K3 8/2003 Schwerpunkt - Kreisjugendring München
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K3 8/2003 Schwerpunkt - Kreisjugendring München
12 Schwerpunkt Kinderkultur Anmerkungen und Grundsätze Kinderkultur In den über 40 Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit des Kreisjugendring MünchenStadt gibt es zahlreiche Angebote der Kinder- und Jugendkulturarbeit. Lange war die öffentliche Diskussion um Kinder- und Jugendkultur zu sehr von den Auseinandersetzungen auf Landesebene zwischen Bayerischem Jugendring und anderen freien Trägern kinder- und jugendkultureller Einrichtungen, bzw. Initiativen geprägt. Diese strebten einen landesweiten Zusammenschluss in der LAG SpuK (Landesarbeitsgemeinschaft Spiel und Kultur) an und erhoben Anspruch auf die Zuteilung von Verantwortung und finanziellen Mitteln auf Landesebene. Durch eine Vielzahl objektivierender Tagungen, Diskussionsforen, aber insbesondere durch den praktischen Vollzug immer neuer Kooperationsformen, die Entstehung von institutionsübergreifenden Projekten und durch die in München forcierte Arbeit am Gesamtkonzept Kinder- und Jugendkulturarbeit hat sich die Situation geklärt. Das hat auch im KJR die Diskussion um Kinder- und Jugendkultur wieder auf breiter Basis möglich gemacht. Und es erklärt seine umfassende und aktive Mitarbeit in der gesamtkommunalen Planung sowie eine Vielzahl von trägerübergreifenden Projekten und Veranstaltungen im Bereich der Kinderund Jugendkulturarbeit. Innerhalb des KJR wird der Arbeitsbereich in der Fachabteilung Kinder - personell abgesichert durch die Kinderbeauftragte - sowie durch den Arbeitskreis Jugendkultur reflektiert und weiterentwickelt. Seit vielen Jahren deckt der KJR München-Stadt eine breite Palette von Angeboten im Bereich der Kinder- und Jugendkulturarbeit ab. Kinder- und Jugendkulturwerkstätten sind da genauso zu nennen wie eine Reihe von regionalen Einrichtungen mit Angeboten der Kinder- und Jugendkulturarbeit, kulturelle Großveranstaltungen und Events sowie Einrichtungen mit besonderen kulturellen Schwerpunkten - Medien, Musik, Theater, Ökologie, Bewegung, Politik, Mädchenkultur, interkulturelle Arbeit. Ziele und Aufgaben von Kinderkulturarbeit Kinderkulturarbeit umschließt ■ die Angebote der kulturellen Jugendbildung, die Kinder- und Jugendkultur als eigenständige „Szenen“ in all ihrer Vielfalt ermöglichen, ■ Kulturarbeit mit und für Kinder in Form professioneller Produktionen und Veranstaltungen, ■ alle Formen der kulturpädagogisch orientierten Angebote als professionelle Vermittlungsarbeit zwischen Kultur(techniken), Kunst und der Zielgruppe Kinder. Kinderkulturarbeit sichert Spielräume für kindliche Phantasien und Experimente, selbstbestimmte und spielerische Erkundung, für selbstorganisiertes Lernen und spontanen Selbstausdruck und schafft Möglichkeiten für Kinder, sich auf die ihnen eigene Art und Weise mit sich und der Wirklichkeit zu beschäftigen. Spielräume sind im übertragenen wie im realen Sinn zu verstehen. Spielräume für unterschiedliche Themen, Inhalte, Ausdrucksformen, aber auch in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension. Kulturorte sind in der Regel Erwachsenen-Kulturorte. Kinder sind in vielen Kultureinrichtungen eher nicht vorgesehen. Eine für Kinder angemessene Nutzungsmöglichkeit von Kultureinrichtungen zu schaffen, ist Aufgabe von Kinderkulturarbeit und kultureller Vermittlungstätigkeit. Darüber hinaus stellt Kinderkulturarbeit eigene Orte und Anlässe öffentlicher Kulturarbeit und Kulturangebote für Kinder und Jugendliche zur Verfügung. Einen besonderen Status nehmen virtuelle Orte in der Kinderkulturarbeit ein. Einerseits sind hier Kinder und Jugendliche in hohem Maße autonom und kompetent, zum anderen sind Zugang, Möglichkeiten der Teilhabe und Mitgestaltung (als Voraussetzung zur Entwicklung von Medienkompetenz) auch in besonderer Weise erschwert, weil den Kindern Ausstattung, Technik, Know-how und Zeitkontingente fehlen. Kinderkulturarbeit ermöglicht den gleichberechtigten Zugriff auf diesen Spielraum, vermittelt Möglichkeiten der Gestaltung und des Erwerbs von Grundkompetenzen. Freizeit und Kultur sind Bereiche, die fortschreitend kommerzialisiert werden. Davon sind auch und im besonderen Maße Kinder betroffen. Kinder werden als zahlende Zielgruppe stark umworben. Über die Möglichkeit der Teilhabe am kulturellen Leben entscheiden alleine der Geldbeutel oder die Prioritätensetzung der Eltern. Bezahlbare Kulturangebote für Kinder zu organisieren, ist Aufgabe von Kinderkulturarbeit. Dies bezieht sich sowohl auf kulturelle Ereignisse, sogenannte Events und Feste zu unterschiedlichen Anlässen, als auch auf ein differenziertes und vielfältiges Angebot von Kursen, Projekten und Workshops zur Schulung kultureller Ausdrucksfähigkeit. Kindern wird zum einen überhaupt der Zugang zu unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen ermöglicht, damit sie selbstbestimmt Nei- gungen, Interesse und Motivationen entwickeln können. Zum anderen geht es auch um die gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen in kulturspartenspezifischen Qualifikationen. Kinderkulturarbeit impliziert öffentliche Kommunikation, sie zielt auf die Herstellung von (Kinder-) Öffentlichkeit und wirkt damit in den öffentlichen Raum hinein. Themen und Inhalte der Kinderkulturarbeit orientieren sich an allen gesellschaftlichen Phänomenen der Kultur, die für Kinder bedeutsam sind und sein können. Beispielhaftes und modellhaftes Lernen ist in Projekten der Kinderkulturarbeit angelegt. Künstlerischen Produktionen liegt ein in sich geschlossener Spannungsbogen zugrunde (ausgelöst durch Material, Inszenierung, Umgebung, Vermittlung), den Kinder von sich aus bereit sind mitzugehen und mitzugestalten, weil er ihnen sinnvoll, schlüssig und übersichtlich erscheint. Kinderkulturarbeit vermittelt Kindern sichere Erfolgserlebnisse und das Gefühl der Selbstwirksamkeit - auch im öffentlichen Raum. Sie ist von daher geeignet, sogenannte Schlüsselkompetenzen – wie Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, Informationsmanagement, Handlungsfähigkeit, sozialkulturelle Kompetenz - zu fördern. Kinderkultureinrichtungen und kinderkulturelle Angebote differenzieren die mögliche Bandbreite kultureller und sozialer Lebenspraxis von Kindern in der Stadt weiter aus und ermöglichen gleichzeitig gestaltende Einflussnahme auf dieses Geschehen. Die Arbeit des Trägers KJR zielt darauf ab, die Bandbreite auch künftig zu erweitern. Kinderkulturarbeit organisiert die Begegnung zwischen professionell arbeitenden Kulturschaffenden und Kindern. Kinder sind dabei nicht nur als Rezipienten gefragt, sondern bekommen die Möglichkeit, mit Künstlern gemeinsam zu arbeiten und neue Erfahrungen mit Erwachsenen zu machen, deren Umgang mit Kindern auf Sachkompetenz beruht. Rahmenbedingungen für Kinderkulturarbeit Kinderkulturarbeit bedarf eigener institutioneller und organisatorischer Bedingungen: ■ erhöhte Einwerbung von Drittmitteln, Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle Kinderkulturarbeit fordert dementsprechend eine Reihe neuer Kompetenzen in den Bereichen Kultur und Kulturmanagement. MitarbeiterInnen in der (Kinder)Kulturarbeit werden bei der Ausweitung und Ausdifferenzierung ihrer Qualifikationen unterstützt und dazu ermutigt. Kinderkulturarbeit ist fortlaufenden Änderungen unterworfen. Ihre Aktualität bezieht sie aus den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe, kulturellen Strömungen und soziokulturellen Entwicklungen. Und sie ist 13 orientiert an den laufenden kultur-, bildungs- und sozialpolitischen sowie pädagogischen Diskursen. Dies macht eine laufende trägerunterstützte Fachdiskussion notwendig. Kinderkulturarbeit ist innovativ, selbstinitiativ und macht eigene Setzungen innerhalb ihres Arbeitsfeldes. Dies gelingt insbesondere dann, wenn Träger der Offenen Jugendarbeit bereit sind, modellhafte Entwicklungen zu ermöglichen. Kinderkultur ■ Formen der Zusammenarbeit mit freien Künstlern ■ Verstärkte Kooperationen und Absprachen mit anderen Kinderkultureinrichtungen ■ Neugewichtungen Personal-/ Projektkosten-/ Organisationskostenanteile ■ veränderte Schwerpunkte in der Ausstattung (z.B. für Inszenierungen) ■ neue, an den „Szenen“ und am Bedarf der Zielgruppe(n) orientierte Öffnungszeiten und räumliche Zugeständnisse ■ eigenständige Öffentlichkeitsarbeit und Vertriebswege ■ regionale und überregionale (teils internationale) Vernetzung Schwerpunkt Margit Maschek-Grüneisl Aus der „Konzeption Kinderkultur im Musischen Zentrum“, 30.Mai 2001 Das Kinder- und Jugendprogramm der Münchner Philharmoniker „Jugend horcht!