Artikel Expert Focus 2015-12_Swissness und zollrechtlicher

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Artikel Expert Focus 2015-12_Swissness und zollrechtlicher
R E C HT / VE R S I C H E R U N G E N
H A N S U E L I S TA M M
S T E FA N S Z A B O
SI M EON L. PROB ST
SAPHIRA BORERD I C O S TA N Z O
SWISSNESS UND ZOLLRECHTLICHER URSPRUNG
Unterschiede in der Berechnung des massgebenden
Wertanteils
Die Herkunftsbezeichnung «Swiss Made» darf nicht mit «Ursprung Schweiz» verwechselt werden. Die rechtliche Grundlage, die Berechnung des massgebenden
Wertanteils und die Herleitung basieren auf komplett unterschiedlichen Kriterien.
Der Artikel geht der Frage nach, wie in beiden Fällen aus demselben Datenmaterial
der jeweilige Wertanteil berechnet wird, damit sowohl die Swissness-Kriterien als
auch die Kriterien für den zollrechtlichen Ursprung erfüllt werden.
1. EINLEITUNG
Im Zusammenhang mit der Ein- und Ausfuhr von Waren
tauchen in der Praxis immer wieder Fragen zur korrekten
Kennzeichnung dieser Waren auf. Dabei werden die geografische Herkunft und der zollrechtliche Ursprung häufig miteinander verwechselt oder fälschlicherweise gleichgesetzt.
Die beiden Begriffe bedeuten in der Tat nicht das Gleiche und
müssen auseinander gehalten werden. Denn die Regeln des
Herkunftsangabenrechts stimmen nicht immer mit den
zollrechtlichen Ursprungsregeln überein. In einigen Ländern wie beispielsweise der Schweiz sind die Anforderungen
für die Herkunftsangaben in den meisten Fällen strenger als
für die zollrechtlichen Ursprungsregeln. Dies gilt insbesondere für die neuen Swissness-Regeln, die ab 1. Januar 2017 in
Kraft treten werden.
Der Artikel klärt einige Begriffe und beleuchtet Aspekte,
die sich aus der Berechnung des massgeblichen Wertanteils
nach den Swissness-Regeln [1] und den zollrechtlichen Ursprungsregeln für Industrieprodukte ergeben. An einem fiktiven Berechnungsbeispiel werden die Synergien und Abweichungen in der Berechnung dieses Wertanteils aufgezeigt.
2. DEFINITION ZOLLRECHTLICHER URSPRUNG
UND HERKUNFTSANGABE
2.1 Zollrechtlicher Ursprung bzw. präferenzieller/nichtpräferenzieller Ursprung. Mit dem zollrechtlichen Ursprung sind korrekterweise der präferenzielle und der nicht-
präferenzielle Ursprung einer Ware gemeint. Da deren Ausführung bzw. Aufsicht der Eidg. Zollverwaltung obliegt,
wird häufig vom zollrechtlichen Ursprung gesprochen. Mit
der Angabe des präferenziellen Ursprungs auf einer Ware
wird eine Zollvergünstigung bezweckt (zollfrei oder reduzierter Zollansatz; sogenannte vertragliche oder autonome
Zollpräferenzen). Diese wird für Waren gewährt, welche die
entsprechenden Regeln des Freihandelsabkommens (FHA) er­
füllen. Zusätzlich gewähren verschiedene Länder autonome
Zollpräferenzen insbesondere für Entwicklungsländer –
diese sind aber nicht Gegenstand dieses Artikels.
Die Bestimmungen zum nichtpräferenziellen Ursprung
finden sich in der Verordnung über die Beglaubigung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren (VUB) [2]. Der nichtpräferenzielle Ursprung kommt dort zum Tragen, wo bei der Wareneinfuhr und -ausfuhr aussenwirtschaftliche Massnahmen
angewandt werden. Er dient der Anwendung der Meistbegünstigungsklausel (MFN) [3] oder zahlreicher handelspolitischer
Massnahmen wie z. B. Antidumpingabgaben und Handelsembargos.
Die Anwendung des präferenziellen Ursprungs ist freiwillig. Die Erstellung der Ursprungsnachweise hat durch den
Exporteur zu erfolgen. Die Visierung der Nachweise (sofern
notwendig) ist kostenlos, solange sie im Rahmen des Ausfuhrverfahrens erfolgt. Im Gegensatz dazu kann die Möglichkeit zur Einfuhr in gewisse Bestimmungsländer an das
Vorhandensein eines nichtpräferenziellen Ursprungsnach-
HANSUELI STAMM,
STEFAN SZABO,
DR. RER. POL., LEITER
FÜRSPRECHER,
STABSTELLE ÖKONOMIE,
MITARBEITER RECHTS­
EIDG. INSTITUT FÜR
DIENST GEWERBLICHE
GEISTIGES EIGENTUM (IGE),
SCHUTZRECHTE,
BERN,
EIDG. INSTITUT FÜR
[email protected]
GEISTIGES EIGENTUM (IGE),
BERN,
[email protected]
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Swissness und zollrechtlicher U rsprung
weises geknüpft sein (z. B. Saudi-Arabien). Die Beglaubigung
dieser Zeugnisse erfolgt durch die Handelskammern und
ist kostenpflichtig.
