K3 8/2003 Schwerpunkt - Kreisjugendring München

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K3 8/2003 Schwerpunkt - Kreisjugendring München
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Schwerpunkt
Kinderkultur
Anmerkungen und Grundsätze
Kinderkultur
In den über 40 Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit des Kreisjugendring MünchenStadt gibt es zahlreiche Angebote der Kinder- und Jugendkulturarbeit. Lange war die öffentliche
Diskussion um Kinder- und Jugendkultur zu sehr von den Auseinandersetzungen auf Landesebene
zwischen Bayerischem Jugendring und anderen freien Trägern kinder- und jugendkultureller
Einrichtungen, bzw. Initiativen geprägt. Diese strebten einen landesweiten Zusammenschluss in
der LAG SpuK (Landesarbeitsgemeinschaft Spiel und Kultur) an und erhoben Anspruch auf die
Zuteilung von Verantwortung und finanziellen Mitteln auf Landesebene.
Durch eine Vielzahl objektivierender Tagungen, Diskussionsforen, aber insbesondere durch den praktischen Vollzug
immer neuer Kooperationsformen, die
Entstehung von institutionsübergreifenden Projekten und durch die in München
forcierte Arbeit am Gesamtkonzept Kinder- und Jugendkulturarbeit hat sich die
Situation geklärt. Das hat auch im KJR
die Diskussion um Kinder- und Jugendkultur wieder auf breiter Basis möglich
gemacht. Und es erklärt seine umfassende und aktive Mitarbeit in der gesamtkommunalen Planung sowie eine Vielzahl
von trägerübergreifenden Projekten und
Veranstaltungen im Bereich der Kinderund Jugendkulturarbeit.
Innerhalb des KJR wird der Arbeitsbereich in der Fachabteilung Kinder - personell abgesichert durch die Kinderbeauftragte - sowie durch den Arbeitskreis Jugendkultur reflektiert und weiterentwickelt.
Seit vielen Jahren deckt der KJR München-Stadt eine breite Palette von Angeboten im Bereich der Kinder- und Jugendkulturarbeit ab. Kinder- und Jugendkulturwerkstätten sind da genauso zu nennen
wie eine Reihe von regionalen Einrichtungen mit Angeboten der Kinder- und Jugendkulturarbeit, kulturelle Großveranstaltungen und Events sowie Einrichtungen mit besonderen kulturellen Schwerpunkten - Medien, Musik, Theater, Ökologie, Bewegung, Politik, Mädchenkultur,
interkulturelle Arbeit.
Ziele und Aufgaben von Kinderkulturarbeit
Kinderkulturarbeit umschließt
■ die Angebote der kulturellen Jugendbildung, die Kinder- und Jugendkultur
als eigenständige „Szenen“ in all ihrer
Vielfalt ermöglichen,
■ Kulturarbeit mit und für Kinder in Form
professioneller Produktionen und Veranstaltungen,
■ alle Formen der kulturpädagogisch orientierten Angebote als professionelle
Vermittlungsarbeit zwischen Kultur(techniken), Kunst und der Zielgruppe
Kinder.
Kinderkulturarbeit sichert Spielräume für
kindliche Phantasien und Experimente,
selbstbestimmte und spielerische Erkundung, für selbstorganisiertes Lernen und
spontanen Selbstausdruck und schafft
Möglichkeiten für Kinder, sich auf die ihnen eigene Art und Weise mit sich und
der Wirklichkeit zu beschäftigen. Spielräume sind im übertragenen wie im realen Sinn zu verstehen. Spielräume für
unterschiedliche Themen, Inhalte, Ausdrucksformen, aber auch in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension.
Kulturorte sind in der Regel Erwachsenen-Kulturorte. Kinder sind in vielen Kultureinrichtungen eher nicht vorgesehen. Eine
für Kinder angemessene Nutzungsmöglichkeit von Kultureinrichtungen zu schaffen, ist Aufgabe von Kinderkulturarbeit
und kultureller Vermittlungstätigkeit.
Darüber hinaus stellt Kinderkulturarbeit
eigene Orte und Anlässe öffentlicher
Kulturarbeit und Kulturangebote für Kinder und Jugendliche zur Verfügung.
Einen besonderen Status nehmen virtuelle Orte in der Kinderkulturarbeit ein.
Einerseits sind hier Kinder und Jugendliche in hohem Maße autonom und kompetent, zum anderen sind Zugang, Möglichkeiten der Teilhabe und Mitgestaltung (als
Voraussetzung zur Entwicklung von
Medienkompetenz) auch in besonderer
Weise erschwert, weil den Kindern Ausstattung, Technik, Know-how und Zeitkontingente fehlen. Kinderkulturarbeit ermöglicht den gleichberechtigten Zugriff
auf diesen Spielraum, vermittelt Möglichkeiten der Gestaltung und des Erwerbs
von Grundkompetenzen.
Freizeit und Kultur sind Bereiche, die fortschreitend kommerzialisiert werden. Davon sind auch und im besonderen Maße
Kinder betroffen. Kinder werden als zahlende Zielgruppe stark umworben. Über die
Möglichkeit der Teilhabe am kulturellen
Leben entscheiden alleine der Geldbeutel
oder die Prioritätensetzung der Eltern.
Bezahlbare Kulturangebote für Kinder zu
organisieren, ist Aufgabe von Kinderkulturarbeit. Dies bezieht sich sowohl auf kulturelle Ereignisse, sogenannte Events und
Feste zu unterschiedlichen Anlässen, als
auch auf ein differenziertes und vielfältiges Angebot von Kursen, Projekten und
Workshops zur Schulung kultureller Ausdrucksfähigkeit. Kindern wird zum einen
überhaupt der Zugang zu unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen
ermöglicht, damit sie selbstbestimmt Nei-
gungen, Interesse und Motivationen entwickeln können. Zum anderen geht es
auch um die gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen in kulturspartenspezifischen Qualifikationen.
Kinderkulturarbeit impliziert öffentliche
Kommunikation, sie zielt auf die Herstellung von (Kinder-) Öffentlichkeit und wirkt
damit in den öffentlichen Raum hinein.
Themen und Inhalte der Kinderkulturarbeit
orientieren sich an allen gesellschaftlichen Phänomenen der Kultur, die für Kinder bedeutsam sind und sein können.
Beispielhaftes und modellhaftes Lernen
ist in Projekten der Kinderkulturarbeit
angelegt. Künstlerischen Produktionen
liegt ein in sich geschlossener Spannungsbogen zugrunde (ausgelöst durch
Material, Inszenierung, Umgebung, Vermittlung), den Kinder von sich aus bereit
sind mitzugehen und mitzugestalten, weil
er ihnen sinnvoll, schlüssig und übersichtlich erscheint. Kinderkulturarbeit vermittelt Kindern sichere Erfolgserlebnisse und
das Gefühl der Selbstwirksamkeit - auch
im öffentlichen Raum. Sie ist von daher
geeignet, sogenannte Schlüsselkompetenzen – wie Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, Informationsmanagement,
Handlungsfähigkeit, sozialkulturelle Kompetenz - zu fördern.
Kinderkultureinrichtungen und kinderkulturelle Angebote differenzieren die
mögliche Bandbreite kultureller und sozialer Lebenspraxis von Kindern in der
Stadt weiter aus und ermöglichen gleichzeitig gestaltende Einflussnahme auf dieses Geschehen. Die Arbeit des Trägers
KJR zielt darauf ab, die Bandbreite auch
künftig zu erweitern.
Kinderkulturarbeit organisiert die Begegnung zwischen professionell arbeitenden
Kulturschaffenden und Kindern. Kinder
sind dabei nicht nur als Rezipienten gefragt, sondern bekommen die Möglichkeit,
mit Künstlern gemeinsam zu arbeiten und
neue Erfahrungen mit Erwachsenen zu
machen, deren Umgang mit Kindern auf
Sachkompetenz beruht.
Rahmenbedingungen
für Kinderkulturarbeit
Kinderkulturarbeit bedarf eigener institutioneller und organisatorischer Bedingungen:
■ erhöhte Einwerbung von Drittmitteln,
Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle
Kinderkulturarbeit fordert dementsprechend eine Reihe neuer Kompetenzen in
den Bereichen Kultur und Kulturmanagement. MitarbeiterInnen in der (Kinder)Kulturarbeit werden bei der Ausweitung und
Ausdifferenzierung ihrer Qualifikationen
unterstützt und dazu ermutigt.
Kinderkulturarbeit ist fortlaufenden Änderungen unterworfen. Ihre Aktualität bezieht sie aus den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe, kulturellen Strömungen und soziokulturellen Entwicklungen. Und sie ist
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orientiert an den laufenden kultur-, bildungs- und sozialpolitischen sowie pädagogischen Diskursen. Dies macht eine
laufende trägerunterstützte Fachdiskussion notwendig. Kinderkulturarbeit ist innovativ, selbstinitiativ und macht eigene
Setzungen innerhalb ihres Arbeitsfeldes.
Dies gelingt insbesondere dann, wenn
Träger der Offenen Jugendarbeit bereit
sind, modellhafte Entwicklungen zu ermöglichen.
