Kadist Art Foundation, Paris
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Kadist Art Foundation, Paris
54-57_institution:Layout 1 10.03.2011 18:08 Uhr Seite 54 Institution Kadist Art Foundation, Paris Sandra Terdjman 54 Photo: Mark Aerial Waller Kadist catalyzes artists and curators at their moment of ascent, and will soon be opening a branch in San Francisco. By Jennifer Teets Kadist beschleunigt die Entwicklung von Künstlern und Kuratoren zum richtigen Moment. Und eröffnet in Kürze einen Raum in San Francisco. Von Jennifer Teets I first heard about the Kadist Art Foundation in 2007 while living in Istanbul. At the time, little was known about their program and it was usually regarded as fictitious. No upfront newsletters or statements circulated about its artistic or curatorial agenda, while the language that was transmitted pertained to specially tailored works, events, ephemera, and exhibitions by artists and curators invited to Paris as residents at their newfound institution. At the time, fiction was a brooding mode for new forms reaching beyond classical forms of conceptualism; in hindsight, Kadist resembled a sort of intellectual headquarters where ideas laced with fictional intent were pursued. In the mid 2000s, the foundation intuitively and deliberately came to light as a discrete economy driven by intimate artistic relationships working within the genre on an international level. Today, Kadist expresses its priorities to the creative community in an extraordinarily unique and generous way – it genuinely supports the work of artists and curators behind its vision, yet doesn’t boisterously flaunt its activities to the art world. Officially, TSADIK/KADIST was declared a private collecting and philanthropic enterprise in 2001, supporting grass roots NGOs undertaking radicalized gestures for change. In 2003, a committee was assem- Ich habe das erste Mal von der Kadist Art Foundation 2007 gehört, als ich gerade in Istanbul lebte. Damals erfuhr man nicht viel über das Programm und hielt es gewöhnlich für fiktiv. Weder Newsletter noch Statements kursierten über die künstlerischen oder kuratorischen Absichten, und die gewählte Sprache wurde auf die Arbeiten, Events, Ephemera und Ausstellungen der in die neue Institution eingeladenen Künstler und Kuratoren zugeschnitten. Das Fiktive war damals der Schauplatz für neue Formen, die über den klassischen Konzeptualismus hinausgehen. Rückblickend glich Kadist einem intellektuellen Hauptquartier, wo ein von fiktionalen Elementen durchsetztes Programm verfolgt wurde. Mitte der 2000er Jahre machte die Foundation wie selbstverständlich, aber auch ganz bewusst den Schritt in die Öffentlichkeit und zeigte sich als eigener Kosmos persönlicher künstlerischer Beziehungen auf internationalem Level. Heute vermittelt Kadist ihre Anliegen der Kunstwelt auf eine einzigartige und großzügige Art – sie fördert mit viel Ernsthaftigkeit die Arbeiten der Künstler und Kuratoren, die hinter dieser Vision stehen, ohne es jedoch laut zur Schau zu stellen. TSADIK/KADIST wurde 2001 als private Sammlung und philanthropische Einrichtung gegründet, um an der Basis arbeitende NGOs zu unterstützen, die radikalisierten Gesten der Veränderung verpflichtet sind. 2003 wurde SPIKE 27 — 2011 Institution 54-57_institution:Layout 1 10.03.2011 18:08 Uhr Seite 55 All images / Alle Abbildungen: Photo: Aurélien Mole bled including its original founding family and Jeremy Lewison, Rozenn Prat, and Jean-Marc Prévost. Sandra Terdjman, now director of the foundation and principal agent in steering its artistic and curatorial vision, returned in 2006 to inaugurate an exhibition space in one of the storefronts of Montmartre. Since then, Kadist has