Warum The Housemaid?

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Warum The Housemaid?
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Carte Blanche to: NIFFF
Warum The Housemaid?
Von Anaïs Emery, künstlerische Leiterin des Neuchâtel International Fantastic Film Festival
D Als mir Thierry Jobin die
diesjährige Carte Blanche anbot,
machte er mich auf die Rolle des
FIFF als Plattform für Filme, die
in unseren Breitengraden kaum
gezeigt werden, aufmerksam.
Ich dachte sofort an den
Horror-Thriller The Housemaid
von Kim Ki-young (1960). Das
Werk ist ein Meilenstein in der
Geschichte des südkoreanischen Kinos und besticht formal
mit überwältigenden SchwarzWeiss Bildern. Diese faszinierende Geschichte zeigt, wie eine
mittelständische Familie von der
Hausangestellten in einen zerstörerischen Sog aus Sex und
Gewalt gezogen wird und daran
zerbricht.
The Housemaid ist eine finstere Geschichte um häusliche
Gewalt, Triebe und soziale Spannungen vor dem Hintergrund der
bewegten südkoreanischen Vergangenheit. Der Film entstand
zur Zeit der zweiten Republik (1960-1962), einer der wenigen politischen Perioden, in der
das filmische Schaffen kaum
zensiert wurde. Kim Ki-young
nutzt den Moment und dreht
einen radikalen Film, um brennende Themen einer Epoche in
der die konservativen Werte der
aufstrebenden Mittelschicht in
Frage gestellt werden zu thematisieren. Dieser psychosexuelle
Thriller beschäftigt ihn so sehr,
dass er drei (mehr oder weniger
offizielle) Remakes dreht. Anerkennung erhält er erst Mitte der
1990er-Jahre, als The Housemaid den Durchbruch im Westen schafft. Der Bekanntheitsgrad des Films steigt nochmals,
als Im Sang-soo, der führende
Regisseur der koreanischen
Nouvelle Vague, sein Remake
ankündigt. Diese sehr persönliche Version des Klassikers, die
2010 bei den Filmfestspielen von
Cannes im offiziellen Wettbewerb gezeigt wurde, porträtiert
auf bissige Weise das heutige
Korea, in dem der wohlhabenden
Mittelschicht, unverhältnismässige Rechte zugestanden werden. Die neue Hausangestellte
in einer reichen, gutbürgerlichen Familie muss mit den Konsequenzen ihrer Affäre mit dem
Hausherrn kämpfen. Im Sangsoo verwandelt diese Erzählung
in ein magisches Kinoerlebnis.
Die Eleganz der Bilder und die
bedrückende Atmosphäre ziehen das Publikum in den Bann
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und versetzen es in eine Art Hypnose, die durch den brutalen
Schluss abrupt beendet wird.
Zum zweiten Mal prägt die
Rache einer Hausangestellten
die Geschichte des südkoreanischen Kinos und die ihres Autors.
Wie stark The Housemaid fasziniert, wird angesichts der Tatsache deutlich, dass Im Sang-soo
2012 The Taste of Money herausbringt, um sich darin erneut
Themen wie Sex und Rausch der
Macht zu widmen.
Am FIFF 2013 präsentiert Im
Sang-soo diese drei Filme persönlich.