Kinderkultur
■ Formen der Zusammenarbeit mit freien Künstlern
■ Verstärkte Kooperationen und Absprachen mit anderen Kinderkultureinrichtungen
■ Neugewichtungen Personal-/ Projektkosten-/ Organisationskostenanteile
■ veränderte Schwerpunkte in der Ausstattung (z.B. für Inszenierungen)
■ neue, an den „Szenen“ und am Bedarf
der Zielgruppe(n) orientierte Öffnungszeiten und räumliche Zugeständnisse
■ eigenständige Öffentlichkeitsarbeit und
Vertriebswege
■ regionale und überregionale (teils internationale) Vernetzung
Schwerpunkt
Margit Maschek-Grüneisl
Aus der „Konzeption Kinderkultur im
Musischen Zentrum“, 30.Mai 2001
Das Kinder- und Jugendprogramm der Münchner Philharmoniker
„Jugend horcht!“
Klar, Kinder und Jugendliche lieben Musik. Sie hören sie meistens von morgens bis
abends: HipHop, Techno, House. Aber Klassik? Nö, zu langweilig, außerdem muss man
sich fürs Konzert schick anziehen. Und teuer ist es auch noch.
„Jugend horcht!“ heißt das Programm der
Münchner Philharmoniker, das den Beweis antritt, dass man in der Philharmonie höchst spannende und abwechslungsreiche Stunden verbringen kann.
Es muss ja für Klassik-Anfänger nicht
gleich eine neunzigminütige BrucknerSinfonie sein. Wenn zum Beispiel einer
der Schlagzeuger des Orchesters sein
aus mehreren Dutzend verschiedener
Instrumente bestehendes Handwerkszeug vorführt, klappt den meisten Besuchern die Kinnlade runter. Und am Ende
dürfen dann Gong, Vibraphon, Tam Tam
oder Pauken selbst ausprobiert werden.
Will jemand wissen, was das Orchester
und der Dirigent in den Proben tun? Eigentlich sind diese hochkonzentrierten
Arbeitsphasen der Öffentlichkeit nicht
zugänglich. Einzige Ausnahme: Schulklassen und Jugendgruppen. Meistens
nimmt sich dann der Dirigent oder ein
Musiker in der Pause auch Zeit und beantwortet Fragen.
Dies sind nur zwei Möglichkeiten, die Kinder und Jugendliche haben, um mehr
über die Arbeit eines weltbekannten Orchesters zu erfahren.
Foto: Philharmonie
24. und 25.1.2004, 15 Uhr, 1.2.2004, 11
und 15 Uhr
Carl-Orff-Saal (Vorverkauf ab 2.12.2003)
Klassen aller Altersstufen geeignet. Für
Vorschulkinder gibt es ein spezielles
Programm. Die Teilnahme ist kostenlos.
Anmeldung erforderlich.
Jugendkonzerte
Öffentliche Generalproben
Vor den Konzerten finden kostenlose Einführungen und Instrumentendemonstrationen mit Musikern des Orchesters statt.
Nächster Termin: 6.11.2003, 19 Uhr
Für Schüler und Studenten ist der Eintritt zu den öffentlichen Generalproben
frei.
Nächste Ter mine: 2. und 30.10.2003,
10 Uhr
Kammerkonzert für Kinder
Probenbesuche/Führungen
Es gibt Angebote für alle Altersstufen von
der Vorschule bis zum Abitur, die meisten
Veranstaltungen sind kostenlos oder kosten maximal soviel wie eine Kinokarte.
Schulklassen und Gruppen von Jugendlichen können den Münchner Philharmonikern bei der Probenarbeit über die
Schulter gucken.
Instrumentendemonstrationen
Musiker stellen ihre Instrumente vor und
führen Stellen aus dem Orchesterrepertoire vor. Diese Veranstaltung ist für
Mehr Termine:
www.muenchnerphilharmoniker.de
Informationen und Anmeldung:
Münchner Philharmoniker
Presse/Marketing/Jugendarbeit
Tel. 089.480 98 5100
Fax 089.480 98 5130
[email protected]
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Schwerpunkt
Kinderkultur
Interview
„Kinder haben gute Musik verdient“
Als ihre Tochter klein war, fiel Margit Sarholz und Werner Meier auf, wie wenig gute Musik es für Kinder
gab. Eher zum Spaß fingen sie an, selber Kindermusik zu machen und wurden vom Erfolg ihrer Lieder
völlig überrascht. Seit nunmehr zehn Jahren stehen sie unter dem Namen „Sternschnuppe“ bei Eltern
wie Kindern hoch im Kurs. Doch was ist eigentlich gute Kindermusik? Gecko Wagner hat nachgefragt.
seien so einfach gestrickt, dass auf jeden Ton eine Silbe und auf jede Silbe ein
Ton gehöre. Wir machen unsere Lieder
vom Standpunkt aus: Kinder sind gute
Zuhörer. Sie hören sich Musik in einer
Intensität und Häufigkeit an, wie’s Erwachsene nie tun würden. Sie können oft
alle Texte von vorn bis hinten auswendig.
Solchen Zuhörern gebührt, dass man ihnen das Beste gibt.
Fotos: Gecko Wagner
Kinderlieder sind wahrscheinlich einfach zu schreiben: Ein flotter Rhythmus, eine lustige Melodie und ein gereimter Text - das klappt dann schon?!
MEIER: Aus unserer Erfahrung: nein.
SARHOLZ: Auf Dauer haben solche Lieder keine Kraft, da braucht’s schon mehr.
Was genau? Fette Beats, coole Sounds
und krasse Texte?
SARHOLZ: Nein, damit schmeißt man
sich zu sehr an Moden und Trends hin,
und das ist in drei Jahren wieder alt. Das
kann und will dann keiner mehr hören. Ein
gutes Kinderlied muss wie Vollkornbrot
sein, nicht wie Sahnetorte. Das heißt, das
Lied muss einen gewissen Gehalt haben,
damit die Kinder was dran zu beißen haben und mit jedem Hören nach und nach
mehr verstehen.
Welchem Kind schmeckt denn Vollkornbrot besser als Sahnetorte?
SARHOLZ: Aber Vollkornbrot kann man
jeden Tag essen und von zu viel Sahnetorte wird einem übel!
MEIER: Mit lalala und bebebe verdienen
sich zwar manche Leute eine goldene
Nase. Aber wir stellen immer wieder fest,
dass Kinder gute Texte lieben. Schauen
wir doch mal die deutsche HipHop-Welle
an. wer hätte denn gedacht, dass sich
die Kids jemals wieder ellenlange deutsche Texte anhören werden? Und dass
sie die auch noch auswendig lernen und
singen wollen? Da hat man die Kids wirklich unterschätzt.
SARHOLZ: Wir nehmen Kinder ernst!
Dazu gehört, sich nicht zu ihnen herabzubeugen. Und nicht zu meinen, Kinder
Das heißt?
SARHOLZ: Zum Beispiel heißt das, fantasievolle Texte mit lustigen Wortspielereien, überraschenden Reimen und humorvollen Hintertürchen. Kinder haben
unglaublich Spaß an so was. Und auch
Spaß an vertrackten Rhythmen, und wenn
dann Musik und Text gut zusammenfließen, dann springen Kinder total drauf an.
Dafür haben sie ein untrügliches Gespür.
Was macht eigentlich ein gutes Kinderlied aus?
MEIER: Auch mit Liebe und Hingabe eingespielte Musik. Bei uns ist jede unserer
Scheiben genauso ernsthaft produziert wie
eine Pop-Produktion für Erwachsene. Pro
CD sind wir mindestens 200 Stunden im
Studio. Das ginge zwar mit dem Computer
schneller, aber bei uns wird alles von guten
Musikern gespielt. Das traurige oder lustige Grundgefühl eines Liedes liegt im Text
und in der Komposition, wird aber von mir
zusammen mit jedem Musiker im Studio
immer wieder neu erarbeitet. Ich bin zum
Beispiel kein Bassist, das heißt umsetzen
muss der Bassist das. Manches kann man
nicht vom Schreibtisch aus komponieren.
Bei schlechten Produktionen gehen die
‘Sequenzer-Burschen’ oft her und schreiben alles durch, aber vom Bass und den
Gefühlen, die dieses Instrument ausdrücken kann, haben sie keine Ahnung.
Jeder Ton in Ihren Liedern stammt also
von echten Instrumenten?
MEIER: Ja, klar. Wir arbeiten mit Musikern zusammen, die ihre Ideen, ihr Können und ihr Improvisationstalent mit reingeben. Gute Musik kann nur durch gute
Musiker auf eine Scheibe kommen, die
bringen Seele rein.
Ist „gute Musik“ letztlich Gefühlssache oder kann man dafür Kriterien aufstellen?
MEIER: Natürlich gibt es Regeln und Kriterien, zum Beispiel die Tonarten haben
alle ihren Charakter, dessen muss man
sich auch bedienen. Natürlich auch die
Taktarten, ein Dreiertakt etwa hat eine
ganz andere Ausstrahlung als ein Vierertakt, ein Tango macht eine ganz andere
Welt auf als ein Reggae oder Walzer.
Kindermusik ist für Sie also eine ernste Sache. Unterscheidet Sie das von
anderen, die Kindermusik machen?
MEIER: Ich denke von einigen schon.
SARHOLZ: In der Kindermusik wird leider
ganz viel mit Computer- oder SchlagerArrangements gearbeitet und weniger mit
den Instrumenten und ihren Charakteren.
