Stanzen und Lasern

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Stanzen und Lasern
© 2005 Carl Hanser Verlag, München
Laser + Blech
VERFAHRENSVERGLEICH
Stanzen und Lasern:
ein Kopf-an-Kopf-Rennen
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Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
BLECHPRAXIS
Welches Verfahren beim Herstellen einer Blechkonstruktion den Vorzug
erhält, hängt von vielen Faktoren ab. Die Wirtschaftlichkeit ist ganz sicher ein wichtiger Aspekt. Er sollte jedoch nicht allgemein betrachtet
werden, sondern am konkreten Teil. Nur dann lässt sich die Frage wirklich entscheiden: Stanzen oder Lasern? Voraussetzung dafür ist jedoch,
dass sich Konstrukteure und Entwickler regelmäßig über Neuerungen bei
beiden Verfahren informieren.
EINE TÜRBLENDE mit Schlüssellochöffnung, zwei kreisrunden Bohrungen und einer Aussparung sowie
einer 90°-Abkantung. Spontan fallen
den meisten sicher zwei Möglichkeiten ein, das Teil zu fertigen: Stanzmaschine mit anschließendem Biegen auf
der Abkantpresse oder Laserschneidanlage und Abkantpresse. Doch es
gibt auch zwei Möglichkeiten, diese
Blende in einer Aufspannung komplett zu fertigen: Entweder auf der
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Stanzmaschine unter Verwendung eines speziellen Umformwerkzeugs zum
Herstellen von 90°-Biegungen, dem so
genannten Multibend, oder auf einer
Laserrohr- und Profilschneidanlage,
bei der das ›gebogene‹ Teil aus einem
Rohr gefertigt wird. Dieses Beispiel
zeigt, dass beim Verfahrensvergleich
zunächst die Prüfung der Machbarkeit
eine wichtige Rolle spielen sollte. –
Und eine Menge Fantasie. Denn meist
eröffnen sich dann noch weit größere
konstruktive Möglichkeiten als zunächst gedacht.
Ein Teil – mehrere Verfahren
Obwohl schon seit vielen Jahren im
Markt und mithin eine ausgereifte
Technik, ist oft noch viel zu wenig bekannt, welche Perspektiven beispielsweise das Laserrohrschneiden bietet.
Die Technologie ist weit mehr als nur
ein Ersatz für konventionelle Verfahren wie das Sägen, das Bohren oder
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Qual der Wahl: Diese Türblende kann
auf vier verschiedene Arten spanlos
gefertigt werden
das Stanzen. Doch allein dadurch lassen sich die Herstellungskosten schon
erheblich senken, denn aufwändiges
Handling, Teilelager zwischen den
Einzelverfahren sowie Zusatzarbeiten
wie Entgraten und Reinigen entfallen.
Zudem lässt sich durch die Wahl des
geeigneten Verfahrens oft auch die
Anzahl der Bauteile reduzieren. Auch
das senkt die Produktionskosten. Die
eigentliche Stärke des Verfahrens besteht darin, dass sich Positionierhilfen
oder auch Knick- und Steckverbindungen realisieren lassen. Mit diesen
Konstruktionen können nachfolgende
Fertigungsschritte vereinfacht werden:
Der Montageaufwand verringert sich,
das Schweißen kann teilweise entfallen. In jedem Fall reduziert es den Positionieraufwand für das Fügen der
Bauteile und schafft zugleich eine eindeutig definierte Zuordnung der Bauteile. Ein angenehmer Nebeneffekt:
Die Qualitätssicherung ist gleich mit
integriert.
(Aluminium-Strangguss) erzeugen lassen. Zu berücksichtigen ist das Prozessumfeld. Soll der Werkzeugaufwand möglichst gering gehalten werden – möglicherweise wäre sogar ein
Sonderwerkzeug nötig – oder ist eine
Vollautomatisierung entscheidend?
Oder ist eine geräuscharme Bearbeitungsmöglichkeit gefordert, weil in einem Mischgebiet am Abend bestimmte Lärmpegel nicht mehr überschritten
werden dürfen?
Erst nach Beurteilung von Einsatzgrenzen, Qualität und Prozessumfeld
ist es sinnvoll, die Wirtschaftlichkeit
der in Frage kommenden Verfahren
zu vergleichen. Die wiederum ist beeinflusst von der reinen Fertigungszeit
des Einzelteils und den anteiligen Nebenzeiten für den Werkzeugwechsel,
das Be-und Entladen, das Programmieren und das Rüsten. Die anteiligen
Nebenzeiten hängen jedoch wesentlich von der Losgröße ab – Einzelteil,
eine Tafelbelegung oder größere
Stückzahlen. Bei vielen Anwendungen
ist das Stanzen in der Fertigungsgeschwindigkeit des Einzelteils dem Laserschneiden überlegen. Dennoch
wird man ein Einzelteil in der Regel
kaum stanzen, weil dabei der Aufwand für Rüsten, Werkzeugwechsel
und Programmierung im Vergleich
zum Laserschneiden deutlich höher
ist. Mit zunehmender Losgröße reduziert sich der Anteil der Nebenzeiten
pro Teil, so dass ab einer bestimmten
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Losgröße das Stanzen insgesamt produktiver sein kann.
