Die Arbeitslosen von Marienthal«
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»Die Arbeitslosen von Marienthal« Internet-Seite - http://agso.uni-graz.at/marienthal/ (sehr detailierte Informationen) ist längst ein Klassiker der empirischen Sozialforschung. Der Erfolg dieser Studie bewirkte in den Sozialwissenschaften eine weltweite Vertrautheit mit dem Namen »Marienthal«. Doch kaum jemand weiß mehr über diese Fabrik und Arbeiterkolonie als das Wenige, das in dem Buch mitgeteilt wird. So betrachtet, ist »Marienthal« ein Mythos geworden. Diese Website bietet Erst- und Hintergrundinformationen zu Marienthal vor wie nach der berühmten Studie von 1933. Texte, Bilder und Archivalien gewähren Einblicke in die Geschichte Marienthals, in den Ort und seine Menschen, von den Anfängen bis in die Gegenwart. Diese werden durch Informationen zur Marienthal-Studie sowie zu deren Projekt- und Autorenteam ergänzt. Für eine erste Benutzung dieser Website empfiehlt sich zunächst die Lektüre der »Einführung«, danach der Abteilungen »Chronik« und »Die Studie«. Diese Website, gestaltet anlässlich des 20. Geburtstages des Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich 2007 und des 75–Jahr-Jubiläums der Marienthal-Studie 2008, ist für Studierende und Lehrende, für Forschende wie allgemein Interessierte gemacht. Sie stellt Dokumente für den Unterricht sowie für weiterführende Forschungen kostenlos zur Verfügung. Hingewiesen sei auch auf die Ausstellung »Rückblicke auf Marienthal« und das Buch »Marienthal. Das Dorf – Die Arbeitslosen – Die Studie«. Einführung »Marienthal« ist der Name einer Fabrik und Arbeiterkolonie in den niederösterreichischen Gemeinden Gramatneusiedl und Reisenberg. Diese Website über Marienthal (etwa 1,2 Gigabyte, rund 13.160 Dateien und über 120.850 Hyperlinks) ist in neun Abteilungen gegliedert, welche drei Themenblöcken zugeordnet sind: 1. Fabrik & Arbeiterkolonie Marienthal; 2. Die Marienthal-Studie; 3. Quellen. Durch Klick auf das Wappen der Marktgemeinde Gramatneusiedl in der oberen Menüleiste kommt man zu einem Register der wichtigsten Informationen über Gramatneusiedl: zur Geschichte, zu acht Gewässern im Ort, zu über 85 Institutionen und Gebäuden, über 45 Denkmälern und 65 Vereinen. Außerdem gibt es hier ein vollständiges Straßen- und Häuserverzeichnis von Gramatneusiedl. Ein ähnliches Register gibt es auch zu den Marienthal betreffenden Teilen von Reisenberg. 1. Fabrik & Arbeiterkolonie Marienthal Chronik Diese Abteilung enthält zur Erstinformation die »Kleine Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg« (fünf Seiten DIN A4), welche einen Überblick über die Geschichte des Ortes sowie die Textilfabrik Marienthal und deren Besitzer bietet. Es wird empfohlen, erst danach auf die »Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg« (etwa 250 Seiten DIN A4) zuzugreifen, welche einen detaillierten zeitlichen Überblick gibt. Dabei werden die Jahre vor, während und nach der MarienthalStudie besonders ausführlich behandelt. Von der großen Chronik aus kann die Information durch Klick auf die Dokumente vertieft werden (weitere cirka 250 Seiten DIN A4). Ein Register zur »Großen Chronik« einschließlich all ihrer Dokumente ermöglicht mit seinen rund 12.000 Hyperlinks den raschen und gezielten Zugriff auf einzelne Ereignisse, Personen und Institutionen. Bilder Es handelt sich hierbei um die virtuelle Version der Ausstellung »Rückblicke auf Marienthal«. Über hundertfünfzig Bilder von 1834 bis zur Gegenwart geben einen visuellen Eindruck vom Ort, von seinen Menschen, Vereinen und Gebäuden. Die Bilddokumente werden in