MEIER: Da ist die Musik nur der Träger
für den Text
SARHOLZ: Wenn man so was hört, fragt
man sich sofort: Mensch, warum ist da
kein Solo drin? Da ist doch eine Klarinette dabei, warum darf die nicht mal aufspielen? Und wenn es lustig ist, warum
lacht die nicht mit an dieser Stelle?
MEIER: Das mögen Kinder, sie können
oft alle Soli singen, ehrlich wahr! Und deshalb haben sie gute Musik verdient und
gute Musiker, die auf ihren Instrumenten
was zu sagen haben.
Klingt logisch. War Ihnen das von Anfang an klar?
MEIER: Na ja, wir haben es von Anfang
an einfach so gemacht. Vielleicht können
wir gar nicht anders... Manches haben wir
auch gegen alle Regeln gemacht. Viele
meinen, ein Lied sollte nicht länger als
drei oder vier Minuten sein. Wir haben sieben-, acht- und sogar elfminütige Songs.
Aber die Kinder lieben sie heiß und innig.
Wenn es spannend ist, dann hören Kinder auch elf Minuten zu.
Sie wollen mit Ihren Texten gegen Hass
und Intoleranz angehen?
SARHOLZ: Nicht gegen! Wir würden nie
ein Lied gegen Hass oder gegen zu viel
Fernsehen machen. Das funktioniert in
Kinderköpfen auch gar nicht, was hängen bleibt ist nur „Hass“ oder „Fernsehen“. Wir beschäftigen uns eher mit der
anderen Seite. Man kann das Schlechte
in der Welt sowieso nicht bekämpfen,
außer man versucht, was Gutes zu machen. Lieder zum Beispiel, die davon handeln, was man alles spielen kann! Also
etwa Rollerblades, Radlfahren, Gummitwist. Wenn die Kinder genug andere Sachen im Kopf haben, dann denken sie gar
nicht so viel an fernsehen. Entsprechend
geht’s dann in einem Lied von uns nicht
um Fremdenhass, sondern darum, sich
in einen Buben rein zu versetzen, der von
weit her nach Deutschland kommt und
niemanden kennt, der Außenseiter ist. Da
spüren Kinder schon, dass das nicht
schön ist. Dazu braucht’s keinen Refrain
à la „Wir müssen nett zu Fremden sein“!
Müssen Lieder für Kinder pädagogisch
oder politisch korrekt sein?
SARHOLZ: Was heißt pädagogisch? Man
schreibt immer aus seinen Wertvorstellungen raus. Ich möchte daher gar
nicht trennen in pädagogische und weniger pädagogische Lieder.
MEIER: Aber unsere Lieder stinken nie
nach erhobenem Zeigefinger.
Haben Sie also keinen explizit pädagogischen Anspruch?
SARHOLZ. Immer, wenn man etwas für
Kinder macht, ist es per se pädagogisch,
die Frage ist nur, in welche Richtung?
Schließlich beeinflusse ich Kinder damit
auch in der Entwicklung. Da kann ich nicht
behaupten, meine Lieder hätten keine
pädagogische Wirkung. Aber oft wird unter pädagogisch verstanden „mach das
so und tu dies und jenes nicht“.
MEIER: So was gibt’s bei uns nicht, aber
wir haben natürlich eine pädagogische
Verantwortung. Also pädagogischer Anspruch ja, Zeigefinger nein. Und Lust und
Laune muss es machen. Und tabuisierte
Themen aufzugreifen, das macht uns und
den Kindern viel Spaß. Auf unseren neuen
CD „Schlawuzi“ zum Beispiel geht’s viel
ums Pupsen
SARHOLZ (lacht): Man darf den Kindern
ruhig sagen: Pupser gibt’s überall auf der
Welt!
In der Öffentlichkeit ist von Kindermusik eigentlich nie die Rede. Warum?
MEIER: Das stimmt. Aber Kindermusiker
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sind meist auch keine Medienbekanntheiten, abgesehen von Rolf Zuckowski.
SARHOLZ: Während das Kinderbuch,
gleich ob Bilderbuch oder Erzählung, eine
öffentliche Wahrnehmung und Bewertung
findet, gibt es das im Bereich Kindermusik
praktisch nicht. Bei Kindern laufen aber
in bis zu 80 Prozent ihrer Freizeit Tonträger mit Musik oder Hörspielen, wenn auch
oft nur nebenbei. Aber 80 Prozent ist eine
gewaltige Zahl! Bisher waren Eltern und
Pädagogen bei der Beurteilung von Kinder-Tonträgern fast völlig allein gelassen
. Gottseidank gibt es aber zunehmend
öffentliche Beachtung und Wertschätzung
für diesen Bereich wie zum Beispiel über
den ‘Leopold’, den Preis, den die deutschen Musikschulen für herausragende
Produktionen verleihen.
MEIER: Und den wir uns auch schon heim
holen durften.
Kinderkultur
Bei Kindern entwickelt sich der Geschmack für gute oder schlechte Musik erst allmählich. Da bräuchte es
doch eigentlich nicht viel Aufwand!
SARHOLZ: In der Tat entwickelt sich da
vieles erst. Aber gerade deshalb brauchen
Kinder ja Anregung durch gute Texte und
gute Musik!
MEIER: Bei uns bekommen sie eine ganze Palette an Musik angeboten, vom Tango über Volksmusik und Rap bis zum
Bossa Nova ist alles dabei. Das führt auch
zu einer breiteren Toleranz in der Musik!
Apropos Toleranz, das ist auch ein Thema bei uns. Wir freuen uns, wenn unsere
Lieder dazu beitragen, dass Kinder mit
ein paar Vorurteilen weniger aufwachsen
- sei es gegenüber anderen Kulturen oder
fremden Menschen, oder auch nur gegenüber ungewohnter Musik.
Schwerpunkt
Wird mit Kindern heute zu wenig gesungen?
MEIER: Viel zu wenig. Viel zu wenig gesungen und viel zuwenig getanzt!
SARHOLZ: Nicht nur mit Kindern, insgesamt wird zu wenig gesungen. Wie viele
Erwachsene singen denn? Wann haben
sie zum letzten Mal wen auf der Straße
pfeifen hören? Neulich ist wer an mir vorbeigeradelt und hat eine Melodie gepfiffen - da hat’s mich richtig gerissen!
Letzte Frage: Welches Kinderlied aus
Ihrer Kinderzeit fällt Ihnen spontan
ein?
SARHOLZ: (überlegt)...auf der Mauer auf
der Lauer...das war witzig, mit den ganzen Auslassungen.
MEIER: Susi, liebe Susi, was raschelt im
Stroh...von meiner Tante gesungen.
Bücher sind für Kinder wichtig
Lesen mit Genuss
Leseforscher stellen seit Jahren ein verändertes Leseverhalten fest. In
ihrer Lesestudie vom Jahr 2000 hat die Stiftung Lesen ermittelt, dass die
Buchlektüre kontinuierlich zurückgeht und die Leser zunehmend durch
ihren Lesestoff zappen – ähnlich wie Fernsehzuschauer das Fernsehprogramm konsumieren.
Insbesondere für Kinder ist es sehr wichtig, mit ihren Eltern und Lehrkräften über
Bücher zu sprechen. Die Familie hat einen großen Einfluss auf die Lesegewohnheiten der Kinder. Diese Aussagen belegen verschiedene Studien (Stiftung Lesen: Kinder brauchen Bücher, Leseverhalten in Deutschland im neuen Jahrtausend, Lesen ist Familiensache) oder
eine Untersuchung von Renate Köcher
vom Allensbach Institut, um nur einige
stellvertretend zu nennen.
Vom Kleinkind bis zum Jugendlichen spielt
die Buchlektüre eine entscheidende Rol-
le für das Ausdrucksvermögen, die Lesefertigkeit und die Rechtschreibfähigkeit.
Bereits im Kleinkindalter werden die Vorläuferfähigkeiten für Lesefähigkeit und
Lesefreude gelegt. Ein lesefreudiges Elternhaus bietet als Vorbild eine gute
Grundlage für Lesefreude bei Kindern.
Allerdings sollte dafür kein Lesekanon
aufgestellt werden, den die Kinder sozusagen „abarbeiten“ müssen. Wichtig ist,
bereits Kindergartenkindern eine Vielfalt
von Büchern und Zeitschriften als Lesestoff anzubieten. Mit den Elementarbilderbüchern fängt es an und setzt sich
dann über Bilderbücher, Sachbilder-
bücher, Vorlesebücher, Erstlesebücher,
Kinderromane, Gedichte und Reimspiele
sowie Märchen fort. Egal ob zuhause, im
Kindergarten, in der Schule, in der Bibliothek oder anderen Orten der Freizeitgestaltung: Die Atmosphäre beim Lesen
muss stimmen, dann ist Lesen ein Genuss, und die Kinder profitieren automatisch davon. Bei einer Vorlesesituation mit
zusätzlichem Gespräch zum Lesestoff
verbessern die Kinder ihr akustisches und
visuelles Wahrnehmungsvermögen, ihre
Konzentrationsfähigkeit, ihr Ausdrucksvermögen sowie ihre Gedächtnisleistung,
und das Erfassen von komplexen Sachverhalten wird spielerisch geschult.