2.2 Herkunftsangabe nach Swissness-Regelung. Die
zollrechtliche Behandlung von Importen und Exporten bzw.
die Ausstellung des Ursprungs im Ursprungszeugnis hat
hingegen keinen direkten Zusammenhang mit den Herkunftsangaben nach dem Markenschutzgesetz. Diese gehören zum Kennzeichenrecht und bringen zum Ausdruck,
dass eine Ware oder eine Dienstleistung aus einem bestimmten geografischen Gebiet stammt. Herkunftsangaben müssen zutreffend sein und ermöglichen die freiwillige Kennzeichnung von Gütern und Dienstleistungen zu Werbe­
zwecken. Sie dienen, im Gegensatz zu den zollrechtlichen
Ursprungsregeln, dem Konsumentenschutz und dem täuschungsfreien Wettbewerb.
Die Verwendung von «Swissness» ist nicht nur freiwillig,
sondern auch bewilligungs- und kostenfrei. Die Herkunftsangabe «Schweiz» darf verwendet werden, solange die gesetzlichen Kriterien erfüllt sind. Die Verantwortung für den
gesetzeskonformen Gebrauch liegt beim betreffenden Unternehmen.
2.3 Zollrechtlicher Ursprung versus Swissness. Es ist so­
mit möglich, dass ein Produkt nicht mit der Angabe «Made
in Switzerland» angepriesen werden darf, obwohl es die
zollrechtlichen Ursprungskriterien der Schweiz erfüllt. Herkunft und Ursprung sind somit nicht zwangsläufig identisch. So darf nach dem Zollrecht die Gewinnmarge bei der
Berechnung des Schweizer Anteils berücksichtigt werden,
nicht dagegen bei der Berechnung der Herstellungskosten
nach der Swissness-Gesetzgebung. Je nachdem, ob es um Herkunftsangabenrecht oder Zollrecht geht, muss ein «Schweizer» Produkt deshalb nicht zwangsläufig dieselben rechtlichen Bedingungen erfüllen.
3. NEUE SWISSNESS-KRITERIEN PER
1. JANUAR 2017
3.1 Stand der Swissness-Gesetzgebung. Die SwissnessGesetzgebung umfasst die Revision des Markenschutzgesetzes
(MSchG) [4] sowie die Totalrevision des Bundesgesetzes zum Schutz
öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen (WSchG) [5].
Sie wurde vom Parlament in der Schlussabstimmung vom
21. Juni 2013 verabschiedet. Die Referendumsfrist ist unbenutzt abgelaufen. Am 2. September 2015 hat der Bundesrat
das Verordnungsrecht zur Swissness-Gesetzgebung geneh-
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migt und das ganze Gesetzgebungspaket auf den 1. Januar
2017 in Kraft gesetzt. Der Hauptpunkt der Revision sind präzise Regeln über die geografische Herkunft einer Ware oder
einer Dienstleistung, die im MSchG verankert sind. Heute
« Die Herstellungskosten sind ein entscheidendes
Kriterium für die Bestimmung der Herkunft eines Industrieprodukts.»
gibt es keine im Gesetz festgeschrieben Regeln, mit Ausnahme
der sogenannten Swiss-Made-Verordnung für Uhren [6], die
nur für Uhren gilt.
3.2 Geltendes Recht bzw. Praxis bis 31. Dezember 2016.
Die bisherige Praxis hat sich auf zwei Entscheide des Handelsgerichts St. Gallen abgestützt [7]. Gemäss dieser Rechtsprechung des Handelsgerichts St. Gallen müssen für jeden
Hinweis auf Schweizer Herkunft der schweizerische Wertanteil an den Herstellungskosten (einbezogen hierin sind Rohmaterial, Halbfabrikate, Zubehörteile, produktbezogene
Löhne und Fabrikationsgemeinkosten unter Ausschluss der
Vertriebskosten) mindestens 50% betragen und der wesentliche Fabrikationsprozess in der Schweiz stattgefunden
haben. Die Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E) sowie
für Marketing werden laut dieser Praxis jedoch bei der Berechnung nicht miteinbezogen.
3.3 Gesetzliche Regelung ab 1. Januar 2017. Für Industrieprodukte gilt neu gemäss Art. 48c Abs. 1 MSchG ein 60%-Kriterium, das wie bisher auf die Herstellungskosten als Basis
abstellt. Gegenüber der heute geltenden Praxis ist allerdings
die Berechnungsgrundlage erweitert worden. Auch sind verschiedene Ausnahmen geschaffen worden, die zurzeit (noch)
nicht mitberücksichtigt werden können. So können beispielsweise zukünftig Rohstoffe, die in der Schweiz nicht
vorhanden sind, von der Berechnung ausgenommen werden
(z. B. Edelmetalle). Ebenso müssen Materialien, die in der
Schweiz nicht in genügender Menge verfügbar sind, nur anteilsmässig berücksichtigt werden (z. B. Papier, Aluminium).
Die Herstellungskosten sind also ein entscheidendes Kriterium für die Bestimmung der Herkunft eines Industrieprodukts.
