein Kind zur biologischen Waffe gemacht. Die Voyager landet auf dem
Planeten der Brunali, einer Agrargesellschaft, die Pflanzen mit genetischer Manipulation züchtet, da diese ansonsten auf dem Planeten nicht wachsen würden. Der Planet
befindet sich in gefährlicher Nähe zum Lebensraum der Borg, die Bewohner wollen den
Planeten deshalb jedoch nicht aufgeben. Hier leben die Eltern von Icheb, der von den
Borg gefangen genommen und zur Drohne gemacht wurde. Die Voyager-Crew hat ihn
in einer früheren Episode gerettet und er soll nun seinen Eltern zurückgegeben werden.
Seven, die als seine Erzieherin an Bord fungiert hat, ist skeptisch, dass er dort gut
aufgehoben ist. Ein Grund ist die aus ihrer Sicht wissenschaftliche Rückständigkeit des
Volkes, die Ichebs Weiterbildung einschränken würde. Leucon, Ichebs Vater, versucht
diese Bedenken auszuräumen – schließlich hat sich seine Spezies auf Genetik spezialisiert:194 „We’ve developed sophisticated techniques in agricultural genetics which
allow us to grow crops in an inhospitable environment.“ (13:39)
Angeblich wurde Icheb bei einem Angriff der Borg entführt. Wie sich jedoch im
Verlauf der Episode herausstellt, war die Assimilierung von Icheb durch das Kollektiv
194
Interessanterweise wird nicht kommentiert – weder positiv noch negativ –, dass die Brunali nur von
genetisch manipulierten Erzeugnissen leben. Zum Thema ‚Genfood‘ gibt es für den untersuchten
Zeitraum nur eine geringfügige Anzahl von Artikeln wie bspw. Golden (1999), Klee (1998) und
Springer/Shapiro (1994).
126
von seinen Eltern geplant: Er wurde den Borg als ein trojanisches Pferd angeboten, denn
in seiner DNA wurde ein Virus eingepflanzt, das die Borg nach der Assimilation
unschädlich gemacht hätte. Die Perversität der leiblichen Eltern erweist sich, als sie den
wiedergewonnen Sohn erneut zu den Borg schicken wollen, was die Voyager-Crew in
letzter Minute vereiteln kann. Ichebs Eltern versuchen ihre Tat zu rechtfertigen:
Leucon: We don’t have particle weapons or powerful starships at our disposal. We are
forced to use the only resource we have.
Seven: Your children?
Yifay: No, our genetic expertise. (35:08)
Icheb fühlt sich schuldig, dass er seinen Zweck nicht erfüllt hat. Seven versucht, ihm
klar zu machen, dass Eltern die Zukunft ihrer Kinder nicht bestimmen dürfen. Dennoch
fragt er sich: „Maybe it was my destiny?“ (40:20) Seven jedoch entgegnet: „In the
future, you may choose to fight the Borg, but you’ll do it in your own way. You’re an
individual. And you have a right to determine your own destiny.“ (40:29)
Die Kritik der Episode an der genetischen Manipulation von Kindern betont den
freien Willen des Individuums und das Recht auf Selbstbestimmung. Dabei wird
gezeigt, wie eine potentiell nützliche Technologie und das entsprechende Wissen für
unethische Zwecke missbraucht werden können. Vor allem die Eltern-Kind-Konstellation macht den Missbrauch dramatisch, denn die Eltern haben im vollen Bewusstsein
der Folgen ein Kind gezeugt und für die Zukunft ihres Volkes ‚geopfert‘. Seven stellt
diesen Punkt am Anfang von „Child’s Play“ heraus: „Anyone who values their own
goals over the safety of their children is irresponsible.“ (15:57) Während allerdings
Icheb die Möglichkeit hat, seine Wünsche und Interessen zu äußern, muss in „Lineage“
das ungeborene Leben geschützt werden. Sowohl im Ethik- als auch im Medien-Diskurs
wird die Meinung vertreten, dass Designer-Babies, deren genetisches Material den
Wünschen der Eltern entsprechen, ethisch nicht vertretbar sind, wenn es um äußere
Schönheitsmerkmale geht (vgl. S. 82 und 87). Die Auswahlmöglichkeit von potentiellen
Samenspendern in Befruchtungskliniken schlug Anfang der 1990er Jahre noch große
Wellen und es gab warnende Stimmen: „selecting racial and genetic characteristics is a
dangerous step towards eugenics“ (Hagar et al. 1994, n.pag.). In „Child’s Play“ wird
das Thema des Wunschkindes ins Extreme geführt, hier zeigt sich besonders das
Vermögen der Science Fiction, mittels Extrapolation einen ethischen Kommentar
abzugeben. In diesem Falle wird die Frage aufgeworfen, welche Ausmaße die
127
Beherrschung der Gentechnologie haben kann, denn die Eltern von Icheb haben nicht
gezögert, ihr Wissen zum Wohle der Siedlung einzusetzen, auch wenn sie dafür ihr Kind
opfern müssen. Hier hat offensichtlich eine Werteverschiebung eingesetzt, denn die
Gentechnologie repräsentiert keine potentielle Gefahr für ihre Lebenswelt, sondern stellt
im Gegenteil ein Heilmittel dar: erstens durch die Fruchtbarmachung des Planeten
mittels genmodifizierter Pflanzen und zweitens als Möglichkeit zur Bekämpfung der
Borg. Die Episode verdeutlicht, dass auch der Umgang mit einer beherrschten
Technologie stets der ethischen Reflexion über ihren Einsatz bedarf. Diese Aussage
trifft auch für den Umgang mit künstlichen Intelligenzen zu.
2.4 Korrelationen zwischen der Konstitution von Identität und ethischem Verhalten bei
künstlichen Intelligenzen in Voyager
Die Science Fiction ist für das Thema künstliche Intelligenzen ein zentrales
Verhandlungsfeld. Auch Voyager greift diesen Diskurs auf, wobei sich die folgende
Analyse vor allem auf zwei ‚aktuelle‘ Diskurse der späten 1990er Jahre und des
Millenniumswechsels (s.o. Kap 1.4) konzentrieren wird: die Frage nach Rechten für
künstliche Intelligenzen und die Verantwortung des Ingenieurs. Da die Erschaffung
eines Roboters, der tatsächlich ähnlich wie ein Mensch agiert, denkt und handelt, um
den Millenniumswechsel noch in weiter Ferne scheint, wird die Verhandlung des
Themas in Voyager interessanterweise auch nicht an ‚Robotern‘ festgemacht, sondern
pointiert an den Maschinen-Menschen – den Borg – und an photonischen (i.e.
holografischen) Lebensformen erörtert. Bei letzteren fungiert vor allem das medizinische Hologramm der Voyager als Vergleichsfolie für andere Hologramme. Der
Diskurs über die Verantwortung des Ingenieurs für seine Kreation, welcher analog zum
Mad Scientist-Diskurs verläuft, ist eine Konvention der Science Fiction. Hier wird vor
allem vor Technologie gewarnt, die sich gegen ihren Erschaffer und die Menschheit
wendet. In Voyager wird dabei eine Differenzierung zwischen einer starren Programmierung und der Implementierung ‚wahrhaft‘ künstlicher Intelligenz vorgenommen.
Die Debatte um Rechte und ethisches Verhalten von künstlichen Intelligenzen
wird generell bei Star Trek stets mit Individualität korreliert. Aus dem eigenständigen
Agieren des künstlichen Individuums leiten sich Rechte und Pflichten ab. Für das
medizinische Hologramm ist bereits etabliert worden, dass er ‚menschlich‘ behandelt
wird und Individualität entwickeln darf. Holografische Programme wie das des Doktors
128
sind auf den ersten Blick nicht von Menschen zu unterscheiden. Sie bewegen sich
‚natürlich‘ und auch ihre Sprache klingt nicht mechanisch, nur bei Energieschwankungen ist ein Flackern der Matrix ersichtlich. Gerade die äußere Ähnlichkeit von
Hologramm und Mensch, im Gegensatz zur offensichtlichen Künstlichkeit eines
Roboters, eröffnet Fragen der Egalität und danach, ob ein Hologramm die gleichen
Rechte wie ein Mensch hat oder ob es sich nur um eine Maschine handelt.
In der Doppelfolge „Flesh and Blood“ (7/9, 7/10; Erstausstrahlung 29.11.2000)
wird die Voyager-Crew mit den Folgen der unautorisierten Weitergabe von Technologie
konfrontiert. Die Episode greift den Diskurs um die Verantwortung für Techniknutzung
auf: Ist der Entwickler oder der Anwender für Folgen der Nutzung haftbar? In einer
Raumstation der Hirogen – einer Jägerrasse des Delta-Quadranten – wurde eine
‚Trainingsstation‘ mit Hilfe der holografischen Technologie der Voyager erbaut.195 Hier
können die Hirogen holografische Projektionen ‚jagen‘. Die Programmierung lässt es
zu, dass die Hologramme lernen und sich anpassen können, um somit eine reizvollere
Beute für die ‚Jäger‘ darzustellen. Dies führt allerdings unvorhergesehen dazu, dass die
Hologramme sich an alle Tötungen erinnern können und Schmerzen fühlen. Eines der
holografischen Opfer beklagt sich: „Apparently there’s no satisfaction in hunting
something that doesn’t suffer when you kill it.“ (26:06) Der Doktor ist entsetzt und
argumentiert, dass hier eine neue Spezies entstanden sei, denn die Hologramme seien
empfindungsfähig und sollten somit das Recht auf humane Lebensbedingungen haben.
Da diese Spezies sich aus der Technologie der Voyager entwickelt hat, hätte diese den
verantwortungsvollen Umgang mit dieser gewährleisten müssen. Es stellt sich die
Frage, ob sie nun auch verantwortlich für die Situation der Hologramme ist. In seiner
Empörung schließt sich der Doktor sogar der Freiheitsbewegung der HirogenHologramme an und stellt sich zeitweise gegen seine eigene Crew. Am Ende wird
allerdings wieder die Ausnahmestellung des Doktors betont: Trotz seines Desertierens
von der Voyager wird er von Janeway nicht bestraft – „How can I punish you for being
who you are?“ (1:19:27) Er darf als Individuum genauso fehlbar sein wie jedes CrewMitglied aus Fleisch und Blut – denn auch Janeway erkennt am Ende, dass durch die
unrestriktierte Weitergabe von Technologie an die Hirogen einer Lebensform Leid
angetan wurde – zudem war das Verhalten des Doktors ‚ethischer‘ als das der anderen
holografischen Mitglieder der Freiheitsbewegung. Vor allem deren Anführer wird als
195
Am Ende der Doppelfolge „The Killing Game“ (vgl. S. 195-197 dieser Arbeit) übergibt Janeway den
Hirogen die Technologie für holografische Projektionen, damit sie nicht weiter an organischen
Kreaturen ihre Jagdtechnik üben.
129
Wahnsinniger porträtiert, der die Menschen vernichten will, damit die Hologramme
über das Universum herrschen können. Als der Doktor dies erkennt, wendet er sich
gegen die Bewegung und hilft, den Anführer für seine Taten zur Rechenschaft zu
ziehen. Die verbleibenden Hologramme dürfen anschließend, dank dem Doktor und der
Voyager-Crew, ein freies Leben führen, ohne weiterhin von den Hirogen als Beute
gejagt zu werden.
Im Verlauf der Serie erhält der Doktor immer mehr Rechte, wodurch jedoch
auch entsprechend Pflichten entstehen, wie bereits in einzelnen Episodenanalysen
dargestellt worden ist. Für ihn, wie für Seven of Nine, stellt der Serienverlauf eine
Bildungsreise dar, bei der die Figur von der Maschine zunehmend zum vollwertigen
‚Menschen‘ wird. In einer der letzten Folgen der Voyager-Serie, „Author, Author“
(7/20), erzielt der holografische Doktor sogar einen juristischen Erfolg und wird als
Künstler rechtlich anerkannt. Ein von ihm verfasster Holo-Roman will auf die
Missstände im Verhalten gegenüber photonischen Lebensformen hinweisen, wie dessen
Epilog erläutert:
What you’ve experienced, dear protagonist, is a work of fiction. But like all fiction it has
elements of truth. I hope you now have a better understanding of the struggles holograms
must endure in a world controlled by organics. (16:54)
Die Episode schließt mit einer Szene in einer Mine, in der Hologramme desselben
Bautyps wie der Doktor für den Abbau giftiger Substanzen eingesetzt werden. Die
gezeigte Unterhaltung suggeriert, dass die Hologramme, offensichtlich durch den
Roman des Doktors angeregt, für ihre Rechte eintreten werden.
Exemplarisch für den Diskurs über Rechte künstlicher Intelligenzen soll die
Folge „Revulsion“ (4/05; Erstausstrahlung 01.10.1997) näher beleuchtet werden. Hier
hat sich eine künstliche Intelligenz, die als Arbeitssklave ausgebeutet wird, gegen ihre
Erschaffer gewandt und hinterfragt im Laufe des Geschehens die Loyalität des Doktors
zu seiner Crew. Die Voyager reagiert auf ein Hilfesignal und findet ein Raumschiff, auf
dem nur noch ein Überlebender ist – Dejaren, ein Hologramm. Dejaren ist zuständig für
Instandhaltungsarbeiten, hauptsächlich in verstrahlter Umgebung, in der Humanoide
nicht überlebensfähig wären. Er reinigt den Reaktorkern und entsorgt den Antimateriemüll. Es werden Parallelen zur Sklavenhaltung gezogen, vor allem in Hinblick
auf das Zusammenleben von organischen und künstlichen Lebensformen. Dejaren
beschreibt, dass er nie den Lagerraum – seinen Arbeitsplatz – verlassen durfte und
beneidet den Doktor um seine Bewegungsfreiheit. Das Hologramm behauptet, die
130
restliche Crew seines Schiffes sei an einer Virusinfektion gestorben. Dies stellt sich
jedoch als Lüge heraus, als B’Elanna die blutverschmierten Leichen im unteren Teil des
Raumschiffes entdeckt und Dejaran daraufhin auch versucht, B’Elanna zu töten. Seine
Feindseligkeit gegenüber organischem Leben kommt während einer Unterhaltung mit
B’Elanna deutlich zum Vorschein: „You think that you are the height of intellect in the
universe, but you are no better than any filthy animal and I am ashamed to be made in
your image.“ (21:12) Dejaren begreift sich als die höher entwickelte Lebensform: „[W]e
don’t need nourishment, we don’t suffer disease. We are the higher form of life.“
(31:29) Der Doktor fühlt sich als akzeptiertes Crewmitglied, erkennt jedoch in der
Gegenwart Dejarens die Einschränkung seiner Existenz: „[W]e’re still projections of
energy and light. We have limitations.“ (31:23)
Nach der Begegnung mit dem gewalttätigen und hasserfüllten Dejaren äußert
sich B’Elanna positiv über das Verhalten und die Fortschritte in der Persönlichkeitsentwicklung des Doktors. In der Episode wird suggeriert, dass der Doktor die ‚bessere‘
künstliche Intelligenz ist, weil er gefördert und ‚gut‘ behandelt wird.196 Dejarens unethisches Verhalten resultiert nicht aus einem Programmierfehler, sondern daraus, dass
er trotz seines hochentwickelten Programms durch seinen begrenzten Lebensraum in
seiner Entwicklung zurückgehalten wurde. Anknüpfend an die Anlage-Umwelt-Debatte
wird verdeutlicht, dass sich eine gefestigte Persönlichkeit mit moralisch korrektem
Verhalten nur in einer ‚passenden‘ Umgebung entwickeln kann. Ebenso wird hier
angedeutet, dass Gewährung von Autonomie für künstliche Intelligenzen die Bildung
einer eigenen Identität fördert. Dejaren durfte weder selbstständig denken noch handeln,
noch durfte er sich frei bewegen, was zur Missbildung seiner Persönlichkeit führte. Dem
Doktor hingegen wird die Möglichkeit gegeben, sich Privilegien zu ‚erarbeiten‘, indem
er seine Persönlichkeit mit Hilfe von Subroutinen erweitert und durch zwischenmenschliche Interaktion mit den Crew-Mitgliedern ‚lernt‘.
Wie diese Darstellungen zeigen, wird ethisches Verhalten in Korrelation zu der
Ausbildung von Individualität gesetzt. Das Recht auf individuelles, unabhängiges
Agieren beinhaltet die Übernahme von Pflichten, darunter humanes, bzw. ethisches
Verhalten. Auf dieser Grundlage ist auch eine Untersuchung der Bestrebungen einzelner
Borg nach Individualität von Interesse. Die Borg bilden aufgrund ihrer organischtechnischen Symbiose eine Sonderform von künstlicher Intelligenz. Die Mensch196
In den vorhergehenden Staffeln gibt es mehrere Situation, in denen er sich beschwert, nicht gleichberechtigt behandelt zu werden. Ein erster Schritt in die Autonomie für ihn ist, dass er sich selbst an- und
ausschalten kann (vgl. „Eye of the Needle“ 1/7).
131
Maschine wird in verschiedenen Zeitschriftenartikeln als Alptraum der Menschheit
unter dem Begriff ‚Cyborgisierung‘ dargestellt (vgl. S. 97). Die Technologie, die von
den Borg zur Assimilierung anderer Spezies genutzt wird, kommt aus dem Bereich der
Nanotechnologie. Sogenannte Nanosonden, mikroskopisch kleine Roboter, die den Borg
durch die Adern fließen, repräsentieren den Verlust von selbstbestimmter Individualität,
Identität und Menschlichkeit und somit auch von ethischem Handeln.197 Im Folgenden
werden drei Episoden exemplarisch herangezogen, die markant das ethische Verhalten
des Borgkollektivs und das Verhalten vom Kollektiv getrennter Borgdrohnen einander
gegenüberstellt.198
In der Episode „Drone“ (5/02; Erstaustrahlung 21.10.1998) wird eine Borgdrohne außerhalb des Kollektivs geschaffen. Wie bereits bei Tuvix verursacht hier eine
Störung beim Beamen, dass Sevens Nanosonden den mobilen Emitter des Doktors
‚infizieren‘. Der dadurch entstehende ‚technologische Hybrid‘ assimiliert daraufhin eine
Computerkonsole im Wissenschaftslabor und greift einen Fähnrich an, dem er DNA
entnimmt. Aus diesen ‚Einzelteilen‘ kreiert die Technologie einen futuristischen ‚Superborg‘.199 Die Verschmelzung von Nanosonden und mobilem Emitter steht für den
Zeugungsakt zur Erschaffung neuer Technologie. Diese Technologie erbaut sich daraufhin eine Reifungskammer, einen weiterentwickelten Brutkasten, und nutzt die Information aus der DNA des Fähnrichs, um einen Fötus zu ‚erschaffen‘. Dieser wächst in
nur einem Tag zu einem erwachsenen Cyborg heran, der bis zu einem Drittel aus Borgimplantaten besteht und dessen Körper ein Klon des Fähnrich ist.
Obwohl ungewiss ist, wie der ‚Superborg‘ sich verhalten wird, sind es Janeways
Forscherdrang und Neugier, die sie daran hindern, das neue Leben zu vernichten, denn
im Anfangsstadium hätte sie die Möglichkeit gehabt, die Reifungskammer abzuschalten.
Seven erklärt, dass neue Borg nach Verlassen der Reifungskammer ihre Designation und
somit ihre ‚Bestimmung‘ erhalten, woraufhin Janeway folgende Idee hat: „If we can
keep him from interfacing with the collective, maybe we can give him a purpose. […]
We could teach him our values, Seven, we could show him what it means to be an
individual.“ (16:00) Seven erachtet diesen Vorschlag als leichtsinnig und weist auf die
197
198
199
Dennoch kann die Technologie auch für positive Zwecke genutzt werden, z.B. kann Neelix’ Leben
durch die Nanosonden gerettet werden (vgl. „Mortal Coil“, 4/12). Die Thematisierung von Nanotechnologie in Star Trek verdeutlicht somit die Antizipation von öffentlichen Kontroversen, die aber
tatsächlich erst zu Beginn des neuen Millenniums einsetzen (vgl. Abb. Nr. 3 im Anhang S. 234).
Individualität ehemaliger Borgdrohnen wird ebenfalls thematisiert in den Episoden „Unity“ (3/17) und
„Survival Instinct“ (6/02).
Gefahren durch Roboter, die sich selbst replizieren, werden auch in den ausgewerteten Zeitschriften
diskutiert vgl. S. 98.
132
Gefahr hin, dass die Borg mit der neuen, hochentwickelten Drohne noch viel mächtiger
werden könnten. Janeway jedoch sieht darin eine Chance, die Borg zu bekämpfen. Die
Ausbildung von Individualität soll verhindern, dass der neue Borg sich dem Kollektiv
anschließt: „What I’m proposing is the only defence we have against that possibility,
short of murder, and that’s an order I’d prefer not to give.“ (16:30) Janeway führt als
Beispiel Sevens erfolgreiche Resozialisierung an, worauf diese beordert wird, den neuen
Borg zu sozialisieren und ihn Individualität, Ethik und Moral zu lehren. Auch andere
Crewmitglieder äußern, ähnlich wie Seven, ihre Besorgnis, wie zum Beispiel B’Elanna.
Neelix widerspricht ihr jedoch: „It will become what we help it to become“, woraufhin
B’Elanna trocken antwortet: „How starfleet of you.“ (20:20) Hier wird erneut der
humanistische Gedanke des Star Trek-Universums evident, dass Anlagen nur bedingt für
die Konstitution des Individuums verantwortlich sind und die Umwelt ein Individuum
sozialisiert. Der ironische Unterton von B’Elanna nimmt allerdings eine Wertung des
Gedankens vor: Der in Star Trek vertretene Humanismus ist ethisch wünschenswert,
jedoch nicht immer zwangsläufig die beste Handlungsweise.
Der Erfolg von Sevens Unterweisung manifestiert sich in der Namenswahl der
Drohne. Neelix unterstützt ihn in dem Wunsch nach einer ‚Designation‘: „You should
choose a name for yourself. Something that defines who you are. After all there’s only
one of you.“ (24:35). Darauf wählt der Borg den sprechenden Namen ‚One‘. Dies
entspricht zwar dem Prinzip einer Borgdesignation durch Nummerierung, hebt allerdings auch prominent seine Einzigartigkeit hervor. Wie jedes Individuum will auch One
mehr über seine Herkunft, seine ‚Anlage‘ wissen. Der Doktor erzählt ihm von dem
Transporterunfall, woraufhin One beunruhigt reagiert:
One: I was an accident.
Doktor: Call it a random convergence of technologies.
One: Am I unwelcome here?
Doktor: On the contrary. Our primary mission is to explore new forms of life. (25:58)
Allerdings stellt dies One nicht zufrieden. Er möchte mehr über die Borg wissen, vor
allem möchte er das Kollektiv-Bewusstsein erfahren, wovor er allerdings gewarnt wird:
Janeway: The Borg will destroy your individuality.
One: And that is … undesirable?
Janeway: Very. The Borg are the most destructive force we’ve ever encountered. They’ve
assimilated billions of individuals against their will. (34:00)
133
Kurz darauf greifen die Borg die Voyager an. One, durch die Technologie der Nanosonden mit dem Kollektiv verbunden, muss den Stimmen und dem Drang, zum
Kollektiv gehören zu wollen, widerstehen. Seven erinnert ihn an seine Loyalitäten: „We
must resist that voice. The crew of Voyager will be destroyed if we don’t.“ (37:32)
Aufgrund seiner den Borg überlegenen Technologie und vor allem seines durch Seven
erlernten ethischen Verhaltens rettet er die Voyager vor den Borg, wird dabei aber
schwer verletzt. Er verweigert jegliche medizinische Hilfe: „As long as I exist, you are
in danger. All life on Voyager is in danger.“ (41:20) Die Borg würden nicht ruhen, bis
One in das Kollektiv integriert worden wäre. Somit opfert sich One zum Wohle der
Voyager-Gemeinschaft und beweist damit ein hohes individuelles und ethisches
Verhalten.
In der Doppelfolge „Dark Frontier“ (5/15, 5/16; Erstausstrahlung 17.02.1999)
wird Sevens re-etablierte Individualität als wertvolle Ergänzung für das Borg-Kollektiv
angesehen. Die Voyager entdeckt ein beschädigtes Borg-Schiff und die Crew entwickelt
den Plan, dessen Transwarpspule zu stehlen. Diese Spule würde eine schnellere Geschwindigkeit ermöglichen als die Voyager maximal erreichen kann und das erfolgreiche Einbauen der Spule würde die Reisezeit zurück zur Erde erheblich verkürzen.
Seven wird indessen vom Kollektiv über ein Interface kontaktiert und zur Rückkehr
aufgefordert. Sollte Seven sich weigern, wird der Plan der Crew, von dem die Borg
Kenntnis haben, scheitern und alle an Bord der Voyager werden assimiliert. Seven ist
daraufhin sehr verstört, was den anderen nicht verborgen bleibt. Janeway will sie sogar
von der Mission abziehen, woraufhin Seven plädiert, dass ihr nichts wichtiger sei als die
Voyager-Crew und dass die Mission ohne sie scheitern würde. Die Mission gelingt,
Seven jedoch wird auf dem Borg-Schiff gefangen genommen und zur Borg-Königin200
gebracht. Hier stellt sich heraus, dass Sevens Resozialisierung auf der Voyager geplant
war. Die Königin fragt erstaunt: „You believe that Voyager liberated you from the
collective. Did you really think we would surrender you so easily?“ (44:05) Seven
befürchtet erneut assimiliert zu werden, die Königin verneint dies jedoch: „You’re much
too valuable to us with your individuality intact. But you’ve left humanity behind. Try
to abandon their petty emotions as well.“ (51:11) Sevens Individualität ist insofern für
die Borg von Bedeutung, als diese verstehen wollen, worin sich der Widerstand der
Menschen gegen die Assimilierung begründet, wie die Borg-Königin erklärt:
200
Die Borg-Königin ist kein ‚Individuum‘, sondern die Personifikation des Kollektivs, sie ist das
Sprachrohr und das zentrale Verbindungsglied, bei dem alle Schaltkreise zusammenlaufen. Den Titel
‚Königin‘ hat sie von den Menschen erhalten in Anlehnung an das Oberhaupt eines Bienenschwarms.
134
You’re going to help us assimilate humanity. We failed in our first attempt to assimilate
Earth, and we won’t succeed the next time unless we understand the nature of their
resistance. We want you to be our eyes. Let us see humanity. (51:45)
Seven wird kurz darauf gezwungen, bei der Assimilation eines Planeten zu helfen. Die
Borg-Königin ‚erinnert‘ sie an den angeblichen ‚Moment der Erlösung‘, wenn ein Borg
entsteht: „They’ve left their trivial, selfish lives and they’ve been reborn with a greater
purpose. We’ve delivered them from chaos into order.“ (1:04:33) Als die Borg-Königin
Sevens Resozialisierung auf Voyager kommentiert: „They’ve taken you apart and
they’ve recreated you in their own image. Hair, garments [Pause] but at the core you are
still mine.“ (43:06) Sie erkennt nicht, dass dies umgekehrt ebenso auf die von den Borg
assimilierten Spezies zutrifft: Sie erschaffen eine humanoide Spezies nach dem Vorbild
der Borg; allerdings bleiben die Assimilierten in ihrem Kern menschlich, auch wenn
dies im Kollektiv-Bewusstsein unterdrückt wird.
Seven empfindet die Praxis der Assimilierung als unethisch und hilft einer
kleinen Gruppe zu fliehen. Die Königin entdeckt das Schiff mit den Flüchtigen und
stellt Seven vor die Wahl: zerstören oder assimilieren. Seven jedoch plädiert dafür, die
Gruppe frei zu lassen und die Königin lässt das Shuttle tatsächlich ziehen. Der Grund
für dieses Einlenken war jedoch nicht Mitgefühl von Seiten der Königin, sondern
vielmehr das Kalkül, Seven auf ihre Seite zu ziehen. Dies gelingt jedoch nur bedingt,
denn als Seven die Aufgabe erteilt wird, einen Nanovirus zur graduellen Assimilierung
der Erde zu entwickeln, weigert sie sich.
Seven: I am an individual.
Borg-Königin: You’re only repeating their words. You sound like a mindless automaton.
(1:13:23)
Erneut wird hier die Haltung der Menschen gegenüber den Borg in den Worten der
Borg-Königin über die Menschen gespiegelt. Obwohl die Borg vom Konzept der
Individualität der Menschen fasziniert sind, ist Individualität im Kollektiv nur in dem
Maße erwünscht, in dem es für die Zwecke der Borg von Nutzen ist. Seven wird hier
zum Forschungsobjekt, dessen ethische Handlungs- und Denkweise jedoch für die Borg
ein Mysterium bleibt und als nicht erstrebenswert erachtet wird.
Bestrebungen nach Individualität von Borgdrohnen, die stets mit dem Satz „my
thoughts are my own“ in den entsprechenden Episoden ausgedrückt werden, thematisiert die Doppelfolge „Unimatrix Zero“ (6/26, 7/01; Erstausstrahlung 24.05./
04.10.2000). Hier wird der oben erwähnte, nach der Assimilerung verbleibende
135
‚menschliche Kern‘ einer Drohne betont: „They may have turned us into drones, but
they can’t change the essence of who we are.“ (Teil I, 14:16) Unimatrix Zero ist die
Designation einer abstrakten, virtuellen Welt, die nur in den Gedanken bzw. den
Träumen der Borgdrohnen exisitert. Borgdrohnen mit einer rezessiven Mutation, die
eine Vernetzung über eine Interlink-Frequenz ermöglicht, können sich hier während
ihrer Regenerationsphasen aufhalten. Die Drohnen existieren in dieser (Traum-)Welt in
der Erscheinung ihrer ursprünglichen Spezies, d.h. sie haben ein humanoides Äußeres
und tragen keine Borgimplantate. Zudem können sie eigenständig handeln, Beziehungen eingehen und Emotionen empfinden: „to try and regain a fragment of the lives
we lost when we were assimilated“ (Teil I, 14:18). An diesem eskapistischen
Zufluchtsort führen die Drohnen ein ‚normales‘ Leben, an das sie sich während ihrer
Wachphase allerdings nicht erinnern können. Die Borg-Königin hat die Frequenz bereits
isoliert, kann diese jedoch nicht ausschalten. Aus diesem Grund schickt sie nichtbetroffene Borgdrohnen in die imaginäre Welt, um die ‚Dissidenten‘ zu identifizieren.
Die Königin geht dabei letztlich so weit, dass sie ganze Borgschiffe vernichtet, wenn
auch nur ein einziger Borg der Crew Zugang zu Unimatrix Zero hat, denn jeder Funke
von Individualität wird als gefährlich für das Kollektiv erachtet.201 Captain Janeway
hingegen erfährt von Seven, die Zugang zu Unimatrix Zero hat, von den Plänen und
will die Bestrebungen nach Individualität unterstützen.
Die Borgdrohnen mit Verlinkung zu Unimatrix Zero haben einen Nanovirus
entwickelt, der die Signatur der Verbindungsfrequenz versteckt und somit das Auffinden
der betroffenen Drohnen verhindert. Janeway jedoch denkt einen Schritt weiter und
möchte im Borgkollektiv einen Virus einschleusen, der die Erinnerung an Unimtarix
Zero bei Erwachen aus der Regenerationsphase erhält: „[W]ith your memories intact,
you could begin to undermine the Borg’s control over you.“ (Teil I, 21:38) Dieser Coup
gelingt, und tausende Drohnen werden der Kontrolle durch das Kollektiv entzogen. Es
bildet sich eine Art Widerstandsbewegung, die aus Unimatrix Zero heraus koordiniert
wird. Als die Voyager aufgrund ihrer Involvierung in die Freiheitsbestrebungen unter
Beschuss gerät, eilt ein Borgschiff zu Hilfe, das von Dissidenten kontrolliert wird. Hier
wird wieder postuliert, dass Individualität zu ethischem Verhalten führt. Da die
201
Zur Nieden (2003, 109-115) diskutiert dies anhand von Episoden aus der Next Generation-Reihe: „I
Borg“ (5/23, 11.05.1992, Regie: Robert Lederman) handelt von einer auf der Enterprise resozialisierten Borgdrohne mit Namen Hugh, der ins Kollektiv zurückkehrt, woraufhin sein ins Kollektiv eingebrachtes Wissen um seine Individualität zu einer Krise führt, welche dann in den Folgen „Descent“
und „Descent, Part II“ (respektive 6/26, 21.06.1993 und 7/01, 20.09.1993, Regie: Alexander Singer)
aufgegriffen wird.
136
Voyager-Crew die Bestrebungen unterstützt, muss diese nun vor den Angriffen der
Borg-Königin geschützt werden. Unimatrix Zero jedoch muss zerstört werden, da die
Borg-Königin dadurch noch Zugang zu den betroffenen Borgdrohnen gehabt hätte.
Somit wird auch hier Individualität als hohes Gut erachtet, das geschützt werden muss.
Die betroffenen Borgdrohen sind sogar bereit, ihre Traumwelt für das höhere Ziel – der
Verbreitung von Individualität im Borgkollektiv – zu opfern und dafür auch zu sterben.
Über die Borg werden in der Voyager-Serie Ängste bezüglich des MenschMaschine-Verhältnisses artikuliert. Die Borg als Kollektiv verhalten sich unethisch,
nicht nur hinsichtlich ihrer Wissensakquirierung, sondern auch weil sie stets auf ihren
Vorteil und ihr Bestreben nach Perfektion bedacht sind. Dafür sind sie gewillt, alles zu
tun. Die Borg-Königin wird dabei als Individuum mit allmächtiger Kontrolle über das
Kollektiv dargestellt. Die Maschinisierung des Menschen bedeutet einen Verlust an
Humanität und Individualität, dem entgegengewirkt werden muss. Ängste vor einer
Technologie, die übermächtig wird und sich verselbstständigt, werden aber auch anhand
anderer Thematiken zum Ausdruck gebracht. Das Problem der Kontrolle künstlicher
Intelligenzen sowie das Verhältnis von Programmierer und Technologie wird prominent
in verschiedenen Episoden an Hand der Frankenstein-Analogie verhandelt: Die Kreatur,
i.e. die künstliche Intelligenz, wendet sich gegen den Schöpfer, i.e. den Ingenieur.
