etem 2.2015 Ausgabe Elektro Feinmechanik
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etem 2.2015 Ausgabe Elektro Feinmechanik
2.2015 Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung Elektro Feinmechanik Die neue Betriebssicherheitsverordnung Konkreter und klarer 14 Stromerzeuger Sichere Energieversorgung auf Bau- und Montagestellen 24 Rehabilitation Nach einem Wegeunfall startet Dietmar Zeffler neu durch 26 Erste-Hilfe-Kurse Reform der Ausbildung für betriebliche Ersthelfer editorial Erste Hilfe kann Leben retten – auch im Betrieb Können Sie sich noch an Ihren letzten Erste-Hilfe-Kurs erinnern? Wissen Sie noch, wie Sie einem Menschen, der gerade vor Ihren Augen zusammengebrochen ist, durch gezielte Maßnahmen das Leben retten können? Möglicherweise werden Sie sich jetzt beschämt zurücklehnen und feststellen, dass Ihr letzter Erste-Hilfe-Kurs bereits Jahrzehnte zurückliegt. Und nun auf Anhieb die richtige Entscheidung über „Leben und Tod“ treffen? Olaf Petermann Vorsitzender der Geschäftsführung Zur Erinnerung: Je nach Situation kann jedermann verpflichtet sein, einem Unfallopfer oder einem Kollegen, der am Arbeitsplatz zusammenbricht, so schnell wie möglich zu helfen. Zwar kommt es glücklicherweise relativ selten vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen ärztliche Hilfe benötigen. Doch wenn auf einmal jede Sekunde zählt, ist es gut, wenn wenigstens einer der Umstehenden genau weiß, was zu tun ist. Auch in Ihrem Unternehmen wird es einen oder mehrere Beschäftigte geben, die als Ersthelfer ausgebildet sind und sich regelmäßig fortbilden. Für sie gibt es seit dem 1. April 2015 eine wichtige Neuregelung: Die Ausbildung wurde von bisher 16 auf künftig neun Unterrichtseinheiten gestrafft. Die Erstausbildung kann damit zukünftig an nur einem Tag absolviert werden. Nur ein Tag – der Leben retten kann! inhalt 8 Titelthema Am 1. Juni 2015 tritt die neue Betriebssicherheitsverordnung in Kraft und die Gefahrstoffverordnung wird geändert. Welche wesentlichen Neuerungen haben die Betriebe zu beachten? 24 Rehabilitation Nach einem schweren Wegeunfall kann Dietmar Zeffler seinen erlernten Beruf als Industriemechaniker nicht mehr ausüben. Aber Dank der Unterstützung durch seinen Arbeitgeber und die BG ETEM startet er durch und beginnt seinen neuen Job als Technischer Produktdesigner bei der BLOCK TransformatorenElektronik GmbH. 18 Erdraketen Der Einsatz von Erdraketen kann Zeit und Geld sparen. Mangelnde Sorgfalt beim Erkunden vorhandener Leitungen birgt jedoch das Risiko tödlicher Stromunfälle. kompakt 4 Zahlen, Fakten, Angebote Fotos: Getty Images/Cultura RF; TRACTO-TECHNIK; wdv/K. Eggers Meldungen und Meinungen mensch & arbeit 8Der sichere Betrieb Neu geregelt 9Neue Betriebssicherheitsverordnung Konkreter und klarer 13Gefahrstoffverordnung zum Explosionsschutz Ende der Doppelregelungen betrieb & praxis gesundheit 14Stromerzeuger auf Bau- 24Rehabilitation und Montagestellen Arbeiten unter Strom 17Explosion einer Batterie Fast schon wie eine Familie 26Reform der Erste-Hilfe-Kurse Schnell handeln im Notfall Ein Funke zu viel 18Erdraketen Gefahr in der Tiefe 20Unfallprävention „Dem Zufall keine Chance!“ 22Arbeitssicherheitssoftware Werkzeuge für sicheres Arbeiten 23Prävention und Recht service 28Hilfsmittelversorgung Mit allen geeigneten Mitteln 30Impressum 31 Hätten Sie es gewusst? Zeit spielt eine Rolle Für Klarheit sorgen etem 02.2015 3 kompakt Psychischer Belastung auf der Spur Wie bewertet man im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten? Dabei hilft die neue Handlungshilfe der BG ETEM „Gemeinsam zu gesunden Arbeitsbedingungen“ (Bestellnummer MB 042). Sie richtet sich an die Unternehmensführung und bietet Arbeitsmaterial zu folgenden Schritten: Beschäftigte zum Thema „psychische Belastung“ informieren, Belastungen ermitteln, Lösungen festhalten, Maßnahmen planen und umsetzen sowie deren Wirksamkeit überprüfen. Zur Broschüre gehören neben der Prüfliste auch zwei Auswertungsposter. →→info Sport ohne Grenzen Sport und Inklusion stehen im Mittelpunkt beim „Tag ohne Grenzen“ am 5. und 6. Juni 2015 auf dem Hamburger Rathausmarkt. DGUV, der Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung, Unfallkassen und Berufsgenossenschaften wollen gemeinsam mit dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband auf die Bedeutung des Sports für Rehabilitation und Inklusion aufmerksam machen. Die Besucher erwartet eine bunte Mischung aus Information, Unterhaltung und Mitmach-Angeboten. Die Sportevents des „Tags ohne Grenzen“ zeigen Höhepunkte des Behindertensports und ermöglichen gleichzeitig ein Zusammenspiel von Menschen mit und ohne Behinderung. Wer will, kann gegen Paralympics-Sieger Heinrich Popow auf der Tartanbahn antreten. Skater können sich in der Halfpipe mit Deutschlands bestem Wheelchair-Skater David Lebuser messen. Besucher und Besucherinnen können aber auch selbst testen, wie man in einem Rollstuhl Hindernisse überwinden kann oder wie man eine Zielscheibe trifft, wenn die Sicht eingeschränkt ist. Die mehrfache Paralympics-Siegerin Kirsten Bruhn, die inzwischen als Botschafterin für Inklusion und Rehabilitation für das Unfallkrankenhaus Berlin arbeitet, wird gemeinsam mit anderen durch das Programm führen. Tag der Verkehrssicherheit Seit 2005 ruft der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) jedes Jahr am dritten Samstag im Juni zum bundesweiten „Tag der Verkehrssicherheit“ auf. Am 20. Juni 2015 finden in ganz Deutschland kleine und große Veranstaltungen, Präsentationen und Mitmach-Aktionen rund um die Sicherheit im Straßenverkehr statt. Die BG ETEM stellt ihren Mitgliedsunternehmen für eigene Präventionsveranstaltungen Aktionsmedien wie zum Beispiel Rauschbrillen (s. unten) zur Verfügung. Diese zeigen die Folgen einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 und 1,3 Promille. →→info www.aktionsmedien-bgetem.de →→info www.dguv.de, Webcode: d1040212 4 etem 02.2015 Fotos: BG ETEM; DGUV; picture alliance, Uli Gaspe; Fotolia, Kzenon; www.plainpicture.com Inklusion www.bgetem.de, Webcode 12201321; Klicken Sie im Medienshop auf den Bereich „Arbeitsschutz konkret – Informationen für Fachkräfte“ E-Mail: [email protected] Preis für Mitgliedsbetriebe: 2,50 Euro kompakt Gesundes Raumklima Das Raumklima beeinflusst das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit sowie die Sicherheit der Beschäftigten. Deshalb ist es wichtig, am Arbeitsplatz ein gesundheitlich zuträgliches Raumklima sicherzustellen. Darauf weist die BG ETEM in ihrer neuen Broschüre „Grundlagen zum Raumklima und zur Raumlufttechnik“ (S 042) hin. Die neue Broschüre behandelt unter anderem die Einflussfaktoren auf das Raumklima sowie dessen Beurteilung. Sie enthält Informationen zu Grundlagen der Lüftung sowie Hinweise zu Abnahmeprüfungen und dem hygienischen Betrieb von raumlufttechnischen Anlagen. Ergänzt wird die Broschüre durch Musterchecklisten für Abnahmeprüfungen, Funktionsprüfungen, Funktionsmessungen sowie einen CO2-Modellrechner →→info www.bgetem.de, Webcode 14521396, E-Mail: [email protected], Telefon: 0221 3778-1020 Preis für Mitgliedsbetriebe, 1 Euro ↓ Termine ▪▪ 04.-07.05.2015, Frankfurt am Main techtextil, Messe für technische Textilien und Vliesstoffe ▪▪ 20.-21.05.2015, Dresden Fachtagung „Die neue Betriebssicherheitsverordnung“ ▪▪ 10.-12.06.2015, München Intersolar Europe – Fachmesse der Solarwirtschaft ▪▪ 16.-17.06.2015, Nürnberg Fachtagung Textil und Mode →→weitere termine www.bgetem.de, Webcode 12568821 Hingucker Arbeitsschutz ist oft ganz einfach. Die neuen Plakate der BG ETEM zeigen, wie es geht. Für Mitgliedsbetriebe sind sie kostenlos. →→info www.bgetem.de, Webcode 14822765 E-Mail: [email protected] Telefon: 0221 3778-1020 Wettbewerb: Sicher unterwegs im Betrieb „Unterwegs – aber sicher!“ – der Wettbewerb für betriebliche Verkehrssicherheit geht in die zweite Runde. Gesucht werden innovative Lösungen, die das Unfallrisiko auf Arbeits- und Schulwegen oder beim innerbetrieblichen Transport und Verkehr senken. Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen können sich mit ihren Projekten ab sofort bewerben. Anmeldeschluss ist der 15. Juli 2015. Der VDSI – Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) haben den Wettbewerb ins Leben gerufen, um effektive Maßnahmen für sicheres Fahren und Transportieren bei der Arbeit bekannt zu machen. Eine Jury aus VDSI- und DVR-Vertretern wird die Gewinner auswählen. Entscheidend sind Kriterien wie Nachhaltigkeit, Effizienz und Kreativität. Die ersten drei Plätze erhalten Preisgelder in einer Gesamthöhe von 6.000 Euro. Außerdem werden unter allen eingesandten Beiträgen zehn Fahrsicherheitstrainings verlost. Die Preisverleihung findet im Rahmen der A+A 2015 in Düsseldorf statt. →→info www.vdsi.de/unterwegs-aber-sicher mensch & arbeit BK-Liste Hautkrebs als Berufskrankheit Der Gesetzgeber hat zum 1 . Januar 2015 vier weitere Krankheitsbilder in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Ohne entsprechenden Schutz kann Sonneneinstrahlung die Haut auf Dauer schädigen. ie Berufskrankheitenverordnung (BKV) wurde zum 1. Januar 2015 geändert: Aufgrund neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wurde die Liste der Berufskrankheiten um die BK-Nummern 1319, 2113, 2114 und 5103 erweitert. Versicherte können unter bestimmten Voraussetzungen künftig Leistungen der Berufsgenossenschaft erhalten, wenn sie an bestimmten, durch langjährige berufsbedingte Sonneneinstrahlung verursachten Formen des weißen Hautkrebses leiden. Auch Druck- und Gefäßschädigungen der Hand und des Handgelenkes, sowie Kehlkopfkrebs können bei Vorliegen bestimmter Kriterien als Berufskrankheit anerkannt werden. Jetzt 77 Krankheiten Um eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkennen zu können, ist es nicht ausreichend, dass ein Beschäftigter diese infolge der Ausübung seiner versicherten Tätigkeit erlitten hat. Es muss sich zudem auch um eine Krankheit handeln, die in der Berufskrankheiten-Liste (BK-Liste) der Berufskrankheitenverordnung (BKV) aufgeführt ist. Welche Krankheiten in die BKListe aufgenommen werden, entscheidet die Bundesregierung auf Vorschlag eines wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Der Beirat reagiert damit auf neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse. Bisher waren 73 Berufskrankheiten in der BK-Liste aufgeführt. Die BK-Liste enthält ausschließlich Krankheiten, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind 6 Erweiterung der BK-Liste BK-Nr. 1319 Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs) durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen BK-Nr. 2113 Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch wiederholte manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-ArmSchwingungen BK-Nr. 2114 Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom) BK-Nr. 5103 Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung und denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Neu in die BK-Liste aufgenommen wurden auch bestimmte Formen des weißen Hautkrebses, die durch langjährige Sonneneinstrahlung verursacht wurden (BK 5103): ▪▪ Plattenepithelkarzinome sowie ihre Vorstufen, ▪▪ die aktinischen Keratosen und ▪▪ das Bowen-Karzinom. Nicht als Berufskrankheit anerkennungsfähig sind hingegen das Basalzellkarzinom und der schwarze Hautkrebs (malignes Melanom). Prävention und Behandlung Da die Betroffenen dem Sonnenlicht nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in ihrer Freizeit