“ Klar, Kinder und Jugendliche lieben Musik. Sie hören sie meistens von morgens bis abends: HipHop, Techno, House. Aber Klassik? Nö, zu langweilig, außerdem muss man sich fürs Konzert schick anziehen. Und teuer ist es auch noch. „Jugend horcht!“ heißt das Programm der Münchner Philharmoniker, das den Beweis antritt, dass man in der Philharmonie höchst spannende und abwechslungsreiche Stunden verbringen kann. Es muss ja für Klassik-Anfänger nicht gleich eine neunzigminütige BrucknerSinfonie sein. Wenn zum Beispiel einer der Schlagzeuger des Orchesters sein aus mehreren Dutzend verschiedener Instrumente bestehendes Handwerkszeug vorführt, klappt den meisten Besuchern die Kinnlade runter. Und am Ende dürfen dann Gong, Vibraphon, Tam Tam oder Pauken selbst ausprobiert werden. Will jemand wissen, was das Orchester und der Dirigent in den Proben tun? Eigentlich sind diese hochkonzentrierten Arbeitsphasen der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Einzige Ausnahme: Schulklassen und Jugendgruppen. Meistens nimmt sich dann der Dirigent oder ein Musiker in der Pause auch Zeit und beantwortet Fragen. Dies sind nur zwei Möglichkeiten, die Kinder und Jugendliche haben, um mehr über die Arbeit eines weltbekannten Orchesters zu erfahren. Foto: Philharmonie 24. und 25.1.2004, 15 Uhr, 1.2.2004, 11 und 15 Uhr Carl-Orff-Saal (Vorverkauf ab 2.12.2003) Klassen aller Altersstufen geeignet. Für Vorschulkinder gibt es ein spezielles Programm. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung erforderlich. Jugendkonzerte Öffentliche Generalproben Vor den Konzerten finden kostenlose Einführungen und Instrumentendemonstrationen mit Musikern des Orchesters statt. Nächster Termin: 6.11.2003, 19 Uhr Für Schüler und Studenten ist der Eintritt zu den öffentlichen Generalproben frei. Nächste Ter mine: 2. und 30.10.2003, 10 Uhr Kammerkonzert für Kinder Probenbesuche/Führungen Es gibt Angebote für alle Altersstufen von der Vorschule bis zum Abitur, die meisten Veranstaltungen sind kostenlos oder kosten maximal soviel wie eine Kinokarte. Schulklassen und Gruppen von Jugendlichen können den Münchner Philharmonikern bei der Probenarbeit über die Schulter gucken. Instrumentendemonstrationen Musiker stellen ihre Instrumente vor und führen Stellen aus dem Orchesterrepertoire vor. Diese Veranstaltung ist für Mehr Termine: www.muenchnerphilharmoniker.de Informationen und Anmeldung: Münchner Philharmoniker Presse/Marketing/Jugendarbeit Tel. 089.480 98 5100 Fax 089.480 98 5130 [email protected] 14 Schwerpunkt Kinderkultur Interview „Kinder haben gute Musik verdient“ Als ihre Tochter klein war, fiel Margit Sarholz und Werner Meier auf, wie wenig gute Musik es für Kinder gab. Eher zum Spaß fingen sie an, selber Kindermusik zu machen und wurden vom Erfolg ihrer Lieder völlig überrascht. Seit nunmehr zehn Jahren stehen sie unter dem Namen „Sternschnuppe“ bei Eltern wie Kindern hoch im Kurs. Doch was ist eigentlich gute Kindermusik? Gecko Wagner hat nachgefragt. seien so einfach gestrickt, dass auf jeden Ton eine Silbe und auf jede Silbe ein Ton gehöre. Wir machen unsere Lieder vom Standpunkt aus: Kinder sind gute Zuhörer. Sie hören sich Musik in einer Intensität und Häufigkeit an, wie’s Erwachsene nie tun würden. Sie können oft alle Texte von vorn bis hinten auswendig. Solchen Zuhörern gebührt, dass man ihnen das Beste gibt. Fotos: Gecko Wagner Kinderlieder sind wahrscheinlich einfach zu schreiben: Ein flotter Rhythmus, eine lustige Melodie und ein gereimter Text - das klappt dann schon?! MEIER: Aus unserer Erfahrung: nein. SARHOLZ: Auf Dauer haben solche Lieder keine Kraft, da braucht’s schon mehr. Was genau? Fette Beats, coole Sounds und krasse Texte? SARHOLZ: Nein, damit schmeißt man sich zu sehr an Moden und Trends hin, und das ist in drei Jahren wieder alt. Das kann und will dann keiner mehr hören. Ein gutes Kinderlied muss wie Vollkornbrot sein, nicht wie Sahnetorte. Das heißt, das Lied muss einen gewissen Gehalt haben, damit die Kinder was dran zu beißen haben und mit jedem Hören nach und nach mehr verstehen. Welchem Kind schmeckt denn Vollkornbrot besser als Sahnetorte? SARHOLZ: Aber Vollkornbrot kann man jeden Tag essen und von zu viel Sahnetorte wird einem übel! MEIER: Mit lalala und bebebe verdienen sich zwar manche Leute eine goldene Nase. Aber wir stellen immer wieder fest, dass Kinder gute Texte lieben. Schauen wir doch mal die deutsche HipHop-Welle an. wer hätte denn gedacht, dass sich die Kids jemals wieder ellenlange deutsche Texte anhören werden? Und dass sie die auch noch auswendig lernen und singen wollen? Da hat man die Kids wirklich unterschätzt. SARHOLZ: Wir nehmen Kinder ernst! Dazu gehört, sich nicht zu ihnen herabzubeugen. Und nicht zu meinen, Kinder Das heißt? SARHOLZ: Zum Beispiel heißt das, fantasievolle Texte mit lustigen Wortspielereien, überraschenden Reimen und humorvollen Hintertürchen. Kinder haben unglaublich Spaß an so was. Und auch Spaß an vertrackten Rhythmen, und wenn dann Musik und Text gut zusammenfließen, dann springen Kinder total drauf an. Dafür haben sie ein untrügliches Gespür. Was macht eigentlich ein gutes Kinderlied aus? MEIER: Auch mit Liebe und Hingabe eingespielte Musik. Bei uns ist jede unserer Scheiben genauso ernsthaft produziert wie eine Pop-Produktion für Erwachsene. Pro CD sind wir mindestens 200 Stunden im Studio. Das ginge zwar mit dem Computer schneller, aber bei uns wird alles von guten Musikern gespielt. Das traurige oder lustige Grundgefühl eines Liedes liegt im Text und in der Komposition, wird aber von mir zusammen mit jedem Musiker im Studio immer wieder neu erarbeitet. Ich bin zum Beispiel kein Bassist, das heißt umsetzen muss der Bassist das. Manches kann man nicht vom Schreibtisch aus komponieren. Bei schlechten Produktionen gehen die ‘Sequenzer-Burschen’ oft her und schreiben alles durch, aber vom Bass und den Gefühlen, die dieses Instrument ausdrücken kann, haben sie keine Ahnung. Jeder Ton in Ihren Liedern stammt also von echten Instrumenten? MEIER: Ja, klar. Wir arbeiten mit Musikern zusammen, die ihre Ideen, ihr Können und ihr Improvisationstalent mit reingeben. Gute Musik kann nur durch gute Musiker auf eine Scheibe kommen, die bringen Seele rein. Ist „gute Musik“ letztlich Gefühlssache oder kann man dafür Kriterien aufstellen? MEIER: Natürlich gibt es Regeln und Kriterien, zum Beispiel die Tonarten haben alle ihren Charakter, dessen muss man sich auch bedienen. Natürlich