Die Episode „Prototype“ (2/13; Erstausstrahlung 15.01.1996) ist eine klassische
Robotergeschichte, mit Anklängen an Mary Shelleys Frankenstein. Die Voyager findet
einen im All schwebenden Roboter und bringt ihn an Bord. Tuvok warnt, dass nicht
abzuschätzen sei, welche Risiken dieser Kontakt birgt. B’Elanna jedoch antwortet
Tuvok: „we’ll have lost a chance to study a new technology“ (01:05). Der Roboter ist
aus Silber, sein Gesicht ist ein Abdruck im Metall, er hat keine Augen oder
Mundöffnung, seine Bewegungen sind leicht abgehackt und nicht ‚flüssig‘. Der Roboter
ist schwer beschädigt und benötigt ein neues Energiemodul, ohne das er nicht weiter
funktionsfähig ist. Da die Energiequelle, die das Modul betreibt, mit keinem Material an
Bord der Voyager kompatibel ist, entwickelt B’Elanna als Chefingenieurin des Schiffes
ein neues Energiemodul. Nachdem B’Elanna den Roboter wiederhergestellt hat, ist er
fähig zu kommunizieren. Er fragt B’Elanna, ob sie ein ‚Erbauer‘ ist (14:50), denn seine
humanoiden Erbauer sind während eines Krieges getötet worden. Die Roboter sind
seitdem sich selbst überlassen, haben aber gelernt, gegenseitig Reparaturen an ihren
Körpern vorzunehmen. Sie können replizieren was sie sehen, aber keine eigenständige
innovative Ingenieursleistung hervorbringen. Aus diesem Grund soll B’Elanna einen
137
Prototypen mit einem Energiemodul erschaffen, das die Roboter dann nachbauen
können. Dies weckt B’Elannas Forschungsdrang und sie bittet Janeway um Erlaubnis,
den Prototypen zu entwickeln: „It’s an incredible challenge, Captain.“ (16:12) Janeway
verbietet ihr jedoch die Einmischung, da dies gegen die Oberste Direktive verstößt: Die
Roboter würden durch den neuen Prototypen eine höhere Evolutionsstufe erreichen.
Janeway: What you’re talking about is giving them new abilities. Which is the equivalent
of altering their genetic structure.
B’Elanna: To correct a flaw.
Janeway: You can’t call it a flaw. This is the way they were designed.
B’Elanna: I’m trying to save them from extinction.
Janeway: Unfortunately, extinction is often the natural end of evolution.
B’Elanna: So you’re just willing to let their entire society die off?
Janeway: We don’t know that’s going to happen. If they’re adaptable as you say and
capable of educating themselves, they might very well learn to build a power module
themselves some day.
B’Elanna: Some day could be too late. (17:00)
Janeway macht ihren Standpunkt hier sehr deutlich, denn eine Einmischung könnte
ungeahnte Ausmaße für die Region haben: „Who are we to swoop in, play God, and
then continue on our way without the slightest consideration of the long-term effects of
our actions.“ (17:45) Auch wenn Janeway B’Elannas wissenschaftliche Neugier teilt,
beharrt sie dennoch darauf, das Anliegen des Roboters abzulehnen, woraufhin dieser
B’Elanna auf sein Raumschiff entführt, das die Voyager inzwischen kontaktiert hatte,
um den Roboter zu seiner Crew zurück zu bringen. Auf dem Schiff zwingen die Roboter
B’Elanna, den Prototyp zu bauen, ansonsten würden sie die Voyager zerstören, was sie
auch für den Fall androhen, dass B’Elanna an der Aufgabe scheitert. B’Elanna befindet
sich somit in einem Dilemma und muss, um die Voyager-Crew zu schützen, gegen die
Oberste Direktive verstoßen.
Als B’Elanna sich mit ihrer Aufgabe näher befasst, erkennt sie das Problem: Die
Roboter sind ‚Gefangene‘ ihrer Programmierung. Diese starre Verhaftung in der Programmierung wurde, wie sich am Ende herausstellt, von den Erbauern mit Absicht implementiert. Die Roboter wurden geschaffen, um im Krieg zu kämpfen und sie wurden
mit einem absoluten Willen zum Sieg programmiert, ebenso wie die Roboter, die die
Gegenseite geschaffen hat. Dies wurde ihren menschlichen Erbauern zum Verhängnis
als sie einen Waffenstillstand ausriefen, denn nun wendeten sich die Robotereinheiten
138
gegen die Erbauer und töteten sie. Seither kämpfen die Roboter der beiden Welten
weiter um den Sieg, wie es ihre Programmierung vorsieht. Ein neuer Prototyp würde
dabei einer Seite einen strategischen Vorteil verschaffen, denn diese könnte neue
Robotereinheiten herstellen, was zuvor an der mangelnden Fähigkeit, Neues zu
schaffen, gescheitert war. Als B’Elanna realisiert, dass die Erbauer ihren Robotern
absichtlich kreatives Denken verweigert haben, um nicht die Kontrolle über die Roboter
zu verlieren, ruft sie aus: „My God what have I done?“ (40:06) und zerstört den
Prototyp. B’Elanna realisiert in diesem Moment die Bedeutung der Obersten Direktive
und erkennt Janeways Weitsicht, den Bau des Prototyps nicht zu genehmigen.
Zurück auf der Voyager spricht Janeway B’Elanna, die vom Schiff der Roboter
gerettet werden konnte, ihr Mitgefühl aus, dass sie die von ihr erschaffene Kreatur töten
musste. Sie bestätigt aber auch, dass B’Elannas Zustimmung zum Bau des Prototyps
richtig war, um die Voyager-Crew zu retten. B’Elanna erinnert sich an den Moment, als
der Prototyp sie anblickte und ihre Erzählung gleicht der einer Mutter, die vom ersten
Anblick ihres Neugeborenen schwärmt: „I installed that module and the prototype
looked up at me and asked me for programming.“ (42:24) Jedoch kommt sie zu dem
Schluss, dass die Vernichtung des Prototyp richtig war: „It was necessary.“ (42:43)
B’Elanna hat ihre Lektion gelernt: Ihr Forscherdrang hat die Voyager-Crew in
Lebensgefahr gebracht.
Nur wenige Folgen später wird die Ingenieurin erneut mit den Folgen eines
unbedachten technischen Eingriffs konfrontiert: In „Dreadnought“ (2/17; Erstausstrahlung 12.02.1996) ist es eine intelligente Waffe, die zur Gefahr wird. Als sie noch
bei den Maquis gegen die Sternenflotte und die Kardassianer kämpfte, hat B’Elanna
eine Waffe der Kardassianer umprogrammiert. Diese sollte zu den Kardassianern
zurückgeschossen werden, verschwand aber spurlos und ist nun im Delta-Quadranten,
wo sie ein ‚neues‘ Ziel anvisiert, einen dicht besiedelten Planeten. Die Rakete mit
Namen ‚Dreadnought‘ ist auf technisch hohem Niveau, wie B’Elanna erklärt: „They
made this missile adaptable, evasive, armed with its own defensive weaponry. In other
words, unstoppable.“ (05:47) Es stellt sich heraus, dass B’Elanna die Waffe damals
eigenmächtig auf Mission geschickt hat, nun fühlt sie sich von ihrem Fehler verfolgt:
„[I]f anything happens here because of Dreadnought, [Pause] it’s my fault.“ (09:04) Sie
geht an Bord der Dreadnought und versucht zuerst, ein neues Ziel zu programmieren.
Der Computer erlaubt diesen Zugriff jedoch nicht. Die Rakete ist der Überzeugung, dass
sie sich im Alpha-Quadranten auf Kurs befindet. B’Elanna versucht daraufhin durch
139
logische Argumentation, Dreadnought über dessen Irrtum aufzuklären. Dies scheint zu
funktionieren, Dreadnought stoppt. Jedoch gehört auch dies zur von B’Elanna selbst
programmierten Taktik bei einem Manipulationsversuch. Sobald B’Elanna zurück auf
der Voyager ist, nimmt Dreadnought den Kurs wieder auf. In einer Art Mantra äußert
sich Dreadnoughts starre Verhaftung in der Programmierung: „This vessel is programmed to respond with all necessary force to prevent any disruption to its mission.“
(20:05) Aller Widerstand, den Dreadnought aufbringt, um den erfolgreichen Abschluss
der Mission zu sichern, wurde von B’Elanna selbst programmiert. Erst in letzter Minute
gelingt ihr unter Einsatz des eigenen Lebens die Abschaltung der Waffe. B’Elanna hat
die ethische Verantwortung für die Folgen ihrer unbedachten Programmierung der
intelligenten Waffe übernommen: Auch hier wird wieder eine Warnung vor unreflektiertem Umgang mit vermeintlich beherrschter Technologie ausgesprochen.
Dies steht im Kontrast zu einer scheinbar ähnlichen Situation in der Episode
„Warhead“ (5/25; Erstausstrahlung 19.05.1999). Die Voyager folgt einem Notruf und
findet eine gestrandete Rakete – eine künstliche Intelligenz mit bio-neuralem Schaltkreis. Diese denkt, dass sie ein Lebewesen mit Körper und Gefühlen sei. Sie kommuniziert mit dem Doktor, der für sie übersetzt: „It says it’s injured. It needs our help. It’s
asking why it can’t see, or feel its arms and legs. It’s terrified.“ (04:57) Der Doktor
plädiert dafür, die Intelligenz an Bord zu holen und sie zu reparieren: „Morality dictates
that we help. It may not be flesh and blood but it’s clearly in distress.“ (07:32) Er
entwickelt Sympathien für die ihm ähnliche künstliche Intelligenz und beruhigt diese
auch, als sie erfährt, dass sie nur Technologie ist: „Just because we’re not organic beings
doesn’t mean we’re in any way inferior.“ (10:00) Währenddessen wurde die Oberfläche
des Planeten gescannt und ein Einschlagkrater entdeckt. Eine weitere Rakete des
gleichen Typs ist dort eingeschlagen und detoniert. Die Strahlung um den Krater und
dessen Größe geben Aufschluss über den Bestimmungszweck: es handelt sich um eine
Massenvernichtungswaffe. Die Voyager-Crew hat hier abermals vorschnell und
unvorsichtig gehandelt, als sie die Technologie ohne größere Untersuchungen an Bord
transportiert hat. Das oben angeführte Plädoyer des Doktors „Morality dictates that we
help. [Etc.]“, wog stärker als die Mahnung zur Vorsicht durch Harry Kim „Not until we
know what we’re dealing with.“ (07:25) Aufgrund der Entdeckung, dass es sich um eine
Massenvernichtungswaffe handelt, votieren nun einige Crewmitglieder für deren
sofortige Zerstörung. Die Diskussion über das weitere Vorgehen wird im dialogischen
140
Prinzip der Serie geführt. Bei der Besprechung erweist sich der Doktor abermals als
Advokat der künstlichen Intelligenz:
Janeway: We have to neutralize the threat now. Suggestions?
Seven: Transport the device off the ship and destroy it before it harms anyone.
Doktor: Seven, this is a sentient being we’re talking about.
Seven: Very well, return it to the surface and deploy a warning buoy to alert other vessels.
Doktor: I refuse to believe our only options are to kill it or abandon it.
[...]
Seven: The device is extremely complex. One error and we’d risk detonation.
Doktor: Saving a life often entails risks.
Janeway: Harry, B’Elanna, assist the Doctor! […] At first sign of danger we transport it
off the ship. (11:30)
Wieder liegt die Entscheidungshoheit bei Captain Janeway. Das vom Doktor als ethisch
propagierte Verhalten, i.e. die Intelligenz nicht zu ‚töten‘, sondern ihr zu helfen,
resultiert in einer lebensbedrohlichen Situation für die Besatzung. Als versucht wird auf
das System zuzugreifen, löst die Waffe die Detonationssequenz aus. Bevor diese
ausgeschaltet werden kann, hat sich das Bewusstsein der Waffe in die Matrix des
holografischen Doktors transferiert und die Krankenstation mit Kraftfeldern vom Rest
des Schiffes isoliert. Hier zeigt sich, welche Maßnahmen auch diese künstliche
Intelligenz zur erfolgreichen Kompletierung der programmierten Mission ergreift.
Janeway weigert sich jedoch, den Forderungen der Waffe nachzukommen:
Janeway: We won’t help you wage war. This crew has a Prime Directive that forbids us
to interfere in the affairs of other species.
Warhead: You’ve already interfered.
Janway: We were trying to help you.
Warhead: Until you discovered my true nature, then you tried to deactivate me.
Janeway: Just your explosive components, not you.
Warhead: There’s no distinction. I am what I am. (17:17)
Ähnlich wie Dreadnought hat auch diese Waffe ein Mantra, das sie befolgt: „I am
programmed to take whatever measures are necessary to obtain my objective. Failing
that, I’m to consider anyone who tries to stop me an enemy.“ (17:27) Harry Kim
versucht argumentativ einzugreifen: „You don’t have to do this, you know. […] You’re a
sentient being, you don’t have to be a slave to your programming. Look at the Doctor.“
141
(20:00) Harry führt den Doktor, der sich weiterbildet und entwickelt, als Vorbild an. Das
einzige, was die Waffe jedoch beschäftigt, sind ihre durch den Missionsabbruch
zerstörten Speicherdaten. Harry und B’Elanna werden beordert, diese wiederherzustellen. Beim Sichten der Daten entdecken sie, dass der Waffe der Einschlag auf dem
Planeten befohlen wurde. Auch hier schlussfolgert die Intelligenz, dass der Feind den
Befehl in die Programmierung eingeschleust hat: „My own people wouldn’t try to stop
me. […] The enemy is ruthless. My target is a threat. Why would my people call off the
assault?“ (29:56) Als Beweis für diese Hypothese führt die Waffe an, dass der
Bestätigungs-Code fehle.
Harry und B’Elanna können jedoch erfolgreich auf die Waffe einwirken, den
Rest der Nachricht zu sichten. Dabei stellt sich heraus, dass der Krieg zwischen den
beiden Parteien bereits seit Jahren beendet ist. „My launch was a mistake. There was a
malfunction in one of the command sensors, it activated a series of launch sequences.
My people managed to shut most of them down, but 34 weapons were fired. Including
me.“ (30:54) Diese restlichen Raketen, die bisher scheinbar ziellos in der Galaxis
umherirrten, haben die Voyager geortet und befinden sich auf Abfangkurs, um die Waffe
an ihr Bestimmungsziel zu geleiten. Als diese die Herausgabe des „warheads“ verlangen, appelliert Harry erneut an die künstliche Intelligenz: „You’re a sentient being.
[…] You’ve been programmed with intelligence so you can make decisions on your
own. Well, it’s time to make one. Countless lives are at stake.“ (37:20) Im Gegensatz zu
Dreadnought gelingt es dem „warhead“, diesen neuen Parameter in seiner Kalkulation
zu berücksichtigen: „I am simply completing my mission. Only the target has changed.“
(39:35) Die Waffe detoniert zwischen den anderen Raketen, d.h. sie opfert sich selbst,
bevor das Ziel erreicht ist. Hier ist die künstliche Intelligenz tatsächlich so weit
ausgereift, dass sie eigenständig von der Programmierung unabhängige Entscheidungen
treffen kann und dadurch letztendlich ethisch handelt. Auch hier wird wieder der Doktor
als Vorbild hervorgehoben, als Harry später zu ihm sagt: „I held you up as an example
of how an artificial intelligence could exceed its programming. I didn’t realise how true
that was until today.“ (41:45)
Das Übel liegt bei den besprochenen Episoden jeweils in der Programmierung.
Die künstlichen Intelligenzen können selbstständig denken, die Situationen bewerten
und haben vollständige Kontrolle über ihr Programm. Weder Programmierer noch sonst
eine außenstehende Person kann in das einmal gestartete Programm eingreifen. Im
Gegensatz zu HAL aus Space Odyssey lassen sich diese künstlichen Intelligenzen
142
jedoch nicht einfach durch das Entfernen von Speichermodulen ausschalten (vgl. Clarke
1983, 157), sondern sie haben technisch ausgefeilte Abwehrmechanismen. Dass der
Mensch letztlich doch über die Maschine siegt, ist natürlich auch in den
Genrekonventionen verankert. Dennoch wird deutlich, dass in sich geschlossene
Programme eine Gefahr darstellen können und die Kontrolle zu jeder Zeit beim
Menschen liegen sollte, bzw. dass zumindest ein ‚Schlupfloch‘ in der Programmierung
vorhanden sein sollte, das eine Abschaltung ermöglicht. Die Frankenstein-Analogie
wird hier vor allem in „Prototype“ und „Dreadnought“ eingesetzt, um auf die Gefahren
aufmerksam zu machen. Nur die Programmierung des „warhead“ stellt eine erfolgreich
implementierte freie Entscheidungsfindung dar.
3. Fazit
In allen besprochenen Themenbereichen werden die Grauzonen ethischen Handelns
evident, die Charaktere werden ambivalent präsentiert, und es bleiben ethische Dilemmas bestehen. Die in Voyager dargestellten Wissenschaftler bilden die gesamte Spannbreite der etablierten Stereotype ab und dienen als Folie für das Verhalten der VoyagerCrew. Der Gebrauch von Stereotypen bietet hier vor allem die Möglichkeit indirekter
Charakterisierung und ermöglichen somit eine schnelle Dekodierung durch den
Zuschauer. Der Anschluss an einen zeitaktuellen, öffentlichen Diskurs verdeutlicht
dabei die Aktualität der Thematik.
Es ist diese zentrale Funktion als Bündler von Ängsten, als Erkunder der dunklen Seiten
von Wissenschaft und Wissenschaftlern, als Erinnerung an die Macht des Unbewussten
auch im Reich der Ratio, welche die Figur des Mad Scientist so langlebig macht.
(Frizzoni 2004, 37)
Ambivalente Wissenschaftlerfiguren wie Annorax und Jetrel heben dabei die Bedeutung
der Einhaltung von ethischen Grundsätzen hervor. Beide bringen Unglück über sich,
weil sie unethisch handeln. Eine ambivalente Figur ist auch das medizinische
Hologramm, das aufgrund seiner Programmierung zwar ethischen Prinzipien verhaftet
ist, dessen Matrix jedoch leicht manipuliert werden kann, wie bspw. in „Equinox“.
Dennoch wird sein Fehlverhalten meist positiv konnotiert und in Verbindung zu seinem
Streben nach Individualität gesetzt. Auch ethisch fragwürdiges Verhalten anderer
Mitglieder der Voyager-Crew wird nicht dezidiert verurteilt. In manchen Fällen wird
143
sogar eine Minderung der Schuldfähigkeit artikuliert, wie bspw. in „Lineage“. In
einigen Episoden bleiben ethische Dilemmas für den Zuschauer letztlich bestehen, wie
bspw. in „Nothing Human“ und „Tuvix“. Die Nicht-Auflösung kann dabei als Anreiz
für den Zuschauer dienen, über die Episode hinaus das Thema zu reflektieren.
Vielfach werden in den Voyager-Folgen Themen des öffentlichen Diskurses
aufgegriffen und spiegeln die zeitgenössischen Debatten in futuristischem Gewand. Bei
der Gentechnologie präsentiert Voyager das bereits Mögliche wie auch eine
extrapolierte Erweiterung des Möglichen. Im Themenbereich der künstlichen
Intelligenzen ist die Science Fiction der Forschung und dem öffentlichen Diskurs
voraus. Diskussionen um Rechte für künstliche Intelligenzen wie auch um die
Nanotechnologie treten vereinzelt erst zum und vermehrt nach dem Jahrtausendwechsel
auf. Der Forschungsdrang des Ingenieurs wird hier mittels der Frankenstein-Analogie
negativ konnotiert. Ihm obliegt die Verantwortung über die von ihm geschaffene
Technologie. Verstößt diese gegen ethische Prinzipien, liegt dies an der fehlerhaften
Programmierung durch den Ingenieur, wie in „Prototype“ und „Dreadnought“. Wahrhaft
intelligente ‚Kunstwesen‘ müssen aber scheinbar biologische ‚Komponenten‘ aufweisen, wie der bio-neurale Schaltkreis des „warhead“ und die Borg. In diesen Episoden
wird stets Individualität propagiert, und die Auffassung vertreten, dass nur ein geformtes Individuum tatsächlich ethisch handeln kann.
Wie die Diskurse in öffentlichen Medien, tendiert auch die Voyager-Serie dazu
negative Aspekte hervorzuheben. Mit ihrer Ausrichtung auf ethische Probleme kann
Star Trek: Voyager zum Nachdenken anregen. Die untersuchten Episoden spiegeln den
gängigen Wissenschaftsdiskurs und insbesondere Entwicklungen im Bereich der GNRTechnologien. Die Befürchtungen, die in den ausgewerteten Zeitschriftenartikeln artikuliert werden, finden durch ihre Verhandlung in der TV-Serie Eingang in die populäre
Unterhaltungskultur. Die Grundaussage ist, dass unsachgemäßer oder gar leichtfertiger
Umgang mit Forschung und Technologie großen Schaden anrichten kann, besonders
wenn diese in unwissende oder verantwortungslose Hände gelangt. Analog zur
ethischen Wertung von Wissenschaft, Forschung und Technologie werden auch andere
Wissensbereiche in ihren ethischen Implikationen aufbereitet. Besonders prägnant ist
dies in Star Trek: Voyager im Bereich des historischen Wissens.
144
IV. Geschichte als Entertainment und ethische Lektion
Nicht die Vermittlung historischer Atavismen,
sondern die Darstellung der Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen sind die Signatur der Moderne.
(Grütter 1994, 55)
Geschichtskulturen entstehen im Zusammenwirken von unterschiedlichen Geschichtsrepräsentationen in vielen Medien, so z.B. in persönlichen Erinnerungen wie
(Auto-)Biographien oder auch ‚offiziellen‘ Geschichtsdarstellungen, wie sie in der
Schule vermittelt werden. Für ein breites Publikum wird Geschichte heute jedoch vor
allem durch Medienprodukte wie Film und Fernsehen vermittelt. Im Fernsehen kann die
Repräsentation in speziellen Dokumentarformaten aber auch in fiktionalen TV-Filmen
und TV-Serien verbreitet werden. Solche Serien befassen sich oft nicht primär mit dem
Thema Geschichte, können aber trotzdem Geschichtsbilder kommentieren oder selbst
fortschreiben.202 Star Trek: Voyager beschäftigt sich in der Diskurskonfiguration
„Geschichte“ auf vielfältige Weise mit historischen Figuren und Themen sowie mit
Fragen des Umgangs mit Geschichte und steht damit ganz im Trend der Entstehungszeit
der Serie. Eine Tendenz, die sich bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts abzeichnete,
kulminierte in den 1990er Jahren: ein vermehrtes öffentliches Interesse an Diskursen
um Vergangenheit, an historischem Wissen und kollektivem Erinnern. Geschichte hat
für die moderne, sich immer schneller entwickelnde Gesellschaft an Bedeutung
gewonnen: Sie wird zelebriert, aber auch in ihren traumatischen Dimensionen erinnert;
sie erfüllt öffentliche wie individuelle Funktionen.
Wie nie zuvor ist Geschichte in den Alltag eingedrungen und scheint dabei verschiedenste
Bedürfnisse zu befriedigen: nach historischer Bildung und Unterhaltung, nach Entspannung und Zerstreuung, nach Identität und Orientierung, nach Abenteuer und
Exotismus, nach neuen Erfahrungen und Erlebniswelten oder auch nach einer Flucht aus
dem Alltag in eine Vergangenheit, die überschaubarer und weniger komplex erscheint als
die Gegenwart. (Korte/Paletschek 2009, 9)
Jay Winters Annahme eines ‚Erinnerungsbooms‘ im späten 20. Jahrhundert liegt darin
begründet, dass Vorstellungen von der Vergangenheit die Grundlage für ein Verständnis
der Gegenwart legen: „[T]he memory boom is a broad and eclectic set of signifying
202
Die Erfolgsserien The Tudors (2007-2010, Regierungszeit von Heinrich VIII), Mad Men (2007-2015,
1960er Jahre der USA), Pan Am (2011-2012, ebenfalls 1960er der USA) sowie Boardwalk Empire
(2010-2014, 1920er Jahre der USA) sind weitere Beispiele dafür, wie TV-Serien geschichtliche
Themen verarbeiten.
145
practices, ways of understanding the violent world in which we live and the past out of
which it has emerged.“ (2006, 8) Aleida Assmann konstatiert die „Anerkennung bestimmter Episoden der Vergangenheit als eine ethische Pflicht“ (2007, 26). Für Individuen
erfüllt Erinnerung unter anderem diffuse Bedürfnisse nach Ordnung und Sicherheit und
bildet ein identitätsstiftendes Merkmal. Mit öffentlicher Erinnerung kann auch
Identitätspolitik betrieben werden, wenn Vergangenheit explizit funktionalisiert wird.
State-sponsored commemoration is a politically sanctioned and politically funded rite of
remembering in public, adjusted to a publicly or politically approved narrative.
Remembering the Holocaust at this level is an extension of earlier twentieth-century
commemorative forms. It locates the narrative of war crimes and victimhood within the
framework of national catastrophe and rebirth. (Winter 2000, 71)
An dieser Stelle muss bereits zwischen der Funktionalisierung von Geschichte für das
Individuum und für die Gemeinschaft differenziert werden – der Mikro- und
Makroebene der Diskurskonfiguration „Geschichte“. Der Erinnerungsboom fokussiert
im engen Sinne das Individuum: „[O]nly individuals remember, though they may do so
alone or together, and any publicly available commemorative symbols are interpretable
only to the degree to which they elicit a reaction in some group of individuals.“ (Olick
1999, 338). Erinnerung ist somit immer (auch) ein aktiver Akt des Individuums, das für
seine Lebenswelt relevante Aspekte aus dem Erinnerungsdiskurs herausfiltert. Umgekehrt wirkt die Auswahl der Ereignisse und Praktiken des Individuums zurück auf den
öffentlichen Diskurs um Geschichte. Unter dem Geschichtsboom, der Teil der
Erinnerungskonjunktur ist, ist u.a. die Aufarbeitung der Vergangenheit von Gemeinschaft(en) zu verstehen.203 Geschichte, bzw. das Wissen über die Vergangenheit, kann
durch kollektive Erinnerung im Gedächtnis einer Gesellschaft gehalten werden. In
diesem Sinne wird das Wissen kollektiv in einem relevanten Gegenwartsbezug für die
Gemeinschaft funktionalisiert, hier werden auch Wissenspolitiken und Wissensregime
eingesetzt, um die Diskurskonfiguration zu stabilisieren und zu kontrollieren.204
Die Aktualität des Themas lässt sich gerade an den Verhandlungen von
Geschichte, Vergangenheit und Erinnerung in populären Medien festmachen, etwa zu
Anlässen wie Jahrestagen.205 Im ausgehenden 20. Jahrhundert war der 50. Jahrestag des
203
204
205
Vgl. dazu bspw. Korte/Paletschek (2009, 10f).
Zu Wissenspolitiken und Wissensregimen sowie zur Struktur von Diskurskonfigurationen vgl. S. 20f
dieser Studie.
Das aktuellste Beispiel für das Bedürfnis nach Kommemoration und die Ausweitung des Gedächtnisdiskurses in das Medium Internet ist die Verarbeitung von 9/11, das oft als das bisher einschneidenste Ereignis des neuen Jahrtausends bezeichnet wird (vgl. hierzu z.B. Meyer/Leggewie
2004). Die Studie von Uwe Meyer (2008) reflektiert die politisch-ideologische Verarbeitung des
Kalten Krieges bis hin zum war on terror in der Serie Star Trek: Enterprise (2001-2005).
146
Endes des Zweiten Weltkriegs ein entsprechend bedeutendes Datum, aber auch das
allmähliche Sterben der letzten Kriegsveteranen und Überlebenden des Holocaust
spielte in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle:
Old soldiers may just fade away, but old wars emphatically do not. Not, in particular,
during big anniversary years, when the chain that links past to present snaps taut – as it
has now, in anticipation of the 50th anniversary of the end of World War II. (Powell/
Sparkmann 1994, n.pag.)
In Zusammenhang mit Kommemorationen können oft ‚alte Wunden‘ aufgerissen
werden: In den USA ist der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki beispielsweise ein solcher Fall (vgl. ibid.) ebenso wie der Angriff auf Pearl Harbor.206 An bedeutenden Jahrestagen wird nicht nur der Opfer und/oder der Helden gedacht, sondern auch
oft das Für und Wider von Kriegen abgewogen. Zum Beispiel wird in der Ausgabe vom
24. Juli 1995 des Magazins Newsweek der Atombombenabwurf und dessen Sinn
diskutiert. Dabei werden beide Seiten beleuchtet, d.h. die Folgen für die USA wie auch
für Japan. Das Titelblatt zeigt das Foto einer Atomwolke, darüber in großen roten
Lettern „Why America Dropped the Bomb“. Das Time Magazine hingegen erinnerte
1995 nicht explizit an diesen Tag der Geschichte,207 sondern gedachte in den 1990er
Jahren dem 50. Jahrestag des Angriffs auf Pearl Harbor (7. Dezember 1941) in der
Ausgabe vom 2. Dezember 1991.208 Das Titelblatt zeigt ein zerstörtes Kriegsschiff im
Wolkenrauch, das Kleingedruckte erklärt, dass es sich dabei um „The sinking of the
U.S.S. Arizona“209 handelt und titelte in großen Lettern „Day of Infamy“. Die Ausgabe
enthält mehrere Artikel, die sich speziell mit Pearl Harbor und der Erinnerung an den
Angriff auseinandersetzen.
In diesen kommemorativen Zeitschriftenartikeln werden nicht nur Fakten von
Kriegsereignissen diskutiert, sondern auch, wie Veteranen, Kriegsopfer und Angehörige
206
207
208
209
Zu Pearl Harbor und nationalem Trauma vgl. Neal (2005, Kapitel 4).
Time hatte bereits in der Ausgabe vom 29. Juli 1985 den Atombombenabwurf diskutiert; das farbige
Titelblatt zeigt die Rauchwolke einer Explosion, die allerdings nur schwer als ein Atompilz identifiziert werden kann, und zitiert den Co-Piloten der Enola Gay, Robert Lewis, mit den Worten: „My
God, what have we done?“. Dieser Ausspruch von Lewis ist in der Newsweek-Ausgabe vom 24.07.
1995 die Überschrift eines Artikel in der Spezialsektion (vgl. „My God … What Have We Done?“
1995).
Newsweek veröffentlichte in der Ausgabe der Folgewoche (16. Dezember) ein Editorial, verfasst von
McGeorge Bundy, einem ehemaligen nationalen Sicherheitsberater, in dem der Angriff auf Pearl Harbor als positives Ereignis für die Zukunft gedeutet wird: „Looking back across decades in which Japan
and the United States have shared one of the most rewarding political and economic connections in
history, what we most need to remember about Pearl Harbor today is that this later history could never
have worked out so well without that terrible event“ (1991, 8).
Die U.S.S. Arizona ist eines von mehreren gesunkenen Kriegsschiffen in Pearl Harbor, das zu einem
Mahnmal umfunktioniert worden ist. Zum Mahnmal vgl. <http://www.nps.gov/valr/index.htm> (Zugriff 17.02.2015) sowie Rosenberg (2003, Kapitel 4).
147
mit ihren Erinnerungen leben. Dabei wird nicht nur geschildert, wie die Erinnerung im
privaten Raum stattfindet, sondern auch, wie eine Nation mit Erinnerungen von
einzelnen Gruppen umgeht und Opfer würdigt. Eine Spezialausgabe des Time Magazine
– das „Memorial Day Special“ –, die sich dezidiert mit diesem Thema auseinandersetzt,
erschien am 29. Mai 2000, zum ersten „Memorial Day“ des neuen Jahrtausends. Der
Leitartikel „How We Remember“ nutzt dabei die Eröffnung des Oklahoma City
National Memorial, das der Opfer des dortigen Terroranschlags vom 19. April 1995
gedenkt, um die Funktion von Denkmälern zu erörtern und beschreibt, wie diese sich im
Laufe der Zeit in ihrer Ausarbeitung verändert haben. Diese beiden Beispiele deuten
bereits an, dass populäre Medien Anlässe wie Jahres- oder Gedenktage nutzen, um
‚Bilanz‘ über das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart zu ziehen – die 1990er
Jahre wiesen eine besondere Dichte solcher Tage auf.
Generell haben sich die populären Medien als bedeutendes Zirkulationsmedium
für Wissen über die Vergangenheit und deren Relevanz für die Gegenwart etabliert:
„Americans, alas, now absorb historical information less from books than from popular
entertainment.“ (Alter 1997, n.pag.) Dies stellt auch Astrid Erll fest:
Die Erinnerung an eine fundierende Vergangenheit und kollektive Sinnkonstruktionen
normativer und formativer Art sind offensichtlich gesamtgesellschaftlich mehr durch
populäre Zirkulationsmedien bestimmt als durch institutionell vermittelte
Speichermedien, die im Rahmen der Enkulturation, etwa in der Schule oder bei der
religiösen Unterweisung, aktualisiert werden. (2005, 158)
Auch Star Trek kann als ein solches ‚populäres Zirkulationsmedium‘ angesehen werden.
In Star Trek werden häufig, so Bernardi, Ereignisse aus der Geschichte als ethische
Folie für die Gegenwart und Mahnung für die Zukunft etabliert (vgl. 1998, 98). Geschichte wird demnach nicht nur als ‚Entertainment‘ in verschiedene Episoden
eingebaut, sondern wichtige Geschichts- und Erinnerungsdiskurse der 1990er Jahre
werden aufgriffen sowie Darstellung und Nutzen von Geschichte für die Gemeinschaft
und das Individuum verhandelt. Vor der Analyse der Serie stellen die Kapitel 1 und 2 als
Kontext zunächst Analysekategorien für Geschichtskultur, sprich dem Spezialdiskurs,
sowie Akzente des öffentlichen Geschichtsdiskurses zur Entstehungszeit der Serie vor.
148
1. Die Geschichts- und Erinnerungskonjunktur der 1990er Jahre
Der Begriff des memory boom wurde vor allem durch Jay Winter geprägt (vgl. dazu
Winter/Sivan, 1999 und Winter, 2000). Laut Winter herrschte vor dem Millenniumswechsel eine ‚Obsession‘ der Erinnerung, die auf vielfache, sich überschneidende zeitgenössische Trends und Entwicklungen zurückzuführen sei (vgl. 2000, 70). Bedeutende
Ereignisse, die als Epocheneinschnitte verstärkt Anlass zur Erinnerung boten, waren
etwa die Öffnung des Eisernen Vorhangs und der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989.
Dies sind diskursive Ereignisse im Sinne Kellers,210 die eine Veränderung der Diskursstruktur über Geschichte nach sich zogen. Für Astrid Erll sind die „Flut von Gedenkfeiern“ sowie „Gedächtnis-Kontroversen“ weitere Indikatoren für die Präsenz des „Gedächtnis-Themas“ (2005, 2).211 Dabei befriedigt der Geschichts- und Erinnerungsboom
u.a. zentrale Orientierungs- und Identitätsbedürfnisse (vgl. bspw. Meyen/Pfaff 2006).
1.1 Die identitätsstiftende Bedeutung von Geschichte
Für die Identitätsbildung sind kommemorative Anlässe, also Erinnerungsleistungen, die
Gruppenzugehörigkeit stiften, ein bedeutender Bestandteil. Aber auch Wissen um die
eigene Geschichte, also eine individuelle Aneignungsleistung, ist ein wichtiger Schritt
zur Identitätsfindung des Individuums.