ausgesetzt sind, birgt die neue Berufskrankheit nicht nur Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Anerkennung. Auch für die Prävention gilt es im besonderen Maße, Aufklärungsarbeit zu leisten. Potenziell betroffen von der neuen Regelung sind Menschen, die viel im Freien arbeiten, wie zum Beispiel Dachdecker, Zimmerleute, Bauarbeiter, Maurer oder Seeleute. Durch ihre Tätigkeit im Freien und damit unter Sonneneinstrahlung haben sie ein höheres Risiko, an Hautkrebs zu erkranken, als die übrige Bevölkerung. Versicherten, bei denen ein beruflich verursachter Hautkrebs auftritt, bieten die Unfallversicherungsträger ambulante und stationäre Heilverfahren an. Schon jetzt gibt es für die Therapie viele Möglichkeiten. Und im Vergleich zu anderen Tumorerkrankungen gilt der weiße Hautkrebs als gut behandelbar. Trotzdem sollten Versicherte sich schützen und bei Arbeiten im Freien entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen. →→info www.dguv.de, Webcode: dp96321 etem 02.2015 Foto: Getty Images; Pedro Castellano D Zeit für Ideen Sie verbessern Arbeitsabläufe? Sie sorgen für mehr Sicherheit? Sie fördern die Gesundheit Ihrer Beschäftigten? Dann sind Sie hier richtig – beim Präventionspreis der BG ETEM. Zeigen Sie uns Ihre Ideen und Konzepte und gewinnen Sie eines von sechs Preisgeldern über 5.000 Euro. Am Ende winkt zusätzlich ein Publikumspreis über 3.000 Euro. Bewerbungen bis 15. Januar 2016 an BG ETEM Stichwort „Präventionspreis“, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln; [email protected] #pp2016 www.bgetem.de, Webcode 12746915 mensch & arbeit BetriebssicherheitsNEU! verordnung Gefahrstoffverordnung Der sichere Betrieb – neu geregelt Im Rahmen einer Artikelverordnung tritt am 1. Juni 2015 die neue Betriebssicherheitsverordnung in Kraft und die Gefahrstoffverordnung wird geändert. Welche wesentlichen Neuerungen haben die Betriebe zu beachten? L ange hat die Fachwelt auf die Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) warten müssen. Unzählige Änderungen haben die Einführung zu einer langwierigen Sache werden lassen. Nunmehr tritt die neue Verordnung mit dem Titel „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV) “ am 1. Juni 2015 in Kraft. Neben der Neufassung der BetrSichV ist in der Artikelverordnung auch die Änderung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) umgesetzt. Diese Änderung wurde notwendig, um die bisherige Doppelregelung zum Explosionsschutz in beiden Verordnungen zu beseitigen. Da die Explosionsgefährdung primär vom Gefahrstoff ausgeht, ist die Gefährdungsbeurteilung zum Explosionsschutz nunmehr ausschließlich auf Grundlage der GefStoffV durchzuführen und im Ergebnis sind entsprechende Schutzmaßnahmen festzulegen. Der zwischenzeitliche Vorschlag für eine neue Kurzbezeichnung – „Arbeitsmittel- und Anlagensicherheitsverordnung“ – wurde nicht umgesetzt. 8 Auch blieb die bekannte Kurzbezeichnung (BetrSichV) der seit 2002 geltenden bisherigen Betriebssicherheitsverordnung erhalten. Allein damit konnten viele Papierseiten in Broschüren, die eine umfassende Titeländerung notwendig gemacht hätte, vermieden werden. Ob die neue Verordnung tatsächlich eine Verbesserung in Lesbarkeit und Umsetzungsfreundlichkeit mit sich bringt, kann jeder Praktiker selbst entscheiden. Beim Lesen wird man aber schnell feststellen: In der neuen Verordnung werden wesentliche Arbeitsschutzaspekte konkreter und klarer gefasst. Die Berücksichtigung von über zehn Jahren Erfahrung bei der Umsetzung der Vorgängerverordnung ist unverkennbar. Die beiden folgenden Beiträge informieren im Einzelnen über die grundlegenden Änderungen der Artikelverordnung im Hinblick auf die ▪▪ Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung und die ▪▪ Änderung der Gefahrstoffverordnung. etem 02.2015 mensch & arbeit Betriebssicherheitsverordnung Die neue Betriebssicherheitsverordnung Konkreter und klarer Die Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung soll stärker dem aktuellen Unfallgeschehen bei Arbeitsmitteln Rechnung tragen. Zudem wurde die Prüfung besonders gefährlicher Arbeitsmittel neu aufgenommen. W arum eine neue Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)? Die bisherige BetrSichV wurde 2002 in Kraft gesetzt und hat sich seitdem als wichtiger Rechtsgrundsatz bei der Auswahl, Verwendung und Prüfung von Arbeitsmitteln bewährt. Über zehn Jahre Erfahrung in der Anwendung haben aber auch manche Lücken und Tücken aufgedeckt, die sich erst in der praktischen Umsetzung zeigten. In der bisherigen BetrSichV lag eine starke Betonung auf den überwachungsbedürftigen Anlagen, die dazu führte, dass die Verwendung anderer, deutlich unfallträchtigerer Arbeitsmittel zu wenig Berücksichtigung fand. etem 02.2015 Die neue Verordnung soll gestützt auf Daten der Unfallstatistik nun stärker dem aktuellen Unfallgeschehen bei Arbeitsmitteln Rechnung tragen. Besondere Unfallschwerpunkte wie Instandhaltung, Betriebsstörungen, Manipulation von Schutzeinrichtungen und unsachgemäße Benutzung stellen ein hohes Risiko dar und werden in der zukünftigen Verordnung deshalb besonders hervorgehoben. Neu aufgenommen sind Prüfungen von besonders gefährlichen Arbeitsmitteln, wobei die Beschränkung auf Krane, Flüssiggasanlagen und maschinentechnische Arbeitsmittel der Veranstaltungstechnik dem Leser als eher beliebig erscheinen mag. Auch bei den überwachungsbedürftigen Anlagen war ein Änderungsbedarf zu erkennen. Nach Angaben der zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) weisen über 50 % der Aufzugsanlagen Mängel auf. Die neue BetrSichV reagiert darauf unter anderem durch eine stärkere Würdigung der ZÜS-Kompetenz als Prüfer. Seitdem der Prüfmarkt 2008 liberalisiert und der Sachverständigenstatus der ehemaligen TÜV-Prüfer abgeschafft wurde, mussten auch die berufsgenossenschaftlichen Aufsichtsdienste öfter Anordnungen wegen unzureichender Prüfung überwachungsbedürftiger Anlagen erteilen. Beispielsweise konnten Betreiber von Aufzugsanlagen nicht die erforderlichen Prüfungen nachweisen. Dies soll zukünftig durch eine verbindliche Prüfplakette (vergleichbar der Kfz-Prüfplakette) vermieden werden. Zudem wurden seit Inkrafttreten der BetrSichV im Jahr 2002 auf nationaler und 9 mensch & arbeit europäischer Ebene neue Vorschriften wie das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) erlassen, die eine inhaltliche Anpassung der alten Regelungen zur Betriebssicherheit notwendig machten. Inhaltsübersicht und Struktur Die neue Verordnung folgt im Wesentlichen dem strukturellen Aufbau der Vorgängerverordnung. Die Inhalte sind nun in fünf Abschnitten und drei Anhängen klarer gegliedert (siehe Abbildungen unten). Wie bereits aus der GefStoffV bekannt, sind jetzt auch in der BetrSichV die Gefährdungsbeurteilung – und die Ableitung entsprechender Schutzmaßnahmen als zentrales Element – deutlich herausgestellt. Die Regelungen werden verstärkt unter inhaltlichen Gesichtspunkten zusammengefasst (z. B. Grundpflichten, erweiterte Pflichten, Sonderbetrieb). Die allgemeinen Teile der bisherigen Anhänge 1 und 2, in denen die Mindestvorschriften der Arbeitsmittel und deren Die Gefährdungsbeurteilung umfasst Handhabung und Zustand des Arbeitsmittels. Benutzung geregelt waren, finden sich nunmehr als Schutzziele an mehreren Stellen im fortlaufenden Verordnungstext. Für den Praktiker war aber gerade die bisherige Form des Anhangs 1 als Zusammenfassung der Schutzmaßnahmen in Die fünf Abschnitte der neuen Betriebssicherheitsverordnung Abschnitt 1 Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Abschnitt 2 Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen Betriebssicherheitsverordnung Abschnitt 3 zusätzliche Vorschriften für überwachungsbedürftige Anlagen Abschnitt 4 Vollzugsregelungen und Ausschuss für Betriebssicherheit Abschnitt 5 Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, Schlussvorschriften Teile der neuen Betriebssicherheitsverordnung sind Rechtsnormtexte Betriebssicherheitsverordnung Rechtsnormtexte zu §6 Anhang 1 bes. Vorschriften für bestimmte Arbeitsmittel (AM) zu §§ 15, 16 Anhang 2 Prüfvorschriften für Ü-Anlagen zu § 14 Anhang 3 Prüfvorschriften für bestimmte Arbeitsmittel 1. mobile, selbstfahrende/ nicht selbstfahrende AM 2. zum Heben von Lasten 3. AM bei zeitweiligem Arbeiten auf hoch gelegenen Arbeitsplätzen 4. Aufzugsanlagen 5. Druckanlagen 1. zugelassene Überwachungsstellen 2. Aufzugsanlagen 3. Explosionsgefährdungen 4. Druckanlagen 1. K rane 2. Flüssiggasanlagen 3. maschinentechnische AM der Veranstaltungstechnik 10 19 Punkten eine hilfreiche Übersicht, die man sich jetzt eher mühsam aus dem fortlaufenden Text erschließen muss. Die bisher im Anhang 1 und 2 festgelegten Mindestanforderungen an besondere Arbeitsmittel (z. B mobile Arbeitsmittel, Arbeitsmittel zum Heben von Lasten) sind um Aufzugs- und Druckanlagen ergänzt im neuen Anhang 1 zusammengefasst. Im Gegensatz zu den allgemeinen Anforderungen ist hier eine wesentliche Verbesserung durch das Auffinden der Regelungen an zentraler Stelle festzustellen. Ebenso sind die im neuen Anhang 2 zusammengefassten Prüfvorschriften für überwachungsbedürftige Anlagen (bisher teilweise im Text und im Anhang) und die neuen Prüfvorschriften für bestimmte Arbeitsmittel in Anhang 3 systematisch gegliedert und damit übersichtlich gestaltet. Gefährdungsbeurteilung als zentrales Element Die Gefährdungsbeurteilung bildet die Grundlage für die Festlegung von Schutzmaßnahmen und gilt nunmehr als Pflicht auch für Betreiber von überwachungsbedürftigen Anlagen, bei denen ausschließlich andere Personen („Dritte“ im Sinne des ProdSG) gefährdet sind. Dies können beispielsweise Alleinmeister mit entsprechenden Druckbehältern im Kundenbereich sein. Der Arbeitgeber hat bei einer geplanten Neuanschaffung von Arbeitsmitteln mithilfe der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, welche für die beabsichtigte Verwendung geeignet sind und ob sie über eine ausreichende Sicherheit verfügen bzw. welche zusätzlichen Maßnahmen unter Beachtung der Schutzzielvorgaben in den etem 02.2015 mensch & arbeit Auch Elektriker und andere Beschäftigte in elektrotechnischen Betrieben sind von der neuen Betriebssicherheitsverordnung betroffen. §§ 4, 5, 6 sowie 8 und 9 erforderlich sind. Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Arbeitgeber Eigenhersteller einer Maschine ist oder beim Umbau von vorhandenen Arbeitsmitteln aus dem Bestand des Betriebes. Ergonomische Gesichtspunkte deutlicher herausgestellt Die Gefährdungsbeurteilung umfasst sowohl die Handhabung als auch den Zustand des Arbeitsmittels. Sie ist vor der Aufnahme einer Tätigkeit durchzuführen. Ergonomische Gesichtspunkte werden deutlicher herausgestellt als bisher, psychische Belastungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln stellen ein neues Schutzziel dar. Der Betreiber muss die durch den Hersteller verpflichtend durchgeführte Risikobeurteilung für das Arbeitsmittel nicht wiederholen, sondern er kann diese um seine Gefährdungsbeurteilung ergänzen. Dadurch wird die Gefährdungsbeurteilung erheblich erleichtert, nicht jedoch vollständig überflüssig. Auch wird deutlich herausgestellt, dass eine vorhandene CE-Kennzeichnung nicht von der Pflicht zu einer Gefährdungsbeurteilung entbindet. Eine zentrale Maßnahme des Arbeitsschutzes bei Arbeitsmitteln sind Prüfungen. Das bisherige Konzept, wonach der Arbeitgeber Art, Umfang und Fristen erforderlicher Prüfungen auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung selbst festlegt und qualifizierte Prüfer bestellt, bleibt erhalten. Neu ist, dass eine Gefährdungsbeurteilung künftig regelmäßig überprüft werden muss. Der ursprünglich vorgeschlagene etem 02.2015 feste Prüfrhythmus von zwei Jahren wurde in die Endfassung aber nicht aufgenommen. Eine regelmäßige Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung bedeutet nicht, dass sie vollständig wiederholt werden muss. Die verantwortlichen Führungskräfte müssen lediglich überprüfen, ob eventuelle Änderungen eine teilweise oder vollständige Aktualisierung notwendig machen. Anforderungen und Schutzziele berücksichtigen § 5 beschreibt elementare Grundsätze, wie Arbeitsmittel nach dem Prinzip der Risikominimierung möglichst sicher verwendet werden. Voraussetzung hierfür ist ▪▪ die vom Hersteller garantierte Produktsicherheit des Arbeitsmittels und ▪▪ die Umsetzung der aus der Gefährdungsbeurteilung resultierenden Maßnahmen für die Verwendung. Die BetrSichV stellt klar, dass Arbeitsmittel mit Mängeln nicht verwendet oder weiterverwendet werden dürfen. Dieses neu eingeführte Verwendungsverbot berücksichtigt das Unfallgeschehen bei derartigen Arbeitsmitteln. Der Arbeitgeber verantwortet auch die Verwendung von Arbeitsmitteln, die nicht er zur Verfügung gestellt hat, sondern die vom Beschäftigten mitgebracht werden, sofern er deren Benutzung während der Arbeit billigt. § 6 dient zusammen mit den §§ 4, 5, 8 und 9 dazu, die weitgehend gleichlautenden allgemeinen Teile der Anhänge 1 und 2 der alten BetrSichV zusammenzuführen und – als Schutzziele formuliert – in den verfügenden Teil zu übernehmen. Diese gelten für alte, neue und selbst hergestellte Arbeitsmittel gleichermaßen, sodass es keiner besonderen, bisher strittigen Bestandsschutzregelung bedarf. Vielmehr muss der Arbeitgeber im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung eigenverantwortlich selbst entscheiden, ob eventuell Nachrüstmaßnahmen erforderlich sind. Folgende Maßnahmen wurden präzisiert bzw. ergänzt: ▪▪ Maßnahmen zur Ergonomie, ▪▪ das Verbot von unerlaubten Eingriffen in die Sicherheitseinrichtungen (Manipulationen), ▪▪ Aufzählung diverser Schutzmaßnahmen gegen vorhersehbare Gefährdungen. Instandhaltung und Sonderbetriebszustände sicher gestalten Instandhaltungsmaßnahmen, Manipulation an Sicherheitseinrichtungen und Sonderbetriebszustände, z. B. eine Störungsbeseitigung, sollen nach Untersuchungen der Unfallversicherer Auslöser für etwa 70 % aller Unfälle sein. Diese drei Bereiche finden in der neuen Verordnung besondere Beachtung durch eigene Regelungsgrundsätze. Die Vorschriften zur Instandhaltung sind im Hinblick auf ▪▪ den sicheren Zustand der Arbeitsmittel und ▪▪ die Instandhaltungstätigkeit selbst verbessert. Damit wird ein bisheriger Schwerpunkt des Unfallgeschehens stärker berücksichtigt. Grundlage der Instandhaltungsmaßnahmen ist auch hier die Gefährdungsbeurteilung. 11 mensch & arbeit Wenn durch Änderungen oder Umbauten von Arbeitsmitteln deren Sicherheit beeinflusst wurde, muss der Arbeitgeber beurteilen: ▪▪ Ist das Arbeitsmittel nach der Änderung oder dem Umbau als neues Arbeitsmittel anzusehen, dann sind Herstellerpflichten nach dem ProdSG zu erfüllen. ▪▪ Ist dies nicht der Fall, muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung überprüft und dokumentiert werden, dass die Schutzziele der BetrSichV erfüllt sind. Bewährtes Prüfkonzept erweitert Prüfungen bleiben ein wichtiger Bestandteil zur Sicherstellung eines nachhaltigen Arbeitsschutzes. Die Regelungen für die Prüfung nehmen in der neuen BetrSichV einen breiten Raum ein. Die §§ 14 – 17 sowie die Anhänge 2 und 3 beschreiben detailliert Prüfvorschriften für ▪▪ Arbeitsmittel allgemein, ▪▪ besondere Arbeitsmittel nach Anhang 3, ▪▪ zusätzlich für überwachungsbedürftige Anlagen, im Speziellen ▪▪ Aufzugsanlagen, ▪▪ Explosionsgefährdungen, ▪▪ Druckanlagen. Die drei bisherigen Prüfkriterien für Arbeitsmittel sind im Wesentlichen beibehalten: 1. Prüfung vor erstmaliger Benutzung von Arbeitsmitteln, wenn die Sicherheit von Montagebedingungen abhängt; 2. Wiederkehrende Prüfungen bei allen Arbeitsmitteln, die Schäden verursachenden Einflüssen (z. B. Verschleiß) unterliegen; 3. Außerordentliche Prüfung (unverzüglich), wenn bei außergewöhnlichen Ereignissen (insbesondere Unfälle, Naturereignisse, längere Nichtverwendung) Schäden am Arbeitsmittel entstanden sind. Neu in die BetrSichV wurden besondere Prüfpflichten für die in Anhang 3 aufgeführten Arbeitsmittel aufgenommen. Vorerst sind darin Prüfvorschriften für Krane, Flüssiggasanlagen und maschinentechni12 Diese Mitarbeiterin entnimmt eine Probe an einem Versuchsfermenter. sche Arbeitsmittel der Veranstaltungstechnik enthalten. Sie lösen die bisher in Unfallverhütungsvorschriften in vergleichbarer Weise geforderten Prüfvorschriften ab. Der Ausschuss für Betriebssicherheit kann zukünftig weitere besonders prüfpflichtige Anlagen in die Verordnung aufnehmen. Aufzeichnungen über Prüfungen (Art der Prüfung, Umfang und Ergebnis) sind jetzt auch in elektronischer Form möglich. Dies bedeutet, dass die Prüfaufzeichnungen nicht zwingend unmittelbar bei der jeweiligen Anlage vorgehalten werden müssen. Die bisherigen allgemeinen Regelungen für überwachungsbedürftige Anlagen werden beibehalten. Details zu den Anforderungen an die ZÜS als Prüfer und zu den Prüfpflichten finden sich in Anhang 2. Darin wird auch die Möglichkeit erweitert, überwachungsbedürftige Anlagen anstelle von einer externen ZÜS durch den Betreiber in eigener Verantwortung zu prüfen. Durch die Änderungen können zusätzlich unternehmenseigene ZÜS zugelassen werden. Praktisch wird dies aber vom Personal- und Prüfmittelaufwand her nur für Großbetriebe umsetzbar sein. Die meisten Klein- und Mittelbetriebe werden wie bisher eine externe ZÜS mit der Prüfung beauftragen müssen. Fazit wie sicherheitstechnische Schwerpunkte aus der Unfallstatistik. Größtenteils ist durch eine stringente Gliederung die Lesbarkeit verbessert. Die Gefährdungsbeurteilung ist als zentrales Element bei der Anwendung von Arbeitsmitteln deutlich herausgestellt. Besonders riskante Arbeitsprozesse, wie die Instandhaltung, werden mit eigenem Maßnahmenkonzept hervorgehoben. Die Umsetzung der neuen BetrSichV wird nur in Detailbereichen eine Anpassung an die bestehende betriebliche Arbeitsschutzorganisation notwendig machen, eine grundlegende sicherheitstechnische Neukonzeption für die Beschaffung und Verwendung von Arbeitsmitteln ist nicht zu erwarten. Dr. Ronald Unger →→info Die neue Betriebssicherheitsverordnung steht auf der Webseite des Bundesarbeitsministeriums bereit: www.bmas.de, Suchbegriff „Neue Betriebssicherheitsverordnung“ Zur neuen Betriebssicherheitsverordnung veranstaltet die BG ETEM am 20. und 21. Mai 2015 in Dresden eine Fachtagung. Nähere Informationen zu dieser Tagung finden Sie unter www.bgetem.de, Webcode 15925081 Die neue BetrSichV löst nach 13 Jahren die bisher gültige Verordnung ab. Praktische Erfahrungen bei der Umsetzung der alten Verordnung sind genauso eingeflossen, etem 02.2015 Fotos: Getty Images/Cultura RF; Getty Images/iStockphoto; Mauritius Imagews Sonderbetriebszustände, Betriebsstörungen und Unfälle stellen ein erhöhtes Unfallrisiko dar. Ein spezieller Abschnitt regelt besonders unfallträchtige Sachverhalte bei unvermeidbaren und typisch gefahrgeneigten Tätigkeiten wie Einrichtung von Maschinen und Anlagen, Erprobungsvorgänge, Fehlersuche u. a. sowie Maßnahmen für einen möglichen Notfall, wie Rettungseinrichtungen, Informationen für Rettungsdienste und Warneinrichtungen. mensch & arbeit Gefahrstoffverordnung Fortschreibung der Gefahrstoffverordnung zum Explosionsschutz Ende der Doppelregelungen Regelungen zum Brand- und Explosionsschutz befanden sich bisher in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Diese unbefriedigende Situation wurde nun beseitigt. D ie bisherigen Doppelregelungen waren für den Anwender nicht immer einfach zu verstehen. Da die Explosionsgefährdung primär von einem Gefahrstoff ausgeht, erfolgen die Gefährdungsbeurteilung und die Festlegung von Schutzmaßnahmen dazu jetzt ausschließlich nach der GefStoffV. Für die Vermeidung von explosionsfähiger Atmosphäre bei der Verwendung von Arbeitsmitteln war bisher schon zusätzlich zur BetrSichV die GefStoffV heranzuziehen. Ihre neue, ergänzte Fassung tritt – ebenso wie die neue Betriebssicherheitsverordnung – am 1. Juni 2015 in Kraft. Begriffsbestimmungen Die „Begriffsbestimmungen“ in der Gefahrstoffverordnung wurden u. a. durch die Definitionen für ▪▪ explosionsfähiges Gemisch, ▪▪ gefährliches explosionsfähiges Gemisch, ▪▪ gefährliche explosionsfähige Atmosphäre und ▪▪ explosionsgefährdeter Bereich ergänzt. Gefährdungsbeurteilung Hinweise zur Informationsermittlung und zur Gefährdungsbeurteilung befinden sich in § 6 der GefStoffV. In Abs. 4 wird jetzt festgelegt, dass der Arbeitgeber festzustellen hat, ob die verwendeten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse bei Tätigkeietem 02.2015 ten zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können. Dabei ist zu beurteilen, ob ▪▪ gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen auftreten, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, ▪▪ Zündquellen oder Bedingungen vorhanden sind, die Brände oder Explosionen auslösen können, und ▪▪ schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten möglich sind. Bei nicht atmosphärischen Bedingungen sind auch mögliche Veränderungen der für den Explosionsschutz relevanten sicherheitstechnischen Kenngrößen zu ermitteln und zu berücksichtigen. Explosionsschutzdokument Bei der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung können auch vorhandene Gefährdungsbeurteilungen, Dokumente oder gleichwertige Berichte verwendet werden, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften erstellt werden müssen. Bei der Dokumentation hat der Arbeitgeber die Gefährdungen durch gefährliche explosionsfähige Gemische besonders auszuweisen (Explosionsschutzdokument). Daraus muss insbesondere hervorgehen, ▪▪ dass die Explosionsgefährdungen ermittelt und bewertet worden sind, ▪▪ dass angemessene Vorkehrungen zum Explosionsschutz getroffen werden (Explosionsschutzkonzept), ▪▪ ob und welche Bereiche in Zonen eingeteilt wurden, ▪▪ für welche Bereiche Explosionsschutzmaßnahmen getroffen wurden, ▪▪ wie die Vorgaben bei einer Zusammenarbeit verschiedener Firmen umgesetzt werden und ▪▪ welche Überprüfungen nach § 7 Abs. 7 GefStoffV bzw. welche Prüfungen zum Explosionsschutz nach Anhang 2 Abschnitt 3 der BetrSichV durchzuführen sind. Schutzmaßnahmen Das Minimierungsgebot bei den Schutzmaßnahmen gegen Brand- und Explosionsgefährdungen wird besonders betont. Der § 11 Abs. 3 „Besondere Schutzmaßnahmen gegen Brand- und Explosionsgefährdungen“ wurde ergänzt: Arbeitsmittel, Arbeitsplätze und Arbeitsbereiche müssen so konstruiert, errichtet, installiert und verwendet werden, dass keine Brand- und Explosionsgefährdungen auftreten können. Außerdem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vorschriften des Sprengstoffgesetzes und der darauf gestützten Rechtsvorschriften durch die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung unberührt bleiben. Der neue Anhang I Nummer 1 „Brandund Explosionsgefährdungen“ wurde um die Regelungen der Anhänge 3 und 4 der BetrSichV 2002 ergänzt und redaktionell umgestellt. Wichtig: Die Prüfregelungen gemäß Nummer 3.8 des Anhangs 4 der BetrSichV 2002 wurden in die neugefasste BetrSichV übernommen (siehe Anhang 2 Abschnitt 