einundzwanzig Themenschwerpunkten sowie einer Objektschau dargeboten. Diese Ausstellung kann in überarbeiteter Form als Schautafelausstellung beim Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich angefordert werden. Weitere Bilder zu Marienthal und Gramatneusiedl gibt es in dem etwa zweitausend Dokumente umfassenden »Virtuellen Bildarchiv«. Häuserbuch Marienthal bestand bei Stilllegung der Textilfabrik 1930 aus der großen Fabrikanlage (vier Komplexe mit zusammen 157 Gebäuden und Anbauten), den 23 fabrikeigenen Wohnhäusern, den 13 Infrastrukturbauten der Fabrik wie Spital, Kindergärten und Theater, fünf Grünanlagen, zwei Privatbauten in Gramatneusiedl, nämlich dem Arbeiterheim Marienthal und dem Heim der Kinderfreunde, aus den 17 privaten Wohn-, Geschäfts- und Gasthäusern in der Siedlung Neu-Reisenberg sowie fünf fabrikeigenen Anlagen außerhalb Marienthals. Diese Gebäude und Anlagen, die das ursprüngliche Marienthal definieren, werden hier nach Namen, Lage, Baujahr, Größe, Funktion, Eigentumsverhältnissen und Abrissjahr beziehungsweise Erhaltungszustand beschrieben. Deren Standort kann über den jeweils beigefügten »Lageplan« rasch gefunden werden, das »Bild« gibt einen ersten optischen Eindruck. Ein Register zum »Häuserbuch« (einschließlich aller Namensvarianten) ermöglicht mit seinen über 950 Hyperlinks den raschen und gezielten Zugriff auf die Informationen. Pläne zur Textilfabrik Marienthal und zu Neu-Reisenberg erleichtern die Orientierung, ebenso die Bildansicht der Textilfabrik Marienthal. Pläne Die knapp 50 Pläne, Landkarten und Kataster zu Gramatneusiedl, Marienthal und NeuReisenberg ermöglichen die geografische Lokalisierung Marienthals und geben einen detaillierten Überblick über die Fabrik und Arbeiterkolonie Marienthal, die Marktgemeinde Gramatneusiedl und die Siedlung Neu-Reisenberg sowie über einzelne Anlagen und Gebäude in diesem Bereich. 2. Die Marienthal-Studie Die Studie Zum Seitenanfang Diese Abteilung enthält einen Überblick zur Marienthal-Studie: Genese, Projektträger, Feldforschung, Auswertung, das Autorenteam, Ausgaben und Übersetzungen, Eigentümlichkeiten der Studie, Erinnerungen von Beteiligten, spezielle Informationen zur Studie (etwa »Zum Treer gegangen« oder »Was wurde aus Frau J. K. und ihren drei Söhnen?«) sowie ein Personenregister des Buchs »Die Arbeitslosen von Marienthal« (Frankfurt am Main 1975). Von der zusammenfassenden Hauptebene aus kann die Übersichtsinformation durch Detailinformationen erweitert und vertieft werden. Das Projektteam Diese Abteilung bietet Informationen zum Projektträger der Marienthal-Studie, der »Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle«, sowie Bio-Bibliografien zu den drei Personen des Autorenteams und den zwölf anderen Angehörigen des Projektteams der Marienthal-Studie. Auch hier kann von der zusammenfassenden Hauptebene aus die Übersichtsinformation durch Detailinformationen erweitert und vertieft werden. Zum Seitenanfang 3. Quellen zu Marienthal Bibliothek Diese Abteilung enthält gedruckte Texte zu Marienthal, Gramatneusiedl und NeuReisenberg sowie zur Marienthal-Studie, unterteilt in drei Gruppen: a) eine kommentierte Bibliografie zu Marienthal, Gramatneusiedl und Neu-Reisenberg sowie zur MarienthalStudie (chronologisch und nach Autoren geordnet), b) direkte Nachfolgestudien zur Marienthal-Studie, c) Rezensionen der Marienthal-Studie. Dazu gibt es Interviews mit Mitgliedern des Projektteams der Marienthal-Studie. Sofern dies urheberrechtlich und arbeitstechnisch möglich ist, werden die (über 135) Texte auch zum Herunterladen aus dem Netz kostenlos angeboten: als Faksimile und als meist kommentierte HTML-Dateien. Beachten Sie, bitte, beim Herunterladen von Texten das Urheberrecht! Schließlich gibt es in dieser Abteilung auch noch ein Verzeichnis all jener auf dieser Website genannten Personen, für die hier (über 260) Biografien abrufbar sind. Archiv Diese Abteilung bietet ungedruckte Quellen zu Marienthal, Gramatneusiedl und NeuReisenberg sowie zur Marienthal-Studie an. Die teilweise aus öffentlichen Archiven, meist aber aus privaten Sammlungen stammenden und damit schwer zugänglichen Dokumente sind sowohl für die Lehre wie auch für weiterführende Forschungen gedacht. Die (momentan über 220) Einzeldokumente können als Faksimile kostenlos heruntergeladen werden. Beachten Sie, bitte, beim Herunterladen von Dokumenten das Urheberrecht! Mehrere Quellen werden auch als transliterierte und meist kommentierte HTML-Dateien angeboten, um einen Anreiz zu schaffen, handschriftliche Dokumente durch Vergleich im Selbststudium seinen eigenen Forschungen zu erschließen. Diesem Zweck dienen auch die Lesehilfen mit verschiedenen Handschriftenübersichten. Die Archivalien werden durch ein momentan nur im Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich vollständig, auf dieser Website teilweise zugängliches Bildarchiv (einschließlich Register sowie Register der Postkartenverlage und Fotografen) mit rund 3.500 Bilddokumenten sowie eine Stempelsammlung ergänzt. Künstler-Sichten In dieser Abteilung wird Marienthal aus Sicht von Kunstschaffenden aller Bereiche in Form einer kommentierten Bibliografie angeboten: Dichtung, bildende Kunst, Musik und Film. Sofern dies urheberrechtlich und arbeitstechnisch möglich ist, werden die Kunstwerke als Faksimile, teilweise auch als reine, bisweilen kommentierte HTML-Dateien zum Herunterladen aus dem Netz kostenlos angeboten. Beachten Sie, bitte, beim Herunterladen von Texten und Bildern das Urheberrecht! Die Künstler-Sichten sollen die wissenschaftliche Dimension dieser Website ergänzen, konfrontieren, vertiefen. Zum raschen Zugriff auf bestimmte (der momentan rund 25) Künstlerinnen und Künstler steht auch hier ein Register zur Verfügung. Hingewiesen sei noch auf das Buch von Reinhard Müller, »Marienthal. Das Dorf – Die Arbeitslosen – Die Studie«, welches gleichsam eine einführende Ergänzung zu dieser dokumentarisch ausgerichteten Website darstellt. http://agso.uni-graz.at/marienthal/ http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Arbeitslosen_von_Marienthal Die Arbeitslosen von Marienthal aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie Wechseln zu: Navigation, Suche Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit (1933) ist der Titel einer Untersuchung von Marie Jahoda, Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel zu den Folgen von Arbeitslosigkeit, die zu den Klassikern der empirischen Soziologie gehört. Inhaltsverzeichnis [Verbergen] 1 Die Untersuchung 2 Auswirkungen der Studie 3 Verfilmung 4 Textausgabe 5 Literatur 6 Weblinks Die Untersuchung [Bearbeiten] Heute würde das von einem Team um Marie Jahoda und Paul Lazarsfeld herum ausgeführte Projekt als "Action research" bezeichnet werden (vgl. auch: "Teilnehmende Beobachtung", "Feldforschung") und als Beispiel der Theoriebildung in Kombination von quantitativen und qualitativen Daten, vorgefundenen Daten und erhobenen Daten dienen. Auch wenn diese Konzepte jünger als die Arbeit über die Arbeitslosen von Marienthal sind, wurden hier - unter dem Begriff "Soziographie" - Meilensteine für diese Methoden gesetzt. Die Arbeitersiedlung Marienthal liegt in Gramatneusiedl, einem Ort in der Nähe