Kadist Art Foundation, Paris

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Institution
Kadist Art Foundation, Paris
Sandra Terdjman
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Photo: Mark Aerial Waller
Kadist catalyzes artists and curators at their
moment of ascent, and will soon be opening a
branch in San Francisco. By Jennifer Teets
Kadist beschleunigt die Entwicklung von Künstlern und Kuratoren zum richtigen Moment. Und
eröffnet in Kürze einen Raum in San Francisco.
Von Jennifer Teets
I first heard about the Kadist Art Foundation in 2007
while living in Istanbul. At the time, little was known
about their program and it was usually regarded as fictitious. No upfront newsletters or statements circulated
about its artistic or curatorial agenda, while the language that was transmitted pertained to specially tailored works, events, ephemera, and exhibitions by
artists and curators invited to Paris as residents at their
newfound institution. At the time, fiction was a brooding mode for new forms reaching beyond classical
forms of conceptualism; in hindsight, Kadist resembled a sort of intellectual headquarters where ideas
laced with fictional intent were pursued. In the mid
2000s, the foundation intuitively and deliberately came
to light as a discrete economy driven by intimate artistic relationships working within the genre on an international level. Today, Kadist expresses its priorities to
the creative community in an extraordinarily unique
and generous way – it genuinely supports the work of
artists and curators behind its vision, yet doesn’t boisterously flaunt its activities to the art world.
Officially, TSADIK/KADIST was declared a private collecting and philanthropic enterprise in 2001,
supporting grass roots NGOs undertaking radicalized
gestures for change. In 2003, a committee was assem-
Ich habe das erste Mal von der Kadist Art Foundation
2007 gehört, als ich gerade in Istanbul lebte. Damals erfuhr
man nicht viel über das Programm und hielt es gewöhnlich für fiktiv. Weder Newsletter noch Statements kursierten über die künstlerischen oder kuratorischen Absichten, und die gewählte Sprache wurde auf die Arbeiten,
Events, Ephemera und Ausstellungen der in die neue
Institution eingeladenen Künstler und Kuratoren zugeschnitten. Das Fiktive war damals der Schauplatz für neue
Formen, die über den klassischen Konzeptualismus hinausgehen. Rückblickend glich Kadist einem intellektuellen
Hauptquartier, wo ein von fiktionalen Elementen durchsetztes Programm verfolgt wurde. Mitte der 2000er Jahre
machte die Foundation wie selbstverständlich, aber auch
ganz bewusst den Schritt in die Öffentlichkeit und zeigte
sich als eigener Kosmos persönlicher künstlerischer Beziehungen auf internationalem Level. Heute vermittelt Kadist
ihre Anliegen der Kunstwelt auf eine einzigartige und großzügige Art – sie fördert mit viel Ernsthaftigkeit die Arbeiten der Künstler und Kuratoren, die hinter dieser Vision
stehen, ohne es jedoch laut zur Schau zu stellen.
TSADIK/KADIST wurde 2001 als private Sammlung
und philanthropische Einrichtung gegründet, um an der
Basis arbeitende NGOs zu unterstützen, die radikalisierten Gesten der Veränderung verpflichtet sind. 2003 wurde
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All images / Alle Abbildungen:
Photo: Aurélien Mole
bled including its original founding family and Jeremy
Lewison, Rozenn Prat, and Jean-Marc Prévost. Sandra
Terdjman, now director of the foundation and principal agent in steering its artistic and curatorial vision,
returned in 2006 to inaugurate an exhibition space in
one of the storefronts of Montmartre.
Since then, Kadist has demonstrated its abiding support for catalyzing artists and curators at the moment
of their ascent. This is cleverly orchestrated via a residency and parallel program that Terdjman oversees,
which focuses on experimental content and projects of
varying durations. The residency hosts one artist and curaThe Kadist
San Francisco
tor per year from abroad and
evenings will
the occasional critic (so far only
begin and end
Maria Fusco has participated,
with a bar
writing a text on Melvin Moti’s
work from the collection and
co-conducting a workshop with curator Francesco
Pedraglio) who are invited to develop a project directly
or indirectly related to the Parisian context. Fully compensated and accompanied in their research, an exhibition eventually premieres at the foundation with
episodes in public and private sites, or in collaboration
with local and transnational infrastructures. Danh Vo’s
notable research led him to acquire two chandeliers
from the former ballroom of the Hotel Majestic where
the 1973 Vietnam peace pacts were signed, one of which
was shown at Kadist (with an exquisite opening bar-
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ein Komitee eingerichtet, bestehend aus der Gründerfamilie, sowie Jeremy Lewison, Rozenn Prat und JeanMarc Prévost. Sandra Terdjman, heute Leiterin der Foundation und verantwortlich für die Umsetzung des
künstlerischen und kuratorischen Programms, kam 2006
wieder zurück, um einen Ausstellungsraum in einer der
Gassenlokale am Montmartre zu eröffnen.