SIMEON L. PROBST,
SAPHIRA
LIC. IUR.,
BORER-DI COSTANZO,
DIPL. STEUEREXPERTE,
MASTER OF LAW,
PARTNER,
MAS FH MWST/VAT,
CUSTOMS, TRADE AND
MANAGER, INDIRECT TAXES
INDIRECT TAXES,
AND LITIGATION,
PWC, BASEL,
PWC, BASEL,
SIMEON.PROBST@
SAPHIRA.BORER@
CH.PWC.COM
CH.PWC.COM
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Neben dem 60%-Herstellungskosten-Kriterium hat als zweites Kriterium auch der wesentliche Fabrikationsschritt in der
Schweiz stattzufinden [8].
3.4 Definition der Herstellungskosten. Für die Bestimmung der Herkunft sind diejenigen Kosten relevant, die tatsächlich angefallen sind. Deshalb wird mit dem Begriff der
«Herstellungskosten» aus dem finanziellen Rechnungs­
wesen sowie mit den dazugehörigen Komponenten gerechnet [9].
Die Herstellungskosten werden in drei Komponenten unterteilt: F&E-Kosten, Materialkosten sowie Fertigungskosten (inkl. Kosten für Qualitätssicherung und Zertifizierung).
3.4.1 F&E-Kosten. Die F&E-Kosten werden gemäss der gesetzlichen Regelung ab 1. Januar 2017 neu in die Berechnung
miteinbezogen. Als Entwicklungskosten gelten die Kosten,
die von der Produktidee bis zur Marktreife des Produkts anfallen, insbesondere auch Kosten für das Design. In der
Regel werden die F&E-Kosten nach dem Abschreibungszeitraum nicht mehr berücksichtigt. Es kann also sein, dass
ein Produkt nach der vollständigen Abschreibung der ursprünglichen F&E-Kosten die erforderliche Swissness-Limite betreffend die Herstellungskosten nicht mehr erreicht.
Um zu vermeiden, dass dieses Produkt den Swissness-Status
verliert, können die durchschnittlichen jährlichen F&EAmortisationskosten weiterhin angerechnet werden. Diese
Regelung gilt nur bei den F&E-Kosten, um Härtefälle zu vermeiden [10].
3.4.2 Materialkosten. Die Materialkosten werden entweder
mittels geeignetem Schlüssel (Materialgemeinkosten) oder
direkt (Materialeinzelkosten) dem Produkt zugerechnet. In
beiden Fällen muss zwischen den Kosten für schweizerische
Materialien und den Kosten für nicht schweizerische Materialien unterschieden werden.
3.4.3 Fertigungskosten. Die Fertigungskosten umfassen die
Fertigungseinzelkosten und die Fertigungsgemeinkosten.
Zu den Fertigungskosten zählen insbesondere die Löhne
und die lohnabhängigen Fertigungskosten, die maschinenabhängigen Fertigungskosten sowie die Kosten für gesetzlich vorgeschriebene oder branchenweit nachweislich einheitlich geregelte Qualitätssicherung und Zertifizierung.
Halbfabrikate können voll angerechnet werden, sofern diese
ihrerseits die Swissness-Kriterien erfüllen, ansonsten ist
keine Anrechnung möglich. Alternativ können aber auch
die im Halbfabrikat enthaltenen Rohstoffe anteilsmässig
angerechnet werden. Bei dieser Berechnungsart wird das
Halbfabrikat in seine Bestandteile aufgeschlüsselt.
Nicht in die Kostenberechnung miteinbezogen werden
dürfen hingegen alle Kosten, die nicht unmittelbar zur Entstehung des Produkts beigetragen haben, also alle Kosten,
die nicht Teil der Herstellungskosten sind. Dies gilt etwa für
die Verpackungs- und Transportkosten, die Verwaltungsund Vertriebskosten sowie die Marketing- und Servicekosten. Ebenso gehören Finanzierungskosten von F&E-Projekten nicht zu den Herstellungskosten.
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4. PRÄFERENZIELLER URSPRUNG
4.1 Ausgangslage. Die Schweiz wendet bis dato 30 FHA an.
Von diesen hat die Schweiz vier Abkommen bilateral abgeschlossen (mit der EU, mit China, mit Japan sowie mit den
Färöer Inseln) und die restlichen im Rahmen der EFTA. Die
FHA bezwecken insbesondere, dass die Waren in den Vertragsstaaten zollfrei oder zollermässigt eingeführt werden
« Die ursprungsbegründenden
Kriterien werden jeweils zwischen den
Freihandelspartnern festgelegt,
und daher hat grundsätzlich jedes FHA
eigene Ursprungskriterien.»
können (sog. Präferenzbehandlung). Dazu müssen die Waren
in einem der Vertragsstaaten so bearbeitet worden sein, dass
sie den Ursprungscharakter verliehen bekommen. Die ursprungsbegründenden Kriterien werden jeweils zwischen
den Freihandelspartnern festgelegt, und daher hat grundsätzlich jedes FHA eigene Ursprungskriterien. Ein Unternehmen, das Waren für den Export produziert oder Erzeugnisse
re-exportiert, kann deshalb (vorausgesetzt, die Ursprungskriterien sind erfüllt) Ursprungsnachweise ausstellen, und
der Importeur im Bestimmungsland kann da­mit von einer
Präferenzbehandlung profitieren.