Kulturelles Identitätswissen bleibt unentbehrlich für eine historische Selbstaufklärung,
die eigene Lebensfragen in historischer Tiefe zu deuten erlaubt und die Voraussetzungen
der eigenen Existenz bloßlegt. In diesem Sinne ist bewusste Teilhabe an kultureller
Überlieferung auch eine wichtige Voraussetzung für die Öffnung gegenüber anderen
Kulturen, da sich das Interesse für das Fremde mit der Reflexion über das Eigene vertieft.
(A. Assmann 2004a, 33)
Grütter merkt an, dass Vergangenheit dabei zum Konstrukt wird: Geschichte wird
„symbolisch auf den Kern der jeweilig intendierten Aussage [verdichtet]“, um den
„Orientierungsbedürfnissen“ der modernen Gesellschaft gerecht zu werden (1994, 55).
Der Orientierungsbedarf wächst u.a. durch die zunehmende berufliche Mobilität, aber
auch durch das Reiseverhalten (vgl. Meyen/Pfaff 2006, 102), da immer mehr Touristen
Museen und historische Stätten besuchen. In diesem Rahmen wurde Geschichte auch als
210
211
Vgl. S. 19 dieser Untersuchung.
Das Feld der Geschichts- und Erinnerungskonjunktur wurde in den letzten Jahren in der Kultur- und
Geschichtswissenschaft ausführlich bearbeitet. Astrid Erlls Monographie Kollektives Gedächtnis und
Erinnerungskulturen (2005) bietet einen ausführlichen Überblick über die Gedächtnisforschung und
ihre Strömungen.
149
Konsumgut ‚entdeckt‘. Laut Winter verdeutlicht die Vermarktung des Phänomens
Geschichte/Erinnerung in Museumsausstellungen, Fernsehsendungen und Computerspielen den ‚Durst‘ der Öffentlichkeit nach Erinnerungsartefakten (vgl. 2000, 86).212
Gemäß der Devise: „[h]istory sells“ (ibid., 79),213 hat sich eine regelrechte Industrie um
das Thema entwickelt, in der Geschichte nicht nur gezielt in Konsumgütern wie historischen Filmen und Büchern vermarktet wird, sondern auch in sogenannten heritageStätten.214
Identitäts- und Orientierungsbedürfnisse können individuell oder kollektiv sein,
bis hin zu einer expliziten, staatlich gesteuerten Erinnerungspolitik. Ein historisches
Ereignis kann dabei zu verschiedenen Zeiten entsprechend der Bedürfnisse und Lebensumstände des Individuums unterschiedlich interpretiert werden. Die Vergangenheit wird
an die Gegenwart angeschlossen und macht Geschichte dadurch relevant für die
Lebenswelt (vgl. Grütter 1994, 55). Geschichte zu Identitätszwecken wird von Meyen/
Pfaff als „Vergleichsobjekt“ für die eigenen Lebensumstände definiert: Mittels
fiktionaler und auch nicht-fiktionaler (bspw. dokumentarischer) Repräsentationen von
Geschichte „können wir uns mit Dingen auseinandersetzen, die uns schrecken, können
überlegen, wir wir uns selbst verhalten würden, und so zugleich eigene Anpassungsleistungen legitimieren“ (2006, 103). Für die Konstitution einer kollektiven Identität
sind diese Merkmale in gleichem Maße gültig. Die kollektive Identität
beruht auf der Teilhabe an einem gemeinsamen Wissen und einem gemeinsamen
Gedächtnis, die durch das Sprechen einer gemeinsamen Sprache oder allgemeiner
formuliert: die Verwendung eines gemeinsamen Symbolsystems vermittelt wird. (J.
Assmann 2000, 139)
Im Bereich der kollektiven Identitätskonstruktion kann durch die Art und Weise der
Selektion und Tradierung eines historischen Ereignisses gezielt Erinnerungspolitik
betrieben werden.215 Jay Winter führt hierfür als Beispiel die Situation in Frankreich
nach dem Zweiten Weltkrieg an. Hier wurden Narrative des Widerstands kultiviert, um
eine Stabilisierung der Nation zu erreichen. Erst später setzte man sich in Frankreich
auch mit den Nazi-Kollaborateuren und der Deportation auseinander (vgl. Winter 2000,
212
213
214
215
Vgl. S. 22 dieser Studie zu popularisiertem Wissen im Bezug auf gesellschaftliche Orientierungsbedürfnisse.
Vgl. dazu bspw. auch de Groot (2009) und Hardtwig/Schug (2009).
In den USA werden diese Stätten (vor allem Parks, sowie bspw. auch die Freiheitsstatue) durch den
National Park Service verwaltet vgl. dazu auch Kap. 2.1 unten.
Aleida Assman betont, dass gerade bei medial gestützten Gedächtnissen – Denkmälern, Museen,
Archiven etc. – Erinnerungsprozesse „auf kollektiver und institutioneller Ebene […] durch eine gezielte Erinnerungs- und Vergessenspolitik gesteuert [werden]“ (2009, 15).
150
76). Aber auch antagonistische Narrative können gebildet werden und zur Veränderung
von kollektiver Erinnerung führen. Ein Beispiel für eine solche Veränderung ergab sich
aus dem Fall des Eisernen Vorhangs, denn aufgrund nun zugänglicher Zeitdokumente
und Zeitzeugen, die bisherige Narrative in Frage stellten, musste der Erinnerungsdiskurs
auf beiden Seiten revidiert werden (vgl. ibid., sowie Grütter 1994, 45f). Jede Nation hat
dominante Vergangenheitsnarrative, die erwünscht und unterstützt werden. Dominante
Narrative können entstehen, wenn z.B. bestimmte Narrative in den populären Medien
zirkulieren.216 Wissen um die Geschichte kann in diesem Sinne genutzt werden, um eine
kollektive nationale Identität zu konstituieren: „A ‚common‘ identity is one sharing a set
of narratives about the past. Many of these take the form of bricks and mortar – fixed
cultural capital.“ (Winter 2000, 79)
Zu den globalen Veränderungen, die den Bedeutungsanstieg von Gedächtnis und
Erinnerung beeinflussen, zählt Erll z.B. gesellschaftliche Transformationsprozesse, wie
das Schwinden der Zweiten Weltkriegs-Generation (vgl. 2005, 3). Dies betrifft nicht nur
den Verlust von Zeitzeugen als Informationsquelle für Historiker, auch im Familienkreis
kann Geschichte durch das Erzählen von selbst Erlebtem zum verbindenden Element
zwischen Generationen werden: „[F]amily stories – are now imbedded in history,
fiction, exhibitions, museums, and pilgrimage, in all the stuff of ritual that deepen the
memory boom.“ (Winter 2000, 80)217 Neben nationalen Erinnerungsdiskursen können
sich auch regionale oder ethnische Narrative bilden, die im kleineren Kreis eine
kollektive Identität stiften (vgl. ibid., 73).218 Dekolonialisierung und Migrationsbewegungen verändern und vergrößern das Spektrum an Geschichtsversionen und
machen das Erinnern zu einem „hochgradig politische[n] Phänomen mit stark ethischen
Implikationen“ (Erll 2005, 3). Besonders der anglo-amerikanische Erinnerungsdiskurs
ist, laut Aleida Assmann, beeinflusst durch Bemühungen von Minoritäten:
Hier kam der Anstoß von verdrängten, unabgegoltenen, traumatischen Geschichtserfahrungen. Das Paradigma ist der Holocaust, in dessen Folge auch andere kollektive
Lebensgeschichten auf soziale Anerkennung drängen wie die ausgebeuteter Sklaven,
verdrängter Ureinwohner verschiedener Kontinente, sowie von Menschen, die durch
Kolonialisierung physisch unterdrückt und kulturell enteignet wurden. (2004b, 45f)
216
217
218
„[A]ccounts of the collective memory of any group or society are usually accounts of the memories of
some subset of the group, particularly of those with access to the means of cultural production or
whose opinions are more highly valued.“ (Olick 1999, 338f) Olick schlägt deshalb vor, von mehreren
kollektiven Gedächtnissen auszugehen, statt von einer großen Gedächtnisnarration (vgl. ibid., 339).
Vgl. hierzu auch Assmann (2006, 184) und Scholz (2008, 231).
Auch Olick unterscheidet zwischen dominantem Diskurs „official/public/historical memory“ und Nebendiskurs „vernacular/private/folk memory“ (1999, 339).
151
Kollektive Erinnerungsinszenierungen können dazu beitragen, Erinnerungsgemeinschaften vom Rande des dominanten Geschichtsdiskurses zentral miteinzubeziehen, was
sich laut Jay Winter in der Schreibweise der ‚Bindestrich-Nationalitäten‘ – JewishAmerican, African-American oder Asian-American – in den USA versinnbildlicht, „the
hyphen of identity is strengthened by commemoration“ (2000, 74).219 Gerade dieser
Aspekt der persönlichen und auch nationalen Identität im Zusammenhang mit historischem Wissen um die eigene Geschichte und der damit verbunden Kultur und
Gesellschaft soll in der späteren Voyager-Analyse näher untersucht werden.
1.2 Ausgewählte Ansätze der Gedächtnistheorie
In Weiterführung des Ansatzes von Maurice Halbwachs zum ‚kollektiven Gedächtnis‘220
haben Aleida und Jan Assmann eine grundlegende Unterscheidung von ‚kollektivem‘,
‚kommunikativem‘ und ‚kulturellem‘ Gedächtnis etabliert.221 Ein kollektives Gedächtnis
enthält Ereignisse, die durch „symbolische Aufwertung“ und „symbolische Repräsentationen und Riten“ zu einem „bleibenden Bezugspunkt [des] historischen Selbstverständnis“ einer Gruppe oder Gemeinschaft werden (A. Assmann 2004a, 5). Das Anschlusspotential durch Relevanz für die Lebenswelt ist hier besonders hoch. Das Wissen
um die historischen Ereignisse wird durch wiederholtes und regelmäßiges Erinnern im
Umlauf gehalten. Das kollektive Gedächtnis kann des Weiteren in kommunikatives und
kulturelles Gedächtnis unterschieden werden. Das kommunikative Gedächtnis ist
allgegenwärtig; es wird im Alltag tradiert, somit hat jeder in gleicher Weise an diesem
Gedächtnis teil und es gibt hier keine Spezialisten (vgl. J. Assmann 2000, 53). Zudem
weist es eine begrenzte Zeitstruktur von 80-100 Jahren auf und schließt somit eine
Zeitspanne von drei bis vier Generationen ein (vgl. ibid., 56). Es handelt sich also um
ein Generationengedächtnis, das auch im Kreis der Familie deren Geschichte weitergibt.
Im Gegensatz zur eher informellen Verbreitung des kommunikativen Gedächtnisses
wird das kulturelle Gedächtnis institutionalisiert und von ‚Spezialisten‘ – oder nach Jan
Assmann „Wissensbevollmächtigten“ – tradiert, die es pflegen und interpretieren (ibid.,
219
220
221
Vgl. hierzu auch Kammen (1991, 537).
Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Bereich der Wissenssoziologie (vgl. Knoblauch 2005, 303).
Eine Anbindung von Wissenskultur an das kollektive Gedächtnis diskutieren Fried/Kailer (2003, 11-13).
Jan Assmanns grundlegende Monographie hierzu erschien 1992 unter dem Titel Das kulturelle
Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. Zur Unterscheidung
zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis vgl. J. Assmann (2000, 50-56) sowie Erll
(2005; Kapitel II.4, 27-33).
152
53f).222 Dies deutet darauf hin, dass ein Ereignis in abstrahierter Form erinnert wird,
meist durch Symbole, die für ein bestimmtes Ereignis stehen (vgl. ibid., 52). Jan
Assmann listet als Merkmale des kulturellen Gedächtnisses: „gestiftet, hoher Grad an
Geformtheit, zeremonielle Kommunikation, Fest“ (ibid., 56). Bezugspunkte für das
‚kulturelle‘ Gedächtnis sind Artefakte und Erinnerungsorte (im Sinne Noras223), wie
Gebäude, Denkmäler, aber auch Kunstwerke. Der tradierte Inhalt des kulturellen Gedächtnisses sind gefestigte Vergangenheitsversionen und auch (nationale) Entstehungsmythen (vgl. ibid.).
Bei all diesen Aspekten ist von Bedeutung, dass das tradierte Wissen eine
Relevanz für die Lebenswelt des Individuums und ebenso für das Kollektiv der Gruppe
aufweisen muss (vgl. Echterhoff 2004, 79). Diese Bedeutung der Relevanz des historischen Ereignisses, das zur Sinnzuschreibung für die Lebenswelt genutzt wird, hat
Aleida Assmann in weiteren zentralen Begriffen der Gedächtnisforschung festgehalten.
Sie unterscheidet zwei Modi des kulturellen Gedächtnisses: das Speichergedächtnis und
das Funktionsgedächtnis.224
Der Modus des Speichergedächtnisses ist das schiere Aufheben, Konservieren und
Katalogisieren, der Modus des Funktionsgedächtnisses ist demgegenüber die Auswahl,
die Verengung und Wertzuschreibung, die Aneignung und Rückvermittlung an
individuelle Gedächtnisse durch Institutionen und Kanonisierung, Erziehung und Bildung
sowie öffentlicher Inszenierungen von Kultur. (A. Assmann 2004a, 24)
Der Unterschied zwischen Speicher und Funktion manifestiert sich in der Relevanz des
Artefakts für die gegenwärtige Lebenswelt (vgl. ibid.). Ein Artefakt ohne Funktionalität
für die Lebenswelt wird im günstigsten Fall als ‚historisches Dokument‘ archiviert.225
Dementsprechend sind es Institutionen, die Artefakte des Speichergedächtnisses
aufbewahren: „Archive, Bibliotheken und die Magazine von Museen“ (A. Assmann
222
223
224
225
Knoblauch spricht bezüglich des kommunikativen Gedächtnisses von einem sozialen „Kurzzeitgedächtnis“ und beim kulturellen Gedächtnis von einem sozialen „Langzeitgedächtnis“ (2005, 305).
Vgl. Pierre Noras vielzitierte Studie Les lieux de mémoire (1993).
Ausführlich diskutiert werden diese beiden Begriffe in Aleida Assmanns Monographie Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnis ([1999] 2000, 28f).
„Historische Dokumente sind materielle Überreste einer Gesellschaft, die als Zeugnisse einer bestimmten Vergangenheit gelesen werden, aber von den lebendigen Gedächtnissen der Gegenwart vollständig abgetrennt sind“ (A. Assmann 2004a, 24).
153
2004b, 49).226 Das Funktionsgedächtnis ist charakterisiert durch die Funktionalisierung
von Artefakten, wodurch Relevanz für die Lebenswelt etabliert wird.
Was im Funktionsgedächtnis einer Gesellschaft gespeichert wird, hat Anspruch auf immer
neue Aufführung, Ausstellung, Lektüre, Deutung, Auseinandersetzung. Solche beständige
Pflege und Auseinandersetzung führt dazu, dass bestimmte kulturelle Artefakte nicht
gänzlich verstummen, sondern über Generationen hinweg immer wieder neu aufgenommen werden können. (A. Assmann 2004a, 25)
Das Wissen innerhalb des Funktionsgedächtnisses zirkuliert also breit in der Öffentlichkeit und bleibt dazu über lange Zeit gültig. Die Zirkulation der Inhalte des Funktionsgedächtnis übernehmen „Erziehungs- und Bildungsorte wie Familien und Schule,
aber auch Theater, Konzertsaal und die Ausstellungsräume von Museen, sowie Denkmäler und Jahrestage.“ (A. Assmann 2004b, 49) Die Bedeutung einer regen Zirkulation
beschreibt Echterhoff:
Rezipienten [müssen] die entsprechenden Informationen nicht nur oberflächlich aufnehmen, sondern tief enkodieren und vielfältig an bestehendes Wissen anknüpfen, um
ihnen eine Bedeutung zu verleihen und sie bei verschiedenen Anlässen abrufen zu
können. [...] Auf externer, also etwa gesellschaftlicher Seite muss dafür gesorgt werden,
dass Abruf- bzw. Erinnerungsanlässe auch vielfältig und häufig präsent sind,
beispielsweise in der Form von Denkmälern, Gedenkfeiern oder auch öffentlichen
Erinnerungsdebatten. (2004, 81)
Je regelmäßiger eines historischen Ereignisses gedacht wird, desto bedeutsamer ist es
für die Gruppe bzw. die Gesellschaft. Ein solches Ereignis kann somit ein wichtiger
Bestandteil der kollektiven Identität einer Gruppe sein. Zeitzeugen können in diesem
Sinne als die Personifikation des historischen Ereignisses und auch als Bindeglied von
Vergangenheit und Gegenwart erachtet werden.
1.3 Zeitzeugen und ihre mahnende Funktion
Die Relevanz des Funktionsgedächtnisses für die Gegenwart ist dort besonders
offensichtlich, wo für die Aktualisierung an ein kommunikatives Gedächtnis – in diesem
Fall die Erinnerung von Zeitzeugen – angeschlossen werden kann. Es ist daher nicht
überraschend, dass der Erinnerungs-/Geschichtsboom der letzten Jahrzehnte durch ein
226
Die ansteigende „Speicherkapazität der Kultur“ mittels der fortschreitenden Technologisierung der
Gesellschaft zählt Assmann als weiteren Eckpunkt des Gedächtnisdiskurses (vgl. 2004a, 13). Zur
Beschaffenheit und schnellen Überholung der technischen Datenspeicher und den daraus entstehenden
Problemen für das Speichergedächtnis (vgl. ibid., 13-15). Einen weiteren Einfluss der neuen Medien
und Archive auf das soziale Gedächtnis macht Elena Esposito (2002) aus. Die neuen Speicher
erlauben zu vergessen, ermöglichen aber Vergessenes leichter wieder zu erinnern.
154
starkes Bemühen um Zeitzeugen und oral history charakterisiert ist.227 Individuelles
Erinnern und somit die Aussagen von Zeitzeugen über ihre Erinnerungen an vergangen
Ereignisse gewannen einen neuen Stellenwert (vgl. A. Assmann 2006, 47). So werden
Aussagen von Zeitzeugen in Geschichtsdokumentationen und Museumsausstellungen
eingeflochten, ebenso werden sie bei Gedenkfeiern und Gedenkstätten, z.B. als
Sprecher, aktiv eingesetzt.228
Thus a new form of collective remembrance was born, that of the witness, understood in
both senses of the term. The witness was a survivor, a truth-teller, sworn under oath to tell
the whole truth, but he was also a visitor from another planet. (Winter 2006, 30)
Oft werden Zeitzeugenberichte als authentische Dokumente historischer Ereignisse
empfunden:229 Durch das Erzählen ihrer eigenen Geschichte, gerade weil diese eine
subjektive Erfahrung ist, liefern Augenzeugenberichte unterschiedliche Perspektiven des
gleichen Ereignisses und ermöglichen dadurch der Öffentlichkeit, die Berichte zu
vergleichen und sich selbst eine Meinung zu bilden (vgl. Meyen/Pfaff 2006, 105).
In der Zeitzeugenforschung hat sich im Zusammenhang mit der Erinnerung von
Gräueltaten der Begriff des ‚moralischen Zeugen‘ gebildet, dieser muss „beides
bezeugen, das Böse und das Leid, das es verursacht; eines von beiden allein genügt
nicht“ (Margalit 2000, 60).230 Auch Aleida Assmann hebt den moralischen Zeugen als
authentische Quelle für vergangenes Unrecht hervor, denn als Personifikation der
Gräueltat erbringt ihr Sein sowie ihr Zeugnis den Beweis für das Verbrechen (vgl. 2006,
91).231 Viele Zeitzeugen empfinden es dementsprechend auch als ihre Pflicht, von
vergangenen Ereignissen und besonders von Gräueltaten zu berichten und aufzuklären,
denn „Vergessen schützt die Täter und schwächt die Opfer“. Somit ist das Ablegen des
Zeugnisses über eine Gräueltat eine ethische Pflicht und auch eine „Form des nachträglichen Widerstands“ (ibid.).
Eine Institution, die sich der Sammlung von Zeitzeugenberichten zum Holocaust
verschrieben hat, in der diese archiviert und für jeden zugänglich gemacht werden, ist
227
228
229
230
231
Zur Figur des Zeugen vgl. bspw. A. Assmann (2006, 85-92), Margalit (2000, 59-88) oder auch
Wischermann (1996).
Zu Zeitzeugenaussagen in Geschichtssendungen vgl. z.B. Meyen/Pfaff (2006, 104). Wie Zeitzeugenberichte in Museumsausstellungen einbezogen werden können, um somit eine ‚Personalisierung‘ der
Erfahrung zu evozieren, wird auf S. 168f näher ausgeführt.
Vgl. dazu die Studie von Rosenzweig/Thelen (1997, 21), die zeigt, dass die Befragten Augenzeugenberichte als authentischste Quelle für ein historisches Ereignis empfanden. Vgl. dazu auch S. 161f.
Auch Jay Winter spricht von der moralischen Signifikanz von Zeitzeugenberichten (2006, 49f).
Dies wird immer wieder evident, wenn Holocaust-Opfer in ihrer Person und mit ihrem Zeugnis Holocaust-Leugnern entgegentreten müssen. Ebenso war es erst Ende der 1960er Jahre möglich, den
Zweiten Weltkrieg und die verübten Taten kritisch zu diskutieren. Dies war auch die Zeit, in der
überlebende Juden mit ihren Erinnerungen an die Öffentlichkeit gingen (vgl.Winter 2006, 27).
155
die Gedenkstätte cum Museum Yad Vashem in Jerusalem. Der Zugang zu Zeitzeugenberichten wird aufgrund der elektronischen Archivierung medial erleichtert und
dadurch für zukünftige Generationen nicht verloren.232 Elektronische Speicher haben
somit die Zeitzeugenforschung selbst verändert:
Since the 1960s and 1970s, audiovisual and now computer-based data banks can preserve
and protect the „voice‟ of the victims. Their stories can be captured, and through listening
to them or viewing them, we can come into contact with their lives and their tragedies.
(Winter 2000, 75)
Aufgrund dieser Aufbereitung von Erinnerungen in elektronischer Form wird auch
Massenmedien den Zugang zu diesem Wissen erleichtert. In Zusammenhang mit dem
gestiegenen Interesse der Öffentlichkeit an Geschichte begünstigt dies die breite
Zirkulation von Geschichtswissen in Massenmedien.
1.4 Mediale Zirkulation von Vergangenheitswissen in Massenmedien
Medien konstituieren die Welt, wie Krämer in Anlehnung an Niklas Luhmann
formuliert: „Alles was wir über die Welt sagen, erkennen und wissen können, das wird
mit Hilfe von Medien gesagt, erkannt und gewußt.“ (Krämer 1998, 73) Dies gilt auch
für das heutige Wissen über die Vergangenheit. Wie bereits erwähnt wurde, sprechen
Konsumgüter wie historische Filme und Fernsehsendungen eine breite Öffentlichkeit an
und sind dabei auch profitabel (vgl. dazu auch Erll/Wodianka 2008, 1f). Wenn ein Text
nun innerhalb einer Gemeinschaft zirkuliert, kann von einem ‚kollektiven Text‘
gesprochen werden, der breit mit allgemein bekanntem Wissen enkodiert ist.
Medien [müssen] als Vermittlungsinstanzen und Transformatoren zwischen individueller
und kollektiver Dimension des Erinnerns gedacht werden. So können persönliche
Erinnerungen erst durch mediale Repräsentation und Distribution zu kollektiver Relevanz
gelangen. (Erll 2005, 123)
Somit ist ein kollektiver Text ein „Vehikel der kollektiven medialen Konstruktion und
Vermittlung von Wirklichkeits- und Vergangenheitsversionen. Kollektive Texte erzeugen, perspektivieren und zirkulieren Inhalte des kollektiven Gedächtnisses“ (ibid.,
158).233 Dabei sind manche Texte, so Erll, zu bestimmten Zeiten von besonderer
Bedeutung und können dann wieder ‚verschwinden‘. Die aktive Verhandlung eines
232
233
In der Sammlung von Yad Vashem befinden sich u.a. Video-Interviews von mehr als 50.000
Holocaust-Überlebenden. Das Material ist in weiteren Museen zugänglich, wie bspw. dem Holocaust
Museum im Washington (vgl. Shapiro 1994, n.pag).
Zur Vermittlungsfunktion von Medien siehe Schmidt (1994, bes. 614-616) sowie Hall (1973). Erll
baut in ihrer Definition von kollektiven Texten auf diese beiden Texte auf.
156
Textes in der Gesellschaft zeugt demnach von direkter Relevanz für den jeweiligen
Zeitbezug und zeichnet einen kollektiven Text aus (vgl. ibid., 159f sowie Erll/Wodianka
2008, 7). Allgemein formuliert sind Medien bedeutende Stützen des Gedächtnisses einer
Kultur.
Die Konstitution und Zirkulation von Wissen und Versionen einer gemeinsamen
Vergangenheit in sozialen und kulturellen Kontexten […] werden überhaupt erst durch
Medien ermöglicht: durch Mündlichkeit und Schriftlichkeit als uralte Basismedien zur
Speicherung fundierender Mythen für nachfolgende Generationen, durch Buchdruck,
Radio, Fernsehen und Internet zur Transmission von Versionen gemeinschaftlicher
Vergangenheit in weiten Kreisen der Gesellschaft, schließlich durch symbolträchtige
Medien wie Denkmäler, als Anlässe des kollektiven, oft ritualisierten Erinnerns. (Erll
2005, 123)234
Erll unterscheidet dabei zwischen zwei Möglichkeiten der Gedächtnisbildung/reflexion: die Affirmation und die Revision von bestimmten Vergangenheitsversionen
(vgl. ibid., 165). Medien können in diesem Kontext „Speicherfunktion, Zirkulationsfunktion und Abruffunktion“ übernehmen (ibid., 137). Auch Aleida Assmann attributiert
den Massenmedien eine besondere Bedeutung für das kulturelle Gedächtnis: „Die
Massenmedien schaffen wichtige Impulse und Auslösereize für das kulturelle
Gedächtnis, ohne selbst eines zu produzieren.“ (2006, 242) Populären Texten kommt
also vor allem die Zirkulationsfunktion zu.
Allerdings muss bedacht werden, dass es sich bei den Medieninhalten um
Konstrukte handelt und diese unter Umständen zur Stützung von Machtdiskursen
beitragen können. „Medien sind keine neutralen Träger von vorgängigen, gedächtnisrelevanten Informationen. Was sie zu enkodieren scheinen – bestehende Wirklichkeitsund Vergangenheitsversionen, Werte und Normen, Identitätskonzepte – konstruieren sie
vielmals erst.“ (Erll 2004, 5) Dieser Aspekt ist im Hinblick auf die Wissensvermittlung
durch die Massenmedien von Bedeutung. Meyen/Pfaff erklären das Fernsehen hierbei
zum „Leitmedium unserer Tage“, das aufgrund seiner Vermittlungspraktiken für den
Rezipienten am attraktivsten ist: „Es unterhält besser als alle Alternativen und ist den
anderen Medienangeboten in Sachen Überblickswissen mindestens ebenbürtig.“ (2006,
105) Bei der Präsentation von historischem Wissen in Film- und Fernsehdokumentationen sind zwei Aspekte für die vorliegende Untersuchung von Interesse:
inwiefern können Medien Authentizität suggerieren, und können sie Vergangenheitsbilder beeinflussen? Arthur G. Neal weist darauf hin, dass Vergangenheitsrepräsentationen nicht zwangsläufig auf historische Genauigkeit abzielen, sondern oft der
234
Vgl. dazu bspw. Aleida Assmann (2004a, 24).
157
Reiz und der Unterhaltungswert der Repräsentation im Vordergrund stehen (vgl. 2005,
209f).235 Die Auswahl der präsentierten und erinnerten historischen Ereignisse in den
Massenmedien empfindet Grütter als willkürlich und kommt zu dem Schluss, dass das
enorme Interesse an Geschichte nicht mehr nur allein einem „Orientierungsbedürfnis“
geschuldet ist, sondern durch „unspezifische Freude und Neugier“ am vorhandenen
kulturellen Spektrum beeinflusst wird (1994, 49).236 Diese Fokusverlegung an
Geschichtsinteresse im Zusammenhang mit der Bedeutung für die eigene Lebenswelt
und Identität manifestiert sich für Grütter auch in
Buchtitel[n] wie „Geschichte entdecken“ oder Sendereihen wie „Die eigene Geschichte“.
[Diese] sind kennzeichnend für einen neuen Blick auf die Vergangenheit, in der weniger
die großen historisch-politischen Zusammenhänge, als die eigene biographische
Erfahrung und die Innenansicht der Geschichte, das subjektive Erleben der historischen
Ereignisse und Prozesse wichtig werden. (Ibid.)
Zudem zeigt die durch Globalisierung und Migration zugängliche Vielfalt an Geschichte
verschiedener Kulturen, dass es keine einheitliche, für alle geltende Geschichte, sprich
keine ‚große Erzählung‘ gibt.237 Die Geschichtswissenschaft, so Grütter, „beschreibt
immer weniger die sozialen und gesellschaftlichen Strukturen der Vergangenheit,
sondern deren kulturelle Manifestationen“ (ibid.).
In populären Geschichtsrepräsentationen, wie z.B. im Film, werden Rezipienten
vor allem mittels der Personalisierungsstrategie angesprochen.238 Hinzu kommt in
filmischen Darstellungen das Moment der Vergegenwärtigung:
Geschichte im Film [wird] […] präsentisch dargeboten, was den Eindruck des
Miterlebens noch verstärkt. [...] eine Besetzung mit bekannten Schauspielern und
Schauspielerinnen [kann] eine Identifikation mit den dargestellten Figuren ggf. noch
verstärk[en]. Geschichte wird personalisiert und emotionalisiert dargeboten, und die
nonverbale Gestaltung des Films, etwa die Musik, kann eine gefühlsmäßige Involvierung
der Zuschauer noch weiter steigern. (Korte/Paletschek 2009, 33)
Der Erfolg von filmischen Geschichtsrepräsentationen manifestiert sich auch in der
Zunahme der auf Geschichte spezialisierten TV-Sender in den USA.239 Dies zeigt, dass
235
236
237
238
239
Hier geht es also, wie bereits bei der Wissenschaftsdarstellung, primär um Plausibilität und nicht
zwangsläufig um Faktizität (vgl. S. 39 oben).
„Die Vergangenheit wird nicht mehr als Erklärung der Gegenwart und zur Gestaltung der Zukunft
herangezogen, sondern sie bietet nun das Formarsenal für eine buntere Welt, die ansonsten aber als
äußerst ernüchternd und perspektivenlos empfunden wird“ (Grütter 1994, 48).
Dies schlägt sich auch in der Geschichtsdarstellung und -vermittlung nieder. Grütter macht dies am
verändertem Aufbau und Fokus von Museumsausstellungen fest (vgl. 1994, 50).
Vgl. Kap. I.3.3 dieser Arbeit.
Im Jahr 1995 ging der History Channel auf Sendung. Bereits vier Jahre später wurde der Ableger
Military History Channel gegründet (31. März 1999). Dass die persönliche Familiengeschichte in
einer multikulturellen Gesellschaft für das Individuum immer mehr an Bedeutung gewinnt, zeigt z.B.
die Gründung des Biography Channel (1. Januar 1999).
158
ein beträchtlicher Markt für Geschichtswissen in den 1990er Jahren vorhanden war. Das
Modewort für das Heranziehen von Geschichte zu Unterhaltungszwecken in Fernsehsendungen ist Historytainment:
Inhaltlich wählen die Produzenten von ‚Historytainment‘ Stoffe danach aus, ob sich die
bereits bekannten Strategien der Personalisierung, Emotionalisierung und Dramatisierung
sowie das Kriterium der Darstellbarkeit in 45 bis 60 Minuten (maximal verdoppelt in der
Form eines Zweiteilers) darauf anwenden lassen. (Scholz 2008, 291)
Historytainment ist also Unterhaltung, die meist keine Um- oder Neudeutungen von
Geschichte anstrebt, sondern popularisiert aufbereitetes, gängiges Wissen präsentiert.
Im Genre der Science Fiction wird zur Geschichtstradierung zum einen die
Einbettung von Geschichtswissen und zum anderen Geschichte als Unterhaltung
eingesetzt. Erll/Wodianka messen Science Fiction-Texten dann eine erinnerungskulturelle Bedeutung bei, „wenn sie in einer Gemeinschaft als Repräsentation von
Herkunft, Identität und spezifischen Werten verstanden werden.“ (2008, 8) Hinsichtlich
ihrer Bedeutung für den Erinnerungsdiskurs müssen sie somit in einen größeren
gesellschaftlichen Kontext situiert werden. „[Sie] müssen aus einer generalisierenden, ahistorischen Betrachtungsweise herausgelöst und in Relation zu ganz bestimmten
erinnerungskulturellen Prozessen gesetzt werden.“ (Erll 2004, 18) Dieser zeitgenössische gesellschaftliche Diskurs wird für die Voyager-Serie im folgenden Kapitel
aufgearbeitet.
2. Spezifische Geschichts- und Erinnerungskontexte der Voyager-Serie
Presidential aides note that boomers
are into nostalgia and that editors
are suckers for anniversaries.
(McAllister 1997, n.pag.)
Die Voyager-Serie wurde in den 1990er Jahren einschließlich des Millenniumswechsels
produziert und ausgestrahlt. Diese Zeitspanne fällt in die Amtszeit von Präsident Bill
Clinton, den seine Mitarbeiter als „anniversary crazy“ bezeichneten (McAllister 1997,
n.pag.). Wie oben gezeigt, kann das Begehen historischer Ereignisse in großem Rahmen
in Zeiten von Unsicherheit und großen globalen Umwälzungen als verbindendes
Element einer Gesellschaft fungieren. Ein Sinn für Geschichte, so David Glassberg,
159
fördert einen Sinn für Heimat und konstitutiert somit Identität gerade in multiethnischen
Einwanderungsländern wie den USA:
Especially in a nation of immigrants on the move, where the pasts of one’s family and
one’s current place of residence seldom coincide, histories that reinforce our sense of
particular places, that help us to understand the succession of places in our past, remain
important anchors for personal and group identity. (2001, 208)
In den USA besteht die Tendenz, Kriege als identitätsstiftende historische Ereignisse zu
markieren. Dies wird auch in einer noch laufenden Ausstellung des National Museum of
American History in Washington evident: „The Price of Freedom: Americans at War“,
deren Intention auf der Startseite der Onlineversion folgendermaßen beschrieben wird:
„Americans have gone to war to win their independence, expand their national boundaries, define their freedoms, and defend their interests around the globe. This
exhibition examines how wars have shaped the nation’s history and transformed
American society.“ („Price of Freedom – Online“)240 Dabei bilden vor allem die
Amerikanische Revolution (1775-1783), der Bürgerkrieg (1861-1865) sowie der Zweite
Weltkrieg Eckpfeiler amerikanischer nationaler Identität.241 Die Amerikanische
Revolution stellt im amerikanischen Nationalnarrativ nicht nur einen Gründungsmythos
aufgrund der Ablösung von Europa dar, sondern ist das erste Ereignis, das eine Welle
von Erinnerungsartefakten hervorbrachte (vgl. Piehler 2004, 3). Im Amerikanischen
Bürgerkrieg erfuhr die Nation eine Spaltung, die von einigen noch heute als ‚nicht
geheilt‘ empfunden wird: „More than any other conflict in American history, the Civil
War arouses deep passions, and as long as racial divisions rend this society, it can be
expected to remain a vivid conflict for most Americans.“ (Ibid., 5) Der Civil War wird
als „the worst trauma in the country’s history“ (Hughes 1997, n.pag.), oder auch als
„most divisive and tragic experience“ (Blight 2001, 1) charakterisiert.242 Er war und ist
immer noch ein für die Nation definierendes Ereignis, das auch eine Flut von
240
241
242
Mehr Informationen zur Ausstellung unter dem Link <http://amhistory.si.edu/militaryhistory/> (Zugriff
17.02.2015). Die textuelle Beschreibung z.B. des Vietnam Krieges in der Onlineversion bleibt
allerdings relativ neutral und geht kaum auf die Anti-Kriegsbewegung ein und erwähnt bspw. auch
nicht das My Lai-Massaker (s.u.).
