Von der Idee zur Edelmetall-SLM-Maschine

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Von der Idee zur Edelmetall-SLM-Maschine
DOSSIER
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Dossier Präzisionsfertigung | Additive Fertigung
Technische Rundschau 8/2013
Von der Idee zur
Edelmetall-SLM-Maschine
Concept Laser baut mit der M-Lab cusing eine 3D-Laserschmelzanlage, die speziell für den
Einsatz von Edelmetallpulver konzipiert ist. Diese Maschine gibt es nur, weil zwei Schweizer
Unternehmer nicht von ihrer Idee lassen wollten. Die TR hat einen der Väter dieser
Anlage besucht und sich Geschichte und Konstruktion erklären lassen.
Die M-Lab
cusing baut
besonders
effizient
Schmuckstücke
mit Gitterstrukturen und mit
verbundenen,
bereits geschlossenen Ösen auf.
(Bild: Eichenberger)
Der 47-jährige Juan
Franco ist ein besonnener
Betriebsökonom. Er hat aber als
langjähriger Ausssendienstmitarbeiter eines Schweizer Fertigungstechnologiespezialisten im weltweiten Einsatz seine Begeisterung
für den µm-Bereich entdeckt. 2004
wurde er Teilhaber bei der Edelmetallgiesserei Eichenberger AG
in Reinach AG, bei der Philipp
Schneeberger in dritter Generation
gerade das Geschäft übernommen
hatte.
Angesichts des rückläufigen
Geschäfts mit dem komplizierten
traditionellen Verfahren, bei dem
Goldschmiede ihre von Hand hergestellten Wachsmodelle bei der
Giesserei anliefern, wo die Modelle als verlorene Form für eine
Silikongussform dienen, sann das
Ökonomenhirn nach Optimierungen. Franco hatte bereits 2002
einen 3D-Wachsplotter von Solidscape aus den USA importiert. Die
3D-Technik hatte ihn überzeugt:
Damit würde man schnell und genau Gussmodelle aus Wachs bauen
können, die weit komplexer wären
als alles auf konventionellem Weg
Hergestellte. Diesen Service bot
Franco seinen Kunden, den Goldschmieden, an. Erfolglos, sie
wollten nicht von den
traditionellen
Methoden lassen. Ein
einziger Auftrag
resultierte
in
drei Jahren. Er
änderte sein
Ziel, wollte
nun von
Hand nur
sehr aufwendig herstellbare Stücke
direkt in Edelmetall bauen.
Als dann Jean-Daniel Schmid
vom Polieratelier La Manufacture
in Genf/Meyrin, das für die Eichenberger AG schon bisher Güsse verputzt und poliert hatte, seinerseits
ein 3D-Projekt starten wollte, war
man sich einig: Ein SLM-Hersteller
musste gefunden werden, um eine
edelmetalltaugliche Maschine zu
entwickeln.
Schmid war über einen komplett
anderen Weg auf der 3D-Schiene
gelandet: Er wollte der Uhrenindustrie Rohgehäuse anbieten, die
unter Einsatz von zwei verschiedenen Goldlegierungen eine Struktur
wie Damaszenerstahl aufweisen
sollten. Inspiriert hatten ihn Damast-Messerklingen. Dazu wollte
er erst alle Lagen der einen Goldlegierung mittels SLM-Verfahren
aufbauen, dann die Hohlräume mit
dem Pulver der zweiten, andersfarbigen Legierung auffüllen und
anschliessend das Ganze sintern.
So würde er das Muster perfekt im
Raum steuern könnte.
Der lange Marsch zur
fertigen Maschine
Theoretisch hätten Franco und
Schmid auch eine der bereits angebotenen SLM-Anlagen kaufen können. Die Arbeit damit wäre aber nie
zu finanzieren gewesen, weil der
grosse Bauraum eine viel zu grosse
Menge Goldpulver bedingt hätte:
60 mm Bauhöhe über der Fläche
von 200 × 200 mm einer normalen SLM-Anlage würden gut 35 kg
legiertem Goldstaub im Wert von
knapp 1,6 Mio. CHF entsprechen!
So machten sich die zwei nun
auf die Suche nach einem Anlagenbauer, mit dem sie eine Maschine
nach ihren Vorstellungen entwickeln können. Dazu besuchten sie
Hartnäckiger Tüftler: Juan Franco.
