Chronische Lumbalgie und Lumboischialgie
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Chronische Lumbalgie und Lumboischialgie
Chronische Lumbalgie und Lumboischialgie Konservative Therapie aus sportmedizinischer Sicht Dr. med. Bernd A. Kasprzak, Prof. Dr. med. Armin Klümper Rund 70 % aller Deutschen haben mindestens einmal im Jahr akute Rückenschmerzen. [1] Bestehen die Beschwerden länger als sechs Wochen, so werden sie als subakut und bei mehr als zwölf Wochen als chronisch bezeichnet. Die Ursachen können sehr vielfältig sein. Deshalb werden unspezifische und spezifische Lumbalgien und Lumboischialgien unterschieden. Nach Ausschluss von spezifischen Kreuzschmerzen oder Lumbalgien aufgrund von Frakturen, bakteriellen Infektionen, Nervenerkrankungen und Tumoren verbleiben noch 80 bis 90 % unspezifische Rücken- oder Kreuzschmerzen. [2] Typische Ursachen für unspezifische Kreuzschmerzen sind Über- und Fehlbelastung, aber auch Bewegungsmangel und Inaktivität, muskuläre Dysbalancen durch Muskelverkürzungen und Muskelabschwächungen, Funktionsstörungen von Lendenwirbelsäule (LWS) und Ileosakralgelenken, Mobilitätsstörungen der Faszienstrukturen (Hypo- und Hypermobilität), eine veränderte Wirbelsäulenstatik durch Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter, degenerative Schäden der kleinen Wirbelgelenke, der Bandscheiben, der Wirbelkörper und des Spinalkanals, Stoffwechselstörungen durch Verschlackung und Belastung mit Noxen sowie Toxinen, Störungen im Bauchraum und nicht zuletzt durch chronischen Disstress oder seelische Konflikterlebnis-Schocks. Die unspezifischen chronischen Beschwerdebilder werden von der Klassischen Medizin (KM) physiotherapeutisch, psychotherapeutisch, durch symptomatische Schmerztherapie und operativ behandelt. [3] Aus sportmedizinischer Sicht sind eine symptomatische Schmerztherapie mit Symptomunterdrückung oder Blockierung sowie eine operative Entfernung der Symptomregion inakzeptabel. Gleichzeitig ist die Verwendung von Medikamenten mit Nebenwirkungen auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit nur im Notfall zu akzeptieren. Im Gegensatz zur KM bekämpft die Sportmedizin keine Symptome, sondern stärkt die Selbstheilungskräfte, entgiftet und ent- Kasprzak_a Abb. 1: Therapie von chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates schlackt den Körper und fördert die Resilienz (seelische Belastbarkeit). [4] Zusätzlich ist die aktive Mitarbeit des Athleten / Patienten zur Schaffung von Gesundheitsvoraussetzungen von großer Wichtigkeit. [4] Dazu gehören optimaler Lebensrhythmus, optimale Ernährung und Wasserzuführung, Stärkung der körperlichen und seelischen Belastungsfähigkeit, Vermeidung von Fehlbelastungen u. a. In Abbildung 1 wird das Behandlungsprinzip dargestellt, welches in der Sporttraumatologischen Abteilung der Universität Freiburg unter Leitung von Prof. Klümper in den 1960er- und 1970er-Jahren erforscht und danach ständig weiter entwickelt wurde. In Abhängigkeit von der Stärke der Beschwerden und der Beschwerdevielfalt bei einer bestehenden Multimorbidität sind unterschiedliche therapeutische Konsequenzen erforderlich. Bei akuten Beschwerden sind physiotherapeutische Maßnahmen wie Wärme, Massage, Osteopathie u. a. perkutane Anwendungen zur Durchblutungsregulierung, Entzündungshemmung und Regenerationsanregung, Entlastung und Vermeidung von Fehlbelastungen sowie Abbau von Disstress häufig ausreichend für eine schnelle Rückbildung des Beschwerdebildes. Bei starken