20 Jahre - Bildungsstätte Steinbach

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20 Jahre - Bildungsstätte Steinbach
Foto: Manfred Kötter
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In Feierlaune (von links): Klaus Mohr, Bärbel Feltrini,
Klaus Wiesehügel, Barbara Tschirner und Willi Dzielak.
Bildung, Kultur und Schabernack
20 Jahre
Bildungsstätte
Bei gestandenen Gewerkschaftern
heißt sie kurz aber liebevoll:
Steinbach. Jeder weiß sofort, was
gemeint ist. Der Name des Städtchens im Vordertaunus steht für die
Bildungsstätte Steinbach. Sie feierte
Anfang Dezember ihr 20-jähriges
Steinbach
sein, gingen viele Teilnehmer nach Hause.
Aber auch die Freizeit kam und kommt
nicht zu kurz. Dafür, dass es viel Spaß gibt,
sorgen die Gewerkschafter selbst. Einige
Begebenheiten sind noch heute so manchem im Gedächtnis, wie die Grill-Party im
Garten. Den Kollegen gefiel es draußen vor
der „Hessenstube“ zwar super, aber etwas
fehlte doch. Musik musste her. Weil die
Lautsprecher aus der Bar auf die Terrasse
Bestehen.
D
as Haus gehört zur IG Bauen-AgrarUmwelt (IG BAU) wie die Butter auf´s Brot.
Tausende von Betriebsräten und Ehrenamtlichen tankten in Steinbach Kraft. Sie lernten nicht nur Wesentliches für ihre tägliche
Arbeit. Außerhalb der Lehrräume sahen
und spürten die Gäste im Haus: Wir haben
eine stolze Geschichte, wir sind viele, und
wir sind gut! Sich ihrer Handlungsfähigkeit
bewusst, mit gestärktem Selbstbewusst-
| Der Grundstein | Dezember 2012/Januar 2013
Bärbel Feltrini:
Mitglied des Bundesvorstands
„Erlebnisse, Aha-Effekte und Gespräche
in der Bildungsstätte
Steinbach prägen
bei vielen von uns –
mich eingeschlossen
– unseren gewerkschaftlichen Werdegang. Hier begegnen wir uns über
Branchenebenen hinweg und füllen
unseren Ideen- und Wissensspeicher
auf.“
nicht reichten, überlegten sie sich etwas
anderes. Gewerkschafter können ja prima
improvisieren. Kurzerhand fuhren sie ein
Auto hinter das Haus und hatten mit dem
Autoradio tolle Beschallung.
Eine Art Musik – aber handgemachte – gab
es auch an dem Abend, als eine Gruppe von
Betriebsräten sehr knapp vor der letzten
Runde in Steinbach einfiel. Gekonnt machte ein Kollege die Wirtin der „Hessenstube“
schon von Weitem auf sich aufmerksam.
Mit der mitgebrachten Trompete kündigte
er das Kommen der Gruppe an, die dann
auch prompt noch ihre Biere bekam. Die
anderen Gäste waren schon guter Stimmung und überredeten den Trompetenspieler, eine Polonaise durchs Haus anzuführen.
Nicht ganz beabsichtigt diente der Teich
manchem bereits als Pool. Das eine oder
andere Handy blieb bei so einem unfreiwilligen Bad schon mal auf der Strecke, genauer gesagt, im schlammigen Grund. Es gab
Im Fokus
aber auch Situationen, in denen Gäste ganz
und gar freiwillig in den Teich gestiegen
sind. Sehr deutlich machte ein Kollege an
einem tropischen Abend seine Sehnsucht
nach Abkühlung, indem er zuvor irgendwo
im Haus Schwimmflügel auftrieb und damit
ausgerüstet kurzerhand abtauchte.
Lohnendes Opfer
Jeder Gast hat sicher seine eigenen Anekdoten, die er mit Steinbach verbindet. Seit
der frühere IG BAU-Bundesvorsitzende
Bruno Köbele das Haus am 7. Dezember
1992 eröffnete, haben sich unzählige lustige Kleinigkeiten ergeben. Die Einrichtung ist vor allem für die Mitglieder der IG
Klaus
Wiesehügel:
Bundesvorsitzender
„Ich bin selbst ein
Kind der Bildungsarbeit unserer Gewerkschaft. Meine
ersten Seminare
habe ich während meiner Ausbildung zum Betonbauer besucht. Das
ist jetzt auch schon über 40 Jahre
her. Davon kommt meine Wertschätzung für gewerkschaftliche
Bildungsarbeit.“
BAU „fast wie ein Zuhause“. So bezeichnet – stellvertretend für viele – Peter Müller aus Mülheim die Bildungsstätte. Der
Betriebsratsvorsitzende der Firma VEOLIA
Industrie-Reinigung gehörte 1993 zu den
Teilnehmern des allerersten Seminars.