auch die Taktarten, ein Dreiertakt etwa hat eine ganz andere Ausstrahlung als ein Vierertakt, ein Tango macht eine ganz andere Welt auf als ein Reggae oder Walzer. Kindermusik ist für Sie also eine ernste Sache. Unterscheidet Sie das von anderen, die Kindermusik machen? MEIER: Ich denke von einigen schon. SARHOLZ: In der Kindermusik wird leider ganz viel mit Computer- oder SchlagerArrangements gearbeitet und weniger mit den Instrumenten und ihren Charakteren. MEIER: Da ist die Musik nur der Träger für den Text SARHOLZ: Wenn man so was hört, fragt man sich sofort: Mensch, warum ist da kein Solo drin? Da ist doch eine Klarinette dabei, warum darf die nicht mal aufspielen? Und wenn es lustig ist, warum lacht die nicht mit an dieser Stelle? MEIER: Das mögen Kinder, sie können oft alle Soli singen, ehrlich wahr! Und deshalb haben sie gute Musik verdient und gute Musiker, die auf ihren Instrumenten was zu sagen haben. Klingt logisch. War Ihnen das von Anfang an klar? MEIER: Na ja, wir haben es von Anfang an einfach so gemacht. Vielleicht können wir gar nicht anders... Manches haben wir auch gegen alle Regeln gemacht. Viele meinen, ein Lied sollte nicht länger als drei oder vier Minuten sein. Wir haben sieben-, acht- und sogar elfminütige Songs. Aber die Kinder lieben sie heiß und innig. Wenn es spannend ist, dann hören Kinder auch elf Minuten zu. Sie wollen mit Ihren Texten gegen Hass und Intoleranz angehen? SARHOLZ: Nicht gegen! Wir würden nie ein Lied gegen Hass oder gegen zu viel Fernsehen machen. Das funktioniert in Kinderköpfen auch gar nicht, was hängen bleibt ist nur „Hass“ oder „Fernsehen“. Wir beschäftigen uns eher mit der anderen Seite. Man kann das Schlechte in der Welt sowieso nicht bekämpfen, außer man versucht, was Gutes zu machen. Lieder zum Beispiel, die davon handeln, was man alles spielen kann! Also etwa Rollerblades, Radlfahren, Gummitwist. Wenn die Kinder genug andere Sachen im Kopf haben, dann denken sie gar nicht so viel an fernsehen. Entsprechend geht’s dann in einem Lied von uns nicht um Fremdenhass, sondern darum, sich in einen Buben rein zu versetzen, der von weit her nach Deutschland kommt und niemanden kennt, der Außenseiter ist. Da spüren Kinder schon, dass das nicht schön ist. Dazu braucht’s keinen Refrain à la „Wir müssen nett zu Fremden sein“! Müssen Lieder für Kinder pädagogisch oder politisch korrekt sein? SARHOLZ: Was heißt pädagogisch? Man schreibt immer aus seinen Wertvorstellungen raus. Ich möchte daher gar nicht trennen in pädagogische und weniger pädagogische Lieder. MEIER: Aber unsere Lieder stinken nie nach erhobenem Zeigefinger. Haben Sie also keinen explizit pädagogischen Anspruch? SARHOLZ. Immer, wenn man etwas für Kinder macht, ist es per se pädagogisch, die Frage ist nur, in welche Richtung? Schließlich beeinflusse ich Kinder damit auch in der Entwicklung. Da kann ich nicht behaupten, meine Lieder hätten keine pädagogische Wirkung. Aber oft wird unter pädagogisch verstanden „mach das so und tu dies und jenes nicht“. MEIER: So was gibt’s bei uns nicht, aber wir haben natürlich eine pädagogische Verantwortung. Also pädagogischer Anspruch ja, Zeigefinger nein. Und Lust und Laune muss es machen. Und tabuisierte Themen aufzugreifen, das macht uns und den Kindern viel Spaß. Auf unseren neuen CD „Schlawuzi“ zum Beispiel geht’s viel ums Pupsen SARHOLZ (lacht): Man darf den Kindern ruhig sagen: Pupser gibt’s überall auf der Welt! In der Öffentlichkeit ist von Kindermusik eigentlich nie die Rede. Warum? MEIER: Das stimmt. Aber Kindermusiker 15 sind meist auch keine Medienbekanntheiten, abgesehen von Rolf Zuckowski. SARHOLZ: Während das Kinderbuch, gleich ob Bilderbuch oder Erzählung, eine öffentliche Wahrnehmung und Bewertung findet, gibt es das im Bereich Kindermusik praktisch nicht. Bei Kindern laufen aber in bis zu 80 Prozent ihrer Freizeit Tonträger mit Musik oder Hörspielen, wenn auch oft nur nebenbei. Aber 80 Prozent ist eine gewaltige Zahl! Bisher waren Eltern und Pädagogen bei der Beurteilung von Kinder-Tonträgern fast völlig allein gelassen . Gottseidank gibt es aber zunehmend öffentliche Beachtung und Wertschätzung für diesen Bereich wie zum Beispiel über den ‘Leopold’, den Preis, den die deutschen Musikschulen für herausragende Produktionen verleihen. MEIER: Und den wir uns auch schon heim holen durften. Kinderkultur Bei Kindern entwickelt sich der Geschmack für gute oder schlechte Musik erst allmählich. Da bräuchte es doch eigentlich nicht viel Aufwand! SARHOLZ: In der Tat entwickelt sich da vieles erst. Aber gerade deshalb brauchen Kinder ja Anregung durch gute Texte und gute Musik! MEIER: Bei uns bekommen sie eine ganze Palette an Musik angeboten, vom Tango über Volksmusik und Rap bis zum Bossa Nova ist alles dabei. Das führt auch zu einer breiteren Toleranz in der Musik! Apropos Toleranz, das ist auch ein Thema bei uns. Wir freuen uns, wenn unsere Lieder dazu beitragen, dass Kinder mit ein paar Vorurteilen weniger aufwachsen - sei es gegenüber anderen Kulturen oder fremden Menschen, oder auch nur gegenüber ungewohnter Musik. Schwerpunkt Wird mit Kindern heute zu wenig gesungen? MEIER: Viel zu wenig. Viel zu wenig gesungen und viel zuwenig getanzt! SARHOLZ: Nicht nur mit Kindern, insgesamt wird zu wenig gesungen. Wie viele Erwachsene singen denn? Wann haben sie zum letzten Mal wen auf der Straße pfeifen hören? Neulich ist wer an mir vorbeigeradelt und hat eine Melodie gepfiffen - da hat’s mich richtig gerissen! Letzte Frage: Welches Kinderlied aus Ihrer Kinderzeit fällt Ihnen spontan ein? SARHOLZ: (überlegt)...auf der Mauer auf der Lauer...das war witzig, mit den ganzen Auslassungen. MEIER: Susi, liebe Susi, was raschelt im Stroh...von meiner Tante gesungen. Bücher sind für Kinder wichtig Lesen mit Genuss Leseforscher stellen seit Jahren ein verändertes Leseverhalten fest. In ihrer Lesestudie vom Jahr 2000 hat die Stiftung Lesen ermittelt, dass die Buchlektüre kontinuierlich zurückgeht und die Leser zunehmend durch ihren Lesestoff zappen – ähnlich wie Fernsehzuschauer das Fernsehprogramm konsumieren. Insbesondere für Kinder ist es sehr wichtig, mit ihren Eltern und Lehrkräften über Bücher zu sprechen. Die Familie hat einen großen Einfluss auf die Lesegewohnheiten der Kinder. Diese Aussagen belegen verschiedene Studien (Stiftung Lesen: Kinder brauchen Bücher, Leseverhalten in Deutschland im neuen Jahrtausend, Lesen ist Familiensache) oder eine Untersuchung von Renate Köcher vom Allensbach Institut, um nur einige stellvertretend zu nennen. Vom Kleinkind bis zum Jugendlichen spielt die Buchlektüre eine entscheidende Rol- le für das Ausdrucksvermögen, die Lesefertigkeit und die Rechtschreibfähigkeit. Bereits im Kleinkindalter werden die Vorläuferfähigkeiten für Lesefähigkeit und Lesefreude gelegt. Ein lesefreudiges Elternhaus bietet als Vorbild eine gute Grundlage für Lesefreude bei Kindern. Allerdings sollte dafür kein Lesekanon aufgestellt werden, den die Kinder sozusagen „abarbeiten“ müssen. Wichtig ist, bereits Kindergartenkindern eine Vielfalt von Büchern und Zeitschriften als Lesestoff anzubieten. Mit den Elementarbilderbüchern fängt es an und setzt sich dann über Bilderbücher, Sachbilder- bücher, Vorlesebücher, Erstlesebücher, Kinderromane, Gedichte und Reimspiele sowie Märchen fort. Egal ob zuhause, im Kindergarten, in der Schule, in der Bibliothek oder anderen Orten der Freizeitgestaltung: Die Atmosphäre beim Lesen muss stimmen, dann ist Lesen ein Genuss, und die Kinder profitieren automatisch davon. Bei einer Vorlesesituation mit