Grundlegende Voraussetzung dafür ist,
dass das Interesse der Kinder geweckt
wird, dass sie mit Freude und Spaß an
Bücher herangehen. Kreative Wege der
Leseförderung sind zum Beispiel der Ein-
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Schwerpunkt
Kinderkultur
satz von „Ehrenamtlichen Vorlesepaten“
oder „Lesescouts“ oder die Aktionen
„Schnapp dir ein Buch“ oder „Der Welttag
des Buches“ um nur einige Projektbeispiele der Stiftung Lesen zu nennen.
Seit mehr als 25 Jahren gehen Damen und
Herren als Vorlesepaten in Mainz in Kindergärten, Schulen, Bibliotheken und
Krankenhäuser, um dort Kindern Kinderliteratur vorzulesen und darüber zu erzählen. Im Mainzer Vorlesekalender werden
diese Vorlesestunden halbjährlich veröffentlicht. Deutschlandweit engagieren sich
mittlerweile 3.000 Personen in diesem Ehrenamt, und regelrechte Freundschaften
sind zwischen Jung und Alt über die
Kinderliteratur entstanden. Ähnlich engagieren sich in Rheinland-Pfalz die „Lesescouts“. Schüler vermitteln an andere
Schüler ihre Lesefreude mit Buchvorstellungen, Lesenächten, Literaturrätseln
und vieles mehr. Sowohl Lesescouts als
auch ehrenamtliche Vorlesepaten erhalten
von den Referentinnen der Stiftung Lesen
in eintägigen Vorlese-Seminaren praxisnahe Ratschläge und Tipps sowie Buchempfehlungen, um möglichst motivierend
auf ihr Publikum zu wirken. Außerdem
können diese Zielgruppen Mitglieder im
Vorleseclub der Stiftung Lesen werden und
damit weiterhin Leseempfehlungen und
Ratgeberbroschüren erhalten.
Vielfältige Aktionen gibt es jedes Jahr
zum Welttag des Buches, der von der
Deutschen Bahn und Mitsubsihi Motors
sowie Random House unterstützt wird.
Vom Geschenkbuch „Ich schenk dir eine
Geschichte“ über Literaturrätsel und
Leseempfehlungen gibt es immer eine
Menge Anregungen für verschiedene Altersstufen.
Die Aktion „Schnapp dir ein Buch“, die
durch die Förderung durch Coca Cola er-
möglicht wurde, zielte auf die Lesevorlieben der Kinder im Grundschulalter und
in der Sekundarstufe I. Eine Untersuchung
der Pädagogikprofessorin Karin Richter
von der Pädagogischen Hochschule Erfurt hat ermittelt, dass die Lesevorlieben
der Schüler und die Leseempfehlungen
der Lehrkräfte weit auseinander liegen.
Während die Schüler lieber phantastische
Geschichten lesen möchten, empfehlen
die Lehrkräfte realistische Bücher als Lektüre. Die Aktion „Schnapp dir ein Buch“
hat bestätigt, dass Schüler gern zum phantastischen, spannenden oder auch lustigen Lesestoffen greifen.
Alle Projekte der Stiftung Lesen sind auch
auf der Homepage www.StiftungLesen.de
nachzulesen und Materialien können dort
bestellt werden.
Sigrid Strecker
Stiftung Lesen
Erste häuserübergreifende Lesenacht im SBZ-Fideliopark
Zehn Kilo Kartoffelsalat und
otter auf Türkisch
Harr
Harryy P
Potter
Es war nur eine Frage der Zeit, bis es im SBZ-Fideliopark mit seinen vielen Zimmern und
zwei Küchen eine lange Lesenacht mit Übernachtung geben würde. Doch nicht nur für
Kinder von sieben bis zwölf Jahren aus unserem Stadtteil sollte es dieses Angebot – gegen
einen kleinen Unkostenbeitrag – erstmals in den Pfingstferien geben, sondern auch für
andere Kindereinrichtungen des KJR.
Obwohl entsprechend früh geplant und
geworben wurde, sollte dabei noch viel
Platz für die Vorschläge und Ideen der
Kinder bleiben, ebenso für ihre Spontaneität und sonstige „lebendige“ Überraschungen. Eines der Ziele war es, im
Computer- und Videozeitalter durch eine
Lesenacht Lust zu machen aufs gemeinsame Schmökern in einer gemütlichen und
„notenfreien“ Atmosphäre. Dazu wurden
beispielsweise die Zimmer mit Tüchern,
Fallschirmen, Deko-Blumen und Plastikspinnen, Kissen und verschiedener Beleuchtung in Grusel-, Abenteuer-, Märchen- und Sternentraumzimmer verwandelt. Diese gemeinsame Deko-Aktion fand
unmittelbar nach der Begrüßung der Kinder statt. Bevor das große Lesen anfing,
gab es noch andere abenteuerliche Sachen - wie beispielsweise Abendessen für
über 40 Kids - zu erledigen. Für einige
Kinder war es die erste Übernachtung in
unserem Haus. Entsprechend aufgeregt
und erkundungsfreudig erforschten sie
alle Räume und Spielgeräte wie Billard,
Kicker und Tischtennis. Natürlich wurde
nicht nonstop gelesen, zumal das Wetter
schön war und viele Außenaktivitäten
möglich waren: Hofspielaktionen mit Gaukeleien, Seifenblasen, Wasserschlacht
Foto: Erika Hennig
und Spielplatzbesuch im Dunkeln. Allein
das gemeinsame Abendessen im Freien
an einer riesigen, langen Tafel bei insgesamt zehn Kilo Kartoffelsalat, Wiener
Würstchen und Fischstäbchen war für
viele der zum Teil aus Kleinfamilien stammenden Mädchen und Jungs ein Abenteuer. Und dann wurde endlich gelesen mit Kuscheltier und Lieblingskopfkissen:
neue Bücher und auch Lieblingsbücher,
die die BesucherInnen mitgebracht hatten. Auch eine gut gemischte Bücherspende vom Schneider- und Weltbild-
verlag wurde eifrig angelesen. Es gab
immer wieder kleine Stärkungspausen mit
Obst, Eis, Keksen und Getränken. Sogar
ein paar Kapitel Harry Potter auf Türkisch
konnten wir genießen. Die kurze Nacht
verbrachten die Mädchen und Jungs
schön getrennt auf großen Matratzenlagern. Um sechs Uhr waren die Ersten
schon wieder aktiv und freuten sich auf
das große Frühstück.
Diese Leseaktion mit vielen Büchern und
Geschichten, vom Vorlesen heiseren
BetreuerInnen, acht geleerten Kästen
Apfelsaftschorle und insgesamt wenig
Schlaf mit begeisterten und sehr interessierten Kindern wird bestimmt wiederholt
werden, vielleicht schon im kommenden
Herbst. Nur durch die Unterstützung vieler Kolleginnen und unserer Kinderbeauftragten Erika Hennig konnte diese
erstmalige Aktion - mit Schminken und
Vorlesen für fast 40 Kinder - erfolgreich
durchgeführt werden.
Friedhelm Thermann
SBZ Fideliopark
Schwerpunkt
Kinderkultur
Shakespeare für Kinder
Theater im Labyrinth
Vom 28. Juli. bis 1. August 2003 waren 33 Kinder im Alter von sechs bis
zehn Jahren, drei Honorarkräfte, drei MitarbeiterInnen der Lok Freimann
und eine Praktikantin den seltsamen Geschehnissen in Shakespeares
Drama Ein Sommernachtstraum auf der Spur.
Mit Hammer und Nägeln, Wäscheleine und
Sägen, Schrauben und Holz, Stoff, Styropor, Pinsel, viel Farbe und einigen TextFetzen vom Shakespeare William machten wir uns auf den Weg. Wir schrieben
unseren eigenen Sommernachtstraum ,
bastelten Kulissen, Kobolde und andere
seltsame Wesen, tanzten, spielten und
sangen uns die Haare vom Kopf und hämmerten außerdem noch ein Baumhaus.
Weil die Geschichte vom Shakespeare
William und von uns ziemlich verwickelt
ist, bauten wir zudem ein begehbares Labyrinth, damit die Zuschauer genauso
durch den Sommernachtstraum irren können wie wir. Dieses ganze Chaos wurde
am Freitag, den 1. August auf dem Gelände der Lok Freimann von vielen vielen großen und kleinen Menschen bestaunt.
Es geschah vor etwa 400 Jahren und
begann mit einem Streit: Hermia darf nicht
mit Lysander spielen, weil ihr Vater, Egeus,
dagegen ist. Sie soll mit Demetrius spielen, der das auch super findet, aber leider
mag Hermia Demetrius kein bisschen:
Egeus: Der Lysander hat uns eine Vase
kaputt gemacht. Du spielst nicht mit
ihm.
Hermia: Doch! Du magst ihn ja nur nicht,
weil er ein Straßenjunge ist und kein
Geld hat!
Egeus: Die Vase war ein Erbstück von
meinem Vater! Du spielst mit dem
Demetrius, der ist nett. Er hilft uns
immer beim Abspülen.
Hermia: Der ist nicht nett, der ist reich.
Egeus: Ich bin der König! Du tust was ich
Dir sage, ok?!