4.2 Voraussetzungen für die Zollpräferenzen. Damit eine
Ware Ursprung in einem Vertragsland des jeweiligen FHA erreicht, muss sie entweder vollständig gewonnen oder erzeugt
worden sein (Urprodukt) oder eine «genügende Bearbeitung»
(«in ausreichendem Masse be- oder verarbeitete Erzeugnisse») erfahren haben. Nicht als genügende Bearbeitung
gilt die sogenannte «Minimalbehandlung», welche nicht zu
einem Wechsel des Ursprungscharakters führt. Diese Minimalbehandlungen (wie z. B. einfaches Umpacken, einfaches
Zerteilen) sind im jeweiligen FHA definiert [11].
Als Urprodukte gelten grundsätzlich Waren, die im jeweiligen Vertragsland gewachsen, geerntet, geboren oder gewonnen oder aus solchen Waren hergestellt wurden. Aus
Sicht der Schweiz gilt dies somit vornehmlich für, in diesem Artikel ausgeklammerte, landwirtschaftliche Produkte
bzw. Lebensmittel (Waren der Zolltarifkapitel 01–24) [12].
Aufgrund fehlender Rohstoffe können Industriegüter (Zolltarifkapitel 25–97) kaum Urprodukte der Schweiz sein. Für
solche Waren ist daher zu beurteilen, ob sie das Ursprungskriterium gemäss dem jeweiligen FHA erfüllen. Länder,
welche die Pan-Euro-Mediterranen-Ursprungsprotokolle
anwenden, haben übereinstimmende Listenkriterien [13].
Die verschiedenen aussereuropäischen bzw. Übersee-Abkommen können jedoch stark davon abweichen. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die FHA Schweiz–EU und
Schweiz–China (CN).
Um eine Ursprungsbeurteilung vornehmen zu können,
muss die korrekte Zolltarifnummer (TN) bekannt sein. Die
Wertschöpfungskriterien geben vor, welche Arbeiten und
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Abbildung 1: KINDERWAGENBESTANDTEILE
Beispiel
Produkt
Preis in CHF
Ursprung/Kommentar
TN CH
Kinderwagen, komplett
1200
Verkaufspreis ab Werk
8715.0000
Decke, Kissen, Matratze
Gesamtwert: 80
Bezug aus Indonesien (mit Formular A)
6301.4000
Kissen
9404.9000
Matratze
9404.2900
Flaschenhalter aus Kunststoff
3926.9000
Muff (zum Warmhalten der Hände)
6117.8080
Netz (zum Aufbewahren von Waren)
5608.1900
Sonnenschirm (rot mit weissem
Schriftzug «Switzerland for you»)
15
Bezug aus Deutschland (wurde in der EU
in den zollrechtlich freien Verkehr gebracht),
Ursprung China
6601.9900
Alu-Rohre
170
Bezug aus Italien mit Präferenznachweis
7608.1000
Räder
60 für Set
à 4 Stück
Bezug aus Deutschland mit Präferenznachweis
8715.0000
Kunststoffteile am Kinderwagen
(nicht allgemein verwendbar)
90
Bezug von Lieferanten in der Schweiz und
hergestellt nach Zeichnung der Muster Baby AG
(mit Inlandbeglaubigung oder Ursprungs­
deklaration nach VUB)
8715.0000
Bremsen, Kabel, Federn, Schrauben
Bremsen: 40
Rest: 10
Bezug von diversen Lieferanten,
Ursprung unbestimmt
Bremsen: 8715.0000
Rest: Diverse TN
Wertanteile in der Schweiz erzielt werden müssen, um unter
dem jeweiligen FHA präferenziellen Ursprung zu erreichen.
In einem nächsten Schritt ist deshalb zu prüfen, wie hoch der
Anteil von Drittlandwaren – also aller verwendeten Vormaterialien aus einem Land, das vom jeweiligen FHA nicht abgedeckt wird (allenfalls unter Anwendung von Kumulationsmöglichkeiten) – im Vergleich zum Ab-Werk-Preis maximal
ausfallen darf. Mit dem Ab-Werk-Preis ist der Preis des Erzeugnisses ab Werk gemeint, der dem Hersteller gezahlt
wird, in dessen Unternehmen die letzte Be- oder Verarbeitung durchgeführt worden ist. Voraussetzung ist, dass dieser Preis den Wert aller verwendeten Vormaterialien umfasst
(z. B. auch Beistellmaterial). Wie hoch dieser Anteil an Drittlandwaren genau ausfallen darf, ist für jedes Produkt gemäss
der korrekten TN einzeln zu prüfen. Einerseits dürfen beispielsweise je nach Produkt Vormaterialien mit drittländischem Ursprung von 40% verwendet werden. Andererseits
gibt es bei einzelnen Produkten alternativ oder zusätzlich
das Kriterium des Positionssprungs. Der Begriff «Positionssprung» bedeutet, dass eine Ware den Ursprung erlangt,
wenn das ausgeführte Produkt in eine andere TN eingereiht
wird als die verwendeten (Vor-)Produkte mit Drittlandcharakter. In der Regel muss ein Wechsel der vierstelligen HSPosition erfolgen [14].
Als dritte Alternative gibt es je nach Produkt und FHA
noch spezifische Bearbeitungsschritte, die bei der Ursprungsbeurteilung zur Anwendung gelangen können.