Heute sagt er: „Verantwortung für andere
zu übernehmen, das ist für mich dank
Steinbach wichtig geworden – Bildung ist
wichtig. Bildung führt zu Gerechtigkeit. In
der Bildungsstätte habe ich über die Jahre
bei meinen Seminaren viele Kolleginnen
und Kollegen kennengelernt. Es stimmt,
als Ehrenamtlicher oder Betriebsrat muss
man viel Freizeit opfern, aber man bekommt das auf vielfältige Weise zurück –
Klaus Mohr:
Leiter der Bildungsstätte von
1998 bis 2008
„Ich wünsche mir,
dass die Bildungsstätte auch in Zukunft für die Betriebsräte so etwas
wie ,Heimat‘ ist, ein Ort des Erfahrungsaustausches. Es ist wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der
sich die Teilnehmer wohlfühlen und
den Wunsch haben, wiederzukommen.“
und das Schönste ist, man merkt das in
Steinbach immer wieder: Du bist nicht alleine!“
Historisches Vorbild
Bildung hat bei den Gewerkschaften seit
jeher einen besonders hohen Stellenwert.
Auf einer in der Bildungsstätte präsentierten historischen Fahne steht: „Wissen ist
Macht – Bildung macht frei.“ Ein Zitat von
Wilhelm Liebknecht, einer der Väter der
SPD. Mit der Losung eröffnete er 1872 das
Stifterfest des Dresdener Arbeitsbildungsvereins.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Gewerkschaft ihre Bildungsarbeit rasch wie-
Willi Dzielak:
Leiter der Bildungsstätte bis
1997
„Die Bildungsstätte
Steinbach, das war
immer mein Anspruch, ist die gewerkschaftliche
Heimat unserer engagiertesten Mitglieder, unserer Funktionäre und
Ehrenamtlichen. Für mich ist eins
klar: Eine anständige Gewerkschaft
muss auch eine gute Bildungsstätte
haben.“
Dezember 2012/Januar 2013 | Der Grundstein |
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Im Fokus
Iris Santoro:
Betriebsratsvorsitzende
Klaus Dieter
Meyer:
„Weiterbildung
sollte in gewerkschaftlicher Hand
bleiben. Durch die
Seminare in Steinbach lernen wir,
wie man dem Arbeitgeber gegenübertreten kann. Aber auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Betriebsräten zeigt uns, was wir wirklich für die Praxis brauchen.“
„Die Bildungsstätte
in Steinbach gehört
zur IG BAU wie die
Butter auf`s Brot.
Ohne ,Steinbach‘
wären wir im Betrieb nicht da, wo
wir jetzt sind. Durch spezielle Seminare, wie Rhetorik, lernen wir, dem
Arbeitgeber ohne Scheu und selbstsicher gegenüberzutreten.“
der auf. Steinbach ist seitdem nun schon
die dritte Heimstätte für die Seminarteilnehmer. Jedes Haus hat natürlich seine eigenen Geschichten, und so brachte jedes
Haus auch seine eigene Generation Gewerkschafter hervor.
Die damalige IG Bau-Steine-Erden baute
die Emmershäuser Mühle zum Schulungsund Ferienheim um. 1963 wurde in
Schwalbach/Taunus eine neue Bildungsstätte eröffnet, mit dem legendären Kaminzimmer. Doch der Komfort des Hauses
war irgendwann nicht mehr zeitgemäß. Zudem wuchs der Andrang mit den Jahren,
und deshalb begann man mit dem Plan des
Neubaus in Steinbach.
Nicht nur die Unterkunft wurde moderner,
auch in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit hat sich viel getan. Das Haus der IG
BAU in Steinbach lebt diesen Fortschritt. Es
entspricht der „Bildungskonzeption 87“,
welche die Besonderheit des gewerkschaftlichen gegenüber dem staatlichen
Unterrichts betont: „Unsere Bildungsarbeit
erstrebt persönliche und gesellschaftliche
Veränderungen. Sie erfordert daher von
den Referenten und den Seminarteilnehmern Mut zum Risiko.“ Ebenso wie diese
Feststellung trägt auch das vor zwei Jahrzehnten vom früheren Bildungsstättenleiter Willi Dzielak miterarbeitete Raumkonzept mit großzügigen Seminarräumen für
die verschiedensten Schulungsarten bis
heute.
| Der Grundstein | Dezember 2012/Januar 2013
Betriebsrat
Uwe Clebos:
Betriebsratsvorsitzender
„Bildung heißt Wissen! In der Betriebsratsarbeit
wird man von der
Geschäftsleitung
gefordert. Deshalb
ist es wichtig, sich weiterzubilden.
Nur so kann man sich auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern auseinandersetzen. Ich wünsche der Bildungsstätte alles Gute.“
Vor elf Jahren kam das Bildungswerk Steinbach hinzu. Eine wirtschaftliche Erleichterung. Die Seminare der Betriebsräte aus den
IG BAU-Branchen können so den Arbeitgebern in Rechnung gestellt werden. Für diese
Veranstaltungen ist die Bildungsstätte Steinbach gewissermaßen das Heimatstadion.
Dafür, dass es an nichts fehlt, sorgen die
Steinbach-Beschäftigten: Von den Küchenkräften bis zu den Referenten. Sie wollen
alle gute Gastgeber sein. Das ist Programm
des Hauses, bekräftigt die heutige Leiterin
der Bildungsstätte, Barbara Tschirner: „Wer
zu uns kommt, um hier zu lernen, soll sich
Bettina Koob
auch wohlfühlen.“
Weitere Infos unter:
www.bildungsstaette-steinbach.de
Fotos: zplusz, IG BAU, Bildungsstätte Steinbach
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