Hermia: Gemein! Zum Zeus mit Dir! Ich
geh zum Theseus!
Aber Theseus versteht Hermia auch nicht.
Er hat sich sogar eine Strafe für sie ausgedacht:
Theseus: Ich sperre Dich eine Woche lang
in einen Turm. Du kriegst nichts zu essen, nur was zu trinken.
Hermia: I would my father looked but with
my eyes.
Wer ist Theseus eigentlich? Wir haben
jemand interviewt, der es wissen muss:
Interviewer: Sie haben Theseus gemalt.
Maler: Ja.
Interviewer: Der ist ja ganz grün. Wieso
denn das?
Maler: Weil er ein Seemonster ist. Der lebt
im Sumpf.
Interviewer: Und was macht der in dem
Sumpf?
Maler: Regieren.
Interviewer: Wen regiert er denn?
Maler: Die Menschen auf Kreta.
Interviewer: Und die lassen sich das gefallen?
Maler: Ja. Leider.
Interviewer: Wieso regiert der denn im
Sumpf? Ist es da gemütlich?
Maler: Für ihn schon.
Interviewer: Wann hat denn Theseus gelebt?
Maler: So 1600.
Interviewer: Tss, der ist aber alt. Na dann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Maler. Ja. Bitte.
Außerdem gibt es da noch Helena. Sie ist
eigentlich eine Freundin von Hermia, aber
leider auch sehr eifersüchtig, weil Demetrius Hermia mag und sie selbst links liegen lässt, obwohl Helena Demetrius sautoll findet. Als sie erfährt, dass Lysander
Hermia befreien will und die beiden dann
zusammen in den Wald fliehen, petzt sie
es gleich Demetrius:
Helena: Wie geht es Dir? So eingesperrt
in einem Turm?
Hermia: Schlecht.
Helena: Warum?
Hermia: Es riecht nach Benzin. Außerdem
ist es dunkel. Dunkel und kalt.
Helena: Wie kalt ist es denn?
Hermia: So zwanzig Grad minus.
Helena: Bist du traurig?
Hermia: Ja, so einigermaßen.
Helena: Vermisst Du Lysander?
Hermia: Ja, sehr.
Helena: Wann wirst Du ihn wieder sehen?
Hermia: Er befreit mich doch heute Nacht
um zwei Uhr. Und dann laufen wir von
daheim weg. Für immer. In den Wald.
Helena: Wie wird er Dich denn befreien?
Hermia: Er hat eine Strickleiter dabei. Und
vorher muss er wohl zu mir hochklettern – da hat er bestimmt ein
bisschen Schwierigkeiten (kichert).
Helena (bei sich): Ihr flieht nicht allein.
(ab)
Hermia und Lysander fliehen also in den
Wald, verfolgt von Demetrius, dem wiederum Helena hinterher läuft. Das allein
ist schon relativ tragisch:
Hermia: Wohin fliehen wir eigentlich?
Lysander: Weiß nicht. Dahin, wo Platz ist.
Rennen wir einfach durch den Wald.
Hermia: Ich kann nicht mehr.
Lysander: Ich auch nicht.
Und es kommt noch besser. Im Wald gibt
es wilde Tiere, Handwerksburschen, we-
17
Foto: Tanja Kopp
nig zu essen und Zombies und außerdem wieder einen Streit. Nämlich zwischen den Elfen Oberon und Titania.
Oberon ist sauer und heckt einen Plan
aus. Er will Titania verhexen und die Menschen, die sich da im Wald neuerdings
aufhalten, auch. Zum Verhexen braucht
er ein Kraut. Das soll ihm der Kobold Puck
besorgen. Puck findet das Kraut, beträufelt aber den falschen Menschen, und sie
jagen wieder alle hinter einander her.
Puck: Oh ich dummer Kobold, ich.
Traurig geht Puck weiter und trifft auf eine
Gruppe seltsamer Gestalten, die gerade
ein Theaterstück proben. In der Nähe sieht
er Titania, die dort schläft. Puck freut sich
wieder, denn er hat eine Koboldsidee.
Er beträufelt Titania, und sie verliebt sich
in einen Esel (der spielt in dem Stück mit).
Danach kommt Oberon und rügt Puck. So
gemein wollte er eigentlich auch wieder
nicht sein.
Oberon und Puck brauen zusammen ein
Gegengift. Aus Dingen, die ihnen das Publikum bringen soll. Titania wird wieder
entzaubert und versöhnt sich mit Oberon.
Und Hermia, Helena, Lysander und Demetrius werden endlich richtig rum verhext und gehen glücklich nach Hause.
Ihren Eltern sagen sie, dass sie alle zusammen spielen wollen, und die akzeptieren das auch zähneknirschend.
Danach durften sich die Zuschauer noch
einer Mutprobe stellen und sich mit geschlossenen Augen an einem langen Tau
entlang einen Weg aus dem LabyrinthChaos heraus ertasten. Sie fanden sich
anschließend unter einem Baumhaus in
einem Schleckmuschelregen wieder –
umgeben von 33 lachenden Kindern.
Tanja Kopp
Spiel- und Theaterpädagogin
Lok Freimann
18
Schwerpunkt
Kinderkultur
Die Kunst der Verwandlung
„Schminken ist mehr als
Farbe im Gesicht“
Schminken, Verkleiden - Kinder- und Weiberkram!!!? Weit gefehlt, wer dies denkt. Schon
die Menschen im alten Ägypten, Griechenland und Rom verstanden es, sich mittels
verschiedener Schmink- und Verkleidungskünste in ein gutes Licht zu rücken.
In Ägypten beispielsweise war die Schminkkunst besonders ausgeprägt. Nicht nur das
Gesicht, sondern der ganze Körper wurde
mit hellem Puder getönt. Mit dunkler Farbe
zeichnete man die Adern nach, damit es
echt wirkte. Die Augen wurden durch eine
dunkle Umrandung ebenfalls stark betont.
Schwarze Perücken und falsche Bärte gehörten zum guten Aussehen dazu.
Im alten Griechenland waren Menschen,
die weder Schminke noch Duftöle benutzten, verpönt. Sie galten sogar als „Erreger öffentlichen Ärgernisses“. Wer etwas
auf sich hielt, ging regelmäßig zum
Kosmetiker. Sokrates wurde unter anderem der Vorwurf gemacht, er sei ein
schlechtes Vorbild für die Jugend, weil er
die Dienste des Kosmetikers nicht so oft
in Anspruch nahm.
Bei den Römern fand man gekräuselte
Haare, Toupets, falsche Augenbrauen
und Schönheitspflaster im Gesicht besonders chic.
Die Indianer bemalten vor kriegerischen
Kämpfen ihre Gesichter und Körper, um
ihre Gegner einzuschüchtern. Gleichzeitig galt die Bemalung aber auch als
Freund/Feind-Erkennungszeichen. Bei
den Naturvölkern sollen Gesichts- und
Körperbemalungen Dämonen und Krankheiten abwehren und sind unverzichtbarer
Bestandteil von Ritualen. Die Katakalitänzer in Südindien schlüpfen mit Hilfe
kunstvoller Gesichtsbemalungen in Frauen- und sonstige Rollen der vielfältigen
Foto: Erika Hennig
getanzten Erzählungen. Bei uns war das
Zeitalter des Barock und des Rokoko eine
Blütezeit der Schminkkunst. Männer und
Frauen trugen kunstvolle, ausgefallene
Perücken und puderten ihre Gesichter
pastellfarben. Für Naturvölker in anderen
Erdteilen sind auch heute noch rituelle
Körperbemalungen und Tätowierungen
Teil ihrer Wirklichkeit. Bei uns gelten letztere seit einigen Jahren als chic und zeugen von Gruppenzugehörigkeit. Auch
rote, grüne oder blaue Haare sind nicht
mehr außergewöhnlich. Anscheinend ist
der Wunsch nach Verwandlung des eigenen Äußeren in etwas ganz anderes in
vielen Menschen unterschiedlicher Kulturkreise vorhanden. Eine Entsprechung
findet er bei den von Kindern unterschiedlichen Alters heiß umlagerten Schminkständen auf Festen und Veranstaltungen.
Erika Hennig
KJR-Kinderbeauftragte
Der Kinder- und Teeny-Mitmachzirkus in den Pfingstferien
Zirkus Milbertini
Im Rahmen des Pfingstferienprogramms der Jugendeinrichtungen Stadtteilzentrum Milbertshofen
und dem „Tasso“ des Kreisjugendring München-Stadt veranstalteten wir heuer zum ersten Mal in
Zusammenarbeit mit dem Familienzirkus Roberto den Mitmachzirkus „Milbertini“.
Rund 80 Kinder und Teenager im Alter von
fünf bis 15 Jahren haben an der Zirkuswoche teilgenommen, wobei der Mädchenanteil deutlich über 50 Prozent lag.
Die TeilnehmerInnen hatten die Möglichkeit, während der Zirkuswoche die verschiedensten zirzensischen Künste wie
Jonglieren, Seiltanzen, Akrobatik, Clownerie, Trapez, Stelzengehen, Pferdedressur, Voltigieren, Zaubereien und
Vertikalseil auszuprobieren. Aber auch
Schminktechnik, Requisiten und Kostüme und andere Dinge, die zum Zirkusleben gehören, wurden den TeilnehmerInnen vorgestellt.