Das kann bei den Gesamtkosten pro
Teil deutlich anders aussehen. Da bei
der Laserbearbeitung mit höheren
Maschinenkosten zu kalkulieren ist,
wird beim Kostenvergleich desselben
Bauteils der Break-even-Point schon
bei geringerer Losgröße erreicht. Bei
den Laser-Maschinenkosten schlagen
Verfahrensvorteile
■ Stanzen:
geringer Maschinenstundensatz, Umformungen und Gewinde
herstellbar, Komplettbearbeitung in
einer Aufspannung
■ 2D-Laserschneiden: großer Blechdickenbereich, filigrane Konturen,
hohe Produktivität mit HighspeedLaserbearbeitung
■ Laser-Rohrschneiden: Komplettbearbeitung in einer Aufspannung, großes
Potenzial an innovativen Rohrkonstruktionen
vor allem die Betriebsstoffe zu Buche,
erst recht dann, wenn dickes Edelstahlblech bearbeitet wird.
Für das Laserschneiden jedoch sprechen die niedrigen Kosten für das Programmieren und das Rüsten. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen,
dass der Programmieraufwand rund
50 Prozent geringer und der Rüst-
Entscheidend sind Qualität,
Umfeld und Wirtschaftlichkeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der
Entscheidung für oder gegen ein Verfahren ist die gewünschte Bauteilqualität. Darf das eingangs erwähnte
Werkstück keinen Grat aufweisen,
wird man sich für die Bearbeitung mit
dem Laser entscheiden. Will man dagegen Wärmeeinwirkung vermeiden,
wird man der Stanzmaschine den Vorzug geben. Das Laserschneiden aus einem Rechteckprofil wiederum bietet –
neben der Herstellung in einem Arbeitsgang – den Design-Vorteil, dass
sich ›Biegeteile‹ mit scharfen Ecken
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Schweißen entfällt: Mit Knick- und Steckverbindungen reduziert sich der Montageaufwand
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Schneidaufgaben lässt sich so ohne
Bedienereingriffe abarbeiten. Vor allem dann, wenn die Neuerungen auf
einer Großformat-Anlage zum Einsatz
kommen, kann das Laserschneiden
dem Stanzen Paroli bieten.
Auf hochproduktive Dünnblechbearbeitung zielt auch die ›Trumatic L
2510‹ mit ihrer integrierten kompakten Automatisierung, die einen Palettenwechsler im herkömmlichen Sinne
überflüssig macht. Alle Komponenten
der Anlage einschließlich des TCF1Lasers wurden mit Blick auf einen
Verfahrens-Checkliste
■ Prüfen
›Fliegend‹ schneiden: Weil der Laserstrahl positionsgenau ab- und zugeschaltet wird,
steigt beim Fertigen von Lochgittern die Produktivität bis 70 Prozent
aufwand zu vernachlässigen ist. Das
bedeutet, dass bei kleinen Losgrößen
die Fertigungszeit oft kürzer ist als die
Programmier- und Rüstzeit und somit
der Laser in diesem Bereich auch bei
höherem Maschinenstundensatz einen
Kostenvorteil bietet.
Neue Verfahrenstrends
beleben den Wettbewerb
Doch die richtigen Teilezeiten und
-kosten ermittelt nur, wer um die neuesten Technologien und ihre Möglichkeiten weiß. Die klassische Frage
›Stanzen oder Lasern?‹ lässt sich weder pauschal noch für alle Ewigkeit
gültig beantworten. Aktuell gibt es
zwei Entwicklungstrends, die es zu
berücksichtigen gilt: Einerseits wird
das Stanzen durch zahlreiche neue
Umformwerkzeuge noch vielseitiger,
andererseits erhöhen neue Funktionen
und stärkere Laser die Produktivität
des Laserschneidens.
Für das Laserschneiden sprechen ›FlyCut‹, der neue 6-kW-TLF-Laser sowie
der automatische Düsenwechsel. FlyCut ist eine Funktion für die 2D-Laserschneidanlagen von Trumpf
(www.trumpf.com), mit der sich
Lochgitter durch fliegendes, positionsgenaues Ab- und Zuschalten des Laserstrahls effektiv herstellen lassen.