3 Nummer 3). Dr. Lothar Neumeister 13 betrieb & praxis Stromerzeuger auf Bau- und Montagestellen Arbeiten unter Strom Technik, Organisation, Vorschriften: So sorgen Sie für eine sichere Stromversorgung. E lektrische Energie wird auf unterschiedliche Art auf den Baustellen bereitgestellt. Neben den vom ortsfesten Niederspannungsnetz versorgten Übergabe- oder Anschlusspunkten einer Bauund Montagestelle kommen auch (Ersatz-) Stromerzeuger verschiedenster Baugröße und Ausführung zum Einsatz. Aufbau Stromerzeuger können stationär oder mobil, zur Versorgung einzelner Arbeitsmittel oder einer ganzen Baustelle oder – bei Ausfall des öffentlichen Netzes – als Ersatzstromerzeuger zur Versorgung einer Bau- und Montagestelle verwendet werden. Unabhängig davon, wie Stromerzeuger und dazugehörige Anlagen eingesetzt werden, müssen sie immer 14 den sicherheitstechnischen Anforderungen genügen, die für elektrische Anlagen auf Bau- und Montagestellen im technischen Regelwerk festgelegt sind. Üblicherweise bestehen Stromerzeuger aus: ▪▪ Energiequelle (z. B. einem Verbrennungsmotor) ▪▪ Generator ▪▪ Schalt- und Steuereinrichtungen. Als Energiequelle werden bei kleineren Leistungen meist Ottomotoren, bei größeren Leistungen Dieselmotoren verwendet. geeignet und durch die Gestaltung des Gehäuses oder des Aufstellortes so geschützt sein, dass äußere Einwirkungen durch ▪▪ Fremdkörper ▪▪ Temperatur ▪▪ Wasser oder Feuchtigkeit die Sicherheit nicht beeinträchtigen. Für den Einsatz im Freien müssen Stromerzeuger mindestens der Schutzart IP 54 entsprechen. Elektrotechnische Sicherheit Stromerzeuger als Anschlusspunkt Es wird empfohlen, nur Stromerzeuger mit GS-Prüfzeichen auszuwählen. Sie müssen bezüglich des Leistungsbedarfs, der benötigten Schutzart und gegebenenfalls der Netzform für den konkreten Einsatz Die Auswahl des Stromerzeugers erfolgt grundsätzlich durch eine Elektrofachkraft. Die Inbetriebnahme kann bei den nachfolgend beschriebenen Bauarten durch eingewiesene Laien erfolgen. Stromerzeuetem 02.2015 betrieb & praxis zu halten. Um die erforderliche Netzqualität nach EN 61000-3-3 einzuhalten, sollte die FU-Leistung nicht größer als 25-30 % der Wirkleistung des Generators sein. Bei stromgeführten Frequenzumrichtern kann sich dieser Wert sogar auf 10 % reduzieren. FU-Leistungen ≥ 50 % können Generatorschäden verursachen. Organisatorische Maßnahmen Stromerzeuger ohne eigene RCD für jeden Abgang können mit entsprechend ausgestattetem Verteiler für den sicheren Einsatz auf der Baustelle ertüchtigt werden. ger mit nur einem Abgang in Form einer Wechselstromsteckvorrichtung bieten eine sichere Form der Stromversorgung, wenn tatsächlich nur ein Verbraucher angeschlossen ist. Deren Aufbau entspricht üblicherweise der Schutzmaßnahme Schutztrennung. So aufgebaute Stromerzeuger dürfen als Anschlusspunkte auf Bau- und Montagestellen eingesetzt werden. Gleiches gilt auch bei Anschluss weiterer Verbrauchsmittel an derartige Stromerzeuger, sofern diesen jeweils eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD, PRCD) mit einem Bemessungsfehlerstrom nicht größer als 30 mA vorgeschaltet ist. Da es bei Stromerzeugern, die nach dem Prinzip der Schutztrennung arbeiten, keine Verbindung des Sternpunktes oder eines Außenleiters mit dem sogenannten Erdungspunkt des Stromerzeugers gibt, ist eine Erdung nicht notwendig. Dieser Anschluss dient ausschließlich dem Schutzpotenzialausgleich. Eine Prüfung der elektrischen Schutzmaßnahmen durch eine Elektrofachkraft ist daher auf der Baustelle nicht notwendig. Stromerzeuger als Übergabepunkt Für das Errichten eines TN-, TT- oder ITSystems können hingegen können nur Stromerzeuger eingesetzt werden, die über eine Verbindung des Sternpunktes oder eines Außenleiters mit dem „Erdungspunkt“ verfügen. Hier muss zwingend eine Elektrofachkraft die erforderlichen Schutzmaßnahmen festlegen sowie etem 02.2015 deren Wirkung vor der Inbetriebnahme prüfen. Leitfähige Bereiche Stromerzeuger mit nur einem Abgang, die nach dem Prinzip der Schutzmaßnahme Schutztrennung arbeiten, können auch zur Versorgung einzelner elektrischer Betriebsmittel in leitfähigen Bereichen mit begrenzter Bewegungsfreiheit. z. B. im Rohrgraben, verwendet werden. Der Aufstellungsort des Stromerzeugers und gegebenenfalls zusätzlicher Trenntransformatoren zur Versorgung weiterer Verbraucher darf nur außerhalb des „engen“ leitfähigen Bereiches sein. Leitungen Nach DGUV Information 203-006 (früher BGI/GUV-I 608) dürfen als bewegliche Leitungen nur mehradrige Leitungen der Bauarten H07RN-F oder H07BQ-F verwendet werden. Dabei ist die eingeschränkte thermische Belastbarkeit von H07BQ-F zu beachten – zum Beispiel bei Schweißarbeiten. Falls notwendig, muss für einen zusätzlichen mechanischen Schutz gesorgt werden (etwa durch Kabelbrücken oder Hochlegen). Betrieb von Frequenzumrichtern (FU) an Stromerzeugern Für den Betrieb von FU-gesteuerten Geräten an Stromerzeugern empfiehlt sich, bezüglich der Belastbarkeit des Generators eine Rücksprache mit den Herstellern der Betriebsmittel mit Frequenzumrichter Stromerzeuger sind mit Tragevorrichtungen auszustatten. Ab 50 kg wird eine Anschlageinrichtung zum Transport mithilfe von Hebezeugen benötigt. Am Einsatzort muss die zugehörige Betriebsanleitung vorhanden sein. Stromerzeuger mit Verbrennungsmotor dürfen nur im Stillstand betankt werden. Werden derartige Stromerzeuger innerhalb von Gebäuden betrieben, sind sie in separaten Räumen mit ausreichender Belüftung aufzustellen. Die Abgase sind über Rohre oder Schläuche ins Freie abzuleiten. Neue DGUV Information Die BGI 867 „Auswahl und Betrieb von Ersatzstromerzeugern auf Bau- und Montagestellen“ wird derzeit überarbeitet und soll als neue DGUV Information 203-032 Gesetzliche Grundlagen Nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes und § 3 der Betriebssicherheitsverordnung ist eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Zu beachten sind auch: ▪▪ DGUV Vorschrift 3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ (früher BGV A3) ▪▪ VDE 0100-551 „Elektrische Anlagen von Gebäuden: Niederspannungs-Stromerzeugungsanlagen“ ▪▪ VDE 0100-704 „Errichten von Niederspannungsanlagen: Anforderung für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Baustellen“ Weitere Hilfestellungen geben folgende DGUV Informationen: ▪▪ DGUV Information 203-004 (früher BGI 594) ▪▪ DGUV Information 203-005 (früher BGI/GUV-I 600) ▪▪ DGUV Information 203-006 (früher BGI/GUV-I 608) 15 betrieb & praxis „Auswahl und Betrieb von Stromerzeugern auf Bau- und Montagestellen“ Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden. Ausrüstung bestimmt Einsatzart Die Überarbeitung der BGI ergibt einen grundsätzlich neuen Aufbau und erläutert die elektrischen Gefährdungen praxisgerecht. Es wird unterschieden zwischen Stromerzeugern mit Anschluss für den Schutzpotenzialausgleich und Stromerzeugern mit Erdungsanschluss. Unterstützt durch eine Klassifizierung (siehe Grafik „Entscheidungshilfe“) wird klar definiert, ob eine Elektrofachkraft vor Ort notwendig ist oder nicht. Dabei gibt die elektrische Ausrüstung des Stromerzeugers das spätere Einsatzgebiet vor. Der Schutzmaßnahme „automatische Abschaltung durch RCD“ kommt bei Stromerzeugern, die über einen Anschluss für den Schutzpotenzialausgleich verfügen, ab dem zweiten angeschlossenen Verbraucher eine besondere Bedeutung zu. Alle beschriebenen Schutzmaßnahmen entsprechen den Anforderungen aus den DGUV Informationen 203-004 (früher BGI Stromerzeuger nach dem Prinzip „Schutztrennung“ → Anschlusspunkt → nur ein Betriebsmittel 594) und 203-006 (früher BGI/GUV-I 608) sowie aus den einschlägigen VDE-Bestimmungen, z. B. DIN VDE 0100-410. Stromerzeuger, die nach dem Prinzip „Schutztrennung“ aufgebaut sind, gelten für einen einzelnen angeschlossenen Verbraucher direkt als Anschlusspunkt im Sinne der DGUV Information 203-006 (früher BGI/GUV-I 608). Maßnahmen zur Prüfung zum Erhalt des ordnungsgemäßen Zustandes sind ebenfalls Gegenstand der Ausführungen in der neuen DGUV Information. Hans-Peter Steimel Inbetriebnahme ohne Elektrofachkraft Inbetriebnahme nur durch Elektrofachkraft Stromerzeuger mit Anschluss für Schutzpotenzialausgleich Stromerzeuger mit Erdungsanschluss A mit einem oder mehreren Anschlüssen mit oder ohne Isolationsüberwachungseinrichtung mit Abschaltung C mit integrierten RCDs als Anschlusspunkt D nur als Übergabepunkt Unabhängig von der Zahl der Verbrauchsmittel 5.2.1 Elektrofachkraft legt die notwendige Schutzmaßnahme fest 5.2.2 Nur ein Verbrauchsmittel 5.1.1 B mit mehr als einer Steckvorrichtung und einer 30-mA-RCD für jeden Anschluss Mehr als ein Verbrauchsmittel 5.1.2 30-mA-RCD für jedes Verbrauchsmittel 5.1.2.1 Nur ein Verbrauchsmittel je Anschluss 5.1.2.1 Trenntransformator für das zweite und jedes weitere Verbrauchsmittel 5.1.2.2 (gefordert bei erhöhter elektrischer Gefährdung) Elektrofachkraft überprüft die angewandte Schutzmaßnahme Betrieb 16 etem 02.2015 Fotos: BG ETEM; ELSPRO Elektrotechnik GmbH; ENDRESS Elektrogerätebau GmbH Inbetriebnahme Stromerzeuger Entscheidungshilfe: Wann wird eine Elektrofachkraft vor Ort benötigt? betrieb & praxis Explosion einer Batterie Ein Funke zu viel Beim Abwischen einer Batterie entsteht eine statische Aufladung. Der Funke schlägt ins Innere durch. Die Batterie explodiert. von der Innenseite des elektrostatisch aufgeladenen Kunststoffgehäuses zu den Batteriezellen im Inneren. Die Gefährdungsbeurteilung des Batterieservice-Unternehmens hat diese Gefahren nicht genügend berücksichtigt. Schutzmaßnahmen Die zerstörte Batterie zeigt das Ausmaß der Explosion. Foto: Vom Unternehmen zur Verfügung gestellt A lltag in einem Batterieservice-Unternehmen. Eine Batterie steht frisch geladen auf der Werkbank. Manuel S. soll sie für den Kunden fertig machen. Er prüft die elektrische Funktionsfähigkeit der 12 V NKW-Batterie 225 Ah. Dann will er sie reinigen. Der Monteur reißt ein trockenes Papiervliestuch von der Rolle über der Werkbank und wischt die Batterie ab. Plötzlich explodiert sie. Wegfliegende Teile und verspritzte Säure verletzen den Beschäftigten. Prellungen und Verätzungen am Handgelenk sind die Folge. Zum Glück trägt er die für diese Arbeit angewiesene Schutzbrille und säurefeste Schutzhandschuhe. Das verhindert schwerere Verletzungen. Unfallursachen Die Explosion wurde vermutlich durch eine elektrostatische Entladung mit Durchschlag des Entladungsfunkens ins etem 02.2015 Batterieinnere ausgelöst. Da die Batterie kurz vorher aufgeladen wurde, ist davon auszugehen, dass im Inneren sowohl Wasserstoff als auch Sauerstoff und somit Knallgas vorhanden waren. Durch „Nachgasen“ trat dies vermutlich über die Druckentlastungsöffnungen auch aus der Batterie aus. Das Wischen mit dem trockenen Papiervliestuch (nicht antistatisch) auf dem Batteriegehäuse aus Kunststoff verursachte eine elektrostatische Aufladung des Gehäuses. Die Batterie stand auf einer Pappunterlage auf einer Metallwerkbank. Die Metallwerkbank stand auf Gummifüßen und war damit gegen den Betonfußboden isoliert. Daher war eine Entladung der elektrostatischen Aufladung nicht möglich. Auf welchem Weg der Entladungsfunken ins Batterieinnere fand, ist nicht genau zu sagen. Denkbar ist eine Entladung direkt Die Explosionsgefahr ist nur zu beseitigen, wenn eine elektrostatische Aufladung des Batteriegehäuses sicher verhindert wird. Dazu können folgende Maßnahmen dienen: ▪▪ Batterien dürfen nur feucht gereinigt werden. Zum Trocknen und Aufnehmen von Feuchtigkeit sind nur