Angeleitet wurden die Workshops von elf
PädagogInnen, zwei Studentinnen der FH
München, ehrenamtlichen HelferInnen
sowie von Renée Frank und seiner Familie vom Zirkus Roberto.
Nach eingehender Schnupperphase während der ersten zwei Tage durch alle Sparten durften sich die Akteure am dritten Tag
ihre Wunschdisziplin aussuchen. Dann
ging es in die zweite Phase des Zirkusprojekts. Alle kleinen KünstlerInnen übten
intensiv an ihren Zirkusnummern, damit
dem erlauchten Premieren-Publikum etwas geboten werden konnte. Wie bei einem richtigen Zirkus wurde am Vortag der
Galavorstellung nochmal kräftig Werbung
im Stadtteil gemacht: Ein Zug mit „Chico“,
dem Zwergpferd, und den Stelzengängern,
den „Riesen aus Arabien“ und einer lärmender Menge Kinder machte auf die Galavorstellung aufmerksam.
Endlich war es soweit….. das Zelt füllte
sich mit rund 400 ZuschauerInnnen .Vorhang auf, Manege frei! Das Lampenfieber war bei den kleinen KünstlerInnen
natürlich riesengroß. In zweieinhalb Stunden zeigten sie, was sie in der Woche
gelernt hatten. Zwei Zirkusdirektorinnen
führten das Publikum durch die Reise ins
Land der Träume und Phantasien mit den
Cobras aus dem Jenseits, die riskante
Flugakrobatik zeigten. Atemberaubend
waren die Kunststücke der sieben Hängenden aus Afrika am Vertikalseil, an dem
sich Adrian, Sophia und die anderen elegant durch die Luft schleudern ließen –
ohne Netz und doppelten Boden. Stolz
thronten die Mädchen auf den Rücken der
Zirkuspferde. Attraktion folgte auf Attraktion.
Das Zirkusprojekt ermöglichte den Kindern spielerisch Beweglichkeit und Geschicklichkeit zu schulen, Grenzen zu
erfahren und Phantasie und Kreativität
anzuregen. Eine Gemeinschaftsunternehmung wie „Zirkus“ fördert soziale Fähigkeiten in vielfältigster Weise und ist
eine Bereicherung zum klassischen Sport.
Gerade in der heutigen technisierten Welt
sind das wichtige Werte.
Ein reichhaltiges Arsenal an Requisiten
und die Technik des Zirkus Roberto – und
vor allem Renée Frank, der Zirkus-
Foto: Tasso
direktor - machten dieses Projekt erst
möglich, das in einem glanzvollen Finale
unter vielen bunten Seifenblasen seinen
Abschluss fand. Ein letztes Mal riefen die
Kinder ihren eigens erfundenen Zirkusspruch:
Milbertini ist der Zirkus für uns Kinder
klein und fein, denn wir machen tolle Sachen, Spaß und Freude, das muss sein,
Akrobatik, Clowns, Pferde und Magie gibt
es hier zu sehn, darum sollen alle Leute
hier in unseren Zirkus gehen. Lachen,
Schwerpunkt
19
staunen ohne Ende bis die Lichter gehen
aus, ist der Zirkus dann zu Ende, kriegen
wir sehr viel Applaus, denn wir sind die
Bambini vom Zirkus Milbertini.
Wegen der großen Begeisterung der
TeilnehmerInnnen und ihrer Eltern hoffen
wir, alle nächstes Jahr wieder beim „Zirkus Milbertini“ begrüßen zu dürfen.
Bedanken möchten wir uns für die Unterstützung des Projekts beim Kulturreferat
der LH München, bei der Koordinierungsgruppe Milbertshofen des Programms
„Soziale Stadt“, beim Stadtjugendamt
München und beim Verein „Freundinnen
und Freunde Milbertshofen e.V“.
Kinderkultur
Weiter Infos zum „Zirkus Milbertini“ im
Internet unter www.milbertshofen-info.de.
Es gibt einen Film von der Galavorstellung auf CD für 15 Euro. Infos bei Marion
H a l b r e i t e r, K J T M i l b e r t s h o fe n Te l .
35663192 oder Helmut Gmeinwieser,
Stadtteilzentr um Milber tshofen, Tel.
3512354.
Marion Halbreiter
KJT Milbertshofen „Tasso“
Unsichtbares Theater oder:
Wie kinderfreundlich sind die Münchner?
Der Freizeittreff „Lerchenauer“ führte eine Theateraktion in S- und U-Bahnen durch um zu testen, ob es
erwachsene Menschen gibt, die sich für die Rechte der Kinder einsetzen. Dieses im Projektwettbewerb „München – offen für Kinder“ ausgezeichnete Projekt hatte neben einer politischen Dimension auch das Ziel, Kinder
mit neuen, ungewöhnlichen und aufregenden Theaterformen bekannt zu machen.
Was ist eigentlich „unsichtbares Theater“?
- Eine Theateraufführung ohne Schauspieler? Oder eine Bühne ohne Licht? Solche
und ähnliche Ideen hatten die Kinder und
Jugendlichen bei einer ersten Umfrage. Tatsächlich ist unsichtbares Theater eine von
dem brasilianischen Theaterpädagogen
Augosto Boal entwickelte Theaterform, bei
der die Zuschauer nicht wissen, dass sie
Zuschauer sind, d.h. sie halten das Dargebotene für eine reale Begebenheit.
Gemeinsam mit zwei Theaterpädagoginnen entwickelten die Kinder Spielszenen,
die sie in öffentlichen Verkehrsmitteln aufführen wollten, um zu testen ob und wie
Erwachsene reagieren, wenn Kinder von
anderen Erwachsenen ungerecht behandelt werden. Eine dieser Spielszenen sah
beispielsweise so aus, dass zwei Mädchen
in der S-Bahn einen kleinen Gummiball hin
und her werfen. Eine erwachsene Schauspielerin spielt einen Fahrgast, der die Kinder nicht kennt, und fängt an sich lauthals
über die ungezogenen Kinder zu beschweren. Als die Kinder weiter Ball spielen,
nimmt sie ihnen diesen weg, kramt eine
kleine Fingernagelschere aus ihrer Tasche
und zersticht den Ball. Eine ziemlich krasse Szene, bei der sich sicher viele Fahrgäste einmischen? Leider nicht. Die meisten Leute blieben stumm, viele schüttelten
den Kopf oder murmelten leise missbilligende Worte über das Verhalten unserer
Schauspielerin. Manche fanden es sogar
gut und gerechtfertigt, dass man spielenden Kindern den Ball kaputt macht. Aber
es gab bei insgesamt acht Spielaktionen
immerhin drei Personen, die aufgestanden
sind und unserer Schauspielerin deutlich
ihre Meinung sagten. Zwei bestanden
sogar darauf, dass sie den kaputten Ball
zu ersetzen habe. Wir trafen auf eine Gruppe junger Leute, die den Kindern riet, die
Frau anzuzeigen und auf einen Herrn, der
unsere Schauspielerin mit wüsten
Schimpfwörtern bedachte, leider nur aus
der Ferne. Nach jeder Spielaktion haben
wir die Fahrgäste darüber aufgeklärt, dass
diese Szene vorher geprobt und nicht real
war. Manche Menschen waren darüber beschämt nicht reagiert zu haben, andere
verärgert, viele fanden die Aktion aber
sehr gut. Uns war es sehr wichtig den Leuten klar zu machen, dass es uns nicht
darum geht, uns über ahnungslose Leute
lustig zu machen, dass wir stattdessen
zum Nachdenken anregen möchten, dass
wir die Menschen ermutigen wollen nicht
immer weg zu schauen, sondern Zivilcourage zu zeigen.
Einige unserer unfreiwilligen Zuschauer
waren bereit, uns ein Videointerview zu
geben. Auch die Vorbereitungs- und Probearbeiten haben wir auf Video festgehalten, so dass ein 17-minütiger Dokumentarfilm über dieses Projekt entstanden ist, der gerne bei uns angesehen
oder ausgeliehen werden kann.
Für die Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren, die an diesem Projekt teilgenommen
haben, waren die „Vorstellungen“ in der
S-Bahn sehr aufregend. Bei der ersten
Spielaktion sind wir erst mal 20 Minuten
Bahn gefahren, bevor sie sich getraut
haben mit dem Ballspielen zu beginnen.
Für die Kinder war die Erfahrung, dass
fremde Erwachsene sich für sie einsetzen, auch wenn es nur einige Male passierte, sehr beeindruckend und überraschend. Das haben alle nachhaltiger in
Erinnerung behalten als die Tatsache,
dass die meisten Menschen lieber weggesehen oder das Abteil gewechselt haben. Auch das ist Theater. Theater, das
eine unmittelbare Reaktion des „Publikums“ hervorruft. Theater, das vielleicht
ein klein wenig bewegt. Und Theater, das
noch mehr als herkömmliche Theaterformen das Selbstbewusstsein der Kinder stärkt.
Silvia Ober
Freizeittreff „Lerchenauer“
20
Schwerpunkt
Kinderkultur
Die Bedeutung von Tanz in der Kinderkulturarbeit
6-7-8 und 1 ...