Seit damals zeigt sich die beständige Fördertätigkeit
von Kadist darin, die Entwicklung von Künstlern und
Kuratoren im richtigen Moment zu beschleunigen. Das
wird durch Residencies und ein Parallelprogramm, das
Terdjman leitet, klug orchestriert – mit einem Schwerpunkt
auf Experimentelles und Projekte ganz unterschiedlicher
Dauer. Im Residency-Programm werden pro Jahr ein ausländischer Künstler und ein Kurator, gelegentlich auch ein
Kritiker (bis jetzt war das nur Maria Fusco, die einen Text
über Melvin Motis Arbeit aus der Sammlung schrieb und
zusammen mit dem Kurator Francesco Pedraglio einen
Workshop leitete), eingeladen, ein Projekt zu entwickeln,
das direkt oder indirekt mit dem Pariser Kontext zu tun
hat. Voll bezahlt und in der Recherche unterstützt, findet
am Ende eine Ausstellung in der Foundation statt, mit
Ablegern im öffentlichen Raum und an privaten Orten
oder in Zusammenarbeit mit nationalen wie internationalen Infrastrukturen. Danh Vos bemerkenswerte Recherche brachte ihm zwei Kristallleuchter aus dem vormaligen Ballsaal des Hotel Majestic ein, wo 1973 der
Vietnam-Friedensvertrag unterzeichnet wurde. Einer
davon wurde in der Kadist Foundation gezeigt (zur
Institution
Opening reception / Ausstellungseröffnung
DANH VO
»Les Fleurs d’intérieur«, 2009
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GOLDIN+SENNEBY
The Decapitation of Money, 2010
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MICHAEL PORTNOY
»Mets ton doigt quelque part!«, dit Theo
Performance for the opening of / anlässlich der Eröffnung
von »This place you see has no size at all…«, 2009
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PIERRE LEGUILLON feat.
»Diane Arbus: A Printed Retrospective,
1960–1971«, 2008
Kadist Art Foundation
19 bis – 21 rue des Trois Frères
75018 Paris
[email protected]
Eröffnung begleitet von einem exquisiten Barbecue von
Vos Familie), während der zweite Leuchter gleichzeitig
in der Kunsthalle Basel ausgestellt wurde. Pierre Leguillons Ausstellung »Diane Arbus: A Printed Retrospective
1960–1971«, von Kadist angekauft und verwaltet, kam
vor kurzem aus der Kunsthalle Malmö zurück und wird
dann in das CAC Vilnius gehen. Ich habe während meiner eigenen Residency 2009 den Science-Fiction-Autor
Mark von Schlegell eingeladen, das Drehbuch für ein privates Happening im Parc de Saint Cloud zu schreiben –
mit Performances von Künstlern wie Michael Portnoy,
Darius Mikšys, France Fiction, Alex Cecchetti oder Alex
Waterman. Im darauf folgenden Jahr organisierten die
Künstler Goldin & Senneby eine Wanderung mit dem
Wirtschaftsgeografen Angus
Die Kadist-SanCameron im Wald von Marly,
Francisco-Abende
der als Teil ihrer Ausstellung
werden mit einer
den Versuch unternahm, der
Bar beginnen und
Geschichte des Eurodollars
enden
und von »xenomoney« nachzugehen. Wenn ein Projekt eine
Bühne oder einen Vorführsaal braucht, bezieht Kadist
das Ciné 13, ein winziges Kino in einem von Montmartres Gässchen. Dort zeigte etwa der Kurator Raimundas
Malašauskas sein One-night-only-Varieté »Clifford Irving
Show«, das neue Annäherungen von Performance und
dem biografischem Schreiben vorstellte.
Seit kurzem unterstützt Kadist die Künstler ihrer Sammlung, indem neue Arbeiten in Auftrag gegeben und angekauft werden. Außerdem wird diesen März eine Zweigstelle in San Francisco (Kadist SF) eröffnet, die der Kurator
Joseph del Pesco leiten wird. Das Programm wird sich
nicht so sehr aus Ausstellungen, sondern aus wöchentlichen Mittwochabend-Veranstaltungen zusammensetzen.
Die Präsentationen werden von Kadist SF zusammen mit
Partnern wie Jens Hoffmann, Hou Hanru, Larry Rinder,
Steven Lieber und Tony Labat sowie verschiedenen Gästen programmiert. Wie als Nachhall auf Tom Marionis
langjährige Bar-Abende »The Act of Drinking Beer with
Friends Is the Highest Form of Art«, werden die KadistSF-Abende mit einer Bar beginnen und enden. —––
J E N N I F E R T E E T S ist freie Kuratorin und war Resident der
Kadist Art Foundation. Sie lebt in Paris.
beque hosted by Vo’s family) while the other simultaneously exhibited at Kunsthalle Basel. Pierre Leguillon’s exhibition Diane Arbus: A Printed Retrospective
1960–1971 which was acquired and is managed by
Kadist, recently returned from Malmö Konsthall and
is currently slotted for CAC Vilnius. During my residency in 2009, I invited sci-fi writer Mark von Schlegell
to script a private happening at the Parc de Saint Cloud,
which prompted a body of commissions and performances by artists like Michael Portnoy, Darius Mikšys,
France Fiction, Alex Cecchetti, Alex Waterman, while
the following year artists Goldin & Senneby organized
a walk in the Marly forest with economic geographer
Angus Cameron, who in the framework of their show
attempted to retrace the history of the Eurodollar and
»xenomoney«. When the format merits a stage or
screening hall, Kadist turns to Ciné 13, a tiny cinema
in one of Montmartre’s alleyways. Among others curator Raimundas Malašauskas put on his one-night only
variety act Clifford Irving Show, heralding new approximations to performance and life-writing.
As of late, Kadist has begun to support artists in
their collection by commissioning new productions for
acquisition. They will also open a San Francisco branch
in March this year spearheaded by curator Joseph del
Pesco. Its forthcoming program will combine a weekly
rhythm of Wednesday night events rather than an
exhibition program. The presentation program is
going to be outlined by Kadist SF along with an array
of partners including: Jens Hoffmann, Hou Hanru,
Larry Rinder, Steven Lieber, Tony Labat and various
guests. Echoing Tom Marioni’s long standing barnight established for his famous work The Act of
Drinking Beer with Friends Is the Highest Form of Art, the
Kadist SF evenings will begin and end with a bar. —––
JE N N I F E R TE ETS is a freelance curator, and former Kadist
Art Foundation resident, currently living and working in
Paris.
Aus dem Englischen von der Redaktion
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