Machen Sie die Biege! Wie wir Spanien vermöbelten
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Machen Sie die Biege! Wie wir Spanien vermöbelten
V4 REISE FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 5. OK TOBER 2008, NR. 40 Wie wir Spanien vermöbelten Mit den Deutschen kam ein ganz neuer Einrichtungsstil. Arme Costa Blanca! Der Sommer ist vorbei – Zeit für Wellness auf Mallorca Zum Frühstück singt – dass es den noch gibt – Cat Stevens. In der Ferne sieht man das TramuntanaGebirge, davor wiegen sich die Zypressen. Und im „Vespasian-Spa“ riecht es nach Zitronengras. Auf Mallorca kann man inzwischen auch in eine Parallelwelt eintauchen, weit weg von zugebauten Stränden und Ballermann-Partys. Eine Parallelwelt mit Salzpeelings und Mandelmilch, mit Massagetempeln und Saunalandschaften – so will Mallorca mehr Qualitätsurlauber anziehen und saisonunabhängiger werden. Die Badesaison dauert nur bis Oktober, fast zwei Dutzend Fünf-Sterne-Hotels, aber auch kleine Wohlfühlfincas und allerlei Inselpersönlichkeiten basteln jetzt am neuen Gesundheitsimage. Álvaro Middelmann, der Direktor des einzigen unabhängigen Tourismusverbandes Fomento del Turisme, ist sich sicher: „Durch Wellness wird die Insel zum Ganzjahresziel.“ Tee ans Bett Cat Stevens singt im Fünf-SterneHotel „Reads“. Das Wellness-Refugium bei Santa Maria gilt als das persönlichste und hochwertigste auf Mallorca. Hat man sich mit dem amüsanten Stilmix aus viktorianischem Krimskrams, französischem Trompe-l’Œil und mediterranem Landflair erst mal angefreundet, garantiert der vom früheren Londoner Anwalt Vivian Read und seiner Familie geführte Herrensitz aus dem 16. Jahrhundert Ferien auf höchstem Niveau: Eine Küche mit Michelin-Stern, ein edles Spa und perfekter Service bis hin zum English-Breakfast-Tea ans Bett. Herausragend ist auch das 2007 eröffnete „Vespasian-Spa“: weitläufig wie das eines großen Hotels und doch nur für die Gäste von 23 Suiten und Zimmern reserviert. Die haben den zweihundert Quadratmeter großen Außenpool für sich, inmitten eines 20 000 Quadratmeter großen Gartens. Paare können Dampfbaden zu zweit oder Doppelmassagen namens „Segen“ buchen. Bekocht wird man im „Reads“ von Sterne-Koch Marc Fosh – und was man sich so an Kilos anfuttert, lässt sich auf Profi-Bikes und auf nahe gelegenen Golfplätzen wieder abtrainieren (Doppelzimmer ab 250 Euro, www.readshotel.com). Wer es eher familiär mag, findet bei Sóller in der „Farben-und-Düfte-Finca“ „Can Coll“ eine gute Adresse: sieben Suiten und Zimmer, ein Pool mit Bergpanorama in einem vierhundert Jahre alten, im luftig-modernen Country-Stil sanierten Fincahotel unter Leitung eines jungen deutschen Paares. Jedes Zimmer hat eine eigene Farbund Duftkomposition – in der gelben Suite „Limón“ etwa schlafen Gäste auf rückenfreundlichen Wellness-Matratzen und atmen belebende Zitrusöle ein. Abends gibt es Mallorca-Weine und Jamón in einer kleinen hauseigenen Bodega. Wander- und Radtouren ins Tramuntana-Gebirge oder Extremklettern und Kajak-Trips starten am Haus (Doppelzimmer ab 160 Euro, www.cancoll.com). Eher unklösterlich geht es im Kloster-Spa „Son Brull“ hoch im Norden Mallorcas bei Pollença zu. Puristisch unterkühlt, mit schwarzem Schiefer in den Zimmern und weißen Himmelbetten am Pool, bietet das Fünf-Sterne-Haus in einem ehemaligen Kloster Mallorcas authentischstes Wellness-Programm: Hier werden weder ThaiMassagen noch ayurvedische Stirnölgüsse verabreicht, sondern ausschließlich Inselprodukte: warme Oliven- und Mandelöl-Bodywraps gegen Stress, Aloe Vera bei Sonnenbrand. Ein hoteleigener Garten mit Biowein, Feigen und Tomaten ist im Aufbau. In jeder der 23 in Braun und Weiß möblierten ExMönchszellen gibt es W-Lan, am Wochenende feiert man Funk-Par- tys am Pool, das hauseigene Gourmetlokal „365“ mit Chef Joan Marc