Weil die Achsen dabei nicht gestoppt
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werden, sind Produktivitätssteigerungen bis zu 70 Prozent möglich. Für
Geschwindigkeits- und damit Effizienzsteigerungen sorgt auch der neue
6-kW-Schneidlaser ›TLF 6000‹. Die
höhere Laserleistung wirkt sich positiv auf die Highspeed-Bearbeitung im
Dünnblech aus. Mit bis zu 49 m/min
kann er trennen, die maximale Blechdicke wurde auf 4 mm erhöht.
Last but no least ist der automatische
Düsenwechsel ein gewichtiges Argument pro Laserschneiden. Trumpf
setzt dabei auf eine Ein-Kopf-Strategie, die einen Schneidkopfwechsel
überflüssig macht. Ein großer Teil der
Sie, mit welchen Verfahren die
Bearbeitung der Teile möglich ist.
■ Überlegen Sie, welche qualitativen
Anforderungen an das Teil gestellt
werden und ob sich daraus eine Bevorzugung für ein Verfahren ergibt.
■ Prüfen Sie, welche Anforderungen sich
aus dem Prozessumfeld ergeben.
■ Ermitteln Sie die Teilekosten für die in
Frage kommenden Verfahren.
preiswerten Einstieg in die automatisierte Laserproduktion konstruiert.
In einer Aufspannung
Für welches Verfahren sich der Anwender auch entscheidet – ein wichtiger Aspekt sollte die Komplettbearbeitung sein. Wann immer es möglich ist,
sollten sich die Bearbeitungsschritte,
die zur Herstellung eines Bauteils erforderlich sind, in einer Aufspannung
Im Werkzeug liegt die Kraft: Solche Konturen lassen sich stanzen, wenn man die Maschine mit ›Multibend‹ ergänzt
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Für Rohre: Diese Laserschneidanlage eröffnet neue konstruktive Möglichkeiten
stattet mit dem neuen diffusionsgekühlten TCF-1-Laser und einem auf
die diversen Umformungen zugeschnittenen Stanzkopf lassen sich in
einer Aufspannung komplexe Konturen genauso einbringen wie Gewinde,
Laschen oder Zentrierwarzen. Neben
Umformwerkzeugen wie ›Multibend‹
kann der Anwender auch die Rolltechnologie anwenden. Sicken, Absetzungen und Schnitte lassen sich mit
dieser Technologie schnell und in
hoher Qualität herstellen. Der neue
Laser ermöglicht hohe Geschwindigkeiten bei gleichzeitig geringerer
Laserleistung: Mit seinen 2 kW
Leistung erreicht der TCF1 die
gleichen Schneidgeschwindigkeiten
wie ein herkömmlicher 3-kW-CO2Laser.
Anregungen, wie sich die Konstruktion einer Baugruppe optimieren lässt oder welches Verfahren
Doppelter Kopf: Erzeugen komplexer Konturen
in einer Aufspannung auf einer Stanz-Lasersich – unter Einbeziehung technoMaschine
logischer Neuerungen – am besten
eignet, bieten so genannte Konstruktionsworkshops. Sie richten
zweifellos die Stanztechnik. Denn die
sich an Konstrukteure und ProgramMöglichkeit, durch den Gebrauch der
mierer und helfen anhand eines kondritten Achse auch außerhalb der Ebe- kreten Kundenteils beim Aufspüren
ne zu arbeiten, bietet nur das Stanzen.
von Verbesserungspotenzialen.
Mit Hilfe des hydraulisch geführten
Stanzen oder Lasern? Neue Trends beStößels lassen sich Verformungen und
leben diesen Klassiker der BlechbearDurchzüge einbringen oder Gewinde
beitung immer wieder aufs Neue. Wer
formen. Neue Stanzwerkzeuge und
sich zwischen diesen beiden Verfahren
der Einsatz der Rolltechnologie eröffzu entscheiden hat, sollte sie im Blick
nen ein breites Umformungsspektrum. haben. Erst danach ist eine WirtDiese Vielseitigkeit lässt sich mit einer
schaftlichkeitsbetrachtung am konkreStanz-Laser-Kombimaschine noch
ten Teil sinnvoll. ■
steigern, vereint sie doch die Vorteile
NORBERT BEIER
beider Verfahren. Auf der Euro-Blech
Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG
2004 wird Trumpf mit der ›Trumatic
Ditzingen
3000 Laserpress‹ eine neue Stanz-Lawww.trumpf.com
ser-Kombimaschine vorstellen. Ausgeerledigen lassen. Durch die Komplettbearbeitung wird die Teilegeometrie
zwar komplexer, gleichzeitig aber
sinkt die Anzahl der Teile, der
Schweißkonstruktionen und – nicht
zu vergessen – der Aufwand für die
Fertigungsorganisation. Biegekonstruktionen dagegen nehmen bei der
Komplettbearbeitung zu.
Einen besonderen Vorteil hat dort
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