Vgl. Neal (2005, 21) und Piehler (2004, 3), zur Erinnerungskultur in den USA vgl. auch Hebel (2003).
Die immer noch große Bedeutung des Amerikanischen Bürgerkriegs für die USA kann auch am Erfolg
der Dokumentarserie The Civil War von Ken Burns festgemacht werden. Die Serie wird seit ihrer
Erstausstrahlung im Jahr 1990 regelmäßig wiederholt und auch für den Schulunterricht sowie
Universitätskurse herangezogen (vgl. Glassberg 2001, Kapitel 4).
160
Gedenkorten und -praktiken mit sich brachte.243 Ein positives Geschichtsnarrativ der
USA ist hingegen aus dem Erfolg der Alliierten über Nazi-Deutschland entstanden:
Der Zweite Weltkrieg besitzt aus amerikanischer Sicht das Potential einer außerordentlich
„guten“ Erzählung. Nicht zuletzt durch die positiven Erfahrungen der NachkriegsBoomzeit gilt er retrospektiv als historische Erfolgs- und Heilsgeschichte. (Scholz 2008,
22)
Durch zahlreiche Gedenkfeiern war der Zweite Weltkrieg „[i]m gesellschaftlichen
Gedächtnis der USA [...] seit 1990 lebendig wie nie zuvor“ (ibid., 295) und auch die
Medien griffen dieses historische Ereignis vielfach auf.
Im Jahr 1994 versuchten Roy Rosenzweig und David Thelen mit Hilfe einer
Umfrage zu klären, welche Bedeutung Geschichte bzw. ‚die Vergangenheit‘ für den
einzelnen US-Bürger hat, wie Geschichte angeeignet und sinnstiftend in die persönliche
Lebenswelt integriert wird.244 Die Auswertung ergab, dass die US-Bürger sich aktiv mit
der Vergangenheit auseinandersetzen (vgl. Rosenzweig/Thelen 1998, 18). Es zeigte sich
aber auch, dass für viele Befragte v.a. die Familiengeschichte dezidiert im Vordergrund
stand.245 (Wie sich später noch zeigen wird, spielt Familiengeschichte auch in der
Voyager-Serie eine wichtige Rolle.) Bei der Einordnung ihres Lebens in die Nationalgeschichte der USA erachteten die Befragten die Geschichte der Nation zwar als wichtig,
sahen für die eigene Lebensgestaltung die Familiengeschichte aber als bedeutender an
(vgl. ibid., 93 und 124). Vergangenes wird dabei genutzt, um Sinn für die persönliche
Gegenwart und Zukunft zu generieren: „They turned to the past to build relationships
and communities, to make themselves at home in the present tense. And they turned to
the past to envision tomorrow, to gather legacies they wanted to leave behind.“ (Ibid.,
63) Interessant ist ebenfalls, dass die Befragten sich durchaus bewusst waren, dass
bestimmte Geschichtsnarrative zu Zwecken von Identitätspolitik bevorzugt werden. Aus
diesem Grund empfanden die Befragten Augen-/Zeitzeugenberichte als eine
vertrauenswürdige Quelle (vgl. ibid., 90).246 Darstellungen in medialen Massenpro243
244
245
246
Nach dem Sieg der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg herrschte dort, so Gabor, sogar eine
wahre ‚Gedenkwut‘: „[I]n the aftermath of the war, scores of towns and cities throughout the North,
enjoying the fruits of victory and prosperity, rushed to erect sculptures that would commemorate their
local heros“ (Gabor 1997, n.pag.).
Für die Umfrage wurde nicht das Wort history benutzt sondern the past, da die Assoziation mit history
zu abstrakt erschien und zudem eng mit Bildungsinstitutionen assoziiert wurde (vgl. Rosenzweig/
Thelen 1998, 6).
Die beiden häufigsten Aktivitäten im Bezug auf die Beschäftigung mit Vergangenheit waren das
Betrachten von Fotografien mit der Familie oder Freunden (97%) und selbst fotografieren bzw. Videos
drehen, um eine Erinnerung zu fixieren (83%) (vgl. Rosenzweig/Thelen 1998, 19).
Als die vertrauenswürdigste Quelle wurden Museen angegeben, gefolgt von persönlichen Berichten
von den Großeltern oder anderen Verwandten und danach folgten Konversationen mit Augenzeugen
(vgl. Rosenzweig/Thelen 1998, 21). Aber auch mit letzteren setzten sich die Befragten kritisch ausein-
161
duktionen (darunter auch Dokumentationen) wurden als Entertainment abgetan, als
Vergangenheitsrepräsentation mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner (vgl. ibid., 98).
Die Konnektivität, die die Befragten mit der Familie oder einem Zeugen des Ereignisses
empfanden, war bei Produktionen von Massenmedien nicht gegeben: „Respondents felt
most unconnected to the past when they encountered it in books, movies, or classrooms.
They felt most connected when they encountered the past with people who mattered the
most to them.“ (Ibid., 21; meine Hervorhebung) Entsprechend empfanden die Befragten
Filme und TV-Programme am wenigsten vertrauenswürdig bezüglich der authentischen
Darstellung eines vergangenen Ereignisses (vgl. ibid.).
Die Beliebtheit von Filmen und Fernsehproduktionen über populäre historische
Ereignisse ist jedoch unbestreitbar. So waren in den 1990er Jahren Kinofilme mit
historischen Themen kommerziell wie auch bei den Oscar-Verleihungen sehr erfolgreich. Filme mit dem Zweiten Weltkrieg als thematischem Hintergrund waren u.a.
Schindler’s List (1993, Regie: Steven Spielberg; Oscar u.a. für Beste Regie und Bester
Film), The English Patient (1996, Regie: Anthony Minghella; insgesamt neun Oscar u.a.
für Beste Regie und Bester Film) oder Saving Private Ryan (1998, Regie: Steven
Spielberg; insgesamt fünf Oscars u.a. Beste Regie).247 Ein sehr erfolgreicher Film in den
1990er Jahren, der u.a. auch den Vietnamkrieg thematisierte, war Forrest Gump (1994,
Regie: Robert Zemeckis; insgesamt sechs Oscars u.a. Tom Hanks als Bester
Hauptdarsteller sowie Beste Regie und Bester Film).248 Gerade durch ihre weite
Verbreitung tragen solche populären Darstellungen zur Bildung und Tradierung von
Geschichtsbildern bei.
Diesen populären Geschichtsmedien steht die traditionellere Vermittlung von
Geschichte in Museen und Gedenkstätten gegenüber, die einen unmittelbaren Zugang
zur Geschichte suggerieren. Hier hat sich in den letzten Dekaden eine Veränderung
bezüglich der Präsentation vollzogen, die sich primär am neuen ‚Bedürfnis nach
Geschichte‘ orientiert. So wünschen sich die Besucher bspw. einen persönlichen Zugang
zu den präsentierten Artefakten und der vergangenen Zeit. Diese Veränderung von
247
248
ander, d.h. sie waren sich durchaus bewusst, dass manche in der Rückschau ihre eigene Rolle als
wichtiger darstellen oder diese ‚schönen‘ (vgl. ibid., 94f).
Als Grund für den Boom von Filmen über den Zweiten Weltkrieg und die Motivation für deren
Produzenten nennt Scholz „kommerzielle Interessen, das Verarbeiten eigener Erinnerungen bzw. die
Hommage an die (Generation der) eigenen Väter sowie die Assoziationen der eigenen Person mit dem
‚guten Krieg‘“ (2008, 220).
Die Internetseite Inside Kino listet Forrest Gump auf Platz 21 der „erfolgreichsten Filme aller Zeiten
in den USA“ (Stand 01.01.2012 vgl. „Inside Kino – Forrest Gumpp“; Zugriff 08.02.2012).
162
Geschichts(re)präsentation und dadurch entstandene Kontroversen sollen in den
folgenden Abschnitten betrachtet werden.
2.1 Geschichte erinnern – erleben – entdecken: Modi der Geschichtskultur
Geschichtsvermittlung durch Gedenkstätten und Museen ist ein integraler Bestandteil
des Kulturationsprozesses und dient zur Etablierung von Werten.
Memorials have always been useful to societies to establish and confirm common values,
to send messages to posterity about what is significant and worth preserving. Statues,
tombs, arches, pyramids, obelisks: all have stood for abstractions such as heroism,
sacrifice and valor. (Rosenblatt 2000, n.pag.)
Die Aneignung dieses Wissens ist allerdings nicht mehr der einzige Anspruch, den
Besucher heute haben. ‚Entertainment‘ ist zu einem wichtigen Faktor geworden, wie die
Besucherströme von historischen Freilichtmuseen oder Living History-Stätten erkennen
lassen. Aus ähnlichem Grund erfreuen sich Reenactments historischer Gefechtsszenen
oder anderer Ereignisse gerade in den USA großer Beliebtheit. In den Vereinigten
Staaten von Amerika gibt es viele Anlässe zur Kommemoration, welches nicht zuletzt
der multikulturellen Zusammensetzung einer Bevölkerung geschuldet ist, in der jede
Kultur ihre eigenen Feiertage begeht (vgl. bspw. Kammen 1995, 248). Auch dezidiert
‚amerikanische‘ Feiertage, die als Nation gefeiert werden, stehen prominent im
Kalender.249 Diese Feierlichkeiten werden, sofern möglich, an dem geschichtsträchtigen
Ort selbst begangen. Dies ist aber bspw. für Ereignisse des Zweiten Weltkriegs problematisch, da der Krieg außer dem Angriff auf Pearl Harbor in Europa und Asien ausgetragen wurde. Aus diesem Grund sind künstlich erzeugte Erinnerungsorte, wie
Denkmäler, von zentraler Bedeutung: „[T]he locus classicus of remembrance in the
interwar years and beyond are war memorials.“ (Winter 2006, 135) Kriegsdenkmäler
sind dabei nicht unbedingt national ausgerichtet, wie Winter erklärt, sondern tragen
oftmals ‚Lokalkolorit‘ und erinnern spezifisch an Opfer einer bestimmten Region oder
Gruppe (vgl. ibid., 139).
Andrea Gabor stellt für die USA eine Diskussionskultur über den Bau von
Denkmälern und Widmungen von Gedenkstätten fest.250 Ihr Smithsonian-Artikel „Even
249
250
Die US-amerikanische Nation hatte in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts mehrfach Grund zum
Feiern: Mitte der 1970er Jahre das Bicentennial der amerikanischen Revolution, 1986 wurde die Freiheitsstatue 100 Jahre alt, 1987 wurde die 200-jährige Existenz der Verfassung und 1989 die 200jährige Existenz der Bill of Rights zelebriert und 1992 konnte der fünfhundertjährigen Entdeckung des
amerikanischen Kontinents durch Columbus gedacht werden (vgl. Kammen 1995, 247).
Vgl. dazu auch Kohn (1995, 1061).
163
Our Most Beloved Monuments Had a Trial by Fire“ diskutiert die Kontroversen, die
regelmäßig bei Planungen und Errichtungen kommemorativer Monumente in der
amerikanischen Öffentlichkeit entstehen:
Controversy has been as integral to public art in the United States as bronze and marble.
[…] In fact, trial by fire has been almost a rite of passage for even America’s most
beloved monuments and memorials. […] One reason for this long history of acrimony is
that, in many respects, monument building runs against America’s democratic and
puritanical grain. (1997, n.pag.)
In den Diskussionen geht es stets um Werte und Identität, „the effort to build a national
monument in [George] Washington’s memory became ‚the most problematic undertaking in the campaign’ to develop a national identity“ (ibid.). Groß angelegte, aus Stein
gemeißelte Denkmäler sind mittlerweile nicht mehr die Norm. Rosenblatt vermutet,
dass dies mit einer Veränderung des Geschichtsverständnis zusammenhängen könnte:251
In the past, memorials in America, like those of prior civilizations, tended to be stonemade celebrations with simple purposes – to inspire, consecrate and glorify in the name
of national stability and grand prospects. History was portrayed as success. […] With the
recent changes […] comes a willingness to see history as a problem. (2000, n.pag.)252
Heute ist es vielen Bürgern wichtiger, ein Denkmal oder eine Gedenkstätte zu besuchen,
das an die ‚einfachen‘ Menschen erinnert und das allgemein verständlich ist. „Memorials are more democratic these days as well, created in the name of and for the uses
of ordinary people.“ (Ibid.) Als Beispiele für gelungene Gedenkstätten, die die Bevölkerung ansprechen und die massenhaft besucht werden, nennt Rosenblatt das Vietnam
Veterans Memorial und das United States Holocaust Memorial Museum in Washington
(s.u.).
Gabor bezeichnet das Vietnam Veterans Memorial als das „most passionately
contested monument“, trotzdem ist es eines der am zügigsten realisierten Projekte, denn
bei anderen Denkmälern wurde durch die Kontroversen der tatsächliche Bau hinausgezögert.
It was a vicious debate, an argument that seemed to unleash years of pent-up rage and
battling perceptions over the legacy of the Vietnam War. […] Today, the Vietnam
Veterans Memorial is the most visited monument in the country. According to Bert Kubli
251
252
Rosenblatt macht dies am Umgang mit der Erinnerung an den Amoklauf an der Columbine
Highschool fest: „Not long ago, Americans wanted to tear down evidence of mass horrors; the initial
thought with Columbine High School was to obliterate the school and start anew – America’s old,
insistent, forward-looking impulse. Now there are plans to create a permanent memorial in a park
alongside the school“ (2000, n.pag.).
Unter ‚recent changes‘ fasst Rosenblatt Terroranschläge wie z.B. in Oklahoma City oder auch den
Amoklauf in Columbine – Ereignisse, die US-Bürger unmittelbar betreffen und den Alltag stark beeinflussen können.
164
and other public-art experts, the memorial benefited from the debate that engulfed it. No
other monument in America, says Kubli, is so clearly „the end product of a long, exciting,
very democratic, and very American process.“ (Gabor 1997, n.pag.)
Auch Robert Hughes erachtet das Vietnam-Denkmal als „the one completely successful
U.S. Memorial in the past quarter-century“ (1997, n.pag.). Trotz seiner Schlichtheit –
eine Wand aus schwarzem Granit, in der die Namen der Toten eingraviert sind – erfreut
es sich großen Zuspruchs:
[I]t has proved to be the most respected, the most socially used war memorial in America,
where people come to leave flowers, kiss the names of the dead, make rubbings of the
names: an almost purely conceptual sculpture, transcending the bitterness over the most
divisive conflict in U.S. history since the Civil War, a century earlier. (Ibid.)
Ein Grund ist sicherlich, dass der Vietnamkrieg im kulturellen Gedächtnis der USA
besonders stark verankert ist, wenn auch als Trauma negativ konnotiert.253 Es scheint,
dass dieser im Sinne einer Trauma-Bewältigung als etwas nicht Abgeschlossenes
empfunden wird und ein befriedigender Abschluss noch aussteht. Ein Besuch des
Vietnam-Denkmals scheint für einige genau dies zu erfüllen: die Berührung der Wand
als heilende Wirkung für ein öffentliches Trauma.254
Das Erinnern an ein vergangenes Ereignis ist für spätere Generationen ein
abstrakter Vorgang. Eine Möglichkeit, Geschichte selbst zu ‚erleben‘ ist in themed
environments gegeben, die eine „imaginierte Identifikation“ mit einer historischen
Epoche oder einem Ereignis ermöglichen (Hochbruck/Schlehe 2010, 8). Zwei Formen
solchen Geschichtserlebens sind das Reenactment und der Besuch von Living HistoryStätten – etwa mit Bezug auf den Bürgerkrieg.255 Besucher möchten ihr Wissen über ein
geschichtliches Ereignis vertiefen (oder etwas ganz Neues entdecken), sie möchten
erleben, ‚wie es damals wirklich war‘. Beim Reenactment begibt sich das Individuum
quasi in die historische Situation und ‚erlebt‘ die damaligen Zustände erster Hand.
Dabei steht nicht die Vermittlung von Fakten im Vordergrund, sondern das hautnahe
253
254
255
Die meisten Studien befassen sich mit dem Trauma der Veteranen und dem Posttraumatischen StressSyndrom vgl. hierzu bspw. Egendorf (1985), Kulka (1990), Scurfield (2004) und Turner (2001). Zum
Vietnamkrieg im amerikanischen Gedächtnis allgemein siehe bspw. Hagopian (2009) sowie Neal
(2005, Kapitel 6).
Die Idee der ‚Heilung‘ wurde in der Erstellung einer Miniatur des Denkmals – signifikanterweise
bezeichnet als ‚The Wall That Heals‘ – im Jahre 1996 umgesetzt. Diese ist seitdem als Wanderausstellung in die USA unterwegs (vgl. „The Wall that Heals“). Ebenso wurde der Aspekt der Heilung in
eine Ausstellung des National Museum of American History integriert: „Personal Legacy: The
Healing of a Nation“ (1992-2003) stellte die von Besuchern des VVM hinterlassenen Memorabilia
aus, wie bpsw. gebrauchte Armeestiefel (vgl. Moser 1995 sowie „Combat Boots Left at the VVM“).
Vgl. Hochbruck (1996, 93).
165
selbst Erfahren wie es gewesen sein könnte.256 Hochbruck/Schlehe betonen, dass das
Reenactment zu einem Simulacrum des tatsächlichen historischen Ereignisses wird:
[T]he reenactment turns the original event that is being conjured up into an enactment,
implying a mise-en-scène quality few of the original events that have become subject to
reenactments ever had. Secondly, the varying degrees to which the reenactors have
attempted to come close to the real thing, subsumed under the heading of „authenticity‟,
have usually obscured both the insurmountable ironic distance between the events and
their reenactments, and the essentially theatrical nature of the reenactment itself. (Ibid.,
14)
Die Authentizität des Ortes bei Nachstellungen etwa diverser Bürgerkriegs-Schlachten
ist insofern nicht möglich, da diese seit 1961 nicht mehr auf den ‚Originalschauplätzen‘
stattfinden dürfen (vgl. ibid. Sowie Jones 2010, 220). In Fragen der Authentizität geht es
den Civil War-Reenactors vor allem aber auch darum, dass die damalige Zeit mit allen
Unannehmlichkeiten ‚durchlebt‘ wird: „Part of the appeal of Civil War reenacting is its
collective insistence on ‚real‘ experience – such as the duty of suffering through rain,
cold, heat, and dust.“ (Jones 2010, 224)
Living History-Stätten bieten dem Besucher die Möglichkeit, als ‚Zeuge‘ einer
Vergangenheitsrepräsentation durch die historische Zeit ‚zu wandeln‘ (vgl. Oesterle
2010, 163) oder selbst mitzumachen: „In hands-on activities and cultural performances
[…] they appropriate the past in an experimental, predominantly physical and sensorial
way from a contemporary non-historical-role-playing perspective.“ (Ibid.) Auch hier
halten sich realistische Darstellung und die Nachahmung die Waage, bei der eine
imaginierte Authenitzität der Vergangenheitsrepräsentation evoziert wird (vgl. ibid.,
169).257 Dabei stellt jede Interaktion mit den darstellenden Angestellten eine Sinnproduktion des historischen Ereignisses dar, „visitors are considered integral parts and
active producers in the production of historical meaning who influence and negotiate the
performance by their physical presence, their perceptions, reactions, and interactions“
(ibid., 170). Wie bei den Reenactments besteht auch hier die Möglichkeit, dass die
Repräsentation zum Simulacrum des tatsächlichen Ereignisses wird.258
Die Möglichkeit zum Mitmachen oder sich ‚innerhalb‘ eines historischen
Geschehens wähnen, macht die Living History-Stätten für Besucher attraktiv. Immer
256
257
258
Hochbruck bezeichnet dies als „action entertainment historiography“ (1996, 102).
„Authenticity is a priority, but Living History museums must needs keep an eye on their attractiveness
for tourist trade“ (Hochbruck 1996, 95).
„Given the surpassing credibility of museums, people tend to believe that what they see and
experience is ‚authentic‘ and close to what they conceive of as ‚historical truth‘. The danger then
consists in an uncritical absorption and internalization of sanitized versions of history that may be
based on privileged knowledge, prevalent stereotypes, or worse, outright propaganda.“ (Oesterle 2010,
171) Vgl. dazu auch Hochbruck (1996, 94).
166
mehr Museen bemühen sich daher, interaktive Ausstellungen anzubieten.259 „An
awareness of the audience’s expectations and a desire to meet them have had a profound
influence on museum exhibition practices in the later twentieth century.“ (Crane 1997,
47) Primär sind Museen Vermittler, die „ihren Besuchern traditionell einen Kontakt mit
Überresten der Vergangenheit“ ermöglichen (Korte/Paletschek 2009, 41). Der Status
von Museen zeigt sich auch in der bereits erwähnten repräsentativen Umfrage von
Rosenzweig/Thelen; diese werden als die vertrauenswürdigste und authentischste
Quelle für Informationen über die Vergangenheit erachtet (vgl. 1998, 21f.). Für viele der
Befragten ermöglicht ein Museum eine Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit, welche mit dem Bedürfnis nach Kontinuität korreliert: „[I]t comes as a
surprise to learn that visits to museums and historic sites made respondents feel
extremely connected to the past. Part of the reason, it seems, is that Americans believe
they uncover ‚real‘ or ‚true‘ history at museums and historic sites.“ (Ibid., 32) Dabei
nehmen die Befragten eine qualitative Differenzierung zwischen einer ‚seriösen‘
Ausstellung und etwas, das sie als pures Entertainment empfinden vor (vgl. ibid., 108).
Die Umfrage suggeriert, dass edutainment nicht in allen Bereichen der Museumslandschaft erwünscht ist. Dabei vermittelt ein Museum nicht nur Wissen um Geschichte
sondern auch gesellschaftliche Werte und fördert zudem Kulturverständnis: „Our
museum experiences instruct us in social codes of behavior, condition a sense of
cultural literacy, and instill the value of art, the past, and science.“ (Crane 1997, 46)
Allerdings lässt sich die Geschichtsrepräsentation nicht zwangsläufig an die
Erwartungshaltungen der Besucher anpassen. Auf diese Weise können Erinnerungskontroversen entstehen, die aufzeigen, inwiefern ein historisches Ereignis eine erinnerungspolitisch gefärbte Interpretation erhalten hat.260
Public controversy over museum collections, displays, and the role of museums was not
and is not confined within the discourse of intellectuals. People who otherwise might not
worry about the content or purpose of a museum may come to care quite passionately
when their expectations, based on their own experience and memory are thwarted, and
they will express those passions publicly. […] Personal feelings and memories, whether
accurate or appropriate or not, indeed are always a factor in the contexts in which
historical consciousness is made, because they shape how an experience is remembered.
(Ibid., 48)
259
260
Michael Heymann spricht davon, dass in den Smithsonian Museen die Darstellungspraxis der
„interpretive exhibition“ favorisiert wird (Heymann 1995, 8); vgl. dazu auch die Besprechung der
Episode „Living Witness“ S. 205-208.
Dieser Aspekt der ‚gefühlten‘ Erinnerungsverzerrung wird unten in Kap. 2.2 anhand des Beispiels der
geplanten „Enola Gay“-Ausstellung des National Air and Space Museums erläutert und wird deshalb
an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt.
167
Um einer Ausstellung mehr Aussagekraft und ‚Authentizität‘ zu geben, können die
gezeigten Objekte durch Augen-/Zeitzeugenberichte erklärt oder ergänzt werden. David
Thelen propagiert dies nicht nur im Zusammenhang mit Geschichtsrepräsentationen,
sondern auch bei akademischen Arbeiten von Historikern:
Public conversation about the past should engage both the voice of firsthand experience
and the voice of criticism, both authenticity and „scholarly detachment.“ […] Surely what
war veterans experienced enables them to contribute crucial perspectives on the „last
days“ of World War II. Now, when exploration of how and what Americans „remember“
have become central concerns of scholarship, we should be seeking out, not dismissing,
what veterans remember. (1995, 1033)
Sehr prominent werden Zeitzeugenberichte z.B. als Strategie zur Personalierierung des
Ausstellungserlebnis in der permanenten Ausstellung des United States Holocaust
Memorial Museum (USHMM)261 eingesetzt.
Die Besucher des USHMM erhalten beim Eintritt in die Ausstellung eine
identity card ausgehändigt, die anhand von Interviews mit Zeitzeugen sowie von
anderen mündlich und schriftlich tradierten Erinnerungen angefertigt wurde:262 „telling
the true story of a person who lived during the Holocaust. Using these individual
profiles, show[s] […] that behind the massive statstics are real people – children and
parents, neighbors and families – and a diversity of personal experience.“ („ID-Cards“;
vgl. auch Woodward 1993, n.pag.) Dadurch soll eine Einbeziehung des Besuchers in die
dargestellte Geschichte erreicht werden.263
The design team was determined to personalize the Holocaust, since it wanted visitors to
eschew forever the role of bystander, and this, it was felt, could be accomplished
effectively through a painful link with the faces of the Holocaust victims. (Linenthal
1995, 171)
In den aufbereiteten Augenzeugenberichten der Ausstellung ist ein weiteres Element zur
Etablierung von Relevanz für die amerikanische Gesellschaft enthalten. Diese Augenzeugen erzählen nicht nur über ihre Verfolgung in Europa, sondern „am Ende fließen
[…] häufig Bemerkungen über ihre Ankunft in den USA und ihr weiteres Leben ein.
261
262
263
Das USHMM wurde am 22. April 1993 in Washington, DC eröffnet. Auch der Internetauftritt des
Museums zieht zahlreiche Besucher an: „our Web site, the world’s leading online authority on the
Holocaust, had 25 million visits in 2008 from an average of 100 different countries daily“ („About
USHMM“).
Das USHMM hat mehrere Projekte, in denen Zeitzeugen ihre Berichte für die Nachwelt erhalten können,
wie z.B. das „Memory Project“, dessen Dokumente können online eingesehen werden unter <http://www.
ushmm.org/remember/office-of-survivor-affairs/memory-project> (Zugriff 17.02.2015). Weitere Projekte
des Museums finden sich in der Sektion „Resources for Professionals and Student Leaders“ <http://
www.ushmm.org/professionals-and-student-leaders> (Zugriff 17.02.2015).
Zu Personalisierungsstrategien in der permanenten Ausstellung des USHMM siehe bspw. Linenthal
(1995, 171-192).
168
Die Zeitzeugenberichte bilden die Verbindung zwischen europäischer Geschichte und
amerikanischem Leben“ (Hass 2002, 334). Somit bringt die Ausstellung die Verfolgung
und Vernichtung der Juden durch die Nazis zu einer Zeit in das amerikanische
Gedächtnis, in der der Holocaust verstärkt auch geleugnet wurde.264 Insofern erscheint
es erstaunlich, dass bereits während der Planungsphase des Museums immer wieder
diskutiert wurde, wieso ein Holocaust Museum in den USA gebaut werden sollte. Diese
und andere erinnerungspolitsche Kontroversen sind das Thema des nächsten Kapitels.
Denn die Voyager-Serie geht dezidiert auf die Ethik des Erinnerns ein, und verdeutlicht
deren Bedeutung auch an Geschichtskontroversen.
2.2 Ausgewählte Erinnerungskontroversen in den USA der 1990er Jahre
Memory is made of a weird elastic.
(Morrow 2000, n.pag.)
Besonders in einer ethnisch diversen Gesellschaft wie in den USA ist es schwierig, alle
Gruppen in Vergangenheitsrepräsentationen zu integrieren. So entstehen Kontroversen
darüber, wer und was und vor allem auch in welcher Form erinnert werden soll.
Allgemein betrachtet lässt sich daher fragen: Welche Vergangenheitsrepräsentationen
bevorzugt das nationale Narrativ und welche ‚unangenehmen‘ Vorkommnisse werden
ausgespart? Dies soll an einigen Beispielen aktiver Erinnerungspolitik für die USA in
den 1990er Jahren im Folgenden aufgearbeitet werden.
Wie bereits erwähnt, gab es bereits während der Planungsphase des Holocaust
Memorial Museums heftige Kontroversen über Sinn und Zweck eines solchen Museums
in den USA. Für viele der Holocaust-Überlebenden ist die Erinnerung/das Gedenken
problematisch, so Kenneth Woodward, da sie das Geschehene für eine Aufbereitung
unantastbar empfinden: „[S]ome camp survivors still regard [the memories] as too
sacred for words or images, too transcendently evil to be displayed in another time,
another place.“ (1993, n.pag.) Ähnlich beschreibt es auch Michael Kernan: „The
dilemma is that this event must be spoken of – yet must remain unspeakable.“ (1993,
264
Vgl. hierzu beispielsweise Linenthal (1995, 65). Ebenso berichtet Jaroff (1993, n.pag.) in seinem
Time-Artikel über eine Anzeigenkampagne in Universitätszeitungen, die von einer Gruppe HolocaustLeugner geschaltet wurde und heftige Diskussionen auslöste. Die Zahl der Leugner schien sich zu
vermehren, so eine Meldung auf Basis einer Umfrage im Time Magazine: „Most shockingly, one in
five American adults said […] they were unconvinced that the Holocaust had ever occurred.“ („Most
Remember“) Ebenso führt Jaroff eine Umfrage an, die 1992 aufdeckte, dass 39% der Highschool
Schüler und 28% der Erwachsenen nicht wussten, was der Holocaust ist (vgl. 1993, n.pag.).
169
51) Das USHMM ist nicht nur „monument to remembering“ (ibid.) sondern auch eine
Bildungsstätte, deren gesellschaftliche Bedeutung über den Holocaust hinaus gehen soll:
Located among our national monuments of freedom on the National Mall, the Museum
provides a powerful lesson in the fragility of freedom, the myth of progress, the need for
vigilance in preserving democratic values. With unique power and authenticity, the
Museum teaches millions of people each year about the dangers of unchecked hatred and
the need to prevent genocide. („About USHMM“)
Trotzdem wurden der Standort des Museums, die National Mall in der Hauptstadt der
USA, und die damit verbundene Verortung des Ereignisses im nationalen Erinnerungsdiskurs heftigst diskutiert.
Der Holocaust wurde nicht als Teil [der amerikanischen] Geschichte verstanden, sondern
als partikulare jüdische Erinnerung. Das Museum sei die Institution einer einzelnen
ethnischen Gruppe und passe daher nicht zu den anderen nationalen Museen und
Monumenten an der Mall. (Pieper 2006, 111)
Lance Morrow diskutiert in seinem Time-Artikel „Never Forget“ die Ansicht, dass auf
US-Boden nur Ereignisse erinnert werden sollten, die auch dort stattfanden: „The
premise is that America’s sacred statuary memory belongs to things that happened on
native grounds.“ (1993, n.pag.) In diesem Zusammenhang kam die Frage auf: „And
why would Americans build a memorial and museum to the European Holocaust before
installing a remembrance, say of slavery and the black American struggle, or of the
devastation of American Indian life?“ (Ibid.)265 Die Ortswahl wurde von vielen als
politisches Statement verstanden, als „Ausdruck einer jüdischen Machtpolitik in den
USA“ (Pieper 2006, 113). Die Befürworter des Standorts lieferten folgende Gegenargumente: „die ‚Out-of-Placeness‘ als Essenz der Mall, den Pluralismus der amerikanischen Kultur sowie die universalen Implikationen des Holocaust, die ein nationales
Gedenken an den Holocaust ermöglichten und begründeten“ (ibid., 114). Auch
Werbemittel des Museums nutzen eine positive Integration der Erinnerung in das
amerikanische Nationalnarrativ:
[Die Befürworter] stellten die amerikanische Demokratie der nationalsozialistischen
Diktatur als leuchtendes Beispiel gegenüber, was in der patriotischen Glorifizierung der
amerikanischen Nation als Hüterin der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte mündete. (Ibid., 115)
265
Vgl. dazu auch Pieper (2006, 111). Der Bau des National Museum of African American History and
Culture wurde 2003 per Gesetz beschlossen; die Eröffnung soll im Jahr 2016 stattfinden (vgl.
„NMAAHC“). Einen Onlineauftritt des Museums gibt es bereits unter <http://nmaahc.si.edu/>
(Zugriff 17.02.2015).
170
Des Weiteren kann, so Matthias Hass, aus der Begründung der Regierung für den Bau
und Standort eines Holocaust Museums ein „Anspruch, weltweit Hüter der Menschenrechte zu sein“, abgeleitet werden (2002, 243). Hass bestätigt, dass das Museum selbst
Geschichte instrumentalisiert und als „moralische Institution“ fungiert, wie er
beispielhaft an der Berichterstattung zur Eröffnung ausmacht:
Der Bezug auf die Gegenwart fand sich 1993 in fast allen Eröffnungsberichten durch den
Verweis auf den Bürgerkrieg in Bosnien. [Dies] zeigt, dass dem Museum die Aufgabe
zugewiesen wurde, durch Veranstaltungen und wechselnde Ausstellungen Position zu
aktuellen politischen Problemen zu beziehen. (Ibid., 379)
Die empfundene Distanz des Museums zur amerikanischen Geschichte und Identität
wird allerdings in dem Anspruch weitergetragen, dass vom USHMM erwartet wird,
Stellung zu politischen Themen zu nehmen. Dies erscheint als eine problematische
Situation, da die Öffentlichkeit eine Trennung von Politik und Erinnerung bevorzugt,
Ausstellungen oder Denkmäler mit politischem Tenor gemeinhin eher unerwünscht
sind, wie die Akzeptanz der als ‚unpolitisch‘ interpretierten Denkmäler zeigt (s.o.).