Wiens. Nach der Schließung einer Fabrik, nach deren Inbetriebnahme die Gemeinde gegründet worden war, entstand jäh eine umfangreiche Arbeitslosigkeit. Um Zugang zu den Menschen in Marienthal zu gewinnen, haben die Autoren dieser Studie nicht nur Kontakt zu politischen und gesellschaftlichen Gruppen und Vereinen gesucht, sondern auch Kleidersammlungen, ärztliche Sprechstunden, Erziehungsberatungen, Turn- und Zeichenkurse durchgeführt. Ziel war es, die Menschen für das Forschungsprojekt zu gewinnen. Zugleich diente jedes dieser Mittel (inkl. der in dieser Hinsicht ethisch fragwürdigen Sprechstunden) auch dazu, durch teilnehmende Beobachtung Informationen über die Marienthaler Bevölkerung zu erlangen. Für jede Familie in Marienthal wurden Katasterblätter angelegt, auf denen die verschiedenen Beobachtungen und Interviews festgehalten wurden, vom ordentlichen oder ungeordneten Zustand der Wohnung beim Besuch wegen der Kleidersammlung bis hin zu Dingen, die bei der Erziehungsberatung, beim Arztbesuch oder bei der Beobachtung im "Arbeiterheim" besprochen wurden. Es wurden etwa dreißig ausführliche Interviews geführt, einige Journale über die Zeiteinteilung angefertigt und Essenslisten erstellt. Die amtliche Statistik wurde ebenfalls herangezogen. Das veröffentlichte Ergebnis der Studie gibt einen breiten und tiefgehenden Überblick in das Leben mit der damaligen Form von Arbeitslosenunterstützung, ohne baldige Aussicht auf Beschäftigung. Insbesondere wird nachgezeichnet, wie sich aufgrund der Hoffnungslosigkeit durch die Arbeitslosigkeit das Zeitbudget verändert. Wenn eigentlich eine Aufgabe zu erfüllen wäre, wird sie trotzdem liegen gelassen. Es fehlt die Zeiteinteilung, das feste Raster, eine Tagesstruktur. Auswirkungen der Studie [Bearbeiten] Durch Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden der Sozialforschung (Beobachtung, Strukturierte Beobachtungsprotokolle, Haushaltserhebungen, Fragebögen, Zeitverwendungsbögen, Interviews, Gespräche und gleichzeitige Hilfestellungen) ist diese 1933 erstveröffentlichte Arbeit methodisch richtungsweisend - auch wenn ihre Rezeption im deutschsprachigen Raum erst Jahr(zehnt)e später erfolgte. Die Gruppe österreichischer Forschungssoziologen wies am Beispiel der von der niedergegangenen Textilindustrie geprägten Kleinstadt Marienthal in ihrer Feldforschungsuntersuchung erstmalig in dieser Form, Präzision und Tiefe sozio-psychologische Wirkungen von Arbeitslosigkeit nach und zeigte im Hauptergebnis, dass Arbeitslosigkeit nicht (wie bis dahin meist erwartet) zur aktiven Revolution, sondern vielmehr zur passiven Resignation führt. Die Arbeitslosen von Marienthal ist aber nicht nur eine mit vielen Beispielen illustrierte dichte empirische Beschreibung, sondern auch eine sozialtheoretisch anregende Arbeit mit Blick auf die vier Haltungstypen der auch innerlich Ungebrochenen, der Resignierten, der Verzweifelten und der verwahrlost Apathischen – wobei lediglich der erste Typus noch „Pläne und Hoffnungen für die Zukunft“ kannte, während die Resignation, Verzweiflung und Apathie der drei anderen Typen „zum Verzicht auf eine Zukunft führte, die nicht einmal mehr in der Phantasie als Plan eine Rolle spielt“. Als entscheidende Dimension erwies sich die Fähigkeit, "für die Zukunft Pläne und Hoffnungen" bewahren und entwickeln zu können, also eine grundlegende Dimension humanen Gattungsvermögens nicht zu verlieren: die Antizipation möglicher Entwicklungen. Das Buch wird durch einen in den 1950er Jahren hinzugefügten "Vorspruch" von Lazarsfeld, in der er die Arbeit in ihrem Verhältnis zu damaligen und zeitgenössischen