Schmerzen mit chronischem Verlauf haben sich zusätzlich orale Medikamente wie Magnesium und B-Vitamine zur Muskellockerung sowie Enzyme, Teufelskralle, Kurkuma, Weihrauch, Omega-3Fettsäuren u. a. zur Reduktion von Entzündung und Schmerz bewährt. Bei massiven Schmerzzuständen und starken Einschränkungen der Beweglichkeit wurden bereits 1964 von Prof. Klümper, zunächst unter Röntgenkontrolle, peridurale und perineurale Injektionen erprobt. Dabei wurden physiologische und homöopathische Substanzen verwendet. Das Ziel war, bei einem Diskusprolaps (Bandscheibenvorfall) die Unterstützung der Selbstheilungskräfte und damit der Ver- Juli | 2016 CO.med such die Rückbildung des Prolapses zu beschleunigen. [5] Dadurch wurde der Therapieansatz der KM verlassen. Statt Hemmung, Unterdrückung und Blockierung der Symptome wurden und werden wie gesagt die körpereigenen Heilressourcen mobilisiert und gefördert. Da diese Therapiemaßnahmen von großem Erfolg gekrönt waren, wurden sie auch bei den weniger spektakulären, aber sehr schmerzhaften chronischen Lumbalgien und Lumboischialgien eingesetzt. • Bei periduraler Injektion hat sich eine Kombination folgender Medikamente bewährt: Je eine Ampulle Sensiotin (heute Atrop. sulf. D6 und Hypericum D6), Discus compositum, Traumeel und Auffüllen auf 10 ml mit Bicarbonate de Sodium. • Perineural ist bei lumbaler Anwendung die Kombination von je einer Ampulle Solcoseryl, Disci bamb, Allya injektopas und 5 ml Bicarbonate de Sodium optimal wirksam. • Werden die perineuralen Infiltrationen bei Lumboischialgien im Bereich des Ober-oder Unterschenkels durchgeführt, so werden 10 ml Bicarbonate de Sodium mit einer Ampulle Neytroph D7 kombiniert. • Auch ein Ileosacralgelenk-Syndrom kann Ursache oder zusätzliche Ursache von chronischen Lumbalgien sein. Hier ist die Therapie völlig abweichend. In diesen Fällen haben sich die „intraartikulären“ Injektionen mit je einer Ampulle Traumeel, Rufebran rheumo, Rhus tox., 5-10 mg Triamcinolon und für beide IS-„Gelenke“ zusammen die Auffüllung auf 12 ml Bicarbonate de Sodium bewährt. Eigene Untersuchungen zeigen, dass chronische Lumbalgien am häufigsten als aktivierte Spondylarthrosen auftreten. In diesen Fällen ist die Behandlung mit perineuralen Injektionen genauso zielführend wie die Behandlung einer Radikulopathie (Nervenwurzelreizung). Die Platzierung der Kanülen an die verschiedenen Wirkorte erfolgt als Stichkanalanästhesie mit einem 1%-igen Lokalanästhetikum. Der Vorteil einer Injektionsbehandlung, im Gegensatz zur oralen Medikation, besteht in der Möglichkeit, die therapeutischen Substanzen in genügender Menge und direkt CO.med Juli | 2016 Abb. 2: (a) peridurale Injektion bei L3/4, freie Nadel L4/5; (b) perineurale Infiltrationen bei Radikulopathie oder aktivierter Spondylarthrose; (c) perineurale Infiltrationen des Unterschenkels bei Lumboischialgie zum Störzentrum zu befördern. Die orale Medikation kann dagegen bereits im Darm durch eine Störung der Resorption beeinträchtigt sein. Das betrifft besonders multimorbide Patienten. Hinzu kommt, dass bei einer Entzündung mit Gewebeschwellung der Lymphfluss und die mikrokapilläre Durchblutung im Beschwerdebereich stark beeinträchtigt sind. Das erklärt, weshalb oral verabreichte Schmerzmedikamente dann nur noch unzureichend oder nicht mehr wirksam sind. Durch die vorgestellte Injektionstherapie wird nicht nur die entzündliche Schwellung zurückgedrängt, sondern auch die mikrokapilläre Durchblutung verbessert und der anabole