antistatische Tücher zu verwenden. Am Arbeitsplatz sollen keine statisch aufladbaren Reinigungstücher, wie hier das nicht antistatische Papiervlies, vorgehalten werden. ▪▪ Als technische Schutzmaßnahme ist die elektrostatisch ableitfähige Gestaltung der Aufstellfläche/Werkbank zu empfehlen, z. B. durch eine leitfähige (metallene) und geerdete Oberfläche beziehungsweise Auflage. ▪▪ Auch die Versicherten selbst sollten sich vor dem Handhaben von Batterien elektrostatisch entladen. Dazu kann man ein sicher geerdetes Metallteil berühren. Alternativ können – ähnlich wie in ESDBereichen – leitende Schuhbänder angelegt und ESD-Teststationen installiert werden, an denen vor dem Betreten des Bereichs die Ladungsfreiheit und Ableitfähigkeit der Person überprüft wird. ▪▪ Eine Betriebsanweisung für den Umgang mit Batterien und deren Reinigung ist aufzustellen und die Versicherten sind auf deren Grundlage regelmäßig aktenkundig zu unterweisen. Karsten Müller →→info Hinweise geben folgende Schriften: ▪▪ Datenblatt des jeweiligen Batterieherstellers mit Sicherheitshinweisen ▪▪ ZVEI-Merkblatt „Reinigen von Batterien“ ▪▪ DGUV Information 209-067 (bisher BGI 5017 „Ladeeinrichtungen für Fahrzeugbatterien“ 17 Erdraketen müssen genau ausgerichtet werden, damit sie wie gewünscht in der Zielgrube ankommen. Erdraketen Gefahr in der Tiefe Der Einsatz von Erdraketen kann Zeit und Geld sparen. Mangelnde Sorgfalt beim Erkunden vorhandener Leitungen birgt jedoch das Risiko tödlicher Stromunfälle. D er Einsatz einer Erdrakete – auch Bodendurchschlagsrakete oder Bodenverdrängungshammer genannt – ist eine sehr effektive Methode, Rohre mit grabenloser Technik zu verlegen, birgt aber auch etliche Gefahren in sich. In den Medien wird immer wieder von schweren oder gar tödlichen Unfällen im Zusammenhang mit Erdraketen berichtet. Dabei werden häufig unterirdisch verlegte Elektroleitungen beschädigt und es kommt zu einem Spannungsübertritt auf das Erdraketensystem. Da sich der Bediener der Erdrakete bei seiner Arbeit in einem „engen leitfähigen Raum“ befindet, ist diese Situation besonders gefährlich. Beim Berühren der Anlage kann sofort ein tödlicher Strom über die Person zur Erde fließen. Über einen solchen tödlichen Unfall haben wir in „etem“ 3/2013, Ausgabe Energie- und Wasserwirtschaft, berichtet. Arbeitsweise einer Erdrakete Eine Erdrakete dient dazu, Leitungen zu verlegen, ohne einen Graben ausheben zu müssen. Werden Leitungen oder Kabel in einem offenen Graben verlegt, müssen oft Straßen, Eisenbahnlinien oder Einfahrten unterquert werden. Dabei ergeben sich zwangsweise Verkehrsbehinderungen. Diese können minimiert werden, wenn man mit einer Erdrakete unter dem Verkehrsweg hindurch-„schießt“. Das 18 erübrigt den Verlegegraben, spart Zeit und gegebenenfalls auch Kosten. Effektiv ist das Verfahren auch deshalb, weil Bohrung und Rohreinzug in der Regel in einem Arbeitsgang erfolgen. Das Verfahren wird für Gas-, Fernwärme-, Wasser-, Abwasser- und Telekommunikationsleitungen eingesetzt. Die Erdrakete wird mit Druckluft vom Baustellenkompressor angetrieben. Das röhrenförmige Gehäuse verdrängt das Erdreich und es entsteht eine Erdröhre. Das Verfahren funktioniert in fast allen Böden. Nur in moorigen Böden und in nicht verdrängbarem Festgestein ist der Einsatz nicht möglich. Um die Erdrakete starten zu können, müssen zunächst eine Start- und eine Zielgrube ausgehoben werden. In der Startgrube wird die Startlafette aufgebaut. Mittels Peiloptik wird der Peilstab in der Zielgrube anvisiert. Danach wird die Erdrakete in der Lafette in Höhe und Seite einjustiert (siehe Abb. 1). Die Erdrakete muss sehr gewissenhaft ausgerichtet werden, denn sie ist nicht steuerbar. Erdraketen erreichen je nach Bodenbeschaffenheit eine Vortriebsgeschwindigkeit bis 15 m/h. Die Bohrungen können in der Regel bis 15 m lang sein. Bei Hausanschlüssen für Gas, Wasser, Abwasser, Strom und Breitbandverkabelung können Erdraketen auch direkt aus dem Haus starten. Ein Kopfloch vor der Hausmauer ist nicht mehr erforderlich (siehe etem 02.2015 betrieb & praxis Abb. 1: Startlafette und Zieloptik in Startgrube, Peilstab in Zielgrube Abb. 2: Erdraketenvortrieb direkt aus dem Keller Abb. 2). Ein Anpeilen des Zieles ist hierbei nicht möglich, weshalb diese Methode nur bei kurzen Strecken anzuwenden ist und wenn Gefahren durch vorhandene Leitungen auszuschließen sind. Verlauf von Leitungen nicht exakt bestimmt werden, sind diese Systeme unter Umständen abzuschalten. Durch Aufstecken eines Kopfes mit integriertem Sender oder durch einen eingebauten Sender am Raketen-Anschlussschlauch ist eine Ortung der Erdrakete möglich. So lässt sich der Bohrverlauf überwachen. Bei Abweichungen von der Solltrasse kann die Maschine zurückgefahren und neu angesetzt werden. Erdverlegte Kabel und Leitungen sind immer als unter Spannung stehend zu betrachten, sofern der Betreiber die Spannungsfreiheit nicht ausdrücklich bestätigt. Das Tragen geeigneter Schutzkleidung kann die Verletzungsgefahr des Bedieners reduzieren. Neben den von Personal und Aufsicht zu treffenden Schutzmaßnahmen gibt es auch technische Möglichkeiten, um im Unglücksfall eine leitende Verbindung zwischen stromführender Leitung und Bediener zu verhindern: ▪▪ Verwenden nichtleitender Druckluftschläuche (Raketen-Anschlussschlauch, langer Druckluftschlauch). ▪▪ Anbau eines Isolationsadapters (siehe Abb. 3) an das Nachziehstahlseil zur Unterbrechung der Stromübertragung (nur bei Verwendung des Zubehörs zum direkten Einzug von PVC-Kurzrohren erforderlich!). Um Unfälle zu vermeiden, ist es wichtig, das Personal kontinuierlich in sicherheitsrelevanten Belangen von Technik und Anwendung zu unterweisen. Dazu gehört es auch, Arbeitsunfälle und deren Ursachen zu analysieren, damit das Personal für mögliche Gefahren sensibilisiert wird und die Arbeiten mit der entsprechenden Sorgfalt vorbereitet und ausführt. Verhaltensregeln und Schutzmaßnahmen sind auch in der Betriebsanweisung der Erdrakete zu verankern. Die Betriebsanweisung muss selbstverständlich an der Arbeitsstelle vorhanden sein. Hans-Joachim Kuhnsch (BG BAU), Hartmut Oelmann (BG ETEM) Mögliche Gefahren Alle Arbeiten mit Erdraketen dürfen nur von fachlich geschultem und unterwiesenem Bedienungspersonal ausgeführt werden. Kenntnisse über den Baugrund, bereits im Boden liegende Leitungen sowie über mögliche Hindernisse sind entscheidend für den sicheren und erfolgreichen Einsatz einer Erdrakete. Im Hinblick auf seine Erkundungs- und Sicherungspflicht hat sich das bauausführende Unternehmen rechtzeitig vor Baubeginn bei den Versorgungsbetrieben nach Existenz und Lage von Versorgungsleitungen im Bereich der Baumaßnahme zu erkundigen. Wie mit erdverlegten Kabeln und Leitungen umgegangen werden muss, kann detailliert in der DGUV Information 203-017 (früher BGI 759) „Schutzmaßnahmen bei Erdarbeiten in der Nähe erdverlegter Kabel und Rohrleitungen“ nachgelesen werden. Während des Vortriebes verdrängt die Erdrakete den Boden in den Porenraum des umgebenden Erdreiches. Daher ist immer eine bestimmte Überdeckung (Abstand zwischen Maschinenkörper und Oberfläche) notwendig, um Beschädigungen der Oberfläche zu vermeiden. Als Richtwert für die Überdeckung sollte der 10-fache Maschinendurchmesser angenommen werden. Auch der Abstand zu vorhandenen Leitungen sollte im Hinblick auf das gewählte Verfahren der Neuverlegung oder Sanierung einer Leitung geprüft werden. Der Mindestabstand zu vorhandenen Leitungen richtet sich nach den Vorgaben der jeweiligen Netz- und Leitungsbetreiber. Fotos/Illustrationen: TRACTO-TECHNIK Sicherheitsmaßnahmen Trotz sorgfältiger Erkundung, Vorbereitung und vorschriftsmäßiger Ausführung der Arbeiten sind Fremdleitungen von Erdraketen getroffen worden. Daher sind Schutzmaßnahmen notwendig, wenn mit stromführenden Anlagen im Untergrund zu rechnen ist. Als Erstes ist der Verlauf vorhandener Leitungssysteme zu erkunden. Ist dieser unklar, müssen mögliche Leitungen im Untergrund geortet werden. Eventuell sind auch Suchschlitze erforderlich. Kann der etem 02.2015 Abb. 3: Neu entwickelter Isolieradapter für das Nachziehseil einer Erdrakete 19 betrieb & praxis Unfallprävention „Dem Zufall keine Chance!“ Bei Unfällen spielt das Verhalten oft eine wesentliche Rolle. Wie sich das Sicherheitsbewusstsein stärken lässt, weiß Präventionsexperte Reinhard Lenz. L eichtsinn kann schmerzhafte Folgen haben. Wer anderen im Nachhinein nur die Schuld zuweist, macht es sich zu einfach. Denn vor unbedachten Entscheidungen ist niemand sicher. Wie aber kann das Sicherheitsbewusstsein verbessert werden? Dazu befragt etem Reinhard Lenz, Inhaber des Instituts Input in Dortmund, das sich seit über 20 Jahren mit Schulung und Medienentwicklung in der Prävention beschäftigt. Unfall am Trockner Der Betriebselektriker einer großen Wäscherei wollte in einem Wäschetrockner Verunreinigungen beseitigen. Das teilte er den Beschäftigten an der Anlage mit. Er schaltete das Gerät ab und wartete etwa zehn Minuten, damit es abkühlen konnte. Der Hauptschalter ließ sich durch ein Vorhängeschloss sichern, der Elektriker verzichtete aber darauf. Er kletterte auf die mehrere Meter hohe Bühne und stieg in den Trockner. Kurze Zeit später schaltete eine neu hinzugekommene und deshalb nichtsahnende Kollegin die Maschine ein. Nach einigen Umdrehungen fiel der Mann völlig orientierungslos aus der Trommel auf das Förderband davor. So entging er nach der Lebensgefahr im Trockner auch einem Absturz in die Tiefe und kam mit Prellungen, Schürfund Schnittverletzungen davon. ? Herr Lenz, Sicherheit beginnt im Kopf. Wie kön- nen wir diese Erkenntnis nutzen, um Unfälle zu vermeiden? Reinhard Lenz: Ich denke, der Kopf allein reicht da nicht. Das Wissen muss tiefer gehen, sozusagen bis in die Herzen. Der Satz „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ stimmt zwar meistens, aber nicht immer. Sonst würde kein Raucher mehr rauchen und niemand ohne Schutzbrille schleifen. ? In unserem Beispiel hat der Techniker den Haupt- schalter nicht gesichert. Diese Entscheidung war offenbar nicht Ergebnis eines logischen Abwägungsprozesses, sondern kam eher aus dem Bauch heraus. Was geht in uns vor, bevor wir handeln? Ob eine Entscheidung, die zu einem Unfall beigetragen hat, leichtsinnig war, weiß man leider erst hinterher. Der Beschäftigte in der Wäscherei hatte vorher wohl keinen Zweifel daran, dass alles gut gehen wird. Es greift auch zu kurz, das Ganze auf eine einzige, momentane Entscheidung zu reduzieren. Ein Unfall hat immer ein ganzes Bündel von Ursachen. Möglicherweise hat der Techniker zuvor eine Million Dinge richtig gemacht und damit sogar organisatorische oder technische Defizite ausgeglichen. Was lief am Unfalltag anders? Vielleicht haben psychische Faktoren eine Rolle gespielt: Stress, Zeitdruck, Angst vor Ärger ... »Ein Unfall hat immer ein ganzes Bündel von Ursachen.« ? Dennoch hätte die Unfallursache im beschriebe- Lebenswichtig: Produktionsanlagen vor Instandhaltungsarbeiten gegen Wiedereinschalten sichern. 