Das nächste Beispiel in der Reihe der Erinnerungskontroversen zeigt hingegen,
wie die Öffentlichkeit auf den Versuch reagiert, ein bereits manifestiert positives
Erinnerungsnarrativ in einen größeren und kritischeren Zusammenhang einzubetten.
Der Zweite Weltkrieg wird generell, wie oben erwähnt, als positives Geschichtsnarrativ
funktionalisiert. Jedoch bezieht sich dies stets auf die Aktivitäten im Westen, die
Geschehnisse im Osten werden dabei eher ausgeblendet, da hiermit ‚schmerzliche‘
Erinnerungen verbunden sind. Zum 50. Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf
Hiroshima plante das National Air und Space Museum (NASM) eine Ausstellung um
das Flugzeug Enola Gay, das im Zweiten Weltkrieg die Atombomben transportierte und
auf japanische Städte abwarf.266 Es gab bereits im Planungsstadium, besonders von
Seiten der Air Force-Veteranen, heftige Einwände gegen das Vorhaben, wie Hugh Sidey
in seinem Time-Artikel „War and Remembrance“ berichtet:
The display, say the vets, is tilted against the U.S., portraying it as an unfeeling aggressor,
while paying an inordinate amount of attention to Japanese suffering. Too little is made of
Tokyo’s atrocities, the sneak attack of Pearl Harbor or the recalcitrance of Japan’s
military leaders in the late stages of war – the catalyst for the deployment of atomic
weapons. (1994, n.pag.)
Vor allem die Gewichtung der Darstellung wurde kritisiert: 49 Fotos von japanischen
Kriegstoten gegenüber 3 Fotos von amerikanischen, sowie 4 Texte zu japanischen
266
Der Titel der ursprünglich geplanten Ausstellung lautete: „The Crossroads: The End of World War II,
the Atomic Bomb, and the Origins of the Cold War“.
171
Gräueltaten, denen 79 Texte über das Leiden der japanischen Bevölkerung nach dem
Atombombenabwurf gegenüber gestellt wurden (vgl. ibid.).267 Kritiker sahen darin vor
allem ein emotional aufgeladenes Szenario und keine auf Fakten beruhende Darstellung,
die die Ereignisse korrekt in den historischen Zusammenhang einordnete, wie der
Newsweek-Artikel, „The New Battle of Hiroshima“ veranschaulicht: „[T]he proposal
was little more than a testament to the bombing’s victims, all emotion and little
historical context, full of language that read like Japanase wartime propaganda.“
(Powell/Glick 1994, n.pag.)268 In dem Artikel kommt auch ein Historiker zu Wort, der
den Inhalt des Ausstellungsplans und die geplante Darstellung wie folgt bewertete:
The imbalance is almost palpable […]. If I didn’t know better … I would leave the
exhibit with the strong feeling that Americans are bloodthirsty, racist killers who after
beer parties and softball go out and kill as many women and children as possible. (Zitiert
in ibid.)
Am Ende hatte die Kontroverse derartige Wellen geschlagen, dass die Leitung der
Smithsonian Institution beschloss, die Ausstellung radikal zu verändern. Dies bedeutete,
dass alle Verweise auf die Folgen des Bombenabwurfs sowie sonstige Hinweise auf das
Kriegsgeschehen gestrichen wurden. Somit verblieb nur das Flugzeug Enola Gay als
zentrales Ausstellungsstück, das der ‚neuen‘ Ausstellung seinen Titel verlieh, „Enola
Gay“. Charles Krauthammer, der die geplante Ausstellung in seinem Time-Artikel
„History Hijacked“ als „tendentious anti-Americanis[t]“ bezeichnet erwähnt, dass
bereits vier Jahre zuvor im National Museum of American Art bei einer Ausstellung zur
Expansion nach Westen die Darstellung verzerrt gewesen sei und jedes Artefakt als
„evidence for white racism and rapacity“ (1995, n.pag.) interpretiert werden konnte.
Krauthammer richtet sich dezidiert gegen diese ‚neue‘ Art von Museumspraxis der
interpretive exhibtion: „These exhibits are not accidents. They reflect the extent to
which the forces of political correctness and historical revisionism, having captured the
universities, have now moved out to dominate our museums and other insitutions of
national culture.“ (Ibid.) Krauthammer fordert das Eingreifen des US-Kongress, um der
267
268
Die Verankerung des Atombombenabwurfs in der japanischen Erinnerung wird in Powell/Sparkman
beschrieben: „The bombings became a kind of psychic salve for the nation; in the Japanese eye they
were acts so barbaric that they effectively canceled out, on the Great Moral Scale, whatever atrocities
Japan had committed during the war.“ (1994, n.pag.) Ein weiterer Newsweek-Artikel beschäftigt sich
ebenfalls damit, wie in Japan der Ausgang des Zweiten Weltkriegs quasi nicht in der Öffentlichkeit
verhandelt wird: „The desire for social harmony has circumscribed the debate about the war in Japan
for decades“ („Who’s Sorry Now.“ 1995, n.pag.).
Die Planung beinhaltete auch den Einbezug drastischer Darstellungen von verkohlten Leichen und
Ruinen, die als „‚Ground Zero‘ section“ ein ‚emotionales Zentrum‘ der Ausstellung sein sollten (vgl.
Sidey 1994, n.pag.).
172
„cultural corruption“, die er vom linken Flügel unterstützt wähnt, durch Streichungen
von Subventionen Einhalt zu gebieten (ibid.).
Angeblich verunsicherte die Kontroverse die Museen der Smithsonian
Institution derart, dass in einigen Ausstellungen ‚Korrekturen‘ vorgenommen worden
seien, wie der Newsweek-Artikel „Smithsonian Altered States“ berichtet.269 Ebenso
wurde die Debatte im akademischen Bereich aufgegriffen.270 Historiker waren über die
Absage der Ausstellung entsetzt und befanden: „[the museum] forfeited an opportunity
to educate a worldwide audience in the millions about one of this century’s defining
experiences. […] [The exhibition] might have been the most important museum
presentation of the decade and perhaps of the era.“ (Kohn 1995, 1036) Es wurde
befürchtet, dass diese Absage unter politischem Druck die Museumslandschaft
verändern und kritische Darstellungen in Zukunft erschweren könnte. Bei der Debatte
um die Enola Gay-Ausstellung wird des Weiteren dem Besucher die Fähigkeit zur
Reflexion abgesprochen. Die geplante „Enola Gay“-Ausstellung wäre, so Kohn, aufgrund ihrer örtlichen Nähe zum National Holocaust Memorial Museum und zum
National Museum of American History mit seiner Ausstellung über die Internierung der
Japano-Amerikaner271 eine Bereicherung gewesen und hätte den Sinn des Zweiten
Weltkriegs verdeutlicht: „Those who saw all three might have reflected on the folly of
racism and concluded that some wars are worth fighting, World War II being one of
them.“ (Ibid., 1063) David Thelen resümiert, dass die Kontroverse einen fundamentalen
Punkt in der Erinnerungsdebatte angestoßen habe: „What is or ought to be the
relationship between what happened in the past and how we interpret and present
history in the present?“ (1995, 1033) Dieser Punkt wird bei ‚unangenehmen‘ Vergangenheitsrepräsentationen besonders evident. Auch andere Kontroversen verdeutlichen
269
270
271
Laut des Artikels von Koehl/Howard wurden sowohl die Ausstellung zum Luftkrieg in Vietnam als
auch die Ausstellung mit dem Titel „Altered States“ zum Thema Alkohol, Drogen und TabakMissbrauch komplett aus dem Programm genommen. Die letztgenannte Ausstellung wurde allerdings
nach Angaben des Pressesprechers der Smithsonian Institution aufgrund mangelnder Zuschüsse
gestrichen und nicht wegen befürchteter Kontroversen (vgl. 1995, 6).
Zentrale Publikationen zur Kontroverse sind u.a. verschiedene Aufsätze in Edward T. Linenthal und
Tom Engelhardt (Hrsg.), History Wars: The Enola Gay and Other Battles for the American Past
(1996); Martin Harwit, An Exhibit Denied: Lobbying the History of Enola Gay (1996) und Philip
Nobile (Hrsg.), Judgment at the Smithsonian: The Bombing of Hiroshima and Nagasaki (1995). Das
Journal of American History beschäftigt sich in dem Themenheft „History and the Public: What Can
We Handle?“ (82.3 (1995)) mit der Enola Gay-Kontroverse, darin ist die ausführliche Diskussion von
Kohn (1995) enthalten.
Die Ausstellung, auf die Kohn hier verweist, trägt den Titel „A More Perfect Union: Japanese
Americans & the U.S. Constitution“ und ist eine permanente Ausstellung im National Museum of
American History. Die Onlineversion ist zugänglich unter <http://americanhistory.si.edu/perfectunion/
experience/index.html> (Zugriff 17.02.2015).
173
die Tendenz der Verdrängung von unrühmlichen Aspekten in der Vergangenheit, die das
dominante nationale Narrativ und Selbstbild der USA nicht unterstützen, wie bei den
Themen Sklaverei sowie den Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten in Vietnam.
Ein Diskurs, der sich in den 1990er Jahre formierte, und als ein Versuch zur
Vergangenheitsbewältigung interpretiert werden kann, war die Diskussion um eine
offizielle Entschuldigung von Seiten der US-Regierung für die Sklaverei sowie eventuelle Reparationszahlungen an Nachfahren.272 Im Jahr 1997 entschuldigte sich
Präsident Bill Clinton bei afro-amerikanischen Männern, die ohne ihr Wissen und
Einverständnis für eine Syphillis-Studie missbraucht worden waren, ebenso wie bei
afro-amerikanischen Veteranen, denen die Ehrenmedallie für den Dienst im Zweiten
Weltkrieg verwehrt worden war (vgl. Nichols 1997, 01.A). Die Befürworter einer
Entschuldigung für die Sklaverei bewerteten die Geste als überfällig und hofften auf das
Schließen der Kluft, welche damals den Bürgerkrieg ausgelöst hatte. Gegner aus beiden
Lagern hingegen sahen die Entschuldigung als leere Symbolik, als beleidigend und
unnötig (vgl. ibid.). Die Gegner argumentierten, dass es unfair sei, die jetzige weiße
Generation für die Sünden der Vorfahren bezahlen zu lassen (vgl. DeWayne 1997, 15.A)
bzw. dass die Nachfahren der getöteten Unionssoldaten bereits ihren Teil geleistet hätten
(vgl. „Americans Didn’t Invent Slavery“ 2000, 16.A).273 Die Notwendigkeit einer
Entschuldigung wird in den Zusammenhang mit offiziellen Entschuldigungen anderer
Nationen für ihre Involvierung im Holocaust oder der Apartheid gerückt.274 Es scheint,
dass die Mehrheit hofft, durch eine Entschuldigung diesen Aspekt der Geschichte
abschließen zu können. Eine moralisch richtige Entscheidung in diesem Zusammenhang
wäre für Coretta Scott King der Schuldenerlass für die afrikanischen Staaten, als
„partial reparation for the tragic history of slavery, colonialism and exploitation“, bei
der sie aber auch Europa mit in der Pflicht sieht (2000, 25.A).275 Analog zur Notwendig272
273
274
Zu diesem Thema vgl. bpsw. Horowitz (2002), Munford (1996), Robinson (2000) oder Winbush
(2003).
Derweil werden immer neue Fakten über den Wert der Arbeit von damaligen Sklaven zu Tage befördert. So
beschreibt der Artikel von Kathy Kiely, dass Sklaven nicht nur die Bronze Statue „Freedom“ auf dem USKapitol in Washington, D.C. gegossen und aufgestellt haben, sondern auch das Kapitol selbst mit erbaut
haben (vgl. Kiely 2000, 12.A).
„Chirac apologized for the help France’s Vichy government gave the Nazis in deporting 320,000 French
Jews to death camps during World War II. Yeltsin said he’s sorry for the Soviet army’s massacre of
15,000 Polish officers in that same conflict. De Klerk apologized for apartheid, the system of racial
separation used to oppress South Africa’s black majority for nearly half a century.“ (DeWayne, 1997,
15.A) Dass sich hingegen weder Japan (für den Angriff auf Pearl Harbor) noch die Amerikaner (für den
Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasiki) entschuldigt haben, wird an dieser Stelle nicht
erwähnt. Das Bedürfnis in beiden Bevölkerungen und die generelle Problematik von Entschuldigungen
dieser Größenordnung diskutiert Auchincloss (1995).
174
keit einer Entschuldigung wird die Forderung nach einer Entschädigungszahlung
ebenfalls aus Gründen der Fairness verlangt.
Eine unbequeme historische Erinnerung in den USA ist auch der Vietnamkrieg
und hier besonders die Erinnerung an Gräueltaten, die vom amerikanischen Militär
begangen wurden, wie bspw. das sogenannte My Lai-Massaker im Jahr 1968.276 Als es
im darauffolgendem Jahr öffentlich bekannt wurde, zeigten Umfragen, dass viele nicht
an die Schuld der Soldaten glaubten, sondern der Meinung waren, die Meldung sei
Vietkong-Propaganda, denn US-Soldaten seien zu solchen Taten nicht fähig (vgl. Oliver
2006, 53f). Am dreißigsten Jahrestag des Massakers im Jahre 1998 wurden die drei
Luftwaffenoffiziere geehrt, die sich gegen die eigene Truppe gestellt und vietnamesische Zivilisten vor der Tötung gerettet hatten. Obwohl das Massaker selten
thematisiert wird und wurde – Philip D. Beidler geht sogar so weit diesbezüglich von
einer „amnesiac nation“ (1998, 6) zu sprechen – ist in einem USA Today-Artikel
anlässlich der Ehrung zu lesen, dass dieser Tag sich in das amerikanische Gedächtnis
eingeprägt hat: „That day – March 16, 1968 – represents to many of us, especially those
of us who wear the Army uniform, the day our Army failed the nation. While we had
lost battles in previous wars, our heritage was one of personal courage, honor and
respect for others“ („Three who risked their lives to stop My Lai honored“ 1998, 10.A)
Die Zeitschriften, die für die vorliegende Arbeit untersucht wurden, thematisieren My
Lai eher zurückhaltend. In Newsweek konnten keine Artikel gefunden werden, die sich
auf My Lai bezogen.277 Der gerade erwähnte USA Today-Artikel über die Ehrung der
Luftwaffenoffiziere war auch hier die einzige Meldung, die sich direkt auf My Lai
bezog.278 Das Magazin Smithsonian wie auch National Geographic hatten 1998 keine
Artikel mit Vietnam-Bezug. Nur das Geschichtsmagazin American Heritage brachte in
seiner Februar/März Ausgabe einen Artikel über den Besuch der Autorin des Artikels
275
276
277
278
Bei Berechnungen über die Höhe dieser Zahlung kommt bspw. Jack E. White in seinem Time-Artikel
„Sorry Isn’t Good Enough“ auf eine Summe von 24 Trillionen US-Dollar (1997, n.pag.).
Eine detaillierte Studie zum My Lai-Massaker und wie die US-Öffentlichkeit damit umging sowie
eine ausführliche Dokumentation des Gerichtsprozess findet sich in Oliver (2006) und Anderson
(1998). Das My Lai-Massaker als symbolisches Event diskutiert Neal (2005, 95). Bleakney (2006)
untersucht den Vietnamkrieg anhand von Erinnerungspraktiken.
Im Juni wurde Vietnam in Newsweek allerdings mehrfach thematisiert, ein Bericht über den
angeblichen Einsatz des Nervengases Sarin in Vietnam sorgte für Schlagzeilen, stellte sich aber später
als Falschmeldung heraus (vgl. Thomas/Vistica 1998a und 1998b). Im Juni beschäftigte sich ein
Artikel mit dem Trauma von rückkehrenden Kriegsgefangenen und äußerte Kritik am damaligen antiwar movement (vgl. Brudno 1998).
Lediglich am 12. März 1998 gab es noch zwei Meldungen, die Vietnam zum Thema hatten, allerdings
ging es hier um ein politisches (die Erleichterung der Ausreisebestimmungen in Vietnam) und ein
wirtschaftliches (Handelsbeziehungen zwischen den USA und Vietnam) Thema (vgl. „Clinton
Rewards Vietnam for Easing Emigration“ 1998, 08.A und Belton 1998, 03.B).
175
„My Lai, Thirty Years After“ in dem Dorf und beschreibt, wie das Massaker dort
erinnert wird (vgl. Snyder 1998).279 Die US-Ausgabe des Time Magazine veröffentlichte
nur in seiner Sparte für Kurzmeldungen („Milestones“) eine Notiz über die Verleihung
der Ehrenmedaillen (Adams et al. 1998, n.pag.). Die Asien-Ausgabe des Time Magazine
hingegen publizierte am 16. März 1998 einen Artikel von Tim Larimer, „Echoes of My
Lai“, der sich mit den Folgen des Massakers für das vietnamesische Dorf
auseinandersetzt.
***
Aus den hier präsentierten Beispielen wird deutlich, dass die Erinnerungs- und
Geschichtskultur der USA in den 1990er Jahren ein umkämpftes Feld war. Die Debatten
betrafen in besonderem Maße den Aspekt des kulturellen Gedächtnisses, den man als
Funktionsgedächtnis bezeichnet. In der Öffentlichkeit wurde diskutiert, inwiefern es
nötig und wichtig ist, sich an Ereignisse, die für das nationale Gedächtnis
problematisch, traumatisch oder gar schandvoll sind, zu erinnern und diese bewusst
öffentlich zu kommemorieren. Wie anhand der Gegner des Holocaust Museums oder
auch bei der „Enola Gay“-Ausstellung gezeigt wurde, ist der Wille zur Selbstreflexion
nicht immer vorhanden. Zeitzeugenberichte werden vermehrt bei Ausstellungen und
historischen Stätten herangezogen, um einerseits das Gezeigte zu ‚verifizieren‘, und
andererseits den Besucher mittels Personalisierungsstrategien direkter einzubeziehen
und ihm das Gefühl zu geben, die Geschichte ‚eines Bekannten‘ zu erleben. Dass für die
US-Bürger solch ein persönlicher Bezug zu einem geschichtlichen Ereignis von
Bedeutung ist, konnte die Studie von Rosenzweig/Thelen etablieren.
In der folgenden Analyse wird gezeigt, dass Geschichtsinszenierungen in Star
Trek: Voyager nicht nur aktuelle Trends in der Geschichtsdarstellung aufgreifen,
sondern auch diskursive Ereignisse wie die vorgestellten Erinnerungskontroversen der
1990er Jahre aus dem öffentlichen Diskurs integrieren und kritisch verhandeln. Der
279
Eine Stichwortsuche im Onlineauftritt (durchgeführt am 18.02.2011) des Geschichtsmagazins
American Heritage zu Vietnam ergab eine Fülle von Treffern (351), die vermuten lassen, dass der
Vietnamkrieg hier aktiver verhandelt wurde. Unter den ersten 20 Treffern finden sich bspw.
Überschriften wie „What Should We Tell our Children About Vietnam?“ (Mai/Juni 1988), „Would
JFK Have Pulled Us Out of Vietnam?“ (Sept 1999), „Present at the Apokalypse“ [Flucht aus Da Nang
in 1975] (Jul/Aug 1991), „First Blood in Vietnam“ [über die ersten getöteten amerikanischen
Soldaten] (Winter 2010), „1965 Twenty-five Years Ago“ (Feb 1990). In weiteren Artikeln wird bei
Berichten über den Golfkrieg Vietnam als Vergleichsfolie genutzt, bspw. „A War Against History“ [10.
Jahrestag zum Ende des Golfkrieges und Lehren, die sich daraus ziehen lassen] (Feb/Mrz 2001) oder
„The Quietest War: We’ve Kept Fallujah, But Have We Lost Our Souls“ (Okt 2006).
176
Fokus wird daher besonders auf Episoden gesetzt, die sich dezidiert mit dem Diskurs
der Erinnerung auseinandersetzen. Dabei wird auch gefragt, zu welchen Zwecken
Geschichte in der Serie eingesetzt wird: Ist sie vor allem ‚historische Kulisse‘ und spielt
dabei mit Stereotypen, oder wird ein historisches Geschehen mit seinen Folgen kritisch
reflektiert?
3. „Nazis – The Borg of their Day“: Historische Repräsentationen in
Star Trek: Voyager
Kulturelle Massenprodukte haben die Tendenz, vor allem popularisierte Geschichts- und
etablierte Vergangenheitsversionen darzustellen. Gerade Hollywood-Filme und USFernsehserien, die für den Vertrieb auf dem Weltmarkt konzipiert werden, bedienen sich
hierbei international dekodierbarer Sujets: „Simply put: Hollywood, the industry
responsible for most popular television and film texts, reaches deep into the collective
consciousness of most citizens, and throughout the world.“ (Bernardi 1998, 20) Star
Trek, als ein Hollywood Produkt, ist in diesem Sinne keine Ausnahme. Dabei haben die
Produzenten der Star Trek-Serien, laut Bernardi, eine Strategie entwickelt, zwei
Zeitlinien zu kumulieren: die fiktionale Geschichte des Star Trek-Universums und die
für die Zuschauer ‚tatsächliche‘ Geschichte:
[O]ne way Trek links the two universes is by having characters make direct reference to
artifacts and events from our shared history. […] Basing the fictional universe in the real
universe’s past is fundamental to Trek’s ongoing commitment to a humanist project,
making the space-time of home a clear form of didacticism. (Ibid, 98)
In Voyager werden immer wieder reale historische Ereignisse und Persönlichkeiten
erwähnt und diskutiert, wie auch fiktionale Geschichte und Persönlichkeiten, die die
Gegenwart der Zuschauer – aus Sicht der Serie also die Vergangenheit – fortschreiben.
So wird zum Beispiel in der Episode „Threshold“ (2/15) die Geschichte der Luftfahrt
um den ersten Flug mit Warpantrieb erweitert, der im Jahre 2063 stattgefunden haben
soll. Ähnlich verhält es sich in der Folge „One Small Step“ (6/08) – der Titel assoziiert
die berühmten Worte Neil Armstrongs bei der ersten Mondlandung –, in der die
Menschheitsgeschichte um die erste bemannte Marsmission im Jahre 2032 erweitert
wird. In der oben erwähnten Episode „Friendship One“ (7/21) erhält die Voyager den
Auftrag, eine Sonde aus dem Jahr 2067 zu bergen. Diese soll als ein „Stück Geschichte“
177
auf der Erde ausgestellt werden.280 In der letzten Episode der Serie „Endgame“ (7/25,
7/26) ist die Voyager bereits selbst ein Teil der Geschichte geworden. Nach der
erfolgreichen Rückkehr der Crew zur Erde wird das Raumschiff im Museum ausgestellt.
Somit schreibt sich Star Trek: Voyager mit seiner fiktionalen Welt selbst in die
Geschichte ein. Dabei propagiert die Serie ein Fortschrittsmodell von Geschichte, wie
es bspw. in der Episode „Blink of an Eye“ (6/12) sehr deutlich wird. Diese lässt die
großen Epochen der Menschheitsgeschichte nochmals Revue passieren. Die Voyager
wird sozusagen im Zeitraffer Zeuge der gesellschaftlichen Entwicklung auf einem
fremden Planeten, die der auf der Erde exakt gleicht: zuerst sieht man eine an die Inka
oder Maya angelehnte Kultur, woraufhin die Renaissance folgt, danach industrielle
Revolution und ein Raumfahrtzeitalter. Anschließend folgt eine Fortschreibung analog
zum fiktionalen Star Trek-Universum – die Entwicklung von Warptechnologie und
Antimaterie-Waffen.
Von der tatsächlichen Erdenhistorie wird in der Voyager-Serie vieles nur in
Anspielungen erwähnt und nicht näher ausgeführt. So enthält z.B. die Episode
„Resistance“ (2/12) Reminiszenzen an Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg.
In zwei Episoden finden sich Anklänge an die Zeiten des Kalten Krieges: in „Extreme
Risk“ (5/03) wird das space race zwischen den USA und der Sowjetunion angedeutet;
in „In the Flesh“ (5/04) erklärt Tom Paris, wie in den 1960er Jahren in der Sowjetunion
amerikanische Städte nachgebaut wurden, um Spione für das Leben im Westen zu
schulen. Speziell Tom Paris ist das Crewmitglied, das mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts vertraut ist, wodurch ihm die Rolle eines Vermittlers zwischen Vergangenheit
und Zukunft zukommt. Aber auch die Gegenwart, d.h. die Zeit der Serienproduktion,
wird aufgegriffen und als Geschichte rückblickend thematisiert, wie bspw. die
Computerrevolution der 1990er Jahre („Future’s End“) und der Millenniumswechsel
(„11.59“).281
Der Gegenstand des historischen Wissen ist teilweise durch persönliches
Interesse der Seriencharaktere bedingt. Wie erwähnt ist Tom Paris ‚Spezialist‘282 für das
280
281
282
Vgl. S. 60f.
Vgl. Kap. 3.1 unten. Im Science Fiction-Genre gibt es oft derartige Auseinandersetzungen mit Geschichte, in denen die Charaktere in die Vergangenheit reisen, die die Produktionszeit der Serie oder
des Films repräsentiert. Star Trek selbst hat diese Form der populären Zeitreise in dem Film Star Trek
IV: The Voyage Home (1986; Regie: Leonard Nimoy) angewandt.
Es ist Teil von Tom Paris’ Charakter, Fan einer vergangenen Zeit und deren kultureller Produkte zu
sein. Er erklärt z.B. was „Fort Knox“ ist, als Janeway einen Borg-Schiff damit vergleicht („Dark
Frontier“). In „The Killing Game, Part II“ spricht er den ‚Slang‘ des 20. Jahrhunderts und erklärt den
anderen, wer die Nazis waren (s.u.). Er verbreitet ‚Artefakte‘ auf dem Schiff, wie z.B. ein Jojo oder
eine Art Rubik-Würfel, der in den 80ern beliebt war (beide erwähnt in „Think Tank“ 5/20).
178
Wissen über das 20. Jahrhundert; Janeway kennt sich in der Geschichte Irlands aus, da
ihre Vorfahren von dort stammten („Fair Haven“, s.u.). Seven of Nine hat als Ex-Borg
immer noch Zugriff auf das Wissen von Millionen von Spezies, kann jedoch aus diesem
umfassenden Wissensschatz keine Sinnstiftung für ihre eigene Lebenswelt generieren.
In „The Raven“ (4/06) versucht sie, ihre familiären Wurzeln zu ergründen, um die
Etablierung einer eigenen Identität, die von den Borg aktiv unterdrückt wird, voranzubringen. Gerade die Borg versinnbildlichen das ultimative Speichergedächtnis, in dem
aktives und passives Wissen bewahrt wird, allerdings als simple Akkumulation. Ebenso
ist der Bordcomputer der Voyager ein enormes Speichergedächtnis, das die Geschichte
der ganzen Spezies des Alpha-Quadranten und mehr beherbergt. Dieses ‚tote‘ ArchivWissen wartet auf Wiederentdeckung oder Reinterpretation. Speziell für die VoyagerCrew wird gezeigt, dass Geschichte wichtige Funktionen für die Gegenwart, für die
Einzelnen und die Gemeinschaft erfüllt.
Generell setzt sich die Crew im 24. Jahrhundert mit Geschichte in Formen
auseinander, wie sie der Serienzuschauer der 1990er Jahre kennt: Sie sind neugierig auf
Geschichte, betreiben Ahnenforschung (bspw. zu Janeways Vorfahrin Shannon
O’Donnel in „11:59“), ‚spielen‘ Geschichte auf dem Holodeck – als ultimativer Reenactment-Bühne – nach (bspw. den Zweiten Weltkrieg in „The Killing Game“ vgl. S.
195-197, oder auch das 19. Jahrhundert in Janeways ‚Jane Eyre‘-Holodeck Simulation
in „Cathexis“), und Museen werden als Vermittlungsinstanz für Geschichte dargestellt
(in „Living Witness“ vgl. S. 205-208). Im Folgenden stehen historische Ereignisse aus
der Realität der Zuschauer, die in dieser fiktionalen Welt noch Relevanz haben, im
Mittelpunkt. Besondere Beachtung wird dabei der Wertzuschreibung der Ereignisse für
die Gesellschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts geschenkt, welche diese durch die
Spiegelung in der Zukunft erfahren. Dabei oszilliert der Modus der Darstellung
zwischen dem ‚Spiel‘ mit Geschichte, das als Entertainment präsentiert und als
Abwechslung zum Episodenablauf auf dem Raumschiff genutzt wird sowie der
ernsthaften Auseinandersetzung mit wichtigen geschichtsethischen Fragen.
3.1 Das Spiel mit Fakt und Fiktion in Voyager
Die in diesem Kapitel präsentierten Episoden gehen spielerisch mit Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft um. Zum einen wird die Gegenwart der Serienproduktion
thematisiert: Die Episode „11.59“ diskutiert neben dem Thema Ahnenforschung auch
179
den ‚Millennium-Hype‘. In „Future’s End“ wird die Voyager in die ‚Vergangenheit‘
katapultiert, genauer, in das Jahr 1996, welches das Jahr der Produktion dieser Episode
ist. Dies bietet somit Anlass, das Leben auf der Erde aus der Sicht der Zeitreisenden
humoristisch und ironisch zu kommentieren. Die beiden Episoden betrachten die
Gegenwart der Zuschauer in einer fiktionalen Rückschau, d.h. als Vergangenheit der
Voyager-Crew. Eine weitere Variante, mit der Vergangenheit in Kontakt zu kommen,
wird in der Episode „The 37s“ gezeigt. Auf einem fremden Planeten wird Flugpionierin
Amelia
Earhart
aus
einem
kryostatischen
‚Dornröschenschlaf‘
erweckt.
Ihr
tatsächliches, bis heute ungeklärtes Verschwinden im Jahr 1937 wird in der Episode
genretypisch ‚erklärt‘: Earhart wurde von Aliens entführt (vgl. S. 186-189). Die
Faszination für Geschichte und der Traum einer Zeitreise, um historische Ereignisse aus
nächster Nähe mitzuerleben, ist nicht nur ein Wunsch von Historikern. „Einmal eine
Predigt von Jesus miterleben, einige Tage an einem mittelalterlichen Hof zubringen oder
mit Karl Marx über die historische Rolle des Proletariats debattieren – das ist eine
faszinierende Vorstellung“ (Marsiske 1992, 7). Die Voyager-Crew kann sich diesen
Traum durch Zeitreisen, aber auch mit Hilfe des Holodecks verwirklichen. Janeway
zum Beispiel kreiert ein Leonardo da Vinci-Programm, um so Zeit mit ihrem Idol
verbringen zu können (vgl. S. 189-191).
Die tatsächliche Zeitreise der Voyager in „Future’s End“ (3/08, 3/09;
Erstaustrahlung 06./13.11.1996) in die Gegenwart der Produktionszeit der Episode,
bietet viel Raum für das ‚Spiel‘ mit vergangenen Zeiten. So stellt sich anfangs die
Frage, wie die äußere Erscheinung angepasst werden muss, um im Jahr 1996 nicht
aufzufallen. Janeway fragt Tom, was vonnöten ist um als local betrachtet zu werden und
er antwortet: „That’s simple, nice clothes, fast car and lots of money.“ (8:28) Wie bei
einem Reenactment kostümiert sich das Team der Außenmission mit zeitgenössischer
Kleidung der 1990er Jahre. Chakotay trägt einen Sommeranzug, Janeway einen
Hosenanzug, wie sie für die 90er Jahre typisch waren, Tuvok ist wie ein Hip-HopMusiker in Jogging-Anzug und Durag, einer Art Kopftuch gekleidet, und Tom trägt
Jeans und ein bedrucktes Hemd. Auf der Erde, genauer dem jahrmarktähnlichen Venice
Beach in Los Angeles angekommen ist Chakotays erster Kommentar: „We could’ve
worn our Starfleet uniforms“, dem Tuvok zustimmt: „I doubt that anyone would have
noticed.“ (8:58) Der Punk-Look eines vorbeilaufendes Paares wird von Chakotay, mit
den Worten „interesting species“ (10:08) humoristisch kommentiert.
180
Auch die fiktionale Zeitlinie des Star Trek-Universums wird fortgeschrieben,
denn man erfährt, dass ein verheerendes Erdbeben im Jahr 2047 Venice Beach zerstören
wird. Zudem wird die Voyager in dieser Episode Teil der UFO-Hysterie. Sie empfangen
eine Willkommens-Nachricht in verschiedenen Sprachen, u.a. Englisch, Spanisch und
Russisch. Aus diesem Grund werden Neelix und Kes beordert, die Fernsehsender zu
kontrollieren, ob dort Nachrichten über eine UFO-Sichtung gesendet werden. Allerdings
entdecken die beiden dabei ein für sie ‚neues‘ und faszinierendes Programm:
Neelix: [W]e’ve come across some very intriguing televised broadcasts. Take a look at
this. It’s a form of entertainment called a soap opera. The exploration of human
relationships is fascinating.
Harry: I can’t imagine just watching the story and not being a part of it.
Kes: That’s because you’ve been spoiled by the holodeck. There is something to be said
for non-interactive stories like this, being swept away in the narrative.
Neelix: Oh, I can’t wait to see if Blaine’s twin-brother is the father of Jessica’s baby.
(30:49)
Hier wird das ‚Spiel‘ mit der Gegenwart der Zuschauer sehr deutlich. In den 1990er
Jahren waren die klassischen TV-Seifenopern hohe Quotengaranten. Im 24. Jahrhundert
hingegen hat das ‚altmodische‘ Medium Fernsehen ausgedient, vor allem aufgrund der
Attraktivität der interaktiven Medien, allen voran dem Holodeck. Dennoch ‚erliegen‘
Kes und Neelix dem Reiz der Erzählweise der Seifenoper und messen ihr sogar eine
realistische Darstellung zwischenmenschlicher Beziehungen bei. Hier kommentiert Star
Trek seine ‚Verwandschaft‘ zum populären Fernsehgenre der Seifenoper.283
Der Hauptstrang der Geschichte dreht sich jedoch um die vom Schurken und
Mad Scientist Starling gestohlene Technologie, über den in der Episode die Computerrevolution der 1990er Jahre thematisiert wird – die aus Sicht der Serienfiguren
natürlich antiquiert erscheint: Beim Versuch, Starlings Computer zu hacken, zeigt sich,
als Janeway ein Passwort eingeben muss, dass sie nie gelernt hat, eine Tastatur zu
benutzen: „turn-of-the-millennium technology wasn’t a required course at the academy.
This is like stone knives and bearskins.“ (32:56) Chakotay kommentiert die Computericons für die verschiedenen Programme: „Looks like a series of pictographs. They must
have used symbols to represent the different functions of the computer.“ (33:25) Das
Narrativ der Serie erklärt die Computerrevolution in den 1990er Jahren damit, dass
283
Zur sogenannten space opera vgl. bspw. Erickson (2005, 179-183), Pringle (2000), Sawyer (2009)
sowie Westfahl (2003). Jenkins verweißt auf die intendierte Verbindung von Star Trek und der space
opera: „Roddenberry specifically cites space opera as one of the science fiction traditions which Star
Trek can evoke“ (1995, 182).