„6-7-8 und los“, ruft Thorsten - Choreograph und Tänzer im Musischen Zentrum - in die Gruppe. Elf
Mädchen im Alter von 10 bis 13 üben konzentriert ihren Tanz. Gleich nachdem sie fertig sind, fragen
Sie: „Waren wir gut?“ – „Na ja, ihr wart nicht schlecht, aber da geht noch mehr…“, und schon tanzt
der Tänzer den erwähnten Teil noch mal mit verbaler Beschreibung: „Zwei Schritt vor, 4. Jazzposition
nach rechts, gleichzeitig Lock mit der rechten Hand nach rechts oben und auf 6 Lock mit der linken
Hand und das Ganze mit mehr Attacke und nicht, als würdet ihr gleich einschlafen!“
Jeden Donnerstagnachmittag, außer in
den Ferien, trifft sich eine ehrgeizige
Gruppe von elf Mädchen im Tanzraum des
Musischen Zentrums zum HipHop-Kurs.
Das Musische Zentrum im Herzen von
München ist eine überregionale Kinderkultureinrichtung des KJR, die Thorsten
Paetzold seit 2001 nach einer neu entwickelten Konzeption leitet. Im pädagogischen Ansatz gleicht das Musische Zentrum im weitesten Sinn einer Jugendkunstschule (Vgl. Mechthild Eickhoff: Jugendkunstschule – Das Handbuch. Unna
2003). Doch im Gegensatz zur Jugendkunstschule sind auch Angebotstypen
aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit allgegenwärtig. So zum Beispiel das
von einem Team von Kindern geleitete
Cafe Cup - das Kindercafe im Musischen
Zentrum.
Es ist ein wichtiges pädagogisches Ziel
in der Kinderkulturarbeit, Kinder und junge Jugendliche (Zielgruppenalter: 6 bis 14
Jahre) an künstlerische Fertigkeiten heranzuführen und ihnen zu vermitteln, dass
innovative künstlerische Arbeit auf den
Dialog mit anderen Kunstsparten setzt.
Der Tanz, wie eingangs erwähnt, macht
hier keine Ausnahme. So lernen die Teilnehmenden im HipHop-Kurs nicht nur
Bewegungen, sondern sie entdecken sich
selbst und entwickeln auf diese Weise ihre
Persönlichkeit eigenverantwortlich weiter.
Dies fällt zusammen mit der eigenen Entscheidung: „Was will ich?“ und „Was traue
ich mir zu?“
Fotos: KJR
Gerade im Tanz spielt die Balance zwischen eigener Leiblichkeit und dem eigenen Denken eine wichtige Rolle. Denn nur
die Bewegungen, die wirklich sicher beherrscht werden, können in einem zweiten Schritt mit dem individuellen Ausdruck
gefüllt werden. Körper, Geist und Seele
verbinden sich zu einem Ganzen. In unserem klassischen Bildungssystem wird
– wenn überhaupt - darauf nur wenig
Rücksicht genommen. Hier ist es wichtig,
dass „der Kopf“ funktioniert. Unser Körper wird erst mit 50 beachtet, wenn es
hier und da mal zwickt. Doch dann ist es
oftmals zu spät.
Der Wert der außerschulischen Bildung
sollte spätestens nach Pisa nicht unterschätzt werden. Die Bereitschaft zum
kulturellen Lernen setzt Lust, Begeisterung, Einsatzbereitschaft, Ziele und nicht
zuletzt Sozialkompetenz voraus. In der
Tanzgruppe treffen sich alle elf Mädchen,
um HipHop in der Gruppe zu erleben. Für
eine gute Tanzpräsentation ist es nötig,
dass alle zusammenhalten und die vielleicht etwas Schwächeren von den Sicheren unterstützt werden. Nur mit dem Ellenbogen als Beste dazustehen, bringt
wenig, wenn die anderen der Gruppe ausdruckslos auf der Bühne mittanzen. Die
Tänzerinnen beteiligen sich bei Entwicklung der Tanzstücke rege und lassen so
ihre Ideen in die Komposition einfließen.
Wie gezeigt, leistet Tanz als ein Angebot
im Sektor Kinderkultur einen wichtigen
Beitrag zur umfassenden persönlichen
Entwicklung von Kindern und jungen Jugendlichen. Nicht zu vergessen sind die
durchaus sehr komplexen Bildungsinhalte, die sich die Teilnehmenden in ihrer Freizeit mit viel Lust und Einsatz aneignen.
Dabei spielt das Ziel natürliche eine wichtige Rolle: Ein fertiges Tanzstück, das
aufgeführt werden kann und für das es
einen tollen Applaus gibt.
Thorsten Paetzold
Musisches Zentrum
Einrichtungsübergreifende Aktionen
Kinderkultur beim Tollw
ood
ollwood
Kinderkulturarbeit ist seit langem fester Bestandteil der offenen Arbeit
mit Kindern. Seit einigen Jahren wird sie mit einrichtungsübergreifenden Veranstaltungen wie „Kids on Stage“, mit Aktionen im Deutschen
Museum oder beim AnderArt-Festival und gegenseitiger Unterstützung
bei Festen oder Ausstellungen von den Kinderhäusern und Abenteuerspielplätzen forciert.
KJR eine gute Gelegenheit, seine Kinderkulturarbeit und die noch junge Projektarbeit ebs (erleben-begegnen-solidarisieren – für Mädchen und Jungs mit und
ohne Behinderung) außerhalb der Einrichtungen darzustellen. Der Stellenwert von
Tollwood zeigte sich gleich bei der Suche
nach MitmacherInnen für die wöchentlichen KJR-Kinderkultur-Tollwood-Tage.
Siebzehn Einrichtungen meldeten ganz
schnell ihre Teilnahme.
Das daraus resultierende Programm spiegelt die bunte Palette der Kinderkultur und
des kreativen Gestaltens in den KJR-Einrichtungen. Perlenwebereien, Mandalas
aus Sand, Muscheln, Federn und Steinen,
Comic- und Portraitmalen, Actionpainting,
Filzbälle und Fetischpuppen herstellen,
Kreatives aus Ton, Haarbandflechten,
Henna Tattoos und natürlich immer wieder
Schminkgesichter waren sehr gefragt.
Für den sportlichen Bereich standen das
KJR-Aerotrimm, ein Trampolin und ein Kicker zur Verfügung. Die jeweils letzte Stunde von 18 bis 19 Uhr rundeten Bühnenauftritte ab. Hier präsentierten die „Crazy
Girls“ vom s’Dülfer, die „Little Sis’Stars“
Fotos: Erika Hennig
Öffentlichkeitsherstellung und Lobbyarbeit
sind wichtige Aspekte der Kinderkulturarbeit. Neue Kooperationen werden gesucht. Und manchmal kommen sie in Form
von glücklichen Zufällen und werden ergriffen. Das war im Frühjahr der Fall, und
so fand im Sommer zum ersten Mal eine
Zusammenarbeit der KJR-Einrichtungen
mit dem Tollwood-Festival statt.
Das vierwöchige Sommer-Tollwood bereichert jedes Jahr das kulturelle Leben in
München. Was als alternatives multikulturelles Angebot anfing, hat sich im Lauf
der Zeit zusehends etabliert. Doch probieren die OrganisatorInnen immer wieder
Neues aus. Unter dem Titel „Blicke öff-
nen – ein neues Zelt für neue Wege“ liest
sich dieses so: „Orte, an denen man nicht
vor der Realität flieht, sondern an denen
das Wesentliche in den Vordergrund
rückt, werden immer wichtiger. So ein Ort
ist das ‚LebensArt’-Zelt“. Verschiedene
Initiativen, Gruppen und Organisationen
arbeiten zu Umwelt und sozialen Themen
zusammen und zeigen Wege einer für alle
Menschen lebenswerteren Welt auf. Dass
damit auch Kinder und behinderte (junge)
Menschen gemeint sind, machte die
Koordinatorin des „LebensArt“-Zeltes
gleich in einer ersten Besprechung mit
der ebs -Beauftragten und der Kinderbeauftragten des KJR deutlich. Für den
www.lagspuk-bayern.de
Was tut sich in der Spiel- und Kulturpädagogik?
Mit dem frischgebackenen Web-Auftritt
der Landesarbeitsgemeinschaft liegt jetzt
allen Interessierten ein Panorama kulturpädagogischer Information zu Füßen:
Kontaktadressen, Termine, wissenswerte Neuigkeiten, Fortbildungshinweise
oder Literaturempfehlungen. Zusätzlich
kann man ausgewählte und aktuelle
Positionspapiere downloaden. Ein Forum
bietet den KollegInnen die Möglichkeit zum
Austausch von Tipps und Hinweisen.
Mitglieder der LAGSpuK können außerdem über einen eigenen Login selbst Informationen ins Netz stellen.
Landesarbeitsgemeinschaft Bayern e.V.
Kulturelle Jugendbildung, Kinder- und
Jugendkultur, Spiel
Wer die Seite nicht nur ausgiebig nutzen,
sondern dort auch selbst publizieren will,
kann sich in der Geschäftsstelle in Augsburg erkundigen:
Katharina Steppe,
Albert Greiner Str. 40, 86161 Augsburg,
Fax 0821 - 55 90 70,
E-Mail: [email protected]
und „Dancing She Devils“ vom Soundcafé, die „Yaming Mamies“ vom InterMezzo sowie die DJs aus dem pfiffTEEN
ihr Können.