20 nen Fall leicht vermieden werden können. Bei intuitiven Entscheidungen haben Lebens- und Berufserfahrung ein sehr starkes Gewicht. Das Risiko wird quasi „gefühlt“. Und die Erfahrung zeigt, dass Gefahrensituationen unterschiedlich eingeschätzt werden. Denn die eigene Lebenserfahrung ist nur ein persönlicher Ausschnitt der Lebenswirklichkeit und sieht bei jedem anders aus – besonders wenn bisher immer alles gut gegangen ist. Wird ein Risiko unterschätzt, fehlt der Respekt davor und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass irgendwann etwas schiefgeht. Ziel einer Unterweisung muss deshalb sein, vermeintlich unterschätzte Risiken realistisch zu beurteilen. etem 02.2015 betrieb & praxis Zeitdruck und Improvisation erhöhen das Unfallrisiko. Reinhard Lenz, Experte im verhaltensorientierten Arbeitsschutz ? Dann muss die persönliche Risikoeinschätzung trainiert werden? Eine fundierte Ausbildung, Einarbeitung und Unterweisungen helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen, realistisch zu bewerten und angemessen zu bewältigen. Häufig wird der gesunde Menschenverstand als vernünftige Entscheidungsgrundlage angeführt. Der setzt allerdings schon mal aus, z. B. unter Alkohol, im Krankheitsfall oder bei besonderen Umständen, wie dem Tod eines nahen Angehörigen. Fotos: BG ETEM/A. Kaya; Fotolia/Foto-Ruhrgebiet; privat ? Auf gute Qualifizierung kommt es also an. Aber auch darauf, den Mitarbeitern zu verdeutlichen, dass die Sicherheit im Unternehmen einen hohen Stellenwert hat. Ein Betrieb muss unbedingt seine Prozesse kontrollieren. Allerdings kann nicht jede Situation vorgedacht und geregelt werden. Ab einer gewissen Anzahl von Sicherheitsregeln können Beschäftigte nicht mehr alle erinnern und die Akzeptanz sinkt. Eine Bordsteinkante hat das Gefahrenpotenzial, dass man darüber stolpern kann. Trotzdem wäre eine Arbeitsanweisung zum Besteigen der Bordsteinkante kontraproduktiv. Gleichzeitig müssen Arbeitsschutzverantwortliche und Mitarbeiter lernen, die Schicksalhaftigkeit von Unfällen zu negieren. Der Spruch „Wo gehobelt wird, fallen Späne“ ist das genaue Gegenteil von Prozesskontrolle und Führungsqualität. ? Wie kann man aber die Mitarbeiter zu Verbünde- ten für sicheres Arbeiten machen? Grundsätzlich will jeder sicher arbeiten. Verletzungen etem 02.2015 sind schmerzhaft, das führt niemand bewusst herbei. Empfinden Mitarbeiter das Schutzniveau im Betrieb jedoch als unrealistisch hoch, wird es schwer, sie zu erreichen. Es geht dann darum, die Beschäftigten stärker zu überzeugen und ihre Risikoeinschätzung besser zu trainieren. Dabei droht aber ein Image als Besserwisser. Menschen, die überall und immer Gefahren wittern, sind nicht sehr beliebt. Um positiv wahrgenommen zu werden, als Unterstützer und Vertrauter, ist ein hohes Maß an sozialer Kompetenz erforderlich. Eine gute Möglichkeit, um Gefahrenquellen zu verdeutlichen, sind Beinaheunfälle. »Risiken frühzeitig erkennen, realistisch bewerten und angemessen bewältigen.« ? Durch die Auseinandersetzung mit Beinahe- und Bagatellunfällen kann man Denkanstöße geben? Ja, wenn es gelingt, deren Bedeutung zu vermitteln. Das geht aber nur auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern. Die kennen die Arbeitsvorgänge aus der Praxis selbst am besten. Vorgesetzte und Verantwortliche können bei offener Diskussion über Beinaheunfälle eine Menge lernen. Und die Beschäftigten schulen ihr Sicherheitsbewusstsein. Sie denken mehr über Unfallgefahren nach und über vorausschauendes Verhalten, um dem Zufall keine Chance zu geben. ?Dazu müssen Mitarbeiter Fehler eingestehen … Deshalb ist für den Erfolg eine Vertrauenskultur dringend notwendig. Sonst wird keiner wagen, mit seinen Missgeschicken oder gar seinem Fehlverhalten herauszurücken, auch wenn bislang nichts passiert ist. Und dann gibt es auch keinen Austausch über mögliche produktionstechnische Schwächen. – Wissen Sie, Sensibilisieren ist wie Staubwischen. Es hört nie auf. Ist man gerade fertig, kann man wieder von vorne beginnen. Nur dort, wo technische Maßnahmen Verhaltensfehler von vornherein ausschließen, verliert Sensibilisierung an Bedeutung. Gespräch: Martin Steiner 21 betrieb & praxis Intranetbasierte Arbeitssicherheitssoftware Werkzeuge für sicheres Arbeiten A rbeitsschutz in größeren Betrieben zu organisieren kann schnell zur Herausforderung werden. Die Software „Intranet Präventionswerkzeuge“ liefert Unternehmen eine Reihe nützlicher Instrumente, mit deren Hilfe sich die betrieblichen Anforderungen leichter bewältigen lassen. Das Programm wurde eigens für die Intranetinfrastruktur von Mittel- und Großbetrieben bzw. Konzernstrukturen entwickelt. Angesprochen sind Unternehmen der BG ETEM, die ein Intranet auf HTMLBasis verwenden. Sämtliche Funktionen der Software sind offen gestaltet. Sie besteht aus einer Vielzahl von optionalen Modulen. Das heißt, Unternehmen können frei entscheiden, welche Komponenten sie einsetzen möchten. Flexible Gestaltung durch Module Daten, Datenbanken, Anwendungsdesign, Benutzerführung und Fachbegriffe sind kompatibel und aufeinander abgestimmt. Die erstellte Anwendung lässt sich auch nach der Installation durch Module erweitern. Bestehende Daten bleiben erhalten und können darüber hinaus leicht in zusätzliche Module integriert werden. In der ersten Entwicklungsphase sind folgende Module entstanden: ▪▪ Das zentrale Modul ist die Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz, an die sich das ergänzende Modul zur Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung anlehnt. ▪▪ Das Modul Gefahrstoffverzeichnis erfasst und verwaltet die erforderlichen Gefahrstoffinformationen. ▪▪ Der installierte Betriebsanweisungseditor sorgt dafür, dass der Unternehmer 22 Personenbezogene Daten Drucker Benutzerdaten Smart Bilder, Dokumente Migration bestehender Daten: PGL, .xls Die Software verfügt über zahlreiche Schnittstellen zu anderen Systemen. Kalender E-Mail oder Vorgesetzte die notwendigen Betriebs- und Arbeitsanweisungen erstellen und aktualisieren kann. ▪▪ Eine umfangreiche Regelwerkbibliothek enthält die nötigen Quellen – Gesetze, Verordnungen und berufsgenossenschaftliche Schriften –, die als Hintergrundinformationen dienen. ▪▪ Ist die Gefährdungsbeurteilung bereits mithilfe der Software „Praxisgerechte Lösungen“ dokumentiert worden, kann ein Migrationstool bei der Übernahme der Daten unterstützen. Gleichzeitig gewährt die Software anderen Systemen Zugriff auf Informationen: ▪▪ Kommunikation über den vorhandenen E-Mail-Client und das Kalenderprogramm der Nutzer, ▪▪ Import von Dokumenten, wie Messprotokolle, Sicherheitsdatenblätter, Betriebsanweisungen etc. sowie ▪▪ Nutzung durch verschiedene Arbeitsstationen, zum Beispiel PC, Tablet-PC oder Thin-Clients. Eine Benutzerverwaltung passt den Workflow für Freigabe, Veröffentlichung und Administration an die betrieblichen Abläufe an. Das System erlaubt auch, dass Experten vor Ort aus dem betrieblichen Produktionsprozess heraus Inhalte bearbeiten können. Die webbasierte Anwendung beruht auf freien Software-Komponenten. Unternehmen brauchen also keine kostenintensiven Lizenzanforderungen zu fürchten. Bei Interesse an der Software wenden Sie sich bitte an: Axel Mühlthaler Telefon: 0221 3778-6060 Martin Schröttke Telefon: 0221 3778-6063 E-Mail: [email protected] Schnittstellen „Intranet Präventionswerkzeuge“ bietet eine Reihe von Schnittstellen zu anderen Systemen und daher die Möglichkeit, vorhandene Datenquellen zu verwenden. Axel Mühlthaler, Martin Schröttke →→info Einen ersten Eindruck der Software vermittelt die aktuelle Online-Ausgabe von etem unter www.bgetem.de > Medien/Service > etem 2/2015 Weitere Informationen finden Sie unter www.bgetem.de, Webcode 15769680. etem 02.2015 Grafik: BG ETEM Die passende Software erleichtert den Arbeitsschutz in Betrieben. „Intranet Präventionswerkzeuge“ bietet eine Fülle an praktischen Hilfsmitteln – kostenlos! betrieb & praxis Prävention und Recht ▪▪ freiwillige Mitteilungen der Beschäftigten über private Erkrankung, Informationen vom Betriebsarzt mit Einwilligung der Beschäftigten. Für Klarheit sorgen Wie sind arbeitsmedizinische Vorsorge und Eignungsuntersuchungen geregelt? Illustration: Fotolia, Gstudio Group E ignungsuntersuchungen sind von arbeitsmedizinischer Vorsorge nach der „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge“ (ArbMedVV) rechtlich zu trennen. Sachlich können sie sich überschneiden. Früherkennung und Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen sind das Ziel der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Eignungsuntersuchungen hingegen dienen der Feststellung, ob eine Person aufgrund ihrer Gesundheitssituation die Anforderungen für eine bestimmte Tätigkeit erfüllt. Letztere kommen in Betracht, wenn Gesetze medizinische Untersuchungen vorschreiben oder wenn der Arbeitgeber objektive Anhaltspunkte für Gesundheitsbeeinträchtigungen hat. Gesetzliche Vorschriften findet man zum Beispiel in der Röntgen-, Strahlenschutz- oder Druckluftverordnung sowie im Jugendarbeitsschutzgesetz. Sie muss der Arbeitgeber befolgen, egal, ob auch eine arbeitsmedizinische Vorsorge erfolgen muss. Vorschriften, die nur allgemein die körperliche Eignung für bestimmte Tätigkeiten vorschreiben – etwa die Unfallverhütungsvorschrift „Fahrzeuge“ (§ 35) – oder Empfehlungen zum Beispiel in berufsgenossenschaftlichen Informationen verpflichten nicht dazu, Eignungsuntersuchungen durchzuführen. Die Verantwortlichen können aufgrund eigener Anschauung und praktischer Erfahrung über die Eignung entscheiden. Wann muss reagiert werden? Hingegen können objektive Anhaltspunkte für Gesundheitsbeeinträchtigungen Eignungsuntersuchungen nötig machen. Solche Anhaltspunkte können sein: etem 02.2015 »Bei Anhaltspunkten für eine Gesundheitsbeeinträchtigung muss eine Eignungsuntersuchung erfolgen.« ▪▪ für medizinische Laien erkennbare Anzeichen für Beeinträchtigungen der Gesundheit (zum Beispiel Übelkeit, Anzeichen für Schwindel oder Schmerzen), ▪▪ andere Indizien im Verhalten (häufigere kleinere Unfälle beziehungsweise Schadensfälle) oder In diesen Fällen sind Eignungsuntersuchungen nötig, weil Beschäftigte keine Tätigkeiten ausüben dürfen, durch die sie selbst oder andere gefährdet werden (§ 7 Abs. 2 Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ – DGUV-Vorschrift 1). Ergeben sich medizinische Bedenken oder lassen sich die Beschäftigten nicht untersuchen, muss der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen (zum Beispiel Umsetzung, Versetzung, gegebenenfalls Kündigung). Außer in den beschriebenen Fällen hat weder der Arbeitgeber eine Rechtspflicht, Eignungsuntersuchungen durchzuführen, noch haben die Beschäftigten die Pflicht daran teilzunehmen. Vereinbarung im Arbeitsvertrag Liegen Arbeitsbedingungen vor, bei denen trotz Arbeitsschutzmaßnahmen mit Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten oder von Dritten zu rechnen ist, falls die Beschäftigten für die Tätigkeiten gesundheitlich ungeeignet sind, können Eignungsuntersuchungen jedoch sinnvoll sein. Dann kann der Arbeitgeber Eignungsuntersuchungen im Arbeitsvertrag vereinbaren. Die Vereinbarung muss bezüglich Art und Umfang der Untersuchung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. Der Arbeitgeber darf den Abschluss oder die Änderung eines Arbeitsvertrages von einer gesundheitlichen Untersuchung abhängig machen. Voraussetzung ist, dass dies nötig ist, um festzustellen, ob der Bewerber für die vorgesehene Tätigkeit geeignet ist. Wird die Tätigkeit bereits ausgeübt, ist eine nachträgliche Vereinbarung nur freiwillig möglich. Ohne Vereinbarung ist der Arbeitgeber nicht verantwortlich für Unfälle, die aufgrund unbekannter Beeinträchtigungen eintreten, außer er übersah oder ignorierte objektive Anhaltspunkte. Die umstrittene betriebsverfassungsrechtliche Frage, ob man Eignungsuntersuchungen in Betriebsvereinbarungen regeln kann, müssen Arbeitsgerichte klären. Wolfram Strunk 23 gesundheit Ein starkes Team für den neuen