(Bild: TR)
Technische Rundschau 8/2013
Auf der Platte eine Serie von Anhängern mit Gitterstruktur, dahinter in Fläschchen
Pulver für Teile aus Weiss-, Gelb-, Rosé- und Rotgold sowie Silber (v.l.). (Bild: TR)
2008 vier Hersteller. Beim ersten,
Phenix in Clermond-Ferrand, sahen sie erstmals eine normale SLMAnlage für Stahl in Betrieb mit
Goldpulver bei der Produktion von
Teilen für die Dentalindustrie. Der
ganze Bauraum glänzte von Goldstaub, erzählt Franco. «Richtig viel
Geld lag in der Maschine rum. Da
wussten wir: Das gilt es zu vermeiden.» Sie entwarfen ein Konzept
mit Wechselkassetten in den Pulverbecken, die man nach der Arbeit
mit Deckel verschliessen, entnehmen und in den Tresor stellen kann.
So kann schnell ohne Pulververlust
zwischen den verschiedenen Goldlegierungen Gelb-, Rot-, Rosé- und
Weissgold gewechselt werden, eine
Grundvoraussetzung für die rationelle Arbeit mit Edelmetall.
Vier Teilhaber schnüren das
Komplettpaket
Parallel zu ihrer Hersteller-Tour
entwickelte Franco die Idee weiter:
Er gründete die Eichenberger Futuretech AG in Baar, in der die neue
Technologie umgesetzt werden soll
und an der er neben La Manufacture weitere Partner beteiligen
kann. Denn er braucht noch einen
Goldlieferanten und einen Pulverhersteller. Franco weiss, dass sein
Lieferant von Edelmetalllot für die
Giesserei, die Hilderbrand & Cie
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Concept Laser M-Lab cusing
Der Hersteller hat seit dem Verkaufsstart der M-Lab cusing im
Januar 2011 über siebzig Anlagen
verkauft. Er baut drei Varianten mit
unterschiedlichen Bauraumdimensionen (z-Achse immer 80 mm):
50×50, 70×70 und 90×90 mm. Der
Faserlaser leistet 50 W, optional ist
einer mit 100 W erhältlich, die Leistungsaufnahme der Maschine liegt
bei 1,5 kW. Die Schichtstärke beträgt 20 bis 50 µm, die Fertigungs-
geschwindigkeit 1 bis 5 cm³/h, die
Scangeschwindigkeit 7 m/s und der
Fokusdurchmesser 20 bis 80 µm.
Üblicherweise wird mit 25 µm gearbeitet.
Alle M-Lab-Maschinen sind mit einem verschliessbaren, austauschbare Schubladensystem in der Dosierkammer und im Vorratsbehälter
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B×H×T lauten 705 × 1833 × 955 mm,
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Wachsmodell, Rohguss und das fertige Gehäuse einer Uhr mit Bisonherde.
Die erste ausgelieferte M-Lab cusing
bei La Manufacture in Meyrin.
Diese Tanto-Klinge inspirierte Jean-Daniel Schmid dazu, mittels SLM-Technik
die Herstellung von Uhrengehäusen im Damaszener-Look zu versuchen.
in Thônex bei Genf, Goldpulver
herstellt und – besonders wichtig – dabei die Partikelgrösse und
die Verteilung der unterschiedlich
grossen Partikel im Pulver genau
steuern kann. «Im Pulver muss
ein bestimmter Mix von Partikelgrössen erreicht werden», führt er
aus. «Die kleineren Partikel schliessen die Hohlräume zwischen den
grösseren und das Pulver bleibt
streichfähig. In Pulver ausschliesslich bestehend aus 5-µm-Kügelchen
ist die statische Ladung so hoch,
dass es nicht streichfähig ist.»
Bei Hilderbrand erkennt man
das Potenzial der Idee, übernimmt
die Pulverherstellung und wird
Teilhaber von Futuretech. Die Firma Gyr Edelmetalle AG steigt als
Goldlieferant mit ein. Damit halten die Eichenberger AG, La Manufacture, Hilderbrand und Gyr je
25 Prozent an Futuretech. Das gesamte Prozess-Kow-how wird von
den Teilhabern abgedeckt.
Die Anfangsinvestition
Zu den Maschinenanschaffungskosten von
rund 200 000 Euro addieren sich etwa 25 000
Euro für zwei Softwarepakete, das eine für die
3D-Konstruktion, das zweite zum Generieren
der Stützstrukturen sowie Reparieren der 3DFiles. Weiter müssen Auslagen von insgesamt
etwa 400 000 CHF einkalkuliert werden für die
permanente Stickstoffversorgung und die Spezialwerkzeuge zum Polieren der Oberflächen.