Regenerationsstoffwechsel aktiviert. Dadurch wirken Schmerzmittel wieder besser und länger und können schneller abgesetzt werden. Völlig überflüssig wird damit der ohnehin problematische Einsatz von 40 mg Cortison oder mehr im Bereich der Wirbelsäule [11] mit seiner blockierenden Wirkung auf Schmerz und Entzündung. Beides sind Heilreaktionen, die im Notfall reduziert, aber nicht blockiert werden sollten. Auch die Begründung des Cortisoneinsatzes und seine Diskussion in einer randomisierten Studie mit 461 Patienten im Britischen Ärzteblatt [11] geht aus naturheilkundlicher Sicht von falschen Voraussetzungen aus. Der Vergleich: epidurale Verabreichung von 40 mg Cortison gelöst in 29 ml Koch- salzlösung mit alleiniger epiduraler Injektion von 30 ml 0,9%-iger Kochsalzlösung (als Placebomittel) ist die typische SymptomDenkweise der KM. Am Beispiel von Cortison kann klar verdeutlicht werden, dass die KM das Prinzip „Hemmen, Bremsen und Blockieren“ als Kampf gegen die Krankheit betrachtet. Da NaCl nicht hemmt oder blockiert, wird es als unwirksam betrachtet und ist somit ein Placebomittel. Die KM hat noch nicht wahrgenommen, dass NaCl eine neurotrope Wirkung besitzt [12] und auf die Selbstheilungskräfte gerichtet ist. Zusätzlich bewirkt NaCl mit der Bindung von Säuren eine Verbesserung der mikrokapillären Durchblutung [12] als wichtige Voraussetzung für die Unterstützung der Selbstheilungskräfte. Deshalb ist NaCl auch kein Placebomittel. Eigene Untersuchungen bestätigen seit Jahrzehnten die effektive therapeutische Wirkung von Kochsalz als Bicarbonate de Sodium. Beispiel aus der Praxis Schwieriger ist die Behandlung unspezifischer Kreuzschmerzen bei Multimorbidität. Ein Beispiel mit den therapeutischen Konsequenzen wird im Folgenden vorgestellt. In diesem Fall sind die Röntgenaufnahmen der LWS in zwei Ebenen von großer Wichtigkeit, sie sind in Abbildung 3 dargestellt. Kasprzak_b Neben einem Kalkmangel im Knochen als Kriterium einer reduzierten Festigkeit, verliert der Knochen bei Osteoporose vor allem seine Elastizität! Diese Eigenschaft gewährleisten jedoch kollagene Fibrillen. Deshalb genügt es nicht, allein mehr Kalzium in die Knochen zu bringen. Denn der gesamte Knochenstoffwechsel muss parasympathischanabol aktiviert werden, um zugleich Festigkeit und Elastizität zu gewährleisten. Der menschliche Körper befindet sich das gesamte Leben in einem ständigen Auf- und Abbau also Umbauprozess und damit in einer dauernden Erneuerung seiner Körperstrukturen. Auf diese Weise kann sich der Körper an veränderte Belastungsanforderungen anpassen. Abb. 3: Röntgenbilder der LWS eines Patienten mit erheblichen chronischen Kreuzschmerzen Diese Röntgen-Aufnahmen zeigen eine Torsionsskoliose und Steilfehlhaltung der LWS mit kyphotischer Knickbildung bei TH12/L1, einer Osteochondrose bei L5/S1, eine Spondylarthrose, eine Osteoporose mit ausgeprägter Sinterungskompression von L1 und ausgeprägter Calcifikation der Aorta abdominalis (Abb. 3, Markierung mit blauen Pfeilen). Torsionsskoliose Infolge dieser degenerativen Schäden ist die muskuläre Stärkung der Bauch- und Rückenmuskulatur durch Heilgymnastik unbedingt erforderlich. Durch eine stabile Muskulatur können die Bandscheibenschäden und die Kompressionsfraktur von L1 kompensiert werden. Allerdings ist aufgrund der Torsionsskoliose eine völlig andere Gymnastik notwendig. Die Torsion (Verdrehung) ist zwar eine sinnvolle Stabilisierung der LWS bei einer Skoliose, also einer seitlichen Verbiegung der