5. NICHTPRÄFERENZIELLER URSPRUNG
Im Gegensatz zum präferenziellen Ursprung beruht der
nichtpräferenzielle Ursprung auf nationalen Regelungen
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und nicht auf der Vereinbarung zwischen verschiedenen Staaten oder Staatengruppen [15]. Dabei kann jedes Land relativ
eigenständig die Regeln festlegen, wobei internationale Rahmenbedingungen formeller Natur bestehen. Der nichtpräferenzielle Ursprung dient primär der Anwendung oder eben
Nicht-Anwendung von handelspolitischen Massnahmen und
nur am Rande der Erlangung von Zollvergünstigungen. Im
Gegensatz zum präferenziellen Ursprung ist der nichtpräferenzielle Ursprung oftmals zwingend anzuwenden, da andern­
falls gar kein Import im Bestimmungsland erfolgen kann.
Wenn bei der Einfuhr ein Ursprungsnachweis benötigt
wird, ist ein Ursprungszeugnis oder eine Ursprungsbeglaubigung (als Stempel oder im elektronischen Verfahren als
Aufdruck auf den Handelsdokumenten) bei den örtlich zuständigen Handelskammern zu beantragen. Im Unterschied
zum präferenziellen Ursprung kann dieser Nachweis nicht
selbstständig durch den Hersteller respektive Ausführer ausgestellt werden.
6. MUSTERBEISPIEL KINDERWAGEN
6.1 Sachverhalt. Das rote Kinderwagen-Modell «Switzerland for you» wird bei der Muster Baby AG mit Sitz in der
Schweiz hergestellt. Der Verkaufspreis des Kinderwagens
(Ab-Werk-Preis) beträgt CHF 1200. In diesem Wert enthalten
sind alle Entwicklungs- und Herstellungskosten. Der Kinderwagen wird von der Schweiz nach Deutschland (DE) und
China (CN) exportiert. Auf dem Kinderwagen ist ein Schweizerkreuz angebracht. Er ist zudem mit einer Etikette «Made
in Switzerland» versehen. Das Zubehör wird entweder direkt
am Kinderwagen montiert oder bei der Muster Baby AG zusammengestellt und dem Wagen beigelegt.
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Abbildung 2: SWISSNESS-KRITERIEN GEMÄSS HERKUNFTSABGABENRECHT
Beispiel Kinderwagen
in CHF
1. Spalte
Anteil Herstellungskosten (HKo),
die in CH anfallen
2. Spalte
Anteil HKo
Ausland/in CH
erhältlich
Alu-Rohre
Kunststoffteile
3. Spalte
Anteil HKo
Ausland/in CH
nicht erhältlich
4. Spalte
Für Berechnung
nicht relevant
170
90
Bremsen, Kabel, Federn, Schrauben
50
Räder
60
Zubehör
95
F&E-Kosten
50
Qualitätssicherungs- und
Zertifizierungskosten
20
Fertigungskosten
200
Total
360
220
Anteil
62%
38%
60
95
Swissness-relevante Kosten
Der Kinderwagen setzt sich zusammen aus den Bestandteilen gemäss Abbildung 1.
Die Fertigungskosten machen CHF 200 aus. Die F&E-Kosten betragen CHF 50 und die Qualitätssicherungs- und
­Z ertifizierungskosten CHF 20. In den restlichen Kosten
(= CHF 465) sind alle übrigen Kosten (Verwaltung und Vertrieb, Marketing usw.) sowie die Marge enthalten.
6.2 Beurteilung und Gegenüberstellung der Kriterien
aus Sicht Swissness, präferenzieller Ursprung und nichtpräferenzieller Ursprung
6.2.1 Erfüllen der Kriterien aus Sicht Swissness. Anhand der Abbildung 2 kann in diesem Beispiel überprüft werden, ob der Kinderwagen die Swissness-Kriterien gemäss Herkunftsangabenrecht erfüllt. Dazu müssen zunächst die verschiedenen
Kostenarten (Spalte ganz links) auf folgende unterschiedliche Kategorien aufgeteilt werden:
 Zunächst werden diejenigen Kosten, die gar nichts mit der
Herstellung des Kinderwagens zu tun haben, vom Rest separiert (4. Spalte). Im Beispiel handelt es sich hier um das
Zubehör (Decke, Kissen usw. sowie Sonnenschirm) im
Wert von CHF 95. Auch wenn dieses aus der Schweiz stammen würde, hätte es nichts mit der Berechnung der Herstellungskosten des Kinderwagens zu tun und müsste entsprechend ausgeschieden werden.
 Die tatsächlichen Herstellungskosten werden in einem
zweiten Schritt auf die drei verbleibenden Spalten verteilt:
  Herstellungskosten, die im Ausland insbesondere für
Rohstoffe und Halbfabrikate anfallen, die in der Schweiz
nachweislich nicht erhältlich sind, stehen in der 3. Spalte.
Solche Bestandteile werden von der Swissness-Berechnung ausgenommen. Im fiktiven Beispiel wird davon
ausgegangen, dass es in der Schweiz keinen Hersteller
für die notwendigen Räder gibt [16].