beruflichen Einstieg: Dietmar Zeffler, Stefan Müller, Rehaberater der BG ETEM, Reinhard Kleinschmidt, Geschäftsleiter Finanzen/Controlling/Personal, und Ausbilder Henning Bremer, Bereichsleiter Mechanische Konstruktion (v.l.n.r. ). Rehabilitation Fast schon wie eine Familie Nach einem schweren Wegeunfall kann Dietmar Zeffler seinen erlernten Beruf als Industriemechaniker nicht mehr ausüben. Aber Dank der Unterstützung durch seinen Arbeitgeber und die BG ETEM startet er durch und beginnt seinen neuen Job als Technischer Produktdesigner bei der BLOCK Transformatoren-Elektronik GmbH. A m Morgen des 3. Juni 2010 ist der 34-jährige Dietmar Zeffler mit seinem Auto auf der Landstraße auf dem Weg zur Arbeit. Ein aus einer Seitenstraße kommendes Fahrzeug nimmt ihm die Vorfahrt. Der Unfall lässt sich nicht mehr vermeiden, trotz Vollbremsung knallt Dietmar Zefflers Auto mit hoher Geschwindigkeit in die Fahrerseite des anderen Pkw. Ein Rettungswagen bringt ihn nach Bremen ins Klinikum links der Weser. Dort diagnostizieren die Ärzte einen Bruch des linken Handgelenks und – wesentlich 24 schwerwiegender – einen Schienbeintrümmerbruch im Bereich des Sprunggelenks. Mit einem Fixateur stabilisieren die Ärzte das Bein. Nach zehn Tagen ist das Gewebe nicht mehr so dick und geschwollen. Die Ärzte können jetzt mit einer großen Platte und mehreren Schrauben die Knochen fixieren. Nach sechs Wochen darf Dietmar Zeffler das Krankenhaus verlassen. Es beginnt die ambulante Reha. An fünf Tagen die Woche wird der Patient zur Therapie in die BG-Unfallambulanz und Rehazentrum Bremen gefahren. „Durch medizinische Trainingstherapie, Krankengymnastik, Lymphdrainage und Massage haben die mich da über Monate wieder richtig gut aufgepäppelt“, erinnert sich Zeffler. Rückschläge blieben nicht aus Ermutigt von den Fortschritten beginnt der Facharbeiter im Bereich Werkzeugund Vorrichtungsbau bei der BLOCK Transformatoren-Elektronik GmbH in Verden eine Arbeits- und Belastungserprobung an seinem bisherigen Arbeitsplatz im Unteretem 02.2015 gesundheit nehmen. Mit unerfreulichem Ergebnis: „Am Anfang waren es zwei Stunden am Tag. Aber schon bei der Steigerung auf vier Stunden hat sich gezeigt, dass es für mich sehr schwierig wird. Durch das lange Stehen an der Werkbank hatte ich große Schmerzen im linken Fuß und Unterschenkel. Und bei sechs Stunden war es kaum noch auszuhalten“, schildert Zeffler. „Da hat dann auch der Durchgangsarzt gesagt, das brechen wir ab, das macht keinen Sinn“, erinnert sich der heute 39-Jährige. „Das war für mich ein Schock. Ich habe meinen Job wirklich gerne gemacht und stand jetzt vor der Frage, wie soll es weitergehen?“ Bevor sich diese Frage klären sollte, ging es zunächst einmal für drei Monate zur stationären Reha in das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus Hamburg. Fotos: wdv/K. Eggers Rehaberater kommt ins Spiel Als sich abzeichnet, dass eine berufliche Wiedereingliederung in den alten Job nicht möglich ist, kommt Rehaberater Stefan Müller von der Bezirksverwaltung Braunschweig der BG ETEM ins Spiel. Er organisiert ein gemeinsames Treffen im Unternehmen. Zusammen mit Dietmar Zeffler diskutieren Personalverantwortliche des Unternehmens und der Rehaberater, wie die Zukunft des Facharbeiters im Unternehmen aussehen könnte und welche Arbeitsplätze für ihn infrage kämen. Viele Ideen müssen verworfen werden. Mal ist der Arbeitsplatz nur über mehrere Treppenstufen zu erreichen, mal wäre die Tätigkeit mit dem Tragen schwerer Bleche verbunden. Beides kommt nicht infrage. Fest steht zunächst nur, dass das Unternehmen alles versucht, um ihm eine neue berufliche Perspektive zu bieten. „Die Erfahrung, dass von unserem CEO Wolfgang Reichelt die Weisung kam ,wir finden eine Lösung‘, und die Unterstützung durch die Kollegen haben mir damals sehr geholfen. Es gab einem wirklich das Gefühl, dass wir hier fast schon wie eine Familie sind“, schildert Zeffler seine damaligen Gefühle. Und dann ist es so weit. Auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung wird plötzlich die Idee geboren: „Warum schulen wir Herrn Zeffler nicht um, zum Technischen Produktdesigner?“. Bevor die Berufsgenossenschaft eine solche Maßnahme aber unterstützt, wird geprüft, ob der angehende Umschüler die Voraussetzungen für die neue Tätigkeit eretem 02.2015 An seinen alten Arbeitsplatz, der langes Arbeiten im Stehen an der Werkbank erforderte, konnte Dietmar Zeffler wegen seiner Verletzung nicht zurückkehren. Vier Jahre nach seinem schweren Unfall ist Dietmar Zeffler glücklich mit seinem neuen Beruf als Technischer Produktdesigner. füllt. Alle Tests besteht Dietmar Zeffler souverän. Nächste Stufe: Reha-Vorbereitungslehrgang. Im Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft in Verden werden in einem dreimonatigen Lehrgang die Grundkenntnisse in Mathematik, Deutsch und Englisch aufgefrischt und die Teilnehmer in EDV geschult, bevor dann die eigentliche Umschulung beginnt. Voller Einsatz in der Umschulung Zweieinhalb Jahre dauert sie. Rehaberater Stefan Müller erläutert, wie die Berufsgenossenschaft Zeffler während dieser Zeit finanziell unterstützte: „Während der Phase der medizinischen Rehabilitation erhielt Herr Zeffler von der BG ETEM Verletztengeld, das dann mit Beginn der Umschulung auf Übergangsgeld umgestellt wurde. Daneben erhalten Versicherte während einer solchen Maßnahme Reisekosten, eine Lehrmittelpauschale und Verpflegungsgeld. Zudem bekommt Herr Zeffler von der BG ETEM eine Verletztenrente.“ Bei der betrieblichen Umschulung zum Technischen Produktdesigner handelte es sich um eine duale Ausbildung. Neben der Ausbildung im Betrieb besuchte Zeff- ler eine ganz normale Berufsschule. „Die Schule war zwar anstrengend, aber immer lustig. Da war ich schon der alte Sack in der Klasse“, erzählt Zeffler rückblickend und lacht. „Meine Klassenlehrerin war so alt wie ich und manche Klassenkameraden haben sich anfangs gar nicht getraut mich zu duzen.“ Sein Ausbilder Henning Bremer erinnert sich vor allem an den großen Ehrgeiz, den der Umschüler während der Maßnahme an den Tag legte. „Sowohl die Berufsschule wie auch das Bildungswerk haben immer das große Engagement von Herrn Zeffler betont. Wir mussten ihn manchmal schon ein wenig beruhigen, damit er sich nicht zu viele Gedanken darüber macht, wie er seine Pflichten als Umschüler erfüllen kann.“ „Aber das ist doch ganz klar, dass ich Einsatz gezeigt habe“, meint Zeffler, „man muss doch nur bedenken, wie viel Geld das alles gekostet hat.“ Dass sich der Einsatz lohnt, zeigt das Ergebnis der Abschlussprüfung, die er mit einer glatten Eins besteht. Viel wichtiger ist aber, dass er vier Jahre nach dem schweren Unfall einen neuen Beruf hat, in dem er sich wohlfühlt und den er ohne gesundheitliche Beschwerden ausüben kann. Christoph Nocker 25 gesundheit Reform der Erste-Hilfe-Kurse Schnell handeln im Notfall der Fülle der Themen mittel- und langfristig oft nicht mehr an alle Inhalte der Grundausbildung. Die künftige Erste-Hilfe-Aus- und -Fortbildung verzichtet deshalb auf eine Detailgenauigkeit der Anweisungen sowie auf überflüssige medizinische Informationen. Stattdessen stehen grundsätzliche Handlungsstrategien und einfachere Erste-Hilfe-Maßnahmen im Fokus. Dadurch sind die Kurse praxisnah umsetzbar und die Inhalte können leichter erlernt werden. Der Praxisanteil in der Ausund Fortbildung rückt in den Vordergrund. Didaktisch optimiert erreicht das Konzept eine Verzahnung von theoretischem Grundwissen mit praktischem Handeln. Dies erhöht die langfristige Verfügbarkeit der Kenntnisse. Vom 1. April 2015 an durchlaufen betriebliche Ersthelfer eine verkürzte Ausbildung. Die Kurse werden praxisnäher aufgebaut und die Fortbildung intensiviert. Im Notfall ist so Wissen besser parat. D ie Unfallversicherungsträger und die Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe (EH) haben gemeinsam ein neues Konzept der betrieblichen Erste-Hilfe-Ausund Fortbildung erarbeitet, die ab dem 1. April 2015 in Kraft tritt. Die Ausbildung wird von 16 auf neun Unterrichtseinheiten (= UE) gestrafft, der Umfang der regelmäßig erforderlichen Fortbildung von acht auf neun UE ausgeweitet. Eine Unterrichtseinheit dauert jeweils 45 Minuten. Bis zum 31. März 2015 umfasst die Grundausbildung noch 16 UE und das EH-Training wie bisher nur acht UE. Eine Fortbildung wird spätestens alle zwei Jahre fällig. Jedes Jahr absolvieren in Deutschland etwa 1,5 Millionen Versicherte betriebliche Ersthelfer-Kurse. Ungefähr ein Drittel dieser Teilnehmer besucht eine Ausbildung, etwa zwei Drittel nehmen an Fortbildungen teil. Der Ersthelfer ist ein ausgebildeter Laie, der unmittelbar am Notfallort Maßnahmen ergreifen kann, um akute Gefahren für Leben und Gesundheit 26 abzuwenden. Seine Aufgaben ergeben sich aus Art und Umfang seiner Ausbildung zum Ersthelfer und seiner laufenden Fort- und Weiterbildung. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und DGUV-Vorschrift 1 beschreiben die wesentlichen Rechtsgrundlagen für Aus- und Fortbildung von betrieblichen Ersthelfern. Die DGUV-Regel 100-001 konkretisiert die Anforderungen und wird im Rahmen der Revision zum 1. April 2015 geändert, ebenso der DGUV-Grundsatz 304-002 „Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in der Ersten Hilfe“ (bisher BGG/GUV-G 948). Neue Zielrichtung In den letzten Jahren haben sich beispielsweise im Bereich der Reanimation deutliche Vereinfachungen ergeben, die für eine inhaltliche Anpassung der Ausbildung sprechen. Gleichzeitig deuten verschiedene wissenschaftliche Studien darauf hin, dass die Grundausbildung inhaltlich überladen ist. Ersthelfer erinnern sich wegen Kursinhalte sind angepasst Die Erste-Hilfe-Ausbildung bezieht zukünftig lebensrettende Maßnahmen, einfache Erste-Hilfe-Maßnahmen und die psychische Betreuung mit ein. Das neue Konzept stellt die Handlungskompetenz der betrieblichen Ersthelfer in den Vordergrund, zum Beispiel mit den Lernzielen: ▪▪ eigene Sicherheit bzw. das eigene Schutzverhalten, zum Beispiel durch das Absichern einer Unfallstelle, ▪▪ den Notruf absetzen können, ▪▪ Rettung von Personen aus einem Gefahrenbereich inklusive Straßenverkehr, ▪▪ Maßnahmen zur psychischen Betreuung und zum Wärmeerhalt durchführen können. Zusätzlich gehören die klassischen Themen wie „bedrohliche Blutungen“, „Wundversorgung“ oder „Störungen von Atmung, Bewusstsein oder Kreislauf“ in Verbindung mit den „lebensrettenden Sofortmaßnahmen“ zu den Lerninhalten der Grundausbildung. Die praktischen Inhalte werden durch viele Ausbilderdemonstrationen und Teilnehmerübungen verdeutlicht. Regelmäßige Fortbildung Das Erste-Hilfe-Training soll die in der Grundausbildung erworbenen Kompetenzen zur Bewältigung von Notfallsituationen sichern. Es ist deutlich zielgruppenetem 02.2015 gesundheit Gegenüberstellung Erste-Hilfe-Kurse alt – neu bis 31.3.2015 2x8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 16 UE Ausbildung spätestens alle 2 Jahre 8 8 8 8 8 8 alt: je 8 UE an 9 Tagen (gleiche) Zwischensumme weitere Fortbildungen Zwischenstand nach 14 Jahren bzw. nach 7 Fortbildungen Fortbildungen 8 16 72 UE der Dauer aller Kurse gesamt spätestens alle 2 Jahre ab 01.04.2015 9 9 9 9 9 9 9 9 UE Foto: Getty Images/Hero Images UE = Unterrichts-Einheit ▪ Ausbildung ▪ Fortbildung Geänderte Ausbildungsdauer: ▪▪ Der Zeitaufwand für die Grundausbildung reduziert sich durch kompakte Gestaltung (9 UE) auf einen Tag. ▪▪ Die Fortbildung (bisher 8, zukünftig 9 UE, weiterhin alle 2 Jahre) wird aufgewertet. ▪▪ Die