Schulen der Soziologie einordnet, und einen methodischen Anhang von Zeisel zur Geschichte der Soziografie ergänzt. Verfilmung [Bearbeiten] Einstweilen wird es Mittag ist ein bedeutender österreichischer Fernsehfilm über die Marienthalstudie von Karin Brandauer (Erstsendung 1. Mai 1988 im ORF). Textausgabe [Bearbeiten] Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. (mit Paul F. Lazarsfeld, Hans Zeisel) Hirzel, Leipzig 1933, später: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-518-10769-0 Literatur [Bearbeiten] Richard Albrecht: Zukunftsperspektiven: Arbeitslosigkeit - Subjekt- und Realanalyse; in: Forum Wissenschaft, 24 (2007) 1, S. 61-63 ([1]) Reinhard Müller: Marienthal. Das Dorf – Die Arbeitslosen – Die Studie. Studienverlag Innsbruck 2008, ISBN 978-3-7065-4347-7 Weblinks [Bearbeiten] Portal zur Studie, Universität Graz, Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich Marienthalstudie - mit Bibliografien und weiterführender Literatur, Universität Hannover Fotos Heutiges Marienthal (Gramatneusiedl), albanknecht.de Arbeiterwohnhaus (ehem. Theresienmühle) kurz vor dem Abriss, Initiative Denkmalschutz, 21. Mai 2008 Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Arbeitslosen_von_Marienthal“ Kategorien: Soziologische Publikation | Arbeitslosigkeit | Milieu der Armut Marienthal-Studie: „Einstweilen wird es Mittag“ 26.02.2008 | 19:06 | STEFAN WINTERSTEIN (Die Presse) Die berühmte Marienthal-Studie ist 75 Jahre alt: eine zum Klassiker gewordene Schrift über das – triste – Leben in der Arbeitslosigkeit. Aus dem Archiv: Als „das Beste, was bisher über die Wirkung der Arbeitslosigkeit geschrieben wurde“, wurde die Studie in ihrer ersten Rezension im Erscheinungsjahr 1933 bezeichnet. Diese Einschätzung Käthe Leichters kann man füglich heute noch gelten lassen. Dass auch nach 75 Jahren das Interesse an der berühmten Untersuchung „Die Arbeitslosen von Marienthal“ ungebrochen ist, darüber besteht kein Zweifel. So ist erst im vergangenen Jahr in Polen die insgesamt bereits achte Übersetzung des Buchs erschienen. Die für eine sozialwissenschaftliche Einzelstudie erstaunliche Anzahl an Übertragungen ist jedoch nicht die einzige Auffälligkeit in der Rezeptionsgeschichte des „soziographischen Versuchs“ (so der Original-Untertitel): In den Achtzigerjahren wurde ihm eine Ehre zuteil, die man sonst eher mit literarischen Werken in Zusammenhang bringt – er wurde verfilmt. Statistik und Befragung Eine gewisse literarische Qualität ist denn auch einer der Gründe, die Reinhard Müller in seinem pünktlich zum heurigen Jubiläum erschienenen Dokumentarband „Marienthal“ (Studienverlag) für den außerordentlichen Erfolg der Marienthal-Studie ins Treffen führt. Diese partizipiert, könnte man sagen, in gewisser Weise am traditionellen Genre des Reiseberichts. Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Wien verschlägt es in eine andere Welt, eine Industriekolonie von Gramatneusiedl, und sie erzählt dem Leser, was sie dort vorfindet. Die lange Vorgeschichte dieses durch die Studie zu trauriger Berühmtheit gelangten Ortes penibel recherchiert und aufgezeichnet zu haben, darf nun der Grazer Soziologe Müller für sich in Anspruch nehmen: Von 1100 n.Chr. bis in die Gegenwart reicht seine Chronologie, in der man die große Geschichte gewissermaßen aus der dörflichen Froschperspektive mitverfolgen kann. Schließlich zeichnet Müller das allmähliche Wachsen der 1820 erstmals erwähnten Marienthaler Textilfabrik ebenso nach, wie erstmals auch die Hintergründe ihrer Krise und Stilllegung. Sie führte zu jener Massenarbeitslosigkeit, welche die Wiener