Garcías ist Anwärter auf einen Michelin-Stern. Ins „Son Brull“ kommt man „um zu entstressen“, sagt Juniorchef Miguel Suau – aber nicht unbedingt zum Schlafen (Doppelzimmer ab 362 Euro, www.sonbrull.com). Natur zum Mitnehmen Chinesische Qigong-Übungen oder Nordic Walking werden im Vier-Sterne-Strandhotel „Son Caliu“ meist von deutschen Krankenkassen bezuschusst. Das gepflegte Haus an der ansonsten eher zubetonierten Calvia-Küste vor Andraitx hat gerade einen 1100 Quadratmeter großen Wellness-Bereich eröffnet. Beheizte Wasserbetten, Dampfkräuterbäder und Bio-Release-Kopfmassagen ziehen auch Tagesgäste an (Tagesticket 20 Euro, www.soncaliu.com). Und wer mallorquinische Wellness mit nach Hause nehmen will, kann auf der Insel produzierte Naturprodukte in den Koffer legen. Naturkosmetik aus Olivenöl und Olivenblattextrakt stellen etwa die Deutschen Alexandra Heydiri und Thomas Lommel im Weinörtchen Binissalem her und verkaufen sie vor Ort und im Internet (www.ole.ag); Mallorca-Veteranin Trudi Murray rührt Naturseifen und -cremes nach mittelalterlichen Rezepten mit Rosenknospen und Aloe Vera an (www.gaia-natural.com); und die Deutsch-Schweizerin Katja Wöhr schaufelt in den Salinen nahe des Strandes von Es Trenc im Südosten Natursalz – und verkauft ihr „Flor de Sal d’Es Trenc“ in alle Welt (Wöhrs Laden „Sal de la Vida“ liegt in Santanyi). Wöhr verkörpert den Typ der Mallorca-Einwanderer, die von der Insel aus eine europäische Karriere beginnen. ANDREA TAPPER Die Autorin hat zusammen mit Inka Gottschalch den ersten Wellness-Führer für Mallorca, „Mallorca Healthy Holiday“ geschrieben (Klartext-Verlag 2006, 352 Seiten, 14,95 Euro). ca. Femenía glaubt, sie werden Möbel brauchen, die nur zwei Kriterien erfüllen müssten: teuer und protzig. Gerade hat er in einem Zuliefererkatalog etwas entdeckt, was diesen Kunden gefallen dürfte: eine Caesaren-Büste nach antikem Vorbild, aus Terrakotta, innen hohl. Das Geschäft hat sich verändert: Die Möbelhäuser der ersten Stunde führten alles von schlicht bis verschnörkelt, von Louis-Quinze-Look bis zum Regal im Baukastensystem. Die nächste Generation EXPEDITION DISKOBUCHT 9-Tage-Seereise Grönland mit MS Fram inkl. Flug ab / bis Deutschland 2.828,– € p. P., ab bei Buchung bis 30.11.2008 (regulär ab 3.535,– € p. P., abzgl. 20 % Frühbucher- Bonus) Reisetermine: Juni bis September 2009 Bizarre Eisbergformationen. Fröhlich-bunte Häuser. Mit Hurtigruten Fahrt mit der modernen Fram treffen Sie auf eine unerwartet an der Westküste. 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Dessen Gesichtsausdruck ist anzusehen, dass er mit der plötzlichen Vertraulichkeit des jungen Mannes US GRÖNLAND FASZINATION MIT BIS ZU Information, aktueller Katalog „Expeditions-Seereisen 2009/2010“ und Buchung in Ihrem Reisebüro oder unter: wenig anfangen kann. Endlich spricht Frank weiter: „Schauen Sie sich in aller Ruhe um. Wenn ich Ihnen helfen kann, melden Sie sich; wenn Sie sich heute noch nicht entscheiden möchten, kommen Sie gerne wieder.“ Und schwupp – bekommt man eine Flasche Rotwein mit Möbelhausetikett und Telefonnummer geschenkt. So geschmeichelt erstehen die eiligen Investoren dann im Schnell-Schnell-Verfahren an einem Nachmittag das Mobiliar für das ganze Haus und Solche Möbel hat der liebe Gott ganz sicher nicht eingeplant, als der den Spaniern diese schöne Landschaft gab. FRÜH B Machen Sie die Biege! setzte auf Spezialisierung: nur Luxusmöbel im Edelambiente oder das Gegenteil: Baumarktmobiliar zum Selber-Zusammenstecken. „Rebajas“ blinkt in Rot und Weiß über den Portalen der Billigmöbelmärkte, „Rabatte“ heißt das. Die gibt es am Ende nicht wirklich, aber dafür ist dort für Selbstabholer alles günstig. Vor allem die Einheimischen kaufen in solchen Möbelsupermärkten, etwas anderes können sie sich oft nicht leisten: Die Zuwanderer