zusätzlichem Gespräch zum Lesestoff verbessern die Kinder ihr akustisches und visuelles Wahrnehmungsvermögen, ihre Konzentrationsfähigkeit, ihr Ausdrucksvermögen sowie ihre Gedächtnisleistung, und das Erfassen von komplexen Sachverhalten wird spielerisch geschult. Grundlegende Voraussetzung dafür ist, dass das Interesse der Kinder geweckt wird, dass sie mit Freude und Spaß an Bücher herangehen. Kreative Wege der Leseförderung sind zum Beispiel der Ein- 16 Schwerpunkt Kinderkultur satz von „Ehrenamtlichen Vorlesepaten“ oder „Lesescouts“ oder die Aktionen „Schnapp dir ein Buch“ oder „Der Welttag des Buches“ um nur einige Projektbeispiele der Stiftung Lesen zu nennen. Seit mehr als 25 Jahren gehen Damen und Herren als Vorlesepaten in Mainz in Kindergärten, Schulen, Bibliotheken und Krankenhäuser, um dort Kindern Kinderliteratur vorzulesen und darüber zu erzählen. Im Mainzer Vorlesekalender werden diese Vorlesestunden halbjährlich veröffentlicht. Deutschlandweit engagieren sich mittlerweile 3.000 Personen in diesem Ehrenamt, und regelrechte Freundschaften sind zwischen Jung und Alt über die Kinderliteratur entstanden. Ähnlich engagieren sich in Rheinland-Pfalz die „Lesescouts“. Schüler vermitteln an andere Schüler ihre Lesefreude mit Buchvorstellungen, Lesenächten, Literaturrätseln und vieles mehr. Sowohl Lesescouts als auch ehrenamtliche Vorlesepaten erhalten von den Referentinnen der Stiftung Lesen in eintägigen Vorlese-Seminaren praxisnahe Ratschläge und Tipps sowie Buchempfehlungen, um möglichst motivierend auf ihr Publikum zu wirken. Außerdem können diese Zielgruppen Mitglieder im Vorleseclub der Stiftung Lesen werden und damit weiterhin Leseempfehlungen und Ratgeberbroschüren erhalten. Vielfältige Aktionen gibt es jedes Jahr zum Welttag des Buches, der von der Deutschen Bahn und Mitsubsihi Motors sowie Random House unterstützt wird. Vom Geschenkbuch „Ich schenk dir eine Geschichte“ über Literaturrätsel und Leseempfehlungen gibt es immer eine Menge Anregungen für verschiedene Altersstufen. Die Aktion „Schnapp dir ein Buch“, die durch die Förderung durch Coca Cola er- möglicht wurde, zielte auf die Lesevorlieben der Kinder im Grundschulalter und in der Sekundarstufe I. Eine Untersuchung der Pädagogikprofessorin Karin Richter von der Pädagogischen Hochschule Erfurt hat ermittelt, dass die Lesevorlieben der Schüler und die Leseempfehlungen der Lehrkräfte weit auseinander liegen. Während die Schüler lieber phantastische Geschichten lesen möchten, empfehlen die Lehrkräfte realistische Bücher als Lektüre. Die Aktion „Schnapp dir ein Buch“ hat bestätigt, dass Schüler gern zum phantastischen, spannenden oder auch lustigen Lesestoffen greifen. Alle Projekte der Stiftung Lesen sind auch auf der Homepage www.StiftungLesen.de nachzulesen und Materialien können dort bestellt werden. Sigrid Strecker Stiftung Lesen Erste häuserübergreifende Lesenacht im SBZ-Fideliopark Zehn Kilo Kartoffelsalat und otter auf Türkisch Harr Harryy P Potter Es war nur eine Frage der Zeit, bis es im SBZ-Fideliopark mit seinen vielen Zimmern und zwei Küchen eine lange Lesenacht mit Übernachtung geben würde. Doch nicht nur für Kinder von sieben bis zwölf Jahren aus unserem Stadtteil sollte es dieses Angebot – gegen einen kleinen Unkostenbeitrag – erstmals in den Pfingstferien geben, sondern auch für andere Kindereinrichtungen des KJR. Obwohl entsprechend früh geplant und geworben wurde, sollte dabei noch viel Platz für die Vorschläge und Ideen der Kinder bleiben, ebenso für ihre Spontaneität und sonstige „lebendige“ Überraschungen. Eines der Ziele war es, im Computer- und Videozeitalter durch eine Lesenacht Lust zu machen aufs gemeinsame Schmökern in einer gemütlichen und „notenfreien“ Atmosphäre. Dazu wurden beispielsweise die Zimmer mit Tüchern, Fallschirmen, Deko-Blumen und Plastikspinnen, Kissen und verschiedener Beleuchtung in Grusel-, Abenteuer-, Märchen- und Sternentraumzimmer verwandelt. Diese gemeinsame Deko-Aktion fand unmittelbar nach der Begrüßung der Kinder statt. Bevor das große Lesen anfing, gab es noch andere abenteuerliche Sachen - wie beispielsweise Abendessen für über 40 Kids - zu erledigen. Für einige Kinder war es die erste Übernachtung in unserem Haus. Entsprechend aufgeregt und erkundungsfreudig erforschten sie alle Räume und Spielgeräte wie Billard, Kicker und Tischtennis. Natürlich wurde nicht nonstop gelesen, zumal das Wetter schön war und viele Außenaktivitäten möglich waren: Hofspielaktionen mit Gaukeleien, Seifenblasen, Wasserschlacht Foto: Erika Hennig und Spielplatzbesuch im Dunkeln. Allein das gemeinsame Abendessen im Freien an einer riesigen, langen Tafel bei insgesamt zehn Kilo Kartoffelsalat, Wiener Würstchen und Fischstäbchen war für viele der zum Teil aus Kleinfamilien stammenden Mädchen und Jungs ein Abenteuer. Und dann wurde endlich gelesen mit Kuscheltier und Lieblingskopfkissen: neue Bücher und auch Lieblingsbücher, die die BesucherInnen mitgebracht hatten. Auch eine gut gemischte Bücherspende vom Schneider- und Weltbild- verlag wurde eifrig angelesen. Es gab immer wieder kleine Stärkungspausen mit Obst, Eis, Keksen und Getränken. Sogar ein paar Kapitel Harry Potter auf Türkisch konnten wir genießen. Die kurze Nacht verbrachten die Mädchen und Jungs schön getrennt auf großen Matratzenlagern. Um sechs Uhr waren die Ersten schon wieder aktiv und freuten sich auf das große Frühstück. Diese Leseaktion mit vielen Büchern und Geschichten, vom Vorlesen heiseren BetreuerInnen, acht geleerten Kästen Apfelsaftschorle und insgesamt wenig Schlaf mit begeisterten und sehr interessierten Kindern wird bestimmt wiederholt werden, vielleicht schon im kommenden Herbst. Nur durch die Unterstützung vieler Kolleginnen und unserer Kinderbeauftragten Erika Hennig konnte diese erstmalige Aktion - mit Schminken und Vorlesen für fast 40 Kinder - erfolgreich durchgeführt werden. Friedhelm Thermann SBZ Fideliopark Schwerpunkt Kinderkultur Shakespeare für Kinder Theater im Labyrinth Vom 28. Juli. bis 1. August 2003 waren 33 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren, drei Honorarkräfte, drei MitarbeiterInnen der Lok Freimann und eine Praktikantin den seltsamen Geschehnissen in Shakespeares Drama Ein Sommernachtstraum auf der Spur. Mit Hammer und Nägeln, Wäscheleine und Sägen, Schrauben und Holz, Stoff, Styropor, Pinsel, viel Farbe und einigen TextFetzen vom Shakespeare William machten wir uns auf den Weg. Wir schrieben unseren eigenen Sommernachtstraum , bastelten Kulissen, Kobolde und andere seltsame Wesen, tanzten, spielten und sangen uns die Haare vom Kopf und hämmerten außerdem noch ein Baumhaus. Weil die Geschichte vom Shakespeare William und von uns ziemlich verwickelt ist, bauten wir zudem ein begehbares Labyrinth, damit die Zuschauer genauso durch den Sommernachtstraum irren können wie wir. Dieses ganze Chaos wurde am Freitag, den 1. August auf dem Gelände der Lok Freimann von vielen vielen großen und kleinen Menschen bestaunt. Es geschah vor etwa 400 Jahren und begann mit einem Streit: Hermia darf nicht mit Lysander spielen, weil ihr Vater, Egeus, dagegen ist. Sie soll mit Demetrius spielen, der das auch super findet, aber leider mag Hermia Demetrius kein bisschen: Egeus: Der Lysander hat uns eine Vase kaputt gemacht. Du spielst nicht mit ihm. Hermia: Doch! Du magst ihn ja nur nicht, weil er ein Straßenjunge ist und kein Geld hat! Egeus: Die Vase war ein Erbstück von meinem Vater! Du spielst mit dem Demetrius, der ist nett. Er hilft uns immer beim Abspülen. Hermia: Der ist nicht nett, der