181
Starling Material aus der Zukunft, einem gestrandeten Raumschiff des 29. Jahrhunderts,
genutzt hat. Seit 1969 hat Starling stetig Elemente auf den Markt gebracht, die er aus
dem Zeitschiff gestohlen hatte. Chakotay bemerkt: „And every few years there’s been
an equally revolutionary advance in computers, all from Chronowerx Industries, all
based on Starling’s crude understanding of 29th century technology.“ Daraufhin
schlussfolgert Janeway: „The computer age of the late 20th century ...“ – Chakotay
beendet den Satz: „… shouldn’t have happened.“ (35:44) Der ‚Stolz‘ der Gesellschaft
des späten 20. Jahrhunderts auf ihre Errungenschaften wird hier ironisch kommentiert.
Die Episode „11:59“ (5/23; Erstausstrahlung 05.05.1999) ist für den Zuschauer
interessant, da sie mit dem bevorstehenden Millenniumswechsel die Gegenwart der
Erstausstrahlung der Episode thematisiert. Der Hype um ‚Y2K‘ und die Diskussion, ob
das neue Millennium im Jahr 2000 oder 2001 beginnt, wird in der Folge explizit von
Janeways Vorfahrin Shannon O’Donnel angesprochen:
Last year, when 2000 arrived, everyone was convinced it was the dawn of a new era. But
when the world didn’t end and the flying saucers didn’t land and the Y2K-bug didn’t turn
on a single lightbulb, you’d think everybody would have realised it was a number on the
calender. But oh no, they had to listen to all those hucksters who told them the real
millennium was 2001. So this year’s New Year’s Eve will be as boring as last year.
(11:51)
Der Millenniumswechsel war, wie im vorangegangen Teil III erwähnt, Anlass für
diverse Bestandsaufnahmen. Das Magazin National Geographic etwa widmete dem
neuen Jahrtausend eine spezielle Artikelreihe zu den Themen, die in Zukunft
vermeintlich eine große Rolle spielen würden. Diese Reihe begann mit der JanuarAusgabe 1998 und beinhaltet die Themengebiete: Forschung/Entdeckung, die Erde,
Bevölkerung, Artenvielfalt, Globale Kultur, Wissenschaft, Geographie und wurde mit
einer Foto-Serie „Celebrations of Earth“ in der Januar-Ausgabe 2000 abgeschlossen.
Bereits in der Einleitung dieser Reihe im Januar 1998 machte sich der „Millennium
Hype“ bemerkbar:.
[M]illennium mania, which already includes millennium websites, a Millennium TV
series, a „Millennia‟ car, and a „Millennia‟ perfume. Kiribati, a nation of islands in the
South Pacific, has moved the International Date Line and will claim the first dawn of the
year 2000. Walt Disney World Resorts and Seattle’s Space Needle are sold out for New
Year’s Eve 1999. (Swerdlow 1998, 2)
In London wurde der Millennium Dome 1999 fertiggestellt und am 1. Januar 2000
eröffnete die darin enthaltene Ausstellung. Der Millennium Dome könnte eine Inspiration für die Idee zum Millennium Gate der Episode (s.u.) sein. Dies wird allerdings
182
nicht explizit gemacht. Die Bedeutung des fiktionalen Millennium Gates wird eher mit
der der Chinesischen Mauer gleichgesetzt, als Errungenschaft der Ingenieurskunst.
Der Fokus der Episode liegt allerdings auf Janeways Suche nach Shannon
O’Donnel, ihrer Vorfahrin, „[t]he first of a long line of Janeway explorers“ (01:45).
Auslöser für Janeways Ahnenforschung ist Neelix, der mit Tom Paris ein cross-cultural
trivia spielt, dafür die Sieben Weltwunder lernt und vor Janeway über die Chinesische
Mauer referiert, woraufhin diese ihn über das Millennium Gate befragt, an dessen Bau
ihre Vorfahrin Shannon angeblich beteiligt war. Hier greift wieder die fiktionale
Zeitlinie des Star Trek-Universums, denn ein Millennium Gate wurde in den USA nicht
gebaut. In der Realität der Episode kann dieses Millennium Gate aus dem Weltall mit
bloßem Auge gesehen werden. Das ‚Gate‘ ist eine kleine Stadt mit experimenteller
Biosphäre, d.h. ein in sich geschlossenes, selbst-regulierendes System. Janeway erzählt,
wie in ihrer Familie stets über Shannon gesprochen wurde: „Shannon O’Donnel, one of
the first woman astronauts. She was the driving force behind the project. […] We were
always told stories about her at family gatherings.“ (01:35) Sie sei damals vom
Gouverneur des Staates Indiana als Expertin eingeladen worden und wurde, laut
Janeways Tante Martha, mit einem Privatjet eingeflogen. Nach dieser Äußerung wird in
der Folge in die Vergangenheit geschnitten. Ein bereits im Jahr 2000 altmodischer
Kassettenrecorder wird angeschaltet, die Kamera zieht auf und zeigt eine Szene im
Auto. Der Kassettenrecorder wird besprochen wie ein Tagebuch – ähnlich dem
Logbuch, das Janeway auf der Voyager führt –, das Datum gibt den Hinweis, dass man
nun in der Vergangenheit bzw. der unmittelbaren Zukunft der Zuschauer ist: „5am,
December 27th, 2000. I’m in the great state of Indiana, I think.“ (02:18) Dies ist
Shannon O’Donnel, die offensichtlich nicht mit einem Privatjet nach Indiana reist,
sondern in einem alten Auto, das auch kurz darauf eine dringende Reparatur benötigt,
für die Shannon jedoch kein Geld aufbringen kann, da sie ihre Arbeit verloren hat.
Dargestellt wird Shannon von Kate Mulgrew, die auch Captain Janeway spielt. Die
Schreibung der Janeway Familiengeschichte wird somit verstärkt, aber auch die
Schreibung der Geschichte von Frauen in der Luftfahrt. Auch wenn, wie sich später
herausstellt, Shannon nicht eine der ersten weiblichen Astronauten war, reiht sich
Janeway dennoch als eine der ersten weiblichen Sternenflotten-Captains in diese
Emanzipationsgeschichte der Raumfahrt ein.
Hier wird schnell deutlich, dass die in der Familie weitergetragene Geschichte
über Shannon über die Jahrhunderte verfälscht wurde. Dass die Daten von vor über 300
183
Jahren kaum oder nur fragmentarisch vorhanden sind, frustriert Janeway: „I’ve been
digging through the historical database. But a lot of the information from that era’s been
lost or damaged.“ (17:06) Dies ist zugleich ein Kommentar über das Problem von
Datenspeichern, selbst ein sehr effizientes Speichergedächtnis wie der Bordcomputer
kann nur vollständige und gut erhaltene Daten bewahren. Aus dem Speichergedächtnis
gelöschte Daten sind irreversibel verloren. Janeway bittet daher Seven um Hilfe, die den
Nutzen eines Wissens über Familiengeschichte bzw. Generationengeschichte jedoch in
Frage stellt:
Seven: This ancestor of yours is 15 generations removed. You only possess a small
fraction of her genetic material. Insignificant!
Janeway: This isn’t about chromosomes, Seven. It’s about character.
Seven: Explain.
Janeway: Shannon O’Donnel inspired me when I was a girl. She had an influence on my
imagination, on my goals.
Seven: I never realised genealogy could have such an impact.
Janeway: I wouldn’t have become a starfleet captain if it wasn’t for her. (17:21)
Aber auch Seven und Neelix werden auf ihrer Suche nach Shannon nur über Umwege
fündig.284 In einer Datenbank der Ferengi finden sie ein Foto von Shannon mit ihren
Kindern und Enkelkindern. Die Ferengi haben offensichtlich ein paar Jahre zuvor
bereits erkannt, dass Profit mit der Vermarktung von Vergangenheit erzielt werden kann.
Neelix: Eleven years ago one of their historians collected massive amounts of data about
the origin of space travel in the Federation. They wanted to market it as a nostalgic gift
item.
Janeway: I would’ve been their first customer. (20:06)
Hier wird bereits humoristisch auf das Geschäft mit Geschichte eingegangen. Die
Ferengi sind im Star Trek-Universum als Spezies bekannt, deren Leben auf die Erwirtschaftung von Profit ausgerichtet ist. Die Ferengi haben also, ähnlich wie die (Kultur-)
Industrie am Ende des 20. Jahrhunderts, erkannt: history sells (vgl. S. 150).
Der wahre Grund jedoch, weshalb über Shannon O’Donnel keine Daten
vorliegen, ist, wie der Zuschauer bereits weiß, dass sie nicht diejenige war, zu der die
Familienmythologie sie gemacht hat. Tom Paris, der mit allen Marsprojekten seit den
1970ern Jahren vertraut ist, hat noch nie von ihr gehört, woraufhin Janeway erneut in
284
Nebenher recherchiert Seven auch eigene Vorfahren und stößt dabei auf Sven ‚Buttercup‘ Hansen,
einen Preisboxer aus dem 22. Jahrhundert, und fühlt sich dadurch bestätigt, dass eine solche entfernte
Verwandtschaft irrelevant ist.
184
verschiedenen Archiven forscht. Dabei kommt sie zur Erkenntnis, dass jede Geschichtsschreibung gefärbt ist von der Kultur und Zeit, in der sie entstanden ist. Sie reflektiert,
wie die Voyager-Crew später aufgrund unvollständiger Daten repräsentiert werden
könnte:
Janeway: [T]he holographic engineer is having problems with her program. Neelix, the
Cardassian cook, is low on supplies. Seven of Twelve is regenerating and Captain
Chakotay is doing just fine. Just wondering how they will piece together our lives a few
hundred years from now.
Chakotay: It depends on how big the pieces are.
Janeway: A PADD here, a captain’s log there, maybe a couple of holodeck programs. It
won’t be as much to go on as we might think. (31:09)
Ihre Erkenntnis, dass Shannons Leben nicht der Familiengeschichte entspricht,
enttäuscht Janeway: „She married him [Henry Janeway] and changed her name. But she
certainly never changed history.“ (32:47) In einem ironischen Kommentar fragt sie sich,
wie sie die Wahrheit über Shannon ihrer Tante Martha beibringen soll. Janeway fühlt
sich ihrer Identität und eines Vorbildes beraubt und stellt ihren Lebensweg in Frage.
Neelix ruft dagegen einen Feiertag aus, Ancestor’s Eve, und die Offiziersriege feiert
diesen Tag in der Messe. Als Geschenk haben sie für Janeway das Foto von Shannon
mit ihrer Familie gerahmt. Sie möchte es allerdings nicht annehmen, da die Vorfahrin
auf dem Foto nicht mehr von Bedeutung für sie sei. Ihre Offiziere sind anderer Meinung
und betonen, dass die Vergangenheit trotz ihres Mangels an Faktizität für Janeway
Relevanz und eine Funktion hatte:
Seven: Her life captured your imagination. Historical details are irrelevant.
Tuvok: I concur with that analysis.
Chakotay: If it weren’t for Shannon O’Donnel you never would have joined starfleet.
Janeway: Yeah and I never would have got you all stuck here in the Delta Quadrant.
B’Elanna: It gave us all time to get to know each other. (42:17)
Die Episode endet damit, dass die Stammcharaktere der Serie ein eigenes ‚Familien‘Foto machen und somit ein weiteres Memento ihrer Reise und ihres Lebens erschaffen.
Auffällig in dieser Episode ist, wie Janeway sich nicht nur innerhalb der Familiengeschichte in eine historische Linie einordnet, mit Shannon O’Donnel als Ahnin, die das
‚Entdecker‘-Gen eingebracht hat, sondern auch in die Geschichte über Frauen in der
Luftfahrt. Somit bedeutet die Entdeckung, dass Shannon keine Astronautin war, einen
Verlust in der historischen Linie, in der Janeway sich stets eingeordnet hatte. Die
185
Grundlage für ihre Identität und somit auch die von ihr getroffenen Entscheidungen sind
dadurch erschüttert. Wie die Crew allerdings verdeutlicht, sind historische Fakten
‚irrelevant‘ – Geschichte sollte das Leben inspirieren und nicht determinieren.
Die Einordnung von Janeway in die weibliche Luftfahrtgeschichte wird auch in
der Amelia Earhart-Episode vorgenommen. Historische Persönlichkeiten wie die
Flugpionierin Earhart werden in Star Trek: Voyager oft im Zusammenhang mit ihrer
Vorbildfunktion präsentiert, wobei auch hier die Strategie verfolgt wird, eine für den
Zuschauer faktuale Geschiche mit der fiktionalen Geschichte der Star Trek-Welt zu
vermischen.285 Die historischen Personen, denen jeweils eine Folge gewidmet wird, sind
– passend für eine Serie über Raumschiffe – Pioniere des Flugwesens und damit auch
der Raumfahrt, nämlich die bereits erwähnten Amelia Earhart und Leonardo da Vinci,286
die zudem dezidiert als Vorbilder für Captain Janeway ausgewiesen werden. Im Jahr
1997 wäre Amelia Earhart 100 Jahre alt geworden. Dies nahm das National Geographic
zum Anlass, im Januar 1998 eine längeren Artikel über sie zu veröffentlichen. Die
Autorin des Artikels, Virginia Morell, stilisiert Earhart darin als moderne Heldin der
Lüfte und Vorreiterin der Emanzipationsbewegung. Im Jahr 1937 versuchte Amelia
Earhart zusammen mit dem Navigator Fred Noonan die Welt entlang des Äquators zu
umfliegen. Sie wurde 1939 für tot erklärt, nachdem extensive Suchaktionen nach ihrem
Verschwinden am 2. Juli 1937 erfolglos blieben – damit war ein Mythos geschaffen:
„Flying made her famous. Disappearing made her legendary.“ (Morell 1998, 112) Susan
Butler vermutet, dass gerade in dem plötzlichen und mysteriösen Tod ein Grund liegt,
warum Amelia Earhart immer noch verehrt wird: „Earhart remains an icon, revered by
young women, remembered by many for her signal accomplishments, remembered by
285
286
So werden z.B. berühmte Ärzte oder Wissenschaftler als Namenspaten für den holographischen
Doktor genannt, wie Albert Schweizer, Louis Pasteur und Robert Jarvik (Erfinder des künstlichen
Herzens), aber auch ein Wissenschaftler aus dem Star Trek-Universum, nämlich Pyong Ko, der im 21.
Jahrhundert mittels genetischer Manipulation eine Heilung für Krebs gefunden hat (erwähnt in
„Fury“, 6/23). In der Episode „Darkling“ sind auf dem Holodeck Gandhi und Lord Byron zu sehen,
der Doktor trifft sich hier mit bedeutenden Personen, um seine Persönlichkeits-Subroutine zu
verbessern. Gandhi wird aufgrund seines bekannten Äußeren direkt vom Zuschauer erkannt werden;
Lord Byron hingegen wird explizit namentlich genannt, da man anhand der Kleidung nur erahnen
kann, dass es sich um eine Person aus dem frühen 19. Jahrhundert handeln muss. In der Episode
„Death Wish“ (2/18) erscheinen Isaac Newton und Maury Ginsberg, der Organisator des WoodstockFestivals, als Zeugen in einem Prozess. In der Episode „Nightingale“ (7/08) wird auf die berühmte
‚Lady with the Lamp‘ angespielt. Verweise dieser Art sind sporadisch, dienen allerdings einem
Brückenschlag zwischen dem historischen Wissen der Gegenwart der Zuschauer und dem der
dargestellten Zukunft.
Auch die Episode „One Small Step“ (6/8) diskutiert die Stellung von Flugpionieren als Vorbilder, in
diesem Fall der fiktive Lt. John Kelly, Kommandant der ersten bemannten Marsmission. In
„Threshold“ (2/15) wird angedeutet, dass Tom Paris selbst unter die Riege der Flugpioniere gezählt
werden kann, da er den ersten Flug mit der Geschwindigkeit Warp 10 unternimmt.
186
all because of her dramatic end.“ (2007, 31) Earhart war in den 1930er Jahren sehr
prominent, besonders nach ihrem Alleinflug über den Atlantik im Jahr 1932 wurde sie
fulminant als „Lady Lindy“ gefeiert:287
Earhart was feted again in Europe and America for her bravery. In England she dined
with George V and, because she never drank, toasted him with buttermilk. New York
showered her with another ticker-tape parade, and in Washington, D.C., the House of
Representatives and Senate awarded her the Distinguished Flying Cross, making her the
first woman to receive it. (Morell 1998, 130)
Sie war zudem eine Werbe-Ikone und wurde wie ein Hollywood-Star verehrt (vgl. Ware
2007, 38f und 41).288 Susan Ware hält ihre Popularität in den USA heute allerdings für
noch größer als zu Lebzeiten: „Ironically, this popular heroine who worked so hard at
that role in the 1930s now effortlessly generates reams and reams of publicity more than
seventy years after her death.“ (Ibid., 48) Des Weiteren setzte sich Earhart für die
Emanzipation ein: „Earhart used her fame to promote air travel and equal opportunities
for women aloft.“ (Morell 1998, 112) Somit wurde sie zum Vorbild für viele Frauen,
besonders in den USA: „Very few American women then sought careers in such maledominated professions, and Earhart’s success opened a window on a world that had
been all but forbidden.“ (Ibid., 119) Die Purdue University hatte sie 1935 sogar als
women’s career counselor angestellt (vgl. „Earhart Purdue“).
Vor allem Verschwörungstheorien mystifizierten Earharts Verschwinden und
hielten es dadurch präsent. Eine dieser Theorien war die Gefangennahme von Earhart
und ihrem Navigator von Japanern (vgl. Butler 2007, 31). Auch Morell sieht die
Mystifizierung des Verschwindens als Grund für Earharts andauernde Bekanntheit, führt
jedoch zusätzlich an, dass sie vor allem eine ‚skandalfreie‘ Heldin war: „[M]uch of her
durability as a legend comes from the fact that Earhart is one of the few American
heroes whose reputation has remained virtually untarnished.“ (1998, 116) Populäre
Mystery-TV-Serien beschäftigten sich in den 1990er Jahren mit Amelia Earhart ebenso
287
288
Eine Anspielung auf Charles Lindbergh, der 1927 als erster alleine den Atlantik von New York nach
Paris überflog.
Auch heute wird noch mit ihrem Bild geworben: es gab eine Kampagne der Bekleidungsfirma Gap
mit dem Slogan: „Amelia Earhart wore khakis“, und auch von Apple Inc. mit dem Slogan: „Think
different“. Bilder der Kampagnen finden sich in dem Begleitband von Lubben/Barnett zur Ausstellung
„Amelia Earhart: Image and Icon“ (11. Mai – 9. September 2007 in New York City) (vgl. 2007, 146f;
vgl. dazu auch Ware 2007, 38f).
187
wie TV-Dokumentationen, z. B. The Mysteries of Amelia Earhart (1998, Regie: Robert
Beemer).289 Ihr letzter Flug und ihr Leben sind mehrfach verfilmt worden.290
In Voyager erscheint Amelia Earhart in der Episode „The 37s“ (2/01;
Erstausstrahlung 28.08.1995), hier werden Amelia Earhart und Fred Noonan auf einem
fremden Planeten von der Voyager-Crew gefunden. Außer ihnen befinden sich noch
sechs weitere Menschen aus der Vergangenheit der Erde – speziell dem Jahr 1937 – in
Kryostase, d.h. sie wurden lebend eingefroren. Die Hervorhebung von Earhart und
Noonan in der Episode wird dadurch verstärkt, dass die anderen ‚37er‘ für den
Zuschauer anonym bleiben, d.h. keine identifizierbaren historischen Persönlichkeiten
sind (auch wenn sie als Typen die Epoche repräsentieren). Bezeichnenderweise ist es
Janeway, die Amelia Earhart identifizieren kann, und sie erklärt den anderen Crewmitgliedern ihre Bedeutung:
She was one of the first female pilot’s in Earth history. In the mid-twentieth century she
became quite famous for flying across the Atlantic ocean. In 1937 she attempted to fly
around the world. According to the records of the time on July 2, 1937 Earhart and her
navigator, Fred Noonan, took off from New Guinea and they were headed East around the
equator. But somewhere in the South seas they vanished. And their disappearance became
one of the most celebrated mysteries of the twentieth century. (13:58)
Auch die Theorien über den Hergang des Verschwindens werden von Janeway erläutert.
Die Episode spricht u.a. den Mythos an, dass Amelia Earhart vor ihrem Verschwinden
auf Spionagemission im Pazifik unterwegs gewesen sei und die US-Regierung ihren
Flug finanziert habe. Als Janeway dies gegenüber Earhart erwähnt, ist deren Reaktion:
„No one was supposed to know about that.“ (25:10)291 Tom will wissen, warum man
nicht davon ausging, dass sie einfach abgestürzt sei. Janeway erklärt:
That was the most commonly held theory. However, numerous searches of the area failed
to produce the wreckage of an aircraft. So people began to speculate. Some thought she’d
been shot down and captured by the Japanese navy. Others thought that she and Noonan
had flown off together on some sort of Romantic adventure. Of course, the most ridiculed
notion was that she had been abducted by aliens. (14:29)
289
290
291
Unter anderem die Reihen Unsolved Mystries mit der Episode „Amelia Earhart“ (St. 3/ Ep. 8,
07.11.1990) und The American Experience mit der Episode „Amelia Earhart: The Price of Courage“
(Erstaustrahlung 27.10.1993, Regie: Nancy Porter). Weitere Sendereihen in denen Amelia Earhart
diskutiert wurde sind In Search of … im Jahr 1977 (Moderator: Leonard Nimoy) und The Robert
MacNeil Report im Jahr 1997 (28.05.1997).
Bspw. 1994 in Amelia Earhart: The Final Flight (Regie: Yves Simoneau; mit Diane Keaton in der
Hauptrolle) sowie im 2009 erschienen Film Amelia (Regie: Mira Nair, mit Hilary Swank als Earhart).
Earharts angebliche Spionagetätigkeit diskutiert z.B. Carol Linn Dow, die verneint, dass Earhart eine
Spionin war (vgl. 2009, 6f). Randall Brink hingegen kommt zu dem Schluss, dass sie eine Spionin
war, da es eine Verschlussakte über die Vertuschung von Earharts Spionagemission gäbe (vgl. Mitgang 1994, n.pag.). Die Internetseite der Stiftung Pacific Wrecks listet ebenfalls den Spionagemythos
(vgl. „Amelia Earhart Myths“).
188
Gerade diesen letzten Satz spricht sie mit einem ungläubigen Lächeln angesichts ihrer
Entdeckung auf dem Planten aus. Daraufhin rät sie ihrer Crew, sich mit der damaligen
Zeit vertraut zu machen: „We’re about to meet a bit of our history.“ (16:13)
Earharts Erwachen aus der Kryostase wird in einer Nahaufnahme gezeigt. Bei
einem ersten Blick auf ihre Umgebung hat sie direkten Augenkontakt mit Janeway, die
sofort auf sie zugeht. Hier wird bereits eine Verbindung der beiden Frauen suggeriert:
die Flugpionierin und Janeway als ihre ‚Erbin‘. Janeway betont den Vorbildcharakter
von Earhart für viele Frauen, und welche Inspiration sie für Janeway selbst war. Als die
37er hören, wo und in welcher Zeit sie sich befinden, herrscht Unglaube. Fred Noonan
verlangt, dass Chakotay sofort Washington kontaktiert, da er persönlich mit J. Edgar
Hoover, dem damaligen Leiter des FBI, sprechen will. Und auch Amelia Earhart kann
sich nicht vorstellen, dass es möglich ist, durch das Weltall zu fliegen: „That isn’t
possible. Only in books, H.G. Wells, Jules Verne.“ (23:52) Als sie später auf der
Voyager ist, wird sofort ihre Abenteuerlust und Leidenschaft für das Fliegen geweckt,
und sie fragt Tom Paris: „Think I could take her out for a spin?“ (33:08) Die Darstellung
Earharts entspricht größtenteils dem Bild, das heute in der Öffentlichkeit, im Funktionsgedächtnis der USA, vorherrscht. Sie wird als neugierig, clever und abenteuerlustig
dargestellt. Ebenso erscheint ihr Äußeres, wie man sie von vielen Bildern kennt: sie
trägt eine Lederjacke und Khakis und hat einen Kurzhaarschnitt. Außerdem bestätigt
und spielt die Episode zugleich mit den Spekulationen über ihr Verschwinden. Der
Erklärungsvorschlag der Serie stellt sich damit in die Tradition von populären Verschwörungstheorien in den USA. Der Mythos um die Person ‚Amelia Earhart‘ wird in
der Voyager-Folge gestützt und weiter tradiert, er wird aber auch für eine Aussage zur
Bedeutung von Frauen in der Geschichte genutzt.
Mythen ranken sich auch um den Wissenschaftler und Erfinder Leonardo da
Vinci (1452-1519). Für die Raumfahrt ist Leonardo da Vinci ein Pionier der ersten
Stunde, da er als erster eine Flugmaschine erdachte und mit dieser angeblich auch einen
Flugversuch unternommen haben soll.292 So findet sich bei der NASA bspw. „Der
292
Auf der Webseite des Discovery Channel unter der Kategorie „Pioneers of Flight“ wird auch
Leonardo da Vinci gelistet (vgl. „Flugpioniere“). Eine weitere Webseite, die da Vincis Schaffen
gewidmet ist, zeigt alle seine Skizzen für Flugobjekte (vgl. „Leonardo-Flugskizzen“). Es ist bekannt,
dass das Geheimnis des Fluges eine besondere Obsession in da Vincis wissenschaftlichem Wirken
darstellte. Er studierte minutiös Vögel und Insekten aber auch Waffenprojektile (vgl. Atalay 2004,
194-196), angetrieben von dem Gedanken, „if birds could fly, then with some help so could humans“
(ibid., 200).
189
vitruvianische Mann“ auf Missions-Insignien von Skylab 3 und STS-40.293 Eine
Vermischung von Fakten und Mythen um den berühmten Künstler der Renaissance wird
in der Episode „Concerning Flight“ (s.u.) präsentiert. Leonardo da Vinci eignet sich
somit aus mehreren Gründen auch als Charakter in einer Science Fiction-Serie. Zum
einen, weil er als bedeutender Erfinder und Wissenschaftler anerkannt und zum anderen,
weil er dem breiten Massenpublikum bekannt ist.
Die Holodeckdarstellung des Ateliers des italienischen Genies in Voyager kann
als eine Hommage an den Künstler und Wissenschaftler interpretiert werden.294 Vor
allem Janeway wird als glühende Verehrerin des ‚Maestro‘ dargestellt. Sie erwähnt, dass
sie in ihrer Jugend selbst versucht hat, seine Modelle nachzubauen (vgl. „The Raven“).
Da Vincis bekanntes Selbstbildnis in Rötelzeichnung (ca. 1510-1515) hängt in Janeways
Bereitschaftszimmer und ist in mehreren Folgen u.a. in „Virtuoso“ (6/12), „The
Haunting of Deck Twelve“ (6/25) und „Unimatrix Zero“ (6/26) deutlich zu sehen.
Eingeführt wird die Figur des Leonardo da Vinci in der Folge „Scorpion, Part I“ (3/26;
Erstausstrahlung 21.05.1997). Direkt nach dem Vorspann sieht man eine Kamerafahrt
über einen Tisch, der bedeckt ist mit Artefakten, die sich durchaus im Atelier des echten
Leonardo da Vincis hätten befinden können. Zu sehen sind u.a. das Drahtgestell eines
Vogels, Schriftrollen, das Modell einer Hand, anatomische Zeichnungen sowie eine
Skizze seines wohl berühmtesten Bildes, der Mona Lisa. Bereits während dieser
Kamerafahrt erscheint eine Einblendung mit der Information, dass der Gaststar John
Rhys-Davies Leonardo da Vinci spielt. Auch hört man während dieser Kamerafahrt eine
Männerstimme mit italienischen Akzent, die über das Patronage-System lamentiert.
Sobald Leonardos Gesicht zu sehen ist, sagt er „I, the divine Leonardo da Vinci“
(02:34). Das Atelier ist bestückt mit zahlreichen Gemälden, die aus der gesamten
Schaffenszeit des Künstlers stammen. Es wurde also kein bestimmter Zeitpunkt aus dem
Leben des Leonardo gewählt, sondern der Künstler wird mit seinem Gesamtwerk in die
Voyager-Welt eingebettet.
Von besonderer Bedeutung für Star Trek sind jedoch da Vincis Pionierleistungen
auf dem Gebiet des Fliegens. Einen Hinweis darauf geben u.a. zwei Requisiten: ein
293
294
Die Mission Skylab 3 startete am 28. Juli 1973 und wurde genutzt, um Reparaturen an der Skylab
Space Station und auch Experimente durchzuführen (vgl. „Skylab 3“). Die Mission STS-40 mit dem
Raumschiff Columbia startete am 5. Juni 1991 und führte biowissenschaftliche Experimente im All
durch (vgl. „STS-40“).
Das holografisch rekonstruierte Atelier wird in den Episoden „The Raven“ (4/6), „Scientific Method“
(4/7) und „The Omega Directive“ (4/21) als Raum genutzt, bspw. für künstlerische Freizeitaktivitäten
von Janeway.
190
einzelner, an die Wand gelehnter Flügel und ein kleines, an der Decke hängendes
Flugmodell, die bei jeder Szene im Atelier deutlich zu sehen sind. Die Folge
„Concerning Flight“ (4/11; Erstausstrahlung 26.11.1997) thematisiert zudem einem
Flugversuch da Vincis. In der Eingangssequenz der Episode erscheinen Janeway und da
Vinci durchnässt im Atelier, und man hört im Hintergrund eine Menschenmenge lachen.
Der Zuschauer erfährt, dass die beiden einen missglückten Flugversuch über den Arno
unternommen haben. Diese ‚Niederlage‘ wird am Ende der Episode – Janeway und da
Vinci müssen vor Angreifern flüchten – dank eines veränderten Flugmodells, das mit
‚futuristischen‘ Materialien ähnlich der zeitgenössischen Sportdrachenflieger in die
Lüfte schwebt in einen Erfolg verwandelt. Der in der Folge „Concerning Flight“
unternommene Flugversuch wird von den meisten Biografen nicht bestätigt, aber es
wird spekuliert, dass da Vinci im Jahre 1496 einen Flugversuch unternommen hat.295
Diese Aktion hätte sich somit im Jahr 1996 (sprich der Produktionszeit der Episode)
zum 500. Male gejährt. Die Darstellung da Vincis in der Episode bleibt allerdings
gegenüber der Darstellung von Earhart eher eindimensional; seine Rolle in der Episode
ist vor allem die eines humoristischen Partners für Janeway. Er ist der schrullige,
liebenswert-verrückte Wissenschaftler, der sich in eine Welt versetzt sieht, die selbst er
sich mit seinem Intellekt nicht vorstellen konnte. Er wird gleichzeitig aber als großes
Genie weiter verehrt – als Mann, der in der Renaissance dazu beigetragen hat, eine
Modernisierung einzuleiten, die die Voyager-Serie insgesamt als großes Narrativ der
Menschheitsgeschichte darstellt.
Wie im Fall der da Vinci-Folgen ist die futuristische Technologie der Holoprojektion für die Geschichtskultur der Voyager von besondere Bedeutung, denn sie
ermöglicht die perfekte Simulation historischer Lebenswelten. Die Voyager-Crew kann
hier Geschichte mitspielen, und zwar mit einem Authentizitätseffekt, der die Möglichkeiten der Zuschauer für das Spielen und ‚Erleben‘ von Geschichte (in Reenactment
oder Living History) wesentlich übersteigt. Damit greift die Voyager-Serie auch die
Tendenz zur ‚Unterhaltung‘ durch Geschichte und Geschichte als ‚Freizeitangebot‘ am
Ende des 20. Jahrhunderts auf.
295
Auf populären Internetseiten findet sich die Bemerkung, dass in seinen Notizbüchern ein solcher
Flugversuch erwähnt wird (vgl. „1496“ und „Leonardo-Flug“). Der Biograf Charles Nicholl
spekuliert, dass Leonardo auf jeden Fall Pläne für einen Flugversuch hatte, allerdings im Jahre 1505
(2006, 498f).
191
3.2 Geschichte als Szenerie in Voyager
Eine Episode, die eine historische Zeit dezidiert als Unterhaltungsszenario einsetzt ist
„Fair Haven“ (6/11; Erstausstrahlung 12.01.2000). Es handelt sich hier um die
nostalgische Nachbildung eines stereotypen irischen Dorfes aus dem 19. Jahrhundert
auf dem Holodeck – einem pittoresken Szenario für den ‚Geschichtstouristen‘. Die
Eingangssequenz der Episode beginnt mit einer Bahnhofsszene: eine Dampflok gibt
Signal und Koffer werden abgestellt. Danach zieht die Kamera auf und zeigt u.a. ein
Schild mit englisch und irischer Aufschrift „Fair Haven / Cuan Soineanta / Welcome
Weary Traveller / Fáilte a Thaistealaí Thuirseach“. Mit der Einblendung des Ortschildes
wird als Hintergrundmusik eine irische Weise eingespielt. Es folgt ein Schnitt zu einer
Dorfszene: eine kleine Straße mit Kopfsteinpflaster und irisch anmutenden Häusern, im
Hintergrund ist ein hoher, grüner Berg zu sehen und Schafe in den Straßen, die
Dorfbewohner sprechen mit irischem Akzent. Der Doktor hat in diesem Szenario die
Rolle des Gemeindepfarrers übernommen und fordert Tom und Harry auf, am Sonntag
zur Messe zu kommen. Tom: „He’s kidding, right?“ / Harry: „You wanted authenticity.“
(02:40). Auch Janeway ist begeistert von der ‚Wirklichkeitstreue‘ von Toms Programm:
„You have outdone yourself this time. Everything is authentic except for one tiny detail.
The harp on the [pub] sign, it’s backwards.“ (06:01) Janeway, vom Doktor explizit als
Kennerin der irischen Geschichte ausgewiesen, macht sich auf dem Holodeck per
Simulation mit der Lebenswelt ihrer irischen Vorfahren bekannt und knüpft damit auch
an die irischen Wurzeln vieler US-amerikanischer Zuschauer an.296 Sie wird vom Wirt
des Pubs, Michael Sullivan, auf gälisch begrüßt: „Ceád mile fáilte! […] One hundred
thousand welcomes. It’s an old Irish saying.“ (09:51) Daraufhin erinnert sich Janeway
an ein Sprichwort ihrer Tante: „A stranger is a friend you just haven’t met yet.“ Michael
Sullivan deklariert es sofort als „definitely Irish“ (10:06).