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  Herstellungskosten, die aus dem Ausland bezogen werden, welche aber auch in der Schweiz anfallen könnten,
gehören in die 2. Spalte. Im Beispiel sind dies die Kosten
für die «Alu-Rohre» sowie für «Bremsen, Kabel, Federn, Schrauben», die beide – so die Annahme in diesem Beispiel – auch aus Schweizer Produktion [17] bezogen werden könnten. Da sie aber aus dem Ausland bezogen werden, gehen sie entsprechend als ausländische
Bestandteile in die Berechnung ein.
  Schliesslich kommen in die 1. Spalte alle Herstellungskosten, die in der Schweiz angefallen sind. Halbfabrikate gelten dann als schweizerisch, wenn diese ihrerseits die Swissness-Kriterien nachweislich erfüllen.
Für die Berechnung des 60%-Herstellungskostenkriteriums
sind die Summen in der 1. und 2. Spalte relevant. Von den
CHF 580 (CHF 360 + 220) sind 62% in der Schweiz angefallen,
38% im Ausland. Der Kinderwagen erfüllt somit das 60%-Herstellungskostenkriterium [18]. Insgesamt machen die Herstellungskosten CHF 640 (CHF 580 + 60) aus. Die restlichen
CHF 465 (CHF 1200 [Verkaufspreis] – CHF 640 [Herstellungs­
kosten] – CHF 95 [Zubehör]) enthalten wie erwähnt alle übrigen Kosten (Verwaltung und Vertrieb, Marketing usw.) so­
wie die Marge.
Ob der Kinderwagen tatsächlich mit einem Schweizerkreuz versehen werden darf, hängt zudem davon ab, ob
auch der wesentliche Fabrikationsschritt in der Schweiz
stattgefunden hat. Geht man davon aus, dass das Zusammensetzen der Einzelteile zum fertigen Kinderwagen der
wesentliche Fabrikationsschritt ist, so wird auch diese Bedingung erfüllt. Argumentiert man jedoch, dass die Produktion der Alu-Rohre, die dem Kinderwagen seine für die Funktion notwendige Form geben, für die Produktion am wesentlichsten ist, so handelt es sich nicht um einen «Schweizer»
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Abbildung 3: WERTSCHÖPFUNGSKRITERIEN
Beispiel Kinderwagen
Freihandelsabkommen
CH–EU
Freihandelsabkommen
CH–China (CN)
 Das Vormaterial ohne Ursprung hat nicht die gleiche TN
wie das Endprodukt (Positionssprung);
und
 der Wert aller verwendeten
Drittlandwaren/Vormaterial
macht max. 40% des Ab-WerkPreises des hergestellten
Produkts aus;
oder
 der Wert aller verwendeten
Drittlandwaren/Vormaterial
macht max. 30% des Ab-WerkPreises des hergestellten
Produkts aus.
Der Wert aller verwendeten Drittlandwaren/
Vormaterial macht max.
60% des Ab-Werk-Preises
des hergestellten Produkts aus.
Kinderwagen nach Herkunftsrecht, auch wenn er das Kostenkriterium erfüllt [19].
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Dies bedeutet, dass das Ursprungskriterium CN erfüllt ist,
da nach der voranstehenden Berechnung der Wert aller verwendeten Vormaterialen lediglich bei 38,8% liegt. Auf die
Berechnung des Wertanteils aller verwendeten Drittlandwaren kann an dieser Stelle somit verzichtet werden. Der
gesamte Kinderwagen inkl. Zubehör kann somit mit Präferenz nach China gesendet werden (die diesbezügliche Zolleinsparung beträgt pro Stück CHF 768 (Normalzollansatz
80%, mit Präferenz 16%) [22].
6.2.3 Erfüllen der Kriterien aus Sicht nichtpräferenzieller Ursprung.
Damit der Kinderwagen die Voraussetzungen des nichtpräferenziellen Ursprungs in der Schweiz erfüllt, muss der Kinderwagen entweder in der Schweiz vollständig gewonnen
bzw. hergestellt oder ausreichend be- oder verarbeitet worden
sein. Da die Muster Baby AG Teile für diesen Kinderwagen
aus dem Ausland importiert, ist das Kriterium des vollständigen Gewinnens oder Herstellens bereits ausgeschlossen.
Um das Kriterium der ausreichenden Be- oder Verarbeitung
zu erfüllen, darf entweder der Wert aller zu seiner Herstellung verwendeten Vormaterialien ausländischen Ursprungs
nicht 50% seines Ab-Werk-Preises übersteigen, oder es muss
ein Positionssprung vorliegen [23].
6.2.2 Erfüllen der Kriterien aus Sicht präferenzieller Ursprung. Für
die im Kinderwagen-Beispiel anzuwendenden Produkte
bzw. Zolltarifnummern kommen gemäss den beiden FHA
CH–EU sowie CH–CN die Wertschöpfungskriterien gemäss
Abbildung 3 zur Anwendung [20].
6.2.2.1 FHA CH–EU. Das erste Kriterium beim FHA CH–EU
kann prima vista nicht erfüllt werden, da das Vormaterial
ohne Präferenzursprung teilweise die gleiche TN wie das
Endprodukt ausweist (TN 8715).