ist reich. Egeus: Ich bin der König! Du tust was ich Dir sage, ok?! Hermia: Gemein! Zum Zeus mit Dir! Ich geh zum Theseus! Aber Theseus versteht Hermia auch nicht. Er hat sich sogar eine Strafe für sie ausgedacht: Theseus: Ich sperre Dich eine Woche lang in einen Turm. Du kriegst nichts zu essen, nur was zu trinken. Hermia: I would my father looked but with my eyes. Wer ist Theseus eigentlich? Wir haben jemand interviewt, der es wissen muss: Interviewer: Sie haben Theseus gemalt. Maler: Ja. Interviewer: Der ist ja ganz grün. Wieso denn das? Maler: Weil er ein Seemonster ist. Der lebt im Sumpf. Interviewer: Und was macht der in dem Sumpf? Maler: Regieren. Interviewer: Wen regiert er denn? Maler: Die Menschen auf Kreta. Interviewer: Und die lassen sich das gefallen? Maler: Ja. Leider. Interviewer: Wieso regiert der denn im Sumpf? Ist es da gemütlich? Maler: Für ihn schon. Interviewer: Wann hat denn Theseus gelebt? Maler: So 1600. Interviewer: Tss, der ist aber alt. Na dann. Vielen Dank für das Gespräch. Maler. Ja. Bitte. Außerdem gibt es da noch Helena. Sie ist eigentlich eine Freundin von Hermia, aber leider auch sehr eifersüchtig, weil Demetrius Hermia mag und sie selbst links liegen lässt, obwohl Helena Demetrius sautoll findet. Als sie erfährt, dass Lysander Hermia befreien will und die beiden dann zusammen in den Wald fliehen, petzt sie es gleich Demetrius: Helena: Wie geht es Dir? So eingesperrt in einem Turm? Hermia: Schlecht. Helena: Warum? Hermia: Es riecht nach Benzin. Außerdem ist es dunkel. Dunkel und kalt. Helena: Wie kalt ist es denn? Hermia: So zwanzig Grad minus. Helena: Bist du traurig? Hermia: Ja, so einigermaßen. Helena: Vermisst Du Lysander? Hermia: Ja, sehr. Helena: Wann wirst Du ihn wieder sehen? Hermia: Er befreit mich doch heute Nacht um zwei Uhr. Und dann laufen wir von daheim weg. Für immer. In den Wald. Helena: Wie wird er Dich denn befreien? Hermia: Er hat eine Strickleiter dabei. Und vorher muss er wohl zu mir hochklettern – da hat er bestimmt ein bisschen Schwierigkeiten (kichert). Helena (bei sich): Ihr flieht nicht allein. (ab) Hermia und Lysander fliehen also in den Wald, verfolgt von Demetrius, dem wiederum Helena hinterher läuft. Das allein ist schon relativ tragisch: Hermia: Wohin fliehen wir eigentlich? Lysander: Weiß nicht. Dahin, wo Platz ist. Rennen wir einfach durch den Wald. Hermia: Ich kann nicht mehr. Lysander: Ich auch nicht. Und es kommt noch besser. Im Wald gibt es wilde Tiere, Handwerksburschen, we- 17 Foto: Tanja Kopp nig zu essen und Zombies und außerdem wieder einen Streit. Nämlich zwischen den Elfen Oberon und Titania. Oberon ist sauer und heckt einen Plan aus. Er will Titania verhexen und die Menschen, die sich da im Wald neuerdings aufhalten, auch. Zum Verhexen braucht er ein Kraut. Das soll ihm der Kobold Puck besorgen. Puck findet das Kraut, beträufelt aber den falschen Menschen, und sie jagen wieder alle hinter einander her. Puck: Oh ich dummer Kobold, ich. Traurig geht Puck weiter und trifft auf eine Gruppe seltsamer Gestalten, die gerade ein Theaterstück proben. In der Nähe sieht er Titania, die dort schläft. Puck freut sich wieder, denn er hat eine Koboldsidee. Er beträufelt Titania, und sie verliebt sich in einen Esel (der spielt in dem Stück mit). Danach kommt Oberon und rügt Puck. So gemein wollte er eigentlich auch wieder nicht sein. Oberon und Puck brauen zusammen ein Gegengift. Aus Dingen, die ihnen das Publikum bringen soll. Titania wird wieder entzaubert und versöhnt sich mit Oberon. Und Hermia, Helena, Lysander und Demetrius werden endlich richtig rum verhext und gehen glücklich nach Hause. Ihren Eltern sagen sie, dass sie alle zusammen spielen wollen, und die akzeptieren das auch zähneknirschend. Danach durften sich die Zuschauer noch einer Mutprobe stellen und sich mit geschlossenen Augen an einem langen Tau entlang einen Weg aus dem LabyrinthChaos heraus ertasten. Sie fanden sich anschließend unter einem Baumhaus in einem Schleckmuschelregen wieder – umgeben von 33 lachenden Kindern. Tanja Kopp Spiel- und Theaterpädagogin Lok Freimann 18 Schwerpunkt Kinderkultur Die Kunst der Verwandlung „Schminken ist mehr als Farbe im Gesicht“ Schminken, Verkleiden - Kinder- und Weiberkram!!!? Weit gefehlt, wer dies denkt. Schon die Menschen im alten Ägypten, Griechenland und Rom verstanden es, sich mittels verschiedener Schmink- und Verkleidungskünste in ein gutes Licht zu rücken. In Ägypten beispielsweise war die Schminkkunst besonders ausgeprägt. Nicht nur das Gesicht, sondern der ganze Körper wurde mit hellem Puder getönt. Mit dunkler Farbe zeichnete man die Adern nach, damit es echt wirkte. Die Augen wurden durch eine dunkle Umrandung ebenfalls stark betont. Schwarze Perücken und falsche Bärte gehörten zum guten Aussehen dazu. Im alten Griechenland waren Menschen, die weder Schminke noch Duftöle benutzten, verpönt. Sie galten sogar als „Erreger öffentlichen Ärgernisses“. Wer etwas auf sich hielt, ging regelmäßig zum Kosmetiker. Sokrates wurde unter anderem der Vorwurf gemacht, er sei ein schlechtes Vorbild für die Jugend, weil er die Dienste des Kosmetikers nicht so oft in Anspruch nahm. Bei den Römern fand man gekräuselte Haare, Toupets, falsche Augenbrauen und Schönheitspflaster im Gesicht besonders chic. Die Indianer bemalten vor kriegerischen Kämpfen ihre Gesichter und Körper, um ihre Gegner einzuschüchtern. Gleichzeitig galt die Bemalung aber auch als Freund/Feind-Erkennungszeichen. Bei den Naturvölkern sollen Gesichts- und Körperbemalungen Dämonen und Krankheiten abwehren und sind unverzichtbarer Bestandteil von Ritualen. Die Katakalitänzer in Südindien schlüpfen mit Hilfe kunstvoller Gesichtsbemalungen in Frauen- und sonstige Rollen der vielfältigen Foto: Erika Hennig getanzten Erzählungen. Bei uns war das Zeitalter des Barock und des Rokoko eine Blütezeit der Schminkkunst. Männer und Frauen trugen kunstvolle, ausgefallene Perücken und puderten ihre Gesichter pastellfarben. Für Naturvölker in anderen Erdteilen sind auch heute noch rituelle Körperbemalungen und Tätowierungen Teil ihrer Wirklichkeit. Bei uns gelten letztere seit einigen Jahren als chic und zeugen von Gruppenzugehörigkeit. Auch rote, grüne oder blaue Haare sind nicht mehr außergewöhnlich. Anscheinend ist der Wunsch nach Verwandlung des eigenen Äußeren in etwas ganz anderes in vielen Menschen unterschiedlicher Kulturkreise vorhanden. Eine Entsprechung findet er bei den von Kindern unterschiedlichen Alters heiß umlagerten Schminkständen auf Festen und Veranstaltungen. Erika Hennig KJR-Kinderbeauftragte Der Kinder- und Teeny-Mitmachzirkus in den Pfingstferien Zirkus Milbertini Im Rahmen des Pfingstferienprogramms der Jugendeinrichtungen Stadtteilzentrum Milbertshofen und dem „Tasso“ des Kreisjugendring München-Stadt veranstalteten wir heuer zum ersten Mal in Zusammenarbeit mit dem Familienzirkus Roberto den Mitmachzirkus „Milbertini“. Rund 80 Kinder und Teenager im Alter von fünf bis 15 Jahren haben an der Zirkuswoche teilgenommen, wobei der Mädchenanteil deutlich über 50 Prozent lag. Die TeilnehmerInnen hatten die Möglichkeit, während der Zirkuswoche die verschiedensten zirzensischen Künste wie Jonglieren, Seiltanzen, Akrobatik, Clownerie, Trapez, Stelzengehen, Pferdedressur, Voltigieren, Zaubereien und Vertikalseil auszuprobieren. Aber auch Schminktechnik, Requisiten und Kostüme und andere Dinge, die zum Zirkusleben gehören, wurden den TeilnehmerInnen vorgestellt. Angeleitet wurden die Workshops von elf PädagogInnen, zwei Studentinnen der FH