Zuschauer dieser und anderer Folgen der Serie dürften in der Holo-Simulation
historischer Welten eine Extrapolation ihrer eigenen Geschichtskultur erkennen. Durch
das Holodeck wird eine virtuelle Living History-Erfahrung vorgestellt, wie der
296
Jedes Jahr zum St. Patrick’s Day (17. März) feiert eine Vielzahl von US-Amerikanern ihre irischen
Wurzeln u.a. mit einer großen Parade in New York City und der Grünfärbung des Charles River in
Chicago. Des Weiteren sind in Einwanderungskulturen wie den USA Reisen in die Herkunftsländer
von Vorfahren populär. In diesem Zusammenhang spielt Irland angesichts der hohen Migrationsrate
gerade von dort eine besondere Rolle. Vgl. hierzu bspw. Angela Wright (2009), die in ihrer Studie eine
enge Verbundenheit zwischen den USA und Irland auf historischer und emotionaler Ebene sowie die
Vorfahren betreffend konstatiert. McCain/Ray (2003) untersuchen die Motivation von US-Bürgern,
das Land ihrer Vorfahren zu besuchen. Nuala Johnson (1999) zeigt auf, wie das Fremdenverkehrsamt
in Irland seit den 1990ern strategisch heritage tourism propagiert.
192
Zuschauer sie z.B. von Freilichtmuseen her kennen. Der Besucher, in diesem Fall die
Crew, wandelt aber nicht nur durch die Szenerie, sondern kann aktiv im Rollenspiel eine
historische Erfahrung machen. Die Beliebtheit besonders von Kriegs-Reenactments,
auch zur Entstehungszeit der Serie,297 wird in anderen Folgen aufgegriffen. Es ist nicht
überraschend, dass Star Trek hierfür die beiden für die USA vielleicht bedeutendsten
Kriege herangezogen hat. Sowohl der amerikanische Bürgerkrieg als auch der Zweite
Weltkrieg sind im Funktionsgedächtnis der USA verankert, wie oben gezeigt wurde. Im
Gegensatz zur irischen Idylle von „Fair Haven“ dienen die Kriegs-Reenactments in
Voyager jedoch nicht als ‚reine‘ Spielflächen, sondern haben ernsthafte Hintergründe. In
beiden Fällen dienen die historischen Szenarien zunächst als ‚Referenzgeschichte‘ für
fremde Spezies.
Die Episode „The Q and the Grey“ (3/11; Erstausstrahlung 27.11.1996) nutzt
den amerikanischen Bürgerkrieg als Kulisse. Dies wird bereits im Titel suggeriert. Grau
steht hierbei für die Farbe der Südstaaten-Uniform und ‚Q‘ reimt sich mit blue – der
Farbe der Uniform der Nordstaaten. Die ‚Q‘ sind in der Star Trek-Welt eine allmächtige
Spezies, die mit dem Schicksal der Menschen zur Unterhaltung gerne spielt. In „The Q
and the Grey“ benötigt diese Spezies jedoch die Hilfe der Voyager-Crew, da sie sich in
einem internen Konflikt befindet, der ihre Welt (das Q-Kontinuum) zu zerstören droht.
Damit sie sich die Natur dieses Konflikts vorstellen können, versetzt einer der Q die
Crew in das Szenario des amerikanischen Bürgerkriegs, der somit als Analogie dient.
Die erste Szene des Reenactments – das dieses Mal nicht vom Holodeck ermöglicht wird, sondern durch Qs schöpferische Kraft – zeigt ein typisches SüdstaatenHerrenhaus, wie es den Zuschauern auch aus populären filmischen Darstellungen
bekannt sein dürfte.298 Die nächste Szene zeigt Janeway im Salon des Hauses bei
Kerzenlicht: sie trägt ein Kleid aus dem 19. Jahrhundert, und auch ihre Frisur ist der
Zeitperiode entsprechend – Janeway verkörpert sozusagen das Stereotyp der Southern
belle. Q erscheint in einer Unions-Uniform, und erklärt Janeway, dass sie sich im QKontinuum befinden, in einer Repräsentation, die Janeway ‚verstehen‘ kann (Q: „I’m
simply allowing you to perceive it in the context your human mind can comprehend.“
17:29). Die Szene lässt Elemente eines stereotypen Südstaatenromans anklingen. Die
Romantik der Situation zwischen einer Southern belle und einem Offizier der Union
297
298
Vgl. oben auf S. 165f dieser Arbeit.
Wie z.B. aus der Südstaaten-Romanze Gone with the Wind (1939, Regie: Victor Fleming), den Serien
North and South (1985, Regie: Richard T. Heffron) und Queen (1993, Regie: John Erman) oder auch,
aus einem andere Genre, dem Film Interview with the Vampire (1994, Regie: Neil Jordan).
193
wird aber gestört, als Q Janeway zeigt, was im Kontinuum geschieht. Er öffnet die
Läden der Verandatür und man sieht mehrere Feuer brennen und hört Schüsse – ein
Gefecht findet direkt vor dem Haus statt. Q erklärt: „The Continuum is burning. The Q
are in the middle of a civil war.“ (18:38)
Janeway ist bestürzt, dass eine so hochentwickelte Spezies wie die Q ihren
Konflikt mit einem Krieg austragen und verweist darauf, dass die Menschheit solche
Mittel hinter sich gelassen habe. Dass der amerikanische Bürgerkrieg auch aus Sicht der
Zuschauer der Folge ‚Geschichte‘ ist, unterstreicht diese Aussage – die zudem
wiederum das Fortschrittsnarrativ der Serie impliziert: „[O]ur civil war came at a time
before mankind had learned to resolve disputes without bloodshed.“ (20:13) Q hingegen
sieht den Krieg als Möglichkeit zum Neuanfang: „War can be an engine of change. War
can transform a society for the better. Your own civil war brought about an end to
slavery and oppression.“ (20:05)
Neben den ernsthaften Tönen, die die Episode anschlägt, vermittelt sie aber auch
etwas von der Atmosphäre typischer Bürgerkriegs-Reenactments. Dies wird besonders
in der Darstellung der beiden Armee-Camps deutlich. Das Unions-Camp ist ein riesiges
Lager mit weißen Zelten, in dem bei Nacht überall Lagerfeuer brennen. Man sieht, wie
ein Soldat am Feuer sitzend sein Gewehr reinigt, während daneben das Essen zubereitet
wird. Im Hintergrund hilft ein Soldat einem verwundeten Kameraden, etwas zu trinken.
Man hört eine Mundharmonika spielen und die Grillen zirpen. Das KonföderiertenLager wird bei Tag gezeigt: auch hier sieht man einen Soldaten, der an einem Baum
lehnend sein Gewehr reinigt, im Hintergrund laufen andere Soldaten durch das Bild. Als
die Kamera schwenkt, ist noch ein weiterer Soldat beim Essen zu sehen. Die ‚CampRomantik‘ des Unions-Lagers, evoziert durch die Lagerfeuer und die musikalische
Untermalung der Szenerie, klingt bei der ‚nüchternen‘ Darstellung des KonföderationsLager nicht an. Diese Darstellung dient der Lenkung von Sympathie mit dem
Unterfangen der Unionsseite, die ebenso durch Qs Kampf als Anführer der „freedom
faction“ (35:20) gegen die starre Gesellschaftsordnung innerhalb des Kontinuums,
ähnlich wie die Nordstaaten für Freiheit im US-Bürgerkrieg gekämpft hatten, etabliert
wird. In diesem Sinne überrascht es nicht, dass die Mitglieder der Voyager-Crew, die
Janeway und Q zu Hilfe eilen, die Uniform der Nordstaaten tragen. Der amerikanische
Bürgerkrieg wird hier als Verdeutlichung eines abstrakten Konflikts instrumentalisiert,
ist aber gleichermaßen ‚Entertainment‘ für den Zuschauer, d.h. es wird eine Abwechslung von der sonst an Bord der Voyager stattfindenden ‚Gegenwarts‘-Handlung geboten.
194
Ein historisches Interesse am Bürgerkrieg per se besteht hier nicht; für die Zwecke der
Folge sind klischeehafte Evozierungen einiger seiner Elemente ausreichend.299 Dies gilt
auch für das Szenario des Zweiten Weltkriegs, das in der Serie in einer skurril anmutenden Handlung evoziert wird.
In der Doppelfolge „The Killing Game“ (4/18, 4/19; Erstausstrahlung
04.03.1998) wird die Crew auf dem eigenen Schiff von den Hirogen – einer Jäger- und
Kriegerrasse – gefangen gehalten, die die Möglichkeiten des Holodecks zum Ausleben
ihres immensen Jagdtriebes nutzen und die Mitglieder der Crew als ‚Beute‘ einsetzen,
ohne auf deren Leib und Leben Rücksicht zu nehmen. Der Crew ist wegen eines durch
die Hirogen verpflanzten Gehirnimplantats nicht bewusst, dass sie sich in einem ‚Spiel‘
befinden. Für sie als (unfreiwillige) ‚Reenactors‘ ist dadurch der Zweite Weltkrieg
grausame ‚Wirklichkeit‘ geworden. Während die Hirogen Nazis verkörpern, ‚spielen‘
die Mitglieder der Crew einerseits französische Widerstandskämpfer (Janeway, Tuvok,
Neelix, Seven und B’Elanna), andererseits Angehörige der amerikanischen Befreiungstruppen (Tom und Chakotay). In dem kleinen, fiktiven französischen Dorf St. Claire ist
Janeway die Betreiberin der Bar „Le Coeur de Lion“. Ganz in Weiß gekleidet
präsentiert sie sich als Figur mit deutlichen Anklängen an den Clubbesitzer Rick, den
Humphrey Bogart in Casablanca (1942, Regie: Michael Curtiz) darstellt. Seven ist
Sängerin im Nachtclub. B’Elanna ist von einem deutschen Hauptmann, der dem Ort
vorsteht, schwanger, weshalb sie von den französischen Dorfbewohnern geächtet wird.
Für die Resistance dechiffriert sie Nachrichten, die über das britische Radio in den
Wettermeldungen übermittelt werden. Neelix bleibt auch im Spiel seiner Funktion als
Versorgungsoffizier treu und schmuggelt den Dechiffriercode mittels der Etiketten von
Weinflaschen in Janeways Bar. Im Verlauf der Handlung gelingt es dem Doktor, der auf
der Krankenstation der Voyager die durch die Hirogen schwer verwundeten CrewMitglieder versorgt, die Gehirnimplantate zu deaktivieren. Somit erlangen die Crewmitglieder ihr Bewusstsein wieder, verlieren dadurch aber auch ihr Wissen als Reenactors
und müssen von da an improvisieren. Lediglich Tom Paris verfügt über einiges
Detailwissen, da er sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts besser auskennt als die
anderen Figuren:
Tuvok: I don’t recognise this program.
299
Vgl. dazu Halbohm (1999, 167), der diesen Aspekt an populären literarischen und filmischen Zitaten
und Anspielungen festmacht. Diese Form der Exposition kann aber durchaus auf geschichtliches
Wissen angewandt werden vgl. auch S. 30.
195
Tom: I do. He’s wearing a Nazi uniform. We’re on Earth during the Second World War.
Seven: Nazis?
Tom: Totalitarian fanatics bent on world conquest. The Borg of their day. (Teil II, 22:24)
Die klare Negativcharakterisierung der Nazis in der Episode erfolgt aber weniger durch
ihre Parallele zu den Borg als mit der Jägerrasse der Hirogen, für die andere Spezies nur
‚Beute‘ sind. Jedoch ist die Herrenmenschenideologie der Nazis dem Alpha-Führer der
Hirogen unverständlich, woraufhin er einen deutschen Holo-Hauptmann über den
Superioritätsanspruch der ‚Herrenrasse‘ befragt, dessen Antworten jedoch für die
Zuschauer deutlich verurteilt.
Hauptmann: Sir, you question our destiny?
Alpha: Of course not, but I want to hear it in your own words. Tell me, why are we the
master race?
Hauptmann: Our blood is pure. Our people lived and hunted on this land for 1,000 years
before the degnerate races brought their corruption. Europe must be purified.
Alpha: You yourself, are you stronger than these degenerate races, or cunning?
Hauptmannn: Yes, of course.
Alpha: And if you were alone without an army supporting you, could you continue the
hunt? If your prey were armed instead of defenceless, what then?
Hauptmann: Colonel, I don’t know what you’re trying to...
Alpha: You are superior to no one. Never underestimate your prey or disrespect its
abilities. If you do, you will become the hunted. (Teil I, 17:31)
Diese Aussage des Hirogen wird im Verlauf der Handlung erwartungsgemäß bestätigt:
Es gelingt der Voyager-Crew, Nazi-Hologramme und Hirogen zu besiegen und damit
die historische Leistung der USA im Zweiten Weltkrieg noch einmal zu wiederholen.
Die Haltung der Voyager-Crew (die hier ‚die Menschheit‘ repräsentiert), nötigt dem
Hirogen-Führer Respekt ab. Ihn fasziniert bei den Konflikten der Menschheit deren
Fähigkeit zur Veränderung, wie er Janeway erklärt und dabei ausdrücklich betont, aus
der Geschichte der Menschheit gelernt zu haben:
Alpha: [Y]our holodecks allowed me to go further, to explore your culture, your history. I
must admit I’ve learnt a great deal.
Janeway: How so?
Alpha: Your people have forced extinction many times, but you’ve always managed to
avoid it. You seem to recognize the need for change.
Janeway: Yes, you’ve got one of those moments running right now on the holodeck: We
called it World War II.
196
Alpha: One of your most difficult eras. And yet you survived.
Janeway: It wasn’t easy.
Aalpha: You are a resilient species. I admire your cunning. (Teil II, 27:16)
Ähnlich wie in der Episode „The Q and the Grey“ wird auch hier Geschichte als
‚Lektion‘ präsentiert, aus der man lernen kann, um dann auf einem besseren Weg
‚fortzuschreiten‘. Die historische Situation, die er auf der Voyager im Rollenspiel erlebt,
hat den Hirogen zur Einsicht über die verfahrene Situation seiner eigenen Gesellschaft
gebracht. Er erkennt, dass die Hirogen aufgrund eines fehlgeleiteten Selbstverständnisses – nämlich das Verharren im Jäger-Beute-Schema – den Delta-Quadranten
fast leer gejagt haben und in alle Richtungen der Galaxis verstreut sind: Es gibt keinen
Heimatplaneten, keine gemeinschaftlichen Feste oder Rituale, sie sind allein oder in
Rudeln unterwegs. Er hat verstanden, dass seine Spezies somit dem Untergang geweiht
ist:
Species that don’t change [Pause] die. [Pause] We’ve lost our way. We’ve allowed our
predatory instincts to dominate us. We disperse ourselves throughout the quadrant,
sending ships in all directions. We’ve become a solitary race, isolated. We’ve spread
ourselves too thin. We’re no longer a culture. We have no identity. In another 1,000 years,
no one will remember the name Hirogen. Our people must come back together, combine
forces, rebuild our civilization. (Teil I, 26:52)
Weder „The Q and the Grey“ noch „The Killing Game“ wollen per se
Geschichtswissen vermitteln und verharren in stereotypen Bildern, die mit Bürgerkrieg
und Zweiten Weltkrieg in der amerikanischen Gesellschaft verbunden und dabei auch
für ein internationales Publikum anschlussfähig sind. Konfliktbehaftete Themen wie die
Sklaverei und der Holocaust bleiben in diesen Folgen ausgespart. Dennoch betonen sie,
wie relevant der Umgang mit Geschichte, und damit Geschichtskultur generell ist. Die
Vergangenheit dient als Folie, aus der eine Lehre zu einem besseren Verständnis der
Gegenwart gezogen werden kann. Die Relevanz von Geschichte wird für den Zuschauer
vor allem anhand des Fortschrittsmodells von Geschichte verdeutlicht. Beide Beispiele
verweisen auf einschneidende Episoden der US-amerikanischen Geschichte, aus deren
krisenhaften Konflikten die Nation gestärkt hervorging und den ‚Fortschritt‘ vorantrieb.
Die Welt der Voyager-Serie – eine fiktionale Fortschreibung der Gegenwart – ist der
‚Beweis‘ dafür, dass dieser Fortschritt erreicht wurde. Diese Lesart wird dadurch
unterstützt, dass die Crew-Mitglieder im ‚Reenactment‘ nur die Rollen der ‚Sieger‘ und
der ‚Guten‘ der jeweiligen Konflikte einnehmen. In beiden Fällen müssen ‚defizitäre‘
Spezies Schlussfolgerungen aus der Geschichte ziehen – die überheblichen Q und die
197
primitiv-brutalen Hirogen; beide profitieren letztendlich aus den Geschichtslektionen
der Menschheit. Abgesehen von ihren konkreten historischen Themen und Inhalten
sowie dem Verweis auf Geschichte als ‚Spiel‘ machen beide Beispiele Aussagen zur
generellen Bedeutung von Geschichte und historischem Erinnern und ergänzen in dieser
Hinsicht Episoden, in denen dieser Aspekt im Vordergrund steht.
3.3 „Not Just a Matter of History“ – Der Wert des (historischen) Erinnerns in Voyager
Wie in 2.2 gezeigt wurde, besteht eine Tendenz, Erinnerungen an problematische
Vorkommnisse in der eigenen Geschichte auszublenden bzw. führt die Repräsentation
solcher Vorkommnisse und damit der Zwang zum Erinnern zu Kontroversen. Umso
signifikanter scheint es, dass Auseinandersetzungen mit traumatischem Erinnern
wiederholt in der Voyager-Serie aufgegriffen werden. Die bisher angeführten Episoden
mit Geschichtsthemen bestätigen dominante Narrative und Bilder. In den folgenden
Beispielen wird dem historischen Erinnern eine ethische Dimension beigemessen und
damit auch bestehende Erinnerungspolitik kritisiert. Diese Episoden tragen dabei bereits
die vielsagenden Titel „Remember“, „Memorial“ und „Living Witness“, mit denen
Schlagworte der Erinnerungskultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts aufgegriffen
werden.
In der Episode „Remember“ (3/06; Erstausstrahlung 09.10.1996) befördert die
Voyager eine Gruppe von Enaran zu ihrem Heimatplaneten. Diese Spezies kann
Erinnerungen und Erfahrungen telepathisch übertragen. Als B’Elanna sehr real
wirkende Träume hat, wird der Zusammenhang mit den telepathischen Fähigkeiten der
Gäste bald vermutet und ausgesprochen, dass B’Elanna hier fremde Erinnerungen
durchlebt. Als sie diesen Erinnerungen nachforscht, kommt sie einem historischen
Trauma der Enaran auf die Spur, das die Gesellschaft scheinbar erfolgreich aus ihrem
kollektiven Gedächtnis verdrängt hat. Ein Individuum unter den Gästen an Bord, die
ältere Frau Korenna, leidet jedoch sehr unter ihren Erinnerungen und gibt diese an
B’Elanna weiter, aus Angst, dass die Erinnerungen sonst verloren gehen. Von ihrem
Volk will niemand die Wahrheit anerkennen oder zulassen, sie wird aktiv durch
gesteuerte Erinnerungspolitik ausgeblendet. Aus den Traumsequenzen erfährt der
Zuschauer zusammen mit B’Elanna jedoch, dass es bei den Enaran in der Vergangenheit
die soziale Klasse der ‚Regressiven‘ gegeben hat. Diese wurde von der herrschenden
Klasse, den ‚Progressiven‘, unterdrückt und musste in Ghettos leben. Korenna liebte in
198
ihrer Jugend Dathan, ein Mitglied der Regressiven. Naiv den Doktrinen ihrer eigenen
sozialen Klasse folgend, die stellvertretend durch Korennas Vater dargestellt werden,
trug sie jedoch selbst zur Auslöschung der Regressiven bei. Sie glaubte, ein
Umsiedlungsprogramm zu organisieren, tatsächlich wurden die Menschen jedoch in den
Tod geschickt. Während B’Elannas Träume zunächst nur den Geliebten erinnern und
entsprechend positiv-erotisch sind, werden sie mit der Annäherung an die Wahrheit
zunehmend traumatisch mit Schuldgefühlen und Verzweiflung aufgeladen. Für die
Zuschauer der Folge werden die Anklänge an historische Verfolgungen, etwa der Juden
oder Roma in einer Sequenz deutlich angesprochen, in der B’Elanna einen Dialog
zwischen Korenna und ihrem Geliebten Dathan nacherlebt:
Dathan: What’s happening here is wrong, Korenna, don’t be a part of it anymore.
Korenna: It’s just a resettlement.
Dathan: It is more than that! My uncle and his family were resettled two months ago and
we haven’t heard from them since. Nobody I know has had any contact with this new
colony we’re supposed to be going to.
Korenna: There could be a perfectly good reason for that.
Dathan: There are stories. I have heard that the transports don’t really go anywhere, that
the passengers get just vaporised in some kind of thermal sweep. Korenna, thousands of
us have gone already, we are being slaughtered.
Korenna: It’s ridiculous! No one is being killed! (27:47)
Die Unglaublichkeit von Dathans Version der Vorgänge und die Loyalität zu ihrem
Vater machen es letzterem leicht, Korenna weiter zu verunsichern („Do you really
believe that your family and friends are capable of that?“ 30:28). Korennas Vater
beschuldigt Dathan, dass er ihre Sympathie nur für seine eigenen Zwecke erlangen
möchte, denn die Regressiven, so Korennas Vater, wollten die Progressiven von weiterer
Entwicklung abhalten. Sie seien hinterhältige Lügner, die Unruhe und Zweifel unter den
Progressiven streuen wollen. Daraufhin denunziert Korenna Dathan, und er wird mit
anderen Regressiven an den Pranger gestellt und exekutiert. Korenna steht unter den
Zuschauern und bejubelt verblendet die Tötung, die als Exempel statuiert wird.
In einer historischen Lüge wird die Auslöschung der Regressiven später unter
den Enaran damit erklärt, dass sie sich in ihrer neuen Kolonie selbst durch Krankheit
und Kämpfe vernichtet hätten. Das Tor zu ihrem ehemaligen Ghetto steht als Mahnmal:
Rückständigkeit, verkörpert durch die Haltung der Regressiven, führt in den Tod. Das
Mahnmal wird hier genutzt, um das Verhalten der Progressiven zu affirmieren; es trägt
199
zur Verschleierung von Unrecht bei und konnotiert die herrschende Ideologie als den
richtigen Lebensweg. In einer weiteren Erinnerung, die auf B’Elanna projiziert wird,
sieht man Korenna als Lehrerin, die ihren Schülern die angebliche Bedeutung des
Mahnmals erklärt und die Geschichtslektion, die aus dem Schicksal der Regressiven
gelernt werden könne:
Korenna: We can learn from their mistakes. That’s why we keep this gate here, to remind
us never to be stubborn and backward like they were.
Schülerin: We’ll remember. (34:19)
Korenna scheint hier die Geschichtslüge ihrer Gesellschaft vollständig absorbiert zu
haben. Als alte Frau an Bord der Voyager kann sie die Wahrheit jedoch nicht mehr ausblenden und das Geschehene unterdrücken oder verheimlichen und gibt ihre Erinnerungen an B’Elanna weiter.
B’Elanna: Why give them to me?
Korenna: You won’t deny the truth. We’ve been hiding it. I couldn’t anymore. They
found out I was sharing it with you.
B’Elanna: Who did?
Korenna: Don’t let the memories die. Promise me! (26:34)
Korenna spricht die Worte im Sterben: sie ist, so kann man vermuten, getötet worden,
um weitere Enthüllungen zu verhindern. B’Elanna konfrontiert im Beisein der restlichen
Enaran den Anführer der Gruppe mit der wahren Historie. Dieser stellt Korennas
Erinnerungen jedoch als Verwirrungen einer kranken Frau dar: „Nobody thinks you’re
lying, Lieutenant. The poor woman has been ill for a long time. Her memories may be
distorted, or, perhaps, your perception of them was colored by elements from your
culture.“ (36:58) B’Elanna appelliert daraufhin an die Gruppe, nicht weiter die Augen
zu verschließen, auch wenn die Wahrheit ‚unbequem‘ sein kann. Korenna – als
‚moralische Zeugin‘ im Sinne Margalits (vgl. S. 155) – habe ihre Erinnerungen
ungeschönt und ohne Ausflüchte geteilt:
I was with her every step of the way as she convinced herself that what she did –
betraying the man she loved, playing her part in the massacre – that it was all somehow
for the good of Enaran society. She showed everything. No apologies. No request for
forgiveness. Just the truth. At least she had the conscience to stand up and realise what
she’d done wrong. (37:24)
Zu B’Elannas Enttäuschung weigern sich nicht nur die Enaran, Korennas TäterErinnerungen anzuerkennen, auch Janeway zeigt sich zurückhaltend, was die weitere
200
Ergründung der Wahrheit anbelangt, da man sich nicht in die Geschichte anderer
Kulturen einmischen dürfe:
Janeway: Whatever the Enarans have done, it’s not our place to bring them to justice. If
they’ve chosen to conceal part of their history from their own descendants that’s their
decision, whether we approve of it or not.
B’Elanna: It’s not just a matter of history. This could happen again if no one knows it
happened before.
Janeway: We simply have no right to get involved. (39:08)
Janeways Position ist insofern bemerkenswert, als sie sonst stets für die Verfolgung von
Unrecht eintritt. Betrachtet man die Episode im Zusammenhang mit der Debatte etwa
um das Holocaust-Museum in Washington (s.o.), erschließen sich interessante Bezüge:
Janeway kann als Verfechterin der Seite interpretiert werden, die argumentiert, dass die
Erinnerung an eine Geschichte, die angeblich nicht die eigene ist, keine Bedeutung für
die Gemeinschaft habe. B’Elanna hingegen gehört zu den Anhängern, die
argumentieren, dass jegliches Unrecht erinnert werden muss, als Mahnung nicht
denselben Fehler zu begehen. Und sie scheint durch die Handlung Recht zu bekommen,
denn sie erreicht letztendlich doch ein junge Frau der Enaran, die sich für Korennas
Vergangenheitsversion interessiert. B’Elanna appelliert an die junge Frau, die
Vertreterin einer ‚nachgeborenen‘ Generation, Fragen zu stellen, zur angeblichen
Kolonie der Regressiven zu gehen und nach Beweisen zu suchen: „Learn the truth for
yourself.“ (41:48) Dies ist ein Appell, sich eine eigene Meinung zu bilden und nicht eine
Vergangenheitsversion unhinterfragt anzuerkennen, wenn Grund zu Zweifeln besteht.
Die Episode endet damit, dass die junge Frau eine telepathische Verbindung zu
B’Elanna aufbaut und so selbst Korennas Erinnerungen ‚abruft‘. Korennas Geschichte
wird damit weiter erinnert werden. Ihr Zeugenbericht geht nicht verloren, sondern wird
im Gedächtnis zumindest einer weiteren Person im Volk der Enaran lebendig gehalten.
Der Gedanke, dass traumatische Erinnerungen nicht dem Vergessen anheim gegeben
werden dürfen, ist zentral auch für eine andere Voyager-Episode, die ausdrücklich mit
„Memorial“ betitelt ist. Auch hier werden Mitglieder der Voyager-Crew zu einem
extrem realistischen Nacherleben bzw. Miterleben von Geschichte gezwungen.
„Memorial“ (6/14; Erstausstrahlung 02.02.2000) thematisiert prominent die
Bedeutung von Erinnerungsorten, d.h. Gedenkstätten in der Geschichtskultur. Hierbei
wird die Erinnerung an die Toten als Mahnung für die Nachwelt hervorgehoben. Harry,
Tom, Chakotay und Neelix kehren von einer Außenmission auf die Voyager zurück und
201
leiden an Symptomen von post-traumatischem Stress und damit einhergehenden Panikattacken. Nachdem der Doktor herausfindet, dass es sich bei diesen traumatischen Erinnerungsfetzen offenbar nicht um Halluzinationen, sondern um tatsächliche Erinnerungen handelt, wird bei einem Treffen der Offiziere mit Janeway und dem Doktor
versucht, das Erinnerte dialogisch in der Gruppe zu rekonstruieren und zu bewerten.
Filmisch wird diese Besprechung alternierend mit erinnerten Gefechtsszenen auf einem
fremden Planeten dargestellt. Auch der Zuschauer wird somit quasi zum Augenzeugen
des Geschehens. Sehr offensichtlich sind die Gefechtsszenen an Bildern aus und über
den Vietnamkrieg orientiert, d.h. sie evozieren ein für die USA traumatisches und
kontroverses Erinnerungsereignis. Die Besprechung auf der Voyager verläuft entsprechend nicht in einem ruhigen Tonfall, sondern lässt die Stresssituation zu Tage
treten; das Gespräch ist emotional hoch aufgeladen. Zum Erschrecken der Beteiligten
ergibt die Rekonstruktion, dass sie anscheinend an einem Massaker – analog etwa zu
My Lai im Vietnamkrieg – während einer Kriegssituation beteiligt waren:
Harry: We didn’t have any other choice.
Chakotay: Like hell we didn’t.
Harry: But they were wiping us out.
Chakotay: That didn’t give us the right to murder civilians.
Neelix: I tried to protect the children but I couldn’t stop them from running away.
Harry: I ran too. Sounds of phaser fire. People shouting. I had to get out of there. (19:46)
Wie sich im Episodenverlauf herausstellt, sind die Crewmitglieder unschuldig, denn das
Massaker ist vor über 300 Jahren geschehen. Die Erinnerung der damals wirklich
Beteiligten wird elektronisch von einem ‚Memorial‘ auf dem Planeten an alle ‚übertragen‘, die in dessen Reichweite kommen.
Als sich die Voyager zu Zwecken der Aufklärung des Vorfalls dem Planeten
nähert, ist entsprechend in kürzester Zeit die ganze Crew betroffen und stark
traumatisiert. Das ‚Memorial‘ erweist sich als die ‚ultimative‘ Gedenkstätte, die das
Vergangene als persönliche Erinnerung für Individuen späterer Generationen evoziert
und bewahrt. Aleida Assmann etwa betont, dass Orte zwar „ein Gedächtnis auch über
Phasen kollektiven Vergessens hinweg beglaubigen und bewahren [können]“ dazu
allerdings nach dem Vergessen eine „Reanimation“ der Erinnerung stattfinden muss,
denn „[w]o jegliche Überlieferung abgerissen ist, entstehen Geisterorte, die dem freien
Spiel der Imagination oder der Wiederkehr des Verdrängten überlassen sind“ (2009, 21).
202
Allerdings stellt sich heraus, dass das Mahnmal seit zwei Jahrhunderten nicht mehr
gewartet wurde und deshalb die Übertragung der Erinnerung nur noch fragmentarisch
funktioniert. Die Spezies, die die Gedenkstätte erbaut hat, lebt nicht mehr oder ist
weitergezogen, so dass keine ‚Denkmalpflege‘ mehr stattgefunden hat. Diese Pflege ist
allerdings, so Erll, wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur, denn „Denkmäler, deren
Symbolik nicht mehr dekodiert werden kann, sind erinnerungskulturell tote Materie“
(2005, 137 vgl. dazu auch Grütter 1994, 53), Janeway beschließt, im Fall des Obelisken,
diese Pflege zu übernehmen, obwohl ihr bewusst ist, in welchem Maß die Erinnerung
einer anderen Spezies ihre Besatzung und auch sie selbst verstört hat und sogar hat
leiden lassen. Diese Entscheidung ist nicht unkontrovers und löst unter der Besatzung
eine Diskussion um Notwendigkeit und Nutzen auch traumatischen Erinnerns aus, etwa
zwischen Neelix und Seven:
Neelix: When you were a Borg, you were involved in some unpleasant activities.
Seven: I helped to assimilate millions.
Neelix: I don’t mean to be insensitive, but do you ever feel shame about what you did?
Seven: Frequently.
Neelix: How do you manage to keep going, knowing that you’ve done such horrible
things?
Seven: I have no choice.
Neelix: Guilt is irrelevant?
Seven: On the contrary. My feelings of remorse help me remember what I did, and
prevent me from taking similar actions in the future. Guilt can be a difficult, but useful
emotion. (29:31)
Neelix versteht nun, welchen Nutzen auch die Gedenkstätte und grausame Erinnerungen
generell haben können, und bringt dies in die weitere Diskussion ein als Argument
gegen eine völlige Abschaltung des Obelisken, die andere fordern:
Tuvok: But we’ll prevent this from happening to other passing ships?
Neelix: If we do that all record of what happened here would be lost.
Chakotay: But the monument will still be here.
Neelix: But that doesn’t really tell the story. [Pause] Someone put a lot of time and care
into building that transmitter. We can’t just deactivate it, we don’t have the right.
Harry: Did they have the right to force us to relive all that?
Neelix: They wanted others to know what it was like, in the hopes that nothing like it
would happen again.
203
Chakotay: Why should anyone have to experience an atrocity they didn’t commit?
Neelix: Because that’s how you learn not to make the same mistake. If we destroy the
evidence, we’re no better than Saavdra.
[…]
Neelix: This isn’t about logic, it’s about remembering.
Chakotay: Some things are best forgotten. (38:05)
Auch hier wird wieder das dialogische Prinzip der Serie bei der Verhandlung
wichtiger ethischer Fragen aufgegriffen und das Für und Wider der Abschaltung in der
Gruppe diskutiert. Dennoch liegt die Entscheidungshoheit, gemäß der Hierarchie, bei
Janeway. Diese ist mit Neelix einer Meinung und spricht das Machtwort zur Erhaltung
der Übertragung, wobei sie auf die mahnende Bedeutung einer wichtigen Erinnerungsstätte hinweist: „The fields of Gettysburg. Those were other people’s memories too but
we don’t honor them the less. The 82 colonists who died here – they deserve their
memorial.“ (39:04) Die Crew entschließt sich, den Oblisken zu warten, um eine
lückenlose Übertragung und Erinnerung für die nächsten Jahrhunderte zu garantieren.
Allerdings wird eine Boje ausgesetzt, die vorbeifliegende Raumschiffe davor warnt, mit
welcher Erfahrung sie rechnen müssen.
Die Erinnerung, die durch den Obelisken ausgelöst wird, stellt – wie die telepathische Erinnerung in „Remember“ – quasi ein ‚Reenactment‘ auf neuronaler Ebene
dar. Die Person wird in den Verlauf des tatsächlichen Massakers auf Seiten der Täter mit
einbezogen und ist auch emotional involviert. Die Erfahrung der Hilflosigkeit, das
Verbrechen und deren Vertuschung zu verhindern, werden hier als problematische
persönliche Erinnerung und damit besonders prägnant in ihrem Gegenwartsbezug
thematisiert. Die Debatte um die Erinnerung und der Versuch der Ausblendung des My
Lai-Massaker klingen hier an, wie auch die Kontroverse um die ethische Bewertung der
Atombombenabwürfe auf Japan und die Enola Gay-Ausstellung. Ähnlich wie die USBürger nicht wahr haben wollten, dass US-Soldaten eine solche Greueltat begangen
hatten, kann auch Janeway nicht glauben, dass ihre Offiziere an einem Massaker
beteiligt waren. Dennoch verfolgt sie zielstrebig den Weg der vollständigen Aufklärung
ohne Kompromisse. In dieser Folge wird zudem bestätigt, dass Mahnmale bedeutend
sind, aber nur Zeitzeugen Geschichte ‚lebendig‘ erzählen können und das Mahnmal
dadurch erst korrekt dekodierbar wird. Mahnmale überdauern zwar die Zeit, die
tatsächliche Bedeutung ist nur mit Zeitwissen erschließbar:
204
[A]ll war memorials have a „shelf-life,‟ a bounded period of time in which their meaning
relates to the concerns of a particular group of people who created them or who use or
appropriate them as ceremonial or reflective sites of memory. (Winter 2006, 140)
Diesem Problem wird durch den Obelisken in „Memorial“ vorgebeugt, da er ‚lebendige‘
Erinnerungen speichert und sendet, wodurch der Empfänger der Erinnerung zum
emotional involvierten Zeitzeugen wird.