Wissenschaftler bei ihrer Ankunft im Jahr 1931 empfing. Die angeblich von Otto Bauer angeregte Erforschung des Lebens unter den Bedingungen der Arbeitslosigkeit bildete damals jedoch nur eines von zwei Forschungszielen. Ein zweites bestand in der Methode. Es ging der ungewöhnlich jungen Gruppe um Marie Jahoda (zu Projektbeginn erst 24) und Paul Lazarsfeld darum, einen sozialpsychologischen Tatbestand umfassend und durch eine möglichst breite Palette von wissenschaftlichen Techniken zu untersuchen. Hierin erlangte die Studie Mustergültigkeit – ein zweiter Grund für ihren Erfolg. Durch Kombination von Statistik, teilnehmender Beobachtung und Dokumentenanalyse ebenso wie persönlicher Befragungen und Tests gelang es, eine Lücke zwischen trockener Statistik und Momenteindrücken der Sozialreportage zu schließen. Wahlstatistiken, Lebensgeschichten, Inventare der Mahlzeiten, Analysen von Bibliotheksfrequenzen und Schüleraufsätze verdichten sich zu einem komplexen Bild von den Lebensbedingungen in einer existenziellen Extremsituation. Apathie statt Revolution So wurden die Arbeitslosen von den Forschern dazu angehalten, ihre alltägliche Zeitverwendung zu dokumentieren. Eine Zeile aus dem Zeitverwendungsbogen eines 33Jährigen ist später immer wieder plakativ zitiert worden. Für die Stunde zwischen zehn und elf Uhr hatte er als Aktivität eingetragen: „Einstweilen wird es Mittag.“ „Zwischen den wenigen wirklichen Beschäftigungen, dort, wo im Bogen steht: ,Einstweilen wird es Mittag‘ – liegt das Nichtstun, der völlige Mangel einer sinnvollen Zeitausfüllung“, heißt es in der Marienthal-Studie dazu. Sie macht eindrucksvoll klar, wie sehr das Gefühl, unbegrenzt Zeit zu haben, die Inangriffnahme jedes Vorhabens bereits im Ansatz zu ersticken droht und wie sehr die durch die wirtschaftliche Katastrophe bewirkte Totalisierung der Freizeit in Zeitzerfall und Sinnverlust mündet. In dieser politischen Dimension der Untersuchung wäre ein dritter Grund für ihre öffentliche Anerkennung zu erblicken. Die historische Debatte darüber, ob Arbeitslosigkeit in die Apathie oder zur Revolution führe, ist hier eindeutig entschieden worden. Durchbruch erst nach Übersetzung Zu einem „weltweiten Klassiker der empirischen Sozialforschung“, wie Müller völlig zurecht schreibt, ist die Marienthal-Studie bei alledem erst durch die englischsprachige Übersetzung aus dem Jahr 1971 avanciert. Dass beinahe sämtliche Mitwirkende wenige Jahre nach der Erstveröffentlichung aus Österreich emigrieren hatten müssen, gehört mit zur Geschichte der „Arbeitslosen von Marienthal“. Auch übrigens, dass die Autoren (oder deren Erben) bis heute weder Honorar noch Tantiemen für ihre Schrift erhalten haben. MARIENTHAL: Ein Klassiker Die Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ wurde von einem siebzehnköpfigen Projektteam im März 1933 abgeschlossen. Reinhard Müller: Marienthal. Das Dorf – Die Arbeitslosen – Die Studie. 424 S., geb., 39,90 Euro (Studienverlag) Marienthal-Studie: „Einstweilen wird es Mittag“ « DiePresse.com 26. Febr. 2008 ... Durch Kombination von Statistik, teilnehmender Beobachtung und Dokumentenanalyse ebenso wie ... ihre alltägliche Zeitverwendung zu dokumentieren. ... nach der Erstveröffentlichung aus Österreich emigrieren hatten müssen, ... diepresse.com/home/kultur/literatur/365731/index.do http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Arbeitslosen_von_Marienthal Google – Treffer (22.04.09) 29.700 für Marienthal-Studie Die Marienthalstudie Die Marienthalstudie ein Klassiker der empirischen Sozialforschung. 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