München, ehrenamtlichen HelferInnen sowie von Renée Frank und seiner Familie vom Zirkus Roberto. Nach eingehender Schnupperphase während der ersten zwei Tage durch alle Sparten durften sich die Akteure am dritten Tag ihre Wunschdisziplin aussuchen. Dann ging es in die zweite Phase des Zirkusprojekts. Alle kleinen KünstlerInnen übten intensiv an ihren Zirkusnummern, damit dem erlauchten Premieren-Publikum etwas geboten werden konnte. Wie bei einem richtigen Zirkus wurde am Vortag der Galavorstellung nochmal kräftig Werbung im Stadtteil gemacht: Ein Zug mit „Chico“, dem Zwergpferd, und den Stelzengängern, den „Riesen aus Arabien“ und einer lärmender Menge Kinder machte auf die Galavorstellung aufmerksam. Endlich war es soweit….. das Zelt füllte sich mit rund 400 ZuschauerInnnen .Vorhang auf, Manege frei! Das Lampenfieber war bei den kleinen KünstlerInnen natürlich riesengroß. In zweieinhalb Stunden zeigten sie, was sie in der Woche gelernt hatten. Zwei Zirkusdirektorinnen führten das Publikum durch die Reise ins Land der Träume und Phantasien mit den Cobras aus dem Jenseits, die riskante Flugakrobatik zeigten. Atemberaubend waren die Kunststücke der sieben Hängenden aus Afrika am Vertikalseil, an dem sich Adrian, Sophia und die anderen elegant durch die Luft schleudern ließen – ohne Netz und doppelten Boden. Stolz thronten die Mädchen auf den Rücken der Zirkuspferde. Attraktion folgte auf Attraktion. Das Zirkusprojekt ermöglichte den Kindern spielerisch Beweglichkeit und Geschicklichkeit zu schulen, Grenzen zu erfahren und Phantasie und Kreativität anzuregen. Eine Gemeinschaftsunternehmung wie „Zirkus“ fördert soziale Fähigkeiten in vielfältigster Weise und ist eine Bereicherung zum klassischen Sport. Gerade in der heutigen technisierten Welt sind das wichtige Werte. Ein reichhaltiges Arsenal an Requisiten und die Technik des Zirkus Roberto – und vor allem Renée Frank, der Zirkus- Foto: Tasso direktor - machten dieses Projekt erst möglich, das in einem glanzvollen Finale unter vielen bunten Seifenblasen seinen Abschluss fand. Ein letztes Mal riefen die Kinder ihren eigens erfundenen Zirkusspruch: Milbertini ist der Zirkus für uns Kinder klein und fein, denn wir machen tolle Sachen, Spaß und Freude, das muss sein, Akrobatik, Clowns, Pferde und Magie gibt es hier zu sehn, darum sollen alle Leute hier in unseren Zirkus gehen. Lachen, Schwerpunkt 19 staunen ohne Ende bis die Lichter gehen aus, ist der Zirkus dann zu Ende, kriegen wir sehr viel Applaus, denn wir sind die Bambini vom Zirkus Milbertini. Wegen der großen Begeisterung der TeilnehmerInnnen und ihrer Eltern hoffen wir, alle nächstes Jahr wieder beim „Zirkus Milbertini“ begrüßen zu dürfen. Bedanken möchten wir uns für die Unterstützung des Projekts beim Kulturreferat der LH München, bei der Koordinierungsgruppe Milbertshofen des Programms „Soziale Stadt“, beim Stadtjugendamt München und beim Verein „Freundinnen und Freunde Milbertshofen e.V“. Kinderkultur Weiter Infos zum „Zirkus Milbertini“ im Internet unter www.milbertshofen-info.de. Es gibt einen Film von der Galavorstellung auf CD für 15 Euro. Infos bei Marion H a l b r e i t e r, K J T M i l b e r t s h o fe n Te l . 35663192 oder Helmut Gmeinwieser, Stadtteilzentr um Milber tshofen, Tel. 3512354. Marion Halbreiter KJT Milbertshofen „Tasso“ Unsichtbares Theater oder: Wie kinderfreundlich sind die Münchner? Der Freizeittreff „Lerchenauer“ führte eine Theateraktion in S- und U-Bahnen durch um zu testen, ob es erwachsene Menschen gibt, die sich für die Rechte der Kinder einsetzen. Dieses im Projektwettbewerb „München – offen für Kinder“ ausgezeichnete Projekt hatte neben einer politischen Dimension auch das Ziel, Kinder mit neuen, ungewöhnlichen und aufregenden Theaterformen bekannt zu machen. Was ist eigentlich „unsichtbares Theater“? - Eine Theateraufführung ohne Schauspieler? Oder eine Bühne ohne Licht? Solche und ähnliche Ideen hatten die Kinder und Jugendlichen bei einer ersten Umfrage. Tatsächlich ist unsichtbares Theater eine von dem brasilianischen Theaterpädagogen Augosto Boal entwickelte Theaterform, bei der die Zuschauer nicht wissen, dass sie Zuschauer sind, d.h. sie halten das Dargebotene für eine reale Begebenheit. Gemeinsam mit zwei Theaterpädagoginnen entwickelten die Kinder Spielszenen, die sie in öffentlichen Verkehrsmitteln aufführen wollten, um zu testen ob und wie Erwachsene reagieren, wenn Kinder von anderen Erwachsenen ungerecht behandelt werden. Eine dieser Spielszenen sah beispielsweise so aus, dass zwei Mädchen in der S-Bahn einen kleinen Gummiball hin und her werfen. Eine erwachsene Schauspielerin spielt einen Fahrgast, der die Kinder nicht kennt, und fängt an sich lauthals über die ungezogenen Kinder zu beschweren. Als die Kinder weiter Ball spielen, nimmt sie ihnen diesen weg, kramt eine kleine Fingernagelschere aus ihrer Tasche und zersticht den Ball. Eine ziemlich krasse Szene, bei der sich sicher viele Fahrgäste einmischen? Leider nicht. Die meisten Leute blieben stumm, viele schüttelten den Kopf oder murmelten leise missbilligende Worte über das Verhalten unserer Schauspielerin. Manche fanden es sogar gut und gerechtfertigt, dass man spielenden Kindern den Ball kaputt macht. Aber es gab bei insgesamt acht Spielaktionen immerhin drei Personen, die aufgestanden sind und unserer Schauspielerin deutlich ihre Meinung sagten. Zwei bestanden sogar darauf, dass sie den kaputten Ball zu ersetzen habe. Wir trafen auf eine Gruppe junger Leute, die den Kindern riet, die Frau anzuzeigen und auf einen Herrn, der unsere Schauspielerin mit wüsten Schimpfwörtern bedachte, leider nur aus der Ferne. Nach jeder Spielaktion haben wir die Fahrgäste darüber aufgeklärt, dass diese Szene vorher geprobt und nicht real war. Manche Menschen waren darüber beschämt nicht reagiert zu haben, andere verärgert, viele fanden die Aktion aber sehr gut. Uns war es sehr wichtig den Leuten klar zu machen, dass es uns nicht darum geht, uns über ahnungslose Leute lustig zu machen, dass wir stattdessen zum Nachdenken anregen möchten, dass wir die Menschen ermutigen wollen nicht immer weg zu schauen, sondern Zivilcourage zu zeigen. Einige unserer unfreiwilligen Zuschauer waren bereit, uns ein Videointerview zu geben. Auch die Vorbereitungs- und Probearbeiten haben wir auf Video festgehalten, so dass ein 17-minütiger Dokumentarfilm über dieses Projekt entstanden ist, der gerne bei uns angesehen oder ausgeliehen werden kann. Für die Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren, die an diesem Projekt teilgenommen haben, waren die „Vorstellungen“ in der S-Bahn sehr aufregend. Bei der ersten Spielaktion sind wir erst mal 20 Minuten Bahn gefahren, bevor sie sich getraut haben mit dem Ballspielen zu beginnen. Für die Kinder war die Erfahrung, dass fremde Erwachsene sich für sie einsetzen, auch wenn es nur einige Male passierte, sehr beeindruckend und überraschend. Das haben alle nachhaltiger in Erinnerung behalten als die Tatsache, dass die meisten Menschen lieber weggesehen oder das Abteil gewechselt haben. Auch das ist Theater. Theater, das eine unmittelbare Reaktion des „Publikums“ hervorruft. Theater, das vielleicht ein klein wenig bewegt. Und Theater, das noch mehr als herkömmliche Theaterformen das Selbstbewusstsein der Kinder stärkt. Silvia Ober Freizeittreff „Lerchenauer“ 20 Schwerpunkt Kinderkultur Die Bedeutung von Tanz in der Kinderkulturarbeit 6-7-8 und 1 ... „6-7-8 und los“, ruft Thorsten - Choreograph und Tänzer im Musischen Zentrum - in die Gruppe. Elf Mädchen im Alter von 10 bis 13 üben konzentriert ihren Tanz. Gleich nachdem sie fertig sind, fragen Sie: „Waren wir gut?