demonstrated its abiding support for catalyzing artists and curators at the moment of their ascent. This is cleverly orchestrated via a residency and parallel program that Terdjman oversees, which focuses on experimental content and projects of varying durations. The residency hosts one artist and curaThe Kadist San Francisco tor per year from abroad and evenings will the occasional critic (so far only begin and end Maria Fusco has participated, with a bar writing a text on Melvin Moti’s work from the collection and co-conducting a workshop with curator Francesco Pedraglio) who are invited to develop a project directly or indirectly related to the Parisian context. Fully compensated and accompanied in their research, an exhibition eventually premieres at the foundation with episodes in public and private sites, or in collaboration with local and transnational infrastructures. Danh Vo’s notable research led him to acquire two chandeliers from the former ballroom of the Hotel Majestic where the 1973 Vietnam peace pacts were signed, one of which was shown at Kadist (with an exquisite opening bar- SPIKE 27 — 2011 ein Komitee eingerichtet, bestehend aus der Gründerfamilie, sowie Jeremy Lewison, Rozenn Prat und JeanMarc Prévost. Sandra Terdjman, heute Leiterin der Foundation und verantwortlich für die Umsetzung des künstlerischen und kuratorischen Programms, kam 2006 wieder zurück, um einen Ausstellungsraum in einer der Gassenlokale am Montmartre zu eröffnen. Seit damals zeigt sich die beständige Fördertätigkeit von Kadist darin, die Entwicklung von Künstlern und Kuratoren im richtigen Moment zu beschleunigen. Das wird durch Residencies und ein Parallelprogramm, das Terdjman leitet, klug orchestriert – mit einem Schwerpunkt auf Experimentelles und Projekte ganz unterschiedlicher Dauer. Im Residency-Programm werden pro Jahr ein ausländischer Künstler und ein Kurator, gelegentlich auch ein Kritiker (bis jetzt war das nur Maria Fusco, die einen Text über Melvin Motis Arbeit aus der Sammlung schrieb und zusammen mit dem Kurator Francesco Pedraglio einen Workshop leitete), eingeladen, ein Projekt zu entwickeln, das direkt oder indirekt mit dem Pariser Kontext zu tun hat. Voll bezahlt und in der Recherche unterstützt, findet am Ende eine Ausstellung in der Foundation statt, mit Ablegern im öffentlichen Raum und an privaten Orten oder in Zusammenarbeit mit nationalen wie internationalen Infrastrukturen. Danh Vos bemerkenswerte Recherche brachte ihm zwei Kristallleuchter aus dem vormaligen Ballsaal des Hotel Majestic ein, wo 1973 der Vietnam-Friedensvertrag unterzeichnet wurde. Einer davon wurde in der Kadist Foundation gezeigt (zur Institution Opening reception / Ausstellungseröffnung DANH VO »Les Fleurs d’intérieur«, 2009 55 54-57_institution:Layout 1 10.03.2011 18:08 Uhr Seite 56 GOLDIN+SENNEBY The Decapitation of Money, 2010 56 MICHAEL PORTNOY »Mets ton doigt quelque part!«, dit Theo Performance for the opening of / anlässlich der Eröffnung von »This place you see has no size at all…«, 2009 54-57_institution:Layout 1 10.03.2011 18:08 Uhr Seite 57 PIERRE LEGUILLON feat. »Diane Arbus: A Printed Retrospective, 1960–1971«, 2008 Kadist Art Foundation 19 bis – 21 rue des Trois Frères 75018 Paris [email protected] Eröffnung begleitet von einem exquisiten Barbecue von Vos Familie), während der zweite Leuchter gleichzeitig in der Kunsthalle Basel ausgestellt wurde. Pierre Leguillons Ausstellung »Diane Arbus: A Printed Retrospective 1960–1971«, von Kadist angekauft und verwaltet, kam vor kurzem aus der Kunsthalle Malmö zurück und wird dann in das CAC Vilnius gehen. Ich habe während meiner eigenen Residency 2009 den Science-Fiction-Autor Mark von Schlegell eingeladen, das