Aus- und Fortbildung kann also ab April 2015 jeweils an einem Tag erfolgen. orientierter gestaltet. Hierfür stehen neben den obligatorischen auch optionale Themen zur Verfügung, die anhand des spezifischen Bedarfs und der Anforderungen der Teilnehmer oder Unternehmen ausgewählt werden können. Optionale Themen sind: Unfälle durch elektrischen Strom, Gewalteinwirkungen auf den Kopf, Amputationsverletzungen, Verletzungen der Augen oder im Bauchraum, hirnbedingte Krampfanfälle, Knochenbrüche und Gelenksverletzungen, Sportverletzungen, Sonnenstich/ Hitzschlag, spezielle Atemstörungen, Erfrierungen, Brandverletzungen, Verätzungen, Unterkühlungen oder Vergiftungen. Die um eine Unterrichtseinheit länger dauernden und gegebenenfalls betriebsbezogenen Fortbildungsübungen stärken die Hilfskompetenz der Ersthelfer und Ausführungssicherheit bei den nach wie vor seltenen Einsätzen. Auch Erste-Hilfe-Maßnahmen in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder können im neuen Konzept im Rahmen der neun UE umfassenden Fortbildungen abgedeckt werden. Neue Kursgebühren Im Rahmen der Revision der Erste-Hilfe-Aus- und -Fortbildung liefen Verhandlungen mit den ermächtigten Stellen beziehungsweise den EH-Organisationen etem 02.2015 über die reformierten Kursinhalte und die neuen Gebühren. Die Kursgebühren werden wie bisher auch weiterhin jährlich zum 1. Januar angepasst und von der BG ETEM für deren Betriebe übernommen. Sie ändern sich mit der Novellierung erneut ab dem 1. April 2015. Die Gebühren für 2015 werden deshalb von der „Qualitäts-Sicherungsstelle Erste Hilfe (QSEH)“ an die Reform angepasst und mit den ermächtigten EH-Ausbildungsstellen neu vereinbart. Vorteile des neuen Konzepts Der Zeitaufwand für die Erste-Hilfe-Ausund -Fortbildungen (jeweils neun UE) entspricht mit knapp sieben Stunden einem Arbeitstag und kann mit Pausen auch in einer eintägigen Veranstaltung durchgeführt werden. Durch die Neustrukturierung mit neun Unterrichtseinheiten kann im Vergleich zu früher ein Schulungstag für die Ausbildung wegfallen – eine Einsparung für die Unternehmen, die ja Kursteilnehmer von der Arbeit freistellen. Weiterhin sind die didaktisch moderneren und damit nachhaltigeren Kursinhalte mit intensiverer, betriebsbezogener Fortbildung zu sehen. Diese führen nach sieben Wiederholungen insgesamt zur gleichen Dauer der Aus- und Fortbildungskurse wie bisher. Auch die Schulung in Erster Hilfe im Rahmen des Erwerbs der Fahrerlaubnis 9 9 9 9 9 9 9 9 9 neu: je 9 UE an 8 Tagen wird aller Voraussicht nach im Laufe des Jahres 2015 ebenfalls neun Unterrichtseinheiten dauern und die bisherigen Kurse beziehungsweise die Unterweisungen in „lebensrettende Sofortmaßnahmen“ ersetzen. Die Neuerungen führen zu einem einheitlichen und nachhaltigen Qualitätsstandard für Erste-Hilfe-Kurse und verdeutlichen der breiten Öffentlichkeit die Sinnhaftigkeit von Erster Hilfe. Eine erhöhte Akzeptanz der Bevölkerung und eine bürokratische Vereinfachung sind anzunehmen. Möglicherweise lassen sich dadurch in den Betrieben leichter Ersthelfer finden und die Teilnehmerzahlen in Erste-Hilfe-Kursen steigern. Der Erfolg der neuen Kurskonzepte soll durch eine wissenschaftliche Evaluation nachgewiesen werden. Dr. med. Gerhard Kraus Weitere Informationen Einen aktuellen Überblick über das neue Ersthelfer-Kurskonzept zeigt die Internetseite des Fachbereiches Erste Hilfe der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Dort werden die zuständigen Stellen für die Aus- und Fortbildung aufgeführt und es gibt vielseitige Hilfestellungen. → www.dguv.de/fb-erstehilfe 27 service Hilfsmittelversorgung durch die BG ETEM Mit allen geeigneten Mitteln – Nachhaltigkeit praktisch gelebt Nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit soll die Berufsgenossenschaft die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten wiederherstellen. Dass dies auch funktioniert, zeigt der Hilfsmittelpool. S tefan B. hat im Rahmen eines Wegeunfalls eine Querschnittlähmung erlitten und sitzt seither im Rollstuhl. Er erhält regelmäßig Krankengymnastik in einer nahe gelegenen Physiotherapiepraxis. Zur Unterstützung der Therapie empfiehlt ihm sein Arzt, auch zu Hause zu trainieren. Ein Bewegungstrainer wäre hierfür ideal. Im 28 Internet informiert sich Stefan B. über das Gerät und ist schnell ernüchtert. Um die 3.000 Euro kostet ein solches Gerät. Er kann sich nicht vorstellen, dass die Berufsgenossenschaft (BG) die Kosten für ein derart teures Gerät übernimmt, auch wenn es sich nach Auskunft seines Arztes um ein anerkanntes Hilfsmittel mit einer offiziellen Hilfsmittelnummer handelt. Er fragt trotzdem bei seinem Rehaberater nach. Die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung umfasst nicht nur die ärztliche Behandlung, sondern auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Hierunter zählen alle ärztlich verordneten Sachen, die ▪▪ den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder ▪▪ die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen oder ▪▪ der Gefahr entgegenwirken, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. etem 02.2015 service Was ist unter Hilfsmittelpool zu verstehen? Dazu gehören insbesondere ▪▪ Körperersatzstücke (z.B. Prothesen) ▪▪ orthopädische Hilfsmittel (z.B. orthopädische Schuhe, Einlagen, Orthesen) und ▪▪ sonstige Hilfsmittel (z.B. Badewannenlifter, Duschhocker). Allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind hingegen nicht hierunter zu verstehen. Ist vom behandelnden Arzt wegen der Folgen eines Unfalls oder einer Berufskrankheit ein Hilfsmittel verordnet worden, kann sich der Betroffene direkt an den entsprechenden Fachhandel (Sanietem 02.2015 tätshaus, Orthopädietechniker etc.) vor Ort wenden. Die dortigen Ansprechpartner werden dann aufgrund der ärztlichen Verordnung das geeignete Hilfsmittel auswählen und sich wegen der Kostenfrage mit der BG in Verbindung setzen. Bei höherpreisigen Versorgungen wird dabei auch geprüft, ob im Hilfsmittelpool ein entsprechendes Hilfsmittel vakant ist. Ist dies der Fall, wird ein entsprechender Wiedereinsatz veranlasst. Der Betroffene erhält dann ein zwar bereits gebrauchtes, aber voll funktionsfähiges Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Wenn er dieses nicht mehr benötigt – weil sich z.B. die Unfall-/ Die Berufsgenossenschaften (BGen) haben einen Bestand von wiedereinsatzfähigen, bereits verwendeten, aber voll funktionsfähigen Hilfsmitteln ab einem Nettoneuwert von 200 Euro geschaffen. Reparaturen und sicherheitstechnische Kontrollen sind ebenfalls preislich geregelt. Jedes Hilfsmittel wird im Hilfsmittelpool mit seiner Hilfsmittelnummer über ein datensicheres, elektronisches System registriert. Vorgänge über Neuanschaffung, Reparatur, Rückholung, Wiedereinsatz und Aussonderung sind darin lückenlos einzusehen. Das erfasste Hilfsmittel erhält hierzu einen Aufkleber. Hilfsmittel, die nicht mehr benötigt werden, werden abgeholt und können nach hygienischer und technischer Aufbereitung wieder eingesetzt werden. Es wird dabei auch geprüft, ob der Hilfsmittelwiedereinsatz überhaupt wirtschaftlich ist. Ist er unwirtschaftlich, wird das Hilfsmittel ausgesondert. Momentan nicht benötigte Hilfsmittel werden bei den beteiligten Sanitätshäusern zum Wiedereinsatz eingelagert. Die teilnehmenden Leistungserbringer müssen hohe Voraussetzungen an Versorgungsqualität erfüllen. So ist die Lieferzeit eng geregelt. Bei nicht eingehaltenen Terminen stellt die BG bei Bedarf übergangsweise kostenlos Ersatzhilfsmittel zur Verfügung. Die BGen haben untereinander einen Restwertverzicht für den Wiedereinsatz der Hilfsmittel erklärt: Ein von einer anderen BG eingelagertes Hilfsmittel wird ohne Zahlung des Restwertes wiedereingesetzt. Kosten entstehen nur für die Bereitstellung durch das Sanitätshaus (sog. „Wiedereinsatzpauschale“). Zur Überwachung der Servicequalität hat die BG ETEM ein Bewertungssystem eingeführt, um die Versorgungsergebnisse zu dokumentieren und die Qualität der Versorgung zu sichern und kontinuierlich zu verbessern. 29 Erkrankungsfolgen gebessert haben – wird dieses nach einer vorherigen Prüfung wieder dem Hilfsmittelpool zurückgeführt. Bewegungstrainer empfohlen Der Rehaberater der BG teilt mit, dass ihm bereits ein entsprechender Bericht des behandelnden Arztes vorliegt, in dem die Anschaffung des Bewegungstrainers aufgrund der Unfallfolgen empfohlen wird. Er habe auch schon im Hilfsmittelpool nachgesehen und herausgefunden, dass ein solches Gerät kurzfristig verfügbar sei. Wenige Tage später bekommt Stefan B. den Bewegungstrainer von einem Sanitätshaus nach Hause geliefert. Der Mitarbeiter des Sanitätshauses weist ihn dabei auch in die Benutzung des Gerätes ein. Durch den Hilfsmittelpool finden Hilfsmittel, die nicht mehr benötigt werden, weiter Verwendung. Dies ist nicht nur nachhaltig, sondern hilft auch Kosten zu reduzieren, ohne dass die Betroffenen Nachteile hierdurch erleiden. Ist im Hilfs- mittelpool nämlich kein geeignetes Hilfsmittel vakant, erfolgt selbstverständlich eine Neuversorgung. Stefan B. hält die Einrichtung eines Hilfsmittelpools für eine gute Sache: „Es wäre doch viel zu schade, Hilfsmittel, die nicht mehr benötigt werden, aber einwandfrei sind, in irgendwelchen Kellern oder Lagerräumen verstauben zu lassen, wenn sie jemand anderes noch sinnvoll nutzen kann.“ Mathias Klingsöhr/Nancy Schmidt Impressum etem – Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung. Herausgeber: Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln, Tel.: 0221 3778-0, Telefax: 0221 3778-1199, E-Mail: [email protected]. Für den Inhalt verantwortlich: Olaf Petermann, Vorsitzender der Geschäftsführung. Redaktion: Christoph Nocker (BG ETEM), Stefan Thissen (wdv Gesellschaft für Medien & Kommunikation mbH & Co. OHG, Dieselstraße 36, 63071 Offenbach). Tel.: 0221 3778-1010, E-Mail: [email protected]. Bildredaktion: Katrin Glückler, Corinna Gab (wdv); Gestaltung: Jochen Merget (wdv). Druck: VS Broschek Druck GmbH. etem erscheint sechsmal jährlich (jeden zweiten Monat). Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfreien Papier. Titelbild: Monty Rakusen, Getty Images/Cultura RF. Leserservice (Adressoder Stückzahländerung): Tel. 0221 3778-1070, E-Mail: [email protected]. @bg_etem www.bgetem.de 30 twitter.com/bg_etem youtube.com/diebgetem xing.to/bgetem www.bgetem.de Webcode 13671559 etem 02.2015 Illustrationen: the Noun Projekt, KLuis Prado, Wilson Joseph; Fabio Meroni; Studio Fibonacci; Ariano Emerick; James Keuning service service Hätten Sie es gewusst? Zeit spielt eine Rolle Wissenswertes rund um das Uhrmacherhandwerk D ank Uhrmacherhandwerk wird die Zeit ablesbar: Uhrmacherinnen und Uhrmacher bauen nicht nur Zeitmessgeräte aller Art, sie prüfen, reparieren und warten auch mechanische und elektronische Uhren. nennt man das Haupträderwerk bei mechanischen Uhren. Es sorgt nicht nur für den Antrieb, sondern steuert die Zeiger sowie mögliche Zusatzräderwerke. 1850 wurde in Deutschland die erste Uhrmacherschule gegründet – in Furtwangen im Schwarzwald. Uhrmachervereinigungen soll es bereits um 1540 in Dresden gegeben haben. Die ersten Uhrmacher waren Schlosser und Schmiede. Gehwerk 34,6% Uhrmacherinnen waren in Deutschland 2011 am Werk – von insgesamt rund 3.000 Beschäftigten. Eine Minderheit zwar, aber eine wachsende. Allerdings arbeiten jedes Jahr weniger Menschen als Uhrmacher, 1999 waren es noch über 4.300. →→info Illustration: Skizzomat berufenet.arbeitsagentur.de, Suchbegriff: Uhrmacher etem 02.2015 31