Darüber hinaus ergaben sich an anderen
Tagen Auftritte von Bands, die in KJREinrichtungen üben, und ein sehr gut besuchter und gelungener VokalmusikAbend des Spectaculum Mundi.
Nicht zu vergessen in dieser Aufzählung
zwei großartige Auftritte des Theaterprojekts Phönix aus der Asche mit dem
Stück „Wildwechsel“. Denn durch den
Kontakt von Anne Ziegler-Weißpfennig
und Sylvia Schlund wurde diese tolle
Tollwood-KJR Kooperation erst möglich.
Eine Weiterführung steht an! Das WinterTollwood beginnt am 27. November auf
der Theresienwiese.
Erika Hennig
KJR-Kinderbeauftragte
21
Kinderkultur
Schwerpunkt
22
Schwerpunkt
Kinderkultur
Kinderkultur im Internet
Virtuell und kreativ
Zukunftsvision 2030: Roboter spielen mit Kindern; Schulen in Gebäuden mit
Klassenzimmern und Tafeln gibt es nicht mehr; virtuelle Lernräume hingegen versprechen das „Weltwissen“ spielerisch zu vermitteln; Sozialisation,
Kommunikation und (Kinder-)Kultur finden weitgehend im Netz statt.
Dieses spekulative Szenario provoziert
ein Nachdenken über den derzeitigen
Stand der Dinge und mögliche Zukünfte.
Digitale Medien verändern unsere gesellschaftlichen Kernbereiche: Kultur, Kunst,
Freizeit, Arbeit, Schule, Familie. Technologisierungsprozesse durchdringen unser
gesamtes Umfeld.
Computer sind nicht nur Werkzeuge oder
Vermittler, sie konstruieren ganze Welten,
in denen wir rezepieren und agieren. Vor
allem das Internet - globaler Wissenspool,
„Fenster zur Welt“, Kommunikationsmedium und „zweite Heimat“ - verändert
das soziale und kulturelle Leben.
Neue Kooperationsformen, Verständigungsebenen und Ausdrucksmöglichkeiten entstehen durch die virtuellen
Transportwege von Bits und Bytes. Internet und digitale Medien erfüllen aber nicht
nur ihre Funktionen als Informations- und
Kommunikationsplattformen, sie eröffnen
auch neue ästhetisch-kulturelle Räume.
Emotionen, Fantasien, Themen, Wünsche
und Vorstellungen können darüber ästhetisch und symbolisch formuliert und ausgedrückt werden. Alte Medien, bzw. Ausdrucksformen werden dabei nicht überflüssig oder aufgehoben. Im Gegenteil:
Schrift und Bilder, Musik, Literatur, Theater, Film, Radio und Spiele erfahren neue
Dimensionen, werden in erweiterten Konstellationen im Netz oder auf anderen
medialen Trägern verwendet. Darin liegt
auch der Schlüssel im kulturellen und
pädagogischen Umgang mit den Medien.
Digitale Medien erfüllen weit mehr Zwecke als nur das Tanken von Wissen oder
das Eintauchen in virtuelle Spielwelten. Sie
sind auch Gestaltungsmedien, die die kulturellen und künstlerischen Formen des
Hier und Jetzt zeitgemäß ausdrücken,
vermitteln und ästhetisch aufbereiten können. Durch den Computer sind unterschiedliche Verbindungen und Transformationen zwischen den alten und neuen
Medien möglich geworden. Multimediale
Möglichkeiten eröffnen Zugänge zu allen
kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen.
Um diesem Phänomen in der Kunst-, Medien-, Spiel- und Kulturpädagogik gerecht
zu werden, gilt es neue Konzepte zu entwickeln, alte tradierte Vorgehensweisen
und Einstellungen zu überdenken und im
partizipativen Prozess mit Kindern multimediale Experimente zu wagen.
Kinder- und Jugendkulturprojekte ermöglichen dabei eine besonders kreative
Lernsituation. Kreativität, Fantasie, Erfahrungen und Fähigkeiten werden auf ein
gemeinsames Ziel hin eingesetzt. In den
Projekten werden vielfältige Möglichkeiten künstlerischen Experimentierens
ausprobiert und künstlerische Techniken
nicht isoliert vermittelt, sondern vorrangig die sozialen Funktionen des gemeinsamen Gestaltens und Lernens gefördert. Übernehmen Kinder und Jugendliche zusammen Aufgaben in den Projekten, so erwerben sie Kompetenzen wie
Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Fähigkeiten zur Lösung von komplexen Problemstellungen und Engagement für sich und andere. Es liegt auf
der Hand, dass diese Kompetenzen
auch im späteren Berufsleben zum Tragen kommen.
Manche Eltern und PädagogInnen sind
skeptisch, wenn es darum geht, ihren Kindern Zugang zu den neuen multimedialen
Welten zu verschaffen. Das World Wide
Web bietet aber gerade Kindern unverzichtbare Chancen und Möglichkeiten
(z.B. zur Gestaltung oder Kommunikation), die sie neugierig erkunden, wenn man
sie lässt. Der kreative und kompetente
Umgang mit den neuen Technologien ist
eine notwendige Zukunftskompetenz.
Das Angebot des Internets spricht vielfältige Themen an, die auch und manchmal
besonders für Kinder relevant sind. Kinder können hier nicht nur passiv konsumieren, sondern aktiv hinterfragen, verändern und selbst produzieren.
Abschließend einige Vorschläge für einen
kreativ-spielerischen Umgang mit dem
Medium Internet in der kulturpädagogischen Praxis:
Um die Spreu vom Weizen zu trennen,
braucht es Foren und Orte, in denen die
Möglichkeiten, Chancen und auch Gefahren des Internets professionell und mit
Kindern zusammen erfahren, aufbereitet
und getestet werden können. Das können Freizeitzentren, Stadtbibliotheken,
Jugendkunstschulen oder Hortgruppen
und selbstverständlich auch die Schule
sein. Die BetreuerInnen vor Ort sollten
dabei über Basiskompetenzen im Umgang
mit neuen Medien verfügen. Dafür gibt es
immer wieder Fortbildungsangebote von
unterschiedlichen Trägern in der medienpädagogischen Landschaft Münchens
(Informationen bei der Arbeitsgemeinschaft Interaktiv - c/o Pädagogische Aktion/ SPIELkultur e.V., Tel. 089 2609208)
Gute Angebote für den Kinder- und
Jugendbereich im Internet gibt es leider
immer noch nicht allzu viele. Hier seien
einige vorgestellt:
kindernetz.de
Die virtuelle Kinderstadt des Südwestrundfunks (SWR). Erstellt von fünf Webmasterinnen, die auf die Interessen der
Kinder eingehen und diese selbst aktiv
mitgestalten lassen. Es gibt darin ein
„Wohnviertel“, in dem Kinder ihre eigene
Homepage mit Gästebuch und E-MailAustausch direkt über dieses Portal präsentieren. Neben dem eigenen Webauftritt können die UserInnen eigene Clubs
gründen, in unterschiedlichen Foren diskutieren und auf Pinnwänden ihre Anliegen loswerden.
virtuellewelt.de
Dieses Chat-Programm für ältere Kinder
und Jugendliche wird vorwiegend von
Jugendlichen betreut und gestaltet. Ursprünglich war es ein Projekt des Wannseeforums in Berlin. Jetzt haben jugendliche Webmaster das Ruder in die Hand
genommen und bieten Chat-Termine und
Aktionen rund ums Internet an.
Seitengestaltung – eigene Domain
Ich empfehle den Einrichtungen auch
selbst Seiten ins Netz zu stellen. Dazu
bedarf es keiner großen Programmierkenntnis, im Gegenteil. Ein Editor (z.B.
Netscape Composer) ist für einfache
Seitengestaltung viel brauchbarer und für
Kinder und Jugendlicher auch verständlicher. In Bezug auf Inhalte der Internetseiten sind der Fantasie und der Kreativität (fast) keine Grenzen gestellt.
ClipCup
Im Rahmen des im Oktober in München
stattfindenden „Artespace“ (14.10. bis
2.11.03) wird ein Wettbewerb ausgeschrieben, in dem Kinder und Jugendliche von 10 bis 16 Jahren ein Musikvideo
gestalten und einsenden sollen. Es werden sechs Musikstücke im Netz zum
Download bereitgestellt (www.artespace.
de). Die TeilnehmerInnen sollen zu diesen Songs passende bewegte Bilder zusammenstellen. In Sachen Technik und
Software sind keine Einschränkungen
vorgegeben. Es werden Daumenkinos,
VHS-Kassetten, CDs und Disketten angenommen. Einsendeschluss ist der 26.
Oktober 2003, die Preisverleihung findet
am 2. November um 15 Uhr im Amazeum
am Deutschen Museum statt. Zu gewinnen gibt es Software-Pakete, DVDs und
als Hauptpreis einen I-Mac!
Mehr Informationen:
Pädagogische Aktion/ SPIELkultur e.V.
Augustenstr. 47, 80333 München,
Tel. 089.2609208
E-Mail: [email protected]
Internet: www.pa-spielkultur.de
Angelika Bauer
Pädagogische Aktion/ SPIELkultur e.V.

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