Wirbelsäule. Aber mit der Stabilisierung ist eine Einschränkung der Beweglichkeit verbunden. Deshalb treten bei häufigen Bewegungen oder Belastungen der LWS in der Sagittalebene (Beugungen der Wirbelsäule nach vorn und Überstreckungen nach hinten) Fehlbelastungen der kleinen Wirbelgelenke auf. Diese wiederholten Fehlbelastungen können langfristig zu einer Spondylarthrose führen. Das bedeutet: die wichtige muskuläre Stärkung der Bauch- und Rücken- Kasprzak_c muskulatur darf bei der Gymnastik nicht in typischer dynamischer Weise erfolgen, sondern muss isometrisch trainiert werden. Die ap-Röntgenaufnahme zeigt, dass durch die Torsion der LWS die dorsalen Dornfortsätze als fast gerade Linie zur Darstellung kommen (Dornfortsätze mit roten Pfeilen markiert). Deshalb können Krankengymnasten die Funktionsstörung von außen nicht sicher beurteilen und benötigen unbedingt die Diagnose der „Torsionsskoliose“. Osteoporose und Aortensklerose Die Diagnosen „Osteoporose“ und „ausgeprägte Aortensklerose“ haben für die Kreuzschmerzen erst im fortgeschrittenen Stadium Bedeutung – sind aber deutliche Schädigungen des Körpers mit der Gefahr von Wirbelfrakturen und Durchblutungsstörungen, die therapeutisch beachtet werden müssen. Den Befund eines Kalkmangels in den Wirbelkörpern und eines Kalküberschusses in der Aorta und anderen Faszienund Knorpelstrukturen sehen die Autoren bereits seit Jahrzehnten. Diese Befunde weisen darauf hin, dass Osteoporose in den allermeisten Fällen keine Kalkmangelstörung des Körpers, sondern eine Kalziumverteilungsstörung darstellt. Deshalb ist die Empfehlung einer Kalziumgabe oder eine verstärkte Ernährung mit Milchprodukten kontraproduktiv und nicht mehr haltbar. Eine verstärkte Osteoklasten-Aktivität (Knochenabbau) ist somit nicht automatisch unsinnig oder pathologisch. Entsprechend dem biologischen Gesetz: „Was nicht gebraucht oder benutzt wird – bildet sich zurück“ kann eine verstärkte OsteoklastenAktivität durchaus sinnvoll sein. Das betrifft zum Beispiel die Situationen bei Inaktivität, Schwerelosigkeit oder geschädigten Knochenstrukturen. Diese Zusammenhänge werden von der KM nicht wahrgenommen. Denn alle Symptome werden als Ausdruck einer Erkrankung interpretiert. Die Therapie der KM bei Osteoporose besteht deshalb in der Hemmung, Unterdrückung oder Blockierung der Osteoklasten-Aktivität. [9] Auf diese Weise wird jedoch die Heilung, nämlich der Knochenaufbau (Osteoblasten-Aktivität) in keiner Weise gefördert. Deshalb wird aus sportmedizinischer Sicht (im Gegensatz zur KM) das gestörte Gleichgewicht von Auf- und Abbau des Knochens in Richtung Knochenaufbau stimuliert, ohne die Osteoklasten-Tätigkeit zu hemmen oder zu blockieren. Das bedeutet, den anabolen Aufbaustoffwechsel durch Bewegung, Heilgymnastik und optimale Ernährung sowie Wasserzufuhr anzuregen und durch die Therapie mit Magnesium, Vitamin D3 und K2, Kieselerde (Silicea) sowie Kollagen-Aufbaumitteln und in ausgeprägten Fällen mit anabolen Hormonen zu unterstützen. Spinalkanalstenose Die Diagnose „Spinalkanalstenose“ wird häufig als Grund für ein operatives Vorgehen bei einer chronischen Lumbalgie oder Lumboischialgie gesehen. Da im Spinalkanal der Juli | 2016 CO.med LWS kein Rückenmark mehr vorhanden ist, sondern nur die Nervenstränge zu den verschiedenen Nervenaustrittsöffnungen verlaufen, tritt eine Nervenschädigung nur extrem selten auf. Entscheidend ist in dieser Situation die Stabilität der LWS. Bei Spinalkanalstenose in Kombination mit Spondylolisthese (Wirbelgleiten) oder Segment- oder Gefügelockerung ist die muskuläre Stabilisierung von entscheidender Bedeutung und sollte isometrisch erfolgen. Im Gegensatz dazu verstärken Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit die Instabilität noch zusätzlich und sind deshalb kontraproduktiv. Die Alternative eines operativen Vorgehens bei Spinalkanalstenose sollte aus sportmedizinischer Sicht nur als letzte Option in Betracht gezogen werden. Diese ist gegeben, wenn die klinische Symptomatik einer Claudicatio spinalis oder eines Kaudasyndroms [6] vorliegt (vgl. Abb. 4). Langzeitstudie Über einen Zeitraum von 15 Jahren (20002015) erfolgte eine retrospektive Studie an 379 Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen. Dabei wurden die Beziehungen zwischen den Beschwerdebildern und den Röntgenbefunden untersucht und die vorgestellten Therapieoptionen überprüft. Bei 241 Patienten bestand eine chronische Lumbalgie (weiblich 134, männlich 107), die sich in der Mehrzahl in einem Lebensalter zwischen 35-85 Jahren befanden. Von den 138 Patienten mit einer chronischen Lumboischialgie (weiblich 86, männlich 52) hatte der Hauptanteil ein Alter zwischen 40-80 Jahren. Abbildung 5 zeigt die detaillierten Röntgenbefunde bei Lumbalgie, Lumboischialgie und Diskusprolaps. Dabei kommt ein hoher Anteil von 67 % mit Fehlhaltungen (Steilfehlhaltung und Hohlkreuz) zur Darstellung. Diese Fehlhaltungen der Wirbelsäule können durch eine qualifizierte Heilgymnastik mittelfristig gut stabilisiert werden. Einen noch höheren Anteil von ca. 80 % besitzt die Torsionsskoliose (Verbiegung und Verdrehung der Wirbelsäule). Ein gleich hoher Prozentsatz von ca. 80 % wird auch bei der Spondylarthrose festgestellt. Das ist auch nicht verwunderlich, da bei Belastungen in der Sagittalebene die kleinen Wirbelgelenke falsch belastet werden und daher Schaden nehmen. Gleichzeitig wurden Bandscheibenschäden bei 66 % nachge- Bei Lumboischialgien, den Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in die Gesäß- und Beinregion, sind die vorgestellten periduralen Injektionen und perineuralen Infiltrationen von besonderer Wichtigkeit. Das Schema in Abbildung 4 zeigt die Zuordnung der Symptome im Beinbereich wie Schmerzen, Kribbeln, Taubheit, Muskelschwäche und Lähmungen mit ihrem Bezug zu den LWS-Segmenten. [7, 8] Dabei sind die betroffenen LWS-Segmente bei der klinischen Untersuchung druckschmerzhaft. Bei vielen Patienten sind zwei oder drei Segmente gleichzeitig durch Druckschmerzhaftigkeit gekennzeichnet. In diesen Fällen sollten nicht mehr als zwei peridurale Injektionen bei einer Behandlung erfolgen. Diese Einschränkung erfolgt nicht wegen der injizierten Substanzen, sondern wegen des verwendeten Lokalanästhetikums für die Stichkanalanästhesie. In den Periduralraum sollte nur sehr wenig oder gar kein Anästhetikum gelangen. Wird diese Empfehlung nicht beachtet, so kann ein Blutdruckabfall oder eine vorübergehende Lähmung der Beinmuskulatur auftreten. Bei Belastung von Segmenten der LWS ist von einer Radikulopathie (Nervenwurzelreizung) oder einer aktivierten Spondylarthrose auszugehen. In beiden Fällen sind die perineuralen Infiltrationen besonders wichtig. Mit gezielten periduralen Injektionen und perineuralen Infiltrationen können ausstrahlende Beschwerden sehr effektiv vermindert oder beseitigt werden. CO.med Juli | 2016 Abb. 4: Funktionelle Symptome der typischen lumbosakralen Kompressionssyndrome Kasprzak_d Dr. med. Bernd A. Kasprzak Facharzt für