Im FHA CH–EU kann aber ebenfalls das 30%-Kriterium als
wählbare zweite anwendbare Listenregel für die Ursprungsfindung herangezogen werden. Der Ab-Werk-Preis des kompletten Kinderwagens beträgt CHF 1200. Der Wert aller verwendeten Vormaterialien ergibt CHF 465, dies entspricht
38,8% des Ab-Werk-Preises. An dieser Stelle gilt es darauf hinzuweisen, dass die übrigen, nicht auf das Material bezogenen
Kosten aus Ursprungsicht Schweizer Anteil darstellen (total
CHF 735). Es können jedoch für CHF 230 (Alu-Rohre und Räder
aus der EU, ausmachend 19,2% Ab-Werk-Preis) Präferenznachweise vorgelegt werden, die gemäss dem FHA CH-EU
kumuliert werden dürfen und somit nicht zu beachten sind.
Demnach beträgt der Anteil an den verwendeten Drittlandwaren ohne Ursprung lediglich noch CHF 235 (19,6%) und
liegt somit innerhalb der massgebenden 30%-Grenze.
Der Kinderwagen inkl. Zubehör kann somit mit Präferenz
in die EU versendet werden (die diesbezügliche Zolleinsparnis beträgt pro Stück CHF 32.40 (Normalzollsatz 2,7%, mit
Präferenz 0%) [21].
6.2.2.2 FHA CH-CN. Eine analoge Regelung besteht im FHA
CH-CN, jedoch mit einem möglichen Wertanteil von Drittlandwaren von maximal 60%.
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Das Kriterium des Positionssprungs wird vorliegend wiederum prima vista nicht erfüllt, da gewisse Teile bereits die
TN 8715 haben.
Das 50%-Kriterium ist hingegen erfüllt, da – wie vorstehend bereits berechnet – der Wert aller verwendeten Vormaterialien CHF 465 ergibt. Dies entspricht 38,8% des Ab-WerkPreises.
Der nichtpräferenzielle Ursprung Schweiz kann somit bei
der zuständigen Handelskammer für die kompletten Kinderwagen bestätigt werden [24]. In der Regel wird dieser
­Ursprungnachweis benötigt, um vom MFN-Ansatz profitieren zu können (nebst anderen Handelserleichterungen in gewissen Ländern). Der gesamte Kinderwagen inkl. Zubehör
kann somit mit dem MFN-Ansatz nach China gesendet werden (die diesbezügliche Zolleinsparung beträgt pro Stück
CHF 720 (Normalzollansatz 80%, anwendbarer MFN-Ansatz
20%). Da im vorliegenden Fall jedoch – wie gesehen – bereits
der nichpräferenzielle Ursprung gegeben ist und die Anwendung des nichtpräferenziellen Ursprungs nicht zu höheren
Einsparungen führt, kann beim vorliegenden Musterbeispiel auf die Anwendung der nichtpräferenziellen Ursprungsregeln verzichtet werden.
Für den Versand nach Deutschland hat die Erfüllung des
nicht-präferenziellen Ursprungs bei diesem Produkt allerdings keine Vorteile, da der MFN-Ansatz nach Deutschland
dem Normalzollansatz entspricht und somit zu keiner Zolleinsparung führt. Die Vorteile liegen hier somit alleine in
der Anwendung von allfälligen handelspolitischen Massnahmen.
Anmerkungen: 1) Die Ausführungen beschränken sich auf Industrieprodukte nach der Definition der neuen Swissness-Regelung. Naturprodukte, Lebensmittel und Dienstleistungen werden
hier nicht behandelt, da für diese andere Kriterien
zur Anwendung kommen. 2) SR 946.31. 3) Sog.
Most Favoured Nation Clause: Nach dem Meist­
begünstigungsprinzip, der Most Favored Nation
(MFN) Clause, müssen Handelsprivilegien, die
einem Vertragspartner gewährt werden, auch allen
anderen Vertragspartnern bewilligt werden. Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO)
gewähren einander z. B. grundsätzlich Meistbegünstigungszollsätze. Ausnahmen können im
Rahmen von Freihandelsabkommen oder unter
dem Generalized System of Preferences (GSP) bestehen. Auch Nicht-WTO-Mitgliedstaaten können
anderen Ländern Meistbegünstigungssätze bewilligen. 4) SR 232.11; BBl 2013 4795 ff. 5) SR 232.21;
BBl 2013 4777 ff. 6) SR 232.119. 7) Urteil vom 24. April
1968, Schweizerische Juristen-Zeitung 1972, S. 207
und Urteil vom 6. November 1992, St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 1992, Nr. 39. 8) Vgl.
Art. 48c MSchG. 9) Vgl. Thomas Rautenstrauch,
Gutachterliche Stellungnahme zu den Umsetzungsvorschlägen betreffend die Berechnung des notwendigen Anteils, der ein Produkt zu einem Schweizer Produkt macht; Zürich: Hochschule für Wirtschaft HWZ; abrufbar unter: https://www.ige.ch/
fileadmin/user_upload/Swissness/d/6_Studie_Her
stellungskosten_Rautenstrauch_2014.pdf. 10) Vgl.
Botschaft zur Änderung des Markenschutzgesetzes
1042
7. FAZIT
Wie dargestellt handelt es sich bei den Begriffen Swissness
und zollrechtlicher Ursprung um ein sehr ungleiches Paar.