Drehbuch für ein privates Happening im Parc de Saint Cloud zu schreiben – mit Performances von Künstlern wie Michael Portnoy, Darius Mikšys, France Fiction, Alex Cecchetti oder Alex Waterman. Im darauf folgenden Jahr organisierten die Künstler Goldin & Senneby eine Wanderung mit dem Wirtschaftsgeografen Angus Die Kadist-SanCameron im Wald von Marly, Francisco-Abende der als Teil ihrer Ausstellung werden mit einer den Versuch unternahm, der Bar beginnen und Geschichte des Eurodollars enden und von »xenomoney« nachzugehen. Wenn ein Projekt eine Bühne oder einen Vorführsaal braucht, bezieht Kadist das Ciné 13, ein winziges Kino in einem von Montmartres Gässchen. Dort zeigte etwa der Kurator Raimundas Malašauskas sein One-night-only-Varieté »Clifford Irving Show«, das neue Annäherungen von Performance und dem biografischem Schreiben vorstellte. Seit kurzem unterstützt Kadist die Künstler ihrer Sammlung, indem neue Arbeiten in Auftrag gegeben und angekauft werden. Außerdem wird diesen März eine Zweigstelle in San Francisco (Kadist SF) eröffnet, die der Kurator Joseph del Pesco leiten wird. Das Programm wird sich nicht so sehr aus Ausstellungen, sondern aus wöchentlichen Mittwochabend-Veranstaltungen zusammensetzen. Die Präsentationen werden von Kadist SF zusammen mit Partnern wie Jens Hoffmann, Hou Hanru, Larry Rinder, Steven Lieber und Tony Labat sowie verschiedenen Gästen programmiert. Wie als Nachhall auf Tom Marionis langjährige Bar-Abende »The Act of Drinking Beer with Friends Is the Highest Form of Art«, werden die KadistSF-Abende mit einer Bar beginnen und enden. —–– J E N N I F E R T E E T S ist freie Kuratorin und war Resident der Kadist Art Foundation. Sie lebt in Paris. beque hosted by Vo’s family) while the other simultaneously exhibited at Kunsthalle Basel. Pierre Leguillon’s exhibition Diane Arbus: A Printed Retrospective 1960–1971 which was acquired and is managed by Kadist, recently returned from Malmö Konsthall and is currently slotted for CAC Vilnius. During my residency in 2009, I invited sci-fi writer Mark von Schlegell to script a private happening at the Parc de Saint Cloud, which prompted a body of commissions and performances by artists like Michael Portnoy, Darius Mikšys, France Fiction, Alex Cecchetti, Alex Waterman, while the following year artists Goldin & Senneby organized a walk in the Marly forest with economic geographer Angus Cameron, who in the framework of their show attempted to retrace the history of the Eurodollar and »xenomoney«. When the format merits a stage or screening hall, Kadist turns to Ciné 13, a tiny cinema in one of Montmartre’s alleyways. Among others curator Raimundas Malašauskas put on his one-night only variety act Clifford Irving Show, heralding new approximations to performance and life-writing. As of late, Kadist has begun to support artists in their collection by commissioning new productions for acquisition. They will also open a San Francisco branch in March this year spearheaded by curator Joseph del Pesco. Its forthcoming program will combine a weekly rhythm of Wednesday night events rather than an exhibition program. The presentation program is going to be outlined by Kadist SF along with an array of partners including: Jens Hoffmann, Hou Hanru, Larry Rinder, Steven Lieber, Tony Labat and various guests. Echoing Tom Marioni’s long standing barnight established for his famous work The Act of Drinking Beer with Friends Is the Highest Form of Art, the Kadist SF evenings will begin and end with a bar. —–– JE N N I F E R TE ETS is a freelance curator, and former Kadist Art Foundation resident, currently living and working in Paris. Aus dem Englischen von der Redaktion SPIKE 27 — 2011 Institution 57