Sportmedizin, Naturheilverfahren, war viele Jahre in der Luftfahrtmedizin und im Hochleistungssport tätig. Seit 1990 in eigener privatärztlicher Praxis mit Schwerpunkt „chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates“ niedergelassen. Kontakt: Theodor-Ludwig-Str. 24-26, D-79312 Emmendingen www.dr-kasprzak.de wiesen, und bei 45 % bestand eine Osteoporose. Damit sind die aktivierte Spondylarthrose in Verbindung mit Torsionsskoliose, Fehlhaltung und Bandscheibenschäden die Hauptursachen für Kreuzschmerzen. Diese Feststellung wird von Schute [10] bestätigt, der die Spondylarthrose in 80 bis 85 % aller Wirbelsäulenbeschwerden als Ursache sieht. Die Patienten mit Lumboischialgie weisen deutlich höhere Detailschäden auf (rote Prozentzahlen) als die Lumbalgie-Vergleichsgruppe. Deshalb werden sie als die stärker fortgeschrittenen Beschwerdebilder betrachtet. Diese Situation stellt keine Beeinträchtigung der vorgestellten Therapie dar. Sie ist jedoch ein Hinweis auf eine längere Therapiedauer. Auf der Grundlage der durchgeführten Untersuchungen ist die Torsionsskoliose noch vor Fehlbelastungen und Bandscheibenschäden die häufigste Ursache für das Auftreten einer Spondylarthrose. Allerdings wird diese Diagnose sehr häufig übersehen, und als Folge wird eine falsche Gymnastik durchgeführt. Damit wird das Beschwerdebild noch verstärkt. Die Patienten mit Diskusprolaps konnten bei ihrer Vorstellung alle den diagnostischen Nachweis mithilfe von CT- oder MRTBefunden führen. Diese Untersuchungen wiesen deutlich ausgeprägtere Schäden an den übrigen Bandscheiben und einen höheren Anteil mit Torsionsskoliose auf. Das lässt den Schluss zu, dass eine längere Fehlbelastung und Schädigung des Regenerationsstoffwechsels der Bandscheiben vorlag und deshalb eine höhere Anfälligkeit für einen Diskusprolaps bestand. Gleichzeitig zeigen die Untersuchungen, dass die Segmente L5/S1 und L4/5 am häufigsten von einem Diskusprolaps betroffen sind. Die Osteoporose ist zwar in den meisten Fällen nicht an der Schmerzproblematik beteiligt, liefert aber einen deutlichen Hinweis auf einen gestörten Stoffwechsel mit Beeinträchtigung der Regenerationsfähigkeit. Deshalb weist die Osteoporose immer auf ein multimorbides Geschehen hin. Die erfolgreiche konservative Therapie bei Diskusprolaps wurde bereits in CO.med 11/2012 mit dem Titel „Diskusprolaps aus sportmedizinischer Sicht“ [5] vorgestellt. Die Auswertung der Behandlungsdauer bis zur Beschwerdefreiheit (Abb. 6) zeigte deutliche Unterschiede im Therapiefortschritt zwischen Lumbalgie, Lumboischialgie und Diskusprolaps. Als beschwerdefrei wird definiert, wenn mehr als zwölf Monate nach der letzten Therapie keine Beschwerden in der behandelten Region mehr aufgetreten sind. Abb. 5: Röntgenbefunde bei Lumbalgie, Lumboischialgie und Diskusprolaps Abb. 6: Therapiedauer bei chronischer Lumbalgie, Lumboischialgie und Diskusprolaps Kasprzak_e Bei chronischer Lumbalgie sind mit der vorgestellten Therapie 35 % der Patienten bereits nach einem Monat beschwerdefrei, bei chronischer Lumboischialgie 28 % und bei Diskusprolaps 12 %. Hinzu kommt jedoch, dass die z. T. massive symptomatische Schmerztherapie, mit der sich die Patienten vorstellten [5], bereits nach zwei bis vier Wochen wesentlich reduziert oder abgesetzt werden konnte. Nach einem Jahr waren bei Diskusprolaps ca. 73 % beschwerdefrei und nur ein Fall wurde operiert. Von allen anderen Fällen waren ca. 80 % nach einem Jahr ohne Beschwerden. Von 136 Fällen mit Lumboischialgie