“ – „Na ja, ihr wart nicht schlecht, aber da geht noch mehr…“, und schon tanzt der Tänzer den erwähnten Teil noch mal mit verbaler Beschreibung: „Zwei Schritt vor, 4. Jazzposition nach rechts, gleichzeitig Lock mit der rechten Hand nach rechts oben und auf 6 Lock mit der linken Hand und das Ganze mit mehr Attacke und nicht, als würdet ihr gleich einschlafen!“ Jeden Donnerstagnachmittag, außer in den Ferien, trifft sich eine ehrgeizige Gruppe von elf Mädchen im Tanzraum des Musischen Zentrums zum HipHop-Kurs. Das Musische Zentrum im Herzen von München ist eine überregionale Kinderkultureinrichtung des KJR, die Thorsten Paetzold seit 2001 nach einer neu entwickelten Konzeption leitet. Im pädagogischen Ansatz gleicht das Musische Zentrum im weitesten Sinn einer Jugendkunstschule (Vgl. Mechthild Eickhoff: Jugendkunstschule – Das Handbuch. Unna 2003). Doch im Gegensatz zur Jugendkunstschule sind auch Angebotstypen aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit allgegenwärtig. So zum Beispiel das von einem Team von Kindern geleitete Cafe Cup - das Kindercafe im Musischen Zentrum. Es ist ein wichtiges pädagogisches Ziel in der Kinderkulturarbeit, Kinder und junge Jugendliche (Zielgruppenalter: 6 bis 14 Jahre) an künstlerische Fertigkeiten heranzuführen und ihnen zu vermitteln, dass innovative künstlerische Arbeit auf den Dialog mit anderen Kunstsparten setzt. Der Tanz, wie eingangs erwähnt, macht hier keine Ausnahme. So lernen die Teilnehmenden im HipHop-Kurs nicht nur Bewegungen, sondern sie entdecken sich selbst und entwickeln auf diese Weise ihre Persönlichkeit eigenverantwortlich weiter. Dies fällt zusammen mit der eigenen Entscheidung: „Was will ich?“ und „Was traue ich mir zu?“ Fotos: KJR Gerade im Tanz spielt die Balance zwischen eigener Leiblichkeit und dem eigenen Denken eine wichtige Rolle. Denn nur die Bewegungen, die wirklich sicher beherrscht werden, können in einem zweiten Schritt mit dem individuellen Ausdruck gefüllt werden. Körper, Geist und Seele verbinden sich zu einem Ganzen. In unserem klassischen Bildungssystem wird – wenn überhaupt - darauf nur wenig Rücksicht genommen. Hier ist es wichtig, dass „der Kopf“ funktioniert. Unser Körper wird erst mit 50 beachtet, wenn es hier und da mal zwickt. Doch dann ist es oftmals zu spät. Der Wert der außerschulischen Bildung sollte spätestens nach Pisa nicht unterschätzt werden. Die Bereitschaft zum kulturellen Lernen setzt Lust, Begeisterung, Einsatzbereitschaft, Ziele und nicht zuletzt Sozialkompetenz voraus. In der Tanzgruppe treffen sich alle elf Mädchen, um HipHop in der Gruppe zu erleben. Für eine gute Tanzpräsentation ist es nötig, dass alle zusammenhalten und die vielleicht etwas Schwächeren von den Sicheren unterstützt werden. Nur mit dem Ellenbogen als Beste dazustehen, bringt wenig, wenn die anderen der Gruppe ausdruckslos auf der Bühne mittanzen. Die Tänzerinnen beteiligen sich bei Entwicklung der Tanzstücke rege und lassen so ihre Ideen in die Komposition einfließen. Wie gezeigt, leistet Tanz als ein Angebot im Sektor Kinderkultur einen wichtigen Beitrag zur umfassenden persönlichen Entwicklung von Kindern und jungen Jugendlichen. Nicht zu vergessen sind die durchaus sehr komplexen Bildungsinhalte, die sich die Teilnehmenden in ihrer Freizeit mit viel Lust und Einsatz aneignen. Dabei spielt das Ziel natürliche eine wichtige Rolle: Ein fertiges Tanzstück, das aufgeführt werden kann und für das es einen tollen Applaus gibt. Thorsten Paetzold Musisches Zentrum Einrichtungsübergreifende Aktionen Kinderkultur beim Tollw ood ollwood Kinderkulturarbeit ist seit langem fester Bestandteil der offenen Arbeit mit Kindern. Seit einigen Jahren wird sie mit einrichtungsübergreifenden Veranstaltungen wie „Kids on Stage“, mit Aktionen im Deutschen Museum oder beim AnderArt-Festival und gegenseitiger Unterstützung bei Festen oder Ausstellungen von den Kinderhäusern und Abenteuerspielplätzen forciert. KJR eine gute Gelegenheit, seine Kinderkulturarbeit und die noch junge Projektarbeit ebs (erleben-begegnen-solidarisieren – für Mädchen und Jungs mit und ohne Behinderung) außerhalb der Einrichtungen darzustellen. Der Stellenwert von Tollwood zeigte sich gleich bei der Suche nach MitmacherInnen für die wöchentlichen KJR-Kinderkultur-Tollwood-Tage. Siebzehn Einrichtungen meldeten ganz schnell ihre Teilnahme. Das daraus resultierende Programm spiegelt die bunte Palette der Kinderkultur und des kreativen Gestaltens in den KJR-Einrichtungen. Perlenwebereien, Mandalas aus Sand, Muscheln, Federn und Steinen, Comic- und Portraitmalen, Actionpainting, Filzbälle und Fetischpuppen herstellen, Kreatives aus Ton, Haarbandflechten, Henna Tattoos und natürlich immer wieder Schminkgesichter waren sehr gefragt. Für den sportlichen Bereich standen das KJR-Aerotrimm, ein Trampolin und ein Kicker zur Verfügung. Die jeweils letzte Stunde von 18 bis 19 Uhr rundeten Bühnenauftritte ab. Hier präsentierten die „Crazy Girls“ vom s’Dülfer, die „Little Sis’Stars“ Fotos: Erika Hennig Öffentlichkeitsherstellung und Lobbyarbeit sind wichtige Aspekte der Kinderkulturarbeit. Neue Kooperationen werden gesucht. Und manchmal kommen sie in Form von glücklichen Zufällen und werden ergriffen. Das war im Frühjahr der Fall, und so fand im Sommer zum ersten Mal eine Zusammenarbeit der KJR-Einrichtungen mit dem Tollwood-Festival statt. Das vierwöchige Sommer-Tollwood bereichert jedes Jahr das kulturelle Leben in München. Was als alternatives multikulturelles Angebot anfing, hat sich im Lauf der Zeit zusehends etabliert. Doch probieren die OrganisatorInnen immer wieder Neues aus. Unter dem Titel „Blicke öff- nen – ein neues Zelt für neue Wege“ liest sich dieses so: „Orte, an denen man nicht vor der Realität flieht, sondern an denen das Wesentliche in den Vordergrund rückt, werden immer wichtiger. So ein Ort ist das ‚LebensArt’-Zelt“. Verschiedene Initiativen, Gruppen und Organisationen arbeiten zu Umwelt und sozialen Themen zusammen und zeigen Wege einer für alle Menschen lebenswerteren Welt auf. Dass damit auch Kinder und behinderte (junge) Menschen gemeint sind, machte die Koordinatorin des „LebensArt“-Zeltes gleich in einer ersten Besprechung mit der ebs -Beauftragten und der Kinderbeauftragten des KJR deutlich. Für den www.lagspuk-bayern.de Was tut sich in der Spiel- und Kulturpädagogik? Mit dem frischgebackenen Web-Auftritt der Landesarbeitsgemeinschaft liegt jetzt allen Interessierten ein Panorama kulturpädagogischer Information zu Füßen: Kontaktadressen, Termine, wissenswerte Neuigkeiten, Fortbildungshinweise oder Literaturempfehlungen. Zusätzlich kann man ausgewählte und aktuelle Positionspapiere downloaden. Ein Forum bietet den KollegInnen die Möglichkeit zum Austausch von Tipps und Hinweisen. Mitglieder der LAGSpuK können außerdem über einen eigenen Login selbst Informationen ins Netz stellen. Landesarbeitsgemeinschaft Bayern e.V. Kulturelle Jugendbildung, Kinder- und Jugendkultur, Spiel Wer die Seite nicht nur ausgiebig nutzen, sondern dort auch selbst publizieren will, kann sich in der Geschäftsstelle in Augsburg erkundigen: Katharina Steppe, Albert Greiner Str. 40, 86161 Augsburg, Fax 0821 - 55 90 70, E-Mail: [email protected] und „Dancing She Devils“ vom Soundcafé, die „Yaming Mamies“ vom InterMezzo sowie die DJs aus dem pfiffTEEN ihr Können. Darüber hinaus ergaben sich an anderen Tagen Auftritte von Bands, die in KJREinrichtungen üben, und ein sehr gut besuchter