haben das Preisni- US Foto Andrea Tapper konnte. Aber gerade der schlechte Geschmack läuft gut. Femenía ordert Ware bei den Herstellern längst nicht mehr nach seinen eigenen Vorlieben, sondern versucht sich in die Stilvorstellungen seiner internationalen Kundschaft hineinzuversetzen. Bislang lag er selbst mit den gewagtesten Interpretationen richtig. Und künftig, sagt er, wird er geschmacklich noch mehr riskieren können: Inzwischen bauen die ersten reichen Russen, vor allem an der südlichen Costa Blan- HER-BON UC Ommmm auf der Hotelterrasse macht mehr Spaß, wenn es draußen warm ist. Andreu Femenía gehörte das geschmackloseste Ehebett weit und breit. Seine muschelförmig aufgefächerte, anderthalb Meter hohe Plastikrückwand leuchtet auf Knopfdruck in Rot, Gelb und Violett, auf einen weiteren Knopfdruck hin blinkt sie wie eine Puffreklame. Vor wenigen Minuten hat Femenía das Bett verkauft, und es hat ihn nicht mal viel Mühe gekostet: Nur zwei Wochen stand es im Obergeschoss seines Möbelhauses. Jetzt baumelt ein Zettel an dem Ensemble aus Bett und perlmuttfarbenen Plastiknachttischchen: „Diestel/Altea“ steht mit schwarzem Filzstift darauf – und das deutsche Wort „verkauft“. Die meisten Kunden von Andreu Femenía sind Deutsche. In den Jahren des Baubooms hat es viele Neureiche an die Costa Blanca verschlagen. Weil eindrucksvolle Villen mit Meerblick hier noch vor zehn Jahren so viel gekostet haben wie ein Reihenhaus in einer mittelgroßen deutschen Stadt. Weil dieselbe Villa auf Mallorca damals bereits mindestens das Doppelte gekostet hätte. Weil im seinerzeit klangvolleren Marbella ein kräftiger Society-Aufpreis fürs Ferienhaus hinzugekommen wäre. Und weil die Sonne hier an der Costa Blanca verlässlicher scheint als zu Hause. 1,8 Millionen Deutsche sind laut einer Statistik der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds mittlerweile im Besitz eines Zweitdomizils an einem Ferienort, davon liegt mit 31,7 Prozent ein knappes Drittel im Inland. Auf Platz zwei folgt Spanien, dort stehen 14,4 Prozent der deutschen Ferienhäuser; Mallorca und die Costa Blanca sind mit Abstand die beliebtesten Orte. Nicht nur Bauunternehmen und Makler verdienen, wenn aus Urlaubern plötzlich Dauergäste werden. Auch Andreu Femenía und seine Mitstreiter machen das große Geschäft: Für all die Häuser brauchen die Zugezogenen Möbel – nie für nur ein Zimmer, nie nur ein Regal, immer gleich für ein ganzes Haus, oft für ein großes. Femenía war mit seiner Firma einer der ersten großen Möbelhändler an der Küste, eröffnete anders als die meisten Konkurrenten der frühen Jahre nicht in einem verwinkelten Stadtzentrum, sondern in einer hässlichen Halle direkt an der Landstraße: einfach zu finden, mit Parkplätzen vor der Haustür, die Küstenautobahn in Sichtweite. Die ortsfremden Zuwanderer mussten nicht lange suchen – und fuhren in Scharen vor. In den muttersprachlichen Zeitungen der Exilanten, den englischsprachigen „Costa Blanca News“ und den deutschen „Costa Blanca Nachrichten“, werben die Einrichtungshäuser seitenweise – mit Slogans wie: „Bei uns werden Sie frisch vermöbelt“. Femenía und seine Konkurrenten mit ihren Möbelhäusern in Benissa, Oliva, Alfaz del Pi, El Vergel, in Benidorm und Torrevieja haben auch Geschmackvolleres im Programm als das Bett, für das sich Familie Diestel aus Altea so begeistern Foto Helge Sobik wissen abends nicht mehr, ob das Dekor der Vorhänge zum Lederbezug der Sofas passt, ob die eigenwillige Optik der Einbauküche mit der Farbe der Fußbodenfliesen korrespondiert. Und manchen scheint es egal zu sein: Im heimlichen Wettstreit mit dem Nachbarn zählen die Zahl der Zimmer und die Quadratmeterfläche des Pools mehr. HELGE SOBIK Vom Autor erschien gerade: „Der Mann, der mit den Gambas zaubert. Funkelnde Costa Blanca“ (Picus-Verlag, 13,90 Euro).