Hinzu kommen etwa 100 000 CHF für die von
der Versicherung verlangten Sicherheitsanpassungen an Gebäude, Türen und Fenstern, für
Tresor und Videoüberwachung.
Eine Füllung von 3/4 eines Bauraums von
70x70x80 entspricht 6 Kilo 18-Karat-Goldpulver zum Kilopreis von 45 000 CHF (inklusive
Legierungs- und Herstellkosten), kostet also
270 000 CHF. Bei vier Legierungen (Gelbgold,
Roségold, Rotgold und Weissgold) ergibt das
24 Kilo Gold für 1,08 Mio. CHF.
Insgesamt ergibt dies 1,5 Mio. CHF Kapitalbedarf, um mit der Produktion von Edelmetallteilen starten zu können. Hinzu kommt das
Kapital, das in Mustern aus Gold blockiert ist,
weil potenzielle Kunden vor Auftragserteilung
meist ein Muster sehen wollen.
Nur bei den Anlagenherstellern harzt es erst einmal: Die ersten, denen Franco sein Konzept
präsentiert, winken ab. Sie wollen
nur ihre Standardmaschinen verkaufen. Nicht so Concept Laser.
Die Deutschen setzen das Konzept
um. Daraus entsteht die erste MLab cusing für Edelmetalleinsatz.
Sie kommt im Januar 2011 auf den
Markt.
Es ist ein langer Weg bis dahin.
Die erste Anlage der Vorserie wird
2009 bei La Manufacture aufgestellt,
doch dann dauert es anstatt wie geplant ein Jahr deren zwei, bis die
Teile in der erforderlichen Qualität
aus der Maschine kommen. «JeanDaniel Schmid und ich haben zusammen sicher 2500 Stunden in die
Entwicklung investiert», stellt Juan
Franco klar. «Einen grossen Teil
haben wir mit Versuchsreihen verbracht, um die richtigen Parameter
festlegen zu können, denn die erhält man für Edelmetall nirgends.
Weiter entwickelten und bauten
wir selbst die Spezialwerkzeuge
aus Keramik für die abschliessende Hochglanzpolitur. Das sind bis
heute unsere Betriebsgeheimnisse.»
Aber es hat sich gelohnt. Trotz
Krisen in der Edelmetallbranche,
denen fast alle grossen Goldschmiedeateliers der Schweiz zum Opfer
fielen, hat die Eichenberger AG
dank der 3D-Aufträge in derselben
Zeit gut 20 Prozent an Umsatz zugelegt. Franco: «Während wir 2005
noch 95 Prozent des Umsatzes mit
der Giesserei erreichten, macht die
heute nur noch 50 Prozent aus.»
Der Betrieb der Maschine
Grundsätzlich funktioniert die MLab cusing wie eine SLM-Anlage für
Stahl. Die Ausrichtung der Werkstücke im Bauraum richtet sich
nach den benötigten Stützstrukturen einerseits und einer möglichst
kurzen Produktionszeit andererseits, die auch davon abhängt, wie
viele parallele Oberflächen genau
in der Z-Achse ausgerichtet werden
Energy
können. In diesen Zonen können
grössere Schichtstärken als die üblichen 10 bis 30 µm gefahren werden. Die Stützstrukturen werden
ebenfalls aus Goldpulver aufgebaut,
aber so fein gehalten, dass sie möglichst schon bei der Entnahme des
fertigen Werkstückes und dessen
erstem Bewegen von Hand wegbrechen. Dieses Material wird gesammelt und periodisch rezykliert.
Verbesserungspotenzial ortet
Franco einzig bei einem stärkeren
Laser, mit dem er andere Parameter fahren könnte und eine bessere
Oberfläche erhielte. «Aber dann
kostet die Maschine gleich 100 000
Franken mehr. Das muss sich dann
erst rechnen.»
Bei der Akquisition für die MLab konzentriert sich Franco auf
Aufträge, bei denen zeitintensive
Handarbeit durch die Maschine
ersetzt wird. Es werden Schmuckstücke hergestellt, die mitsamt ineinandergehängter Ösen, die normalerweise gelötet werden müssen,
fertig aus der Maschine kommen.
So können Ketten oder ganze Vliese
aus Ösen, Gitter- und Netzstrukturen aufgebaut werden. «Diese Technik hält Aufträge in der Schweiz, die
sonst in Billiglohnländer abwandern
würden, und sichert so Arbeitsplätze», hält Franco fest.
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Eichenberger AG
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[email protected]
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ConceptLaser:
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