und gelungener VokalmusikAbend des Spectaculum Mundi. Nicht zu vergessen in dieser Aufzählung zwei großartige Auftritte des Theaterprojekts Phönix aus der Asche mit dem Stück „Wildwechsel“. Denn durch den Kontakt von Anne Ziegler-Weißpfennig und Sylvia Schlund wurde diese tolle Tollwood-KJR Kooperation erst möglich. Eine Weiterführung steht an! Das WinterTollwood beginnt am 27. November auf der Theresienwiese. Erika Hennig KJR-Kinderbeauftragte 21 Kinderkultur Schwerpunkt 22 Schwerpunkt Kinderkultur Kinderkultur im Internet Virtuell und kreativ Zukunftsvision 2030: Roboter spielen mit Kindern; Schulen in Gebäuden mit Klassenzimmern und Tafeln gibt es nicht mehr; virtuelle Lernräume hingegen versprechen das „Weltwissen“ spielerisch zu vermitteln; Sozialisation, Kommunikation und (Kinder-)Kultur finden weitgehend im Netz statt. Dieses spekulative Szenario provoziert ein Nachdenken über den derzeitigen Stand der Dinge und mögliche Zukünfte. Digitale Medien verändern unsere gesellschaftlichen Kernbereiche: Kultur, Kunst, Freizeit, Arbeit, Schule, Familie. Technologisierungsprozesse durchdringen unser gesamtes Umfeld. Computer sind nicht nur Werkzeuge oder Vermittler, sie konstruieren ganze Welten, in denen wir rezepieren und agieren. Vor allem das Internet - globaler Wissenspool, „Fenster zur Welt“, Kommunikationsmedium und „zweite Heimat“ - verändert das soziale und kulturelle Leben. Neue Kooperationsformen, Verständigungsebenen und Ausdrucksmöglichkeiten entstehen durch die virtuellen Transportwege von Bits und Bytes. Internet und digitale Medien erfüllen aber nicht nur ihre Funktionen als Informations- und Kommunikationsplattformen, sie eröffnen auch neue ästhetisch-kulturelle Räume. Emotionen, Fantasien, Themen, Wünsche und Vorstellungen können darüber ästhetisch und symbolisch formuliert und ausgedrückt werden. Alte Medien, bzw. Ausdrucksformen werden dabei nicht überflüssig oder aufgehoben. Im Gegenteil: Schrift und Bilder, Musik, Literatur, Theater, Film, Radio und Spiele erfahren neue Dimensionen, werden in erweiterten Konstellationen im Netz oder auf anderen medialen Trägern verwendet. Darin liegt auch der Schlüssel im kulturellen und pädagogischen Umgang mit den Medien. Digitale Medien erfüllen weit mehr Zwecke als nur das Tanken von Wissen oder das Eintauchen in virtuelle Spielwelten. Sie sind auch Gestaltungsmedien, die die kulturellen und künstlerischen Formen des Hier und Jetzt zeitgemäß ausdrücken, vermitteln und ästhetisch aufbereiten können. Durch den Computer sind unterschiedliche Verbindungen und Transformationen zwischen den alten und neuen Medien möglich geworden. Multimediale Möglichkeiten eröffnen Zugänge zu allen kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen. Um diesem Phänomen in der Kunst-, Medien-, Spiel- und Kulturpädagogik gerecht zu werden, gilt es neue Konzepte zu entwickeln, alte tradierte Vorgehensweisen und Einstellungen zu überdenken und im partizipativen Prozess mit Kindern multimediale Experimente zu wagen. Kinder- und Jugendkulturprojekte ermöglichen dabei eine besonders kreative Lernsituation. Kreativität, Fantasie, Erfahrungen und Fähigkeiten werden auf ein gemeinsames Ziel hin eingesetzt. In den Projekten werden vielfältige Möglichkeiten künstlerischen Experimentierens ausprobiert und künstlerische Techniken nicht isoliert vermittelt, sondern vorrangig die sozialen Funktionen des gemeinsamen Gestaltens und Lernens gefördert. Übernehmen Kinder und Jugendliche zusammen Aufgaben in den Projekten, so erwerben sie Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Fähigkeiten zur Lösung von komplexen Problemstellungen und Engagement für sich und andere. Es liegt auf der Hand, dass diese Kompetenzen auch im späteren Berufsleben zum Tragen kommen. Manche Eltern und PädagogInnen sind skeptisch, wenn es darum geht, ihren Kindern Zugang zu den neuen multimedialen Welten zu verschaffen. Das World Wide Web bietet aber gerade Kindern unverzichtbare Chancen und Möglichkeiten (z.B. zur Gestaltung oder Kommunikation), die sie neugierig erkunden, wenn man sie lässt. Der kreative und kompetente Umgang mit den neuen Technologien ist eine notwendige Zukunftskompetenz. Das Angebot des Internets spricht vielfältige Themen an, die auch und manchmal besonders für Kinder relevant sind. Kinder können hier nicht nur passiv konsumieren, sondern aktiv hinterfragen, verändern und selbst produzieren. Abschließend einige Vorschläge für einen kreativ-spielerischen Umgang mit dem Medium Internet in der kulturpädagogischen Praxis: Um die Spreu vom Weizen zu trennen, braucht es Foren und Orte, in denen die Möglichkeiten, Chancen und auch Gefahren des Internets professionell und mit Kindern zusammen erfahren, aufbereitet und getestet werden können. Das können Freizeitzentren, Stadtbibliotheken, Jugendkunstschulen oder Hortgruppen und selbstverständlich auch die Schule sein. Die BetreuerInnen vor Ort sollten dabei über Basiskompetenzen im Umgang mit neuen Medien verfügen. Dafür gibt es immer wieder Fortbildungsangebote von unterschiedlichen Trägern in der medienpädagogischen Landschaft Münchens (Informationen bei der Arbeitsgemeinschaft Interaktiv - c/o Pädagogische Aktion/ SPIELkultur e.V., Tel. 089 2609208) Gute Angebote für den Kinder- und Jugendbereich im Internet gibt es leider immer noch nicht allzu viele. Hier seien einige vorgestellt: kindernetz.de Die virtuelle Kinderstadt des Südwestrundfunks (SWR). Erstellt von fünf Webmasterinnen, die auf die Interessen der Kinder eingehen und diese selbst aktiv mitgestalten lassen. Es gibt darin ein „Wohnviertel“, in dem Kinder ihre eigene Homepage mit Gästebuch und E-MailAustausch direkt über dieses Portal präsentieren. Neben dem eigenen Webauftritt können die UserInnen eigene Clubs gründen, in unterschiedlichen Foren diskutieren und auf Pinnwänden ihre Anliegen loswerden. virtuellewelt.de Dieses Chat-Programm für ältere Kinder und Jugendliche wird vorwiegend von Jugendlichen betreut und gestaltet. Ursprünglich war es ein Projekt des Wannseeforums in Berlin. Jetzt haben jugendliche Webmaster das Ruder in die Hand genommen und bieten Chat-Termine und Aktionen rund ums Internet an. Seitengestaltung – eigene Domain Ich empfehle den Einrichtungen auch selbst Seiten ins Netz zu stellen. Dazu bedarf es keiner großen Programmierkenntnis, im Gegenteil. Ein Editor (z.B. Netscape Composer) ist für einfache Seitengestaltung viel brauchbarer und für Kinder und Jugendlicher auch verständlicher. In Bezug auf Inhalte der Internetseiten sind der Fantasie und der Kreativität (fast) keine Grenzen gestellt. ClipCup Im Rahmen des im Oktober in München stattfindenden „Artespace“ (14.10. bis 2.11.03) wird ein Wettbewerb ausgeschrieben, in dem Kinder und Jugendliche von 10 bis 16 Jahren ein Musikvideo gestalten und einsenden sollen. Es werden sechs Musikstücke im Netz zum Download bereitgestellt (www.artespace. de). Die TeilnehmerInnen sollen zu diesen Songs passende bewegte Bilder zusammenstellen. In Sachen Technik und Software sind keine Einschränkungen vorgegeben. Es werden Daumenkinos, VHS-Kassetten, CDs und Disketten angenommen. Einsendeschluss ist der 26. Oktober 2003, die Preisverleihung findet am 2. November um 15 Uhr im Amazeum am Deutschen Museum statt. Zu gewinnen gibt es Software-Pakete, DVDs und als Hauptpreis einen I-Mac! Mehr Informationen: Pädagogische Aktion/ SPIELkultur e.V. Augustenstr. 47, 80333 München, Tel. 089.2609208 E-Mail: [email protected] Internet: www.pa-spielkultur.de Angelika Bauer Pädagogische Aktion/ SPIELkultur e.V.