Es bestehen sowohl Unterschiede in der gesetzlichen Grundlage, in der Basis der Berechnung, in der Berechnung selber
als auch im Nachweis der Berechnung bzw. in der Dokumentation zur Berechnung. Generell kann vom zollrechtlichen
Ursprung nicht auf Swissness geschlossen werden et vice
versa.
Aus dem vorstehenden Musterbeispiel ist ersichtlich, dass
der infrage stehende Kinderwagen zwar sowohl die Kriterien
aus Sicht Swissness, aus Sicht präferenzieller Ursprung als
auch aus Sicht nichtpräferenzieller Ursprung allesamt erfüllt, die zu berücksichtigenden Kriterien sind jedoch komplett unterschiedlich. Damit wird verdeutlicht, dass bei der
Prüfung dieser Kriterien eine strikte Trennung zwischen
Swissness, präferenziellem Ursprung und nichtpräferenziellem Ursprung gemacht und die Berechnungen von den Unternehmen einzeln vorgenommen werden müssen. Beide
Rechnungen können jedoch mit denselben Daten aus der internen Rechnungslegung durchgeführt werden.
Im Anschluss an diese Erkenntnisse stellt sich nun die
Frage, mit welchen Konsequenzen ein Unternehmen bei
Nichteinhaltung der Vorschriften im Bereich Swissness so­
wie zollrechtlicher Ursprung zu rechnen hat. Diese Frage
wird Gegenstand eines Folgeartikels sein, in dem die Autoren detailliert auf dieses Thema eingehen werden.
n
und zu einem Bundesgesetz über den Schutz des
Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen («Swissness»-Vorlage), BBl 2009 8533 8595.
11) Z. B. FHA CH-EU, Protokoll Nr. 3, Art. 7. 12) Vgl.
Schweizer Zolltarif Tares unter: www.tares.ch.
13) Vgl. www.ezv.admin.ch > Direkt zu «Freihandelsabkommen, Ursprung»>Publikationen: Merkblätter/Publikationen Freihandelsabkommen, Ursprung > Ausfuhr aus der Schweiz: Wegleitung zu
den Pan-Euro-Mediterranen Ursprungsprotokollen. 14) Mit der Abkürzung HS ist die internationale Klassifizierung (Nomenklatur) des Harmonisierten Systems gemeint, an welche sich auch die
Schweizer Zolltarifnummern anlehnen. In der
Datenbank swiss-impex.admin.ch kann unter dieser Nomenklatur mit im Alltag gebräuchlichen
Bezeichnungen nach einzelnen Produkten gesucht
werden. 15) Wie bereits ausgeführt, sind die einschlägigen Regelungen in der Schweiz in der VUB
geregelt; vgl. Anm. 2. 16) Es könnte auch der Fall
eintreffen, dass in der Schweiz zwar solche Räder
produziert werden, aber nur ein Drittel der inländischen Nachfrage befriedigt werden kann. In
einem solchen Fall müssten diese Räder zu einem
Drittel in die Herstellungskostenberechnung einfliessen. Zwei Drittel des Betrags verblieben in der
3. Spalte, ein Drittel stünde in der 2. Spalte. 17) Diese
müssen ihrerseits die Swissness-Kriterien erfüllen.
18) Erst dank des Einbezugs der F&E- sowie der
Qualitätssicherungs- und Zertifizierungskosten
erreicht der Kinderwagen die Swissness-Limite von
mindestens 60%. 19) Sind sich die Fachleute nicht
einig, welches der wesentliche Produktionsschritt
bei der Herstellung eines Produkts ist, wird letztlich der Richter diese Frage entscheiden müssen.
20) Auf den Einbezug der Bestimmungen zur Minimalbehandlung sowie zur Toleranzregel wird
in den nachfolgenden Ausführungen bewusst verzichtet. 21) Werden das Zubehör bzw. die Ersatzteile separat geliefert, so kann lediglich für die AluRohre und Räder ein präferenzieller Ursprungsnachweis ausgestellt werden. Für die Kunststoffteile
ex CH liegt lediglich ein nichtpräferenzielles Ursprungsdokument vor. 22) Wird das Zubehör bzw.
werden die Ersatzteile jedoch separat geliefert, so
ist das Ursprungskriterium CN allerding für keines der Produkte erfüllt, und die Zollabgaben
zum Normalsatz (oder allenfalls MFN; siehe nachstehend Ziff. 6.2.3) werden fällig. Auch wenn die
Sonnenschirme Ursprung CN haben, so verlieren
sie den gegebenenfalls präferenziellen Ursprungscharakter, da sie aus Deutschland geliefert werden
und zuerst dort nationalisiert/verzollt werden
(FHA CH-CN = bilateral --> Ursprungskette wird
unterbrochen). 23) Auf den Einbezug der Bestimmungen zur Minimalbehandlung sowie zur Toleranzregel wird auch hier bewusst verzichtet. 24) Es
ist anzumerken, dass die Handelskammern bei
entsprechenden Unterlagen auch den Ursprung
anderer Länder (z. B. DE) bestätigen können (vgl.
Dienstanweisung zur Verordnung über die Beglaubigung des nichtpräferenziellen Ursprungs von
Waren der Eidg. Zollverwaltung, Oberzolldirektion, Sektion Ursprung und Textilien, Ziff. IV 2.).
E X P E R T F O C U S 2015 | 12