wurden nur zwei Patienten (1 %) operiert: ein Patient wegen Diskusprolaps und ein Patient wegen Spondylolisthese. Bei einem normalen Heilungsverlauf sollte der Behandlungsabstand auf vier, sechs, acht und zwölf Wochen verlängert werden Juli | 2016 CO.med können. Ist das nach ca. drei Jahren noch nicht erreicht, so bestehen in den meisten Fällen multimorbide Störungen des Körpers, chronische Stresssituationen oder seelische Konflikterlebnis-Schocks. Ist es nicht gelungen diese Problematik zu lösen, so ist die vorgestellte Therapie trotzdem sinnvoll. Denn auch bei diesen scheinbaren Therapieversagern ist es möglich, die körperliche Beschwerdesymptomatik, wenn notwendig über Jahre, zu stabilisieren – und das ohne Schmerztherapie mit ihren zum Teil erheblichen Nebenwirkungen. Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, dass auch bei homöopathischen Medikamenten Unverträglichkeiten oder allergische Reaktionen auftreten können. Diese Unverträglichkeiten bestehen in weiter anhaltenden oder verstärkten Beschwerden nach der Behandlung ohne positive Therapiewirkung. Deshalb ist die Verträglichkeitsprüfung der verwendeten Medikamente mithilfe eines naturheilkundlichen Testverfahrens wichtig. Das gilt besonders für „of label use“ verwendete Medikamente. Zusammenfassung Kreuzschmerzen oder Lumbalgien sind in 80 bis 90 % der Fälle unspezifisch. Bestehen sie länger als zwölf Wochen, werden sie als chronisch bezeichnet. Die Klassische Medizin behandelt diese Patienten symptomatisch mit Schmerzmitteln und operativ. Im Gegensatz dazu wird hier ein konservativ sportmedizinischer Therapieansatz vorgestellt, der die Symptome nicht bekämpft, sondern die Selbstheilungskräfte unterstützt und fördert. Für ausgeprägte Schmerzzustände mit starken Einschränkungen der Beweglichkeit wurden peridurale und perineurale Injektionen mit Verwendung von physiologischen und homöopathischen Substanzen entwickelt. Im Gegensatz zur Schmerztherapie sind diese Behandlungen ohne schädliche Nebenwirkungen und stärken die Selbstheilungskräfte und damit die Regenerationsfähigkeit. In einer Studie an 379 Patienten (durchgeführt von 2000 bis 2015) wurden Ursachen der Beschwerdebilder untersucht und die Ergebnisse der vorgestellten Therapieoptionen dargestellt. Bei der Behandlung von Lumbalgien, Lumboischialgien und Diskusprolaps haben sich peridurale Injektionen und perineurale Infiltrationen mit physiolo- CO.med Juli | 2016 gischen und homöopathischen Substanzen hervorragend bewährt. Sie stellen eine effektive Alternative zur symptomatischen Schmerztherapie oder operativen Eingriffen dar und zeichnen sich durch ihre optimale Verträglichkeit aus. Literaturhinweis [1] Casser HR, Seddigh S, Rauschmann M (2016): Acute lumbar back pain – investigation, differential diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int. (113) 13, 223234. [2] Koes BW, van Tulder MW, Thomcaas S (2006):Diagnosis and treatment of low back pain. BMJ 332, 14301434. [3] Nationale Versorgungsleitline Kreuzschmerz (2015): http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl007k_S3_Kreuzschmerz_2015-10.pdf [4] Kasprzak BA, Klümper A (2016): Lässt sich die Knorpelregeneration unterstützen? CO.med Fachmagazin (22) 5, 20-25. [5] Kasprzak BA, Klümper A (2012): Discusprolaps aus sportmedizinischer Sicht. CO.med Fachmagazin (18 ) 11, 12-16. [6] Kalff R, Ewald C et al (2013): Degenerative lumbale Spinalkanalstenose im höheren Lebensalter. 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