Die Episode „Living Witness“ (4/23; Erstausstrahlung 29.04.1998) beschäftigt
sich dagegen mit ‚klassischer‘ Zeitzeugenschaft, speziell auch mit ihrer Bedeutung im
Kontext der Verfälschung von Geschichte durch das Fehlen bzw. falsche Interpretieren
von Artefakten. Die Folge diskutiert zudem, wie die Interpretation der Vergangenheit
den Machtanspruch einer Bevölkerungsgruppe stützen kann, während neue Fakten ein
dominantes Geschichtsbild ins Wanken bringen können. Die Episode spielt aus Sicht
der Voyager-Gegenwart in der Zukunft: Die Crewmitglieder der Voyager werden hier
als historische Figuren in einem Museum erinnert, und zwar höchst unrühmlich, was
den Verdacht der Zuschauer auf eine ‚Geschichtslüge‘ sofort weckt. Die Crew wird
beschuldigt, während eines Bürgerkriegs zwischen Kyrianern und Vaskianiern auf der
Seite der Letztgenannten gekämpft zu haben, wofür sie – als ‚Söldnerlohn‘ – Daten zu
Wurmlöchern erhielten. Durch den Einsatz einer Biowaffe, die angeblich von der
Voyager stammte, sollen acht Millionen Kyrianer getötet worden sein. In der Sequenz
wird die Voyager-Crew als faschistoide Truppe dargestellt, mit Captain Janeway als
deren dominante Führerin.300
Erzählt wird diese Geschichtsversion 700 Jahre nachdem die Voyager an diesem
Planeten vorbeigekommen ist und zwar aus Sicht der Kyrianer, die jetzt mit den
Vaskianern in Frieden leben, sich aber als unterdrückte Bevölkerungsgruppe sehen. Der
Voyager wird für diese Situation die Verantwortung zugeschrieben, da ein Crewmitglied
den Anführer der Kyrianer angeblich getötet hat. Diese Geschichtsversion ist im Sinne
der dominanten Vaskianer und darf daher offiziell auch im ‚Museum für Kyrianisches
Kulturerbe‘ verbreitet werden. Eine Simulation in diesem Museum stellt die
angeblichen Vorgänge der Voyager-Begegnung holographisch dar. Rekonstruiert wurde
sie aufgrund archäologischer Funde, die allerdings teilweise zerstört waren. Es handelt
sich um eine ‚interpretierende Ausstellung‘301 auf der Grundlage von höchst fragwür300
301
Die Prinzipien der Sternenflotte werden in der fehlerhaften Rekonstruktion ins Gegenteil verkehrt, wie
dieser Ausspruch von Janeway zeigt: „When diplomacy fails, there is only one alternative, violence.
Force must be applied without apology. It’s the Starfleet way“ (00:05).
Eine gängige Praxis, wie der Smithsonian Secretary Heyman erklärt: „[M]ore and more museums – of
science, history and the arts – have tried to provide a framework for their exhibitions that gives
context and interpretation.“ (1995, 8) Allerdings hat genau diese Ausstellungspraxis zur Enola Gay-
205
digem Material. Die verfälschte Darstellung wird erst aufgedeckt, nachdem eines der
Relikte endlich aktiviert werden kann, nämlich der mobile Emitter des medizinischen
Hologramms. Für den Kurator des Museums, Quarren, stellt dieser ‚Fund‘ eines
Zeitzeugen den wahrgewordenen Traum eines jeden Historikers dar, wobei Quarren
dem Doktor das Prinzip des Zeitzeugen jedoch zunächst erklären muss:
Doktor: And I’m some sort of fossil?
Quarren: No, not a fossil. A witness. A living witness to history. There’s so much we
don’t know about what happened. But you saw it, you lived through those times. You
helped to shape them. Doctor, you could be the most important discovery of all time.
(20:00)
Stolz zeigt Quarren, welche Schlussfolgerungen er aus dem vorhandenen Material
gezogen hat – diese werden jedoch direkt vom Zeitzeugen widerlegt.
Quarren: We reconstructed it from a partial schematic found in the Cyrik ocean. Which
was badly damaged by corrosion. We were bound to get a few details wrong.
Doktor: Voyager wasn’t a warship. We were explorers!
Quarren: Yes, I know. Trying to get home to Mars.
Doktor: Earth! You see, you even couldn’t get that right! (21:30)
Der Doktor möchte daraufhin die gesamte Austellung sehen, auch um weitere Fehlinterpretationen aufdecken zu können: „To you, this may be ancient history. To me, it’s
yesterday. You called me a living witness. Well, at least, give me the chance to set the
record straight. I want to see your version of what happened.“ (22:07) Quarren zeigt
dem Doktor die Ausstellung zur Voyager, die auch audiovisuell aufbereitet ist. Wie
wenig diese Rekonstruktion die historische Wirklichkeit trifft, haben die Zuschauer der
Folge bereits gesehen. Alle Figuren der Crew sind in Aussehen und vor allem ihrem
Charakter und Verhalten verfremdet. Entsprechend reagiert der Doktor auf die
Darstellung:
Doktor: Pure fiction! This is absurd!
[…]
Quarren: This is a reasonable extrapolation from historic record. But if you’d like to
point out any inconsistencies…
Doktor: Inconsistencies? I don’t know where to begin. (23:27)
Kontroverse geführt und zur Revision der Richtlinien für Ausstellungen der Smithsonian Museen (vgl.
ibid.).
206
Jedoch sträubt sich der Kurator erwartungsgemäß zuerst gegen die Vergangenheitsversion des Doktors, denn letztlich ist diese zu radikal abweichend gegenüber dem im
Museum gepflegten offiziellen Geschichtsnarrativ:
Quarren: You’re lying!
Doktor: I was there.
Quarren: You’re trying to protect yourself.302
Doktor: And so are you! From the truth. Isn’t it a coincidence that the Kyrians are being
portrayed in the best possible light? Martyrs, heroes, saviours. Obviously events have
been reinterpreted to make your people feel better about themselves. Revisionist history.
It’s such a comfort.
Quarren: We were not the aggressors in the Great War. We were the victims. Proof can
be found anywhere on this world. The Kyrian people are being oppressed to this day.
(26:04)
Die Ausführungen des Kurators machen deutlich, in welch hohen Maß seine Gesellschaft Geschichte zu politischen Zwecken instrumentalisiert hat. Ein Artefakt, das die
Version des Doktors und somit die Wahrheit schließlich unterstützt, ist ein Tricorder, der
ebenfalls Ausstellungstück im Museum ist. Mit diesem Tricorder hatte der Doktor vor
Jahrhunderten den getöteten kyrianischen Anführer gescannt. Mit den Daten aus dem
Tricorder kann jetzt bewiesen werden, dass er nicht, wie angenommen, von Janeway
getötet wurde, sondern von einem Vaskianer. Aufgrund dieser Hinweise auf Geschichtsfälschung kommt es erneut zu Unruhen zwischen den beiden ethnischen Gruppen. Das
Museum wird gestürmt und Ausstellungsstücke werden beschädigt und zerstört. Die
Spannungen zwischen den vaskianischen Machthabern und den unterdrückten
Kyrianern brechen erneut auf, woraufhin der Kurator den Zeitzeugen aus der Vergangenheit um Hilfe bittet: „History has been abused. We keep blaming each other for
what happened in the past. If you don’t help us now, it could be another 700 years.“
(41:44) Der Doktor wird als offizieller Zeuge der Geschehnisse gehört und kann somit
einen Dialog zwischen den Volksgruppen in Gang setzen, der schlussendlich zum
Frieden führt.
Die einseitige Darstellung der beiden Ethnien, die Kyrianer als durchgängig
positiv und die Vaskianer als Aggressoren, ruft Debatten um Geschichstsdarstellungen
im späten 20. Jahrhundert wach, etwa die Kontroverse um die geplante „Enola Gay“Ausstellung. Hier sollten beide Seiten des Konflikts dargestellt werden, wobei die
302
Als künstliche Intelligenz wäre der Doktor auf dem Planeten der Kyrianer verantwortlich für seine
Taten und könnte für seine mutmaßlichen Kriegsverbrechen vor 700 Jahren angeklagt werden.
207
Planer scheinbar nicht sensibel genug vorgingen, denn die Öffentlichkeit war noch nicht
bereit zur Selbstreflektion über die Kriegshandlungen auf japanischem Boden. Die
Voyager-Episode kritisiert einseitige Vergangenheitsversionen und aktive Erinnerungspolitik zur Machterhaltung. Sie suggeriert, dass Konflikte auch zur gesellschaftlichen
Weiterentwicklung beitragen können. Am Ende der Episode stellt sich heraus, dass die
gesamte Handlung der Episode einschließlich der Entdeckung des Zeitzeugen und des
Ablegens seines Zeugnisses, eine Simulation im Museum war – und zwar eines jetzt
geeinten nationalen Museums. Das Ereignis, das zum Frieden zwischen den
Volksgruppen geführt hatte, liegt bereits mehrere Jahrzehnte zurück und wird museal als
Neubeginn für die Gesellschaft erinnert. Die jetztige Kuratorin erklärt: „It was a pivotal
moment in our history. As a result of the Doctor’s testimony, a dialogue was opened
between our peoples. Eventually we found a new respect for our divergent cultures and
traditions. The efforts of people like Quarren and the Doctor paved the way for unity.“
(42:12)
4. Fazit
Wie gezeigt wurde, wird Geschichte in Star Trek: Voyager zum Teil zu Zwecken der
Unterhaltung und zur Abwechslung vom Serienalltag eingesetzt. Die Serie greift aber
auch geschichtskulturelle Tendenzen ihrer Entstehungszeit auf. Für die jeweiligen
Episoden werden wiederholt bekannte historische Persönlichkeiten und Ereignisse
herangezogen, welche mit der fiktiven Star Trek-Geschichte vermischt werden. Die
Gegenwart des Zuschauers wird als Geschichte in einer fiktiven Rückschau gespiegelt
und fiktiv fortgeschrieben. Dabei werden bei den Zuschauern (populären) Modi der
Geschichtskultur, wie Reenactment, Living History und Ahnenforschung aufgegriffen.
Speziell Episoden, die mit Fakt und Fiktion spielen, bedienen sich vor allem aus
dem Funktionsgedächtnis der US-Gesellschaft, wobei sie in der Regel jedoch für ein
internationales Publikum ebenfalls anschlussfähig sind. Bei Kriegsrepräsentationen
greift Voyager auf bestehende Interpretationen der Vergangenheit zurück und präsentiert
keine Um- oder Neudeutungen dieser Ereignisse. Somit lässt sich verallgemeinern, dass
es hierbei nicht primär um die Vermittlung von Geschichtswissen geht. Vielmehr wird
auf ein Inventar von Geschichtsbildern zurückgegriffen, die bereits stark von anderen
populären Arten der Geschichtsdarstellung formiert sind. Die Nutzung solcher Bilder
208
kann primär unterhaltender Natur sein, sie ist in der Voyager-Serie aber auch in ein
deutliches Interesse am Umgang mit Geschichte eingebunden. Wiederholt befasst sich
die Serie mit der Frage, warum Geschichte und das Erinnern an historische Ereignisse
relevant sein könnte – für Individuen und ganze Gesellschaften. Sie greift damit eine
Diskursformation über Geschichte auf, die den Geschichtsboom der 1990er Jahre
wesentlich bestimmt hat – in den Geschichtswissenschaften, vor allem aber auch in der
Öffentlichkeit. Wie in der Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichem Wissen hat
auch die Darstellung von Geschichte in Voyager damit eine deutlich ausgeprägte
ethische Dimension.
Bei den drei Episoden, die sich dezidiert mit dem Wert des historischen
Erinnerns auseinandersetzen, wird deutlich, dass eine Reflexion über Geschichte als
wichtig erachtet wird und teilweise sogar dazu dient, sich über Vergehen in der eigenen
Geschichte bewusst zu werden. Des Weiteren ist auffallend, dass sich diese Episoden
mit unterdrückten Minoritäten befassen. In „Remember“ scheitert eine Liebe daran, dass
eine Frau nicht den Mut aufgebracht hat, sich gegen die Ideologie der herrschenden
Klasse zu erheben und Unrecht anzuprangern. Nicht ein Opfer der Unterdrückung,
sondern eine Täterin will die unbequeme Erinnerung an Genozid und die dadurch
ausgelöschte Volksgruppe bewahren. Ein Genozid an einer Minorität wird ebenfalls in
„Memorial“ erinnert. Die Gedenkstätte bewahrt die letzte verfügbare Erinnerung daran.
In „Living Witness“ wird die Geschichte verfälscht, um den Machtanspruch einer
Ethnie aufrecht zu erhalten und die Unterdrückung einer Volksgruppe zu rechtfertigen.
Die Aufarbeitung unrühmlicher Geschichte, wie bspw. die Sklaverei, ist in den USA ein
wiederkehrendes Thema im ausgehenden 20. Jahrhundert, wie in Kap. 2.2 gezeigt
wurde. In „Remember“ wird hervorgehoben, dass jede Geschichte, auch die anderer
Gesellschaften, Gruppen oder Nationen, von Bedeutung sind, was die Debatte um den
Bau des Holocaust Memorial Museums in Washington wachruft. Jegliches Unrecht
sollte erinnert werden, da es als Mahnung für alle gilt, auch wenn die Erinnerung
erzwungen wird wie in „Remember“ und „Memorial“. Im Bezug auf die eigene
Geschichte einer Gesellschaft oder Nation wird in „Living Witness“ gezeigt, dass nur
der verantwortliche Umgang mit Geschichte und deren möglichst wahrheitsgetreue
Darstellung eine Nation einen können und ein kollektives Bewusstsein fördern. Machtansprüche aufgrund verfälschter Geschichtsdarstellungen werden dezidiert verurteilt.
Besonders „Remember“ verdeutlicht die Bedeutung von Geschichtstradierung im
kollektiven Gedächtnis. Die Weitergabe auch ‚traumatischer‘ Geschichte an Folgegen209
erationen wird als Verpflichtung dargestellt. Wie im Fall der Verhandlung naturwissenschaftlichen Wissens haben zumindest einige der Geschichts-Episoden das Potenzial,
aufgrund ihrer klaren Anbindung an die Lebenswelt der Zuschauer, dazu beizutragen,
dass diese über den Umgang mit Geschichtswissen reflektieren.
210
Schlussbemerkungen
In Zeiten beschleunigter sozialer und globaler Umwälzungen, wie sie das ausgehende
20. Jahrhundert erlebte, kommen soziale Konstrukte wie Identität und Gemeinschaftsgefüge ins Wanken. Wissen macht die Welt dabei erfahrbar, stiftet Sinn in der Lebenswelt und konstituiert Identität. Populäres Wissen erfüllt hierbei Bedürfnisse nach Orientierung und auch nach Unterhaltung. Diese Bedürfnisse werden u.a. von Massenmedien
befriedigt. Populäre Texte gehen dabei sowohl auf Zukunftsängste als auch Bedürfnisse
nach Nostalgie ein. So wurde der Jahrtausendwechsel von populären Medien zum
Anlass genommen, um in verschiedenen Themenbereichen die Vergangenheit, die
Gegenwart und die Möglichkeiten der Zukunft zu reflektieren. Aus der breiten
Verhandlung – auch hinsichtlich der dazu genutzten Medienarten – lässt sich auf die
Relevanz von Wissen für die Lebenswelt schließen. Aufgrund ihrer Absatzorientierung
greifen populäre Medien deshalb Themen auf, die viele Menschen interessieren und
beschäftigen. Die vorliegende Untersuchung wollte anhand einer Fernsehserie im Genre
Science Fiction zeigen, welche Arten von Wissen im ausgehenden 20. Jahrhundert als
relevant für Zuschauer erachtet und in der Serie aufgearbeitet werden. Die Serienmacher
von Star Trek: Voyager greifen aktuelle Themen auf, die im öffentlichen Diskurs breit
zirkulieren, sezieren und adaptieren diese in ihrem ‚Laboratorium des zeitgenössischen
Denkens‘ (vgl. S. 53), um sie anschließend im Science Fiction-Format zu diskutieren.
Dabei wird im Hintergrund stets eine ethische Dimension von Wissen mitgeführt.
Voyager kann dementsprechend als Akteur in der Wissenszirkulation nach Modus 2
(Gibbons et al.) charakterisiert werden: Wissensthemen aus Spezial- und öffentlichem
Diskurs werden extrapoliert und gemäß ihrer gesellschaftlichen Relevanz ‚gespiegelt‘.
Somit ist Star Trek: Voyager ein massenmediales Unterhaltungsprodukt, das der
zeitgenössischen Gesellschaft hinsichtlich der Gewinnung, des Umgang und der
Weitergabe von Wissen den Spiegel vorhält. Im Gegensatz oder ergänzend zum
öffentlichen Diskurs, wie er sich etwa in den als Folie herangezogen Zeitschriften
niederschlägt, ermöglicht es ein fiktionales Genre, die Wissensthemen anders aufzubereiten. Sie sind nicht nur in den Kontext ‚Unterhaltung‘ eingebunden, sondern
schaffen auch eine engere emotionale Bindung des Zuschauer an die fiktionale
211
Handlung bzw. den fiktiven Charakter und können so die Bereitschaft zur Auseinandersetzung gerade mit wissensethischen Fragen befördern.
Voyager präsentiert Wissen aus den Bereichen Gesellschaftswissen, kulturelles
Wissen sowie (Natur-)Wissenschaften. Medienkontroversen – ausgelöst durch
diskursive Ereignisse – führen zu Aushandlungsprozessen verschiedener Akteure in
verschiedenen Arenen. Die Kontroversen, die in Voyager besonders gehäuft präsentiert
werden und somit Teil des Aushandlungsprozesses sind, sind Wissenschaftsethos in
Hinblick auf naturwissenschaftliches und medizinisches Wissen und Geschichtskultur.
Für den Diskurs ‚Wissenschaftsethik‘ steht prominent das Klonschaf Dolly als Auslöser
für Neuverhandlungen im Bereich der Gentechnologie. So ermöglichen bspw. neue
Erkenntnisse neue Behandlungsmethoden, welche den Menschen näher gebracht
werden müssen; der öffentliche Diskurs reflektiert dabei das Für und Wider als auch die
Verantwortung des Wissenschaftlers. Der öffentliche Diskurs zu den GNR-Technologien
(Gentechnologie/Nanotechnologie/Robotik) verhandelt prägnant Befürchtungen über
mögliche zukünftige Entwicklungen. Der Wissensbereich der künstlichen Intelligenzen
kommentiert die zunehmende Technisierung der Lebenswelt; besondere Aufmerksamkeit kommt dabei Befürchtungen einer Cyborgisierung der Menschheit zu. Den Darstellungen zu Gentechnologie und Robotik in Voyager ist gemein, dass sie eine explizite
und dezidierte ethische Wertung erfahren. Ein ethisches Dilemma wird dabei nicht
immer aufgelöst, so z.B. in den Episoden „The Omega Directive“, „Nothing Human“
oder „Tuvix“, und erzielt genau aus diesem Grund seine Wirkmacht – die Anregung des
Zuschauers zum Nachdenken. In der Mehrzahl der Fälle wird die Voyager-Crew als
Folie gegenüber ethisch unverantwortlichem Handeln fremder Spezies positioniert und
repräsentiert somit eine auf ethischen Grundlagen basierende Wissensgesellschaft.
Die in der Serie aufgebauten Gesellschaftsparallelen zwischen der realen Gegenwart des ausgehenden 20. Jahrhunderts und einer fiktiven Zukunft werden besonders
deutlich im Diskurs ‚Geschichtskultur‘. Geschichte trägt hier sowohl für den Einzelnen
als auch die Gruppe vornehmlich zur Konstitution von Identität bei. Dabei wird
Geschichte in der Voyager-Serie auch als Unterhaltungselement eingesetzt und spiegelt
zeitgenössische Modi der Geschichtskultur wie Reenactment und Living History. Die
Bedeutung von historischem Wissen für das Verständnis der Gegenwart wird aufgezeigt,
und die in den 1990er Jahre propagierte Ethik des Erinnerns als Mahnung an kommende
Generationen wird mehrfach aufgegriffen. Dabei wird auch die Notwendigkeit von
Akzeptanz und Relevanz ‚fremder‘ Geschichte für die eigene Lebenswelt thematisiert.
212
Besonders die Episoden, die den Wert eines historischen Erinnerns propagieren, bergen
Reminiszenzen an zirkulierende Erinnerungskontroversen der 1990er Jahre zum Holocaust, dem Abwurf der Atombomben über Japan oder dem My Lai-Massaker in
Vietnam. Dabei wird jeweils dezidiert betont, dass auch ‚unangenehme‘ historische
Ereignisse erinnert werden müssen.
Populäre Medienprodukte sind kurzlebig. Da sie bestimmte Bedürfnisse zu einer
bestimmten Zeit befriedigen, sind sie häufig obsolet, sobald eine Bedeutungsverschiebung einsetzt oder andere Ereignisse als wichtiger erachtet werden. Die Nachfrage
schwindet und die Medienindustrie sucht nach neuen populären Inhalten. Star Trek hat
aufgrund seines Status als Kultur und Kult zwar einen relativ prominenten Platz im
Funktionsgedächtnis, aber auch die Inhalte seiner Serien altern. Jedoch zeigt dies, dass
Star Trek ein Seismograph für kulturelle Entwicklungen der jeweiligen Entstehungszeit
und damit Teil der jeweiligen Wissenskultur ist. In diesem Sinne spiegelt Star Trek:
Voyager als Speichergedächntis viele Anliegen und Ängste der Öffentlichkeit im ausgehenden 20. Jahrhundert und propagiert als Lösung eine ethische Wissenskultur.
213
Zitierte Werke
Primärquellen
Asimov, Isaac. 1950 [1942]. „Runaround.“ In: I, Robot. Garden City/NY: Doubleday. 40-58.
Clarke, Arthur C. 1983 [1968]. 2001 A Space Odyssey. London: Arrow Books.
Gattaca. 1997. Regie: Andrew Niccol. USA. Columbia Pictures.
Shakespeare, William. 1955 The Merchant of Venice. Hg. von John Russell Brown. Arden
Edition. London: Methuen.
Shelly, Mary. 1831 [1811]. Frankenstein, or The Modern Prometheus. 2nd ed. London. Henry
Colburn and Richard Bentley.
Star Wars II: Attack of the Clones. 2002. Regie: George Lucas. USA. Lucasfilm.
War of the Worlds. 1953. Regie: Byron Haskin. USA. Paramount Pictures.
VOYAGER EPISODEN – alphabetisch geordnet:
„11:59.“ 5/23. 05.05.1999. Drehbuch: Joen Menosky, Regie: David Livingston.
„Author, Author.“ 7/20. 18.04.2001. Drehbuch: Phyllis Strong and Mike Sussman, Regie: David
Livingston.
„Basics, Part II“. 3/01. 04.09.1996. Drehbuch: Michael Piller, Regie: Winrich Kolbe.
„Blink of an Eye“. 6/12. 19.01.2000. Drehbuch: Scott Miller und Joe Menosky, Regie: Gabrielle
Beaumont.
„Bliss“. 5/14. 10.02.1999. Drehbuch: Robert J. Doherty, Regie: Cliff Bole.
„Bride of Chaotica!“ 5/12. 27.01.1999. Drehbuch: Bryan Fuller und Michael Taylor, Regie:
Allan Kroeker.
„Cathexis“. 1/13. 01.05.1995. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: Kim Friedman.
„Child’s Play‟. 6/19. 08.03.2000. Drehbuch: Raf Green, Regie: Mike Vejar.
„Concerning Flight“. 4/11. 26.11.1997. Drehbuch: Joe Menosky, Regie: Jesús Salvador Treviño.
„Course: Oblivion. 5/18. 03.03.1999. Drehbuch: Bryan Fuller and Nick Sagan. Regie Anson
Williams.
„Critical Care“. 7/05. 01.11.2000. Drehbuch: James Kahn, Regie: Terry Windell.
„Dark Frontier“. 5/15, 5/16. 17.02.1999. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie:
Cliff Bole und Terry Windell.
„Darkling“. 3/18. 19.02.1997. Drehbuch: Joe Menosky, Regie: Alexander Singer.
„Death Wish“. 2/18. 19.02.1996. Drehbuch: Michael Piller, Regie: James L. Conway.
„Demon“. 4/24. 06.05.1998. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Anson Williams.
„Distant Origin“ 3/23. 30.04.1997. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie: David
Livingston.
„Dragons’s Teeth“. 6/07.10.11.1999. Drehbuch: Michael Taylor, Brannon Braga and Joe
Menosky, Regie: Winrich Kolbe.
„Dreadnought‟. 2/17. 12.02.1996. Drehbuch: Gary Holland, Regie: LeVar Burton.
„Drone“. 5/02. 21.10.1998. Drehbuch: Bryan Fuller, Brannon Braga und Joe Menosky, Regie:
Les Landau.
„Emanations“. 1/9. 13.03.1995. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: David Livingston.
„Endgame“. 7/25, 7/26. 23.05.2001. Drehbuch: Kenneth Biller and Robert Doherty, Regie:
Allan Kroeker.
„Equinox [Part I]‟ 5/26. 26.05.1999. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: David
Livingston.
„Equinox, Part II‟. 6/01.22.09.1999. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Devid
Livingston.
„Ex post Facto“. 1/08. 27.02.1995. Drehbuch: Evan Carlos Somers und Michael Piller, Regie:
LeVar Burton.
„Extreme Risk“. 5/03. 28.10.1998. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Cliff Bole.
214
„Eye of the Needle“. 1/07. 20.02.1995. Drehbuch: Bill Dial und Jeri Taylor, Regie: Winrich
Kolbe.
„Faces“. 1/14. 08.05.1995. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Winrich Kolbe.
„Fair Haven“. 6/11. 12.01.2000. Drehbuch: Robin Burger, Regie: Allan Kroeker.
„Flashback“. 3/02. 11.09.1996. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: David Livingston.
„Flesh and Blood“. 7/09, 7/10. 29.11.2000. Part I: Drehbuch: Bryan Fuller Regie: Mike Vejar.
Part II: Drehbuch: Raf Green and Kenneth Biller, Regie: David Livingston
„Friendship One“. 7/21. 25.04.2001. Drehbuch: Michael Taylor und Bryan Fuller, Regie: Mike
Vejar.
„Fury“. 6/23. 03.05.2000. Drehbuch: Bryan Fuller und Michael Taylor, Regie: John Bruno.
„Future’s End [Part I]‟. 3/08. 06.11.1996. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie:
David Livingston.
„Future’s End, Part II‟. 3/09. 13.11.1996. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie:
Cliff Bole.
„Heroes and Demons“. 1/12. 24.04.1995. Drehbuch: Naren Shankar, Regie: Les Landau.
„In the Flesh“. 5/04. 04.11.1998. Drehbuch: Nick Sagan, Regie: David Livingston.
„Jetrel“. 1/15. 15.05.1995. Drehbuch: Jack Klein, Karen Klein und Kenneth Biller, Regie: Kim
Friedman.
„Juggernaut“. 5/11. 26.04.1999. Drehbuch: Bryan Fuller, Nick Sagan and Kenneth Biller, Regie:
Allan Kroeker.
„Latent Image.“ 5/11. 20.01.1999. Drehbuch: Joe Menosky, Regie: Mike Vejar.
„Learning Curve“ 1/16. 22.05.1995. Drehbuch: Ronald Wilkerson and Jean Louise Matthias,
Regie: David Livingston.
„Life Line“. 6/24. 10.05.2000. Drehbuch: Robert Doherty, Raf Green und Brannon Braga.
Regie: Terry Windell.
„Lifesigns“. 2/19. 26.02.1996. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Cliff Bole.
„Lineage“. 7/12. 24.01.2001. Drehbuch: James Kahn, Regie: Peter Lauritson.
„Living Witness“. 4/23. 29.04.1998. Drehbuch: Bryan Fuller, Brannon Braga und Joe Menosky,
Regie: Tim Russ.
„Macrocosm“. 3/12. 11.12.1996. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: Alexander Singer.
„Maneuvers“. 2/11. 20.11.1995. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: David Livingston.
„Meld“. 2/16. 05.02.1996. Drehbuch: Michael Piller, Regie: Cliff Bole.
„Memorial“. 6/14. 02.02.2000. Drehbuch: Robin Burger, Regie: Allan Kroeker.
„Mortal Coil“. 4/12. 17.12.1997. Drehbuch: Bryan Fuller, Regie: Allan Kroeker.
„Natural Law“. 7/22. 02.05.2001. Drehbuch: James Kahn, Regie: Terry Windell.
„Night“. 5/01. 14.10.1998. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie: David
Livingston.
„Nightingale“. 7/08. 22.11.2000. Drehbuch: André Bormanis, Regie: LeVar Burton.
„Nothing Human“. 5/08. 02.12.1998. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: David Livingston.
„One Small Step“. 6/08. 17.11.1999. Drehbuch: Mike Wollaeger et al., Regie: Robert Picardo.
„Persistence of Vision“. 2/08, 30.10.1995. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: James L. Conway.
„Phage.“ 1/05. 06.02.1995. Drehbuch: Skye Dent and Brannon Braga, Regie: Winrich Kolbe.
„Prime Factors.“ 1/10. 20.03.1995. Drehbuch: Michael Perricone und Greg Elliot, Regie: Les
Landau.
„Prophecy“. 7/14. 07.02.2001. Drehbuch: Michael Sussman and Phyllis Strong, Regie: Terry
Windell.
„Prototype“. 2/13. 15.01.1996. Drehbuch: Nicholas Corea, Regie: Jonathan Fraser.
„Random Thoughts“. 4/10. 09.11.1997. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Alexander Singer.
„Real Life“. 3/22. 23.04.1997. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: Anson Williams.
„Remember“. 3/06. 09.10.1996. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: Winrich Kolbe.
„Repentance“. 7/13. 31.01.2001. Drehbuch: Robert Doherty, Regie: Mike Vejar.
„Resistance“. 2/12. 27.11.1995. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: Winrich Kolbe.
„Resolutions“. 2/25 13.05.1996. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: Alexander Singer.
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„Riddles“. 6/06. 13.11.1999. Drehbuch: Robert Doherty, Regie: Roxann Dawson.
„Scientific Method. 4/07. 29.10.1997. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: David Livingston.
„Scorpion [Part I]‟. 3/26. 21.05.1997. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie:
David Livingston.
„Survival Instinct“. 6/02. 29.09.1999. Drehbuch: Ronald D. Moore, Regie: Terry Windell.
„Tattoo“. 2/09. 06.11.1995. Drehbuch: Michael Piller, Regie: Alexander Singer.
„The 37’s“. 2/01. 28.08.1995. Drehbuch: Jeri Taylor und Brannon Braga, Regie: James L.
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„The Chute“. 3/03. 18.09.1996. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Les Landau.
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David Livingston.
„The Killing Game“ 4/18, 4/19. 04.03.1997. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky,
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231
Anhang
Grafische Darstellung der quantitativen Artikelanalyse
Für die quantitative Artikelanalyse wurden die beiden Datenbanken Business Source
Premier (Scientific American) und Academic Search Premier (Time Magazine,
Newsweek und Popular Science) genutzt.
Abb. 1: Artikelanzahl kummuliert für die Suchbegriffe „genetic engineering‟ und
„cloning‟
Artikelanzahl kummuliert für die Suchbegriffe "genetic engineering" und "cloning"
30
Anzahl Artikel
25
20
Scientific American
Popular Science
15
Time
10
Newsweek
5
0
19901991199219931994199519961997199819992000200120052010
Jahr
Wie hier deutlich erkennbar ist, nimmt die Anzahl der Artikel ab dem Jahr 1997 deutlich
zu. Zuvor waren die beiden Themen nur vereinzelt aufgegriffen worden. Selbst der Start
des Human Genome Projekt im Jahr 1990 hat zu keiner auffälligen Zunahme an
Artikeln geführt. Interessant ist, dass das Nachrichtenmagazin Time in den Jahren 1999
und 2000 die meisten Artikel zu diesem Wissenschaftsthema veröffentlichte. Ein Grund
hierfür ist sicherlich die Special Reports-Reihe „Visions-21“.
232
Abb. 2: Artikelanzahl kummuliert für die Suchbegriffe „robots“ und „artificial
intelligence“
Artikelanzahl "Robots" und "artificial intelligence" kummuliert
25
Artikelanzahl
20
Scientific American
Popular Science
Time
Newsweek
15
10
5
0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Jahr
Für das Thema ‚künstliche Intelligenzen‘ gibt es in dem untersuchten Zeitraum keine
auffallende Häufung, wie das für die Gentechnologie im Jahr 1997 der Fall ist. Treffer
für Artikel, die bspw. PC-Spiele und Automobiltechnik thematisierten, wurden nicht
herausgefiltert. Dies verdeutlicht den bedeutenden Anteil von Technik an unserer
Lebenswelt. Die leichten Ausschläge für die Jahre 1999 und 2000 sind auf die Spezialausgaben von Time und Scientific American zum Millenniumswechsel zurückzuführen.
Erstaunlich ist, dass es nicht mehr Treffer für die Suchbegriffe in Popular Science gab,
da die Zeitschrift sich in ihrer Selbstdarstellung als Magazin für den Konsumenten
präsentiert.
233
Abb. 3: Artikelanzahl kummuliert für den Suchbegriff „nanotechnology“
Nanotechnology
14
Anzahl der Artikel
12
10
Scientific American
Popular Science
Time
Newsweek
8
6
4
2
0
1996 1998 2000 2002 2004 2006
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
Jahr
Bei diesem Schaubild ist deutlich zu erkennen, dass die Zeitschrift Scientific American
eng mit Wissenschaftler zusammenarbeitet und somit beständig über neueste Forschung
berichtet. Das Time Magazine dagegen verhandelt Nanotechnologie nur in den Spezialausgaben zum Millenniumswechel. Gegen Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts
wird das Thema auch zunehmend in Artikeln von Popular Science aufgegriffen.
234

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